13.059 Botschaft zur Änderung des Gewässerschutzgesetzes (Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser) vom 26. Juni 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf betreffend der Änderung des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2011 M

10.3635

Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser (S 28.9.10, Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie SR; N 15.3.11)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

26. Juni 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-0375

5549

Übersicht Durch eine Änderung des Gewässerschutzgesetzes wird eine zweckgebundene Spezialfinanzierung geschaffen, die den Ausbau ausgewählter Abwasserreinigungsanlagen erlaubt. Dadurch soll der Eintrag von Mikroverunreinigungen in die Gewässer verringert werden.

Ausgangslage Aktuell gemessene Konzentrationen einiger organischer Spurenstoffe (Mikroverunreinigungen) beeinträchtigen die Fischgesundheit, gefährden die Fortpflanzung der Fische oder können andere Wasserlebewesen schädigen. Durch Massnahmen bei ausgewählten zentralen Abwasserreinigungsanlagen (ARA) soll daher der Eintrag von Mikroverunreinigungen in die Gewässer zum Schutz der Wasserflora und -fauna und der Trinkwasserressourcen verringert werden. Zur Verankerung dieser Massnahmen in der Gesetzgebung wurde von Ende 2009 bis Ende April 2010 vom UVEK eine Anhörung zur entsprechenden Änderung der Gewässerschutzverordnung (GSchV, SR 814.201) durchgeführt. Über 80 Prozent der Stellungnahmen anerkennen, dass das Problem der Mikroverunreinigungen über einen Ausbau ausgewählter ARA gelöst werden muss. Die zentrale Forderung der Kantone und weiterer betroffener Kreise ist jedoch, dass eine möglichst verursachergerechte und gesamtschweizerische Finanzierungslösung für den geplanten Ausbau gefunden wird. Aufgrund dieser Forderungen beschloss die UREK-S im August 2010 die Kommissionsmotion 10.3635 («Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser») einzureichen. Diese fordert die Schaffung der notwendigen Rechtsgrundlagen für eine möglichst verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser. Sie wurde vom Bundesrat zur Annahme empfohlen und von beiden Räten (SR: Herbstsession 2010, NR: Frühjahressession 2011) überwiesen.

Inhalt der Vorlage Weil sich das Massnahmenpaket auf grosse ARA und auf ARA an Fliessgewässern mit einem hohem Anteil an gereinigtem Abwasser beschränkt, sind nur bestimmte, insbesondere dicht besiedelte Regionen in der Schweiz betroffen. Die Mehrkosten für die Massnahmen fallen folglich nur bei ausgewählten ARA in diesen Regionen an. So müsste nach der geltenden Rechtslage letztlich die Bevölkerung in den betroffenen Regionen für diese Massnahmen aufkommen, obwohl alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Verursacher von Verunreinigungen durch organische Spurenstoffe
sind. Um dieser Ungleichbehandlung entgegenzuwirken und eine grössere Verursachergerechtigkeit sicherzustellen, soll eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe zur Finanzierung von Massnahmen bei ARA zur Elimination von organischen Spurenstoffen eingeführt werden. Mit dieser Vorlage wird die dazu notwendige gesetzliche Grundlage geschaffen.

5550

Mit dieser Abgabe wird ausschliesslich der zielorientierte Ausbau der ARA zur Elimination von organischen Spurenstoffen mitfinanziert. Dazu wird eine zweckgebundene Spezialfinanzierung geschaffen. Der Bund gewährt aus dieser Spezialfinanzierung Abgeltungen von 75 Prozent an die Erstellung und Beschaffung von Anlagen und Einrichtungen zur Elimination der organischen Spurenstoffe in ARA.

Zur Finanzierung werden jährlich durchschnittlich 45 Millionen Franken benötigt.

Dazu muss bei allen ARA der Schweiz eine durchschnittliche Abgabe von jährlich acht Franken pro angeschlossener Einwohnerin oder pro angeschlossenem Einwohner erhoben werden.

5551

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Organische Spurenstoffe (Mikroverunreinigungen) sind Stoffe wie Medikamente, Hormone, Biozide etc. Sie werden in den zentralen Abwasserreinigungsanlagen (ARA) nicht oder nur teilweise entfernt und gelangen mit dem biologisch gereinigten Abwasser in die Gewässer. Bei Fliessgewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10 Prozent werden organische Spurenstoffe in Konzentrationen gemessen, welche die Fortpflanzung und Entwicklung empfindlicher Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen beeinträchtigen. Ein Beispiel dieser Beeinträchtigung ist die Verweiblichung männlicher Fische aufgrund hormonaktiver Stoffe. Die Belastung der Gewässer ist insbesondere in dicht besiedelten und stark genutzten Regionen des schweizerischen Mittellandes gross. Dort sind insgesamt 1400 Kilometer Fliessgewässer mit mehr als 10 Prozent biologisch gereinigtem Abwasser belastet. Mikroverunreinigungen werden auch in ufernahen unterirdischen Trinkwasserfassungen, welche an Fliessgewässern mit einem hohen Anteil an biologisch gereinigtem Abwasser liegen, gemessen. Obwohl für die Bevölkerung deswegen zurzeit keine Gefährdung besteht, müssen aus Gründen des vorsorglichen Verbraucherschutzes Massnahmen getroffen werden. Zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt der Gewässer und der Trinkwasserressourcen sind daher bei ARA technische Massnahmen notwendig, dank denen der Eintrag organischer Spurenstoffe reduziert werden kann.

Die Problematik ist sowohl in der Schweiz als auch international anerkannt.

Gemäss Artikel 9 des Gewässerschutzgesetzes vom 24. Januar 1991 (Gewässerschutzgesetz, GSchG, SR 814.20) legt der Bundesrat die Anforderungen an die Wasserqualität fest, und er erlässt Vorschriften über die Einleitung von Abwasser in Gewässer. Heute gibt es in der Gewässerschutzverordnung vom 28. Oktober 1998 (GSchV, SR 814.201) keine generell für organische Spurenstoffe geltenden Anforderungen an die Wasserqualität oder an die Einleitung von kommunalem Abwasser in Gewässer. Um solche Anforderungen einzuführen, hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) am 27. November 2009 die Anhörung zur Änderung der GSchV eröffnet und diese am 30. April 2010 mit 82 eingegangenen Stellungnahmen abgeschlossen. Nach Ansicht des UVEK sollten nicht generell alle ARA mit Einrichtungen und Anlagen zur Elimination von
organischen Spurenstoffen ausgebaut werden müssen. Das Massnahmenpaket umfasst vielmehr den zielorientierten Ausbau von etwa 100 der insgesamt über 700 ARA. Damit können die Tier- und Pflanzenwelt der Gewässer sowie die Trinkwasserressourcen optimal geschützt werden, und die Schweiz kann ihre Oberliegerverantwortung wahrnehmen. Gleichzeitig wird der Eintrag an organischen Spurenstoffen in die Gewässer halbiert. Dadurch wird gewährleistet, dass mit den anfallenden Kosten ein optimaler Nutzen erzielt wird. Im Anhörungsentwurf war vorgesehen, dass die Finanzierung durch die betroffenen ARA erfolgt.

Es wurde in über 80 Prozent der Stellungnahmen anerkannt, dass das Problem der organischen Spurenstoffe gelöst werden muss. Das Konzept des problemorientierten Massnahmenpaketes und des selektiven Ausbaus der ARA wurde ebenfalls breit unterstützt.

5552

Die zentrale Forderung der Kantone sowie verschiedener Parteien und Interessengruppen ist eine schweizweite Finanzierungslösung für den geplanten Ausbau. Im Weiteren wurde in vielen Stellungnahmen eine bundesweit koordinierte Planung des Ausbaus gefordert. Verlangt wurden auch weitere grosstechnische Versuche zur Technologieerprobung, bevor in der Schweiz eine grössere Anzahl ARA ausgebaut wird.

Die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerates (UREK-S) wurde eingehend über die Resultate der Anhörung informiert. Sie stimmte dem Lösungskonzept zu, anerkannte die Problematik der Finanzierung und beschloss einstimmig, die Motion «Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser» (Motion 10.3635) einzureichen. Darin fordert die Kommission, dass der Bundesrat die Rechtsgrundlagen für eine möglichst verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser schaffen soll.

Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion. Der Ständerat stimmte der Motion am 28. September 2010 zu. Der Nationalrat hat die Motion als Zweitrat am 15. März 2011 ebenfalls mit 116 zu 44 Stimmen angenommen.

Neben den Inhalten zur Beantwortung der Motion (Finanzierungslösung) werden auch Lösungen für die anderen Hauptkritikpunkte der Anhörung erarbeitet. Die bundesweite Koordination der Planung wird über die Finanzierung sichergestellt, siehe dazu Ziffer 1.7 (Umsetzung). Die Forderung nach weiterer Technologieerprobung wird bereits heute durch eine Arbeitsgruppe «Verfahrenstechnik Mikroverunreinigungen» im Verband der Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) umgesetzt.

1.2

Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser

Weil sich die Massnahmen auf grosse ARA und auf ARA an Fliessgewässern mit einem hohen Anteil an gereinigtem Abwasser beschränken, sind nur bestimmte, insbesondere dicht besiedelte Regionen in der Schweiz betroffen. Die Mehrkosten für die Massnahmen fallen folglich nur bei ausgewählten ARA in diesen Regionen an. So müsste nach der geltenden Rechtslage letztlich die Bevölkerung in den betroffenen Regionen für diese Massnahmen aufkommen, obwohl alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz Verunreinigungen durch organische Spurenstoffe verursachen. Um dieser Ungleichbehandlung entgegenzuwirken und eine grössere Verursachergerechtigkeit sicherzustellen, ist eine gesamtschweizerische Finanzierungslösung notwendig. Diese kann über eine Änderung des GSchG erreicht werden.

1.3

Die beantragte Neuregelung

Es soll eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe zur Finanzierung von Massnahmen bei ARA zur Elimination von organischen Spurenstoffen eingeführt werden.

Mit dieser Vorlage wird die dazu notwendige gesetzliche Grundlage geschaffen.

5553

Der Bund wird ermächtigt, bei allen Inhabern von ARA eine Abgabe zu erheben.

Diese Abgabe wird auf Basis der an die ARA angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner erhoben. Der Grossteil (um die 97 Prozent) der 8 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz ist an eine ARA angeschlossen. Weil ARA, die Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen getroffen haben, nach dem Ausbau höhere Betriebskosten haben, werden sie zum Ausgleich ab dem Jahr nach der Einreichung der Schlussabrechnung von der Abgabe befreit. Damit ist eine schweizweite verursachergerechte finanzielle Beteiligung der Bevölkerung gewährleistet.

Die Investitionskosten des Ausbaus von etwas mehr als 100 ARA werden nach aktuellen Berechnungen auf 1,2 Milliarden Franken geschätzt. Der Wiederbeschaffungswert der heutigen öffentlichen Infrastruktur zur Abwasserentsorgung beträgt im Vergleich dazu 80 Milliarden Franken. Bei einer Umsetzung der Massnahmen über zwanzig Jahre werden jährlich rund 60 Millionen Franken investiert. Die zusätzlichen Betriebskosten nach dem Ausbau betragen schätzungsweise 75 Millionen Franken pro Jahr. Nach Abschluss des Massnahmenpaketes betragen die gesamten Mehrkosten um die 130 Millionen Franken pro Jahr (Betriebs-, Werterhalt- und Kapitalkosten). Dies entspricht etwa 6 Prozent der heutigen Gesamtkosten für die Abwasserentsorgung (2,2 Mia. CHF pro Jahr).

Mit der Abgabe wird ausschliesslich der zielorientierte Ausbau der ARA zur Elimination von organischen Spurenstoffen mitfinanziert. Dazu wird eine zweckgebundene Spezialfinanzierung geschaffen. Der Bund gewährt aus dieser Spezialfinanzierung Abgeltungen von 75 Prozent an die Erstellung und Beschaffung von Anlagen und Einrichtungen zur Elimination der organischen Spurenstoffe in ARA. Da lediglich eine begrenzte Anzahl ARA von einem Ausbau und somit nebst den Investitionskosten auch von höheren Betriebskosten betroffen ist, ist es gerechtfertigt, einen hohen Anteil der Investitionskosten abzugelten. Dies wurde in der Anhörung auch durch die Kantone gefordert. Eine weitgehende Abgeltung der Betriebs- und Werterhaltungskosten ist nicht angemessen, da der Vollzug deutlich aufwendiger ist als bei einer Beschränkung der Abgeltung auf die Erstinvestition. Dazu kommt, dass der Mehraufwand teilweise durch den vor Ort anfallenden wirtschaftlichen
und ökologischen Nutzen der Massnahme kompensiert wird.

Zur Finanzierung von 75 Prozent der Erstinvestitionen werden jährlich 45 Millionen Franken benötigt. Dazu muss bei allen ARA der Schweiz eine durchschnittliche Abgabe von jährlich 8 Franken pro angeschlossener Einwohnerin oder pro angeschlossenem Einwohner erhoben werden. Aufgrund der Unsicherheiten der Kostenschätzungen ist die maximale Höhe der Abgabe auf jährlich 9 Franken pro angeschlossener Einwohnerin oder pro angeschlossenem Einwohner festzusetzen.

Die Abgeltungen werden nur geleistet, wenn die vorgesehene Lösung auf einer zweckmässigen Planung beruht, einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleistet, dem Stand der Technik entspricht und wirtschaftlich ist. Die Eckpunkte für den Vollzug der beantragten Neuregelung werden in Ziffer 1.7 (Umsetzung) dargelegt und auf Verordnungsstufe präzisiert.

5554

1.4

Begründung der Neuregelung

Alle an eine ARA angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner verursachen Einträge von Mikroverunreinigungen und belasten dadurch die Gewässer. Wenn sich alle über eine Abwasserabgabe finanziell am Ausbau der betroffenen ARA beteiligen, stellt dies eine Annäherung an das Verursacherprinzip dar. Auf diese Weise kann eine einfache, pragmatische Finanzierungslösung für den Vollzug realisiert werden.

Es wurden alternative gesamtschweizerische und verursachergerechte Finanzierungslösungen einer Beurteilung unterzogen: ­

Theoretisch könnte mit einer Abgabe auf Produkte, die problematische Stoffe enthalten, dem Verursacherprinzip gut entsprochen werden. Die genauere Analyse hat aber gezeigt, dass nur schon eine annäherungsweise Berücksichtigung der Vielzahl der möglicherweise relevanten Produkte und ihrer problematischen Inhaltsstoffe vollzugstechnisch, wenn überhaupt, nur mit einem (im Vergleich zum Finanzierungsbedarf) unverhältnismässig hohen Aufwand realisierbar wäre. Insbesondere sprechen aber aussenhandelstechnische Gründe klar gegen diese Abgabe. Sie wird daher verworfen.

­

Eine Finanzierung aus Steuermitteln ist grundsätzlich denkbar, hat allerdings keinen direkten Bezug zur Einleitung von organischen Spurenstoffen, sondern erfolgt nach dem Gemeinlastprinzip und somit nicht nach dem Verursacherprinzip. Sie würde ausserdem zu einer zusätzlichen Belastung der Bundesfinanzen führen. Eine Spezialsteuer (z.B. ein halbes Mehrwertsteuerpromille) ist aufgrund des Vollzugsaufwands für die hier zur Diskussion stehenden Beträge kaum sinnvoll.

1.5

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Vernehmlassung zur vorliegenden Änderung des GSchG wurde am 25. April 2012 eröffnet und dauerte bis 31. August 2012. Eingegangen sind 147 Stellungnahmen.

Der Vorlage wird grossmehrheitlich zugestimmt. Nur 17 Stellungnahmen lehnen die Vorlage klar ab (darunter der Kanton Jura, die Schweizerische Volkspartei und die Industrieverbände). Das Konzept der Finanzierung der Massnahmen durch eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe wird grundsätzlich begrüsst. Die wenigen ablehnenden Stellungnahmen forderten eine verbesserte Verursachergerechtigkeit über eine Produkte- oder Lenkungsabgabe.

Der Hauptkritikpunkt betrifft die finanzielle Benachteiligung der mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe für organische Spurenstoffe ausgebauten ARA. Diese ARA beziehungsweise die daran angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner sind trotz der Finanzierungslösung benachteiligt, da sie aufgrund der nicht beitragsberechtigten zusätzlichen Betriebskosten höhere Gesamtkosten haben als ARA, die keinen Ausbau vornehmen. Dadurch fehlt auch ein Anreiz für einen frühen Ausbau.

Aus diesen Gründen wird für Anlagen, die einen Ausbau vornehmen, eine Verbesserung der finanziellen Situation gefordert. Dazu werden folgende Massnahmen vorgeschlagen:

5555

­

Eine ganze oder teilweise Abgabebefreiung für ausgebaute ARA wird von fünf Kantonen (Basel-Land, Obwalden, Solothurn, Schwyz, Zug), verschiedenen Verbänden (Kommunale Infrastruktur, Gemeindeverband, Städteverband, Verband der Schweizerischen Abwasser- und Gewässerschutzfachleute, Groupement Romand des Exploitants de Stations d'Epuration), der Handelskammer beider Basel sowie von der Interessensgemeinschaft Erfahrungsaustausch (ERFA) Klärwerke Grossstädte Schweiz und in 35 damit identischen Stellungnahmen von Abwasserverbänden, Städten und Gemeinden gefordert.

­

Eine Erhöhung des Beitrags an die Erstinvestitionen fordern sechs Kantone (Freiburg, Jura, Schaffhausen, Thurgau, Uri, Waadt), die Konferenz der Vorsteher der Umweltämter der Schweiz (KVU) und die Association romande pour la protection des eaux et de l'air (ARPEA).

­

Beiträge an die erhöhten Betriebskosten von ausgebauten ARA fordern vier Kantone (Basel-Land, Freiburg, Jura, Tessin) und die Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK). Die Mehrheit hält zeitlich befristete Beiträge für ausreichend.

Betreffend der Planung und Finanzierung der Massnahmen werden folgende Forderungen gestellt: ­

Zwölf Kantone (Basel-Land, Freiburg, Neuenburg, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, Thurgau, Uri, Waadt, Zug, Zürich, Sankt Gallen), die Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK) und zwei weitere Vernehmlassungsteilnehmer (ARPEA und Lab'Eaux) fordern, dass die Vollzugskosten der Kantone auch durch die Spezialfinanzierung gedeckt werden.

­

Es sind mehrere unterschiedliche Hinweise zur Einzugsgebietsplanung eingegangen. Der Bund soll bei der Planung im Einzugsgebiet eine koordinierende Rolle übernehmen.

­

Es soll ein Kriterium «Schutz der Trinkwasserressourcen» für die Auswahl der auszubauenden ARA formuliert werden (Bern, Neuenburg, Obwalden, Sankt Gallen, Uri, KVU, BPUK).

Zu verschiedenen Themen werden von den Vernehmlassungsteilnehmern Forderungen geäussert oder Präzisierungen verlangt. Dazu gehören die Forderung nach Vorgaben bezüglich der Überbindung der Abwasserabgabe an die Verursacher, nach Präzisierungen bezüglich der Abgeltungen für die Kanalisationen sowie bezüglich der Beitragsberechtigung zusätzlicher Einrichtungen und Anlagen, die z.B. der Nitrifikation oder der Filtration dienen. Verschiedene Forderungen betreffen die Verordnungsstufe oder allfällige Vollzugshilfen.

Aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung wurden insbesondere folgende Anliegen in die Vorlage aufgenommen: ­

5556

Ausgebaute ARA werden von der Abwasserabgabe befreit. Die Abgabebefreiung erfolgt ab dem Jahr nach Einreichung der Schlussabrechnung.

Dadurch wird das Anliegen nach einem besseren finanziellen Ausgleich zwischen den ausbauenden und nicht-ausbauenden ARA, das verschiedene Kantone und die BPUK mit (zeitlich befristeten) Beiträgen an die Betriebskosten erreichen wollten, erfüllt.

­

1.6

Weitere Forderungen wie zum Beispiel ein verbesserter Schutz des Trinkwassers sollen auf Verordnungsstufe umgesetzt werden.

Vergleich mit dem europäischen Recht

Aus dem internationalen Recht ergeben sich keine Verpflichtungen der Schweiz, mit denen die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nicht vereinbar sind.

Seit dem Jahr 2000 ist in der Europäischen Union (EU) die Richtlinie 2000/60/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Massnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie, WRRL) in Kraft. Sie sieht die Schaffung eines Gemeinschaftsrahmens für den Schutz der Binnen- und Oberflächengewässer, der Übergangs- und Küstengewässer sowie des Grundwassers vor. Die WRRL ist für die Schweiz nicht verbindlich, es ergeben sich durch die Richtlinie also keine direkten Verpflichtungen der Schweiz. Die WRRL enthält ein programmatisches Verbesserungsgebot für Gewässer in schlechtem Zustand. Die vorgeschlagene Änderung verfolgt dieselbe Stossrichtung.

Über die Mitarbeit in internationalen Grenzgewässer- und Gewässerschutzkommissionen ist eine Zusammenarbeit mit verschiedenen EU-Mitgliedstaaten gewährleistet, insbesondere über die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR), die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) und die Internationale Kommission zum Schutz des Genfersees (CIPEL).

In verschiedenen Ländern Europas mit ähnlich dichter Besiedlung wie der Schweiz werden technische Lösungen für die Umsetzung von konkreten Massnahmen zur Reduktion der Einträge von organischen Spurenstoffen aus der Siedlungsentwässerung erarbeitet. Dies gilt insbesondere für Holland und Deutschland. In den beiden deutschen Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sind im Jahr 2010 die ersten kommunalen Kläranlagen mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe für organische Spurenstoffe in Betrieb genommen worden. Baden-Württemberg sieht unter anderem vor, bis 2022 rund 20 Prozent des kommunalen Abwassers mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe zu behandeln.

1.7

Umsetzung

Erhebung der Abgabe Der Bund erhebt eine Abgabe bei allen ARA, die sich nach der Anzahl der angeschlossenen ständig im Einzugsgebiet der ARA wohnhaften Einwohnerinnen und Einwohner richtet. Die Anzahl der angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner ist den ARA-Betreibern bekannt und wird heute periodisch durch die Kantone in Zusammenarbeit mit den Fachverbänden gesamtschweizerisch erhoben. Die Erhebung und Kontrolle der Daten ist relativ einfach. Eine Meldepflicht für die Anzahl der angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner soll auf Verordnungsstufe eingeführt werden. Der Vollzugsaufwand für die Erhebung der Abgabe ist somit verhältnismässig gering.

5557

Die Massnahmen führen für die ausgebauten ARA zu erhöhten Betriebskosten. Aus Gründen der Gleichbehandlung werden diese ARA ab dem Jahr nach Einreichung der Schlussabrechnung von der Abgabepflicht befreit.

Planung und Umsetzung der Massnahmen Der Bund verpflichtet über die Einführung von Anforderungen an die Einleitung von kommunalem Abwasser in Gewässer bezüglich organische Spurenstoffe in der GSchV ausgewählte ARA zum Ausbau. Dazu gehören: ­

ARA mit mehr als 80 000 angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohnern

­

ARA mit mehr als 24 000 angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohnern im Einzugsgebiet von Seen. Die Kantone können in begründeten Ausnahmefällen von einem Ausbau der ARA absehen, wenn der Nutzen für die Ökosysteme und die Trinkwasserversorgung vernachlässigbar klein ist.

­

Bei Fliessgewässern mit einem Abwasseranteil von mehr als 10 Prozent, der nicht von organischen Spurenstoffen gereinigt ist, bestimmen die Kantone im Rahmen einer Planung im Einzugsgebiet, welche ARA ausgebaut werden müssen. Davon betroffen sind aus Gründen der Verhältnismässigkeit grundsätzlich nur ARA mit mehr als 8000 angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohnern.

­

Die Kantone können in begründeten Ausnahmefällen den Ausbau von anderen ARA mit mehr als 1000 angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohnern beantragen, ­ die in ökologisch sensiblen Gebieten liegen, oder ­ die an die für die Trinkwasserversorgung wichtigen Gewässern liegen.

Über die Auswahlkriterien wird sichergestellt dass die betroffenen Gewässer entlastet werden und dass sich die Gesamtkosten der Massnahmen im Rahmen der Kostenschätzungen bewegen.

Im Weiteren soll in der GSchV festgelegt werden, dass die notwendigen Massnahmen über einen Zeitraum von zwanzig Jahren nach Inkrafttreten der Änderung umzusetzen sind. Zudem sollen sie bis spätestens fünf Jahre nach der Zusicherung der Abgeltungen umgesetzt werden.

Über die Auswahlkriterien wird neben dem Schutz der Ökosysteme auch indirekt der Schutz der Trinkwasserressourcen verbessert. Ob dies ausreicht, soll nach einer ersten Umsetzungsphase von z.B. zehn Jahren überprüft werden. Allenfalls muss dann die GSchV angepasst werden.

Die Kantone nehmen eine Grobplanung der notwendigen Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen im Abwasser vor. Diese Planung berücksichtigt auch die zukünftigen Entwicklungen. Dabei wird auch die zeitliche Staffelung der Umsetzung festgelegt. Bei Gewässereinzugsgebieten, die in mehr als einem Kanton liegen, wird die Planung durch denjenigen Kanton koordiniert, der den höchsten Anteil an der Einzugsgebietsfläche hat.

Bezüglich der Einleitung von Industrieabwasser in die Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation werden keine zusätzlichen Anforderungen in die GSchV eingeführt. Dort sind bereits heute die nach dem Stand der Technik notwendigen Massnahmen zu treffen, um Verunreinigungen der Gewässer zu vermeiden. Die 5558

bestehenden Grundsätze sind somit ausreichend für einen effizienten Gewässerschutz. Auch beteiligt sich der Bund bereits heute an der Entwicklung von innovativen Verfahren zur Elimination von Spurenstoffen aus Industrie- und Gewerbeabwasser. Die Massnahmen bei ARA bezüglich organischer Spurenstoffe sollen mit den Massnahmen bei der Einleitung von Industrieabwasser in Gewässer oder in die öffentliche Kanalisation abgestimmt werden.

Abgeltung der Massnahmen Der Bund gewährt im Rahmen von Einzelprojekten eine Abgeltung von 75 Prozent der Erstinvestitionen von technischen Verfahren zur Spurenstoffelimination in ARA, die gemäss den neuen Anforderungen der GSchV an die Einleitung von kommunalem Abwasser in die Gewässer ausgebaut werden müssen.

Anstelle von Anlagen und Einrichtungen zur Elimination von Spurenstoffen kann bei der Aufhebung der betroffenen ARA auch die Erstellung von Verbindungsleitungen zu einer in der Nähe liegenden ARA (Ziel-ARA) abgegolten werden, die nach dem Anschluss die Anforderungen bezüglich der Elimination von organischen Spurenstoffen erfüllt (siehe «Planung und Umsetzung der Massnahmen»). Die ZielARA muss selber nur dann Massnahmen treffen, wenn sie die Auswahlkriterien erfüllt. Anrechenbar sind bei der Erstellung von Verbindungsleitungen 75 Prozent der Investitionskosten, aber maximal die gleiche Summe, welche anfallen würde, wenn auf der betroffenen ARA Massnahmen zum Ausbau getroffen würden.

Über die Mitfinanzierung des Ausbaus der betroffenen ARA nimmt der Bund eine koordinierende Rolle wahr und bietet den Kantonen Hilfe bei der Umsetzung. Dies wurde im Rahmen der Anhörung zur Änderung der GSchV im Jahr 2009 breit gefordert. Damit soll auch eine einheitliche, effektive, kosteneffiziente und verhältnismässige Umsetzung der Massnahmen gewährleistet werden.

1.8

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der Verabschiedung dieser Botschaft und der Gesetzesänderung kann der folgende parlamentarische Vorstoss abgeschrieben werden: 2011 M

10.3635

Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser (S 28.9.10, UREK-S; N 15.3.11)

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Änderung Bundesgesetz vom 24. Januar 1991 über den Schutz der Gewässer (GSchG)

Art. 60a

Sachüberschrift

Im 3. Kapitel «Finanzierung» des GSchG wird nebst dem bisherigen Artikel 60a über die Abwasserabgaben, für welche die Kantone sorgen müssen, ein neuer Artikel über die Abwasserabgabe zur Finanzierung der Massnahmen bei ARA zur Elimination von organischen Spurenstoffen eingeführt, welche der Bund erhebt. Daher erhält der bisherige Artikel 60a GSchG die Überschrift «Abwasserabgaben der Kantone».

5559

Art. 60b

Abwasserabgabe des Bundes

Absatz 1 regelt die Pflicht der ARA, dem Bund eine Abwasserabgabe zu entrichten.

Der Ertrag darf nur verwendet werden für: ­

die Finanzierung von Anlagen und Einrichtungen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei ARA,

­

den Bau von Verbindungsleitungen zu einer in der Nähe liegenden ARA, die nach Anschluss die Anforderungen bezüglich der Elimination von organischen Spurenstoffen erfüllt, und

­

den Vollzugsaufwand des Bundes (s. dazu Ziff. 3.1).

Absatz 2 befreit ARA, die Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen getroffen haben, von der Abgabe. Die Befreiung ist im Sinne der Verursachergerechtigkeit nötig, weil die ausbauenden ARA, bzw. über die Überwälzung mittels Abwassergebühren die angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner, hohe Betriebs-, Werterhaltungs- und Kapitalkosten tragen müssen und bei einer zusätzlichen Belastung mit der Abgabe des Bundes somit viel stärker belastet wären als jene ARA, die keinen Ausbau vornehmen. Die Befreiung wird immer auf Anfang eines Kalenderjahres wirksam, zum ersten Mal im auf die Einreichung der Schlussabrechnung folgenden Jahr, falls diese bis zum 30. September eingereicht wurde.

Absatz 3 legt fest, dass sich die Höhe der Abgabe nach der Anzahl der an die ARA angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner richtet. Diese Grösse wird durch die Kantone periodisch erhoben und dem Bund gemeldet. In der GSchV soll dazu eine Meldepflicht für die Anzahl der angeschlossenen Einwohnerinnen und Einwohner eingeführt werden. Der Einbezug von Industrie und Gewerbe entsprechend ihrem Anteil an der Verursachung von organischen Spurenstoffen ist im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nicht vollziehbar, weil nicht flächendeckend bekannt ist, woher wie viele organische Spurenstoffe stammen.

Absatz 4 verpflichtet den Bundesrat, den jeweils den zu erwartenden Kosten entsprechenden Abgabesatz festzulegen und damit gesetzesvertretendes Verordnungsrecht zu erlassen. Massnahmen, mit deren baulichen Umsetzung nicht innert zwanzig Jahren nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen begonnen wurde, sind nicht abgeltungsberechtigt. Daher werden nach der Finanzierung der letzten Massnahmen keine weiteren Kosten anfallen, und die Erhebung der Gebühr wird damit eingestellt.

Dies ist voraussichtlich spätestens 2040 der Fall. Ausserdem wird der Bundesrat beauftragt, Ausführungsbestimmungen hinsichtlich des Verfahrens zur Erhebung der Abgabe zu erlassen. Der Bundesrat kann in diesem Rahmen vorsehen, dass das Verfahren der Erhebung auch über die Kantone erfolgen kann, insbesondere in Kantonen, die bereits eine Abwasserabgabe erheben.

Absatz 5 verpflichtet die abgabepflichtigen ARA, die Abgabe den Verursachern zu überbinden. Der Bund empfiehlt, dass dabei die bestehenden Gebührenmodelle der ARA zur Anwendung kommen.

Art. 61

Sachüberschrift

Die Sachüberschrift des bisherigen Artikels 61 GSchG wird präzisiert, weil neu nebst den Stickstoffeliminationen auch die Elimination von organischen Spurenstoffen bei ARA von Bund finanziell gefördert wird.

5560

Art. 61a

Elimination von organischen Spurenstoffen bei Abwasseranlagen

Absatz 1 legt fest, dass der Bund für die gemäss den Anforderungen der GSchV notwendigen Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen bei Abwasserreinigungsanlagen den Kantonen Abgeltungen gewährt. Allgemeine Voraussetzungen für die Gewährung der Abgeltungen sind gemäss Artikel 63 GSchG, dass die Massnahmen auf einer zweckmässigen Planung beruhen, einen sachgemässen Gewässerschutz gewährleisten, dem Stand der Technik entsprechen und wirtschaftlich sind.

Voraussetzung für die Gewährung von Abgeltungen der notwendigen Massnahmen ist nach Absatz 2 ausserdem, dass mit der baulichen Umsetzung der Massnahmen innert zwanzig Jahren nach Inkrafttreten der Bestimmung begonnen wurde. Abgeltungsberechtigt sind rückwirkend auch Massnahmen, die bereits ab dem 1. Januar 2012 ausgeführt wurden, sofern sie gemäss den neuen Anforderungen der GSchV nötig werden.

Gemäss Absatz 3 sind 75 Prozent der anrechenbaren Kosten abgeltungsberechtigt.

Anrechenbar sind gemäss Artikel 58 GSchV nur Kosten, die tatsächlich entstanden sind und unmittelbar für die zweckmässige Erfüllung der beitragsberechtigten Aufgabe erforderlich sind. Dazu gehören auch Nachbehandlungen wie z.B. Verfahren zur Abtrennung von Feststoffen oder Verfahrensstufen mit einer biologischen Aktivität. Bei der Erstellung von Verbindungsleitungen sind 75 Prozent der Investitionskosten anrechenbar, aber maximal die gleiche Summe, welche anfallen würde, wenn auf der betroffenen ARA Massnahmen zum Ausbau getroffen würden. Nicht anrechenbar sind insbesondere Gebühren und Steuern. Nicht beitragsberechtigt sind Massnahmen bei der biologischen Abwasserreinigung (Nitrifikation), da diese heute dem Stand der Technik entsprechen und bis 1997 in der ganzen Schweiz vom Bund zu 20­40 Prozent subventioniert wurden Das Verfahren zur Gewährung der Abgeltungen richtet sich nach dem bereits heute in Artikel 61c ff. GSchV vorgesehenen Verfahren bei der Gewährung von Abgeltungen im Einzelfall.

Art. 84 Der bestehende Artikel 84 Absatz 1 GSchG und das Subventionsrecht des Bundes enthalten den Grundsatz, dass keine Abgeltungen gewährt werden können, wenn mit einem erst nach einer Gesetzesrevision abgeltungsberechtigten Vorhaben bereits vor der Revision begonnen wurde. Für die Abgeltungen für Massnahmen in ARA zur Elimination von organischen Spurenstoffen soll von dieser Regel gemäss Artikel 61a Absatz 2 GSchG eine Ausnahme eingeführt werden. Deshalb wird Artikel 84 GSchG aufgehoben.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Kantone (u.a. die BPUK) befürworteten in der Anhörung zur Änderung der GSchV im Jahr 2009 die geplanten materiellen Massnahmen, forderten jedoch nebst der Mitfinanzierung der ganzen Schweiz auch eine starke fachliche und koordinierende Begleitung des geplanten Ausbaus der ARA durch den Bund. Diese Forderun5561

gen führen zu Vollzugskosten und beinhalten das kontinuierliche Verfolgen der verschiedenen technischen Entwicklungen (0,2 Stellen), den Transfer dieses Wissens zu den Kantonen, Anlagenbetreibern und Ingenieurbüros (0,4 Stellen), die Gewährleistung des nationalen und internationalen Erfahrungsaustausches (0,2 Stellen) und die Beratung und Kontrolle der Kantone bei der Planung der Massnahmen (0,4 Stellen), so dass der Ausbau effizient und kostengünstig erfolgen kann. Insgesamt werden dazu 1,2 Stellen benötigt.

Für die Erhebung der Abgabe (0,1 Stelle), die Überprüfung der Projekteingaben (0,2 Stellen) und die Prüfung der Abrechnungen (0,2 Stellen) werden insgesamt 0,5 Stellen benötigt.

Für die Erfolgskontrolle der Massnahmen, welche die Messung der chemischen Wasserqualität und die Erfassung der Verbesserung der Flora und Fauna beinhaltet, werden insgesamt 0,8 Stellen benötigt.

Zusätzlich werden für Untersuchungen und Studien von gesamtschweizerischem Interesse im Bereich Erfolgskontrolle und der technischen Entwicklungen maximal 200 000 Franken pro Jahr benötigt.

Diese total 2,5 Stellen sowie der Finanzierungsbeitrag von höchstens 200 000 Franken werden, wie auch der Ausbau selbst, für den Bund aus dem Abgabeertrag kostenneutral finanziert. Daher hat die vorliegende Gesetzesänderung für den Bund keine unmittelbaren finanziellen Auswirkungen.

Eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen der Spezialfinanzierung ist in der untenstehenden Tabelle aufgeführt. Aufgeführt sind der erwartete zeitliche Verlauf der Einnahmen aus der Abwasserabgabe, der Ausgaben für die Abgeltungen der Erstinvestitionen und der Vermögensstand der Spezialfinanzierung. Bei der Schätzung der jährlich erwarteten Gebühreneinnahmen durch die Spezialfinanzierung wurde die Abgabebefreiung berücksichtigt. Die Abgabebefreiung für ARA, die Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen getroffen haben, führt zu einer Abnahme der erwarteten Einnahmen mit zunehmender Dauer der Abgabeerhebung. Bei der vorgeschlagenen Spezialfinanzierung wird auf eine Kapitalverzinsung verzichtet. Nach heutigem Kenntnisstand sind mindestens zwei ARA bei Beginn der Abgabeerhebung im Jahr 2016 bereits ausgebaut. Die Abgabenhöhe wurde so festgelegt, dass der Vermögensstand der Spezialfinanzierung nach Abschluss des Ausbaus der ARA null beträgt. Nach
heutigem Wissensstand ist es notwendig, zu Beginn der Abgabeerhebung den maximalen Abgabesatz von 9 Franken zu erheben. Zu einem späteren Zeitpunkt kann der Abgabesatz reduziert werden, z.B. ab 2029 auf 6 Franken und ab 2033 auf 4 Franken. Nach Abschluss des Ausbaus der ARA wird keine Abgabe mehr erhoben.

5562

Schätzung der finanziellen Auswirkungen der Spezialfinanzierung Jahr

2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 2024 2025 2026 2027 2028 2029 2030 2031 2032 2033 2034 2035

3.2

Erwartete Einnahmen

Erwartete Ausgaben für Abgeltungen

Vermögensstand der Spezialfinanzierung

Mio CHF

Mio CHF

Mio CHF

70 69 68 67 65 63 60 58 55 51 48 45 43 27 25 23 22 14 13 13

20 20 30 40 50 50 60 60 70 70 60 60 60 50 50 50 30 30 20 20

50 99 138 165 180 192 193 190 175 157 145 130 113 89 64 38 30 13 7 0

Auswirkungen auf die Kantone

Die personellen Auswirkungen werden in den hauptbetroffenen Kantonen auf 0,5 zusätzliche Stellen geschätzt, insbesondere für die Planung und Umsetzung der Massnahmen und die Beratung der Inhaber der ARA. Dieser kantonale Vollzugsaufwand wird nicht durch die Spezialfinanzierung finanziert. Seine Finanzierung erfolgt, wie üblich für den kantonalen Vollzugsaufwand, durch die Kantone.

An diesem System soll festgehalten werden.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sind relativ gering. Negativ zu Buche schlagen hier lediglich die Kosten für den Ausbau und den Betrieb der neuen Reinigungsstufe. Diese Mehrkosten liegen jedoch im Bereich der heutigen Gebührenunterschiede zwischen den verschiedenen ARA, die sich aus lokalen Gegebenheiten (z.B. Verfahrenswahl) ergeben. Die Kosten der von den Massnahmen betroffenen Anlagen werden über die vorgesehenen Abgeltungen teilweise ausgeglichen. Aus5563

serdem sind diese Anlagen von der Abgabepflicht befreit. Da die Abwasserabgabe dem Verursacherprinzip entspricht und somit externe Kosten internalisiert, ist die Massnahme aus volkswirtschaftlicher Sicht positiv zu werten.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Alle ARA werden die Abwasserabgabe pro angeschlossenem Einwohnerinnen und Einwohner entrichten. Diese Kosten werden über den Kostenteiler der ARA an die Nutzerinnen und Nutzer der ARA überwälzt werden. Die Einführung der Abwasserabgabe bewirkt zudem, dass deutlich weniger Lasten von der heutigen auf künftige Generationen verschoben werden.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Auswirkungen auf die natürliche Vielfalt sind positiv. Es kann davon ausgegangen werden, dass in etwa der Hälfte der stark abwasserbelasteten Gewässer mit einer Fliessstrecke von insgesamt 1400 Kilometern die Wasserqualität und damit die Lebensräume empfindlicher Wasserlebewesen deutlich verbessert werden. Dies wird auch zu einer Verbesserung der Biodiversität führen. Auch der Schutz der Trinkwasservorkommen wird deutlich verbessert. Die Massnahmen werden zu einer Halbierung der Einträge von organischen Spurenstoffen in die Gewässer führen. Damit trägt die Schweiz auch zu einer Reduktion der Stofffrachten in die internationalen Grenzgewässer bei, und sie nimmt ihre Oberliegerverantwortung wahr.

Der Stromverbrauch der ARA wird durch die Massnahmen pro ARA um 5­25 Prozent (pro ARA), der gesamtschweizerische Stromverbrauch um ca. 0,1 Prozent zunehmen. Diese Zunahme soll soweit wie möglich durch Massnahmen im Bereich der Energieoptimierung und -gewinnung in ARA kompensiert werden.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 20121 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 20122 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Das Parlament hat dem Bundesrat mit der Überweisung der Motion 10.3635 «Verursachergerechte Finanzierung der Elimination von Spurenstoffen im Abwasser» den Auftrag zur Änderung des GSchG erteilt3.

1 2 3

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 AB 2011 N 398 f

5564

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung stützt sich auf Artikel 76 Absatz 3 der Bundesverfassung (BV)4, der dem Bund unter anderem die Kompetenz gibt, Vorschriften über den Gewässerschutz zu erlassen. Die Abgabe zur Finanzierung der Elimination von organischen Spurenstoffen (Abgabe nach Art. 60b GSchG unter Einbezug der Abgabe nach Art. 60a GSchG, soweit sie ebenfalls der Finanzierung der zusätzlichen Anlagen dient) ist eine Abgabe mit qualifizierter Gruppenäquivalenz, weil zwischen dem Kreis der Abgabepflichtigen (dies sind über den Umweg der ARABetreiber die Nutzerinnen und Nutzer, denen die Abgabe überbunden wird) und dem Kreis der Personen, denen die Abgabeverwendung zugutekommt (die Nutzerinnen und Nutzer von ARA profitieren vom gereinigten Abwasser), Kongruenz besteht.

Für eine solche Abgabe genügt gemäss Praxis des Bundesamtes für Justiz eine Verfassungsgrundlage kraft Sachzusammenhang, wie sie in Artikel 76 Absatz 3 BV besteht.

5.2

Erlassform

Für die vorgeschlagene Gesetzesänderung genügen, wie in Ziffer 5.1 erläutert, die bestehenden Verfassungsbestimmungen. Es braucht keine Verfassungsänderung.

Nach Artikel 22 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 20025 über die Bundesversammlung erlässt die Bundesversammlung alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes. Bei öffentlichen Abgaben gehören dazu insbesondere die Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen, der Gegenstand der Abgabe sowie die Bemessungsgrundlage der Abgabe.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder in jedem der beiden Räte. Dies gilt unabhängig davon, ob die neuen Ausgaben über allgemeine Bundesmittel oder zweckgebundene Einnahmen finanziert werden. Artikel 61a ist deshalb der Ausgabenbremse zu unterstellen.

5.4

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Bei der vorgesehenen finanziellen Unterstützung von Massnahmen zur Elimination von organischen Spurenstoffen im Abwasser handelt es sich um Abgeltungen im Sinne des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 19906 (SuG). Die Bestimmung 4 5 6

SR 101 SR 171.10 SR 616.1

5565

entspricht den Voraussetzungen und den besonderen Grundsätzen der Gewährung von Abgeltungen von Kapitel 2 des SuG.

Bedeutung der Subvention für die vom Bund angestrebten Ziele Ziel der Elimination von schädlichen organischen Spurenstoffen durch technische Massnahmen bei den ARA ist der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt der Gewässer und der Trinkwasserressourcen (vgl. Ziff. 1.1, 1.2 und 1.4). Grundsätzlich regeln die Kantone die Finanzierung der Erstellung und des wirtschaftlichen Betriebs von ARA. Aufgrund des Verursacherprinzips ist im vorliegenden Fall jedoch eine Bundeslösung nötig. Die Verursacher von Verunreinigungen durch organische Spurenstoffe sind alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz.

Die Mehrkosten für Massnahmen zur Elimination der organischen Spurenstoffe bzw. für den gezielten Ausbau von bestimmten ARA fallen indessen nur in dicht besiedelten Regionen an Fliessgewässern mit einem hohen Anteil an gereinigtem Abwasser an. Ohne eine Subventionierung durch den Bund müssten die Einwohnerinnen und Einwohner in den betroffenen Gebieten auch die Kosten der Verursacher tragen, die ausserhalb der betroffenen Gebiete wohnhaft sind. Die Erstinvestitionskosten für den Ausbau der rund 100 ARA betragen insgesamt schätzungsweise 1,2 Milliarden Franken. Diese verteilen sich auf einen Zeitraum von zwanzig Jahren.

Bei einem Beitragssatz von 75 Prozent der Erstinvestitionskosten beträgt der finanzielle Umfang der Bundessubvention rund 45 Millionen Franken pro Jahr. Das Gesamtvolumen der Subvention beläuft sich somit auf 900 Millionen Franken. Die Abgeltung beschränkt sich auf die Erstinvestition. Die nach dem Ausbau höheren Betriebskosten werden von den jeweiligen Trägern selbst übernommen. Deshalb rechtfertigt sich der relativ hohe Beitragssatz von 75 Prozent an den Erstinvestitionskosten. Finanziert werden die Abgeltungen durch eine gesamtschweizerische Abwasserabgabe von maximal 9 Franken pro angeschlossener Einwohnerin oder pro angeschlossenen Einwohner (vgl. dazu Ziff. 1.3).

Verfahren und Steuerung der Subvention Der Ausbau der betroffenen und damit subventionsberechtigten ARA wird durch den Bund über Anforderungen auf Verordnungsstufe gesteuert. Die Kantone legen fest, welche Anlagen aufgrund der bundesrechtlichen Anforderungen Massnahmen treffen müssen. Sie ermitteln dabei die ungefähren
Erstinvestitionskosten und bestimmen, in welchem Zeitfenster dieser Ausbau ungefähr erfolgen wird. Sämtliche vom Ausbau betroffenen ARA können beim Kanton ein Gesuch um Bundesabgeltungen von 75 Prozent der anrechenbaren Erstinvestitionskosten einreichen. Die voraussichtlichen anrechenbaren Kosten werden vor Bauausführung aufgrund des Kostenvoranschlages mit Hilfe einer Richtlinie des Bundes prozentual ausgeschieden. Der Kanton prüft das Gesuch und beantragt beim Bund die Bundesabgeltungen.

Abgeltungen können entsprechend dem Baufortschritt geleistet werden, d.h. Teilzahlungen sind möglich, sobald ein Teil der Leistung erbracht ist. Damit eine (Teil-) Zahlung erfolgen kann, muss eine vom Bund kontrollierte Kostenabrechnung vorliegen. Bei der Schlusszahlung muss zusätzlich eine Dokumentation des ausgeführten Werkes vorliegen.

Eine globale Subventionierung im Rahmen von Programmvereinbarungen ist im vorliegenden Fall nicht sinnvoll, weil die Vorteile einer solchen Subventionierung bei schweizweit lediglich rund 100 ARA und den relativ klaren Vorgaben bezüglich auszubauende Anlagen beschränkt sind. Deshalb werden die Abgeltungen im Ein5566

zelfall gewährt. Subventioniert werden nur Massnahmen, die insbesondere auf einer zweckmässigen Planung der Kantone beruhen und wirtschaftlich sind.

Befristung der Subvention Da die Massnahmen innert zwanzig Jahren zu treffen sind, ist die vorgesehene Subventionierung zeitlich befristet. Da es sich um den Ausbau einer begrenzten Anzahl von ARA handelt, ist die zeitliche Befristung angemessen.

5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Änderung des Gewässerschutzgesetzes ermächtigt den Bundesrat, die Höhe des Abgabesatzes auf Verordnungsstufe festzulegen. Dabei handelt es sich um eine Delegationsnorm zum Erlass von gesetzesvertretendem Verordnungsrecht. Die Bemessungsgrundlage wird jedoch bereits auf Gesetzesstufe geregelt. Die Delegation rechtfertigt sich dadurch, dass die Höhe des Abgabesatzes sich nach den voraussichtlichen Kosten der damit finanzierten Massnahmen richten muss und deshalb eine Anpassung ohne den Aufwand einer Gesetzesänderung möglich sein muss.

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