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Bundesblatt 97. Jahrgang.

Bern, den 1. März 1945.

Band I.

Erscheint In der Segel alle 14 Tage. Preis SO Franken im Jahr, 10 Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Erlass eines Bundesbeschlusses über vorübergehende zusätzliche Beitragsleistung des Bundes an die anerkannten Krankenkassen.

* (Vom 27. Februar 1945.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir haben die Ehre, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über vorübergehende zusätzliche Beitragsleistung des Bundes an anerkannte Krankenkassen zu unterbreiten.

I. Die ordentlichen Bundesbeiträge im Gebiete der Krankenversicherung.

Die ordentlichen Bundesbeiträge im Gebiete der Krankenversicherung werden in den Art. 85, 87 und 38 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) und, soweit sie die TuberkuloseVersicherung als besondern Zweig der Krankenversicherung betreffen, in Art. 32 der bundesrätlichen Verordnung I vom 19. Januar 1944 über Tuberkuloseversicherung geregelt.

1. Den Krankenkassen, welche die im Kranken- und Unfallversicherungsgesetz festgesetzten Bedingungen erfüllen (anerkannte Krankenkassen) werden nach Art. 35 dieses Gesetzes, auf das Mitglied und das ganze Jahr gerechnet, folgende Bundesbeiträge gewährt: Fr. 3.50 für Kinder bis und mit dem Jahre, in dem sie das 14. Altersjahr zurücklegen ; Fr. 3.50 für über diesem Alter stehende männliche Versicherte, denen die Kasse ärztliche Behandlung und Arznei oder ein tägliches Krankengeld von mindestens l Franken gewährt; Fr. 4.-- für über dem erwähnten Alter stehende weibliche Versicherte, unter den gleichen Voraussetzungen wie für die Männer; Bundesblatt.

97. Jahrg.

Bd. I.

17

226 Fr. 5.-- für die über dem genannten Alter stehenden männlichen oder weiblichen Versicherten, denen die Kasse sowohl ärztliche Behandlung und Arznei als ein tägliches Krankengeld von mindestens l Franken gewährt.

Diese Beiträge werden um je 50 Eappen erhöht für die Versicherten, denen die Kasse in Krankheitsfällen die Versicherungsleistungen nicht nur für 180 im Laufe von 860 aufeinanderfolgenden Tagen, sondern für 860 im Laufe von 540 aufeinanderfolgenden Tagen ausrichtet. Ferner richtet der Bund nach Art. 85 KUVG den Kassen einen Beitrag von 20 Franken für jedes Wochenbett aus; dieser Beitrag wird auf 40 Franken erhöht für die Wöchnerinnen, die auf das in Art. 14, Abs. 4, des Gesetzes festgesetzte Stillgeld von 20 Franken Anspruch haben.

Gemäss Art. 37 KUVG bezahlt der Bund in dünn bevölkerten Gebirgsgegenden mit geringer Wegsamkeit den Kassen für jedes versicherte Mitglied einen Gebirgszuschlag bis zu 7 Franken auf das ganze Jahr berechnet.

Nach Art. 15 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1928 betreffend Massnahmen gegen die Tuberkulose kann der Bund den anerkannten Krankenkassen oder Verbänden von solchen, welche in ihren Statuten für Behandlung und Pflege Tuberkulöser besondere, nach Umfang oder Dauer über die im Kranken- und ünfallversicherungsgesetz festgesetzten Pflichtleistungen hinausgehende Aufwendungen vorsehen, bis zur Eevision des letztern Gesetzes besondere Beiträge gewähren, die unmittelbar vom Bundesrate ausgerichtet werden. In Ausführung dieser Bestimmung werden vom Bund den Kassenund Kassenverbänden, die ihren tuberkulösen Mitgliedern bestimmte Sonderleistungen gewähren, von einer gewissen Kurdauer an tägliche Kurbeiträge an die Kosten des Aufenthaltes dieser Mitglieder in anerkannten Heilanstalten ausgerichtet. Diese Beiträge wurden zunächst in der Verordnung des Bundesrates vom 81. März 1981 in der Krankenpflegeversicherung auf l Franken für Kinder und l Franken 50 Eappen für Erwachsene je Verpflegungstag und in der Krankengeldversicherung auf die Hälfte, des ausbezahlten Taggeldes, jedoch höchstens auf 2 Franken für den einzelnen Verpflegungstag festgesetzt.

Durch die Verordnung II vom 5. April 1943 über Beitragsleistung des Bundes an Tuberkulose versicherungsträger wurden diese Beiträge für die Krankenpflegeversicherung vorläufig für die Jahre 1943 und 1944 und später
durch die bereits .erwähnte, alle frühern Ausführungsbestimmungen über die Tuberkuloseversicherung aufhebende bundesrätliche Verordnung I vom 19. Januar 1944 über Tuberkuloseversicherung ohne zeitliche Begrenzung erhöht, so dass die Beitragsleistungen des Bundes für die Tuberkuloseversicherung jetzt betragen: a. in der K r a n k e n p f l e g e V e r s i c h e r u n g die Hälfte des von den Versicherungsträgern den tuberkulösen Mitgliedern an die Aufenthaltskosten in einer Heilanstalt geleisteten täglichen Kurbeitrages, höchstens jedoch l Franken 50 Bappen für Kinder und 2 Franken für Erwachsene je Verpflegungstag;

227 fc, in der K r a n k e n g e l d v e r s i c h e r u n g die Hälfte des auszurichtenden Taggeldes, höchstens jedoch 2 Franken je Verpflegungstag.

2. Den Kantonen für sich und zuhanden ihrer Gemeinden gewährt der Bund gestützt auf Art. 37 KUVG in dünn bevölkerten Gebirgsgegenden mit geringer Wogsamkeit einen Beitrag an Einrichtungen, die die Verbilligung der Krankenpflege oder der Geburtshilfe bezwecken, bis zur Höhe des Gesamtbetrages der von Kantonen, Gemeinden und Privaten geleisteten Summen, höchstens aber im Ausmasse von 8 Pranken jährlich, auf den Kopf der beteiligten Bevölkerung gerechnet. Nach Art. 88 KUVG endlich leistet der Bund den Kantonen und Gemeinden, welche die Krankenversicherung allgemein oder für einzelne Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklären und die die Beiträge dürftiger Kassenmitglieder ganz oder teilweise auf sich nehmen, Beiträge bis auf einen Drittel dieser Auslagen.

3. Gestützt auf diese Bestimmungen richtete der Bund für das Jahr 1948 folgende Beiträge aus: a, Beiträge für Männer, Frauen und Kinder gemäss Art, 35, Abs. 1. und 2, KUVG Fr. 9941085.50 &. Wochenbettbeiträge und Stillgelder (Art. 35, Abs. 8, KUVG) » 1552440.-- c. Gobirgsxuschläge gemäss Art. 87, Abs. l, KUVG .

» 706866.50 d. Beiträge an die Tuberkiiloseversicherung » 997 005.20 e. Beiträge an die Kantone oder Gemeinden, die in dünn bevölkerten Gebirgsgegenden mit geringer Wegsamkeit Einrichtungen unterstützen, welche die Verbilligung der Krankenpflege oder der Geburtshilfe bezwecken (Art. 37, Abs. 2, KUVG) . .

» 268625.-- /. Beiträge an die von Kantonen oder Gemeinden übernommenen Versicherungsprämien für dürftige, obligatorisch versicherte Kassenmitglieder (Art. 38 KUVG) » 262989.-- Insgesamt betragen, die für das Jahr 1943 vom Bunde auf dem Gebiete der Krankenversicherung (eigentliche Krankenversicherung und Tuberkuloseversicherung) aasgerichteten Bundesbeiträge somit

Fr.-13 728 461.20

II. Die frühern ausserordentlichen Beiträge an die anerkannten Krankenkassen und der Subventionsabbau durch die verschiedenen Finanzprogramme.

1. In den Jahren 1919 und 1920 wurden für die Frauenvcrsicherung und an die Mehrausgaben der Kassen für die Grippeepidemie zusammen 3 868 427 Franken als ausserordentliche Bundesbeiträge gewährt.

In den Jahren 1924 bis 1941 richtete der Bund auf Grund wiederholter Bundosbeschlüsse (vom 21. Dezember 1928, 22. Dezember 1927, 21. Juni

228 1932, 23. Dezember 1936 und 21. September 1989) für die Krankenversicherung jährlich eine ausserordentliche Subvention von l Million Franken aus, die unter den Kassen nach einem bestimmten, die Krankenpflege- und die Frauenversicherung besonders berücksichtigenden Schlüssel verteilt wurde. Der Bund trug damit der nach dem Inkrafttreten des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes (1. Januar 1914) eingetretenen Geldentwertung sowie insbesondere der infolge der medizinischen Entwicklung und des an vielen Orten dringend nötigen Ausbaus der Versicherungsleistungen entstandenen Verteuerung der Krankenversicherung, vor allem der Krankenpflegeversicherung, Bechnung. Da es sich bei den Bundesbeiträgen für die Krankenversicherung um sogenannte Kopfbeiträge handelt, d. h. um Beiträge, die nicht in einem bestimmten Prozentsätze der Aufwendungen der Kassen bestehen, sondern je Versicherter und Jahr berechnet werden, hätten ohne zusätzliche Bundessubventionen die Versicherten die den Kassen durch diese Verteuerung erwachsenen Mehrauslagen allem aufbringen müssen. Durch die ausserordentliche jährliche Bundessubvention konnte wenigstens ein Teil dieser Mehraufwendungen zugunsten der Versicherten aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden.

Durch den Bundesratsbeschluss vom 20. Juni 1936 gewährte der Bund ausserdein den anerkannten Kassen mit freiwilliger Krankenversicherung für die Jahre 1986 und 1937 eine ausserordentliche Subvention von höchstens 300 000 Franken jährlich zur teilweisen Übernahme von Ausfällen an Mitgliederbeiträgen, die infolge der Wirtschaftskrise entstanden waren. Diese Subvention, welche verhältnisinässig wenig beansprucht wurde, fiel 1938 weg.

2. Im Gegensatz zu diesen ausserordentlichen Subventionen mussten auch den anerkannten Krankenkassen und den durch das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz bedachten Kantonen und Gemeinden im Zusammenhang mit der Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichtes im Bundeshaushalt erstmals im Jahre 1933 gewisse Opfer zugemutet werden. Man war sich aber der besondern Natur der Subventionen für die Krankenversicherung bewusst und anerkannte insbesondere, dass ihre zu weitgehende Kürzung schwerwiegende Folgen für die Entwicklung der Versicherung haben müsste, um so mehr, als die ausserordentliche Bundessubvention bei weitem keinen Ausgleich für die
Verteuerung der Versicherungsleistungen gebracht hatte.

Deshalb sahen die verschiedenen Finanzprogramme für die Krankenversicherung, und dabei insbesondere für die Beiträge an die Krankenkassen, eine Milderung des allgemeinen Subventionsabbaues vor. Trotzdem konnte zuletzt durch diesen Abbau immerhin eine jährliche Ersparnis von rund 1,1 Millionen Franken erzielt werden.

3. Dieses Nebeneinander von sich gegenseitig aufhebenden Massnahmen hat sich jedoch nicht bewährt. Der Bundesrat hat deshalb am 8. Juli 1941 unter dem Vorbehalt Ihrer Zustimmung beschlossen, mit Wirkung ab 1942 einerseits den in Art. 10 und 11 der Finanzordnung von 1989/1941 vorgeschriebenen Abbau der Subventionen aufzuheben und anderseits auf die Bewilligung

229 ausserordentlicher Beiträge zu verzichten. Diese Kegelung wurde in den Bundesbeschluss vom 11. Dezember 1941 über die Aufstellung des Voranschlages für das Jahr 1942 aufgenommen. Gestützt darauf werden den anerkannten Krankenkassen seit dem Jahre 1942 wieder die ordentlichen Bundessubventionen auf Grund der unter Ziffer I aufgeführton Bestimmungen in vollem Umfange ausgerichtet.

III. Die neuen ausserordentlichen Bundesbeiträge an die anerkannten Krankenkassen.

In der vom Bundesrat als Postulat entgegengenommenen Motion Schneider vom Juni 1942 wird vorgeschlagen, entweder den Art. 85 KUVG vorgängig der Totalrevision dieses Gesetzes zu revidieren oder auf andere Weise für eine namhafte Erhöhung der Bundesbeiträge für die obligatorisch für Krankenpflege versicherten Mitglieder der anerkannten Krankenkassen zu sorgen.

Von Seite des Konkordates der schweizerischen Krankenkassen ging dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement am 11. Juni 1948 eine Eingabe zu, mit dem Ersuchen um eine Erhöhung der in Art. 35 KUVG festgesetzten Bundesbeiträge für die Kinder und für die Frauen, welche für Krankenpflege versichert sind. Nach dem Vorschlage des Konkordates sollen diese Beiträge auf minimal 6 Franken für Kinder und 7 Franken 50 Bappen für die Frauen angesetzt werden, d, h. es sollen die in Art. 85, Abs. l und 2, vorgesehenen Bundesbeiträge für die Kinder um 2 Franken 50 Bappen und für die für Krankenpflege versicherten Frauen um je 8 Franken 50 Kappen erhöht werden.

Für den Bund ergäbe sich daraus, auf die Mitgliederzahl des Jahres 1948 gerechnet, eine jährliche Mehrausgabe von 3 842 370 Franken, die sich bei Berücksichtigung des seitherigen Mitgliederzuwachses für das Jahr 1945 auf rund 4,2 Millionen Franken erhöhen würde.

Am 6. September 1944 unterbreitete der Schweizerische Verband öffentlicher Krankenkassen dem Bundesrate eine Eingabe, in welcher ebenfalls die Erhöhung der Bundesbeiträge für die Kinder und für die für Krankenpflege versicherten Frauen gefordert wird.

Die Motion Schneider und die von den erwähnten Krankenkassenverbänden gemachten Eingaben gehen insofern auseinander, als Herr Schneider die Erhöhung der Bundesbeiträge nur für obligatorisch Versicherte, dafür aber für Männer, Frauen und Kinder der obligatorischen Krankenpflegeversicherung anregt, während die Kassenverbände die
Erhöhung auch für die freiwillig Verischerten postulieren, sie dafür aber auf die Kinder (die nur für Krankenpflege versichert sein können) und die für Krankenpflege versicherten Frauen beschränken. Spätere Besprechungen haben dann als einheitliche Auffassung der Beteiligten ergeben, dass die Erhöhung der Beiträge für die Kinder und die für Krankenpflege versicherten Frauen einer solchen für alle obliga-

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torisch Versicherten vorzuziehen sei. Wenn der Gedanke der Beschränkung der Subventionserhöhung auf die obligatorische Krankenversicherung auch viel für sich hat, weil sich hier die Versicherten mit den bescheidensten Einkommen befinden, so darf doch nicht aussor acht gelassen werden, dass die obligatorische Krankenversicherung, die nach geltendem Eecht nur von den Kantonen oder Gemeinden eingeführt werden kann, in den verschiedenen Landesteilen sehr unterschiedlich entwickelt ist. In den Kantonen oder Gemeinden ohne obligatorische Krankenversicherung befinden sich die wenig bemittelten Bevölkerungsgruppen in der freiwilligen Versicherung, sofern sie überhaupt versichert sind, und kämen deshalb beim System der erhöhten Subventionierung für obligatorisch Versicherte nicht in den Genuss dieser neuen Leistungen. Solange nicht für eine mehr oder weniger gleichmässige Entwicklung des Obligatoriums in allen Landesteilen gesorgt ist, wird die Beschränkung der Bundesbeiträge auf die obligatorische Versicherung nicht möglich sein.

Andererseits ergibt eine Prüfung der finanziellen Entwicklung und derzeitigen Lage der beiden Hauptzweige der Krankenversicherung, der Krankengeld- und der Krankenpflegeversicherung, dass es die letztere ist, welche einer besondern Hilfe bedarf, und dass es gerade die Frauen und Kinder sind, durch welche die Kassen am meisten belastet werden. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass die versicherten Frauen und Kinder nicht gleichi.nass.ig auf alle Kassenarten verteilt sind, sondern dass gewisse Kassen im Verhältnis zu den Männern sehr wenig Frauen, und Kinder aufweisen, während bei andern die Zahl der versicherten Frauen und Kinder diejenige der Männer dementsprechend übersteigt. Auch unter diesem Gesichtspunkte ist einer Erhöhung der Bundesbeiträge für die Kinder und die für Krankenpflege versicherten Frauen der Vorzug zu. geben.

1. Allgemein kann zunächst festgestellt werden, dass sich die Krankenversicherung seit dem Inkrafttreten des Kranken- und Unfallvorsichcrungsgesetees zu einem bedeutenden Zweige der Sozialversicherung ausgedehnt hat.

Nach der Statistik des Bundesamtes für Sozialversicherung hat sich die Zahl der genussberechtigten Mitglieder, aufgeteilt nach Männern, Frauen und Kindern seit 1914 gemäss der nachstehenden Tabelle entwickelt. Dabei ist zu bemerken,
dass die in der ïabeDe und den darauffolgenden Ausführungen enthaltenen Zahlen für das Jahr 1943 infolge der gegebenen Verhältnisse noch nicht definitiv ermittelt werden konnten, dass aber wesentliche Änderungen nicht mehr zu erwarten sind.

231

Jahre

Ver-

sicherte*) 1914 361 621 1920 968 748 1930 1 640 482 1940 2 104 112 1943 2 352 595

Frauen

Männer

Genussberechtigte

absolut

Kinder

in Prozenten aller Versicherten

absolut

Prozenten aller Versicherten

absolut

In Prozenten aller Versicherten

67,2 50,2 44,1 41,2 41,0

93772 322 564 605 800 837 371 934 997

25,9 33,3 36,9 39.8 39,8

24819 160 004 311 236 399 700 452 270

16,5 19,0 1.9,0 19,2

243 030 486180 723446 ' 867 041 965 328

In

6,9

*) Die bei zwei Kassen Versicherten sind doppelt gezählt; ihre Zahl dürfte 10 Prozent aller Versicherten nicht übersteigen.

Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich nicht nur, dass die Zahl der bei anerkannten Krankenkassen genussberechtigton Versicherten sich in der Zeit von 1914 bis 1943 mehr als versechsfacht hat und j,etzt ungefähr die Hälfte der Wohnbevölkerung beträgt, sondern vor allem, dass seit dem Jahre 1914 in die Kassen verhältnisrnässig mehr Frauen und Kinder als Mariner aufgenommen wurden. Der prozentuale Anteil der Männer, Frauen und Kinder im Gesamtbestand der Versicherten (Krankengeld- und Krankenpflegeversicherung) betrug Jahr

Männer o/ /o

Frauen o/ /o

Kinder o/ /o

1914 1943

67,2 41,0

25,9 39,8

6,9 19,2

Während sich im Jahre 1914 also unter den Versicherten noch zwei Drittel Männer (67 Prozent) \md nur ein Drittel Frauen und Kinder (33 Prozent) befanden, waren es im Jahre 1948 nunmehr rund zwei Fünftel Männer (41 Prozent) gegenüber drei Fünftel Frauen und Kinder (59 Prozent).

Bei den einzelnen Kassenarten ergaben sich für 1943 folgende prozentuale Anteile der drei Versichertengruppen an der Gresamtversichertenzahl der betreffenden Kassenarten: Kassenart

öffentliche Kassen. .

Betriebskassen . . .

Zentralisierte Kaseen Andere offene Kassen

Männer

% 80,8 71,8 84,0 45,8

Frauen und Kinder 69,7:

28,2 66,0 54,2

232 Daraus ergibt sich, dass einzig die Betriebskrankenkassen, die etwa einen Drittel aller Kassen ausmachen, jedoch nur etwas über 8 Prozent aller Versicherten umfassen, mehr, und zwar ungleich mehr Männer als Frauen und Kinder aufweisen. Bei allen übrigen Kassen, mit rund 92 Prozent der Versicherten, überwiegen die Frauen und Kinder, und zwar bei den öffentlichen und zentralisierten Kassen mit etwa 54 Prozent aller Versicherten, sogar im Verhältnis von einem Drittel Männer zu zwei Drittem Frauen und Kinder.

2. Seit dem Inkrafttreten des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes im Jahre 1914 bis und mit dem Jahre 1943 haben die Kassen für die Krankenversicherung (ohne Stillgelder) l 534 555 991 Franken ausgegeben. Davon fallen auf Krankengeld Fr. 580 588 244 Krankenpflege » 898858804 Wochenbettkosten . . . » 55 108 943 Im Jahre 1914 wurden 7 340 194 Franken aufgewendet, im Jahre 1943 dagegen 104 833 270 Franken oder, auf den Versicherten gerechnet, im Jahre 1914 20 Franken 30 Bappen und im Jahre 1948 44 Franken 56 Eappen. Bei den beiden Versicherungszweigen ergibt sich folgende Entwicklung: a. In der K r a n k e n g e l d v e r s i c h e r u n g stiegen die Leistungen der Krankenkassen (inklusive Wochenbett) von 5 335 889 Franken im Jahre 1914 auf 31 923 909 Franken im Jahre 1943. Im ganzen gesehen hat in diesem Versicherungszweig vom Jahre 1920 bis zum Jahre 1939, dem Jahre des Kriegsbeginns, auf den Versicherten gerechnet, jedoch eine wesentliche Kostenverminderung stattgefunden, welche auch noch in den Jahren 1940 und 1941 anhielt. Die Krankengeldversicherung hat also für die Kassen finanziell eine günstige Entwicklung genommen, so dass sich hier zur Zeit keine besondern Massnahmen aufdrängen, wenn auch die Ergebnisse der Jahre 1942 und 1948 eine Wendung zum Schlechtem anzudeuten Schemen.

b. Ganz anders verhält es sich in der Krankenpflegeversicherung.

Einmal nahmen hier die Leistungen (inklusive Wochenbett) absolut viel stärker zu als in der Krankengeldversieherung, indem sie von 2 004 305 Franken im Jahre 1914 auf 72 909 861 Franken im Jahre 1948 stiegen. Auf den Versicherten gerechnet, ist der Gegensatz zur Krankengeldversicherung noch grösser, indem die Leistungen hier ständig beträchtlich anstiegen, so dass sie sich in der Zeit vom Jahre 1920 bis zum Jahre 1943 ungefähr verdoppelten.
c. Im Hinblick auf die gegenwärtigen Vorarbeiten für eine Mutterschaftsversicherung verdient festgehalten zu werden, dass die Aufwendungen der Kassen für das Wochenbett (Art. 14 KUVG) sich in ähnlicher Weise wie die reinen Krankenversicherungsleistungen entwickelt haben. Sie stiegen in beiden Versicherungszweigen absolut, fielen aber, auf den Versicherten gerechnet, in der Krankengeldversicherung vor dem Kriege ganz erheblich und

233 stiegen seither bis zum Jahre 1948 wieder, ohne aber die frühere Höhe zu erreichen, während sie in der Krankenpflegeversicherung schon vor dem Kriege und ganz besonders während des Krieges gestiegen sind, so dass die Zunahme dieser Kosten seit Kriegsausbruch mit zu den Ursachen der Kostensteigerung in der Krankenpflegeversicherung überhaupt gezählt werden muss.

d. Bei 555 Kassen mit zusammen l 423 188 Versicherten im Jahre 1943 wurde die Kostenentwicklung für die Jahre 1988 bis 1943 in der reinen Krankenpflegeversicherung, d. h. ohne Wochenbettkosten, für Männer, Frauen und Kinder untersucht. Es ergaben sich dabei folgende Kostensteigerungen je Versicherter:

Männer . . . .

Frauen . . . .

Kinder . . . .

1938

1943

Zunahme

Fr.

26,28 87.62 22.45

Fr.

81.44 46.81 28.90

Fr.

5.16 8.69 6.45

Die vorstehende Tabelle zeigt eine besonders starke Zunahme der Kosten bei den Frauen und in zweiter Linie eine solche bei den Kindern. Bei den Frauen kommt dazu noch die bereits erwähnte Kostensteigerung für das Wochenbett.

Aus den vorstehenden Zahlen ergibt sich ferner, dass die Kassen durch die Frauen anderthalbmal so stark belastet werden wie durch die Männer, wobei, wie gesagt, die Wochenbettkosten noch nicht eingerechnet sind. Die in der Praxis in ausdehnender Interpretation des Art. 6 KUVG, der den Kassen die finanzielle Gleichbehandlung der Geschlechter vorschreibt, zugelassene Erhöhung der Frauenprämien bis zu einem Viertel über die Männerprämien, vermochte hier also keinen Ausgleich zu schaffen. Auch hält es für die gemischten Kassen oft schwer, aum Ausgleich die Männerprämien entsprechend zu erhöhen, wenn nicht zu grosse Differenzen mit denjenigen der Männerkassen entstehen sollen.

Die Kinder belasten die Kassen nach den obigen Zahlen etwas weniger als die Männer. Hier ist aber zu beachten, dass die Kassen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörden seit jeher die Kinderprämien niedrig, d. h. unter der dem Versicherungsrisiko entsprechenden Höhe, angesetzt haben, um die sozial und vom Standpunkte des Familienschutzes aus besonders wertvolle Kinderversicherung zu fördern und sie insbesondere den grossen Familien zu erleichtern. Der Ausgleich muss in diesem Falle über die Prämien der Erwachsenen gesucht werden. Dies ist aber bei Kassen, die gleichzeitig Verhältnismassig viele Frauen aufweisen -- und das kommt nach den frühern Ausführungen häufig vor -- oft nicht leicht.

e. Die Gründe, die zu der ungünstigen Kostengestaltung in der Krankenpflegeversicherung geführt haben, liegen also, soweit es die Vorkriegszeit betrifft, einmal in der verhältnismässigen Zunahme der versicherten Frauen

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mit ihrem grössern Risiko und der Kinder, für die aus sozialen Erwägungen in der Eegel zu niedrige Prämien berechnet werden. Sodann aber sind sie vor allem in der Entwicklung der medizinischen Wissenschaft zu suchen, die eine nicht voraussehbare Zunahme der diagnostischen und therapeutischen Mittel (Entwicklung des diagnostischen Eöntgens, Injektionstherapie usw.) und mit zunehmender Kompliziertheit zudem eine Verteuerimg dieser Mittel mit sich brachte. Als Beispiel sei auf die Entwicklung der Kosten für das diagnostische Eöntgen in den beiden grössten Basler Kassen hingewiesen.

Jahr

Öffentliche Krankenkasse Basel absolut

1932 = 100

1937 1942

72307 115 582 188 432

absolut

1932 = 100

Fr.

Fr.

1932

Allgemeine Krankenpflege Basel

100

22995

159,8

30200

260,6

54 875

100 131,3 288,6

Soweit es sich um die Kostensteigerung seit Kriegsausbruch handelt, ist sie vor allem auf die Erhöhung der Arzttarife, den Wegfall der von den Ärzten den Kassen seinerzeit gewährten Krisenrabatten, die Verteuerung der Heilmittel und die Erhöhung der allgemeinen Unkosten, die Zunahme der Geburten und. wenigstens in letzter Zeit, wohl doch auch auf eine zunehmende Morbidität (Tuberkulose) zurückzuführen. Schliesslich darf nicht verschwiegen werden, dass auch die Tendenz mancher Mitglieder, die Kasse über Gebühr in Anspruch zu nehmen (vor allem bei den sogenannten Bagatollfällen) und die starke Besetzung des Ärztostandes, namentlich in bestimmten Städten, bei der Kostensteigerung eine gewisse Eolle spielt.

8. Die Versicherungsleistungen der Kassen werden durch die Beiträge der Versicherten, diejenigen des Bundes und solche von Kantonen und Gemeinden, durch Schenkungen (insbesondere Zuwendungen von Arbeitgebern) und durch die Vermögenszinse aufgebracht. Die Beiträge der Versicherten bestehen in den Eintritts- und Übertrittsgeldern, den Prämien und, in der Krankenpflegeversicherung, allfälligen Krankenscheingebühren und den Kostenanteilen (Selbstbehaltsbetreffnisse). Durch diese Leistungen müssen aber nicht nur die Ausgaben der Kassen für Versicherungszahlungen und Verwaltung, sondern auch die nötigen Eeserven zusammengebracht werden. In der Praxis hat man sich bis heute damit begnügt, von den Kassen für die reine .Krankenversicherung (also ohne Sterbegeldversicherung oder andere von der Kasse geführte Vcrsicherangszweige) die Äufnung einer Eeserve in der Hohe einer durchschnittliehen Jahresausgabe zu verlangen. Da es sich hei dieser Eeservebildung wenigstens bei privaten Kassen, d. h. bei solchen, deren Leistungen nicht durch ein öffentliches Gemeinwesen garantiert werden, um ein

235 Minimum handelt und nach versicherungstechnischen Grundsätzen je nach der Zusammensetzung des Versichertenbeständes einer Kasse nach Alter und Geschlecht bedeutend höhere Beserven verlangt werden müssten, sind in Zukunft diesbezüglich eher strengere Anforderungen zu stellen. Indessen konnte in vielen Landesgegeudeu die Krankenversicherung nur durch eine Beschränkung in den Anforderungen an die Beservebildung auf die heutige Ausdehnung gebracht werden. Dabei hatten auch im Jahre 1948 von den 1150 arierkannten Krankenkassen 282 mit ungefähr 50 Prozent aller Versicherten die Minimalreserve einer durchschnittlichen Jahresausgabe noch nicht erreicht. Während der ersten Kriegsjahre haben die Kassen verhältnismässig gut durchgehalten, indem das Gesamtvermögen in dieser Zeit sowohl absolut wie je Versicherter noch zunahm. Mit dem Jahre 1942 trat jedoch, je Versicherter gerechnet, ein bemerkenswerter Vermögensrückgang ein. Diese Beurteilung stützt sich auf die Ergebnisse sämtlicher Krankenkassen. Würde man die Kassen in den Städten mit obligatorischer Versicherung für sich betrachten, dann wäre die Vermögonsentwicklung noch bedeutend ungünstiger.

Im Jahre 1914 betrugen die Beiträge der Versicherten für die Krankenpflege- und die Krankengeldversicherung zusammen 7 321 774 Franken oder 20 Franken 25 Rappen auf den Versicherten gerechnet. Bis zum Jabre 1988, dem letzten Vorkriegsjahre, stiegen diese Leistungen auf 73 468 250 Franken oder 36 Franken 10 Bappen je Versicherter, und von da bis zum Jahre 1943 noch einmal mit einem starken Bück auf 94 555 644 Franken oder 40 Franken 19 Bappen je Versicherter. Sie haben sich also in dieser Zeit ungefähr verdoppelt.

Die Bundesbeiträge nach Art. 35 des Gesetzes blieben während dieser Zeit, abgesehen von den erwähnten ausserordentlichen Subventionen, die zürn grossen Teil durch die Einsparungen der Finanzprogramme ausgeglichen wurden, gleich, d. h. sie sanken im Verhältnis zu den Leistungen der Versicherten beträchtlich. Auch die kantonalen und kommunalen Beiträge für die Krankenversicherung machen, insofern solche überhaupt ausgerichtet werden, nur einen bescheidenen Teil dieser Mehrleistungen aus, so dass die seit 1914 eingetretenen bedeutenden Mehraufwendungen der Kassen bis jetzt zum weitaus grössten Teil von den Versicherten selbst aufgebracht werden müssten.
Aus vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit in Verbindung mit kantonalen und kommunalen statistischen Ämtern durchgeführten Erhebungen über Haushaltrechnungen von Familien unselbständig Erwerbender 1936/37 und 1937/88 (Sonderheft 42 der «Volkswirtschaft», Bern, 1942, S. 128) ergibt sich, dass von Arbeiterfamilien 2,4 Prozent, von Familien von Angestellten und Beamten 1,3 Prozent der Gesamtausgaben für die Krankenversicherung aufgewendet wurden. Von sämtlichen Ausgaben für Versicherungen machen jene für die Krankenversicherung bei den Arbeitern 26, bei den Angestellten und Beamten 14,5 Prozent aus.

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Zu diesen Zahlen ist jedoch zu bemerken, dass etwa ein Drittel der von der Erhebung erfassten Familien in Basel und Zürich wohnen, wo in der Krankenpflegeversicherung in beträchtlichem Ausmasse Beiträge für obligatorisch Versicherte übernommen werden, die bei den üi Frage kommenden Untersuchungen nicht berücksichtigt wurden. Für nicht obligatorisch Versicherte oder für Versicherte in Kantonen und Gemeinden, die keine Beiträge für die Krankenversicherung ausrichten, müssen noch diese Leistungen zu den angeführten Aufwendungen der Versicherten hinzu gezählt werden.

Im Mitteilungsblatt der sankt-gallischen Gemeindekrankenkassen vom September 1944 (21. Jahrgang, Nr. 88, S. 668) wird festgestellt, dass im Kanton St. Gallen für eine «Normalfamilie» (Ehepaar mit drei Kindern) die Krankenkassenprämien jetzt durchschnittlich 4 Prozent des Einkommens ausmachen.

Bei den vier grössten zentralisierten Kassen ergaben sich für eine solche Familie für die Krankenpflegeversicherung und eine Krankengeldversicherung von 5 Franken für den Ehemann (wie sie z. B. in der obligatorischen Krankenversicherung der bei Bauarbeiten von nationalem Interesse beschäftigten Arbeiter und der Bergarbeiter vorgeschrieben ist) und von 2 Franken für die Ehefrau monatliche Prämien zwischen 18 und 19 Franken oder, auf das Jahr gerechnet, zwischen 216 und 228 Franken. Dazu kommen im Krankheitsfall ausser den Krankenscheingebühren noch die zum Teil beträchtlichen Selbstbehaltsbetreffnisse.

Angesichts dieser Beiträge der Versicherten entbehrt die von den Kassen immer häufiger aufgestellte Behauptung, dass weitere Kostensteigerungen von den Versicherten mit bescheidenem Einkommen nicht mehr oder doch nicht ohne Mithilfe der Öffentlichkeit getragen werden könnten, nicht der Berechtigung. Es kann festgestellt werden, dass die Kassen sich bemühen, in erster Linie durch Erhöhung der Leistungen der Mitglieder den gesteigerten Anforderungen gerecht zu werden. Bei wenig bemittelten, kinderreichen Familien besteht aber dadurch immer mehr die Gefahr, dass die Krankenversicherung, wenn kein Obligatorium besteht, aus finanziellen Gründen aufgegeben wird. Die Erfahrung zeigt, dass, wenn infolge der Kriegsteuerung Einsparungen notwendig sind, diese gerne zunächst auf den Versicherungen und darunter auf denjenigen für die Frauen und Kinder gemacht werden.
Bei der Durchführung der Notstandsaktionen zugunsten der minderbemittelten Bevölkerung wird beim eidgenössischen Kriegs-Fürsorge-Amt deshalb von Kantonen und Gemeinden mehrfach die Genehmigung von Notstandsprojekten zur Entrichtung von Beiträgen an die Krankenkassenprämien oder Kosten des Aufenthaltes in Krankenhäusern nachgesucht, um vor allem kinderreichen Familien im Sinne der heutigen Familienschutzbestrebungen die Krankenversicherung zu erhalten.

4. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Krankenpflegeversicherung, welche von jeher unter einer zunehmenden Verteuerung ihrer Leistungen zu leiden hatte, während des Krieges in eine besonders ungünstige

237 Lago gekommen ist, dass diese Entwicklung insbesondere in der Kostengestaltung der Frauenversicherung und in der Kinderversicherung begründet ist und dass, dementsprechend, vor allem die Kassen mit viel Frauen und Kindern mit finanziellen Bückschlägen arbeiten.

Daraus ergibt sich, dass durch eine vermehrte Subventionierung der Frauen- und Kinderversicherung in der Tat im wesentlichen den Kassen geholfen wird, die es am nötigsten haben. Das gilt nicht nur für die Kassen, welche bereits Vermögensrückschläge aufweisen, sondern auch für die andern.

Auch sie werden am meisten durch die Frauen- und Kinderversicherung belastet und können durch eine Hilfe in dieser Eichtung am ehesten davor bewahrt werden, notleidend zu werden. Allerdings werden bei dieser Art der Subventionierung gelegentlich auch Kassen mit zur Zeit noch guter Finanzlage in den Genuas der Bundesbeiträge kommen. Allein, da sich die Frauen und Kinder vor allem in bestimmten Kassen befinden, werden diese Fälle Verhältnismassig selten sein und fallen deshalb nicht ins Gewicht. Auch wäre der an sich naheliegende Gedanke, nur die sogenannten notleidenden Kassen in vermehrtem Masse zu subventionieren, kaum durchführbar, da es angesichts der sehr unterschiedlichen Verhältnisse schwierig, wenn nicht unmöglich wäre, allgemeine Kriterien zu finden, deren Anwendung nicht den Eindruck der Willkür hervorrufen möchte. Sie würden deshalb nicht verstanden.

IV. Dauer und Höbe der außerordentlichen Subvention; Kosten für den Bund.

1. Da die ungünstige Finanzlage vieler Kassen, wenn ihre Ursachen zum Teil auch in die Vorkriegszeit zurückreichen, im jetzigen Ausmass doch im wesentlichen durch den Krieg bedingt ist, kann eine Erhöhung der Bundosbeiträge nur für die Dauer dieser ausserordenthchen Verhältnisse in Frage kommen. Eine Revision des Art. 35 KUVG ist deshalb zur Zeit abzulehnen.

Auch sind die Schwierigkeiten, in denen sich die Krankenpflegeversicherung befindet, nicht nur auf die gegenwärtige Ordnung der Bundesbeiträge, sondern vor allem darauf zurückzuführen, dass das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz durch die Entwicklung zum Teil überholt ist und deshalb in verschiedener Hinsicht den heutigen Verhältnissen nicht mehr zu genügen vermag. Eine allfällige Eevision dos Art. 85 kann daher nur im Bahmen einer Bevision aller die Krankenversicherung
betreffenden Bestimmungen des Gesetzes mit Erfolg durchgeführt werden. Diese Bevision wird in Angriff genommen werden müssen, sobald es die Umstände erlauben. Schliesslich ist abzuwarten, welche Auswirkungen allfällig die in Vorbereitung begriffene Mutterschaftsversicherung auf die Finanzlage der Kassen haben wird. Es rechtfertigt sich deshalb, die Erhöhung der Bundesbeiträge auf die Jahre 1945 und 1946 zu beschränken.

Den Wünschen der Kassen auf eine rasche Hilfe kann durch Gewährung eines - Vorschusses auf die neuen Bundesbeiträge gegen Ende 1945, zusammen mit den üblichen Vorschüssen auf die ordentlichen Bundesbeiträge für dieses Jahr, Bechnung getragen werden.

238 2. Bei der Festsetzung der Beitragserhöhung zwingt die Finanzlage des Bundes zur Zurückhaltung. Die in Art. l des Entwurfes vorgesehene Erhöhung der Bundesbeiträge für die Kinder um 2 Franken und der Frauen um 2 Franken 50 Rappen ergeben, auf die Mitgliederzahl des Jahres 1943 gerechnet, für den Bund folgende jährliche Mehrausgaben: Kinder Frauen

. . . Fr. 847762 . . .

Total Fr. 2 885 882

Da die Mitgliederzahl der Kassen in den letzten Jahren ständig zugenommen hat, ist noch eine gewisse Erhöhung dieser Summe durch Mitgliederzuwachs zu erwarten, so dass insgesamt mit einer Mehrausgabe von rund 8 Millionen Franken jährlich gerechnet werden muss. Die Kassen dürften damit in die Lage versetzt sein, gegebenenfalls unter zusätzlicher, tragbarer Heranziehung der Mitglieder, für dio nächste Zeit das finanzielle Gleichgewicht zu. finden.

Bei der Festsetzung der Beitragserhöhung im einzelnen kann daran angeknüpft werden, dass die Kassenleistungen (ohne Wochenbett) für die Freuen ungefähr anderthalbmal so hoch sind wie für die Männer. Bei einer Erhöhung des Bundesbeitrages um 2 Franken 50 Rappen wird für die sowohl für Pflege als Geld versicherten Erwachsenen diese Relation zwischen dem Beitrag für die Männer und die Frauen hergestellt, da dadurch dieser Beitrag, der bisher für beide Geschlechter 5 Franken betrug, für die Frauen auf 7 Franken 50 Kappen erhöht wird. Für die übrigen Beitragsansätze für die Frauen ergeben sich zum Teil Erhöhungen über, zum Teil solche unter 50 Prozent der bisherigen Beiträge, wie die nachstehende Tabelle zeigt. Das Ergebnis ist im ganzen aber doch ein Ausgleich der Beiträge zwischen Männern und Frauen auf die Belation 1:1,5. Für die Kinder scheint mit Rücksicht auf die soziale Bedeutung dieses Versicherungszweiges eine der Heraufsetzung des Beitrages für die Frauen entsprechende Beitragserhöhung als angemessen.

Im einzelnen ergeben sich im Verhältnis zu den bisherigen Bundesbeiträgen nach Art, 35, Abs. l und 2, KUVG aus der Erhöhung folgende Veränderungen : neu

bisher Versicherte

*) 180/360 Fr.

Kinder Frauen: Pflege allein Frauen : Pflege u. Geld

*) Fr.

3.50 4 -- 4.-- i 4.50

5.--

*)

*)

380/540 180/360 360/540

5.50

Fr.

5.50 6.50 7.50

Fr.

6.-- 7.--

8.--

Erhöhung 180/360 *) 360/540 *) In % i in % absolut der bis- absolut der bisherigen herigen Fr.

Fr.

B.B.

B.B.

2.--

2.50 2.50

57,14 62,50 50,00

2.--

50,00

2.50 55,55 2.50 45,45

*) 180/360 bzw. 360/540 bedeutet eine Versicherungsdauer von 180 bzw. 360 Tagen innerhalb 860 bzw. 540 aufeinanderfolgenden Tagen.

239 V. Bemerkungen zu den einzelnen Artikeln des Entwurfes.

Art. 1. Im Hinblick auf das unübersichtliche Beitragssystem des Art. 85 KUVG empfiehlt es sich, die vorgesehene Erhöhung in Zuschlägen zu den bisherigen Beiträgen auszudrücken und von einer Erwähnung der daraus resultierenden neuen Beiträge abzusehen.

Art. 2. Eine ähnliche Bestimmung befand sieh schon in den frühern Bundesbeschlüssen über die Ausrichtung der ausserordentlichen Subventionen.

Sie ist nötig, um die Kassen soweit wie irgend möglich zur Selbsthilfe zu verhalten.

Art. 3. Der Bundesbeschluss enthält allgemeine Bestimmungen, die praktisch auf eine Ergänzung des KUVG hinauslaufen. Aus diesem Grunde ist der Beferendumsvorbehält anzubringen.

Wir beehren uns, Ihnen don beigelegten Entwurf zu einem Bundesbeschluss zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 27. Februar 1945.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates Der Bundespräsident :

Ed. v. Steiger.

Der Bundeskanzler:

Leimgruber.

240 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

vorübergehende zusätzliche Beitragsleistung des Bundes an anerkannte Krankenkassen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34bis der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 27. Februar 1945, beschliesst:

I. Bundesbeitrage.

II. Bedingungen.

in. Ausführungsvorschriften.

Inkrafttreten.

Art. 1.

Die in Art. 85, Abs. l, lit. a und b, und Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung festgesetzten Bundesbeiträge werden für die Jahre 1945 und 1946 erhöht: a. für Kinder um Fr. 2. -- ; b. für Frauen, welche für Krankenpflege (ärztliche Behandlung und Arznei) versichert sind, um Fr, 2.50.

Art. 2.

Mit der Gewährung der erhöhten Bundesbeiträge können besondere Anordnungen über die finanzielle Sicherheit der Kasse, die Beteiligung der Mitglieder an den Krankenpflegekosten, die Verwaltung, die Rechnungsführung und Bilanzierung verbunden, und es kann der Wegfall sowohl der zusätzlichen als auch der ordentlichen Bundesbeiträge verfügt werden,, wenn die Kasse den ergangenen Weisungen nicht nachkommt.

2 Die Kassen haben den Aufsichtsbehörden die erforderlichen Unterlagen über den Geschäftsgang und die nötigen Statistiken einzureichen.

1

Art. 3.

Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt und erlässt die hiezu erforderlichen AuAusführungsVorschriften.

2 Er wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen und den Zeitpunkt seines Inkrafttretens festzusetzen.

1

5627

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Erlass eines Bundesbeschlusses über vorübergehende zusätzliche Beitragsleistung des Bundes an die anerkannten Krankenkassen. (Vom 27. Februar 1945.)

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Jahr

1945

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

05

Cahier Numero Geschäftsnummer

4677

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.03.1945

Date Data Seite

225-240

Page Pagina Ref. No

10 035 250

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