13.068 Botschaft zur Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (Fan-Transporte) vom 28. August 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Personenbeförderung hinsichtlich Fanzüge.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2012

M 12.3017

Gewalt bei Sportanlässen. Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes (N 24.09.2012, S 13.12.2012, Sicherheitspolitische Kommission NR)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. August 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-1398

6993

Übersicht Mit der vorliegenden Gesetzesänderung will der Bundesrat strengere Bestimmungen für den Transport von Fans im öffentlichen Verkehr schaffen. Mit ihrem Verhalten gefährden gewisse Fans heute die Sicherheit im öffentlichen Verkehr.

Zudem verursachen sie immer wieder beträchtliche Schäden. Kernelemente der Gesetzesänderung sind die Lockerung der Transportpflicht sowie die Einführung einer Haftungsbestimmung. Die Lockerung der Transportpflicht ermöglicht es den Transportunternehmen, die Beförderung von Fans mit fahrplanmässigen Kursen abzulehnen, wenn sie dem jeweiligen Sportklub die Beförderung der Fans mit Charterzügen oder -bussen anbieten.

Ausgangslage Das Verhalten von Fangruppen (Anhänger und Anhängerinnen von Sportklubs) beim Transport zu Sportveranstaltungen stellt den öffentlichen Verkehr vor grosse Herausforderungen. Gewaltbereite Fans verursachen immer wieder Schäden an den eingesetzten Zügen und Bussen und gefährden zunehmend die Sicherheit im öffentlichen Verkehr. Einen negativen Höhepunkt erreichten die Aktivitäten von Fangruppen im Rahmen des Cupfinals 2011. Hier wurde am Bahnhof Lausanne eine unbeteiligte Person durch eine Flasche verletzt, welche Fans aus einem fahrenden Extrazug geworfen hatten. Zudem kam es zu beträchtlichen Sachbeschädigungen in den Extrazügen und zu einer massiven Störung des Bahnverkehrs. Wegen der bestehenden Transportpflicht haben die Transportunternehmen heute keine ausreichende Möglichkeit, Fangruppen aus dem öffentlichen Verkehr auszuschliessen. Ihre Strategie konzentriert sich heute darauf, die Fans von den normalen Passagieren im fahrplanmässigen Verkehr zu trennen. Damit können die negativen Begleiterscheinungen aber zu wenig eingedämmt werden.

Inhalt der Vorlage Mit der vorliegenden Gesetzesänderung sollen die Grundlagen geschaffen werden, damit die Sicherheit im öffentlichen Verkehr bei Fantransporten wieder gewährleistet ist und Schäden verhindert werden können. Hierfür will der Bundesrat einen neuen Artikel 12a in das Personenbeförderungsgesetz vom 20. Märt 2009 (SR 745.1) einfügen. Die heutige Transportpflicht soll gelockert werden. Bahn- und Busbetriebe sollen künftig Passagiere, welche als Fans zu Sportveranstaltungen reisen, zur Benützung von Charter- oder Extrazügen oder -bussen verpflichten können. Zusätzlich will der Bundesrat eine neue Haftungsbestimmung schaffen. Die Sportklubs sollen unter gewissen Voraussetzungen für die Schäden an Personen und Sachen haften, die ihre Fans verursachen.

6994

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Fans als Sicherheitsrisiko für den öffentlichen Verkehr

Der Transport von Fans zu Auswärtsspielen ist für den öffentlichen Verkehr eine grosse Herausforderung. Insbesondere im Zusammenhang mit Extrazügen, wie sie die SBB seit Längerem für Fantransporte einsetzt, kommt es immer wieder zu teils schweren Zwischenfällen. Diese gefährden die Sicherheit anderer Benutzerinnen und Benutzer des öffentlichen Verkehrs sowie des Bahnpersonals. Risikofans des FC Sion beispielsweise warfen auf der Reise zum Cupfinal 2011 verschiedentlich Flaschen und andere Gegenstände aus einem Sonderzug. Am Bahnhof Lausanne wurde dadurch eine unbeteiligte Person verletzt. An den Bahnhöfen Neuenburg und Biel kam bei der Durchfahrt des Zuges nur deshalb niemand zu Schaden, weil die anliegenden Perrons rechtzeitig geräumt wurden. Bei anderen Zwischenfällen im Zusammenhang mit Fanzügen wurden im Verlaufe der Saison 2010/11 insgesamt drei Polizisten verletzt. Auch andere Aktionen wie etwa das missbräuchliche Ziehen der Notbremse oder ungeordnetes Ein- und Aussteigen gefährden die Sicherheit im öffentlichen Verkehr.

Wiederholt ist es auch vorgekommen, dass sich Fangruppen weigern, Extrazüge an denjenigen Haltestellen in Stadionnähe zu verlassen, die das Transportunternehmen und die Behörden festgelegt haben. Stattdessen steigen die Fangruppen in Hauptbahnhöfen aus und führen von dort längere Fanmärsche zum Stadion durch. Bisher haben Transportunternehmen sowie Behörden und Polizei darauf verzichtet, die Zielhaltestelle beim Stadion anzufahren und den Ausstieg an den festgelegten Haltestellen notfalls mit Polizeigewalt durchzusetzen. Dies vor allem deshalb, weil die Fans sonst unerwünschterweise auf fahrplanmässige Regelzüge ausweichen könnten.

Das Verhalten von Fans in Extrazügen hat auch beträchtliche finanzielle Folgen: Für die SBB entstehen im Zusammenhang mit der Durchführung von Extratransporten ­ inklusive verbilligte Fahrausweise, Organisation, Beschädigungen, Reinigungen und Sicherheitsmassnahmen ­ jährlich hohe ungedeckte Kosten. Die SBB sprechen von einer Grössenordnung von drei Millionen Franken; allerdings sind hier weitere Kosten miteingerechnet. Auch die städtischen Transportunternehmen und andere Bahnen wie etwa die BLS sind punktuell vom Hooliganismus betroffen.

Weniger Probleme gab es bisher bei den relativ seltenen Fahrten mit Fan-Extrazügen zu Spielen ins
Ausland. Möglicherweise befürchten die Fans bei nicht-konformem Verhalten im Ausland strengere Sanktionen. Auch konzentriert sich das Phänomen bisher vornehmlich auf den Fussball; bei anderen Mannschaftssportarten wie Eishockey sind die Probleme beim Transport im öffentlichen Verkehr bisher weniger gravierend.

6995

1.1.2

Fantransporte ­ das heutige System

Heute bieten die SBB und städtische Transportunternehmen Fan-Extrazüge und Sonderbusse primär an, um die Fans von den normalen Passagieren zu trennen. Bei den städtischen Transportunternehmen geht es auch um die Bewältigung des Mehrverkehrs bei Sportveranstaltungen. Es ist für die Transportunternehmen aber nicht möglich, den Fans den Transport mit fahrplanmässigen Zügen zu verweigern.

Grundsätzlich sind sie nach Artikel 12 des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 20091 (PBG) verpflichtet, alle Reisenden mit den fahrplanmässigen Zügen zu transportieren. Ausnahmen sind nur in einzelnen Fällen, nicht aber für ganze Gruppen möglich, und die Durchsetzung ist schwierig.

Die SBB setzen insbesondere für all diejenigen Spiele einen Extrazug ein, für die sie das Risiko mit der höchsten Stufe «rot» beurteilen. Weitere Extrazüge oder an normale Züge angehängte Extrawagen setzen die SBB in Absprache mit den Fanvertretungen ein. Mit diesen stehen die lokalen Verkaufsabteilungen der SBB in regelmässigem Kontakt.

Um die Fans zur Benutzung der Extrazüge zu bewegen, schaffen die SBB auch über den Preis entsprechende Anreize. Ein Retour-Billett für einen Fan-Extrazug kostet einheitlich 22 Franken mit und 44 Franken ohne Halbtax-Abonnement. Für Fahrten, bei denen der Hin- oder der Rückweg länger ist als 200 Kilometer, beträgt der Preis 33 bzw. 66 Franken. Dies ist in der Regel deutlich billiger als der Normalpreis. Zum Erwerb der verbilligten Fanzug-Tickets sind diejenigen Fans berechtigt, die am Schalter des Transportunternehmens ein Eintrittsticket für den entsprechenden Match vorweisen können. Die Tickets für die Spiele werden jeweils einige Tage oder Wochen im Voraus vom Heimklub an den Gästeklub verkauft und geliefert.

Dieser wiederum verkauft sie weiter an seine Fans. Neben dem Preis trägt auch die Möglichkeit des Gruppenerlebnisses dazu bei, dass bei den Fans die Extrazüge in aller Regel auf Akzeptanz stossen und benutzt werden. In der Saison 2010/2011 transportierten die SBB total 60 000 Fans mit 130 Extrazügen.

Die Fans werden in den Extrazügen von Zugpersonal und Transportpolizisten begleitet. Der Entscheid der SBB, die Transportpolizei ab Sommer 2012 mit Schusswaffen auszurüsten, gilt nicht für die Begleitung von Fan-Extrazügen: Die SBB wollen diese und weitere sogenannte «Event-Züge» explizit
nicht von bewaffneten Polizisten begleiten lassen. In den Bahnhöfen, in denen die Fans in die Extrazüge ein- oder aus diesen aussteigen, sorgen SBB-Kundenlenker und -lenkerinnen gemeinsam mit der örtlichen Polizei, der Transportpolizei sowie der Securitrans für eine Trennung von den Regelkunden des öffentlichen Verkehrs.

1.1.3

Sofortmassnahmen innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens

Auf Anordnung des Bundesamtes für Verkehr haben die SBB im Verlaufe des Jahres 2011 eine Risikoanalyse zum Thema Fan-Extrazüge vorgenommen. Schon vorher ergriffen sie verschiedene Sofortmassnahmen, welche im Rahmen des bestehenden Rechts möglich sind. So starteten die SBB im Sommer 2011 im Rahmen eines Pilotbetriebs gemeinsam mit den Berner Young Boys (YB) eine Transport1

SR 745.1

6996

partnerschaft. YB verpflichtet sich gegenüber den SBB, seine Fans auf ExtrazugFahrten zu Auswärtsspielen zu begleiten und dabei für Sicherheit und Sauberkeit zu sorgen. Der Klub übernimmt indes keine Haftung für Schäden. Nach Abschluss der Vorrunde 2011/12 zogen SBB und YB eine positive Bilanz. Die SBB möchten mit anderen Klubs ähnliche Vereinbarungen abschliessen.

Weiter sehen die SBB einen Umbau des Rollmaterials vor, das für Fanzüge eingesetzt wird. Die entsprechenden Wagen werden so ausgerüstet, dass der Lokführer eine missbräuchlich gezogene Notbremse übersteuern kann (Notbremseüberbrückung). Zudem wird der Mechanismus für die Türschliessung so umgebaut, dass sich die Türen je nach Situation nur auf der einen ­ statt wie bisher auf beiden Seiten ­ öffnen lassen (seitenselektive Türöffnung). Weiter sollen die Fenster nur noch so weit geöffnet werden können, dass es nicht mehr möglich ist, durch Öffnungen Gegenstände nach aussen zu werfen. Mit diesen Massnahmen allein lassen sich jedoch die Probleme im Zusammenhang mit randalierenden Fans nicht lösen.

Gesetzliche Anpassungen, welche die vorgesehenen Massnahmen sinnvoll ergänzen, sind unumgänglich.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Mit der vorgeschlagenen Revision des Personenbeförderungsgesetzes (E-PBG) soll einerseits die bestehende allgemeine Transportpflicht der Transportunternehmen unter bestimmten Bedingungen gelockert werden, und andererseits soll ein neuer Haftungstatbestand für Sportklubs geschaffen werden. Die Sportklubs sollen gegenüber dem Transportunternehmen unter bestimmten Voraussetzungen für Schäden haften, die ihre Fans dem Transportunternehmen bei Fahrten zu oder von Sportveranstaltungen verursachen. Die entsprechenden Haftungsfragen sollen in erster Linie durch den Sportklub und das Transportunternehmen einvernehmlich im Rahmen des Chartervertrages geregelt werden. Nur wenn sich die Parteien trotz eines angemessenen Angebots des Transportunternehmens nicht einigen können, ist der gesetzliche Haftungstatbestand anwendbar. Im Streitfall könnten diese Fragen dem Zivilgericht vorgelegt werden.

1.2.1

Lockerung der Beförderungspflicht

Mit dem neuen Artikel 12a E-PBG sollen die Transportunternehmen die Möglichkeit erhalten, die Beförderung von Fans zu oder von einer Sportveranstaltung zu verweigern oder einzuschränken, wenn sie dem Sportklub vorgängig einen Chartervertrag für die Beförderung der Fans mit speziell für sie bereitgestellte Transportmittel angeboten haben.

Wird ein derartiger Chartervertrag dem Sportklub zu angemessenen Bedingungen angeboten, so besteht für dessen Fans kein Rechtsanspruch mehr, im fahrplanmässigen Verkehr transportiert zu werden. Insoweit wird die Transportpflicht aufgehoben.

Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass die übrigen Passagiere und der fahrplanmässige Regelverkehr nicht von Fans behelligt werden.

Den Transportunternehmen bleibt es freigestellt, auch in diesem Fall aus eigener Initiative Extrazüge anzubieten und entsprechende Fahrausweise abzugeben. Im Interesse des Transportunternehmens sollten diese nicht mehr kosten als im fahr6997

planmässigen Verkehr, um nicht die Fans von der Benutzung der Extrazüge abzuhalten. Am Recht des Transportunternehmens, mangels Abschluss eines Chartervertrages den Transport der Fans im Regelverkehr zu verweigern, ändert das jedoch nichts.

1.2.2

Schaffung eines Haftungstatbestandes

Kommt ein Chartervertrag zustande, so bestimmen sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten des Sportklubs und des Transportunternehmens, insbesondere die Haftung, nach den darin enthaltenen Bestimmungen. So kann im Chartervertrag ­ vergleichbar mit dem Pilotprojekt mit den Berner Young Boys (vgl. Ziff. 1.1.3) ­ die Begleitung durch eine ausreichende Anzahl Fanbetreuerinnen und -betreuer bzw.

Stewards des Sportklubs vereinbart werden. Die Umsetzung dieser Massnahmen gilt dann als Erfüllung der Pflichten des Sportklubs gegenüber dem Transportunternehmen und befreit dadurch den Sportklub von einer weitergehenden Haftung.

Wird kein Chartervertrag abgeschlossen ­ sei es, weil der Sportklub gar keine Vertragsverhandlungen wünscht, oder sei es, weil die Vertragsverhandlungen zu keiner Einigung führen ­, so sollen die Sportklubs von Gesetzes wegen für die Schäden haften, die ihre Fans dem Transportunternehmen verursachen. Dadurch wird für die Sportklubs ein Anreiz geschaffen, vom (angemessenen) Charterangebot des Transportunternehmens tatsächlich Gebrauch zu machen und einvernehmlich entsprechende Verträge abzuschliessen. So ist denn auch aus Sicht des Bundes einer vertraglichen Regelung klar der Vorzug zu geben.

Die gesetzliche Haftung erfasst sowohl Personenschäden, die das Personal des Transportunternehmens erleidet, als auch Sachschäden an dessen Verkehrsmitteln, Gebäuden und sonstigen Einrichtungen. Sie steht allerdings unter der Voraussetzung, dass die wahren Schadensverursacher nicht identifiziert werden können. Die Sportklubs haften in diesem Sinn also bloss subsidiär. Überdies können sie sich von der Haftpflicht befreien, wenn sie nachweisen, dass sie im Vorfeld die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet haben, um den eingetroffenen Schaden zu verhüten.

1.2.3

Präzisierung der Ausschlussgründe

Mit der Revision soll durch eine Ergänzung von Artikel 12 Absatz 2 PBG auch klar gestellt werden, dass der Bundesrat nicht nur aus Gründen der Betriebssicherheit («Safety»), sondern auch aus Gründen der polizeilichen Sicherheit («Security») die Transportpflicht der Transportunternehmen aufheben kann. Der Bundesrat soll eine klare Rechtsgrundlage erhalten, um die in der Verordnung vom 4. November 20092 über die Personenbeförderung genannten Gründe, welche eine Aufhebung der Transportpflicht rechtfertigen, nötigenfalls ergänzen zu können. Diese Gründe sind allgemeingültig, also nicht auf die Beförderung zu Sportveranstaltungen beschränkt.

Die geltenden Bestimmungen sind historisch gewachsen und stammen primär aus dem Bereich Gefahrguttransport.

2

SR 745.11

6998

1.2.4

Verhältnis zum interkantonalen Konkordat

Die beantragten Änderungen des PBG sind in einem engen Sachzusammenhang mit der Revision des Konkordats vom 15. November 2007 über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (sog. Hooligan-Konkordat) zu sehen, welche die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) am 2. Februar 2012 verabschiedet hat. Die KKJPD will mit der Revision insbesondere eine Bewilligungspflicht für Fussball- und Eishockeyspiele der obersten Ligen einführen. Diese soll es den Behörden ermöglichen, den ­ privaten ­ Veranstaltern von Sportanlässen Auflagen zu machen. Unter anderem soll die Bewilligung zur Durchführung von Spielen an die Bedingung geknüpft werden können, dass die Fans der Gastmannschaft per Extrazug ans Spiel und von diesem zurückreisen.

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass derartige behördliche Anordnungen gegenüber der generellen Transportpflicht Vorrang hätten. Analoge Entscheide hatte das Bundesamt für Verkehr in früheren Jahren in Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsforum WEF in Davos gefällt. Damals hatte die Rhätische Bahn ihre Fahrten aufgrund polizeilicher Anweisungen zeitweise einschränken müssen.

Die Vorlage der KKJPD stiess in der Vernehmlassung bei Kantonen, Städten, Bundesbehörden und Parteien auf ein grundsätzlich positives Echo. Die Änderung des kantonalen Konkordats wird die Wirkung der vorliegenden PBG-Revision unterstützen. Die Kombination der beiden Erlasse dürfte dazu führen, dass die Fans in jedem Fall mit Extrazügen anreisen, weil ihnen sonst der Eintritt ins Stadion verwehrt bliebe. Da die Fans nur noch bei konformem Verhalten bis zum Zielbahnhof nahe des Stadions transportiert werden, haben sie selber ein Interesse an einem reibungslosen Verlauf der Extrafahrten.

Die PBG-Revision wird aber ihre volle Wirkung nur dann entfalten können, wenn die Konkordats-Revision in den Kantonen umgesetzt wird. Sollte das interkantonale Konkordat nicht in Kraft treten, wird die Wirkung der PBG-Revision vermindert.

1.2.5

Abgrenzung der neuen Regelung

Das Hooligan-Problem betrifft nicht nur die An- und Abreise mit dem öffentlichen Verkehr. Auch in den Stadien und in ihrer Umgebung ereignen sich immer wieder Zwischenfälle, beispielsweise beim verbotenen Abbrennen von Pyrotechnik. Diese Probleme fallen indes in den Zuständigkeitsbereich der Kantone, der Polizei und der Klubs und werden in dieser Vorlage nicht behandelt. Nicht hier zu regeln sind die möglichen Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Fangruppen beim Transport auf der Strasse.

6999

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Einleitung

Die Transportunternehmen haben ihre Möglichkeiten zur Verhinderung von Personen- und Sachschäden, die sie mit der bestehenden Rechtslage haben, weitgehend ausgeschöpft. Wegen der heute gesetzlich festgeschriebenen und kaum einschränkbaren Transportpflicht sowie der schwierigen Beweisführung gegenüber den randalierenden Fans sind sie nicht in der Lage, bei Fan-Extrazügen ihre Verantwortung in Sachen Sicherheit des öffentlichen Verkehrs adäquat wahrzunehmen.

Auch ist im Zusammenhang mit dem in Ziffer 1.1.3 erwähnten Pilotprojekt von SBB und YB noch offen, ob sich weitere Vereine zu ähnlichen Modellen verpflichten lassen. Fraglich ist zudem auch, ob es gelingen wird, den Klubs in einem solchen Modell auch die Haftung für allfällige Schäden zu übertragen. Bereits nach Ablauf der befristeten Zwangsmassnahmen im Zusammenhang mit der Fussball-Europameisterschaft 2008 und der Eishockey-Weltmeisterschaft 2009 wurde versucht, das Problem mit freiwilligen und einvernehmlichen Lösungen zwischen Behörden und Klubs zu lösen. Indessen waren die Erfahrungen damit nur teilweise gut.

Angesichts dieser unbefriedigenden Lage will der Bundesrat diejenigen Gesetzesänderungen veranlassen, die für eine bessere Lösung für den öffentlichen Verkehr im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen nötig sind.

1.3.2

Verworfene Alternativen

Die vorgeschlagene Lösung stellt ein in sich geschlossenes Ganzes mit gezielten Anreizmechanismen dar. Würden nur einzelne Elemente der geplanten Änderung eingeführt, hätten diese nicht genügend Wirkung, das heisst die gewaltbereiten Fans könnten nicht wirkunsvoll daran gehindert werden, weiterhin die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs zu gefährden. Verschiedene andere denkbare Massnahmen wurden geprüft und aus den nachstehenden Gründen verworfen.

Status quo Heute bieten die Transportunternehmen häufig von sich aus ­ also ohne Auftrag eines Sportklubs ­ Extratransporte für Fangruppen an, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Ohne die vorgeschlagene Gesetzesänderung könnten die Transportunternehmen zukünftig versucht sein, in bestimmten Situationen keine Extratransporte für Fangruppen mehr anzubieten, um sich vor den damit verbundenen Kosten und Gefahren zu schützen.

Damit würde aber das Beförderungsproblem nicht gelöst, da die Fans, denen kein Extratransport angeboten wird, versuchen würden, eine Beförderung mit fahrplanmässigen Verkehrsmitteln zu erreichen.

Besondere Bestimmungen für Risikoveranstaltungen Geprüft wurde, ob für Veranstaltungen mit erhöhtem Risiko besondere Bestimmungen erlassen werden sollen. So wäre denkbar, dass die Sportklubs für Veranstaltungen, die als besonders risikoreich beurteilt werden, zur Bestellung eines Extratrans7000

ports verpflichten werden könnten. Dies würde die Frage aufwerfen, nach welchen Kriterien und durch wen beurteilt wird, ob es sich um ein geregeltes Aufeinandertreffen oder um eine Risikoveranstaltung handelt. Es bestünde die Gefahr, dass die entsprechenden Entscheide zu grösseren Kontroversen und möglicherweise weiteren Aktivitäten gewaltbereiter Fans Anlass geben würden. Schliesslich wäre ein solches Verfahren mit einem nicht unerheblichen behördlichen Aufwand verbunden. Deshalb wurde von dieser Lösung Abstand genommen.

Ausdehnung der Haftung auf den Regelverkehr Bei der Erarbeitung der Vorlage wurde auch die Frage aufgeworfen, ob die neue Haftungsbestimmung für Extratransporte einen unerwünschten Anreiz für das Ausweichen auf den Regelverkehr darstellen könnte und ob deshalb die Haftungsbestimmung auf den Regelverkehr ausgedehnt werden müsste.

Eine solche generelle Regelung ist aber deshalb nicht erforderlich, weil im Falle des Anbietens eines angemessenen Chartervertrags die Transportunternehmen ohnehin nicht mehr verpflichtet sind, Fangruppen in Regelzügen oder -bussen zu befördern.

Wird diese Einschränkung der Transportpflicht durchgesetzt, so ist auch nicht davon auszugehen, dass es zu Haftpflichttatbeständen in Verkehrsmitteln des Regelverkehrs kommt. Auch der Umstand allein, dass der Sportklub haftet, dürfte für seine Fans keinen genügenden Anreiz darstellen, anstatt mit einem Extrazug voller Fans mit dem Regelverkehr zu reisen. Zudem wäre es unbillig, einen Sportklub, der für das Verhalten seiner Fans in den Charter- oder Extrazügen geradestehen muss, zusätzlich für das Verhalten derjenigen Fans haftbar machen zu wollen, die sich den Einflussmöglichkeiten des Sportklubs durch die Benutzung fahrplanmässiger Verkehrsmittel weitestgehend entziehen.

Entschädigungen für Sicherheits- und Reinigungsmassnahmen Einzelne Transportunternehmen fordern neben der neuen Haftungsbestimmung eine zusätzliche Entschädigungsregelung. Mit dieser möchten sie die Organisatoren von Grossveranstaltungen verpflichten, spezielle Zahlungen für die Sicherheits- und Reinigungsmassnahmen zu leisten, welche im Rahmen von Extratransporten anfallen. Es scheint indes schwierig, diese Sicherheits- und Reinigungsmassnahmen gegenüber denjenigen Massnahmen abzugrenzen, die auch im fahrplanmässigen Verkehr nötig sind. Deshalb
wurde auf eine solche Bestimmung verzichtet.

Alkoholverbot Von verschiedener Seite wurde vorgeschlagen, im Rahmen der geplanten Revision auch ein Alkoholverbot für Fanzüge ins PBG aufzunehmen. Die Einführung eines generellen Alkoholverbots auf Gesetzesebene wäre jedoch unverhältnismässig.

Zudem kann ein Klub, der einen Charterzug bestellt, bereits mit dem geltenden Recht das Mitführen alkoholischer Getränke einschränken oder verbieten und dies auch durchsetzen.

1.3.3

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes und insbesondere die Lockerung der Transportpflicht für Transportunternehmen wird von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden gutgeheissen. Allerdings gibt es zwei klare Fronten. Einer7001

seits Kantone und Transportunternehmen als Befürworter, andererseits ablehnende Organisationen. Die Umsetzbarkeit der Vorlage wird mehrheitlich als schwierig eingestuft. Mehrmals gefordert wurde eine Kontrolle der Fans bereits vor dem Einstieg in den Zug auf den Perrons und den Zugängen zu den Perrons, was anderen wiederum nicht praktikabel erscheint. Problematisch erscheint einigen Organisationen auch die mögliche Willkür bei der Kontrolle der Fans, da nicht klar ist, was einen Fan als solchen erkennen lässt. Einige Stellen fordern, dass Familien und friedliche Gruppen weiterhin mit den Regelzügen reisen können. Rund ein Drittel der Stellungnahmen unterstützt das Modell YB und möchte Extrazüge durch Fanbetreuer des Gastklubs begleiten lassen. Als gute Lösung sehen viele das Kombiticket.

Die Haftung der Klubs für Schäden in den Extrazügen wird mehrheitlich akzeptiert.

Von einigen wird zusätzlich auch die Haftung für Schäden in den Regelzügen (sofern ein Extrazug vorhanden war) unterstützt.

Die Parteien sprechen sich ohne Ausnahme für die Vorlage aus. Die SVP weist jedoch darauf hin, dass sie einen beträchtlichen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt.

Die Interessengruppen der Sportverbände (Swissolymic, SFV, SIHF, Fanarbeit und Referendum BWIS) lehnen die Gesetzesänderung einheitlich ab. Für den SFV vermag der Gesetzestext die zu stellenden rechtsstaatlichen Anforderungen nicht zu erfüllen. Er erscheint dem SFV unverhältnismässig, da mit ihm das anvisierte Ziel nicht erreicht werden könne und die dadurch ermöglichten Massnahmen in diesem Ausmass nicht nötig seien.

Für die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens im Einzelnen sei auf den Ergebnisbericht verwiesen.3

1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die Erarbeitung und Durchsetzung der neuen Regelung führt zu keinem unverhältnismässigen Aufwand. Angesichts der Bedeutung, welche die Gewalttätigkeiten im Rahmen von Sportveranstaltungen für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs angenommen hat, rechtfertigt sich die Schaffung neuer Rahmenbedingungen. Mehrkosten sind durch die vorgeschlagene Änderung des Personenbeförderungsgesetzes weder für den Bund noch die Kantone zu erwarten.

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Das Recht der Europäischen Union kennt keine Bestimmungen, die mit denjenigen der Vorlage vergleichbar wären. Gemäss Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung von Lissabon sind die EUMitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit zuständig. Der Erlass entsprechender Vorschriften fällt somit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Nachfolgend wird im Sinne eines Rechtsvergleichs die rechtliche Situation in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten dargestellt.

3

www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > UVEK

7002

Die Niederlande, Belgien und Grossbritannien kennen ähnliche Systeme mit Sonderzügen und Kombitickets, wie sie der Bundesrat nun auch für die Schweiz einzuführen gedenkt.

1.5.1

Niederlande

In den Niederlanden werden die Fans des Gastklubs auf der Basis von Vereinbarungen verpflichtet, mit einem bestimmten Transportmittel (Bus oder Charterzug) zum Spiel anzureisen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Bürgermeister der Städte, in denen das Spiel stattfindet. Sie entscheiden, wie die Fans anzureisen haben. Sie können die Fans zurückschicken lassen, wenn sich diese bei der Anreise nicht den Vorschriften entsprechend verhalten. Die Sportklubs mieten die Charterzüge und sind gesetzlich verpflichtet, für Schäden aufzukommen. Unmittelbar nach der Rückreise wird der Charterzug gemeinsam von Vertretern des Vereins und des Transportunternehmens kontrolliert, und es wird ein Schadensprotokoll erstellt. Zudem beteiligen sich die Klubs an der Gewährleistung der Sicherheit in den Zügen sowie den Bahnhöfen. Die Charterzüge geniessen Priorität auf dem Netz und verkehren ohne Halt zwischen Ausgangs- und Zielbahnhof.

1.5.2

Belgien

In Belgien garantiert ein spezielles Gesetz, die sogenannte «loi football», die Sicherheit von Personen bei einem Fussballspiel. Das Gesetz sieht eine Reihe von Verpflichtungen zulasten der Zuschauer und der Veranstalter vor. Ein Zuschauer, der anlässlich eines Fussballspiels eine verbotene Handlung begeht, kann aufgrund des Gesetzes mit einer Geldbusse oder mit einem Stadionverbot belegt werden. Gästefans können bei Risikospielen nur sogenannte Kombi-Tickets erwerben. Sie werden beispielsweise mit Bussen direkt zum Stadion gefahren, wo sie über einen separaten und abgetrennten Sektor direkt zur Gästetribüne gelangen. Ein direkter Kontakt mit Heimfans wird so verhindert. Kontrolliert wird das ganze durch die Fussballeinheit der Bundespolizei.

1.5.3

Grossbritannien

Die gesetzlichen Grundlagen Englands haben sich über die Jahre nach und nach entwickelt. Zu Beginn stand der «Sporting Events (Control of Alcohol) Act 1985», der den Besitz von alkoholischen Getränken in Sonderzügen und Bussen auf dem Weg zu Fussballspielen verbietet. Die Polizei kann aufgrund dieses Gesetzes Personen, Züge oder Busse durchsuchen sowie Personen festnehmen und Verstösse ahnden. Die verschiedenen Massnahmen gegen Gewalt wurden in der «Football Banning Order» (FBO) zusammengeführt. Mit den FBO wurde ein Werkzeug geschaffen, das fussballbezogene Gewalt und die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im In- und Ausland verhindern soll.

7003

1.5.4

Deutschland

In Deutschland gibt es keine speziellen Gesetzesgrundlagen, die auf den Hooliganismus abzielen. Zur Anwendung kommen hauptsächlich gängige Artikel des Strafrechts. In erster Linie ist es Aufgabe des privaten Veranstalters (meist der Heimrespektive Gastgeberverein), die Sicherheit im Stadion respektive am Veranstaltungsort zu gewährleisten und Probleme beim Ablauf der Veranstaltungen als solche zu verhindern. Der Veranstalter muss ausserdem Vorkehrungen gegen gewalttätige Übergriffe treffen (z. B. strikte Fantrennung im Stadion bei befürchteten Gewalttätigkeiten). Deutschland setzt bei der Bekämpfung des Hooliganismus zudem auf grosse Polizeiaufgebote.

1.6

Umsetzung

Die SBB als hauptbetroffenes Transportunternehmen beurteilen die geplante Gesetzesänderung positiv und sehen keine grundsätzlichen Hindernisse für deren Umsetzung.

Im Nachgang zur geplanten Revision des PBG wird auch eine Anpassung der Verordnung vom 4. November 20094 über die Personenbeförderung nötig werden.

Namentlich muss festgelegt werden, unter welchen Bedingungen die Transportpflicht im Sinne von Artikel 12 Absatz 2 E-PBG aufgehoben werden kann.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der vorliegenden Vorlage wird die Forderung des nachstehenden parlamentarischen Vorstosses erfüllt: 2012

M

12.3017

Gewalt bei Sportanlässen. Anpassung des Personenbeförderungsgesetzes (N 24.09.2012, S 13.12.2012, Sicherheitspolitische Kommission NR)

Der Bundesrat beantragt daher, diesen parlamentarischen Vorstoss als erfüllt abzuschreiben.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 12 Abs. 2 E-PBG Durch die erweiterte gesetzliche Delegationskompetenz kann der Bundesrat die Transportunternehmen ermächtigen, all jene Personen vom Transport auszuschliessen, welche die (öffentliche) Sicherheit oder die öffentliche Ordnung gefährden.

Die öffentliche Ordnung umfasst alle Regeln, die nach der jeweils herrschenden Ansicht für das geordnete Zusammenleben der Privaten unerlässlich sind.

4

SR 745.11

7004

Die öffentliche Sicherheit bedeutet die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, der Rechtsgüter der Einzelnen (Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Ehre usw.) sowie Einrichtungen des Staates.5 Eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist somit namentlich gegeben bei erheblichen oder wiederholten Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen sowie bei Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen. Ein solches Verhalten kann auch dann vorliegen, wenn die einzelnen Handlungen für sich allein noch keinen Ausschluss rechtfertigen, deren wiederholte Begehung aber darauf hinweist, dass die betreffende Person nicht bereit ist, sich an die geltende Ordnung zu halten.

Nicht nur im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen sollen neu die Unternehmen die Möglichkeit haben, individuell Personen unter bestimmten Voraussetzungen vom Transport auszuschliessen.

Diese Ausschlussmöglichkeit könnte beispielsweise bei Personen mit Stadionverbot zur Anwendung kommen. Zudem sollen neu notorische Schwarzfahrer und Personen, die das Personal tätlich angreifen, für eine gewisse Zeit von der Beförderung ausgeschlossen werden können.

Art. 12a E-PBG Abs. 1 Das Transportunternehmen erhält die Möglichkeit, Fans (erkennbaren Anhängerinnen und Anhänger eines Sportklubs) die Beförderung in fahrplanmässigen Kursen einzuschränken oder zu verweigern, wenn es dem Sportklub rechtzeitig zu angemessenen Bedingungen einen Chartervertrag für die Beförderung seiner Fans anbietet.

Eine Verpflichtung des Transportunternehmens, dem Sportklub ein solches Angebot zu unterbreiten, besteht nicht.

Als Beförderung gilt nicht bloss die konkrete Transportleistung, sondern auch die vor- und nachgelagerte Benutzung der Einrichtungen des Transportunternehmens, so beispielsweise der Aufenthalt in Bahnhofsgebäuden auf dem Weg zur Sportveranstaltung.

Das Angebot des Transportunternehmens gilt dann als angemessen, wenn es einen fairen Ausgleich zwischen den finanziellen, rechtlichen, aber auch praktischen Möglichkeiten des Sportklubs einerseits und den berechtigen Anliegen des Transportunternehmens andererseits schafft. Dabei wird man sich an Vereinbarungen orientieren, wie sie bereits unter dem geltenden Recht abgeschlossen wurden. Erinnert sei insbesondere an das Modell YB
(vgl. Ziff. 1.1.3). Nicht angemessen wäre ein Angebot, das die Verantwortung einseitig dem Sportklub zuweist. Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt ex ante aufgrund der bisherigen Erfahrungen (bspw. im Modell YB).

Im Chartervertrag sollten sinnvollerweise namentlich die Haftung, der Fahrpreis, das Platzangebot, der Abfahrts- und Zielort sowie die Abfahrtszeit geregelt werden. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, alle genannten Punkte zu regeln. Die Aufzählung zeigt vielmehr auf, welche Vertragspunkte bei der Prüfung der Angemessenheit des Angebots im Vordergrund stehen.

5

Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Rz. 2433.

7005

Haftung: der Sportklub wird im Rahmen des Chartervertrags mit dem Transportunternehmen die Vorkehren und Massnahmen vereinbaren, die zur Vermeidung von Schäden erforderlich sind, und sich damit von einer weiteren Haftung befreien. So kann der Sportklub beispielsweise dem Transportunternehmen ein Sicherheitskonzept vorlegen und mit diesem die vorgesehenen Sicherheitsmassnahmen absprechen.

Bestandteil dieses Konzepts werden die Begleitung durch Fanbetreuerinnen und -betreuer und Security-Mitarbeiter der Klubs sein, insbesondere auch die Festlegung der erforderlichen Anzahl.

Fahrpreis: um die Fans zur Benützung der Charterzüge zu veranlassen, sollte der Fahrpreis unter dem Fahrpreis auf fahrplanmässigen Kursen angesetzt werden.

Keinesfalls darf das Beförderungsentgelt dasjenige für eine normale Fahrkarte übersteigen. Die Unternehmen dürften bestrebt sein, die Fans durch eine attraktive Preisgestaltung zur Benützung der Extrazüge zu veranlassen. Auch ein Klub, der einen Extratransport chartert, sollte gegenüber den Fans nicht höhere Tarife ansetzen als diejenigen, welche im Regelverkehr für die gleiche Strecke gelten. Wenn der Besteller für das Chartertransportmittel einen Pauschalpreis bezahlt, geht das Risiko der Auslastung auf ihn über.

Platzangebot: das Platzangebot im Chartertransportmittel sollte so bemessen sein, dass Sicherheit und Ordnung während der Fahrt optimal gewährleistet werden können. Bei der Festlegung des Platzangebots sollte auch die Fahrzeit angemessen berücksichtigt werden.

Abfahrts- und Zielort: der Bundesrat geht davon aus, dass als Abfahrts- und Zielort die geeigneten und bewährten Bahnhöfe, Stationen und Haltestellen in der Nähe der Stadien vereinbart werden, namentlich Basel St. Jakob, Bern Wankdorf, Zürich Hardbrücke. Der Abfahrts- und der Zielort sollten so gewählt werden, dass der Aufwand für die öffentliche Sicherheit möglichst gering gehalten werden kann.

Zudem sollten der übrige Verkehr und die Passagiere der fahrplanmässigen Kurse möglichst nicht behindert werden.

Abfahrts- und Ankunftszeit: bei der Vereinbarung der Abfahrts- und der Ankunftszeit durch die Parteien sind insbesondere auch das Sicherheitskonzept und die Bedürfnisse des Veranstalters (in der Regel der Heimklub) zu berücksichtigen.

Sobald eine behördliche Bewilligung für die Sportveranstaltung
vorgesehen ist oder bereits vorliegt, muss diese von den Vertragsparteien zwingend beachtet werden (bspw. Weg und Zeitfenster für die An- und Abreise).

Das Transportunternehmen kann auch künftig von sich aus den Fans ein Extratransportmittel zur Verfügung stellen, ohne dass es zuvor dem Sportklub eine entsprechende Offerte gemacht hat. Der Beförderungsvertrag kommt dann direkt zwischen dem Transportunternehmen und dem jeweiligen Reisenden zustande. In diesem Fall besteht jedoch weder das Transportverweigerungsrecht nach Absatz 1 noch kommt die gesetzliche Haftung nach Absatz 2 zur Anwendung.

Kommt trotz eines angemessenen Angebots des Transportunternehmens kein Chartervertrag zustande und besteht somit das Transportverweigerungsrecht nach Absatz 1, so steht es dem Transportunternehmen dennoch frei, erkennbar friedliche Gruppen mit den fahrplanmässigen Kursen reisen zu lassen. Dieses Ermessen ist selbstverständlich pflichtgemäss auszuüben und darf nicht willkürlich angewendet werden, da die Transportunternehmen in Erfüllung einer staatlichen Aufgabe

7006

(Art. 35 Abs. 2 der Bundesverfassung6, BV) handeln. Die Abgrenzung zwischen den Fans eines Sportklubs und den Normalreisenden könnte sich an folgenden Kriterien orientieren: Anweisungen der lokalen Bewilligungsbehörde, vorliegende Informationen über die zu transportierenden Fans, Gruppengrösse, erkennbar organisierte Fangruppen, Verhalten (Alkoholisierung, Lautstärke, Chöre), Stimmung (Aggressivität), Kleidung (eindeutige Fanbekleidung) und Art der mitgeführten Gegenstände.

Der Veranstalter kann überdies unabhängig von der vorliegenden Regelung und unabhängig von der Entscheidung des Transportunternehmens festlegen, ob er den Eintritt zur Veranstaltung oder zu bestimmten Sektoren (z. B. Gästesektor) davon abhängig machen möchte, dass jeder Besucher über ein Kombiticket verfügen muss, um so einen Anreiz für die Benützung des öffentlichen Verkehrs oder eines allfällig bestellten Chartertransportmittels zu setzen. Diese Kompetenz hat er gestützt auf sein Hausrecht, das ihm beispielsweise auch erlaubt, das Mitbringen gefährlicher Gegenstände u. Ä. zu untersagen. Solche Klauseln sind bei Grossveranstaltungen die Regel und finden sich jeweils auch auf den Eintrittskarten aufgedruckt. Andererseits kann er selber über den Einlass von jenen Fans in den Gästesektor entscheiden, die nicht mit gecharterten Fahrzeugen angereist sind, soweit die zuständige Bewilligungsbehörde keine gegenteilige Bedingungen verfügt hat.

Abs. 2 Verzichtet der Sportklub auf den Abschuss eines Chartervertrags, obwohl ihm das Transportunternehmen ein angemessenes Vertragsangebot unterbreitet hat, so haftet er gegenüber dem Unternehmen für Schäden, die seine Fans bei der Beförderung verursacht haben. Gleich wie bei Absatz 1 gilt als Beförderung nicht bloss die konkrete Transportleistung, sondern auch die Benutzung der sonstigen Einrichtungen des Transportunternehmens.

Die Haftung entspricht einer milden Kausalhaftung. Der Sportklub haftet für sämtliche Schäden (zu denen insbesondere auch Schäden an Infrastruktur und Fahrzeugen gehören), die dem Transportunternehmen entstehen. Für die Haftung müssen die allgemeinen Voraussetzungen einer jeden Haftpflicht erfüllt sein, insbesondere muss ein Schaden vorliegen und müssen Widerrechtlichkeit und ein Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des Fans und des beim Transportunternehmen
verursachten Schadens gegeben sein.

Der Sportklub haftet jedoch nur subsidiär, d. h. wenn der Schädiger nicht identifiziert werden kann. Es bleibt damit beim Grundsatz, dass primär der Schädiger gegenüber dem Transportunternehmen (wie auch sonstigen Dritten) verantwortlich ist. Das Transportunternehmen muss im Rahmen von Absatz 2 darlegen, welche konkreten Massnahmen es getroffen hat, um den Schädiger zu identifizieren, beispielsweise durch die Befragung von Zeuginnen und Zeugen oder die Auswertung von Videoaufzeichnungen. Nur wenn sich der Sportklub oder im Streitfall das Gericht hiervon überzeugt hat, ist die Haftung des Sportklubs zu prüfen. Absatz 2 ist nicht anwendbar, wenn der Schädiger zwar identifiziert werden kann, aber aus irgend einem Grund den Schaden nicht ersetzen kann oder muss, beispielsweise mangels Verschulden oder Zahlungsfähigkeit.

6

SR 101

7007

Die Haftung wird in diesem Artikel und nicht bei den Haftungsbestimmungen des PBG geregelt, weil es vorliegend um die Haftung eines Dritten geht. Der 9. Abschnitt des PBG (Art. 42­50) behandelt die vertragliche Haftung zwischen den Unternehmen und den Reisenden, der 10. Abschnitt (Art. 51) die ausservertragliche Haftung des Unternehmens.

Abs. 3 Der Sportklub kann sich durch den Nachweis befreien, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um den konkreten Schaden zu vermeiden. Die Formulierung ist dabei bewusst an die Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 Abs. 1 OR7) angelehnt, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die vom Gesetz verlangte Sorgfalt nicht bloss in einer subjektiv-pflichtgemässen Handlungsweise besteht, sondern sich nach der Gesamtheit der objektiv und durch die Umstände gebotenen Massnahmen beurteilt.8 Bei der Beförderung zu Sportveranstaltungen könnte die erforderliche Sorgfalt des Sportklubs etwa darin liegen, dass er den Fans ausreichende alternative Transportmöglichkeiten zur Verfügung gestellt, dass er eine ausreichende Anzahl Begleitpersonen aufgeboten, dass er das Begleitpersonal ausreichend auf ihre Aufgaben vorbereitet, dass er die Fans rechtzeitig und angemessen über diese alternativen Angebote informiert und dass er in ausreichendem Mass mit den öffentlichen Sicherheitskräften zusammengearbeitet hat.

Auch wenn im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, wird der Sportklub von seiner Haftpflicht mangels Kausalität befreit, wenn er nachweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre.

Abs. 4 Auf die Haftung des Sportklubs gemäss den Absätzen 2 und 3 sind die Bestimmungen des Obligationenrechts über die unerlaubten Handlungen anwendbar, soweit Artikel 12a E-PBG nichts anderes vorsieht. Das gilt beispielweise für die Schadenersatzbemessung und die Verjährung.

Art. 56 Abs. 1 E-PBG Bei den neu in Artikel 12a E-PBG geregelten Sachverhalten sind allfällige Streitigkeiten im engeren oder weiteren Sinne vermögensrechtlicher Natur. Deshalb sollen auch für solche Streitigkeiten Zivilgerichte zuständig sein. Während es bei den übrigen in Artikel 56 genannten Streitigkeiten um solche zwischen Kunden, Kundinnen und Transportunternehmen geht, betreffen die neu erfassten Sachverhalte solche zwischen Transportunternehmen und Sportklubs.

7 8

SR 220 Vgl. Basler Kommentar OR I ­ Heierli/Schnyder, 5. Aufl., Basel 2011, Art. 55 N 16.

7008

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Nach der Einführung der neuen Regelung dürften bei den Transportunternehmen im Zusammenhang mit Fan-Transporten weniger ungedeckte Kosten entstehen. Davon profitiert auch der Bund als Eigner der SBB. Für die Umsetzung der neuen Regelung müssen in der Bundesverwaltung keine neuen Stellen geschaffen werden.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die neue Regelung ist auf die Änderung des interkantonalen Hooligan-Konkordats abgestimmt und kann daher wirkungsvoll umgesetzt werden. Allenfalls ist anfänglicher Mehraufwand für die Umsetzung der neuen Regelung nicht auszuschliessen, da die lokalen Polizeiorgane über die Abwicklung zu orientieren sind und diese nötigenfalls die Transportunternehmen unterstützen müssen. Langfristig aber sollte diese Regelung die Kantone im Polizeibereich gegenüber heute etwas entlasten. Falls sich die neue Regelung bewährt, kann also letztlich mit einer Entlastung für Kantone und Gemeinden gerechnet werden.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Durch diese Vorlage erhalten die Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs ein besseres Instrument, um den Vandalismus und die Gewalt beim Transport von Sportfans zu bekämpfen. Damit sollen Sachschäden bei Fantransporten durch öffentlichen Verkehr verhindert werden. Sportklubs werden als Zweckveranlasser einer Sportveranstaltung betreffend die Sorgfaltsplicht und Haftung in die Pflicht genommen. Durch die Verminderung der Kosten für Sachschäden werden die Transportunternehmen und damit mittelbar die Kantone und der Bund finanziell entlastet. Die Vorlage hat keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt. Mit der neuen Regelung besteht die Gewähr, dass die Klubs weiterhin Tickets an die Fans der Gastmannschaften verkaufen können. Im besten Fall könnte das neue System dazu führen, dass mehr Personen als heute Sportanlässe besuchen, weil im Bereich des öffentlichen Verkehrs weniger Aktivitäten von Risikofans zu befürchten sind. Insgesamt sind die volkswirtschaftlichen Auswirkungen gering.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Mit der neuen Regelung wird ein deutliches Zeichen gegen Gewalt und Zerstörungswut im öffentlichen Raum gesetzt. Die breite Masse der Benutzerinnen und Benutzer des öffentlichen Vekehrs profitiert von verbesserter Sicherheit.

7009

3.5

Weitere Auswirkungen

Auswirkungen auf die Umwelt sowie andere Auswirkungen sind nicht zu erwarten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 20129 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Gemäss Artikel 87 und 92 BV ist der Bund dafür zuständig, Gesetze im Bereich der Personenbeförderung zu erlassen. Laut Artikel 36 BV müssen Einschränkungen von Grundrechten, wie hier der Bewegungs- und der Versammlungsfreiheit von Fans, durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein. Zudem müssen Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sein. Angesichts der Gefahren, die heute von gewältigen Personen Rund um Sportveranstaltungen für den öffentlichen Verkehr ausgehen, ist dies bei den geplanten Einschränkungen klar der Fall.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Internationale Verpflichtungen der Schweiz sind von der Vorlage nicht betroffen.

Insbesondere fällt die vorgesehene Regelung nicht in den Geltungsbereich des Abkommens vom 21. Juni 199910 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse.

5.3

Erlassform

Die Transportpflicht ist im Personenbeförderungsgesetz verankert. Eine Lockerung dieser Pflicht muss durch eine Änderung dieses Gesetzes geregelt werden.

5.4

Datenschutz

Mit den bisher geltenden gesetzlichen Grundlagen für die Datenbearbeitung in Artikel 54 Absatz 2 PBG wird auch die geringfügige Erweiterung in Artikel 12 Absatz 2 E-PBG genügend abgedeckt.

9 10

BBl 2012 481, hier 613 SR 0.740.72

7010