13.076 Botschaft zum Bundesgesetz über Bauprodukte vom 4. September 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des totalrevidierten Bundesgesetzes über Bauprodukte.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. September 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-1250

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Übersicht Das Bauprodukterecht des Bundes soll an die neue europäische Bauprodukteverordnung angepasst werden. Das revidierte Bauprodukterecht soll Belastungen für die Wirtschaftsteilnehmerinnen und -teilnehmer reduzieren, für mehr Transparenz, Verfahrensvereinfachungen und mehr Rechtssicherheit sorgen, das Produktesicherheitsrecht für Bauprodukte europakompatibel ausgestalten sowie zur Bauwerkssicherheit und Nachhaltigkeit einen wichtigen Beitrag leisten.

Damit sollen die Vorteile des bilateralen Abkommens mit der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen für die schweizerische Volkswirtschaft in diesem bedeutenden Wirtschaftssektor erhalten werden und keine neuen Handelshemmnisse entstehen.

Ausgangslage Mit dem Bauprodukterecht des Bundes wurde im Jahre 2001 die Grundlage dafür geschaffen, dass das bilaterale Abkommen mit der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) im Jahre 2008 um ein Kapitel für Bauprodukte erweitert werden konnte. Das MRA dient dem Abbau von technischen Handelshemmnissen und gewährleistet für die schweizerischen Exporteurinnen, die am europäischen Binnenmarkt für Bauprodukte teilnehmen wollen, «gleich lange Spiesse», weil Doppelprüfungen, Zusatzkosten, Verzögerungen und Wettbewerbsnachteile entfallen. Ausserdem eröffnet das MRA einen europaweiten Markt für schweizerische Konformitätsbewertungsstellen, die Produktprüfungen, Produktzertifizierungen und Zertifizierungen der werkseigenen Produktionskontrolle durchführen. Schliesslich profitieren von der Marktöffnung durch das MRA auch die Verwenderinnen und Verwender von Bauprodukten infolge eines deutlich gewachsenen Produktangebots, einer schnelleren Markteinführung von Produkten und des entsprechenden Wettbewerbs in der Branche. Das Bauprodukterecht von 2001 setzte die bisherige europäische Bauprodukterichtlinie 89/106/EWG um. Diese wurde nunmehr von der europäischen Bauprodukteverordnung (CPR) abgelöst. Damit ist die Gleichwertigkeit der technischen Vorschriften der EU und der Schweiz nicht mehr gegeben. Diese Gleichwertigkeit ist jedoch die Voraussetzung für den Fortbestand des bilateralen Regelwerks in diesem Sektor. Die Revision des Bauprodukterechts des Bundes soll eine europakompatible Anpassung an das neue europäische Bauprodukterecht gewährleisten, damit das
MRA-Bauproduktekapitel weitergeführt werden kann und dessen Vorteile für die Schweizer Volkswirtschaft auch zukünftig erhalten bleiben.

Inhalt der Vorlage Es soll ein neues Konzept zum Inverkehrbringen von Bauprodukten eingeführt werden, das sich an der Deklaration von Produktleistungen orientiert. Die Schweizer Herstellerinnen müssen nicht mehr die Konformität des Produkts mit den jeweiligen Normen nachweisen, sondern lediglich die Bewertungsverfahren anwenden, die in den harmonisierten Normen vorgesehen sind. Das Brauchbarkeitserfordernis als Voraussetzung für das Inverkehrbringen wird aus der Gesetzgebung entfernt.

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Ausserdem müssen in der Schweiz nur dann Produktleistungen deklariert werden, wenn es eine gesetzliche Bestimmung zu einem Produktmerkmal gibt. Dies bringt Vereinfachungen und Erleichterungen für die Herstellerinnen; Kosten für unnötige Prüfungen, Inspektionen oder Zertifizierungen im Bauproduktebereich und Verwaltungsaufwand können vermindert werden.

Das neue Konzept zum Inverkehrbringen von Bauprodukten ist zugleich ein «marktorientierter Ansatz»: Grundsätzlich soll nicht der Staat alle oder die überwiegende Zahl der Produktleistungen festlegen, sondern nur noch dann Anforderungen an das Produkt definieren, wenn dies zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt, von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder zur Verwirklichung anderer überwiegender öffentlicher Interessen im Zusammenhang mit den Grundanforderungen an Bauwerke angezeigt ist. Das revidierte Bauproduktegesetz geht wie die CPR davon aus, dass die Verwenderinnen und Verwender bestimmen, ob ein Produkt für den von ihnen verfolgten Zweck brauchbar ist oder nicht. Diese Produktauswahl findet am Markt über die Nachfrage statt und wird in privatrechtlichen Verträgen oder Bauaufträgen niedergelegt. Durch diese grössere Freiheit bei der Produktherstellung sollte auch die Produktdiversität zunehmen und sich das Angebot vergrössern.

Gleichzeitig soll der Bauproduktebereich transparenter werden, indem er an den harmonisierten technischen Normen (hEN) und Europäischen Technischen Bewertungen (ETB) ausgerichtet wird. Wenn ein Bauprodukt von einer hEN erfasst oder anhand einer ETB bewertet wird, ist zukünftig eine «Leistungserklärung» zu erstellen. Die Leistungserklärung ist der Schlüssel für das Inverkehrbringen eines Bauprodukts in der Zukunft: Sie dient der europaweiten Vergleichbarkeit der Produktleistungen, was allen Wirtschaftsteilnehmerinnen und ­teilnehmern am Markt zugutekommt. Die hEN werden aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit den europäischen Normungsorganisationen ins Schweizer Normenwerk übernommen.

Sie bilden zusammen mit den Europäischen Bewertungsdokumenten die technische Voraussetzung dafür, dass in diesem Sektor bestehende Handelshemmnisse abgebaut und keine neuen Handelshemmnisse aufgebaut werden. Auf dieser Grundlage werden die gesetzlich vorgesehenen Nachweise geführt und Bewertungen (Prüfungen, Zertifizierungen) durchgeführt,
die dann im Rahmen des MRA gegenseitig anerkannt werden.

Mit der gesetzlichen Festlegung der Verantwortlichkeiten für die Herstellerinnen, Importeurinnen und Händlerinnen soll die Rechtssicherheit im Bauproduktebereich gestärkt werden. Damit stehen der Verwenderin und dem Verwender eines Bauprodukts über die gesamte Lieferkette hinweg verlässliche und zutreffende Informationen zu den Produktleistungen zur Verfügung. Bauprodukte, die von KMU hergestellt oder die individuell gefertigt werden, sollen von Verfahrenserleichterungen profitieren. Um das nachhaltige Bauen unterstützen zu können, soll eine entsprechende neue Bauwerksanforderung ins BauPG aufgenommen werden. Für diese Bauwerksanforderung sollen dann die Normenschaffenden Produktmerkmale entwickeln und in die harmonisierten Normen integrieren.

Der Gesetzesentwurf regelt auch produktspezifische Anforderungen an die Sicherheit von Bauprodukten: Der Grundsatz, dass Bauprodukte bei ihrer Bereitstellung auf dem Schweizer Markt sicher sein müssen, wird in die neue Bauproduktegesetz-

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gebung übernommen und dort im Hinblick auf die Verpflichtungen der Wirtschaftsakteurinnen und auf die Standardisierung von Bauprodukten sektorspezifisch operationalisiert. Soweit andere Bundeserlasse Produktanforderungen vorschreiben, soll ihre Erfüllung nicht durch separate Konformitätsverfahren nachgewiesen werden müssen. Dies bringt für die Herstellerinnen von Bauprodukten Verfahrenserleichterungen und führt zu einem Abbau von Bürokratie. Weiter dient es dazu, produktesicherheitsrechtliche Anforderungen für Bauprodukte europakompatibel nachzuweisen.

Eine funktionierende, effektive und an den europäischen Standard angeglichene Marktüberwachung soll zukünftig die Verlässlichkeit und Richtigkeit der Produktangaben, die Sicherheit der Produkte und das Vorhandensein der deklarierten Produktmerkmale gewährleisten. Mit Stichprobenprogrammen und anlassbezogenen Kontrollen sollen Risiken, die von unsicheren Produkten ausgehen oder die aufgrund mangelhafter Produkte von Bauwerken ausgehen können, verhindert oder reduziert werden. Eine effektive Marktüberwachung ist zukünftig eine der wichtigsten Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um die Gleichwertigkeit der Vorschriften zu erreichen, wie sie vom MRA verlangt wird.

Volkswirtschaftliche Bedeutung Sollte die Schweiz auf die Revision ihrer Bauprodukterlasse verzichten bzw. die Äquivalenz mit der entsprechenden europäischen Gesetzgebung nicht gewährleisten, würde das Bauproduktekapitel mittelfristig an Wirkung verlieren. Aller Voraussicht nach könnte es auch sistiert oder aus dem Abkommen gestrichen werden. Eine gleichberechtigte Teilnahme schweizerischer Wirtschaftsakteure am europäischen Binnenmarkt wäre nicht mehr möglich. Dies würde dazu führen, dass zwar in der EU und im EWR legal handelbare Bauprodukte ungehindert in der Schweiz in Verkehr gebracht werden dürften, nicht aber umgekehrt Schweizer Bauprodukte auf dem EU-/ EWR-Markt, wenn sie nicht die Anforderungen der CPR erfüllen. Exportierende Herstellerinnen würden also wieder benachteiligt gegenüber ihren Wettbewerberinnen aus der EU und dem EWR, weil sie Zusatzkosten für Zweitprüfungen und Doppelzertifizierungen tragen müssten. Schweizer Dienstleistungsunternehmen, die heute als Konformitätsbewertungsstellen europaweit ihre Dienste anbieten können, würden ihren Status als bezeichnete Stellen
verlieren und dürften für Schweizer Herstellerinnen nicht mehr tätig werden, wenn jene ihre Produkte in die EU und den EWR exportieren wollen. Dies könnte mittelfristig zur Abwanderung wichtiger Kompetenzen im Bausektor ins Ausland führen.

Eine Revision des Bauprodukterechts im vorgeschlagenen Rahmen wird sich hingegen positiv auf die Wirtschaftsakteurinnen auswirken; weiterhin können in der Schweiz hergestellte und mit Konformitätsdokumenten ausgestattete Bauprodukte in der EU und den EWR-Staaten frei zirkulieren, ohne durch technische Handelshemmnisse aufgehalten zu werden. Die Konformitätsbewertungsstellen (KBS) sollen unter dem revidierten Bauproduktegesetz den Herstellerinnen eine vergleichbare Dienstleistung anbieten wie heute: Sie sollen Produkte prüfen und bewerten, die werkseigene Produktionskontrolle (WPK) der Herstellerin überwachen und zertifizieren sowie Produkte zertifizieren können.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Vermeidung technischer Handelshemmnisse bei Bauprodukten 1.1.2 Europäische Bauprodukteverordnung 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Zielsetzungen des Entwurfs für ein neues Bauproduktegesetz 1.2.2 Der Vernehmlassungsentwurf 1.2.3 Vernehmlassung 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4 Überarbeitung des Vorentwurfs 1.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.6 Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht 1.7 Umsetzung 1.8 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

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Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.3.1 Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns 3.3.2 Auswirkungen auf die Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungs- und Lieferkette 3.3.3 Auswirkungen auf die Wirtschaftsakteurinnen der Verwenderseite 3.3.4 Auswirkungen auf die notifizierten Stellen und auf die bezeichneten Konformitätsbewertungsstellen 3.3.5 Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft 3.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 3.5 Auswirkungen auf die Umwelt 3.6 Auswirkungen auf die Aussenpolitik

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Verhältnis zur Legislaturplanung

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Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Verhältnis zum europäischen Recht und zu den internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

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Abkürzungsverzeichnis

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Bundesgesetz über Bauprodukte (Bauproduktegesetz, BauPG) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Vermeidung technischer Handelshemmnisse bei Bauprodukten

Allgemeines Seit der Ablehnung des EWR-Abkommens 1992 bemüht sich der Bund, seine technischen Vorschriften auf das internationale, vor allem aber auf das europäische Recht abzustimmen. Bei technischen Vorschriften handelt es sich um verbindliche Regeln, deren Einhaltung die Voraussetzung ist, dass Produkte auf dem Markt angeboten, in Verkehr gebracht, bereitgestellt, verwendet oder entsorgt werden dürfen. Technische Vorschriften können insbesondere bestimmte Anforderungen an die Herstellung, an die Produktleistungen, an Übereinstimmungsnachweise oder Konformitätsprüfungen, an die Produktkennzeichnung oder an Inhaltsstoffe vorsehen.

Technische Vorschriften können für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu einem Handelshemmnis werden, wenn beispielsweise die Herstellerin eines Bauprodukts die Produktanforderungen eines Marktes erfüllt, die technischen Vorschriften in der Exportdestination aber andere Anforderungen vorsehen, wenn das Exportland die gleichen Anforderungen anders anwendet oder die Prüfungs-, technischen Leistungsbewertungs- oder Zulassungsverfahren und die darauf basierenden Nachweisdokumente nicht anerkennt. Unnötige Handelshemmnisse gilt es zu vermeiden, denn sie belasten nicht nur die Wirtschaftsteilnehmerinnen, die am Handel gehindert werden oder deren Produktauswahl beschränkt wird, sondern die schweizerische Volkswirtschaft insgesamt.

Technische Handelshemmnisse, die in unterschiedlichen technischen Vorschriften gründen, können dadurch abgebaut und vermieden werden, dass die Schweiz ihre sektoriellen Vorschriften auf die technischen Vorschriften ihrer wichtigsten Handelspartner abstimmt1.

Autonome Harmonisierung Im Bauproduktesektor sind die Staaten des EWR (EU und EFTA) die mit grossem Abstand wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Im Jahre 2011 wurden Bauprodukte aus der Europäischen Union (EU) im Wert von 5,3 Milliarden Franken importiert und für 2,4 Milliarden Franken in die EU exportiert. Gemessen am Gesamthandel mit Bauprodukten mit dem Ausland machte dies bei den Importen rund 90 Prozent und bei den Exporten 81 Prozent des Handelsvolumens aus. Es ist daher von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung, bestehende technische Handelshemmnisse mit der EU abzubauen und neue Handelshemmnisse zu vermeiden. Dieses Ziel verfolgten der Bund auch mit dem Bauproduktegesetz vom 8. Oktober 19992 1 2

Zum Ganzen ausführlich: Botschaft vom 25. Juni 2008 zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse, Ziff. 1.1.1ff, BBl 2008 7275 ff.

SR 933.0

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(BauPG) und der Bauprodukteverordnung vom 27. November 20003 (BauPV) und die Kantone mit der Interkantonalen Vereinbarung zum Abbau technischer Handelshemmnisse (IVTH)4: Sie passten mit diesen sektoriellen Erlassen die technischen Vorschriften an die europäische Bauprodukterichtlinie5 an.

Diese autonome Harmonisierung der technischen Vorschriften bildete die Voraussetzung für den Einbezug des Bauproduktebereichs in das bilaterale Abkommen der Schweiz und der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA)6. Denn im Rahmen der Verhandlungen zu den sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU war die EU in den 1990er-Jahren nicht bereit, den Bauproduktesektor in das MRA als Abkommen über die technischen Handelshemmnisse einzuschliessen. Die Gründe dafür waren vielschichtig: Da die Schweiz ­ anders als die EU ­ keine einheitliche Bauproduktegesetzgebung kannte und weil neben diversen Vorschriften auf Bundesebene auch 26 kantonale Baugesetze zu beachten waren, wurde dieser Sektor vorläufig von den MRA-Verhandlungen ausgeschlossen. Erst als die Schweiz Ende der 1990er-Jahre ihr Bauprodukterecht harmonisiert hatte (BauPG, BauPV, IVTH), war der Weg offen, ein Kapitel über Bauprodukte in das MRA aufzunehmen.

Bilaterales Abkommen mit der EU Die Verhandlungen mit der EU über ein neues Kapitel für Bauprodukte im MRA sind am 12. März 2008 abgeschlossen worden.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die EU die in der Schweiz angewendeten Prüfungs-, Zulassungs- und Konformitätsbewertungsverfahren und die darauf basierenden Konformitätsdokumente nicht anerkannt. Seither genügt nunmehr eine einzige, durch eine anerkannte Konformitätsbewertungsstelle ausgestellte Konformitätsbewertung, um auf dem schweizerischen und dem EU-Markt ein Bauprodukt vermarkten zu können. Unnötige Doppelprüfungen, Zusatzkosten, Verzögerungen und Wettbewerbsnachteile für schweizerische Exporteurinnen, die am europäischen Binnenmarkt für Bauprodukte teilnehmen wollen, sind weggefallen. Ausserdem öffnet das MRA den schweizerischen Konformitätsbewertungsstellen einen europaweiten Markt für Produktprüfungen, Produktzertifizierungen und Zertifizierungen der werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) der Herstellerinnen. Schliesslich profitieren von der Marktöffnung durch das MRA auch die schweizerischen Verwenderinnen
und Verwender von Bauprodukten (Bauherren, Planer, Unternehmen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes, aber auch Privatpersonen, die im Baumarkt einkaufen) infolge eines deutlich gewachsenen Produktangebots, einer schnelleren Markteinführung von Produkten und des entsprechenden Wettbewerbs in der Branche.

3 4 5

6

SR 933.01 AS 2003 270 sowie AS 2004 2765 Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (89/106/EWG), ABl. der EU L 40 vom 11.2.1989, S. 12.

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, SR 0.946.526.81, Mutual Recognition Agreement, MRA.

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Am 24. April 2011 ist in der EU die neue Bauprodukteverordnung7 in Kraft getreten. Diese löst die Bauprodukterichtlinie aus dem Jahre 1989 ab. Damit ändern sich auf Seiten der EU die technischen Vorschriften für Bauprodukte, denn die Bauprodukteverordnung führt zu einigen grundlegenden Veränderungen bei der Vermarktung von Bauprodukten auf dem Binnenmarkt der EU und im EWR.

Da sich die geltenden technischen Vorschriften der Schweiz im Bauproduktebereich auf die bisherige europäische Bauprodukterichtlinie beziehen, ist eine Anpassung der Schweizerischen Bauproduktegesetzgebung und eine anschliessende Revision des Abkommens notwendig, wenn die Vorteile des Abkommens aufrechterhalten werden sollen. Mit der Anpassung der schweizerischen Bauproduktegesetzgebung an die neue EU-Bauprodukteverordnung sollen die Vorteile des MRA-Bauproduktekapitels für die Schweizer Volkswirtschaft auch zukünftig erhalten bleiben und neue technische Handelshemmnisse in diesem Produktesektor vermieden werden. Ohne Anpassung der schweizerischen Bauprodukteerlasse würden die Vorteile des MRAs für Bauprodukte an Wirkung verlieren. Vor allem kann es auch zu einer Sistierung oder Streichung des Kapitels über Bauprodukte im MRA kommen, zumal das Abkommen nicht mehr dem aktuell geltenden Bauprodukterecht entspricht und zu Rechtsunsicherheiten im Handel dieser Produkte führt. Dies würde für die schweizerische Exportwirtschaft einen gravierenden Nachteil gegenüber ihren Wettbewerbern aus der EU und dem EWR bedeuten. Es würde auch einen Wechsel in der politischen Strategie bedeuten, nach welcher im vergangenen Jahrzehnt technische Handelshemmnisse in den einzelnen Sektoren abgebaut worden sind. Ausserdem würden die Schweizer Dienstleistungsunternehmen, die heute ihre Dienste als notifizierte Prüf-, Inspektions-, Zertifizierungs- oder Zulassungsstelle anbieten, ihre wirtschaftlichen Vorteile aus dem MRA wieder verlieren. Schweizer Herstellerinnen, die ihre Bauprodukte auf den Markt der EU oder des EWR bringen wollen, wären wieder mit teuren Doppelprüfungen und -zertifizierungen konfrontiert und müssten die Prüfungen und Zertifizierungen bei von der EU notifizierten Stellen für ihre Produkte wiederholen lassen.

1.1.2

Europäische Bauprodukteverordnung

Allgemeines Die neue EU -Bauprodukteverordnung Nr. 305/2011 löst die bisherige europäische Bauprodukterichtlinie ab. Die Bauprodukterichtlinie war keine typische Richtlinie nach dem Neuen Konzept (New Approach). Die Besonderheiten des Produktbereichs hatten zu Implementierungsproblemen geführt, weshalb die EU-Kommission 2008 einen Vorschlag für eine neue Bauprodukteverordnung vorgelegt hat8. Bauprodukte sind in vielerlei Hinsicht ein Spezialfall, dem die Gesetzgebung auf europäischer Ebene mittlerweile Rechnung trägt. Und so folgt die neue Bauprodukteverordnung auch nur mit erheblichen Einschränkungen dem Neuen Rechtsrahmen (New Legal 7

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Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates, ABl. der EU L 88 vom 4.4.2011, S. 5, Bauprodukteverordnung.

Vgl. die Begründung der EU-Kommission zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten vom 23. Mai 2008, KOM(2008) 311 endgültig, S. 2.

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Framework NLF), welcher eine bereichsübergreifende Regelung für die Vermarktung von Produkten auf dem Binnenmarkt bilden soll9. Sie berücksichtigt zwar in ihren Bestimmungen diesen Neuen Rechtsrahmen10, weicht dann aber bewusst in wesentlichen Punkten von ihm ab.

Die EU-Bauprodukteverordnung verfolgt das gleiche Ziel wie die bisherige Bauprodukterichtlinie, die auf die Beseitigung der technischen Handelshemmnisse im Bauproduktesektor ausgerichtet war und den freien Verkehr dieser Produkte im Binnenmarkt verbessern wollte11. Die neue Verordnung soll aber für eine Vereinfachung, grössere Transparenz und höhere Wirksamkeit der bisherigen Regelungen sorgen12.

Auch wenn das Ziel das gleiche bleibt, liegt der Bauprodukteverordnung doch ein anderes Konzept als der Bauprodukterichtlinie zugrunde. Es besteht darin, dass die Informationen über die Produktleistungen harmonisiert werden, indem die Methoden, Verfahren und andere Instrumente zur Beschreibung und Bewertung der Produktmerkmale vereinheitlicht werden sollen13. Die Herstellerin deklariert die Produktleistungen in einer Leistungserklärung14. Die Kategorie der «Brauchbarkeit» von Bauprodukten nach der bisherigen Bauprodukterichtlinie wird aufgegeben. Über die Brauchbarkeit eines Produkts entscheiden unter der neuen Bauprodukteverordnung grundsätzlich nur die Verwenderin und der Verwender.

Leistungserklärung Im System des New Approach und des Neuen Rechtsrahmens übernimmt die Herstellerin mit einem so genannten Konformitätsnachweis die Verantwortung für die Konformität des Produkts mit allen in den einschlägigen Harmonisierungsvorschriften der EU enthaltenen Anforderungen an das Produkt15. Unter dem neuen Konzept der Leistungserklärung, das mit der EU-Bauprodukteverordnung eingeführt wurde, übernimmt die Herstellerin dagegen die Verantwortung für die Konformität des Bauprodukts mit dessen erklärter Leistung16. Die Herstellerin deklariert zum Beispiel den Feuerwiderstand einer Brandschutztür anhand einer harmonisierten technischen Norm. Indem sie die Leistungserklärung zum Feuerwiderstandswert beifügt, übernimmt sie die Verantwortung dafür, dass die Türe diese Leistung auch tatsächlich erbringt, d.h. dass die Türe diesen bestimmten Feuerwiderstandswert aufweist. Nicht die harmonisierte Norm schreibt vor, welchen Feuerwiderstandswert 9

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Zum Neuen Rechtsrahmen der EU-Binnenmarktvorschriften gehören die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten, ABl. der EU L 218 vom 13.8.2008, S. 30, die Verordnung (EG) Nr. 764/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 zur Festlegung von Verfahren im Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter nationaler technischer Vorschriften für Produkte, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmässig in den Verkehr gebracht worden sind, und zur Aufhebung der Entscheidung Nr.

3052/95/EG, ABl. der EU L 218 vom 13.8.2008, S. 21 sowie der Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten, ABl. der EU L 218 vom 13.8.2008, S. 82.

Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Erwägungsgrund 6 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Erwägungsgrund 8 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 4 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Arg. ex Art. 30 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zur CE-Kennzeichnung.

Art. 4 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

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die Tür haben muss ­ dies ist vielmehr in gesetzlichen Bestimmungen festgeschrieben. Die Herstellerin übernimmt aber mit der Deklaration in der Leistungserklärung die Verantwortung dafür, dass die Tür den Feuerwiderstandswert auch tatsächlich einhält.

«Leistungsorientierter Ansatz» der europäischen Bauprodukteverordnung und Produktesicherheit Der europäische Gesetzgeber weicht mit dem Konzept, das sich an der Produktleistung orientiert («leistungsorientierter Ansatz»), bewusst vom Grundsatz des New Approach ab. Nach dem Grundsatz des New Approach muss ein Produkt den Anforderungen der Harmonisierungsvorschriften der EU (z.B. mittels harmonisierter europäischer Normen17) entsprechen, um auf dem EU-Markt in Verkehr gebracht oder bereitgestellt werden zu dürfen («deskriptiver Ansatz»). Anforderungen, die Bauprodukte unmittelbar erfüllen müssen, sind unter der Bauprodukteverordnung hingegen die Ausnahme und nicht die Regel. Muss ein Bauprodukt einen bestimmten Schwellenwert oder eine bestimmte Leistungsklasse einhalten (d.h. eine bestimmte Leistung erbringen), sind solche Anforderungen gesetzlich zu regeln, entweder in einer Vorschrift auf EU-Ebene oder in einer gesetzlichen Bestimmung der Mitgliedstaaten18.

Um den europäischen Binnenmarkt nicht zu gefährden, können dabei Anforderungen, die beim Inverkehrbringen oder Bereitstellen eines Bauproduktes auf dem Markt zu berücksichtigen sind, nur noch auf europäischer Ebene festgelegt werden.

Die Mitgliedstaaten können allerdings weiterhin Produktanforderungen im Hinblick auf die Verwendung regeln. In gleicher Weise verlangt die europarechtliche Struktur des Rechts für Bauprodukte, die ihren Ursprung im speziellen Charakter dieser Produkte als Zwischenprodukte hat, dass die Sicherheit von Bauprodukten nicht in nationalen Anforderungen an das Inverkehrbringen oder Bereitstellen auf dem Markt geregelt werden kann, sondern unter dem Regime der europäischen Bauprodukteverordnung produktspezifisch europaweit geregelt werden muss (z.B. über delegierte Rechtsakte nach Art. 3 Abs. 3 der europäischen Bauprodukteverordnung).

Die europäische Bauprodukteverordnung zielt allerdings nicht nur auf die Einhaltung der deklarierten Produktleistungen in der Leistungserklärung und der Kennzeichnungspflichten ab. Sie erwähnt mehrfach die «Gefahren», die von Bauprodukten
ausgehen können, und regelt in diesem Zusammenhang die Pflichten der Wirtschaftsakteurinnen, zur Gefahrabwendung tätig zu werden19. Ausserdem hat die Herstellerin die Verpflichtung, dem Bauprodukt, soweit erforderlich, eine entspre17

18 19

Harmonisierte europäische Normen sind gemäss der Definition gemäss Art. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 zur europäischen Normung: europäische technische Normen, die auf der Grundlage eines Auftrags der EU-Kommission zur Durchführung von Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU von einer anerkannten europäischen Normenorganisation (CEN, Cenelec, ETSI) angenommen wurden. Im System des New Approach wendet die Herstellerin diese Normen freiwillig bei der Herstellung ihrer Produkte an. Mit der Anwendung der Norm ergibt sich für das Produkt dann eine Konformitätsvermutung mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen der anwendbaren Harmonisierungsgesetzgebung. Dagegen ist eine harmonisierte Norm im Bauproduktesektor gemäss Art. 2 Abs. 4 Buchstabe d) der Verordnung (EU) 1025/2012 eine technische Spezifikation, die die Verfahren und Kriterien zur Bewertung der Leistung von Bauprodukten gemäss der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 in Bezug auf ihre wesentlichen Eigenschaften enthält.

Erwägungsgrund 4 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 11 Abs. 7 und Art. 14 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

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chende Sicherheitsinformation mitzugeben20. Schliesslich muss auch ein EU-Mitgliedstaat im Rahmen der Marktüberwachung tätig werden, wenn er feststellt, dass das Bauprodukt eine Gefahr für die Gesundheit oder die Sicherheit von Menschen darstellt, obwohl es mit den Vorschriften der europäischen Bauprodukteverordnung übereinstimmt21. Damit wird deutlich, dass der europäische Gesetzgeber durch den Erlass der europäischen Bauprodukteverordnung unmittelbar und abschliessend die Voraussetzungen festlegen wollte, unter welchen Bauprodukte in Verkehr gebracht werden dürfen. Dies schliesst nicht aus, dass andere europäische Gesetzgebungsakte weitere Ziele oder Prinzipien formulieren können. Die so formulierten Ziele oder Prinzipien müssen jedoch zuerst in oder nach der europäischen Bauprodukteverordnung operationalisiert werden, um zu durch die Herstellerin erfüllbaren produktbezogenen Anforderungen zu werden.

Neben den Bewertungsverfahren nach der Bauprodukteverordnung kann es infolgedessen keine anderen oder ergänzenden Konformitätsverfahren und -dokumente geben, was auch die möglichen Risikoaspekte unsicherer Bauprodukte betrifft22. Im konkreten Einzelfall kann das Recht der EU (für das Inverkehrbringen oder Bereitstellen auf dem Markt) oder der EU-Mitgliedstaaten (für das Verwenden) den Nachweis bestimmter Gesundheits- und Sicherheitsaspekte festschreiben. Diese dienen der Erhaltung des Sicherheits- und Gesundheitsniveaus im ganzen Binnenmarkt und demjenigen einzelner Mitgliedstaaten. Der geforderte Nachweis wird dabei aber immer über die Deklaration der Sicherheitsaspekte in der Leistungserklärung erbracht, wobei es in den harmonisierten technischen Spezifikationen Bewertungsmethoden oder ­verfahren für die Sicherheitsaspekte geben muss. Muss keine Leistungserklärung erstellt werden, hat die Herstellerin dennoch die Verpflichtung, dem Bauprodukt, soweit erforderlich, eine entsprechende Sicherheitsinformation mitzugeben.

Technische Spezifikationen Die harmonisierten technischen Normen und die Technischen Bewertungsdokumente werden unter dem Oberbegriff der harmonisierten technischen Spezifikationen zusammengefasst. Die technischen Spezifikationen enthalten dabei die Prüfungsmethoden, Berechnungsverfahren und andere Instrumente zur Bewertung der Produktleistungen in Bezug auf die wesentlichen Merkmale von Bauprodukten23.

Sie geben damit vor, wie die Bewertung der Leistung von Bauprodukten vorgenommen werden soll.

20 21 22

23

Art. 11 Abs. 6 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 58 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Vgl. dazu den Entwurf der EU-Kommission für ein neues Produktesicherheits- und Marktüberwachungspaket vom 13. Februar 2013 mit den folgenden beiden Verordnungsvorschlägen: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG und der Richtlinie 2001/95/EG, KOM(2013) 78 final (Produktesicherheitsverordnung), sowie Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Marktüberwachung von Produkten und zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 1999/5/EG, 2000/9/EG, 2000/14/EG, 2001/95/EG, 2004/108/EG, 2006/42/EG, 2006/95/EG, 2007/23/EG, 2008/57/EG, 2009/48/EG, 2009/105/EG, 2009/142/EG, 2011/65/EU, der Verordnung (EU) Nr. 305/2011, der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 und der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2013) 75 final (Marktüberwachungsverordnung). Vgl. insbesondere Art. 2 Abs. 4 des Entwurfs der Produktesicherheitsverordnung.

Erwägungsgründe 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

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Harmonisierte europäische Normen werden im Bauproduktesektor von den europäischen Normenorganisationen CEN und CENELEC ­ in welchen die SNV Schweizerische Normen-Vereinigung Mitglied ist ­ auf der Grundlage von Mandaten der EU-Kommission und der EFTA verabschiedet24. Als harmonisiert gelten die europäischen Produktenormen erst, wenn ihre Fundstelle im Europäischen Amtsblatt veröffentlicht wurde25.

Ist ein Bauprodukt nicht oder nicht vollständig von einer harmonisieren Norm erfasst und kann die Leistung des Bauprodukts nicht vollständig anhand einer bestehenden harmonisierten Norm bewertet werden, kann eine Herstellerin bei einer Technischen Bewertungsstelle eine Europäische Technische Bewertung (ETB)26 beantragen27. Die ETB wird auf der Grundlage eines Europäischen Bewertungsdokuments (EBD) erarbeitet28. Ein EBD bildet eine Art «Rahmennormierung», um ein Bauprodukt allgemein beschreiben zu können, insbesondere im Hinblick auf dessen wesentliche Merkmale, den von der Herstellerin vorgesehenen Verwendungszweck und die Verfahren und Kriterien zur Bewertung der Produktleistung29.

Die harmonisierten technischen Spezifikationen stellen nach der Bauprodukteverordnung die «gemeinsame Fachsprache» dar, die die Herstellerinnen beim Inverkehrbringen von Bauprodukten und die Behörden der EU-Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Grundanforderungen an Bauwerke gleichermassen verwenden, damit das Bauprodukt nicht nur in Verkehr gebracht, sondern grundsätzlich auch verwendet werden kann. Im Bausektor kann die Beseitigung der technischen Handelshemmnisse nur erreicht werden, wenn die gemeinsame Fachsprache der harmonisierten technischen Spezifikationen zur Bewertung der Produktleistungen eingeführt wird30.

Die Bedeutung der gemeinsamen Fachsprache zeigt sich insbesondere im Spannungsfeld von Inverkehrbringen oder Bereitstellen auf dem Markt auf der einen Seite und dem Verwenden bzw. Einbauen in ein Bauwerk auf der anderen Seite. Nur wenn zuverlässige und beständige Informationen über die Leistung eines Bauprodukts, z.B. über dessen Feuerwiderstand, vorliegen, welche nach den Regeln der gemeinsamen Fachsprache bewertet worden sind, kann das Bauprodukt auch sicher und seinem Verwendungszweck entsprechend verwendet und eingebaut werden, und nur so kann das betroffene Bauwerk die an es gestellten Grundanforderungen erfüllen.

24 25 26 27

28 29 30

Art. 17 Abs. 1 Verordung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 17 Abs. 5 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Engl.: European Technical Assessment, ETA. Entspricht der früheren ETA-Zulassung.

Art. 19 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 305/2011. Die Europäische Technische Bewertung entspricht der bisherigen Europäischen Technischen Zulassung nach der europäischen Richtlinie 89/106/EWG. Diese Art der Zulassung war keine administrative Zulassung, sondern stellte eine positive technische Beurteilung der Brauchbarkeit eines Bauprodukts hinsichtlich der Erfüllung der wesentlichen Anforderungen an Bauwerke, für welche das Produkt zweckentsprechend verwendet werden sollte, dar (vgl. Botschaft zu einem Bundesgesetz über Bauprodukte vom 2. September 1998, Ziff. 124, BBl 1998 5433 ff.).

Art. 26 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 305/2011. Das Europäische Bewertungsdokument entspricht einer Zulassungsleitlinie (ETAG) unter der bisherigen Richtlinie 89/106/EWG.

Art. 24 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Erwägungsgründe 10, 12 und 54 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 sowie Begründung der EU-Kommission zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung Harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten vom 23. Mai 2008, KOM(2008) 311 endgültig, S. 3.

7479

Grundanforderungen an Bauwerke Die Bauprodukteverordnung legt sieben Grundanforderungen an Bauwerke fest31: 1.

Mechanische Festigkeit und Standsicherheit

2.

Brandschutz

3.

Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz

4.

Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung

5.

Schallschutz

6.

Energieeinsparung und Wärmeschutz

7.

Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen.

Die Grundanforderungen beziehen sich nicht unmittelbar auf die Bauprodukte, sondern auf die Bauwerke. Sie sind mehrheitlich nichts Neues: Schon die bisherige Bauprodukterichtlinie legte sechs «wesentliche Anforderungen an Bauwerke»32 fest, die fast wortgleich in der neuen Verordnung übernommen wurden33. Zusätzlich wurde allerdings die Grundanforderung zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen in die neue Verordnung aufgenommen. Die Anforderungen an Bauwerke sind europaweit nicht harmonisiert, und ihre Festlegung liegt im Kompetenzbereich der EU-Mitgliedstaaten34. Die abstrakt in der Bauprodukteverordnung formulierten Grundanforderungen an Bauwerke dienen als objektive Grundlage für die Normenschaffenden, um wesentliche Merkmale von Bauprodukten zu identifizieren und in den technischen Spezifikationen festzulegen35. Auf diese Weise soll die «gemeinsame Fachsprache» in Europa zur Beschreibung der Leistungsmerkmale der Produkte entwickelt werden.

Pflichten der Wirtschaftsakteurinnen Die europäische Bauprodukteverordnung normiert Pflichten der Wirtschaftsakteurinnen innerhalb der Hersteller- und Lieferkette von Bauprodukten. Die Regelung allfälliger Pflichten für diejenigen, die Bauprodukte verwenden oder einbauen, ist hingegen Sache der EU-Mitgliedstaaten. Die Bauprodukteverordnung sieht ­ anders als die bisherige Bauprodukterichtlinie ­ eine Verpflichtung vor, die vorhandenen harmonisierten Normen und ausgestellten ETB anzuwenden36. Damit soll eine harmonisierte Anwendung der gemeinsamen Fachsprache garantiert werden. Ohne die Anwendung der harmonisierten Norm oder ETB darf keine Leistungserklärung ausgestellt und keine CE-Kennzeichnung auf dem Bauprodukt angebracht werden.

In der Folge kann das Produkt auf dem Unionsmarkt ohne Leistungserklärung und ohne CE-Kennzeichnung auch nicht mehr vermarktet werden.

31 32 33 34 35 36

Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Anhang 1 der Richtlinie 89/106/EWG.

Anhang I der Richtlinie 89/106/EWG wird fast wortgleich in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 übernommen.

Erwägungsgründe 1ff. der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 3 Absätze 1 und 2 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

7480

Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit Die Bewertung und Überprüfung der Produktleistung wird nach Verfahren durchgeführt, die dem Bauproduktesektor eigen sind: die Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit. Auch hierin besteht eine ­ konsequente ­ Abweichung von den Regelungen des Neuen Rechtsrahmens, der sogenannte Module zur Konformitätsbewertung vorsieht37. Die Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit entsprechen im Wesentlichen den Konformitätsbewertungssystemen der bisherigen Bauprodukterichtlinie. Allerdings soll mit diesen Verfahren nicht mehr wie bis anhin die Konformität des Bauprodukts mit der harmonisierten technischen Spezifikation nachgewiesen werden. Dem neuen Konzept der Bauprodukteverordnung folgend sollen nunmehr die Leistung eines Bauprodukts in Bezug auf wesentliche Merkmale bewertet und die Herstellung der Produkte im Werk kontrolliert werden38. Zugleich führt die Bauprodukteverordnung gewisse Verfahrensvereinfachungen ein, um die Kosten des Inverkehrbringens von Bauprodukten so gering wie möglich zu halten39, insbesondere für Kleinstunternehmen40 oder für individuell hergestellte Bauprodukte41.

Notifizierte Stellen In die Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistung, welche fortlaufend gegeben sein muss, sind notifizierte Stellen (bisher «Konformitätsbewertungsstellen») eingebunden, je nachdem, welches Verfahren (System) anzuwenden ist42.

Sie übernehmen die Funktion eines unabhängigen Dritten, indem sie: ­

Produkte zertifizieren (Produktzertifizierungsstelle),

­

die Herstellung der Produkte im Werk kontrollieren und die WPK der Herstellerin zertifizieren (Zertifizierungsstelle für die WPK),

­

die Merkmale oder Leistungen von Bauprodukten messen, prüfen, untersuchen oder anderweitig bestimmen (Prüflabor)43.

Diese Tätigkeiten dürfen nur sogenannte «notifizierte Stellen» ausüben. Die Notifizierung ist ein Informationsakt: Die EU-Mitgliedstaaten melden der EU-Kommission solche von ihnen bezeichnete Stellen. Die EU-Kommission führt ein elektronisches Verzeichnis der gemeldeten Stellen, das NANDO (New Approach Notified and Designated Organisations) Information-System. Mit dem Eintrag ins NANDO-Verzeichnis werden die Zertifizierungs- oder Prüfleistungen dieser Stellen europaweit anerkannt. Um notifiziert werden zu können, muss eine Stelle harmonisierte Anforderungen, insbesondere an ihre fachliche Kompetenz, Leistungsfähigkeit und Unabhängigkeit, erfüllen44.

37 38 39 40

41 42 43 44

Erwägungsgrund 29 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Erwägungsgrund 28 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Erwägungsgrund 36 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Der Begriff folgt der Empfehlung der EU-Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen.

ABl der EU, L 124 vom 20.5.2003, S. 36.

Erwägungsgründe 39 ff. der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 28 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Anhang V Ziff. 2 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Kapitel VII Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

7481

Marktüberwachung Die Bauprodukteverordnung sichert die Informationen über die Produktleistung mit einem differenzierten System von Marktüberwachungsvorschriften ab. Dabei wird auch auf die subsidiär anwendbare Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Neuen Rechtsrahmens Bezug genommen45. Diese Verordnung enthält die Grundlagen der Marktüberwachung, wozu auch die Erstellung von Marktüberwachungsprogrammen und Stichprobenkontrollen von Produkten gehören46. Die Marktüberwachung greift in den Fällen: ­

in denen ein Bauprodukt die Produktleistung nicht erbringt, die in der Leistungserklärung deklariert ist, und dadurch für die Einhaltung der Bauwerksanforderung ein Risiko darstellt,

­

in denen die Produktleistung zwar in der Leistungserklärung korrekt deklariert worden ist, das Bauprodukt aber dennoch ein Risiko für die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke darstellt47,

­

in denen Bauprodukte für die Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder andere schützenswerte Aspekte im öffentlichen Interesse ein Risiko darstellen.48

Mit der Verweisung auf die Grundsätze der Marktüberwachung nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 regelt die neue Bauprodukteverordnung die Marktüberwachung für Bauprodukte detaillierter als bisher. Für den Bauproduktesektor ergibt sich daraus ein Systemwechsel in den Anforderungen an die Marktüberwachungskonzepte der EU-Mitgliedstaaten: Mit der Bauprodukteverordnung wird auch für diesen Produktebereich ein proaktives Marktüberwachungskonzept eingeführt. Die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 enthält bereits Mindestanforderungen an die Marktüberwachungskonzepte der EU-Mitgliedstaaten, damit Verstösse gegen die Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU zum Schutz eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes und der Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung der EU durch angemessene Massnahmen unterbunden werden können49.

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Zielsetzungen des Entwurfs für ein neues Bauproduktegesetz

Allgemeines Mit dem Inkrafttreten der neuen europäischen Bauprodukteverordnung im April 2011 ist die Gleichwertigkeit der technischen Vorschriften der EU und der Schweiz für den Bausektor nicht mehr gegeben. Diese Gleichwertigkeit der schweizerischen Bauprodukteerlasse und der europäischen Bauprodukterichtlinie war bei den Verhandlungen für ein MRA-Bauproduktekapitel Voraussetzung für den Abschluss und 45 46

47 48 49

Kapitel VIII Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 18 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 zu den Marktüberwachungsprogrammen und Art. 19 Abs. 1 derselben Verordnung zu den Stichprobenkontrollen als Marktüberwachungsmassnahmen.

Art. 56 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Art. 58 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Erwägungsgründe 26 und 28 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008.

7482

den künftigen Fortbestand des bilateralen Regelwerks in diesem Sektor. Ohne Anpassung des Schweizer Rechts würden die Vorteile des MRA im Bereich der Bauprodukte mittelfristig an Wirkung verlieren. Rechtlich wären die Voraussetzungen für die Gleichwertigkeit nicht mehr gegeben und somit de iure auch die Bedingungen zur Sistierung oder Streichung des MRA-Bauproduktekapitels erfüllt. Ein wirkungsloses Bauproduktekapitel oder eine allfällige Sistierung oder Streichung liefe dem im Bundesgesetz vom 6. Oktober 199550 über die technischen Handelshemmnisse (THG); festgelegten handelspolitischen Ziel zuwider.

Zielsetzungen Hauptziel der Revision ist es, das Bauprodukterecht an die neuen Bestimmungen der EU anzupassen und so für mehr Transparenz, Verfahrensvereinfachungen und Rechtssicherheit zu sorgen. Damit wird auch die Grundlage geschaffen, um das Kapitel über Bauprodukte im MRA zu erhalten.

Inhalt und Struktur der europäischen Bauprodukteverordnung sollen deshalb übernommen werden, um auf diese Weise die Gleichwertigkeit des Schweizerischen Bauprodukterechts zu erreichen. Eine Teilrevision des Bauproduktegesetzes reicht nicht aus, um die Gleichwertigkeit zu erreichen. Die europäische Bauprodukteverordnung sieht mit dem «leistungsorientierten Ansatz» ein neues Konzept der Harmonisierung vor. Dieser neue Ansatz verlangt eine systemische Anpassung des BauPG, indem für das Inverkehrbringen eines Bauproduktes nicht mehr auf dessen Brauchbarkeit abgestellt wird, sondern neu eine Harmonisierung der Verfahren zur Bestimmung der Produktleistungen eingeführt werden soll.

Damit sich möglichst keine Abweichungen von der europäischen Bauproduktegesetzgebung ergeben, gleicht sich der Gesetzesentwurf dieser bezüglich Struktur, Definitionen, Instrumenten und Verfahren so weit wie möglich an. Abweichungen von der europäischen Gesetzgebung bereiten regelmässig nicht nur bei der Beurteilung des Vorliegens der Gleichwertigkeit Schwierigkeiten, sondern auch in der Rechtsanwendung. Rechtsunsicherheit und hohe Komplexität können die Folge sein.

Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen bei einem gleichbleibend hohen Niveau für den Verbraucherschutz die Transparenz für alle Wirtschaftsakteurinnen erhöht, die Rechtssicherheit für die Verwenderinnen und Verwender von Bauprodukten verbessert und die Belastungen für die
Herstellerinnen, insbesondere die KMU unter ihnen, reduziert werden.

Unterstützung durch Arbeitsgruppen Neben einer bundesinternen Arbeitsgruppe war eine zweite, aus externen Experten zusammensetzte Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung der Vernehmlassungsvorlage befasst. In dieser waren namentlich die Mitglieder der Eidgenössischen Kommission für Bauprodukte vertreten, die den Bundesrat und die Bundesverwaltung auch bei der Gesetzgebung berät. Der Kommission gehören insbesondere auch die Vertreter der Dachorganisation der Schweizer Bauwirtschaft, bauenschweiz, an. Alle diese Mitglieder sprachen sich dafür aus, die europäische Bauprodukteverordnung möglichst umfassend zu übernehmen.

50

SR 946.51

7483

1.2.2

Der Vernehmlassungsentwurf

Der Bundesrat hat das EFD beauftragt, vom 21. September bis 21. Dezember 2012 ein Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des totalrevidierten Bauproduktegesetzes (VE-BauPG) und der Bauprodukteverordnung durchzuführen. Der VEBauPG, der in die Vernehmlassung gegeben wurde, will die Unterschiede zwischen dem europäischen und dem schweizerischen Bauprodukterecht beseitigen. Er sieht folgende Neuerungen vor: 1.

Der Vorentwurf übernimmt den «leistungsorientierten Ansatz» der europäischen Bauprodukteverordnung. Mit diesem Konzept wird vom «deskriptiven Ansatz», wonach Anforderungen an Bauprodukte definiert werden, damit sie in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden dürfen, in grundsätzlicher Weise Abstand genommen. Nur in einzelnen Fällen sollen europaweit unmittelbare Anforderungen an ein Bauprodukt gestellt werden.

Deskriptive Elemente sind daher die Ausnahme in diesem Harmonisierungskonzept.

2.

Der vorliegende Gesetzesentwurf folgt konzeptionell der neuen europäischen Bauprodukteverordnung und gibt das Konzept der Brauchbarkeit auf, weil regelmässig erst die Verwenderinnen und Verwender des Bauprodukts über dessen Brauchbarkeit entscheiden, indem sie seine Leistungsmerkmale auf privatrechtlicher Ebene (Ausschreibung, Vertrag) definieren und deren Vorliegen verlangen. Auf der Ebene der Verwendung von Bauprodukten können auch die zuständigen staatlichen Stellen (Bund, Kantone) Anforderungen an Produkte festlegen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass sich das geltende BauPG an der europäischen Bauprodukterichtlinie von 1989 orientiert, die als materielle Anforderung an Bauprodukte noch deren Brauchbarkeit verlangte, damit diese in Verkehr gebracht werden durften.

Das Konzept der Brauchbarkeit ging davon aus, dass Bauprodukte dann brauchbar sind, wenn die Bauwerke, für die sie zweckentsprechend verwendet werden sollen, gewisse Grundanforderungen erfüllen.

3.

Mit dieser konzeptionellen Änderung gehen begriffliche Anpassungen an die europäische Bauprodukteverordnung einher. Da es in der europäischen Bauprodukteverordnung neu eine «Leistungserklärung» und keine «Konformitätserklärung» oder «Konformitätsbescheinigung» mehr gibt, werden alle Begriffe, die mit der Konformitätsbewertung zusammenhängen, an das neue Konzept angepasst. Aus den «wesentlichen Anforderungen» an Bauwerke (geltender Art. 3 Abs. 2 BauPG) werden «Grundanforderungen an Bauwerke» (Art. 3 Abs. 2 VE-BauPG). Zugleich wird eine neue Grundanforderung zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen ins Gesetz aufgenommen.

4.

Nach dem Gesetzesentwurf wird der Bundesrat fünf Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit vorsehen, welche die heutigen Konformitätsverfahren übernehmen, sowie drei verschiedene Typen bezeichneter Stellen, die ebenfalls an die heutige Praxis anknüpfen. Ausserdem werden neue, vereinfachte Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit eingeführt, um für Schweizer Herstellerinnen Wettbewerbsnachteile auf dem europäischen Markt zu vermeiden. Insbesondere sieht das neue BauPG vereinfachte Verfahren für KMU vor.

7484

5.

Die Anpassung an die europäische Bauprodukteverordnung verlangt eine Korrektur des Anwendungsbereichs des BauPG: Bauprodukte, die von einer harmonisierten Norm erfasst werden oder für die eine ETB ausgestellt wurde, sollen dem «leistungsorientierten Ansatz» unterworfen werden, da andernfalls technische Handelshemmnisse geschaffen werden. Dies bedeutet, dass in diesen Fällen andere nationale Nachweise und Kennzeichen für Produktleistungen von Bauprodukten nicht mehr zulässig sind, da sie dem neuen Konzept widersprechen. Wenn andere nationale technische Vorschriften materielle Produktanforderungen enthalten, dürfen diese Anforderungen nicht mehr über eigenständige Konformitätsverfahren nachgewiesen werden, es sei denn, diese eigenständigen Konformitätsverfahren basieren ebenfalls auf Harmonisierungsrechtsakten der EU. Soweit andere nationale technische Vorschriften Produktanforderungen für die Verwendung regeln, müssen Bewertungsverfahren für diese materiellen Anforderungen in die harmonisierten und bezeichneten Produktnormen integriert werden. Mit dieser Vermeidung von Doppelspurigkeiten ergibt sich für die Herstellerinnen von Bauprodukten nicht nur eine grössere Transparenz, sondern sie profitieren vor allem auch von finanziellen sowie Verfahrenserleichterungen.

6.

Der Gesetzesentwurf enthält ein Pflichtenheft für die Wirtschaftsakteurinnen, die an der Hersteller- und Lieferkette beteiligt sind. Die Pflichten der einzelnen Wirtschaftsakteurinnen (Herstellerin, Importeurin, Händlerin, Bevollmächtigte) werden voneinander klar abgegrenzt. Damit wird deutlich, dass eine Importeurin oder Händlerin nicht wie eine Herstellerin für die Erstellung einer Leistungserklärung zuständig sein kann. Umgekehrt muss sie aber dafür sorgen, dass die in der Leistungserklärung enthaltenen Informationen die Verwenderin oder den Verwender des Produkts unverändert erreichen. Ist die Importeurin oder Händlerin der Auffassung, dass das Bauprodukt nicht den Angaben der Leistungserklärung entspricht, darf sie das Produkt nicht in Verkehr bringen bzw. auf dem Markt bereitstellen.

7.

Eine weitere Neuerung betrifft die harmonisierten technischen Produktnormen und die ETB (bisher Zulassungen). Die Herstellerinnen werden verpflichtet, die vorhandenen harmonisierten Produktnormen und ETBs zur Produktdeklaration heranzuziehen, wenn das Produkt von einer solchen Norm erfasst ist oder eine ETB ausgestellt worden ist. Anders als unter dem geltenden BauPG muss eine Herstellerin, die eine harmonisierte Norm anwendet, in der Leistungserklärung aber nicht mehr die Leistung in Bezug auf alle wesentlichen Produktmerkmale deklarieren.

8.

Das Marktüberwachungskonzept ist grundlegend überarbeitet und an den europäischen Standard angeglichen worden. Eine funktionierende Marktüberwachung soll sicherstellen, dass die Produktangaben verlässlich und richtig sind, dass die deklarierten Produktmerkmale auch tatsächlich vorhanden sind und dass die in Verkehr gebrachten oder auf dem Markt bereitgestellten Produkte kein anderweitiges Risiko für den Verwender darstellen.

Das Sicherheitsniveau der in der Schweiz vermarkteten Produkte wird durch Stichprobenprogramme und anlassbezogene Kontrollen aufrechterhalten.

Damit sollen Gefahren, die von unsicheren Produkten ausgehen oder die aufgrund mangelhafter Produkte von Bauwerken ausgehen können, verhindert bzw. beseitigt werden.

7485

9.

Das heutige System der technischen Zulassungen wird durch ETB ersetzt.

Damit geht einher, dass eine Zulassungsstelle neu die Funktion einer Technischen Bewertungsstelle übernimmt. Sie kann eine ETB für Bauprodukte ausstellen, wenn das Produkt nicht oder nicht vollständig von einer harmonisierten Norm erfasst wird oder anhand einer solchen Norm nicht bewertet werden kann.

10. Der Vorentwurf enthält zwei Varianten zur Frage des Geltungsbereichs von Bauprodukte- und Produktesicherheitsgesetz51. Variante I sieht vor, dass das Produktesicherheitsrecht für den Bauproduktesektor in die Bauproduktegesetzgebung integriert wird. Variante II sieht eine subsidiäre Anwendbarkeit des Produktesicherheitsgesetzes mit situativ bedingt zusätzlichen Anforderungen und Nachweispflichten im Verhältnis zur Bauproduktegesetzgebung vor.

1.2.3

Vernehmlassung

Neben den Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein wurden im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zwölf politische Parteien, drei gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, acht gesamtschweizerische Dachverbände der Wirtschaft sowie 44 weitere Organisationen und interessierte Kreise begrüsst.

Die Auswertung der eingegangenen 65 Stellungnahmen hat gezeigt, dass die Revisionsvorlage von den meisten Vernehmlassungsteilnehmern begrüsst wird. Die Befürwortenden begründen ihre Zustimmung zur Vorlage damit, dass der Handel der Schweiz mit der EU im Bereich Bauprodukte von grosser wirtschaftlicher Bedeutung sei und ein Verzicht auf die Revision zu technischen Handelshemmnissen führen würde Das MRA sei für die Schweizer Volkswirtschaft wichtig, denn es gewährleiste, dass der grenzüberschreitende Austausch von Bauprodukten verhältnismässig und mit gleich langen Spiessen vorgenommen werden könne. Ein Zurückfallen des Bauproduktesektors hinter den schon erreichten Abbau technischer Handelshemmnisse wäre mit bedeutenden Wettbewerbsnachteilen und Handelsverzerrungen verbunden. Deshalb gelte es unbedingt, für die Gleichwertigkeit der Schweizerischen Bauproduktegesetzgebung zu sorgen, um das MRA nicht zu gefährden.

Einzelne kritische Stellungnahmen befürchten für Handwerksbetriebe und für KMU, welche ausschliesslich im Binnenmarkt tätig sind, höhere finanzielle und administrative Belastungen, die aus den Fremdüberwachungen der WPK, welche in Zukunft notwendig sind, resultieren sollen.

Zwei Vernehmlasser wenden sich gegen die vorgesehene Möglichkeit, ihnen Marktüberwachungsaufgaben zu übertragen. Neben grundsätzlichen Bedenken, die gegen die Übernahme neuer Aufgaben im Bereich der Marktüberwachung ins Feld geführt werden, wehren sie sich insbesondere gegen eine Aufgabenübertragung ohne eine entsprechende gesetzliche Abgeltungsregelung.

51

Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Produktesicherheit; PrSG (SR 930.11).

7486

Befürchtet wird unter anderem auch, dass mit den neuen gesetzlichen Bestimmungen das heutige Niveau im Bereich der sauberen und effizienten Energienutzung unterschritten werde und dass die neuen Bestimmungen zu einer Verunsicherung bei den international tätigen Lieferanten und zu einer Verteuerung der Bauwerke führen könnten.

Es wurde vereinzelt darauf aufmerksam gemacht, dass sich bei Bauprodukten, die in Kontakt mit Trinkwasser kommen, Überschneidungen mit den lebensmittelrechtlichen Vorschriften ergeben. Bauprodukte, die in Kontakt mit Trinkwasser kommen, sind sogenannte Bedarfsgegenstände und unterstehen in der Schweiz auch der Lebensmittelgesetzgebung. Es müsse klargestellt werden, welches Gesetz in diesen Fällen zur Anwendung komme.

Der Vorentwurf enthielt zwei Varianten zur Regelung des Verhältnisses zwischen dem Bauprodukterecht und dem Produktsicherheitsgesetz (PrSG). Nach Variante I kann die Äquivalenz des Bauproduktegesetzes mit der europäischen Gesetzgebung nur erreicht werden, wenn keine subsidiäre Anwendung zusätzlicher bzw. «restlicher» Nachweisverfahren vorgesehen ist, während Variante II eine subsidiäre Anwendbarkeit des PrSG auf Bauprodukte mit situativ bedingt zusätzlichen Anforderungen und Nachweispflichten für das Inverkehrbringen vorsieht, soweit das BauPG Sicherheitsaspekte für Bauprodukte nicht spezifisch regelt. Die grosse Mehrheit der Stellungnahmen spricht sich ausdrücklich für Variante I aus (darunter die Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz BPUK sowie alle Kantone ausser einem). Begründet wird die Unterstützung von Variante I damit, dass diese voraussichtlich eine europakompatible Umsetzung des Verhältnisses von Bauprodukte- und Produktesicherheitsrecht darstelle, während Variante II mit ihrem erforderlichen «Restnachweis» die Gefahr mit sich bringe, ein technischen Handelshemmnis und zusätzliche bürokratischer Hürden aufzubauen. Variante II führe zu komplizierteren Verfahren für die Herstellerinnen, was sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit auswirke. Bei über 50 000 unterschiedlichen Bauprodukten mit unterschiedlichen Produktmerkmalen sei es unmöglich, von einem allgemein gültigen Begriff der «grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen» auszugehen. Zwei Stellungnahmen sprechen sich ausdrücklich für Variante II aus. Die Anwendung des PrSG auf
Bauprodukte erscheint ihnen als vernünftige Lösung, die mehr Flexibilität garantiert. Das BauPG baue auf einem vom PrSG fundamental abweichenden Konzept auf; dies spreche für die subsidiäre Anwendbarkeit des PrSG, weil dadurch Lücken vermieden werden können.

Die Bestimmungen zur Marktüberwachung werden ausdrücklich begrüsst, insbesondere von den Kantonen und der BPUK. Sie sehen darin eine Garantie für das Prinzip der «gleich langen Spiesse»: Wer sich an die gesetzlichen Bestimmungen hält, soll keine Marktnachteile erleiden. Die BPUK und die Kantone halten aber ausdrücklich fest, dass die Marktüberwachung von Bauprodukten im eingebauten Zustand in die kantonale Zuständigkeit fällt.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Der Bundesrat beantragt eine Totalrevision des BauPG, welche inhaltlich die Bauprodukteverordnung der EU übernimmt. Damit werden namentlich folgende Verbesserungen erzielt: 7487

Mit einem Regelwerk, das der europäischen Bauprodukteverordnung gleichwertig ist, kann der bilaterale Weg zwischen der Schweiz und der EU für das MRABauproduktekapitel fortgesetzt werden, und neue technische Handelshemmnisse können vermieden werden. Sollte die Schweiz auf die Revision ihrer Bauprodukterlasse verzichten bzw. die Äquivalenz mit der entsprechenden europäischen Gesetzgebung nicht gewährleisten, gingen die Vorteile des MRA für Bauprodukte verloren.

Dies würde dazu führen, dass zwar in der EU und im EWR legal handelbare Bauprodukte ungehindert in der Schweiz in Verkehr gebracht werden dürften, nicht aber umgekehrt Schweizer Bauprodukte in der EU und auf dem EWR-Markt, wenn sie nicht die Anforderungen der europäischen Bauprodukteverordnung erfüllen. Exportierende Herstellerinnen würden also wieder benachteiligt gegenüber ihren Wettbewerberinnen aus der EU und dem EWR, weil sie Zusatzkosten für Zweitprüfungen und Doppelzertifizierungen tragen müssten. Schweizer Dienstleistungsunternehmen, die heute als Konformitätsbewertungsstellen europaweit ihre Dienste anbieten können, könnten ihren Status als notifizierte Stellen verlieren .Dies könnte mittelfristig Arbeitsplätze gefährden und zur Abwanderung wichtiger Kompetenzen im Bausektor ins Ausland führen.

Die Übernahme der europäischen Bauprodukteverordnung bringt folgende zusätzlichen Vorteile: 1.

Reduktion von Belastungen für Herstellerinnen: Der «leistungsorientierte Ansatz» soll Erschwernisse der geltenden Gesetzgebung für das Inverkehrbringen von Bauprodukten beseitigen. Das Brauchbarkeitserfordernis wird als Voraussetzung für das Inverkehrbringen aus der Gesetzgebung entfernt. Dies soll helfen, Kosten für unnötige Prüfungen, Inspektionen oder Zertifizierungen im Bauproduktebereich einzusparen.

2.

Marktorientierung: Der «leistungsorientierte Ansatz» ist zugleich ein «marktorientierter Ansatz»: Grundsätzlich soll der Staat keine Produktleistungen festlegen, sondern nur noch dann Anforderungen an das Produkt definieren, wenn dies zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt oder von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder zur Verwirklichung überwiegender öffentlicher Interessen im Zusammenhang mit den Grundanforderungen an Bauwerke angezeigt ist. Der Gesetzesentwurf geht wie die europäische Bauprodukteverordnung davon aus, dass die Verwenderinnen und Verwender bestimmen, ob ein Produkt brauchbar ist oder nicht.

3.

Rechtsklarheit: Wenn ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder anhand einer ETB bewertet wird, ist zukünftig eine Leistungserklärung zu erstellen. Die harmonisierten technischen Spezifikationen bilden dabei eine «gemeinsame Fachsprache», die der technischen Gesetzgebung der EU zugrunde liegt und die in der Schweiz bereits kontinuierlich übernommen wird. Dadurch muss sich die Herstellerin nicht mehr auf unterschiedliche technische Regeln in Europa einstellen, weil überall die gleichen technischen Spezifikationen für Bauprodukte Anwendung finden.

4.

Vereinfachungen: Vorgesehen sind Verfahrensvereinfachungen bei den Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (Wegfall von Produktprüfungen, Verzicht auf Wiederholung von Prüfungen, Erleichterungen für KMU etc.). Alle diese Verfahrensvereinfachungen dienen dazu, die Herstellungskosten für Bauprodukte zu senken.

7488

5.

Rechtssicherheit: Mit einem klaren Pflichtenheft für Herstellerinnen, Importeurinnen, Bevollmächtigte und Händlerinnen wird die Rechtssicherheit erhöht. Zugleich soll der Verwenderin und dem Verwender eines Bauprodukts eine verlässliche und zutreffende Information zu den Produktleistungen über die gesamte Lieferkette hinweg zugänglich gemacht werden.

6.

Verbesserung der Marktüberwachung: Das Marktüberwachungskonzept wurde grundlegend überarbeitet und an den europäischen Standard angeglichen. Eine funktionierende und effektive Marktüberwachung soll die Verlässlichkeit und Richtigkeit der Produktangaben und das Vorhandensein der deklarierten Produktmerkmale sicherstellen und dafür sorgen, dass die auf dem Markt bereitgestellten Produkte kein Risiko für den Verwender darstellen. Die Marktüberwachung der in der Schweiz vermarkteten Produkte soll durch Stichprobenprogramme und anlassbezogene Kontrollen effizienter werden und einen höheren Wirkungsgrad erreichen, damit Gefahren, die von unsicheren Produkten ausgehen oder die aufgrund mangelhafter Produkte von Bauwerken ausgehen können, verhindert oder reduziert werden können.

Eine Effizienzsteigerung in der Marktüberwachung soll ausserdem durch eine Bündelung der Kräfte erreicht werden, indem das Produktesicherheitsrecht in das BauPG integriert wird. Eine effektive Marktüberwachung ist in Zukunft ein Schlüsselelement für das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes für Bauprodukte, für eine Stärkung der Vollzugsregelungen im MRA und für die Zusammenarbeit der sektorspezifischen Marktüberwachungsbehörden.

7.

Nachhaltigkeit: Um das nachhaltige Bauen unterstützen zu können, wird eine neue Bauwerksanforderung in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Für diese Bauwerksanforderung sollen dann die Normenschaffenden Produktmerkmale entwickeln und in die harmonisierten Normen integrieren, für die Produktleistungen deklariert werden können.

8.

Transparenz: Die Integration des Produktesicherheitsrechts für Bauprodukte in das BauPG bringt für die Wirtschaftsakteurinnen mehr Transparenz über ihre Verpflichtungen. Als Beurteilungsmassstab der konkreten Sicherheitsund Gesundheitsaspekte eines Bauprodukts dient nicht die Formel des «Standes des Wissens und der Technik», sondern die harmonisierten Produktnormen für den harmonisierten Bereich und im nicht-harmonisierten Bereich die Verpflichtung, dass das Produkt so sicher sein muss, wie es von den Verwendenden vernünftigerweise erwartet werden kann.

9.

Bürokratieabbau: Soweit andere Bundeserlasse Produktanforderungen regeln, sollen diese Regelungen in die harmonisierten und bezeichneten Produktnormen integriert werden, und ihre Erfüllung soll nicht mehr durch separate Konformitätsverfahren, die neben den Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit bestehen, nachgewiesen werden müssen.

7489

1.4

Überarbeitung des Vorentwurfs

Aufgrund der Vernehmlassung sowie aufgrund weiterer geplanter Gesetzgebungsvorhaben auf europäischer Ebene (vgl. Ziff. 1.6) haben sich die folgenden Änderungen an der Gesetzesvorlage ergeben:

52 53

­

Der kollisionsrechtliche Vorbehalt anderer technischer Vorschriften wurde redaktionell noch einmal präzisiert (Art. 1 Abs. 3). Ziel ist die Gewährleistung des Geltungsvorbehalts des Bauprodukterechts, wenn Bauprodukte von einer harmonisierten Norm erfasst sind oder für sie eine ETB ausgestellt wurde, denn dies ist der Kernbereich der europäischen Neuregelung, die mit der Revision übernommen werden soll. Gleichzeitig wurde in Artikel 1 Absatz 3 ein Vorbehalt der lebensmittelrechtlichen Vorschriften aufgenommen. Bauprodukte, die in Kontakt mit Trinkwasser kommen, sind sogenannte Bedarfsgegenstände und unterstehen in der Schweiz nicht nur der Bauprodukte- sondern auch der Lebensmittelgesetzgebung. Da es für Bauprodukte, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, bisher noch keine harmonisierte europäische technische Norm (hEN) gibt, kann jedes Land eigene Anforderungen für das Inverkehrbringen aufstellen. Sollte es in Zukunft aber eine hEN geben, dann wird das Inverkehrbringen solcher Bauprodukte ausschliesslich durch das BauPG geregelt sein. Auch nationale Kennzeichnungen oder zusätzliche Konformitätsbewertungsverfahren für solche Bauprodukte sind dann nicht mehr zulässig. Das Lebensmittelrecht wird folglich in Zukunft nur Anforderungen an die Verwendung dieser Produkte regeln können. Vorbehalten bleiben allerdings Bestimmungen im Lebensmittelrecht, welche Inhaltsstoffe von Bedarfsgegenständen regeln.

­

Anstelle der Varianten I und II zur Regelung des Verhältnisses von Bauprodukte- und Produktesicherheitsrecht enthält der Gesetzesentwurf nun eine eurokompatible Lösung (Art. 4): Der Grundsatz, dass Bauprodukte sicher sein müssen, um in Verkehr gebracht werden zu dürfen, verfolgt dasselbe Ziel wie die Bestimmungen des Produktesicherheitsgesetzes52. Gleichzeitig wird jedoch die rechtliche Struktur für die Ausgestaltung dieses Prinzips an den europarechtlichen Vorgaben ausgerichtet: Die Operationalisierung des Prinzips der Produktesicherheit erfolgt im europäischen Bauprodukterecht aufgrund der sektoriellen Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU53.

­

Die Vorschriften zur Marktüberwachung wurden überarbeitet und gestrafft.

Es wurde klargestellt, was ein mit einem Risiko verbundenes Bauprodukt ist und welche Massnahmen die Marktüberwachungsorgane in diesem Fall ergreifen sollen (Art. 22). Zugleich wurde eine Delegationsnorm für weitere mögliche Massnahmenbefugnisse in den Entwurf aufgenommen (Art. 24), um sicherheitsrelevanten Herausforderungen, die sich aus der Vollzugspraxis ergeben, zeitnah im Sinne einer effektiven und effizienten Marktüberwachung begegnen zu können.

Siehe insbes. Art. 1 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 PrSG.

Vgl. Art. 2 Abs. 4 und Erwägungsgrund 8 des Vorschlages der EU-Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG und der Richtlinie 2001/95/EG, KOM(2013) 78 final (Produktesicherheitsverordnung).

7490

1.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Der Aufwand beim Vollzug der sich aus dem Gesetzesentwurf ergebenden Aufgaben steht in einem sehr günstigen Verhältnis zu den Vorteilen mit Bezug auf den Aussenhandel, die gesamte Bauwirtschaft und die Produkte- und die Bauwerksicherheit. Der Gesetzesentwurf geht ­ wie bis anhin ­ von der grundsätzlichen Selbstverantwortung aus und überlässt es den Wirtschaftsakteurinnen, ob sie für ein Produkt mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen Produktleistungen deklarieren und wie sie vorgehen wollen, damit nur Bauprodukte auf den Markt gelangen, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Er sieht auch weiterhin keine Präventivkontrolle ­ die wie eine Marktzugangsschranke funktionieren würde und beispielsweise wie ein Zulassungssystem ausgestaltet werden müsste ­ der Produkte vor, auch aus der Überlegung heraus, dass der Umfang des Vollzugs nicht ausgedehnt werden soll.

In gleicher Weise wird auch auf eine umfassende Marktüberwachung verzichtet. Es soll ein anlassbezogenes Marktüberwachungskonzept fortgeführt werden, das sich insbesondere auf Meldungen Dritter stützt und nur ergänzend auf Stichprobenprogramme abstellt. In den Fällen, in welchen die staatlichen Kontrollen zeigen, dass ein Bauprodukt nicht den gesetzlichen Voraussetzungen des BauPG entspricht, soll die Wirtschaftsakteurin, die eine Kontroll- oder Korrekturmassnahme zu vertreten hat, die Kosten der entsprechenden Marktüberwachungsmassnahmen tragen. Der Gesetzesentwurf auferlegt den Marktüberwachungsorganen ausserdem eine grundsätzliche Zurückhaltung: So sieht beispielsweise Artikel 25 Absatz 1 BauPG eine Kooperationspflicht der Marktüberwachungsorgane mit den Wirtschaftsakteurinnen vor (und nicht nur umgekehrt), um Vorkehrungen zu treffen, durch welche Risiken gemindert oder beseitigt werden, die von der Bauprodukten ausgehen können.

1.6

Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

Mit der Totalrevision des Bundesgesetzes und der Verordnung über Bauprodukte soll die europäische Bauprodukteverordnung materiell weitestgehend übernommen werden. Damit wird die Grundlage für die Weiterführung des MRA mit der EU in diesem Produktesektor geschaffen. Ferner wird dadurch erreicht, dass die vertragliche Regelung zur gegenseitigen Anerkennung der Gleichwertigkeit von Konformitätsdokumenten weitergeführt und so der gegenseitige Marktzugang für diese bedeutende Produktegruppe im Industriegüterhandel mit der EU sichergestellt werden kann. In Ziffer 1.1.2. wird die europäische Bauprodukteverordnung ausführlich dargestellt; für den Rechtsvergleich kann auf dieses Kapitel verwiesen werden.

Für eine europakompatible Integration des Produktesicherheitsrechts in die Bauproduktegesetzgebung muss auch die Struktur des europäischen Rechts für Bauprodukte im schweizerischen Recht übernommen werden. Dies ist entscheidend für eine gleichwertige Gesetzgebung, die eine Teilnahme der Schweiz am europäischen Binnenmarkt sichern soll. Auf europäischer Ebene soll mit einem neuen Produkt-

7491

sicherheits- und Marktüberwachungspaket54 auch die mit der vollen Anwendbarkeit der europäischen Bauprodukteverordnung seit dem 1. Juli 2013 geltende Rechtslage für Bauprodukte noch einmal klargestellt werden: Damit der Grundsatz, dass Bauprodukte auch nach der bisherigen europäischen Produktsicherheitsrichtlinie55 sicher sein müssen, um in Verkehr gebracht werden zu dürfen, in der Praxis umgesetzt werden kann, müssen die Pflichten der Wirtschaftsakteure und die Verfahren der europäischen Bauprodukteverordnung herangezogen werden56. Eine subsidiäre Anwendung des Produktesicherheitsrechts auf Bauprodukte mit situativ bedingt zusätzlichen Anforderungen und Nachweispflichten im Verhältnis zur Bauproduktegesetzgebung würde bedingen, dass es eine Definition grundlegender Sicherheitsund Gesundheitsanforderungen und allenfalls auch «Sicherheitsnormen» geben würde. Da dies weder auf europäischer Ebene noch in der Schweiz vorgesehen ist, und weil die EU-Mitgliedstaaten mit der vollen Anwendbarkeit der europäischen Bauprodukteverordnung auf der Ebene des Inverkehrbringens solche Anforderungen nicht mehr national erlassen und keine nationalen Normen mehr schaffen dürfen, müssen zukünftig nationale Anforderungen an die Produktesicherheit ­ die es auf der Ebene der Verwendung geben kann ­ im System der europäischen Bauprodukteverordnung operationalisiert werden. Dies geschieht über delegierte Rechtsakte nach Artikel 3 Absatz 3 oder über die harmonisierten technischen Spezifikationen nach Artikel 27 der europäischen Bauprodukteverordnung. Auf diese Weise kann die Herstellerin Anforderungen an die Produktesicherheit auf der Ebene des Inverkehrbringens berücksichtigen und in ihre Leistungserklärung aufnehmen. In gleicher Weise verfolgt der überarbeitete Gesetzesentwurf dasselbe Ziel wie die Bestimmungen des Produktesicherheitsgesetzes57, doch erfolgt die Umsetzung des allgemeinen Sicherheitsgebotes im schweizerischen Bauprodukterecht.

Im Rahmen der Marktüberwachung werden zusätzlich zur Übernahme der europäischen Bauprodukteverordnung einzelne in der Bauprodukteverordnung in Bezug genommene Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 übernommen. Dies dient der Lückenfüllung an den Stellen, wo die europäische Bauprodukteverordnung diese horizontale Gesetzgebung voraussetzt. In gleicher Weise werden einzelne
Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 zur Produktinformationsstelle übernommen, da die europäische Bauprodukteverordnung hinsichtlich dieser Stelle die Verordnung (EG) Nr. 764/2008 ebenfalls als gegeben voraussetzt.

54

55

56

57

Entwurf der EU-Kommission für ein neues Produktesicherheits- und Marktüberwachungspaket vom 13.02.2013: Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG und der Richtlinie 2001/95/EG, KOM(2013) 78 final (Produktesicherheitsverordnung), sowie Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Marktüberwachung von Produkten und zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 1999/5/EG, 2000/9/EG, 2000/14/EG, 2001/95/EG, 2004/108/EG, 2006/42/EG, 2006/95/EG, 2007/23/EG, 2008/57/EG, 2009/48/EG, 2009/105/EG, 2009/142/EG, 2011/65/EU, der Verordnung (EU) Nr. 305/2011, der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 und der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2013) 75 final (Marktüberwachungsverordnung).

Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. der EU L 11 vom 15.1.2002, S. 4 ff, Produktsicherheitsrichtlinie.

Diese kollisionsrechtliche Lösung ergibt sich klar aus Art. 2 Abs. 4 und Erwägungsgrund 8 des Entwurfs der EU-Kommission für eine neue Produktesicherheitsverordnung (KOM(2013) 78 final).

Insbesondere Art. 1 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 PrSG.

7492

1.7

Umsetzung

Der Vollzug des BauPG liegt ­ wie bisher ­ beim Bund, soweit das Inverkehrbringen von Produkten und die Produktesicherheit betroffen sind. Wichtig und bedeutsam wird die Umsetzung der Produktinformationsstelle und des Marktüberwachungsprogramms sein. Dabei wird das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) als verantwortliches Bundesamt für den Vollzug darauf angewiesen sein, dass es andere Stellen für diese Aufgaben beiziehen beziehungsweise beauftragen kann, beispielsweise kantonale Behörden und private Organisationen.

1.8

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Gegenwärtig sind keine parlamentarischen Vorstösse hängig, welche mit der Verabschiedung des vorliegenden Gesetzesentwurfs abgeschrieben werden könnten.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

1. Abschnitt: Zweck, Geltungsbereich und Begriffe Art. 1

Gegenstand, Zweck und Vorbehalt anderer Bundesgesetze

Absatz 1: Das Bauproduktegesetz regelt das Inverkehrbringen aller Bauprodukte und ihre Bereitstellung auf dem schweizerischen Markt, unabhängig davon, ob ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst oder einer ETB entspricht oder nicht.

Neben dem Inverkehrbringen wird neu der Begriff der «Bereitstellung auf dem Markt» eingeführt. Das Bereitstellen ist jede Abgabe eine Bauprodukts zum Vertrieb oder zur Verwendung auf dem Markt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit (Art. 2 Ziff. 18 BauPG), während das Inverkehrbringen gleichbedeutend mit dem erstmaligen Bereitstellen des Bauprodukts auf dem Markt ist. Das Inverkehrbringen und die Bereitstellung eines Bauprodukts entspricht dem bisherigen umfassenderen Begriff des Inverkehrbringens, der von der Möglichkeit eines mehrmaligen Inverkehrbringens im Rahmen der Herstellungs- und Lieferkette ausgeht. An das erste Inverkehrbringen und an die Bereitstellung auf dem Markt können aber unterschiedliche Pflichten der Wirtschaftsakteurinnen geknüpft sein, sodass diese Differenzierung, die dem Konzept der neuen europäischen Baupropdukteverordnung entspricht, sinnvoll ist.

Absatz 2: Mit dieser Zweckbestimmung soll klargestellt werden, dass die Hauptzwecke des BauPG die Erleichterung der freien grenzüberüberschreitenden Vermarktung von Bauprodukten sowie die Sicherheit von Bauprodukten sind.

Absatz 3: Für die genannten, nicht abschliessend aufgezählten Rechtsgebiete in dieser Bestimmung bedarf es einer Kollisionsregel. Die genannten Vorschriften können Regelungen enthalten, die auch das Inverkehrbringen von Bauprodukten betreffen. Genannt werden in drei Buchstaben diejenigen Fälle, in welchen im Kollisionsfalle die anderen technischen Vorschriften dem Bauprodukterecht vorgehen können: 7493

Im Fall des Buchstabens a geht es um eine besondere Kollisionsregel, die am stofflichen Inhalt des Bauprodukts ansetzt: Was die Regelung der Inhaltsstoffe eines Bauprodukts betrifft, gibt es eine nationale Spezialgesetzgebung, die auf europäischer Ebene den Regelungen der REACH-Verordnung58 entspricht. Regelungsgegenstand der Bauproduktegesetzgebung ist das Bauprodukt mit seiner Produktleistung in Bezug auf die Grundanforderungen des Bauwerks. Das führt dazu, dass die Freisetzung gefährlicher Substanzen (Emission) aus einem Bauprodukt nach der europäischen Bauprodukteverordnung behandelt wird und Schadstoffe als Inhaltsstoffe eines Bauprodukts nach der REACH-Verordnung. In gleicher Weise ist die Schweizer Gesetzgebung zu differenzieren: Das Chemikalien-, das Umweltschutz-, das Lebensmittel- oder das Gewässerschutzrecht können demnach materielle Vorschriften zu Schwellenwerten vorsehen (z.B. von Schadstoffen, die in Bauprodukten enthalten sein können). Wo eine materielle Vorschrift die Inhaltsstoffe eines Bauprodukts betrifft, ist diese andere technische Gesetzgebung massgebend, wo hingegen Schadstoffemissionen aus einem Bauprodukt drohen, kommt das Bauprodukterecht vorrangig zur Anwendung.

Im Fall der Buchstaben b und c können technische Vorschriften ebenfalls Schwellenwerte für die Produktleistung vorsehen (im Zusammenhang mit gefährlichen Substanzen geht es dabei um Vorschriften mit Bezug auf die Freisetzung solcher Substanzen aus dem Bauprodukt). Soweit diese Vorschriften Schwellenwerte auf der Ebene der Verwendung, Inbetriebnahme, Anwendung oder des Einbaus regeln, können sie den Bestimmungen der Bauproduktegesetzgebung vorgehen. Dies gilt auch in den Fällen, in welchen ein Bauprodukt dem sog. «harmonisierten Bereich» angehört, d.h. wenn das Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst wird oder für ein Bauprodukt eine ETB ausgestellt wurde (Bst. b). In diesem Fall können auf europäischer Ebene in technischen Ausführungsvorschriften zur europäischen Bauprodukteverordnung z.B. Schwellenwerte festgelegt werden. Dies geschieht in delegierten Rechtsakten gemäss der europäischen Bauprodukteverordnung. Die Übernahme dieser technischen Ausführungsvorschriften ist unabdingbar für das Funktionieren der Bauproduktegesetzgebung und deren Äquivalenz mit der europäischen Bauprodukteverordnung. Nicht
ausgeschlossen wird dadurch, dass auch in diesen Fällen weiterhin strengere nationale Schwellenwerte in der nationalen Gesetzgebung auf der Ebene der Verwendung verankert werden können. Um für diese Produkte des «harmonisierten Bereichs» doppelte Verfahren59 zu vermeiden, gilt hier auch ein Vorrang der bauprodukterechtlichen Methoden und Verfahren. Ist also ein in anderen Bundeserlassen festgelegter Emissionsschwellenwert (für die Verwendung) einzuhalten, so bestimmen sich die Prüf-, Inspektions- oder Zertifizierungsverfahren im «harmonisierten Bereich» dennoch nach dem BauPG. Damit die nationalen Schwellenwerte von der Herstellerin in ihrer Leistungserklärung deklariert und ihre Einhaltung von den zuständigen nationalen Behörden auch kontrolliert werden können, müssen die entsprechenden Methoden und Verfahren zur

58

59

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/105/EWG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. der EU vom 30.12.2006, L 396, S. 1.

Konformitätsbewertungs-, Prüf-, Inspektions-, Anmelde- oder Zulassungsverfahren

7494

Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit in die harmonisierten und bezeichneten Bauproduktennormen integriert werden (vgl. Art. 11 BauPG).

Im sogenannten «nicht-harmonisierten Bereich», d.h. wenn ein Bauprodukt von keiner harmonisierten Norm erfasst wird und für das Bauprodukt auch keine ETB ausgestellt worden ist, können nationale Vorschriften über Schwellenwerte oder Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Produktleistung dagegen dem Bauprodukterecht auch auf der Ebene des Inverkehrbringens vorgehen (Bst. c).

Soweit andere technische Vorschriften Bestimmungen enthalten, die Bauprodukte betreffen, und diese anderen Vorschriften weiteren ins schweizerische Recht übernommenen Harmonisierungsrechtsvorschriften der Europäischen Union entsprechen, sollen diese anderen technischen Vorschriften anwendbar bleiben, wenn das betreffende Produkt auch nach europäischem Recht sowohl den Anforderungen des Bauprodukterechts als auch der anderen Harmonisierungsrechtsvorschriften unterliegt (Bst. d). Diese Kollisionsregel dient der Klarstellung, dass in diesen Fällen ­ abhängig vom betroffenen Aspekt oder Verwendungszweck des Produkts ­ beide Rechtssätze Anwendung finden können. Ein Beispiel: Eine motorgetriebene Schiebetür wird, soweit ihre Eigenschaften als Bauprodukt betroffen sind, aufgrund der Leistungserklärung des BauPG in Verkehr gebracht. Soweit die Funktion dieser motorisierten Schiebetüre als in Verkehr zu bringende Maschine betroffen ist, ist ausserdem die Maschinenverordnung vom 2. April 200860 (MaschV) für das Inverkehrbringen anzuwenden.

Nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden muss der Fall technischer Vorschriften, die Anlagen betreffen, in welche Bauprodukte als Bestandteile eingebaut werden können. Solche technischen Vorschriften werden von der vorliegenden Kollisionsregel nicht erfasst und bleiben weiterhin anwendbar. Eine anlagenbezogene Vorschrift ist beispielsweise das Elektrizitätsgesetz vom 24. Juni 190261. Solche Vorschriften betreffen das Inverkehrbringen, die Erstellung oder die Inbetriebnahme von Anlagen als funktional einem bestimmten Zweck dienende Einheiten oder Systeme von Komponenten, Maschinen, Bauteilen und Geräten. Anlagen werden nach den für sie geltenden technischen Vorschriften in Verkehr gebracht. Bauprodukte, die in solche Anlagen eingebaut werden,
werden nach ihrem Inverkehrbringen als Bauprodukt im Rahmen der Erstellung, der Inbetriebnahme oder dem Inverkehrbringen einer Anlage verwendet.

Absatz 4: Diese Bestimmung regelt das Verhältnis des Bauprodukterechts zum Produktesicherheitsrecht. Ausgehend von der Äquivalenzbeurteilung von schweizerischem und europäischem Recht beider Vertragsparteien des MRA ist die vorgeschlagene Kollisionsregel mit dem europäischen Recht vereinbar. Die derzeitige Richtlinie über die allgemeine Produktesicherheit62 wird von der EU-Kommission im Lichte der neuen Vorschläge für ein Produktsicherheits- und Marktüberwa-

60 61 62

SR 819.14 SR 734.0 Richtlinie 2001/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2001 über die allgemeine Produktsicherheit, ABl. der EU L 11 vom 15.1.2002, S. 4 ff, Produktsicherheitsrichtlinie.

7495

chungspaket63 ausgelegt, um den europäischen Binnenmarkt nicht zu gefährden.

Dies bedeutet, dass mit der vollen Anwendbarkeit der europäischen Bauprodukteverordnung seit dem 1. Juli 2013 die EU-Mitgliedstaaten auf der Ebene des Inverkehrbringens keine materiellen Produktanforderungen mit Blick auf die Produktesicherheit mehr setzen und deren Erfüllung oder Nichterfüllung auch nicht mehr über die Marktüberwachung kontrollieren dürfen. Damit nationale Produktanforderungen in diesem Bereich (wie auch in anderen Bereichen wie z.B. dem Emissionsrecht bei Schadstoffen) für das Inverkehrbringen berücksichtigt werden können, müssen sie entweder über delegierte Rechtsakte (Art. 3 Abs. 3 europäische Bauprodukteverordnung) oder über die Integration in die harmonisierten technischen Spezifikationen (Art. 27 der europäischen Bauprodukteverordnung) europaweit festgelegt und in der Schweiz übernommen werden. Andernfalls haben nationale festgelegte Schwellenwerte lediglich eine Bedeutung für die Frage, ob ein Bauprodukt in einem regulierenden Mitgliedstaat verwendet werden darf oder nicht. Da das MRA die Beteiligung der Schweiz am europäischen Binnenmarkt sicherstellen soll, muss auch diese europarechtliche Struktur übernommen werden.

Die Kollisionsregel von Absatz 4 soll daher sowohl die Berücksichtigung des allgemeinen Sicherheitsgebots nach Artikel 4 BauPG als auch die Beteiligung der Schweizer Bauprodukteherstellerinnen am europäischen Binnenmarkt über das MRA gewährleisten. Jeder nationale zusätzliche oder «Restnachweis» für Anforderungen an das Inverkehrbringen von Bauprodukten, der nicht im System der europäischen Bauprodukteverordnung vorgesehen ist, ist ein technisches Handelshemmnis, ebenso wie die materielle Anforderung selbst, solange sie nicht die Verwendung von Bauprodukten betrifft. Zusätzliche Nachweisverpflichtungen ausserhalb des Systems der europäischen Bauprodukteverordnung (wie z.B. nach Art. 5 Abs. 4 PrSG) oder Produktanforderungen auf der Ebene des Inverkehrbringens führen dazu, dass das Schweizer Recht bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Fortführung des Bauproduktekapitels durch die Vertragsparteien des MRA gegeben sind, von den Vertragsparteien als nicht äquivalent eingestuft wird, da das europäische Recht für Bauprodukte eine abstrakte Definition «grundlegender Sicherheits-
und Gesundheitsanforderungen»64 ebensowenig kennt wie eigenständige «Sicherheitsnormen»65» oder eigene Konformitätsbewertungsverfahren nach dem Recht der Produktesicherheit66. Wie im europäischen Recht soll der Grundsatz der Produkte-

63

64 65 66

Entwurf der EU-Kommission für ein neues Produktesicherheits- und Marktüberwachungspaket vom 13.02.2013: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG und der Richtlinie 2001/95/EG, KOM(2013) 78 final (Produktesicherheitsverordnung), sowie Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Marktüberwachung von Produkten und zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 1999/5/EG, 2000/9/EG, 2000/14/EG, 2001/95/EG, 2004/108/EG, 2006/42/EG, 2006/95/EG, 2007/23/EG, 2008/57/EG, 2009/48/EG, 2009/105/EG, 2009/142/EG, 2011/65/EU, der Verordnung (EU) Nr. 305/2011, der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 und der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2013) 75 final (Marktüberwachungsverordnung).

Art. 4 PrSG Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 PrSG Art. 7 PrSG

7496

sicherheit aus Artikel 3 PrSG im Sektorrecht operationalisiert werden67, denn die Bauproduktegesetzgebung verfolgt im Grundsatz dieselben Ziele wie das PrSG und deckt auch den Aspekt der Produktesicherheit ab.

Produkte, die zwar ein Bauprodukt sein können, die aber z.B. wegen einer bestimmten Funktion zudem in den Anwendungsbereich eines anderen Sektorerlasses fallen, sollen, wie auch im europäischen Recht und soweit der Anwendungsbereich dieser anderen Sektorerlasse betroffen ist, jedoch weiterhin den übrigen Bestimmungen des PrSG unterliegen (Bst. a). Ein Beispiel: Eine motorgetriebene Schiebetür soll, soweit sie als Bauprodukt nach dem BauPG in Verkehr gebracht wird, neben dem allgemeinen Sicherheitsgebot des PrSG, das in Artikel 4 BauPG spezialgesetzlich normiert wird, nicht von den übrigen Bestimmungen des PrSG erfasst sein. Soweit die Funktion dieser motorisierten Schiebetüre als in Verkehr zu bringende Maschine im Sinne der MaschV betroffen ist, soll das PrSG vollständig anwendbar bleiben.

Die übrigen Bestimmungen des PrSG sollen ausserdem für Bestandteile von Bauprodukten anwendbar bleiben (Bst. b), wenn folgender Sachverhalt gegeben ist: Enthält ein Bauprodukt Bestandteile, deren Konformität nach anderen bundesrechtlichen Vorschriften als dem BauPG nachzuweisen ist, und übernehmen diese Vorschriften wiederum andere europäische Harmonisierungsrechtsakte ins Schweizer Recht, so sollen auch die übrigen Bestimmungen des PrSG auf diese Bestandteile anwendbar bleiben. Für diese Bestandteile werden heute nach den anderen bundesrechtlichen Vorschriften im Sinne des PrSG die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen festgelegt und diese Bestandteile sollen auch weiterhin nach den für sie heute geltenden Methoden und Verfahren behandelt werden. Diese Bestimmung meint beispielsweise die Prüfung des Motors nach der MaschV, der für eine motorgetriebene Markise (Sonnenstore = Bauprodukt nach der harmonisierten Bauproduktenorm EN 13561) verwendet werden soll. Für diesen Motor als Bestandteil der motorbetriebenen Markise soll das PrSG weiterhin volle Anwendung finden, weil die schweizerische Maschinenverordnung die europäische Maschinenrichtlinie68 und deren Konformitätsverfahren sowie deren Definition der grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen im Sinne des PrSG ins
Schweizer Recht übernimmt.

Schliesslich soll der Bundesrat erforderlichenfalls noch in weiteren Fällen bestimmen können, dass neben dem Grundsatz der Produktesicherheit auch die übrigen Bestimmungen des PrSG anwendbar sein sollen, wenn dadurch die Anpassung an das Recht der Europäischen Union sichergestellt werden muss (Bst. c).

Art. 2

Begriffe

Artikel 2 übernimmt die Definitionen der europäischen Bauprodukteverordnung. Für die Übernahme des europäischen Rechts ist entscheidend, dass die zentralen Begriffe und Definitionen inhaltlich identisch sind. Anders ist eine einheitliche Regelung nicht zu erreichen.

67

68

Vgl. Art. 2 Abs. 4 des Vorschlages für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG und der Richtlinie 2001/95/EG, KOM(2013) 78 final (Produktesicherheitsverordnung).

Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG (Neufassung), ABl. der EU L 157 vom 9.6.2006, S. 24.

7497

Ziffer 1: Was die verlangte Dauerhaftigkeit des Einbaus betrifft, so hat diese einen zeitlichen und einen physischen Aspekt. Allerdings ist beides nicht immer ausschlaggebend, um die Frage beantworten zu können, ob ein Bauprodukt dauerhaft eingebaut wird oder nicht. So muss ein Bauprodukt nicht in jedem Fall mit dem Bauwerk fest verbunden sein (z.B. aufliegende Kamin- oder Bodenplatten). Ein Bauprodukt muss auch nicht zwingend über einen längeren Zeitraum oder sogar während der ganzen Lebensdauer des Bauwerks eingebaut sein, sondern die Dauerhaftigkeit hängt von der Funktion und der Lebensdauer des Produkts selber ab. So sind Verschleissteile genauso dauerhaft eingebaut wie z.B. Mauersteine. Kein dauerhafter Einbau liegt allerdings vor, wenn von Anfang an eine spätere Entfernung des Produktes vorgesehen ist (z.B. Baugerüst). Es ist vom zivilrechtlichen Begriff des «Bestandteils» auszugehen (Art. 642 Abs. 2 ZGB). Neben der zeitlichen und der physischen muss auch eine innere Verbindung zum Bauwerk bestehen, d.h. das Bauprodukt muss zum Bestand des Bauwerks gehören. Bestandteil ist, was mit einem anderen Teil zusammen eine Sache, ein körperliches Ganzes bildet. Ohne Bauprodukt ist das Bauwerk nicht fertig, nicht vollständig oder in seiner wirtschaftlichen Bestimmung nicht angepasst69.

Ziffer 3: Der Begriff der «Baute» wird in nahezu allen bau- und planungsrechtlichen Erlassen der Schweiz verwendet, daher verwendet auch das BauPG diesen Begriff.

«Bauwerk» ist in dem Sinne zu verstehen, dass der Begriff nicht nur Bauten des Hochbaus, sondern auch des Tiefbaus umfasst.

Ziffer 18: Ergänzt wurden im Verhältnis zur Übernahme der europäischen Bauprodukteverordnung drei Begleitumstände, die dem Bereitstellen auf dem Markt gleichgestellt werden sollen, um einen lückenlosen Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleisten zu können. Ergänzend kann hierzu auf die Ausführungen des Bundesrates in der Botschaft zu Artikel 2 PrSG70 verwiesen werden. Diese drei besonderen Begleitumstände können allerdings nur für Produkte gelten, die in der Schweiz hergestellt werden, da die europäische Bauprodukteverordnung diese Sachverhalte nicht dem Bereitstellen auf dem Markt gleichstellt. Müsste eine Herstellerin, die im Ausland produziert, diese Regelungen beachten, würde damit ein Handelshemmnis geschaffen.

2. Abschnitt: Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und das Bereitstellen von Bauprodukten auf dem Markt Art. 3

Grundanforderungen an Bauwerke und wesentliche Merkmale von Bauprodukten

Absätze 1 und 2: Die generell umschriebenen Grundanforderungen an Bauwerke sind mehrheitlich nichts Neues: Schon das geltende BauPG legt sechs «wesentliche Anforderungen an Bauwerke» fest, die fast wortgleich übernommen werden71.

Einzig der Begriff der «Nutzungssicherheit» wird neu gefasst unter «Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung», während die «sparsame und rationelle Energie69 70 71

Vgl. dazu Tuor/Schnyder: Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 10. Aufl., 1992, S. 614.

Botschaft vom 25. Juni 2008 zum Produktesicherheitsgesetz, Ziff. 2, Art. 2 Abs. 3 PrSG, BBl 2008 7407 ff.

Art. 3 Abs. 2 BauPG.

7498

verwendung» durch «Energieeinsparung und Wärmeschutz» ersetzt wird. Neu wird die Grundanforderung «nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen» aufgenommen.

Die wesentlichen Merkmale von Bauprodukten können nicht losgelöst von den Anforderungen, die durch Bauwerke zu erfüllen sind, definiert werden. Bauprodukte müssen so beschaffen sein, dass die Bauwerke diesen Grundanforderungen genügen können. Die Produktmerkmale müssen sich also an vorgegebenen Bauwerksanforderungen orientieren und diesen zweckgerichtet dienen.

Unter normaler Instandhaltung ist die Wartung bzw. der Unterhalt zu verstehen. Die Instandhaltung umfasst das Bewahren der Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerks durch einfache und regelmässige Arbeiten72. Bauprodukte müssen demzufolge zur Erfüllung der Grundanforderungen durch Bauwerke nur in dem Umfang beitragen, als letztere auch instandgehalten werden. «Normal» meint in diesem Zusammenhang «ordnungsgemäss», also eine Ausführung der Arbeiten mit gewisser Regelmässigkeit und durch geeignete Fachpersonen.

Absätze 3 und 4: Der Bundesrat soll in der Ausführungsverordnung konkretisieren, was unter den Grundanforderungen zu verstehen ist bzw. was die einzelnen Grundanforderungen bedeuten. Damit wird keine inhaltliche Festlegung vorgenommen; es wird damit nicht vorgeschrieben, welche der Grundanforderungen in der Schweiz in welcher Weise zu erfüllen sind.

Die Grundanforderungen an Bauwerke dienen einerseits als Grundlage für die Normenschaffenden, um wesentliche Merkmale von Bauprodukten zu identifizieren und in den technischen Spezifikationen festzulegen. Auf diese Weise soll die «gemeinsame Fachsprache» zur Beschreibung der Leistungsmerkmale der Produkte entwickelt werden.

Die Grundanforderungen dienen andererseits als Rahmen für den Erlass technischer Vorschriften, damit die wesentlichen Produktmerkmale von in der Schweiz hergestellten Bauprodukten dieselben sind wie die Produktmerkmale von nach den Bestimmungen der europäischen Bauprodukteverordnung hergestellten Produkten.

Es geht dabei nicht um eine Verschiebung kantonaler Kompetenzen zum Bund: Der Bundesrat soll beschreiben, was die einzelnen Grundanforderungen bedeuten. Die Kantone haben weiterhin die Kompetenz und die Aufgabe, hinsichtlich einzelner, mehrerer oder aller Bauwerksanforderungen gesetzliche Vorschriften zu erlassen,
mit welchen nicht nur die Ausprägung der entsprechenden Bauwerksanforderungen inhaltlich ausgefüllt, sondern vielmehr auch das einzuhaltende Sicherheitsniveau bezüglich der Bauwerksanforderung festgelegt wird. Keine der Bauwerksanforderungen muss von den Kantonen in gesetzlichen Regelungen zwingend festgelegt oder inhaltlich ausgefüllt werden. Die Konkretisierung der Grundanforderungen durch den Bundesrat soll aber für eine gewisse Einheitlichkeit sorgen in den Fällen, in denen ein Kanton eine technische Vorschrift erlässt in Bezug auf die Grundforderungen selber, auf wesentliche Merkmale von Bauprodukten oder auf die Verwendung, die Nutzung oder den Einbau von Bauprodukten. Damit soll erreicht werden, dass die Produktleistungen, die die Herstellerin in der Leistungserklärung deklariert, in der Schweiz und in Europa technisch vergleichbar sind, da nur auf diese Weise die Teilnahme am europäischen Markt gewährleistet werden kann.

72

Vgl. dazu Schweizerische Zentralstelle für Baurationalisierung crb (Hrsg.): Handbuch Instandhaltung und Instandsetzung von Bauwerken. Zürich 2012.

7499

Der Bund kann nur in wenigen Fällen ­ gestützt auf eine verfassungsrechtliche Kompetenznorm wie z.B. im Verkehrs-, Umwelt- und Energiebereich oder zum Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ­ gewisse materielle Vorschriften über Bauwerksanforderungen erlassen.

Absatz 5: Technische Vorschriften können zusätzliche wesentliche Produktmerkmale für ein Bauprodukt vorsehen, welche noch nicht mit den bestehenden harmonisierten technischen Spezifikationen bewertet werden können. Die national festgelegten Schwellenwerte oder wesentlichen Produktmerkmale müssen aber eingehalten werden. Damit es nicht zu Handelshemmnissen kommt, müssen alle Schwellenwerte, die in inländischen Erlassen festgelegt sind, nachgewiesen und in der Leistungserklärung der Herstellerin deklariert werden können. Erlasse auf Bundes- oder Kantonsebene können die Erfüllung bestimmter Schwellenwerte oder Leistungsklassen eines Bauprodukts verlangen. Die Verfahren zur Bewertung dieser Produktleistungen sollen in die entsprechenden harmonisierten Spezifikationen integriert werden (z.B. für einen bestimmten Schwellenwert). Zu diesem Zweck kann das BBL als zuständiges Fachamt nach Artikel 11 BauPG bei den Normenorganisationen und staatlichen Stellen den Prozess anstossen, neue Bewertungsverfahren zur Bestimmung von Schwellenwerten als Nachweismöglichkeit in die Norm zu integrieren Absatz 6: Die europäische Bauprodukteverordnung verlangt von den EU-Mitgliedstaaten, dass sie ihre technischen Vorschriften, Normen und andere nationale Regelungen an die harmonisierten technischen Spezifikationen anpassen73. Diese Bestimmung wird im vorliegenden Gesetzesentwurf entsprechend übernommen, weil andernfalls die Gefahr besteht, dass Verwendungsregelungen terminologische oder technisch-methodische Abweichungen von den harmonisierten Spezifikationen enthalten und dadurch neue Produktprüfungen, Zulassungen, Zertifizierungen oder ähnliche Handelshemmnisse zu erwarten sind. Im Übrigen gilt auch schon nach dem Grundsatz von Artikel 5a THG, dass technische Vorschriften über die Verwendung keine Anforderungen an Produkte enthalten dürfen, die im Widerspruch zu den Anforderungen an das Inverkehrbringen stehen. Das Inverkehrbringen von Bauprodukten geht von harmonisierten Methoden und Verfahren zur Bewertung von Bauprodukten aus, wobei diese Methoden und
Verfahren in den harmonisierten technischen Spezifikationen niedergelegt sind. Infolgedessen muss sich auch die Bestimmung der für die Verwendung notwendigen Produktmerkmale, Schwellenwerte oder Leistungsklassen im Rahmen dieser Methoden und Verfahren bewegen.

Begrifflichkeiten und Bewertungsverfahren, die in der Gesetzgebung des Bundes und der Kantone verwendet werden, dürfen nicht von den Begrifflichkeiten und Bewertungsverfahren und -methoden abweichen, die die harmonisierten technischen Spezifikationen vorsehen und die auch in der Schweiz gelten. So soll z.B. der Feuerwiderstandswert von Brandschutztüren in einem kantonalen Erlass nicht anders klassifiziert werden, als die harmonisierten technischen Spezifikationen dies vorsehen, oder ein Schadstoffwert, den ein Bauprodukt emittiert, soll nicht anders gemessen oder bewertet werden, als eine bestehende harmonisierte technische Spezifikation dies schon vorsieht.

73

Art. 8 Abs. 6 und Art. 17 Abs. 5 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

7500

Art. 4

Allgemeines Sicherheitsgebot

Absatz 1: Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass das allgemeine Sicherheitsgebot des Artikel 3 Absatz 1 PrSG auch für Bauprodukte gilt. Das bedeutet, dass Bauprodukte für die Verwenderinnen und Verwender sowie Dritte keine Risiken oder nur die der Verwendung entsprechenden minimalen Risiken beim Inverkehrbringen aufweisen dürfen. Wie im europäischen Recht soll künftig das allgemeine Sicherheitsgebot im Sektorrecht operationalisiert werden, denn die Bauproduktegesetzgebung verfolgt im Grundsatz dieselben Ziele wie das PrSG und deckt auch den Aspekt der Produktesicherheit ab.

Absätze 2 und 3: Bauprodukte müssen ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Verwenderinnen und Verwender und dritter Personen gewährleisten. Bauprodukte entsprechen dem allgemeinen Sicherheitsgebot des Absatzes 1, wenn die Herstellerin ihren Verpflichtungen aus den Bauprodukteerlassen vollständig und fehlerfrei nachkommt. Sie muss dazu die Risiken für die Verwenderinnen und Verwender oder Dritte vermeiden oder minimieren, die entweder durch dem Produkt innewohnende Aspekte oder durch äusserliche Faktoren entstehen. Dem Produkt innewohnende Aspekte sind beispielsweise die Konzeption, Konstruktion oder der von der Herstellerin beabsichtigte Verwendungszweck. Äussere Faktoren sind solche, die dafür sorgen, dass ein Produkt als sicher oder mit einem Risiko behaftet wahrgenommen wird. Hierfür sind regelmässig Sicherheitsinformationen oder Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen dem Produkt mitzugeben. Für die Beurteilung der Produktesicherheit sind ­ je nachdem, ob es sich um ein Bauprodukt des «harmonisierten Bereichs» handelt oder nicht ­ unterschiedliche Massstäbe anzuwenden: Für den «harmonisierten Bereich» (Abs. 2 Bst. a) sollen Bauprodukte dafür dem Massstab der für sie angewendeten harmonisierten Normen oder der ETB entsprechen. Dasselbe gilt für Rechtsakte der EU, die Schwellenwerte festlegen und nach den Bestimmungen des BauPG durch Bezeichnung im schweizerischen Recht anwendbar gemacht werden sollen. Dabei sind Bauprodukte des «harmonisierten Bereichs» als in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot des Absatzes 1 anzusehen, wenn die Herstellerin ihren Verpflichtungen aus den Bauprodukteerlassen nachkommt. Dies tut sie dann, wenn sie die dem Produkt innewohnenden und die äusseren Faktoren
bei der Erstellung ihrer Leistungserklärung und bei den dem Produkt mitzugebenden Sicherheitsinformationen berücksichtigt.

Soweit die harmonisierten Normen, ETB oder bezeichneten Rechtsakte hierfür Handlungsanleitungen geben, können sie (neben den regelmässig vorhandenen Methoden und Verfahren zur Bewertung der Produktleistungen) auch Aussagen enthalten zu: ­

den Schwellenwerten, die einzuhalten und in die Leistungserklärung aufzunehmen sind; und

­

den Sicherheitsinformationen und Gebrauchsanweisungen (z.B. Einbauverfahren auf der Baustelle oder Anleitungen zum bestimmungsgemässen Gebrauch bei Fenstern nach der EN 14351-1), die dem Produkt mitzugeben sind.

Für den «nicht-harmonisierten Bereich» (Abs. 2 Bst. b. und Abs. 3) sollen Bauprodukte so sicher sein, wie es von den Verwenderinnen und Verwendern vernünftigerweise erwartet werden kann. Dies kann die Herstellerin im Rahmen einer freiwilligen Herstellererklärung nachweisen. Als Massstab für die Beurteilung der 7501

Produktesicherheit eines Bauprodukts können zum Schutz der Verwenderinnen und Verwender in diesem Fall die Vorschriften der Verordnung vom 19. Dezember 198374 über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten (VUV)) entsprechend angewendet werden, falls keine gemäss Artikel 12 Absatz 2 BauPG bezeichnete international nicht harmonisierte oder nationale Norm als Massstab im Rahmen der Herstellererklärung herangezogen werden kann.

Art. 5

Leistungserklärung

Absatz 1: Zum Inverkehrbringen nach dem «leistungsorientierten Ansatz» gehört es, dass Bauprodukte nicht als solche normiert oder standardisiert werden, sondern die Methoden und Verfahren zur Bewertung und Prüfung der Leistung der Produkte.

Wenn das Produkt in den Anwendungsbereich einer harmonisierten Norm fällt, so sieht diese Norm die Prüfmethoden und Bewertungsverfahren vor, die anzuwenden sind. Das gleiche gilt für eine von einer Herstellerin beantragte ETB. Wenn nun ein Bauprodukt von einer bezeichneten harmonisierten Norm erfasst ist oder wenn für ein Bauprodukt eine ETB ausgestellt worden ist, kann es grundsätzlich nur in Verkehr gebracht werden, wenn die Herstellerin das Produkt einer Bewertung unterzogen und ­ auf der Grundlage dieser Bewertung ­ für das Produkt eine Leistungserklärung erstellt hat.

Absatz 2: Während im Grundsatz gilt, dass die Herstellerin eine Leistungserklärung zu erstellen hat, regelt Absatz 2 die Ausnahmen von diesem Grundsatz. Existieren keine bundesrechtlichen oder kantonalen Produktanforderungen, welche die Deklaration einer Produktleistung im Hinblick auf die Verwendung erfordern, kann die Herstellerin ausnahmsweise auf die Erstellung einer Leistungserklärung verzichten, obwohl ein Produkt von einer bezeichneten technischen Norm erfasst wird und deshalb aufgrund von Absatz 1 eigentlich eine Leistungserklärung erstellt werden müsste. Vorgesehen sind abschliessend drei Fälle (Bst. a, b, c), in welchen eine Ausnahme von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung in Anspruch genommen werden kann. Dabei sollen die Ausnahmeregelungen in Buchstaben a und b in erster Linie kleinen Handwerksbetrieben dienen, die keine Leistungserklärung erstellen wollen.

Buchstabe a: Ein Bauprodukt wird individuell oder als Sonderanfertigung, jedenfalls aber nicht in Serie gefertigt, sondern auf einen besonderen Auftrag hin, um es in einem bestimmten einzelnen Bauwerk einzubauen. Der Einbau erfolgt durch die Herstellerin selbst, die auch für den sicheren Einbau in das Bauwerk nach den jeweils anwendbaren Vorschriften verantwortlich ist.

Buchstabe b: Eine zweite Ausnahmebestimmung verlangt als Voraussetzung, dass das Bauprodukt zum Zweck des Einbaus auf der Baustelle des betreffenden Bauwerks von den für die sichere Ausführung des Bauwerks verantwortlichen Personen gefertigt wird.
Buchstabe c: Gemeint sind Fälle im Zusammenhang mit dem Denkmal- oder Kulturgüterschutz. Es handelt sich um eine nicht abschliessende Aufzählung. Zum kulturellen Erbe kann beispielsweise auch die Eindeckung von Häusern im Kanton Wallis mit Granitschindeln gezählt werden, auch wenn die Häuser nicht unter Denkmalschutz stehen oder im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) aufgenommen sind. In diesen Fällen kann 74

SR 832.30

7502

sich eine Herstellerin jedoch für den Export ihrer Produkte in den EWR nicht auf diese nationalen Fälle des kulturellen Erbes in der Schweiz berufen.

Art. 6

Bewertung der Leistung

Absatz 1: Die Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit ist die Voraussetzung dafür, dass die Herstellerin eine Leistungserklärung nach Artikel 5 BauPG erstellen kann. Verfahren bzw. Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit sollen dazu dienen, genaue und zuverlässige Leistungserklärungen zu erhalten. Diese Verfahren bzw. Systeme entsprechen inhaltlich den Konformitätsbewertungsverfahren nach dem geltenden Bauproduktegesetz. Die bisherigen fünf Konformitätsbewertungssysteme sollen dabei im Wesentlichen als Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit fortgeschrieben und in der Ausführungsverordnung näher konkretisiert werden. In den harmonisierten technischen Spezifikationen wird wiedergegeben, welches System für das betreffende Produkt anzuwenden ist. Je nach zu prüfendem oder bewertendem Produktmerkmal können für ein Produkt auch unterschiedliche Leistungsbewertungssysteme anzuwenden sein.

Der Bundesrat wird in der Ausführungsverordnung fünf verschiedene Verfahrenstypen entsprechend Anhang V der europäischen Bauprodukteverordnung vorsehen.

Damit eine harmonisierte technische Spezifikation für bestimmte Produktmerkmale immer die gleichen Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit wiedergibt, werden diese Systeme regelmässig in delegierten Rechtsakten nach der europäischen Bauprodukteverordnung festgelegt. Dieser Prozess bestand schon für die Festlegung der Konformitätsbewertungssysteme durch Rechtsakte nach der bisherigen europäischen Bauprodukterichtlinie. Die Fundstellen dieser Rechtsakte wurden bisher zusammen mit der Bezeichnung der harmonisierten Normen nach dem geltenden BauPG im Bundesblatt publiziert. Der Bezeichnungsprozess soll nun fortgeführt werden, weil andernfalls die Gefahr eines technischen Handelshemmnisses besteht, wenn nicht die gleichen Konformitäts- oder Leistungsbewertungssysteme für die Erstellung einer europaweit geltenden Leistungserklärung verwendet werden. Der Bundesrat kann das BBL beauftragen, die entsprechenden delegierten Rechtsakte nach der europäischen Bauprodukteverordnung, welche die anzuwendenden Verfahren bzw. Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit festlegen, durch Bezeichnung in der Schweiz für anwendbar zu erklären (Art. 35 Abs. 3 Bst. a BauPG). Durch den
Bezeichnungsvorgang erhält der Bund die Möglichkeit, im Einzelfall darüber zu entscheiden, ob und welche Leistungsbewertungssysteme er übernehmen will. Die Fundstellen der bezeichneten internationalen Rechtsakte werden durch das BBL in der Amtlichen Sammlung publiziert (Art. 35 Abs. 4 BauPG).

Absatz 2: Die Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit enthalten Verfahrensschritte zur WPK, zu Produktprüfungen durch bezeichnete oder nach dem MRA anerkannte Stellen, zur Fremdüberwachung des Produktionsprozesses und zur Produktzertifizierung. Die Leistungsbewertungssysteme enthalten je nach Sicherheitsrelevanz eines Bauprodukts für die Grundanforderungen an Bauwerke unterschiedliche Stufen von zu erbringenden Prüf- und Bewertungsprozessen.

Diese Stufen reichen von der «einfachen Herstellererklärung» auf der Basis einer eigenen Typprüfung, Typberechnung, oder Produktbeschreibung und der Durchführung der WPK nach System 4 bis hin zur zusätzlichen Einbeziehung einer bezeichneten bzw. anerkannten Stelle für die Produktzertifizierung auf der Grundlage einer 7503

Typprüfung oder Typberechnung durch eine bezeichnete bzw. anerkannte Prüfstelle, die Erstinspektion des Werks und der WPK sowie deren laufende Überwachung sowie Stichprobenprüfungen von vor dem Inverkehrbringen entnommenen Proben durch weitere externe bezeichnete bzw. anerkannte Stellen nach System 1+. Je nach dem zu prüfenden Produktmerkmal und je nach dem System, das zur Anwendung gelangt, können eine oder mehrere bezeichnete oder anerkannte Stellen in den Prozess mit einzuschalten sein.

Absatz 3: In der ausführenden Verordnung können Vereinfachungen für die anzuwendenden Bewertungs- und Überprüfungsverfahren vorgesehen werden. Der Bundesrat sieht in diesen Fällen Verfahrenserleichterungen vor: Buchstabe a: Eine Herstellerin soll auf die Erstprüfung oder Erstberechnung durch eine externe bezeichnete oder nach dem MRA anerkannte Stelle verzichten können, wenn sie ­ unter Hinweis auf einen nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b BauPG bezeichneten Rechtsakt ­ angemessen dokumentieren kann, dass ein Bauprodukt ohne Prüfung oder ohne weitere Prüfung hinsichtlich eines oder mehrerer Produktmerkmale einer bestimmten Leistungsklasse entspricht. Die Typprüfung oder Typberechnung soll auch entfallen dürfen, wenn die Leistungserklärung auf der Basis von Prüfergebnissen erstellt werden kann, die bei einem anderen Bauprodukt gewonnen werden konnten.

Buchstabe b: Vereinfachte Verfahren sollen auch zulässig sein für Kleinstunternehmen, insbesondere, wenn diese ein Bauprodukt herstellen, das unter Leistungsbewertungssysteme fällt, die davon ausgehen, dass das Bauprodukt eine geringere Sicherheitsrelevanz für das Bauwerk besitzt (Systeme 3 und 4). Diese Vereinfachung kann aber nicht in Anspruch genommen werden, wenn die kleine Unternehmensgrösse durch Umgehungsgeschäfte erreicht wurde.

Buchstabe c: Vereinfachte Verfahren sollen auch vorgesehen werden in den Fällen, in welchen ein Bauprodukt nicht in Serie hergestellt wird.

Art. 7

Leistungsstufen oder -klassen und Schwellenwerte

Absatz 1: Der Bundesrat kann Leistungsklassen für Produktleistungen (Bst. a) oder die produktbezogene Einordnung in bestimmte Leistungsstufen oder -klassen (Bst. b) festlegen. In der Praxis wird er hier das BBL beauftragen, Rechtsakte der EU zu bezeichnen, die die entsprechenden Klassen festlegen, wodurch diese Klassen ins Schweizer Recht überführt werden. In gleicher Weise sollen internationale Rechtsakte bezeichnet werden können, die Bedingungen festlegen, unter denen ein Produkt ohne Prüfungen oder ohne weitere Prüfungen als einer bestimmten Leistungsstufe oder -klasse zugehörig gilt (Art. 35 Abs. 3 Bst. b BauPG). Dies senkt die Kosten für Prüfungen für die betroffenen Herstellerinnen erheblich, weil es die Produktdeklarationen vereinfacht.

Absatz 2: Wenn harmonisierte Spezifikationen Schwellenwerte oder Leistungsklassen vorsehen, sollen nationale Klassifizierungssysteme an die harmonisierten Spezifikationen angepasst werden. Ein Beispiel sind die Klassifizierungen des Brandschutzes nach den harmonisierten Normen und nach der Brandschutznorm der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF): Die VKF-Brandschutznorm wird derzeit revidiert, um die Klassifizierung an die europäischen harmonisierten Normen anzupassen. Hintergrund dieser Regelung bildet die Gefahr eines technischen Handelshemmnisses: Wenn ein europäisch klassifiziertes Produkt in der 7504

Schweiz nur deshalb noch einmal auf seine Verwendbarkeit hin geprüft werden müsste, weil das schweizerische Klassifizierungssystem vom europäischen System abweicht, so stellt dies ein technisches Handelshemmnis dar. Mit Absatz 2 wird nicht die Wahl einer bestimmten Leistungsklasse oder eines Schwellenwertes oder des Schutzniveau selbst vorgegeben oder eingeschränkt. Dies kann in der Schweiz weiterhin auf der Ebene der Verwendung geschehen, um das landestypische Schutzniveau abbilden zu können. Harmonisiert werden einzig die Begrifflichkeiten der «gemeinsamen Fachsprache».

Art. 8

Funktion und Inhalt der Leistungserklärung

Absatz 1: Der «leistungsorientierte Ansatz» der neuen Gesetzgebung sieht als Voraussetzung für das Inverkehrbringen nicht mehr vor, dass ein Bauprodukt mit einer harmonisierten Norm oder technischen Bewertung (bisher: technische Zulassung) konform sein muss. Entscheidend ist jedoch, dass die Angaben, die die Herstellerin zur Leistung eines Bauprodukts macht, zuverlässig und beständig sind. Folgerichtig muss die Herstellerin die Verantwortung nur für diejenigen Produktmerkmale übernehmen, für die sie eine Produktleistung deklariert hat. Die Produktleistungen eines Bauprodukts müssen auch wirklich dem entsprechen, was die Herstellerin über sie in der Leistungserklärung aussagt. Für die Angaben der Herstellerin in der Leistungserklärung gilt die gesetzliche Vermutung, dass sie genau und zuverlässig sind, sofern keine Hinweise auf das Gegenteil vorliegen.

Absatz 2: Die Leistungserklärung muss sich auf die wesentlichen Merkmale beziehen, die in den anwendbaren bezeichneten harmonisierten technischen Spezifikationen festgelegt worden sind. Der neue Ansatz, Produktmerkmale in einer Leistungserklärung zu deklarieren, um ein Bauprodukt in Verkehr bringen zu können, verlangt jedoch nicht mehr, dass alle Produktmerkmale deklariert werden müssen, die eine harmonisierte Norm vorsieht. Die europäische Bauprodukteverordnung verlangt für den europäischen Markt lediglich noch die Deklaration der Leistung von mindestens einem Produktmerkmal75. Gleichzeitig wird in den Ausführungsvorschriften vorzusehen sein, dass die Herstellerin diejenigen wesentlichen Merkmale in ihre Deklaration aufnimmt, die sich auf den Verwendungszweck beziehen, für den die gesetzlichen Bestimmungen des Ortes zu berücksichtigen sind, wo die Herstellerin das Bauprodukt auf dem Markt bereitzustellen beabsichtigt.

Absatz 3: Der Bundesrat kann in den Ausführungsvorschriften die Produktmerkmale festlegen, für die in jedem Fall eine Produktleistung zu deklarieren ist. Es wird sich dabei insbesondere um Informationen für den Verwender und die Verwenderin des Bauprodukts handeln, die in der Praxis als notwendig angesehen werden. Zur Festlegung der zu deklarierenden Produktmerkmale sollen insbesondere auch Rechtsakte der EU bezeichnet werden können (Art. 35 Abs. 3 Bst. c BauPG), die die mindestens zu deklarierenden wesentliche Produktmerkmale enthalten
(Satz 1). Werden in der Schweiz gemäss den Vorschriften des BauPG und seiner Ausführungsvorschriften Schwellenwerte für eine Produktleistung festgelegt, so sind diese mit Bezug auf die Verwendung, den Einbau, die Inbetriebnahme oder die Montage einzuhalten. Die Herstellerin muss dafür kein gesondertes Nachweisverfahren durchführen, insbesondere soll dadurch kein Zulassungsverfahren eingeführt werden: Die Herstellerin prüft, welche Produktleistungen das von ihr in Verkehr zu bringende Produkt in der 75

Art. 6 Abs. 3 Bst. c) Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

7505

Schweiz nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erbringen muss. Dafür kann sie auch die Produktinformationsstelle nach Artikel 19 BauPG konsultieren.

Die relevanten Produktleistungen nimmt sie dann in ihre Leistungserklärung auf und weist die entsprechenden Werte aus. Die Leistungserklärung dient dann als Nachweis für die Einhaltung der Schwellenwerte.

Der Bundesrat muss daneben die Möglichkeit erhalten, Schwellenwerte oder Leistungsklassen festzulegen, die in der Schweiz einzuhalten sind. Für Bauprodukte, die von einer harmonisierten Norm erfasst sind oder für die eine ETB ausgestellt wurde, wird der Bundesrat Rechtsakte der EU bezeichnen (Art. 35 Abs. 3 Bst. d BauPG), die solche Schwellenwerte oder Leistungsklassen festlegen, wenn dies für die Erfüllung des MRA notwendig ist (Satz 2). Dabei handelt es sich um Einschränkungen für das Inverkehrbringen und Bereitstellen von Bauprodukten auf dem Markt und nicht für deren Verwendung. Solche Regelungen belassen demnach dem Bund und den Kantonen das Recht, (auch strengere) Vorschriften zur Verwendung derselben Bauprodukte in Bauwerken zu erlassen. Vorbehalten bleiben Festlegungen von Schwellenwerten in anderen Bundeserlassen, die Inhaltsstoffe in Bauprodukten betreffen (vgl. die Ausführungen zu Art. 1 Abs. 3 BauPG).

Für die Festlegung von Schwellenwerten im Zusammenhang mit der Produktesicherheit ist schon nach dem heute geltenden Produktesicherheitsrecht der Bund zuständig. Im «harmonisierten Bereich» (Bauprodukt ist von einer hEN erfasst oder es wurde eine ETB für das Bauprodukt ausgestellt) beschränkt sich die Möglichkeit der Festlegung von Schwellenwerten auf die Ebene der Verwendung. Gesundheitsund Sicherheitsaspekte können vom Bundesrat unter der Bauproduktegesetzgebung festgelegt und dann von der Herstellerin über die Methoden und Verfahren der harmonisierten technischen Spezifikationen in der Leistungserklärung deklariert werden. Sollten die harmonisierten technischen Spezifikationen noch über keine Methoden oder Verfahren zur Bewertung dieser Sicherheits- und Gesundheitsaspekte verfügen, können diese Spezifikationen entsprechend Artikel 11 BauPG um Bewertungsverfahren für Schwellenwerte ergänzt werden, soweit dies im Hinblick auf das konkrete Produktmerkmal sinnvoll ist.

Absatz 4: Angaben über Produktleistungen müssen in der
Leistungserklärung enthalten sein. Sie dürfen nur dann ausserhalb der Leistungserklärung zur Verfügung gestellt werden, wenn diese Produktleistungen gleichzeitig auch in der Leistungserklärung enthalten sind. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass deklarierungspflichtige Produktleistungen aus der Leistungserklärung herausgenommen und unter Umgehung der harmonisierten technischen Spezifikationen mit Methoden und Verfahren bewertet werden, die nicht vergleichbar sind, was dazu führen würde, dass auch die Ergebnisse solcher Bewertungen nicht mehr vergleichbar wären.

Absatz 5: Nach der europäischen Bauprodukteverordnung hat die Herstellerin gleichzeitig mit der Leistungserklärung Informationen über den Gehalt an gefährlichen Stoffen in Bauprodukten zur Verfügung zu stellen, welche in der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH)76 verlangt werden. Der Gesetzesentwurf übernimmt 76

Art. 31 und 33 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/105/EWG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. der EU vom 30.12.2006, L 396, S. 1.

7506

diese Bestimmung, wobei sich die entsprechenden Regelungen im Chemikalienrecht des Bundes77 und allenfalls in weiteren Bundeserlassen finden.

Absatz 6: In der Ausführungsverordung wird der notwendige Inhalt der Leistungserklärung genauer zu regeln sein. Wichtig ist insbesondere auch die Frage, in welcher Form die Herstellerin die Leistungserklärung zur Verfügung stellen muss oder darf.

Vorgesehen ist, dass auch eine auf einer Website zur Verfügung gestellte Leistungserklärung zulässig sein soll.

Art. 9

Vermutungswirkung und Beweislastumkehr

Diese Regelung normiert eine Vermutungswirkung für die Produktesicherheit bei Bauprodukten. Wenn ein Bauprodukt im Hinblick auf seine Risiken den Vorschriften des BauPG einschliesslich seiner Ausführungsvorschriften entspricht, soll die Vermutung gelten, dass es als sicher im Sinne des allgemeinen Sicherheitsgebots (Art. 4 BauPG) gilt. Das bedeutet, dass dann. wenn die Herstellerin ihren Verpflichtungen aus den Bauprodukteerlassen vollständig und fehlerfrei nachkommt, vermutet wird, dass die Herstellerin ein Produkt auf den Markt bringt, das unter normalen und vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendungsbedingungen für die Sicherheit keine oder nur minimale Risiken birgt. Zu diesen Verpflichtungen der Herstellerin gehört ausdrücklich, dass dem Produkt neben der Leistungserklärung die erforderlichen Gebrauchs- und Bedienungsanleitungen sowie Sicherheitsinformationen beigefügt werden.

3. Abschnitt: Vorschriften für die Wirtschaftsakteurinnen Art. 10 Absatz 1: Die Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungs- und Lieferkette ­ also die Herstellerinnen, Bevollmächtigten, Importeurinnen und Händlerinnen ­ haben im Grundsatz bereits heute die gleichen Pflichten, wie sie der Gesetzesentwurf statuiert.

Sie müssen dafür sorgen, dass nur Produkte in Verkehr gebracht oder bereitgestellt werden, die die Anforderungen nach den geltenden Bauprodukteerlassen einhalten.

Heute dürfen nur Produkte in Verkehr gebracht werden, die brauchbar sind. Ausserdem müssen Bauprodukte die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen nach anderen Bundeserlassen erfüllen, ebenso wie Verwendungsregelungen im Hinblick auf die Grundanforderungen an Bauwerke. Die Herstellerin hat schon heute die folgenden Pflichten:

77

­

Erstellung einer Herstellererklärung und Bereitstellung der notwendigen Konformitätsdokumente;

­

Wahrung einer 10-jährigen Aufbewahrungsfrist für die technischen Unterlagen und Konformitätsdokumente;

­

Durchführung werkseigener Produktionskontrollen, um die Produkteigenschaften im Rahmen der Serienfertigung zu gewährleisten;

Verordnung vom 18. Mai 2005 über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikalienverordnung, ChemV), SR 813.11.

7507

­

Beschreibung und Kennzeichnung des Bauprodukts, um es identifizierbar und rückverfolgbar zu machen;

­

Angabe der Sicherheitsinformationen zu einem Bauprodukt;

­

Mitwirkungs-, Gefahrabwendungs- und Auskunftspflichten im Rahmen der Marktüberwachung bis hin zu Verkaufsstopps, Rückrufen oder Rücknahme von unsicheren Produkten.

Der Gesetzesentwurf will keine grundlegenden Änderungen einführen, doch sollen die Pflichten der Herstellerin mit dem Pflichtenheft in Artikel 10 übersichtlich festgeschrieben werden und damit zur Rechtssicherheit beitragen. Das Gleiche gilt sinngemäss auch für die Pflichten der Bevollmächtigten, Importeurinnen und Händlerinnen. Auch diese sind als der Herstellerin nachfolgende Glieder in der Lieferund Vertriebskette schon heute dafür verantwortlich, dass die Informationen zu den Produktleistungen vollständig, zuverlässig und unverändert die Verwenderin oder den Verwender des Bauproduktes erreichen. Der Gesetzesentwurf geht von einem Bereitstellen von Produkten auf dem Markt als weiterem Schritt in der Liefer- und Vertriebskette nach dem erstmaligen Inverkehrbringen aus. Die Importeurin oder die Händlerin können deshalb nicht die gleichen Pflichten treffen wie die Herstellerin.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, auch die Pflichtenhefte dieser Wirtschaftsakteurinnen gesetzlich festzulegen. Dadurch wird auch die Situation des mehrmaligen Inverkehrbringens mit Blick auf die sektorspezifischen Eigenheiten angepasst: Es genügt nicht, dass eine Importeurin oder eine Händlerin auf die bei der Herstellerin erhältliche Information verweist, wie dies Artikel 17 Absatz 2 THG vorsieht. Es geht nicht darum, dass das Produkt geprüft wurde und deshalb mit einer bestimmten technischen Vorschrift oder Norm konform ist, sondern darum, welche Produktleistungen das Produkt erfüllt. Diese Information muss für den Verwender und die Verwenderin vollständig, zuverlässig und unverändert vorhanden sein, damit diese von einer sicheren und zweckentsprechenden Verwendungsmöglichkeit des Produkts ausgehen können und damit nachfolgende Sicherheitsrisiken bei Bauwerken ausgeschlossen werden können.

Erlasse des Bundes und der Kantone können die Grundanforderungen an Bauwerke konkretisieren und dafür bestimmte Schwellenwerte für die Verwendung von Bauprodukten vorsehen. Um diese gesetzlichen Anforderungen erfüllen zu können, muss die Verwenderin eines Bauprodukts über möglichst alle Informationen zu den Produktleistungen verfügen. Ist die Verwenderin die Planerin eines Bauwerks, muss sie ausserdem die richtigen Produktleistungen für den konkreten Verwendungszweck in einem bestimmten Bauwerk festlegen können. Ob ein Bauprodukt die
erforderlichen Produktleistungen aufweist, erfahren die Verwenderin und der Verwender aus der Leistungserklärung. Die Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungsund Lieferkette müssen diese Produktinformationen dem Produkt wie eine «Gebrauchsanweisung» ­ allenfalls in elektronischer Form ­ beifügen, damit die Verwenderin und der Verwender entscheiden können, ob das Produkt das richtige ist für den vorgesehenen Verwendungszweck und ob das Produkt ausserdem die allfällig vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen zu Schwellenwerten einhält.

Absatz 2: In den Fällen, in welchen eine Importeurin oder Händlerin quasi als Herstellerin auftritt, muss sie sich als solche behandeln lassen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn eine Importeurin oder Händlerin das Produkt unter ihrem Namen vermarktet oder das Produkt verändert, was dazu führt, dass die ursprüng-

7508

liche Leistungserklärung der Herstellerin nicht mehr mit den tatsächlichen Produktleistungen übereinstimmt.

Absatz 3: Die Wirtschaftsakteurinnen müssen gegenüber der Marktüberwachungsbehörde während einer vom Bundesrat festzulegenden Frist lückenlos die Lieferund Vertriebskette darlegen können, um die Rückverfolgbarkeit und Zuordnung eines Bauprodukts zur Leistungserklärung sicherstellen zu können.

4. Abschnitt: Technische Spezifikationen Art. 11

Übernahme von Bewertungsverfahren

Absatz 1: Technische Vorschriften auf Bundes- oder Kantonsebene können mit Bezug auf die Verwendung von Bauprodukten die Erfüllung bestimmter Schwellenwerte oder Leistungsklassen verlangen. Die Verfahren zur Bestimmung dieser Produktleistungen sollen in die entsprechenden harmonisierten Spezifikationen integriert werden. Das BBL soll dabei die entsprechenden, der Normenausarbeitung vorausgehenden Prozesse initiieren sowie im Normenausarbeitungsprozess die Stellen der öffentlichen Hand und weitere in der Normenausarbeitung involvierte Kreise dazu anhalten, nicht vorhandene Bewertungsverfahren zur Bestimmung von Produktleistungen in die harmonisierten technischen Spezifikationen zu integrieren.

Informationen zur Anpassung von Bewertungsverfahren der harmonisierten Spezifikationen gemäss schweizerischen Erfordernissen werden ­ unterstützt durch die involvierten Kreise ­ durch das BBL bereitgestellt und in geeigneter Form den anfragenden internationalen Stellen (u.a. CEN, CENELEC, ETSI, EOTA, EUKommission, EFTA) übermittelt. Die erforderlichen Angaben betreffen regelmässig die gesetzlich festgelegten Schwellenwerte in der Schweiz, für die es noch keine Bewertungsverfahren in den harmonisierten technischen Spezifikationen gibt.

Zudem wird im Rahmen der Aufdatierung des MRA-Bauproduktekapitels in Zusammenarbeit mit den involvierten Bundesstellen eine bilaterale Vereinbarung angestrebt, welche den Informationsaustausch zwischen der Schweiz und der EUKommission regelt. Im Einzelfall kann es auch darum gehen, die Erarbeitung einer neuen harmonisierten Norm anzustossen, wenn es für Produktleistungen in der Schweiz gesetzlichen Regelungen gibt, das entsprechende Produkt aber noch von keiner harmonisierten Norm erfasst wird.

Absatz 2: Um die harmonisierten technischen Spezifikationen möglichst ohne Zeitverlust um die schweizerischen Erfordernisse ergänzen zu können, sollen dem BBL technische Vorschriften nach Absatz 1 möglichst vor deren Inkrafttreten gemeldet werden.

Art. 12

Bezeichnung technischer Normen

Absatz 1: Das BBL bezeichnet nach Konsultation der mitbetroffenen Bundesämter und der Eidgenössischen Kommission für Bauprodukte (Art. 30 BauPG) harmonisierte technische Normen. Zum Begriff der harmonisierten Normen vgl. Artikel 2 Ziffer 12 BauPG. Mit der Bezeichnung und der Publikation von Titel und Fundstelle oder Bezugsquelle im Bundesblatt erhält eine harmonisierte Norm ihre Bedeutung gemäss Artikel 5 und 8 BauPG. Spätestens mit der Bezeichnung der Norm wird sie in den Schweizer Normenkatalog aufgenommen. Die Aufnahme in den Schweizer Normenkatalog impliziert, dass es keine nationale technische Norm mit gleichem 7509

Regelungsbereich mehr gibt; solche Normen sind überdies von den Normungsorganisationen auf das Ende der Koexistenzperiode hin zurückzuziehen78. Bei der Koexistenzperiode handelt es sich um einen Übergangszeitraum, der in der harmonisierten Norm festgelegt ist und während welchem eine Herstellerin die Wahl hat, die nationale technische Norm oder die bezeichnete harmonisierte Norm anzuwenden.

Absatz 2: Aufgrund der Mitgliedschaft der SNV Schweizerischen Normen-Vereinigung bei den europäischen Normierungsorganisationen besteht schon heute die Verpflichtung, harmonisierte europäische Bauproduktenormen in das schweizerische Normenwerk zu übernehmen. Das bedeutet, dass die nationalen Normungsgremien verpflichtet sind, keine nationalen Normen im Regelungsbereich einer harmonisierten Norm mehr zu erarbeiten sowie allenfalls bestehende nationale Normen im gleichen Regelungsbereich zurückzuziehen. Folglich kann das BBL auch europäische Produktenormen bezeichnen, die (noch) nicht harmonisiert sind, die aber Bewertungsverfahren zum Nachweis der Sicherheit nach Artikel 4 Absatz 3 BauPG enthalten, wie z.B. die Betonnorm EN 206-1.

Art. 13

Technische Bewertung auf der Grundlage eines Europäischen Bewertungsdokuments

Eine ETB79 wird von einer Technischen Bewertungsstelle (TBS) auf der Grundlage eines EBD auf Antrag einer Herstellerin ausgestellt. Die ETB enthält die Produktleistung nach Stufen oder Klassen oder in einer Beschreibung in Bezug auf die wesentlichen Produktmerkmale. Daneben enthält sie die notwendigen technischen Angaben für die Anwendung des im EBD festgelegten Systems zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit. Auf der Grundlage einer ETB kann eine Schweizer Herstellerin ihre Leistungserklärung erstellen, sodass auch bei fehlender Normenharmonisierung ein Produkt nach den Regelungen des MRA-Bauproduktekapitels im EWR in Verkehr gebracht werden darf. Soweit erforderlich sollen in einer ETB beschriebene Produktmerkmale auch Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für einen Nachweis der Produktesicherheit enthalten.

Ein EBD entspricht in der Funktion einer Zusammenführung der Europäischen Zulassungsleitlinien (ETAGs) mit dem Abstimmungsverfahren ohne ETAGs (CUAPs80), die unter der europäischen Bauprodukterichtlinie als «Rahmennormierung» für die Ausstellung von Europäischen Technischen Zulassungen81 gedient haben. In einem EBD wird für die TBS der Rahmen ­ namentlich zu den Produktmerkmalen eines innovativen Produkts, also eines noch nicht oder nur teilweise genormten Produkts ­ vorgegeben, wie für dieses Produkt eine ETB auszustellen ist. Nur wenn die schweizerischen TBS über die gleichen Rahmenregelungen für die Ausstellung einer ETB verfügen wie diejenigen in den EU-Mitgliedstaaten, können die von ihnen ausgestellten ETBs auch im Rahmen des MRA anerkannt werden. Auf diese 78 79 80

81

Vgl. Art. 17 Abs. 5 der europäischen Bauprodukteverordnung.

Engl.: European Technical Assessment, ETA, entspricht der früheren ETA-Zulassung.

Common Understanding of Assessment Procedure: Das war ein Verfahren, um auf dem Abstimmungsweg unter den Mitgliedsorganisationen der EOTA (zusammen mit der Europäischen Kommission) und ohne dass eine ETAG vorliegt, zu billigen, dass eines der EOTA-Mitglieder eine Europäische Technische Zulassung erteilt. EOTA stand unter der bisherigen europäischen Bauprodukterichtlinie für: European Organisation for Technical Approvals. Unter der europäischen Bauprodukteverordnung steht EOTA für: European Organisation for Technical Assessments.

Engl.: European Technical Approvals, ETAs.

7510

Weise können auch europäische Herstellerinnen bei schweizerischen TBS eine ETB beantragen und ausstellen lassen, und die schweizerischen TBS können weiterhin an der Nachfolgeorganisation der EOTA teilnehmen. Die privatrechtlich organisierte EOTA war unter der bisherigen europäischen Bauprodukterichtlinie das Pendant zu CEN im Zulassungsbereich.

Gemäss der europäischen Bauprodukteverordnung ist ein EBD von der Nachfolgeorganisation der EOTA, der Organisation Technischer Bewertungsstellen (OTB)82, zu erarbeiten, wenn eine Herstellerin eine ETB beantragt83. Schweizer Herstellerinnen sollen die gleichen Vorteile erhalten, unabhängig davon, ob sie die ETB im EWR oder der Schweiz beantragen. Ein EBD kann erarbeitet werden, wenn ein Bauprodukt nicht oder nicht vollständig von einer harmonisierten Norm erfasst wird, wenn also die Leistung des Produkts nicht oder nicht vollständig anhand einer harmonisierten Norm bewertet werden kann, weil beispielsweise ­

das Produkt nicht in den Anwendungsbereich einer bestehenden harmonisierten Norm fällt;

­

das in der Norm vorgesehene Bewertungsverfahren für mindestens ein wesentliches Produktmerkmal nicht geeignet ist; oder

­

die harmonisierte Norm für mindestens ein wesentliches Produktmerkmal kein Bewertungsverfahren vorsieht84.

Ein EBD enthält deshalb zumindest eine allgemeine Beschreibung des Bauprodukts, eine Auflistung der wesentlichen Produktmerkmale, die für den von der Herstellerin vorgesehenen Verwendungszweck relevant sind, sowie die Verfahren zur Bewertung der Produktleistung.

Absatz 4: Diese Bestimmung dient dazu, die notwendigen Ausführungsvorschriften, insbesondere im Hinblick auf das Format einer ETB, zu erlassen (Bst. b). Der Bundesrat regelt auch das Verfahren zur Erstellung einer ETB auf der Grundlage eines EBD (Bst. c). Er kann stattdessen auch das BBL beauftragen, in beiden Fällen Rechtsakte der EU zu bezeichnen, namentlich solche, die das Format der ETB vereinheitlichen sollen (Art. 35 Abs. 3 Bst. g BauPG) oder die das in Ausführung von Artikel 13 zu konkretisierende Verfahren zur Erstellung einer ETB auf der Grundlage eines EBD anpassen können (Art. 35 Abs. 3 Bst. h BauPG).

Art. 14

Bezeichnung Europäischer Bewertungsdokumente

Absatz 1: Das BBL bezeichnet Titel und Fundstelle oder Bezugsquelle der EBD als harmonisierte technische Spezifikationen. Diese Bezeichnung ist das notwendige Pendant zur Bezeichnung von harmonisierten Normen nach Artikel 12 BauPG; sie bildet die Voraussetzung für die Verpflichtung zur Erstellung einer Leistungserklärung nach Artikel 5 Absatz 1 BauPG.

Absatz 4: Eine ETB kann bis zum Beginn der Koexistenzperiode einer harmonisierten Norm ausgestellt werden. Mit dem Beginn der Koexistenzoperiode kann eine harmonisierte Norm erstmals verwendet werden, um eine Leistungserklärung zu erstellen. (Zur Koexistenzperiode vgl. die Ausführungen zu Art. 12 Abs. 1 BauPG).

82 83 84

Standardisierungsorganisation für Europäische Technische Bewertungen als Pendant zur Normierungsorganisation des CEN.

Artikel 19­25 sowie Anhang II Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

Artikel 19 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

7511

5. Abschnitt: Bezeichnete Stellen, Technische Bewertungsstellen und Produktinformationsstelle Art. 15

Bezeichnete Stellen

Absatz 1: Es soll drei Typen von Stellen geben, die im Rahmen der Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit in den Prozess für die Erstellung einer Leistungserklärung einbezogen werden können. Je nach System sind dies: ­

Eine Produktzertifizierungsstelle, wenn das System zur Leistungsbewertung eine Produktzertifizierung vorsieht.

­

Eine Zertifizierungsstelle für die WPK, wenn das System zur Leistungsbewertung vorsieht, dass eine Erstinspektion des Werks und der WPK sowie eine laufende Überwachung, Bewertung und Evaluierung der WPK durch eine externe Stelle durchzuführen ist.

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Ein bezeichnetes Prüflabor, das die Produktmerkmale oder Produktleistungen messen, untersuchen, prüfen, kalibrieren oder auf andere Weise bestimmen soll.

Das Verfahren zur Bezeichnung der Stelle nach schweizerischem Recht richtet sich nach der Akkreditierungs- und Bezeichnungsverordnung (AkkBV)85, die sinngemäss anzuwenden ist. Dies betrifft die Regelungen der AkkBV hinsichtlich der Nachkontrolle, der Suspendierung, des Widerrufs oder freiwilligen Rückzugs für schweizerische bezeichnete Stellen. Das Bezeichnungsverfahren beinhaltet als Ergänzung zum Nachweis der fachlichen Kompetenz und Leistungsfähigkeit auf der Grundlage der Akkreditierung namentlich die Kontrolle, ob die zu bezeichnende Stelle eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und haftpflichtversichert ist. Aufgrund der Bezeichnungsverfügung (positiver Abschluss des Bezeichnungsverfahrens) kann dann die Stelle den Vertragspartnern des MRA notifiziert werden.

Das Verfahren der Notifizierung (einschliesslich der Anerkennung, Rücknahme oder Aussetzung der Anerkennung der Benennung bzw. Notifizierung, der Änderung des Tätigkeitsbereichs der bezeichneten und notifizierten Stelle oder des Informationsaustauschs) richtet sich nach den Bestimmungen des MRA.

Absatz 2: Die (nationale) Bezeichnung einer Stelle durch das BBL bildet die Voraussetzung für eine (europäische) Notifizierung nach dem MRA. Um bezeichnet werden zu können, muss die Stelle nachweisen, dass sie nach der AkkBV akkreditiert wurde. Mit der Akkreditierung soll sichergestellt werden, dass die bezeichnete Stelle vor allem über eine entsprechende fachliche Kompetenz und Leistungsfähigkeit verfügt.

Absatz 3: Bei den Anforderungen, die eine bezeichnete Stelle zu erfüllen hat, sind in erster Linie die fachlichen Kompetenz, die Unabhängigkeit, Vertraulichkeit, Objektivität und Unparteilichkeit (insbesondere gegenüber der Herstellerin, deren Produkte getestet werden sollen), zu nennen. Nur so kann die bezeichnete Stelle die 85

Verordnung vom 17. Juni 1996 über das schweizerische Akkreditierungssystem und die Bezeichnung von Prüf-, Konformitätsbewertungs-, Anmelde- und Zulassungsstellen (AkkBV) (SR 946.512).

7512

Aufgaben eines externen, neutralen Dritten in der Bewertung von Produktleistungen übernehmen.

Mit der Tätigkeit als notifizierte und bezeichnete Stelle übernimmt die Stelle auch bestimmte Verpflichtungen in Bezug auf ihre Tätigkeit. Sie muss vor allem als unabhängige Dritte im Rahmen der Leistungsbewertungsverfahren handeln. Daneben muss die Stelle unnötige Belastungen der Wirtschaftsakteurinnen, mit welchen sie zusammenarbeitet, vermeiden. Sollten im Verlaufe einer Bewertung oder Prüfung Produktmängel festgestellt werden, soll die Stelle die Herstellerin zu Korrekturmassnahmen auffordern können. Bei ausbleibenden Korrekturmassnahmen soll die Stelle die von ihr erstellte Leistungsbewertung (Prüfung, Zertifizierung, etc.)

aussetzen oder widerrufen können. Auch soll die Stelle Meldepflichten im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit gegenüber der Bezeichnungsbehörde nachkommen und bei Sicherheitsproblemen mit bewerteten Bauprodukten Informationen mit anderen bezeichneten Stellen austauschen können.

Die bezeichneten Stellen der Schweiz müssen an die notwendigen Informationen für ihre Tätigkeit gelangen können. Die Ausführungsverordnung hat deshalb Regeln vorzusehen, wie der Informationsaustausch durch eine zweckmässige Koordinierung und Kooperation unter den schweizerischen Stellen sichergestellt werden kann. Zu diesem Zweck soll die bereits bestehende Gruppe notifizierter Stellen (GNB) weitergeführt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die schweizerischen bezeichneten und notifizierten Stellen sich an der Arbeit der europäischen Gruppe notifizierter Stellen beteiligen, damit die Bestimmungen des MRA-Bauproduktekapitels auch im Hinblick auf die europaweite Tätigkeit der schweizerischen Stellen eingehalten werden können.

Art. 16

Bezeichnungsbehörde

Dieser Artikel soll grundsätzlich die Anforderungen an die schweizerische Bezeichnungsbehörde festlegen. Vorausgesetzt für die Tätigkeit der Behörde werden allerdings technische Vorschriften, die bereits in der AkkBV und dem MRA enthalten sind.

Absatz 1: Das BBL überwacht die Einhaltung der Voraussetzungen der Bezeichnung. Das bedeutet, dass die Voraussetzungen für die Bezeichnung der zu notifizierenden Stelle nicht nur im Zeitpunkt der Bezeichnungsverfügung durch das BBL und der Notifizierung im Notifizierungssystem nach dem MRA vorliegen müssen, sondern fortdauernd gegeben sein müssen. Das BBL ist verantwortlich dafür, dass in der Schweiz die notifizierten und bezeichneten Stellen ihre fachliche Kompetenz und Leistungsfähigkeit nachweisen, damit diese Stellen ihre Aufgaben als unabhängige Dritte zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit und zur Überprüfung der relevanten Sicherheitsanforderungen wahrnehmen dürfen. Im Falle, dass die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben sind, muss das BBL entsprechende Massnahmen ergreifen.

Absätze 2­4: Das BBL als Bezeichnungsbehörde muss selbst gewissen Anforderungen genügen und sich so organisieren, damit es insbesondere zu keinen Interessenkonflikten zwischen dem BBL und den durch es bezeichneten Stellen kommt. Auch soll sich das BBL nicht in den Wettbewerb mit den bezeichneten Stellen begeben.

7513

Art. 17

Bewertungsstellen für die Europäische Technische Bewertung

Absatz 1: TBS haben die Befugnis, ETBs auszustellen. Diese bilden die Grundlage für die Erstellung einer europaweit gültigen Leistungserklärung für Produkte, die nicht oder nur teilweise von harmonisierten Normen erfasst sind (vgl. Art. 13 BauPG). TBS sollen für bestimmte, festzulegende Produktebereiche benannt werden.

Absatz 2: Unter dem geltenden BauPG ist die Empa als amtliche Technische Zulassungsstelle benannt worden. Sie ist auch unter dem neuen, totalrevidierten BauPG als amtliche TBS vorgesehen, da die Schweizer Bauwirtschaft einen direkten Ansprechpartner und eine Dienstleistungsstelle in der Schweiz benötigt, um innovative Produkte europaweit vermarkten zu können. Darin liegen Wettbewerbsvorteile für die Schweizer Bauindustrie. Die Empa ist derzeit die einzige Stelle in der Schweiz, die umfassend «angewandte Forschung» mit der technischen Bewertung neuartiger und innovativer Produkte auch im Bausektor betreiben kann.

Absatz 3: Weitere TBS können durch das BBL benannt werden. Die innerstaatliche Benennung ist Voraussetzung für eine Notifizierung nach dem bilateralen Abkommen (MRA).

Absätze 4, 5 und 7: Basis der Benennung einer TBS soll die Akkreditierung nach der AkkBV und eine Mitgliedschaft der TBS in der privatrechtlich organisierten OTB sein. Mit der Akkreditierung soll sichergestellt werden, dass die TBS über eine entsprechende fachliche Kompetenz und Leistungsfähigkeit verfügt. Das Verfahren für die Benennung richtet sich sinngemäss nach den Bezeichnungsvorschriften der AkkBV. Eine Beteiligung der TBS an der OTB soll insbesondere sicherstellen, dass diese an der Erarbeitung von EBDs im Sinne von Artikel 13 BauPG mitwirken, um auf diese Weise die Standardisierungsinteressen der Schweizer Wirtschaft im nicht von harmonisierten Normen erfassten Bereich einzubringen.

Art. 18

Entschädigung für die Koordinierung Technischer Bewertungsstellen

Die TBS erhalten für ihre Mitgliedschaft und Tätigkeit in der OTB vom Bund eine Entschädigung (je nach Konkretisierung auf Verordnungsstufe eine Finanzhilfe oder Abgeltung gemäss Art. 3 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 199086 über Finanzhilfen und Abgeltungen; SuG). Da die europäische Bauprodukteverordnung die EU verpflichtet, für die Arbeit der OTB Entschädigungen zu gewähren87, soll den schweizerischen TBS ebenfalls eine finanzielle Entschädigung dafür gewährt werden, dass sie die schweizerischen Standardisierungsinteressen in der OTB wahren.

Es geht dabei insbesondere um «unmittelbare Kosten» der Mitgliedschaft in der OTB, also um Mitgliedschaftsbeiträge, Reisespesen und den Zeitaufwand für die Teilnahme an Sitzungen der OTB. Entschädigt werden sollen auch Kosten, die aus der Tätigkeit der TBS für die Erstellung und Annahme der EBDs herrühren, nicht jedoch die Kosten, die bei der TBS aufgrund der Erarbeitung und Ausstellung der ETB selbst entstehen. Solche Entschädigungen hat das BBL bereits unter dem geltenden Recht auf vertraglicher Basis über das laufende Budget ausgerichtet.

86 87

SR 616.1 Art. 32 bis 35 Verordnung (EU) Nr. 305/2011.

7514

Art. 19

Produktinformationsstelle für das Bauwesen

Absatz 1: Für Unternehmen, insbesondere für KMU, aber auch für andere Wirtschaftsteilnehmerinnen, ist es wichtig, dass sie sich ein zuverlässiges Bild von der Rechtslage machen können, wenn sie Bauprodukte in der Schweiz in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen wollen. Deshalb soll eine Produktinformationsstelle für das Bauwesen eingerichtet werden, die allen Wirtschaftsteilnehmerinnen den Zugang zu den benötigten Informationen für das Inverkehrbringen erleichtern soll. Zudem sollen Informationen über Verwendungsvorschriften bereitgestellt werden, die für den Einbau, die Montage oder die Installation eines bestimmten Bauproduktetyps in der Schweiz gelten. Zum Zweck des freien Warenverkehrs mit den wichtigsten Handelspartnern soll die Bereitstellung der Informationen zum Inverkehrbringen grundsätzlich kostenlos erfolgen. Damit die Kosten für die Bundesverwaltung begrenzt werden können, sollen die Synergieeffekte genutzt werden, die dadurch entstehen, dass die für die Marktüberwachung von Bauprodukten notwendigen personellen Ressourcen gleichzeitig auch im Rahmen der Produktinformationsstelle eingesetzt werden können.

Absatz 2: Da es sich bei der Bauproduktegesetzgebung um eine sehr technische und komplexe Materie handelt, wird das BBL als Vollzugsbehörde auf das Wissen der Fachverbände und der Bauwirtschaft angewiesen sein, um die Produktinformationsstelle effizient betreiben zu können. Zu denken ist zum Beispiel an Informationen über technische Vorschriften zu einem Bauproduktetyp. Der Gesetzesentwurf sieht daher die Möglichkeit vor, dass das BBL einzelne Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Zuverfügungstellung von Informationen privaten oder kantonalen Stellen übertragen kann. Dies geschieht mittels Vertrag, mit dem auch das Entgelt für die vereinbarte Leistung zu regeln ist.

Zum jetzigen Zeitpunkt wird jedoch davon ausgegangen, dass das BBL diese Tätigkeiten im Rahmen des zur Umsetzung dieses Gesetzes ausgewiesenen personellen Mehrbedarfs wahrnehmen können wird; diese Tätigkeiten werden somit nicht an Dritte übertragen werden. Daher wird voraussichtlich kein zusätzlicher finanzieller Mehraufwand resultieren, der nicht Dritten verrechnet werden kann.

6. Abschnitt: Marktüberwachung Art. 20

Kontrollbefugnisse der Marktüberwachungsorgane

Die Marktüberwachung ist untrennbar mit der Liberalisierung des Warenverkehrs in der EU auf der Grundlage des New Approach verbunden. Obwohl der New Approach als Rechtsetzungstechnik zur Verwirklichung des freien Verkehrs und der uneingeschränkten Verwendung von Bauprodukten nicht geeignet ist, folgt der Bauproduktesektor hinsichtlich der Marktüberwachungsbestimmungen dem Konzept des Neuen Rechtsrahmens (NLF)88.

Eine effektive Durchsetzung der staatlichen Kontrolle muss sichergestellt sein, damit die Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Produktdeklarationen für die zweckentsprechende Verwendung des Bauprodukts im Bauwerk sowie allenfalls die kon88

Vgl. die Begründung der EU-Kommission zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten vom 23. Mai 2008, KOM(2008) 311 endgültig, S. 2.

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kretisierte Sicherheit des Bauprodukts selbst für den Verwender und die Verwenderin gewährleistet werden kann. Die Marktüberwachung hat das Ziel, trotz (oder gerade wegen) des vereinfachten Marktzugangs für die Produkte den Schutz der Bevölkerung vor risikobehafteten Produkten zu gewährleisten. Daneben schützt die Marktüberwachung die Lauterkeit des freien Handels mit Produkten. Ein fairer Wettbewerb setzt zwingend voraus, dass «schwarze Schafe» nicht mit vorschriftswidrigen Produkten denjenigen unlautere Konkurrenz machen, die sich verantwortungsvoll verhalten und grosse Anstrengungen unternehmen, vorschriftsmässige Produkte auf den Markt zu bringen. Daher liegt eine funktionierende Marktüberwachung nicht nur im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch der Industrie und des Handels. Im Fall der Bauprodukte kommt hinzu, dass die effektiv kontrollierte Angabe von Produktleistungen in der Leistungserklärung vor allem aber den Eigentümerinnen und Eigentümern oder Nutzerinnen und Nutzern der Bauwerke dient: Sie müssen sich darauf verlassen können, dass Produktleistungen in der Leistungserklärung richtig deklariert sind. Produkte, die vorgeben, einen bestimmten Schwellenwert oder eine bestimmte Leistungsklasse zu erfüllen, diese dann aber nicht oder nur eingeschränkt erfüllen, stellen eine Gefahr für das Bauwerk dar, in das sie eingebaut werden.

Die Bestimmungen für die Marktüberwachung von Bauprodukten sind bisher auf zahlreiche nationale Erlasse verteilt: Neben der Bauproduktgesetzgebung sind, je nach betroffenem Produktmerkmal, noch spezialrechtliche Erlasse des Umwelt-, Chemikalien-, Lebensmittel- oder Energierechts anwendbar. Die neue Marktüberwachung soll effizienter, transparenter und effektiver werden. Die europäische Bauprodukteverordnung enthält einige spezielle Marktüberwachungsbestimmungen, verweist aber im Übrigen auf die Verordnung (EG) Nr. 765/2008. Die horizontale, für alle Produktebereiche geltende Verordnung (EG) Nr. 765/2008 regelt für den europäischen Binnenmarkt als Teil des NLF die gleichwertige und einheitliche Durchsetzung der Harmonisierungsvorschriften für Produktsektoren, soweit jene keine spezielleren Bestimmungen enthalten. Diese Regelungen zusammengenommen ergeben ein differenziertes neues Konzept an Marktüberwachungsvorschriften in der EU, dessen
Gleichwertigkeit das schweizerische Marktüberwachungskonzept für Bauprodukte erreichen muss, um die Äquivalenzanforderung des MRA zu erfüllen. Hinzu kommt, dass auf europäischer Ebene mit einem neuen Produktsicherheits- und Marktüberwachungspaket89 die Struktur der Marktüberwachung auf eine neue Basis gestellt werden wird: Die strukturellen Erfordernisse aus diesem Paket werden in den nachfolgenden Marktüberwachungsvorschriften ebenfalls berücksichtigt.

89

Entwurf der EU-Kommission für ein neues Produktesicherheits- und Marktüberwachungspaket vom 13.02.2013: Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Verbraucherprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 87/357/EWG und der Richtlinie 2001/95/EG, KOM(2013) 78 final (Produktesicherheitsverordnung), sowie Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Marktüberwachung von Produkten und zur Änderung der Richtlinien 89/686/EWG und 93/15/EWG des Rates sowie der Richtlinien 94/9/EG, 94/25/EG, 95/16/EG, 97/23/EG, 1999/5/EG, 2000/9/EG, 2000/14/EG, 2001/95/EG, 2004/108/EG, 2006/42/EG, 2006/95/EG, 2007/23/EG, 2008/57/EG, 2009/48/EG, 2009/105/EG, 2009/142/EG, 2011/65/EU, der Verordnung (EU) Nr. 305/2011, der Verordnung (EG) Nr. 764/2008 und der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2013) 75 final (Marktüberwachungsverordnung).

7516

Artikel 20 entspricht Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und integriert gleichzeitig die nationalen Vorschriften der Artikel 19 und 19a THG, Artikel 10 PrSG, Artikel 22 der Verordnung vom 19. Mai 201090 über die Produktesicherheit (PrSV) und Artikel 13 BauPV. Durch diesen Zusammenzug mehrerer Bestimmungen soll eine transparente Regelung geschaffen werden, wie die Produktekontrolle im Bauproduktesektor erfolgen soll.

Absatz 1: Die Marktüberwachungsorgane führen insbesondere stichprobenweise Kontrollen durch, um überprüfen zu können, ob die in Verkehr gebrachten und auf dem Markt bereitgestellten Bauprodukte hinsichtlich ihrer tatsächlichen Produktleistungen mit den von der Herstellerin deklarierten Produktleistungen und mit den übrigen für sie geltenden Vorschriften übereinstimmen. Um die Marktüberwachung effizient zu gestalten, sollen die Stichproben regelmässig auf der Grundlage konkreter Anlässe erfolgen, d.h. wenn der Marktüberwachungsbehörde tatsächliche oder vermeintliche Produktemängel oder andere Verletzungen der geltenden Vorschriften gemeldet werden.

Absatz 5 schreibt die Regelung des geltenden Artikel 13 BauPV fort, in welchen Phasen bzw. an welchen Orten die Kontrolle stattfinden kann. Der Begriff der Lagerung kann auch in Baumärkten und Messen (temporäre Lagerung) angewendet werden.

Absatz 6 erlaubt ausdrücklich die technische Überprüfung von Produkten, wenn Zweifel an deren Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften bestehen, und zwar selbst für den Fall, dass die eingereichten Unterlagen den geltenden Vorschriften entsprechen.

Art. 21

Formale Nichtkonformität

Absatz 1: Wenn das Marktüberwachungsorgan aufgrund von Kontrollmassnahmen eine formale Nichtkonformität feststellt, kann die Behörde unter Anwendung pflichtgemässen Ermessens von der Wirtschaftsakteurin verlangen, die formale Nichtkonformität zu korrigieren. Dies gilt unabhängig davon, ob eine spätere Risikobewertung feststellt, dass mit dem Bauprodukt tatsächlich ein Risiko verbunden ist.

Absatz 2: Eine formale Nichtkonformität des Produkts tritt insbesondere (nicht abschliessend) in folgenden Fällen auf:

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eine Leistungserklärung wurde nicht erstellt, obwohl kein Ausnahmetatbestand nach Artikel 5 Absatz 2 BauPG vorgelegen hat;

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die bestehende Leistungserklärung wurde nicht den rechtsetzenden Vorschriften entsprechend erstellt, was Form und Inhalt der Erklärung betrifft (weil z.B. ein nicht bezeichnetes oder nach dem MRA anerkanntes Prüflabor Produktprüfungen vorgenommen hat); oder

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andere erforderliche Unterlagen, Dokumente oder Kennzeichnungen sind entweder nicht vorhanden oder unvollständig oder stimmen mit der Leistungserklärung nicht überein (z.B. die CE-Kennzeichnung eines Bauprodukts stimmt nicht mit den in der Leistungserklärung deklarierten Produktangaben überein). Das gilt insbesondere auch für die (namentlich für die SR 930.111

7517

Produktesicherheit relevanten) Gebrauchsanweisungen und Sicherheitsinformationen, die die Herstellerin dem Bauprodukt mit auf den Weg geben muss.

Absatz 3: Im Falle, dass ein Marktüberwachungsorgan eine formale Nichtkonformität feststellt, ergibt sich aus dieser Feststellung eine bestimmte Vermutungswirkung: Es wird angenommen, dass es sich um ein mit einem Risiko verbundenes Produkt im Sinne von Artikel 22 Absatz 2 BauPG handelt.

Absatz 4: Diese Bestimmung erlaubt die zu ergreifenden Massnahmen des Marktüberwachungsorgans, einschliesslich der möglichen Ersatzvornahme.

Art. 22

Massnahmen zur Abwendung oder Minderung von Risiken

Dieser Artikel dient einer grundlegenden Normierung der Befugnisse der Marktüberwachungsorgane, wenn im Bauproduktesektor Korrekturmassnahmen erforderlich sind. Korrekturmassnahmen können erforderlich werden, wenn die Wirtschaftsakteurin, die für eine zu ergreifende Abhilfemassnahme verantwortlich ist, nicht oder nicht rechtzeitig geeignete Massnahmen ergreift, damit ein Bauprodukt Risiken, die im Verantwortungsbereich der Wirtschaftsakteurin liegen, nicht mehr aufweist.

Absatz 1: Diese Grundsatzbestimmung setzt voraus, dass das Marktüberwachungsorgan hinreichenden Grund zur Annahme hat, dass mit dem fraglichen Bauprodukt ein Risiko verbunden ist. Dabei ist es unerheblich, ob das Risiko bei einem Produkt auftritt, das in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt wird, oder ob das Produkt im Zuge der Erbringung einer Dienstleistung verwendet wird. Das bauproduktetypische Risiko besteht darin, dass die deklarierte und die tatsächliche Produktleistung voneinander abweichen. Dadurch kann es zu einer falschen, nicht zweckentsprechenden Verwendung solcher falsch deklarierter Produkte kommen. Zudem werden auch Risiken aus dem Bereich der Produktsicherheit durch Artikel 22 BauPG erfasst. Ausserdem wird unter dieser Bestimmung der Grundsatz normiert, dass allein die Tatsache, dass ein neues und in seinem Verwendungszweck vergleichbares Produkt auf dem Markt ist, mit welchem ein höherer Grad an Sicherheit erreicht werden könnte, nicht ausreicht, um anzunehmen, dass mit einem Bauprodukt ein Risiko verbunden ist.

Absatz 3: Ergibt die Untersuchung durch das Marktüberwachungsorgan, dass das Bauprodukt die Anforderungen nach dem BauPG nicht erfüllt, soll das Marktüberwachungsorgan die Wirtschaftsakteurin auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist alle geeigneten Massnahmen zu ergreifen, damit das Bauprodukt mit den Anforderungen nach dem BauPG wieder in Übereinstimmung gebracht oder aber vom Markt zurückgezogen oder zurückgerufen wird (Bst. a­c). Von besonderer Bedeutung ist die Korrektheit, Zuverlässigkeit und Stabilität der Leistungserklärung und der damit verbundenen Informationswege von der Herstellerin bis zur Verwenderin mit Bezug auf die Produktleistungen. Daraus ergibt sich, dass ein Hauptziel der Marktüberwachung die Wiederherstellung der Konformität des Produkts mit der deklarierten
Leistung ist. Neben diesen Massnahmen können unter Umständen auch durch Kompensationsmassnahmen am Bauwerk Risiken gemindert werden (Bst. d).

Ein Bauprodukt birgt wegen seiner Rolle als Zwischenprodukt das Risiko, dass es bei unterschiedlichen Verwendungszwecken unterschiedliche Risikoniveaus aufweisen kann. Eine schadstoffemittierende Holzverkleidung kann trotz Schadstoffemissionen im Aussenbereich noch zulässig, im Innenraum jedoch als gefährlich einzu7518

stufen sein. Würde eine solche Holzverkleidung, die zwar für den Aussenbereich vorgesehen ist, dennoch im Innenbereich verwendet werden, müsste sie bei einer späteren Feststellung des Schadstoffproblems wieder als mangelhaft aus dem Bauwerk entfernt werden, wenn keine Kompensationslösung zulässig wäre. Aus diesem Grund soll es der Herstellerin ermöglicht werden, Vorschläge für andere technische Kompensationsmassnahmen zu machen (wenn sie z.B. infolge einer fehlerhaften Deklaration für die Risikovermeidung oder -verminderung verantwortlich ist), welche die Marktüberwachungsorgane vor ihrer Entscheidung in Erwägung ziehen sollen.

Absatz 4: Es ist möglich, dass mit einem Bauprodukt auch dann ein Risiko für die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke verbunden ist, wenn die Untersuchung durch das Marktüberwachungsorgan ergeben hat, dass die Anforderungen nach dem BauPG eingehalten worden sind. Auch in diesen Fällen soll das Marktüberwachungsorgan Korrekturmassnahmen verlangen können.

Absatz 5: Nicht nur das einzelne Bauprodukt, bei welchem konkret festgestellt wird, dass mit diesem Produkt ein Risiko verbunden ist, sondern sämtliche Bauprodukte, auf die dasselbe zutrifft, müssen von den Korrekturmassnahmen erfasst werden, die die Wirtschafsakteurinnen entsprechend ihrer Funktion in der Herstellungs- und Lieferkette ergreifen müssen.

Absatz 6: Handelt die Wirtschaftsakteurin nicht innerhalb der Frist nach Absatz 3, soll das Marktüberwachungsorgan die geeigneten vorläufigen Massnahmen treffen können. Zunächst ist die Wirtschaftsakteurin entsprechend der durch den Bundesrat nach Artikel 10 BauPG zu konkretisierenden Verpflichtungen91 im Rahmen ihrer Eigenverantwortung selbst verpflichtet, rechtzeitig geeignete Massnahmen zu ergreifen, mit welchen Risiken abgewendet oder gemindert werden können, die mit Bauprodukten in Verbindung stehen. Sollten die Wirtschaftsakteurinnen keine Abhilfe für solche Risiken schaffen, müssen die Marktüberwachungsorgane Korrekturmassnahmen zur Abwendung oder Minderung der Risiken ergreifen können.

Absatz 7: Zur Bestimmung von Absatz 6 Buchstabe d gehört auch die Befugnis, Informationen über mit dem Bauprodukt verbundene Risiken auch z.B. über die Medien öffentlich zugänglich zu machen.

Art. 23

Massnahmen zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen

Diese Bestimmung entspricht einer Übernahme von Artikel 20 der Verordnung (EG) Nr. 765/2008, enthält eine spezialgesetzliche Ausprägung des Artikel 19 THG für den Bauproduktesektor und bezieht sich auf die überwiegenden öffentlichen Interessen des Artikels 4 Absatz 4 THG. Ausserdem wird für diese Bestimmung Artikel 10 PrSG für eine Anwendung auf den Bauproduktesektor berücksichtigt.

Absatz 1: Artikel 19 THG verfolgt das Ziel, den Marktüberwachungsorganen diejenigen Befugnisse zur Verfügung zu stellen, die zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen erforderlich sind. Einen Katalog der überwiegenden öffentlichen Interessen, zu deren Schutz die geeigneten Massnahmen getroffen werden können, enthält dabei Artikel 4 Absatz 4 THG. Diese Interessen sind der Schutz ­

91

der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit,

Vgl. auch unten Ziff. 3.2.2.

7519

­

des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen,

­

der natürlichen Umwelt,

­

der Sicherheit am Arbeitsplatz,

­

der Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Lauterkeit des Handelsverkehrs,

­

des nationalen Kulturguts, sowie

­

des Eigentums.

Artikel 4 Absatz 4 THG wird für den Bauproduktesektor um eine weiteres zentrales öffentliches Interesse ergänzt: Dieses betrifft die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke. Dies entspricht den europarechtlichen Vorgaben der europäischen Bauprodukteverordnung in deren Marktüberwachungsvorschriften92.

Artikel 23 Absatz 1 BauPG schafft Interventionsmöglichkeiten für die Marktüberwachungsorgane im Bauproduktebereich, wenn eines oder mehrere Interessen des Artikel 4 Absatz 4 THG betroffen sind. Für diesen Fall werden ­ nicht abschliessend ­ mehrere Interventionsmöglichkeiten aufgezählt, die weiterreichen als die Massnahmen, wie sie Artikel 22 BauPG normiert. So können die Marktüberwachungsorgane namentlich unter Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips im Sinne einer Ersatzvornahme: ­

das Bereitstellen des Produkts auf dem Markt verbieten (die Erstinverkehrbringung hat schon stattgefunden, wenn ein Risiko festgestellt wird);

­

eine Produktwarnung, eine Produkterücknahme oder einen Produkterückruf anordnen oder nötigenfalls selbst vollziehen; oder

­

den Export des Produkts (für das das Bereitstellen auf dem Markt bereits verboten ist) verbieten.

Absatz 2: Ist in den Fällen nach Absatz 1 mit dem Produkt ein ernstes Risiko verbunden, kann das Marktüberwachungsorgan, neben oder zusätzlich zu den Massnahmen nach Absatz 1, auch das Produkt einziehen, vernichten oder unbrauchbar machen. Voraussetzung ist, dass dieses ernste Risiko ein rasches Eingreifen nötig macht.

Absatz 3: Diese Bestimmung dient der Ermittlung der Situation, wann ein ernstes Risiko vorliegt. Die Vollzugsbehörden haben dabei die Kompetenz zu entscheiden, wann diese Situation gegeben ist. Dafür nehmen sie die Risikobewertung auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen vor. Diese Bewertung berücksichtigt einerseits die Art des Risikos und andererseits die Wahrscheinlichkeit seines Eintritts.

Absatz 4: Massnahmen nach den Absätzen 1 und 2 zum Schutz der Bevölkerung sollen als Allgemeinverfügung erlassen werden.

Art. 24

Weitere Kontroll- und Massnahmenbefugnisse

Dieser Artikel dient dazu, mögliche Anpassungserfordernisse, die sich aus einer neuen Marktüberwachungsverordnung der EU ergeben können, ins schweizerische 92

Art. 58 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 beispielsweise nennt ausdrücklich die Einhaltung der Grundanforderungen an Bauwerke neben «anderen im öffentlichen Interesse schützenswerten Aspekten».

7520

Recht übernehmen zu können. Dabei geht es einerseits um eine Anpassungsmöglichkeit für die Kontroll- und Massnahmenbefugnisse der Marktüberwachungsorgane, um die Erstellung von nationalen sektoriellen und die Beteiligung an internationalen sektoriellen Marktüberwachungsprogrammen sowie um die Anpassung der Beteiligungsmöglichkeiten an internationalen Informations- und Vollzugssystemen (Abs. 1). Andererseits ist es notwendig, dass Rechtsakte der EU, die im Bereich der Marktüberwachung Bedingungen für die Produktekontrolle oder die den Marktüberwachungsorganen zu übermittelnden Informationen festlegen, ins schweizerische Recht übernommen werden können, um den Mindestanforderungen der Marktüberwachung von Bauprodukten der EU zu entsprechen (Abs. 3).

Art. 25

Einbezug und Mitwirkungspflichten

Absatz 1: Die Marktüberwachungsorgane sind grundsätzlich zur Kooperation mit den Wirtschaftsakteurinnen verpflichtet. Das bedeutet, dass sie zunächst durch Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsakteurinnen versuchen müssen, nach Lösungsmöglichkeiten in Problemfällen und Risikosituationen zu suchen, wenn dieses Vorgehen aus Sicht der Marktüberwachungsorgane schneller, effektiver oder effizienter eine Zielerreichung verspricht. Wenn die Zusammenarbeit zu keiner Lösung führt oder wenn eine Kooperation nicht sinnvoll erscheint, können die erforderlichen Massnahmen auch verfügt werden.

Absatz 2: Die Wirtschaftsakteure sind zur Mitwirkung verpflichtet, um Risiken abwenden zu können. Diese Mitwirkungspflicht ist sehr weit gefasst, umfasst aber namentlich die Erteilung der erforderlichen Auskünfte und die Herausgabe der erforderlichen Nachweise und Unterlagen.

7. Abschnitt: Strafbestimmungen Die Strafbestimmungen sind den Artikeln 16­19 PrSG sowie den Artikeln 29 und 30 THG nachgebildet. Insbesondere von der Korrektheit und Zuverlässigkeit der Angaben in der Leistungserklärung hängt es ab, ob Bauprodukte ein Risiko für Menschen und andere öffentliche Schutzgüter darstellen oder nicht. Wenn Bauprodukte vermarktet werden, die den Vorschriften nicht genügen, wird ausserdem der Wettbewerb verzerrt. Wie schon nach geltendem Recht sollen Missbrauchsfälle daher unter Strafe gestellt werden.

Art. 26

Vergehen

Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Produkt in Verkehr bringt oder auf dem Markt bereitstellt, das nicht den Anforderungen nach dem BauPG entspricht und dadurch Menschen gefährdet, wird bestraft. Die Gefährdung wird regelmässig darin bestehen, dass mit dem Produkt ein Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit von Menschen verbunden ist. Ein solches Risiko stellt insbesondere dann eine Gefährdung dar, wenn ein Bauprodukt durch seine Verwendung oder bei seiner Verwendung die Gesundheit und Sicherheit von Menschen stärker negativ beeinflusst als vernünftig oder vertretbar gilt (Art. 22 Abs. 2 BauPG).

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Art. 27

Übertretungen

Auch einfache Verletzungen der Vorschriften des BauPG, ohne dass dabei Menschen gefährdet werden, werden unter Strafe gestellt. Diese Vorschrift dient in erster Linie der Lauterkeit des Wettbewerbs.

8. Abschnitt: Vollzug, Finanzierung und Rechtspflege Art. 29

Zuständige Behörde und Koordination

Absätze 1 und 2: Das Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL) ist für den Vollzug des BauPG und der Ausführungsvorschriften zum BauPG zuständig und vertritt die Bundesverwaltung in den entsprechenden europäischen und internationalen Fachgremien (wie z.B. dem Ständigen Ausschuss für das Bauwesen nach der europäischen Bauprodukteverordnung). Es kontrolliert die Einhaltung der Bestimmungen des BauPG und seiner Ausführungsvorschriften. Es ist insbesondere die Bezeichnungsbehörde für bezeichnete Stellen und TBS sowie Bezeichnungsbehörde für technische Normen, EBDs und Rechtsakte der EU, mit welchen beispielweise die Leistungsbewertungssysteme festgelegt werden.

Absatz 3: Das BBL ist das zentrale Marktüberwachungsorgan im Bauproduktebereich. Der Bundesrat kann Marktüberwachungsaufgaben Fachorganisationen oder Kantonen übertragen (Abs. 4). Das BBL übt aber die Aufsicht und Koordinierung aus und kann selbst Marktüberwachungsmassnahmen ergreifen, wo es keine beauftragten anderen Institutionen gibt, z.B. im Hinblick auf: ­

die Durchführung von Stichprobenprogrammen im nationalen und internationalen Kontext;

­

die Festlegung, welches Marktüberwachungsorgan welche Vollzugsaufgabe erfüllen soll;

­

die Koordination von Korrekturmassnahmen bei mit einem Risiko verbundenen Produkten. Wichtig ist, dass Doppelprüfungen vermieden und keine widersprüchlichen Verfügungen erlassen werden. Damit das BBL seiner Koordinierungsfunktion nachkommen kann, werden die Marktüberwachungsorgane, die aufgrund anderer Bundeserlasse handeln, verpflichtet, das BBL über ihre Vollzugsmassnahmen entsprechend zu informieren (Abs. 7).

Bei Aspekten, die die Produktesicherheit betreffen, koordiniert das BBL den Vollzug in Absprache mit der Melde- und Informationsstelle Produktesicherheit nach Artikel 4 Absatz 1 PrSV. Ebenso koordiniert das BBL nach Absatz 5 den Vollzug der Marktüberwachung von Bauprodukten im Hinblick auf eine Beteiligung des SECO an internationalen Informations- und Vollzugssystemen (Art. 3 Abs. 2 PrSV, insbesondere RAPEX93 und ICSMS94).

93 94

Rapid Exchange of Information System: Schnellwarnsystem für gefährliche Produkte ausgenommen Lebensmittel.

Internet-supported Information and Communication System for the pan-European Market Surveillance: europäisches Meldesystem für nicht konform oder gefährlich befundene Produkte aus dem Bereich der «Neuen Konzeption».

7522

Art. 30

Eidgenössische Kommission für Bauprodukte

Der Bundesrat hat bereits gestützt auf das geltende BauPG eine ausserparlamentarische Kommission für Bauprodukte (BauPK) bestellt. Die BauPK hat beratende Funktion bei der Weiterentwicklung der Gesetzgebung und dem Vollzug des Gesetzes und steht auch als Beratungsgremium für das BBL zur Verfügung. In der BauPK soll eine ausgewogene Auswahl der Interessenvertretungen aus der Bauwirtschaft (Produzenten, Planer, Bauhaupt- und Baunebengewerbe, Konsumentinnen und Konsumenten), der bezeichneten Stellen, der Normenschaffenden, der Bauherren, der Wissenschaft und der Verwaltung Einsitz nehmen.

Die Bauproduktegesetzgebung regelt eine ausserordentlich technische und vielschichtige Materie. Die Übernahme der europäischen Vorschriften in diesem Bereich wird noch über eine längere Zeit im Fluss sein. Ein direkter Einbezug der Schweizer Bauwirtschaft ist vor diesem Hintergrund für den Bund auch zukünftig von grosser Bedeutung.

Art. 31

Schweigepflicht

Die Vollzugsorgane erhalten bei ihrer Tätigkeit und insbesondere infolge der allgemeinen Mitwirkungspflicht Einsicht in Tatsachen, an deren Geheimhaltung die Herstellerin ein berechtigtes Interesse haben kann. Deshalb unterliegen die Vollzugsorgane grundsätzlich der Schweigepflicht. Im Rahmen der Marktüberwachung müssen die Vollzugsorgane jedoch untereinander Informationen austauschen können, weil andernfalls eine effektive und effiziente Marktüberwachung gar nicht möglich wäre. Geht es überdies um ein Bauprodukt, mit welchem ein Risiko verbunden ist, muss es den Vollzugsorganen möglich sein, die Öffentlichkeit zu informieren. Das Bundesgesetz vom 17. Juni 200495 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) ist jedoch anwendbar, was auch Vollzugsorgane nach dem BauPG ausserhalb der Bundesverwaltung einschliesst, sofern sie verfügungsbefugt sind. Artikel 31 BauPG ist weder spezialgesetzliche Geheimhaltungsnorm im Sinne von Artikel 4 Buchstabe a BGÖ noch eine spezialgesetzliche Zugangsregelung gemäss Artikel 4 Buchstabe b BGÖ. Allerdings können im Rahmen eines allfälligen Zugangsgesuchs die Ausnahmen gemäss Artikel 7­9 BGÖ geltend gemacht werden.

Als schutzwürdige Interessen kommen insbesondere Geschäfts- und Fabrikationsinteressen und der Persönlichkeitsschutz in Betracht.

Art. 32

Datenschutz und Amtshilfe

Die Marktüberwachungsorgane werden ermächtigt, besonders schützenswerte Personendaten bearbeiten zu können (Abs. 2), da dies unabdingbar für eine effiziente Marktaufsicht ist. Das Bundesgesetz vom 19. Juni 199296 über den Datenschutz verlangt dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Das BBL als zentrales Marktüberwachungsorgan (Art. 29 Abs. 3 BauPG) führt eine zentrale Vollzugsdatenbank und ist damit als Inhaber der Datensammlung nach den Buchstaben a­e bezeichnet. Der Bundesrat kann weitere Marktüberwachungsorgane bestimmen (Art. 29 Abs. 4 BauPG). Das BBL soll deren Tätigkeit kontrollieren und fehlerhafte Datenbearbeitungen korrigieren oder für deren Korrektur sorgen (Abs. 3). Damit wird sichergestellt, dass die Datenbearbeitung durch die durch den Bundesrat ein95 96

SR 152.3 SR 235.1

7523

gesetzten Marktüberwachungsorgane den gleichen Regeln folgen wie für die Datenbearbeitung durch das BBL selbst.

Für einen wirksamen Vollzug des BauPG ist es erforderlich, die elektronische Aufbewahrung von Daten, den Datenaustausch zwischen den Marktüberwachungsorganen sowie die Amtshilfe an das Ausland im Interesse der Sicherheit zum Schutz der Bevölkerung gesetzlich vorzusehen. Für die Amtshilfe gelten die Artikel 21 und 22 THG. Danach können die zuständigen Stellen des Bundes und der Kantone einander Auskünfte und Unterlagen übermitteln, soweit dies für den Vollzug von technischen Vorschriften notwendig ist. Die Voraussetzungen für die internationale Amtshilfe sind in Artikel 22 THG ausführlich geregelt.

Art. 33

Gebühren und Finanzierung des Vollzugs

Absatz 1: Behörden oder Organisationen, die Vollzugsaufgaben nach dem BauPG oder dessen Ausführungsvorschriften übernehmen, erheben Gebühren. Diese legt der Bundesrat fest. Insbesondere im Fall, dass im Rahmen der Marktüberwachung Kontrollen zu Beanstandungen führen, sollen die Marktüberwachungsorgane die Möglichkeit haben, die Kontroll- oder Korrekturmassnahmen den betreffenden Verursachern in Rechnung stellen zu können; andernfalls müssten die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für Massnahmen, die der Beseitigung von Produktmängeln dienen, aufkommen, ohne dafür verantwortlich zu sein. Im Weiteren sind hier auch die Gebühren gemeint, die die Bezeichnungsbehörde für ihre Leistungen und Kontrollen gegenüber den TBS und den bezeichneten Stellen erheben kann. Ebenso soll die Produktinformationsstelle in den in Artikel 19 BauPG genannten Fällen Gebühren erheben können. In gleicher Weise sollen TBS und bezeichnete Stellen für ihre Leistungen die Kosten der Bewertungs- und Prüfleistungen in Rechnung stellen können.

Absatz 2: Behörden und private Organisationen, die Marktüberwachungsaufgaben wahrnehmen, können vom Bund eine Entschädigung erhalten (Abgeltung gemäss Art. 3 Abs. 2 SuG). Der Bundesrat legt dafür die Voraussetzungen fest und bestimmt die Höhe der Entschädigungen. Die allfälligen Entschädigungen decken die Kosten, die nicht durch die Erhebung von Gebühren gemäss Absatz 1 gedeckt werden können. Dies betrifft insbesondere Marktüberwachungsmassnahmen, die zu keinen Beanstandungen bei den kontrollierten Produkten führen. In diesem Fall soll die kontrollierte Wirtschaftsakteurin nicht mit Gebühren belangt werden können. Die Kosten der Massnahmen kann der Bund übernehmen. Das gilt auch in den Fällen, in denen ein Marktüberwachungsorgan nicht fallbezogen Stichprobenprogramme auflegt.

Art. 35

Ausführungsvorschriften

Absätze 1 und 2: Diese Bestimmungen sollen eine flexible Möglichkeit zur Weiterentwicklung des Bauprodukterechts schaffen, denn das Bauproduktegesetz ist zu starr, um auf technische Neuerungen angemessen und rechtzeitig reagieren zu können. Das führt zu Wettbewerbsnachteilen für Schweizer Herstellerinnen im internationalen Handel und gefährdet die Einhaltung der Regelungen des MRA.

Daher soll der Bundesrat die technischen Einzelheiten regeln oder ihre Regelung delegieren können.

7524

Absatz 3: Diese Bestimmung enthält eine (nicht abschliessende) Auflistung, in welchen Fällen der Bundesrat anstelle einer eigenen Regulierung in der Ausführungsverordnung auch das BBL beauftragen kann, Rechtsakte der EU zu bezeichnen. Mit deren Bezeichnung werden diese Rechtsakte in der Schweiz für anwendbar erklärt. Diese Rechtsakte betreffen sehr technische Fragen: Es geht dort beispielsweise um die Festlegung von Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (Bst. a), die Festlegung von Leistungsklassen (Bst. b), die Aufbewahrungsfristen für Leistungserklärungen und technische Unterlagen (Bst. f) oder das Format der ETB (Bst. g).

Diese Kompetenz erstreckt sich auch auf Rechtsakte, die unter der früheren europäischen Bauprodukterichtlinie erlassen wurden. Solche Rechtsakte wurden bisher als Durchführungsmassnahmen zur Bauprodukterichtlinie im Abschnitt 1 des MRABauproduktekapitels erfasst. Ihre Anwendbarkeit wird durch Artikel 65 Absatz 2 der europäischen Bauprodukteverordnung fortgeschrieben. Sollte das revidierte MRABauproduktekapitel nicht mehr auf diese Rechtsakte Bezug nehmen, müssten sie gemäss Absatz 3 ebenfalls bezeichnet werden, um die Äquivalenz der schweizerischen Bauprodukteordnung mit der europäischen sicherzustellen. Die erwähnten Rechtsakte enthalten mehrheitlich die auch weiterhin anzuwendenden Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (früher Konformitätsbewertungsverfahren) im Sinne von Artikel 6 BauPG sowie Festlegungen, wonach ein Bauprodukt ohne Prüfungen oder weitere Prüfungen einer bestimmten Leistungsklasse angehört (im Sinne von Art. 7 BauPG).

Absatz 4: Titel und Fundstellen der nach diesem Gesetz bezeichneten Rechtsakte sollen in der Amtlichen Sammlung publiziert werden.

9. Abschnitt: Schlussbestimmungen Art. 37

Übergangsbestimmungen

Absatz 1: Bauprodukte können bis zum 30. Juni 2015 nach dem geltenden BauPG auf dem Schweizer Markt in Verkehr gebracht werden. Für den Export ist zu beachten, dass auf diese Weise in Verkehr gebrachte Produkte nicht unter die gegenseitige Anerkennung nach dem MRA fallen.

Absatz 2 enthält eine Bestimmung, die die Verwendung von nach bisherigem Recht bereits erstellten Konformitätsdokumenten (Konformitätserklärung und allenfalls Konformitätsbescheinigung) regelt: Grundsätzlich können nach altem Recht erstellte Konformitätsdokumente für den Schweizer Markt unbefristet weiterverwendet werden, um Produktleistungen im Rahmen einer Leistungserklärung nach neuem Recht zu deklarieren. Dies soll der Herstellerin dazu dienen, bereits durchgeführte Prüfungen, Zertifizierungen, Inspektionen etc., die zu einem Konformitätsdokument geführt haben, nicht ein zweites Mal durchführen zu müssen, sodass keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Absatz 3: Leitlinien für die Europäische Technische Zulassung (ETAGs) dienen dem Inverkehrbringen auf dem Markt der Schweiz und des EWR. Sie können nach dem Inkrafttreten des revidierten BauPG zwar nicht mehr dazu verwendet werden, Europäische Technische Zulassungen nach bisherigem Bauprodukterecht auszustellen oder ausgestellte Zulassungen zu erneuern, weil die europäische Bauprodukteverordnung schon seit dem 1. Juli 2013 uneingeschränkt zur Anwendung kommt und 7525

Bauprodukte auf der Grundlage der Zulassungen nach altem Recht nicht mehr in der EU in Verkehr gebracht werden dürfen. ETAGs können aber, wenn sie nicht selbst einer Anpassung bedürfen, weiterhin als Grundlage zur Ausstellung einer ETB nach neuem Recht in der Schweiz und dem EWR verwendet werden. Bedürfen die ETAGs allerdings selbst einer Anpassung wegen des Inkrafttretens des neuen Bauprodukterechts, müssen sie, soweit möglich, zuerst in ein Europäisches Bewertungsdokument überführt werden, damit sie als Grundlage für eine ETB dienen können.

Absatz 4: Europäische Technische Zulassungen, die auch in der Schweiz nach dem geltenden Bauproduktegesetz ausgestellt worden sind, haben regelmässig eine Geltungsdauer von fünf Jahren. Ihre Geltungsdauer läuft daher möglicherweise erst nach dem Inkrafttreten des revidierten BauPG ab. Während ihrer Geltungsdauer können die Zulassungen wie eine ETB nach neuem Recht verwendet werden.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die finanziellen und personellen Auswirkungen der Totalrevision des BauPG in Verbindung mit dem bereits im Jahr 2010 in Kraft getretenen Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Produktesicherheit (PrSG; SR 930.11) werden derzeit auf zusätzlich 0,7 Millionen Franken pro Jahr und 300 Stellenprozente geschätzt.

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Infolge der Totalrevision kommt es zu Änderungen im Vergleich zur bisherigen Vollzugsregelung, die zu einem finanziellen Mehraufwand vor allem im Bereich der Marktüberwachung führt. Insbesondere die vorgesehenen Stichprobenprogramme und die Produktekontrolle, welche Produktprüfungen bedingt, verursachen Mehrkosten. Die Marktbeobachtung erfolgte bislang vor allem durch die bestehenden Organe im Rahmen ihrer angestammten Aufgaben (beispielsweise Zollbehörden, Baupolizei).

Das geltende BauPG hat ein anlassbezogenes Marktüberwachungssystem etabliert, das bis zum Inkrafttreten des PrSG auf Stichprobenprogramme verzichtet hat. Zwar konnten Stichproben auch in einem anlassbezogenen System erforderlich werden; bei dieser Art Stichproben ging es allerdings nicht um die Etablierung eines Marktüberwachungssystems aktiver Stichprobennahmen, sondern um einen Quervergleich mit anderen Exemplaren desselben Produkts, um feststellen zu können, ob es sich um einen Fehler eines einzelnen Exemplars («Ausreisser») oder um die Fehlerhaftigkeit des Produkttyps und damit um einen echten Mangel handelt. Das Inkrafttreten des PrSG im Jahre 2010 führte im Bauproduktesektor zu einem Systemwechsel in der Marktüberwachung, da mit dem PrSG ein stichprobenbezogenes, proaktives Marktüberwachungskonzept verbunden ist, während nach dem geltenden BauPG ein solches Konzept nicht zwingend war. Mit der Anpassung an die geltende europäische Bauproduktegesetzgebung werden nun Stichproben- und jährliche Marktüberwachungsprogramme als notwendige Kontrollinstrumente eines funktionierenden Wettbewerbs und zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Bevölke7526

rung unumgänglich. Mit dem Systemwechsel vom anlassbezogenen System zum proaktiven System werden die Produktekontrollen schon nach dem geltenden Bauprodukterecht zukünftig zunehmen97. Der Bundesrat hat schon in der Botschaft zum Produktesicherheitsgesetz vom 25. Juni 2008 festgehalten, dass die Rechtsänderung des neuen PrSG (und nicht erst die Revision des BauPG) zu einem Mehraufwand für die Marktüberwachung von Bauprodukten führen wird. Die Revision des BauPG integriert das Produktesicherheitsrecht in das Sektorrecht und sucht einen innovativen Mittelweg zwischen anlassbezogenem und proaktivem Marktüberwachungssystem. Dieser besteht darin, die anlassbezogene Marktüberwachung beizubehalten, aber zusätzlich eine kleinere jährliche Zahl an Stichprobenprogrammen für mangelhafte Produkte, bei welchen sich der Mangel aus einem Anlass (Meldung, Unfall) ergibt, durchzuführen. Die Umsetzung dieses Ansatzes könnte die Zahl und die Kosten der ohne die Revision des BauPG zu erwartenden Stichprobenprogramme und Produktekontrollen begrenzen. Es ist mit jährlichen Kosten von schätzungsweise 700 000 Franken für Stichprobenprogramme zu rechnen ausgehend von drei bis vier Marktüberwachungsfällen in der Verantwortung des Bundes, mit geschätzten Kosten von je rund 200 000 Franken.

Gemäss Artikel 18 BauPG wird die Möglichkeit vorgesehen, dass der Bund den TBS die Kosten entschädigt, die durch deren Mitgliedschaft in der Organisation Technischer Bewertungsstellen OTB entstehen und nicht Dritten zu verrechnen sind. Bei dieser Entschädigung handelt es sich um eine Subvention gemäss Artikel 3 SuG.

Solche Entschädigungen hat das BBL bereits unter dem geltenden Recht auf vertraglicher Basis über das laufende Budget ausgerichtet (rund 40 000 Fr. pro Jahr). Diese werden nun auf eine spezifische Rechtsgrundlage gestellt. Daraus resultiert kein zusätzlicher finanzieller Mehraufwand.

Gemäss Artikel 19 Absatz 2 BauPG wird neu die Möglichkeit geschaffen, dass das BBL im Rahmen des Betriebs einer Produktinformationsstelle für das Bauwesen Tätigkeiten auf vertraglicher Basis an private oder kantonale Stellen übertragen und dafür ein Entgelt vorsehen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt wird jedoch davon ausgegangen, dass diese Tätigkeiten vom BBL im Rahmen des zur Umsetzung dieses Gesetzes ausgewiesenen personellen Mehrbedarfs wahrgenommen
werden können und somit nicht an Dritte übertragen werden. Daher wird voraussichtlich kein zusätzlicher finanzieller Mehraufwand resultieren, der nicht Dritten verrechnet werden kann.

Gemäss Artikel 33 Absatz 2 BauPG kann der Bund Stellen, die mit Marktüberwachungsaufgaben betraut werden, für ihre Aufwendungen entschädigen, sofern die Gebühren gemäss Artikel 33 Absatz 1 BauPG hierzu nicht ausreichen. Die Ausrichtung dieser Entschädigungen (Abgeltungen) könnte insbesondere angezeigt sein in Fällen, bei denen die Kontrollen zu keinen Beanstandungen führen, oder bei der Durchführung von Stichprobenprogrammen.

Es kann daher davon ausgegangen werden, dass auch diese Tätigkeiten vom BBL im Rahmen des zur Umsetzung des Gesetzes ausgewiesenen personellen Mehrbedarfs wahrgenommen werden können und nicht an Dritte übertragen werden. Daher sollte hieraus voraussichtlich auch kein zusätzlicher finanzieller Mehrbedarf resultieren.

Ertragsseitig können sich in geringem Ausmass Kompensationsmöglichkeiten aus der Erhebung von Gebühren und der Auferlegung von Bussen ergeben. Dabei ist zu 97

BBl 2008 7407 ff., Ziff. 3.1

7527

berücksichtigen, dass die bundesseitigen Erträge sich aus Gebühren ergeben, die einerseits für Leistungen wie die Bezeichnung von Stellen oder Auskünften der Produktinformationsstelle durch das BBL sowie die Erstellung von ETB durch die Empa erhoben werden können; andererseits ergeben sich Erträge auch aus Gebühren, die bei der Kontrolle von Bauprodukten im Rahmen der Marktüberwachung durch das BBL oder durch bezeichnete kantonale Stellen oder Fachorganisationen erhoben werden können. Die Gebührenerhebung für Leistungen ist derzeit ebenso wenig bezifferbar wie die für Kontrollen. Sie hängt ab von den Anträgen zu bezeichnender Stellen, von Auskunftsersuchen durch die Wirtschaftsteilnehmerinnen und von der Zahl von anlassbezogenen Marktüberwachungsfällen.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Das BBL ist mit dem Vollzug des BauPG betraut. Es kann heute mit den ihm zugewiesenen 1.2 Personeneinheiten (PE) vor allem folgende Aufgaben bewältigen: ­

der Vollzug des BauPG und seiner Ausführungsvorschriften,

­

die Implementierung des MRA-Bauproduktekapitels,

­

die Vertretung der Bundesverwaltung in den entsprechenden europäischen und internationalen Fachgremien (wie z.B. dem Ständigen Ausschuss für das Bauwesen nach der europäischen Bauprodukterichtlinie),

­

die Bezeichnung und Notifizierung von Konformitätsbewertungsstellen,

­

die Aufsicht über die notifizierten und bezeichneten Konformitätsbewertungsstellen,

­

die Bezeichnung von technischen Normen,

­

die Erteilung von Auskünften bei externen und bundesinternen Anfragen,

­

die Führung des Sekretariats der Eidgenössischen Bauproduktekommission,

­

die Behandlung von Meldungen über fehlerhafte Bauprodukte.

Die Hauptaufgaben des BBL gemäss dem revidierten BauPG sind zusätzlich: ­

die Bezeichnung von Stellen zur Überprüfung und Bewertung von Produktleistungen (Art. 15, 16, 29 BauPG),

­

die Benennung von Technischen Bewertungsstellen (Art. 17, 29 BauPG),

­

die Bezeichnung Europäischer Bewertungsdokumente (Art. 13, 29 BauPG),

­

der Aufbau und Betrieb einer Produktinformationsstelle (Art. 19, 29 BauPG),

­

die Marktüberwachung des BauPG (einschliesslich Vollzugsaufgaben auch hinsichtlich der Produktesicherheit, Aufgaben der Koordination des Vollzugs der Marktüberwachungsorgane, Vollzugsaufsicht, Koordination mit anderen Marktüberwachungsbehörden im In- und Ausland) (Art. 20­25, 29, 31­34 BauPG).

Die neuen Hauptaufgaben im Bereich der Produktinformationsstelle und der Marktüberwachung bedingen, dass dem BBL als zuständiger Vollzugsbehörde zusätzliche personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden: Schon aufgrund der Umstellung auf einen proaktiven Marktüberwachungsansatz aufgrund des PrSG im Jahre 7528

2010 und wegen der deshalb durchzuführenden Stichprobenprogramme braucht es zusätzliche personelle Ressourcen. Aber auch der im revidierten BauPG vorgesehene Marktüberwachungsansatz, Stichprobenprogramme innerhalb des anlassbezogenen Systems durchzuführen, verlangt eine personelle Mindestausstattung: Mit den ihm heute zugewiesenen 1.2 Personeneinheiten (PE) kann es diese zusätzlichen Aufgaben nicht erfüllen. Es bedarf neu einer Ingenieursstelle (1 PE), um die Stichprobenprogramme regelgerecht erstellen und auswerten zu können. Dazu gehört auch, Programme im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher am Ort des Inverkehrbringens, also beispielswiese in Baumärkten, durchführen zu können. Aus den Stichproben folgt die allfällige Feststellung von formalen oder materiellen Produktemängeln. Dies ist insofern wahrscheinlich, weil man die Programme als Überwachungskonzepte erstellen muss, die auf vermutete Schwachpunkte zielen.

Programme wird man also dort lancieren, wo man Mängel schon vermutet. Aus den festgestellten Mängeln resultieren dann formelle Marktüberwachungsverfahren, die den Erlass von Verfügungen erfordern. Hierfür bedarf es einer juristischen Fachperson (1 PE). Für den Aufbau und Betrieb einer Produktinformationsstelle ist die Unterstützung durch eine weitere PE mit juristischer Ausbildung notwendig, um insbesondere dem Informationsbedarf der Wirtschaftsakteurinnen nachkommen zu können. Dieser Bedarf richtet sich vor allem auf Informationen zu den geltenden rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf das Inverkehrbringen und Bereitstellen auf dem Markt, den Einbau, die Montage oder die Installation eines bestimmten Bauproduktetyps. Der Aufbau und Betrieb einer Produkteinformationsstelle ist dabei Voraussetzung für das Weiterbestehen des MRA.

Alle diese Aufgaben des BBL dienen dem Schutz des Wettbewerbs, dem Abbau von Handelsschranken für einen funktionierenden Aussenhandel und dem Bevölkerungsschutz. Ohne eine funktionierende Marktüberwachung gelangen unsichere und für die Bevölkerung gefährliche Produkte in den Handel und werden in Bauwerke eingebaut, wodurch wiederum auch eine Gefährdung der Bevölkerung und der Verwenderinnen und Verwender von Bauprodukten durch unsichere Bauwerke droht. Daneben ist der Schutz des Wettbewerbs der Wirtschaftsakteurinnen, die sich vorschriftsgemäss verhalten,
vor denjenigen, die vorschriftswidrig produzieren und handeln, eine staatliche Aufgabe, die notfalls auch mit dem Strafrecht zu sanktionieren ist. Eine effektive Marktüberwachung ist vor allem aber auch eine der neuen Voraussetzungen für die Gleichwertigkeit der schweizerischen Bauproduktegesetzgebung mit der europäischen Bauproduktegesetzgebung unter dem MRA.

Mit dem innovativen und ressourcenschonenden Marktüberwachungsansatz für Bauprodukte sowie mit einer Koordinierungs- und Aufsichtsfunktion beim BBL für die Produktinformationsstelle kann die Zahl der Stichprobenprogramme und Marktüberwachungsmassnahmen auf ein sinnvolles und verhältnismässiges Mass begrenzt werden. Damit sollte es möglich sein, die vorgenannten Aufgaben mit gesamthaft 3 plafonderhöhenden zusätzlichen PE zu bewältigen, da Synergieeffekte zwischen den verschiedenen Vollzugsaufgaben genutzt werden können. Im internationalen Vergleich ist diese Zahl an erforderlichen personellen Ressourcen tief angesiedelt.

7529

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

An der bestehenden Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen ändert sich durch die Vorlage für das revidierte BauPG nichts. Die Kantone bleiben im Grundsatz zuständig für die Regelung der Verwendung von Bauprodukten in Bauwerken.

(Ausnahmsweise besteht eine Bauwerkszuständigkeit des Bundes wie beispielsweise bei den Nationalstrassen). Folgerichtig sind die Kantone für die Sicherheit der Bauwerke zuständig und regeln diese im allgemeinen Sicherheits- oder im Baurecht (z.B. mittels Schwellenwerten, ohne die Festlegung handelshemmender Verfahren).

Die Festlegung von Schwellenwerten und Leistungsklassen, die der Bundesrat auf der Grundlage von Rechtsakten, die die Schweiz im Rahmen des MRA übernimmt, festlegt, betrifft die Bedingungen für das Inverkehrbringen oder Bereitstellen von Bauprodukten auf dem Markt und regelmässig nicht deren Verwendung. Es ist den Kantonen überlassen, im kantonalen Recht Verwendungsregelungen festzulegen (einschliesslich allfällig strengerer Schwellenwerte oder Leistungsklassen), soweit sie für den Erlass solcher Vorschriften zuständig sind. Ergänzend ist auf die Ausführungen zu Artikel 3 Absätze 5 und 6 BauPG hinzuweisen.

Die kantonalen Kompetenzen schliessen auch die Kontrolle von in Bauwerken eingebauten Bauprodukten mit ein, weil sie Teil des Bauwerks sind und damit eine Rolle im Rahmen der Bauwerkssicherheit spielen. Die Marktüberwachung von Bauprodukten im eingebauten Zustand fällt daher in die Zuständigkeit der Kantone.

Die Verpflichtung zur Wahrnehmung der kantonalen Überwachungsaufgaben ändert sich durch die neue Bauproduktegesetzgebung nicht, und es sind dadurch auch keine zusätzlichen Kosten zu erwarten.

Der Gesetzesentwurf sieht die Möglichkeit vor, den Kantonen Marktüberwachungsaufgaben zu übertragen. Eine solche Aufgabenübertragung im Bereich der Marktüberwachung kann nur auf der Grundlage eines Vertrages vereinbart werden. Der Vertrag muss eine dem Umfang der Aufgabe und der Leistung entsprechende Abgeltung vorsehen. Die Kantone werden demzufolge im Bereich der Marktüberwachung nur dann zusätzliche Aufgaben übernehmen, wenn dies vertraglich vereinbart ist.

Vor allem jedoch werden ihnen dadurch keine zusätzlichen finanziellen Belastungen entstehen.

Besondere Auswirkungen auf die Gemeinden sind durch den Vollzug des neuen BauPG keine zu erwarten.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3.3.1

Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns

Das MRA umfasst heute auch den Bauproduktesektor. Dadurch können in der Schweiz hergestellte und mit Konformitätsdokumenten ausgestattete Bauprodukte in der EU und darüber hinaus auch in den übrigen EFTA-Staaten frei zirkulieren, ohne durch technische Handelshemmnisse aufgehalten zu werden. Mit der Gleichwertigkeit der technischen Vorschriften wird eine hindernisfreie Teilnahme der Schweiz am europäischen Binnenmarkt sichergestellt. Wenn die Revision des BauPG nicht zu einer Gleichwertigkeit mit der europäischen Gesetzgebung für Bauprodukte (auch im weiteren Sinne unter Einschluss der Produktesicherheit) führt, fiele der Baupro-

7530

duktesektor wieder hinter den schon erreichten Abbau von technischen Handelshemmnissen zurück.

Die Notwendigkeit staatlichen Handelns ergibt sich aus den Vorteilen, die mit dem neuen leistungsorientierten Ansatz der europäischen Bauprodukteverordnung ins schweizerische Recht übernommen werden: Es ist Aufgabe staatlichen Handels, die Belastungen für die Wirtschaftsakteurinnen zu reduzieren, indem für ihre Dokumentations- und Prüfverpflichtungen Vereinfachungen vorgesehen werden, und für mehr Transparenz und Rechtssicherheit zu sorgen. Gleichzeitig soll diese Gesetzgebung die Konsumentinnen und Konsumenten sowie die Wirtschaftsunternehmen der Verwenderseite (Planer, Bauherren, Unternehmen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes) durch eine effektive und effiziente Marktüberwachung schützen.

3.3.2

Auswirkungen auf die Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungs- und Lieferkette

Die Verantwortlichkeiten, die der Gesetzesentwurf den Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungs- und Lieferkette (Herstellerinnen, Importeurinnen, Händlerinnen, Bevollmächtigte der Herstellerinnen) auferlegt, bestehen bereits heute schon weitgehend. Es handelt sich namentlich um diese Pflichten: (a) Pflichten der Herstellerinnen: ­

Eine Herstellerin durfte nach dem geltenden BauPG nur brauchbare Produkte auf dem Markt in Verkehr bringen, wobei die Brauchbarkeit regelmässig über eine Konformitätserklärung und allenfalls zusätzlich über eine Konformitätsbescheinigung nachzuweisen war. Die Konformitätsdokumente mussten den dafür vorgesehenen Konformitätsbewertungsverfahren entsprechen. Dazu mussten die für diese Verfahren vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsstellen (KBS) in die Konformitätsbewertung einbezogen werden. Im revidierten BauPG entfällt die Brauchbarkeit als Anforderung. Ein Bauprodukt darf dann in Verkehr gebracht werden, wenn die Herstellerin eine Leistungserklärung erstellt für Produkte, die von einer harmonisierten Norm oder ETB erfasst werden. Die Produktleistungen werden mit den entsprechenden Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit nachgewiesen. In die Verfahren zur Bewertung der Produktleistungen sind bezeichnete Stellen einzubeziehen. Da fallweise vereinfachte Verfahren in Anspruch genommen werden können, werden die Pflichten der Herstellerin reduziert.

­

Die Herstellerin musste schon bisher für die Qualitätssicherung der Produktleistungen mittels Durchführung einer WPK sorgen. Dabei umfasste die WPK «alle geplanten und systematischen Tätigkeiten, die notwendig sind, um ein hinreichendes Vertrauen zu schaffen, dass ein Bauprodukt den Anforderungen der massgebenden technischen Spezifikation genügt» (Anhänge 1 und 2 der geltenden BauPV). Dies schliesst allenfalls eigene Stichprobenprüfungen bei Serienproduktionen, laufende Überwachungen und Produkterückrufe von nicht konformen Produkten mit ein. Nach der revidierten Gesetzgebung soll die Herstellerin durch die entsprechenden Verfahren dafür sorgen, dass die in der Leistungserklärung deklarierte Produktleistung beständig sichergestellt ist. Es wird klargestellt, dass sich die 7531

Verpflichtung der Herstellerin auf die Genauigkeit, Stabilität und Zuverlässigkeit der erklärten Produktleistung bezieht. Je nach Verfahren können Stichprobenprüfungen oder laufende Überwachungen erforderlich sein.

Allenfalls wird die Herstellerin zu Korrekturmassnahmen oder Produkterückrufen verpflichtet.

­

Schon nach dem PrSG darf die Herstellerin nur «sichere» Produkte in Verkehr bringen, die sie gemäss dem Stand des Wissens und der Technik hergestellt hat, sodass das Produkt bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarerer Verwendung die Sicherheit und die Gesundheit der Verwenderinnen und Verwender oder Dritter nicht oder nur geringfügig gefährdet.

Dieses allgemeine Sicherheitsgebot soll auch gemäss der revidierten Bauproduktegesetzgebung gelten.

­

Bei Beanstandungen muss die Herstellerin nach PrSG schon heute ihr Produkt sorgfältig überprüfen und gegebenenfalls Stichproben durchführen.

Dieses Prinzip wird im revidierten BauPG ebenfalls geregelt sein.

­

Die Herstellerin muss nach PrSG für eine Identifizierbarkeit und Rückverfolgbarkeit ihres Produkts sorgen (namentlich durch eine Bezeichnung des Produkts mit einer Typen-, Chargen- oder Seriennummer und mit der Angabe ihres Namens, Handelsnamens oder ihrer Marke sowie ihrer Kontaktanschrift). Diese Bestimmungen werden im revidierten BauPG gleichwertig geregelt.

­

Die Herstellerin muss dem Produkt nach PrSG die erforderlichen Sicherheitsinformationen (einschliesslich Warnhinweisen und Gebrauchs- oder Bedienungsanleitung) beifügen. Diese Bestimmungen werden im revidierten BauPG gleichwertig geregelt.

­

Die Herstellerin, die Grund zur Annahme hat, dass mit ihrem Produkt Gefahren verbunden sind, muss nach PrSG alle erforderlichen Massnahmen ergreifen und mit den Marktüberwachungsbehörden kooperieren, um diese Gefahren abwenden zu können. Diese Bestimmungen werden im revidierten BauPG noch umfassender geregelt.

­

Die Herstellerin weist mit Konformitätsdokumenten heute ausserdem bestimmte Produktanforderungen (Schwellenwerte) nach. Diese Anforderungen soll die Herstellerin zukünftig im Rahmen der Leistungserklärung nachweisen. Eine weitere Erleichterung für die Herstellerin soll in der Möglichkeit geregelt werden, nach welcher die Herstellerin zukünftig ihre Leistungserklärung grundsätzlich auch in elektronischer Form zur Verfügung stellen kann (wobei die Einzelheiten der Bundesrat festlegen soll).

Die Herstellerpflichten lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Konformitätsdokumente nach dem geltenden BauPG und PrSG enthalten Informationen für eine sichere und geeignete Verwendung des Produkts als Bauprodukt. Die Produktinformationen, die neu in der Leistungserklärung und der Sicherheitsdokumentation der Herstellerin enthalten sein müssen, müssen auch in Zukunft präzise, unverfälscht und unmittelbar die Verwenderin und den Verwender des Produkts erreichen, damit eine sichere Verwendung des Produkts gewährleistet ist.

(b) Die Pflichten der Importeurinnen und Händlerinnen: Diese Wirtschaftsakteurinnen sind zwar nicht für die richtige Erstellung der Leistungserklärung verantwortlich, doch müssen sie ebenfalls dafür sorgen, dass die Produktinformationen präzise, 7532

unverfälscht und unmittelbar die Verwenderin und den Verwender des Produkts erreichen und in ihrem Risikobereich (z.B. auf dem Transport oder in ihrem Lager) die Konformität der tatsächlichen mit der deklarierten Produktleistung nicht verloren geht.

(c) Pflichten der Bevollmächtigten: Je nach Bevollmächtigung durch die Herstellerin variieren die Pflichten der Bevollmächtigten. Die Herstellerin kann jedoch nicht die Pflicht zur Erstellung der technischen Dokumentation auf die Bevollmächtigte abwälzen. Die Aufgaben der Bevollmächtigten umfassen die Informationsweitergabe und die Wahrnehmung der sonstigen Pflichten, die die Herstellerin der Bevollmächtigten vertraglich überträgt.

Der Gesetzesentwurf sucht einen Interessenausgleich zwischen den Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungs- und Lieferkette und den Verwenderinnen und Verwendern. Eine Verlagerung von Pflichten von der Hersteller- auf die Verwenderseite ist nicht beabsichtigt, ebensowenig eine Freistellung der Herstellerinnen, Importeure und Händler von der Pflicht, die in der Leistungserklärung enthaltenen Produktinformationen präzise, unverfälscht und unmittelbar an die Verwenderinnen und Verwender weiterzugeben.

Die Herstellerin soll die Möglichkeit erhalten, die Produktleistungen, die in der Leistungserklärung angegeben werden müssen, auf die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund wäre es eine unverhältnismässige Haftungsverteilung zulasten der Verwenderinnen und Verwender, wenn diese die reduzierten Produktinformationen auch noch selbst dem jeweiligen Produkt zuordnen müssten und für die Gefahr eine fehlerhaften Zuordnung (und der falschen Produktverwendung) dann haften müssten. Bei einer Freistellung der Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungs- und Lieferkette bestünde darüber hinaus mit grosser Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass die Produkte, für die keine oder keine ausreichende Information vorliegt, nur in der Schweiz eingebaut werden können und es dadurch im Inland zu einer Absenkung des Sicherheitsniveaus im Hinblick auf die Sicherheit von Menschen und Bauwerken kommen würde. Eine solche «Holschuld» hinsichtlich der Produktinformationen (insbesondere bei der Angabe von Produktleistungen auf einer Webseite) ist daher abzulehnen.

3.3.3

Auswirkungen auf die Wirtschaftsakteurinnen der Verwenderseite

Die Wirtschaftsakteurinnen auf der Verwenderseite ­ also die Planer eines Bauwerks, die Bauherren, die Unternehmen des Bauhaupt- oder des Baunebengewerbes, aber auch Privatpersonen, die im Baumarkt einkaufen ­ sollen durch die Pflichten der Wirtschaftsakteurinnen auf der Seite der Herstellungs- und Lieferkette von Bauprodukten geschützt werden. Der Gesetzesentwurf enthält kein Pflichtenheft für die Akteure auf der Verwenderseite. Das BauPG hat die Informationen über die Produktleistungen im Fokus, die die Herstellerin, die Bevollmächtigte, die Importeurin und die Händlerin präzise, unverfälscht und unmittelbar an die Verwenderin des Produkts weitergeben sollen. Die Verwenderinnen und Verwender sind vor allem zivilrechtlich für die Errichtung und die Nutzung eines Bauwerks verantwortlich. Ob ein Bauprodukt die erforderlichen Produktleistungen aufweist, erfahren die Verwenderinnen und Verwender aus der Leistungserklärung. Es kann nicht in deren Ver7533

antwortung liegen, die für ein bestimmtes Bauprodukt vorhandenen Informationen an anderer Stelle zu suchen. Würde die Information zu den Produktleistungen, in der Leistungserklärung enthalten sind, vom Produkt getrennt, müsste die Verwenderin selbst recherchieren, welche Produktleistungen das Produkt aufweist und ob es für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet ist und die rechtlich vorgeschriebenen Schwellenwerte einhält, bevor das Bauprodukt in ein bestimmtes Bauwerk eingebaut werden kann. Damit würde die Verwenderin das Risiko einer fehlerhaften Verwendung oder einer Verwendung eines fehlerhaften Produkts tragen, und zwar schon dann, wenn sie lediglich über nicht ausreichende Informationen zu den Produktleistungen verfügen würde, obwohl diese Informationen eigentlich verfügbar wären. Dies wiederum führt in der Praxis mit höchster Wahrscheinlichkeit dazu, dass Fehler bei der Verwendung eines Bauprodukts zu Gefahren für die Eigentümerinnen und Eigentümer und Nutzerinnen und Nutzer von Bauwerken führen. Aus diesem Grund sollen die Pflichten der Wirtschaftsakteurinnen der Herstellungs- und Lieferkette im Bauprodukterecht transparent festgeschrieben werden. Daneben soll eine effektive Marktüberwachung dafür sorgen, dass auf die in der Leistungserklärung vorhandenen Informationen auch vertraut werden darf.

3.3.4

Auswirkungen auf die notifizierten Stellen und auf die bezeichneten Konformitätsbewertungsstellen

Die heutigen Konformitätsbewertungsstellen sollen den Herstellerinnen auch in Zukunft eine vergleichbare Dienstleistung anbieten wie heute: Sie sollen ­ je nach anwendbarerem System zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit ­ Produkte prüfen und bewerten, die WPK der Herstellerin überwachen und zertifizieren und Produkte zertifizieren (vgl. Art. 15 BauPG). Da die Herstellerin für Produkte, die von einer harmonisierten Norm erfasst oder anhand einer ETB bewertet werden, in Zukunft eine Leistungserklärung zu erstellen hat, um ihr Produkt in Verkehr bringen zu können (vgl. Art. 5 Abs. 1 BauPG), wird die Nachfrage nach den Dienstleistungen der notifizierten Stellen künftig voraussichtlich erheblich zunehmen.

Die heutigen Konformitätsbewertungsstellen müssen nach Inkrafttreten des revidierten BauPG gemäss den neuen Bestimmungen erneut bezeichnet und notifiziert werden. Erst mit der Äquivalenzanerkennung der revidieren Bauproduktegesetzgebung durch die Vertragspartner des MRA ist eine erneute Bezeichnung und Notifizierung schweizerischer Stellen möglich.

3.3.5

Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft

Mit dem Kapitel über Bauprodukte im MRA werden für die Schweizer Wirtschaft die gleichen Bedingungen geschaffen, wie sie für die Mitkonkurrentinnen aus den Staaten der EU und des EWR gelten. Somit sollen Schweizer Bauprodukte weiterhin ungehindert auf den EU/EWR-Markt gebracht werden dürfen und nicht nur Bauprodukte, die in der EU und im EWR legal handelbar sind, ungehindert auf den Schweizer Markt kommen dürfen. Exportierende Herstellerinnen sollen also nicht wieder benachteiligt werden gegenüber ihren Wettbewerberinnen aus der EU und dem EWR, indem sie Zusatzkosten für Zweitprüfungen und Doppelzertifizierungen 7534

tragen müssten. Schweizer Dienstleistungsunternehmen, die heute als Konformitätsbewertungsstellen (KBS) europaweit ihre Dienste anbieten können, sollen ihren Status als notifizierte Stellen behalten dürfen, damit sie weiterhin für Herstellerinnen tätig sein können, wenn diese ihre Produkte in den EU-/EWR-Raum sowie gegebenenfalls in die Türkei exportieren wollen. Damit kann einer Abwanderung von Herstellerinnen wie auch von Schweizer KBS ins EU-/EWR-Ausland ebenso vorgebeugt werden wie dem Verlust wichtiger Kompetenzen im Bausektor.

Die Verwenderinnen und Verwender von Bauprodukten (Bauherren, Planer, Unternehmen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes, aber auch Privatpersonen, die im Baumarkt einkaufen) werden über transparente und an schweizerischen Anforderungen orientierte Produktinformationen bei Produkten verfügen. Damit können Gefahren für Bauwerke und dadurch für die Nutzerinnen und Nutzer von Bauwerken abgewendet werden. Auch die Verwenderinnen und Verwender profitieren vom MRA infolge eines deutlich gewachsenen Produktangebots, einer schnelleren Markteinführung von Produkten und des entsprechenden Wettbewerbs (Preisstabilität bzw. Preissenkung) in der Branche.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Das revidierte BauPG hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit und die Sicherheit der Menschen in der Schweiz: Der Aspekt der Produktesicherheit wird schrittweise auf Produktebene konkretisiert. Die grössere Transparenz und die eindeutigen Verpflichtungen der Wirtschaftsakteurinnen in dieser Hinsicht kommen direkt den Verwenderinnen und Verwendern von Bauprodukten zugute. Durch klare und vergleichbare Produktangaben können für die Nutzerinnen und Nutzer sichere Bauwerke erstellt werden.

Mit der neuen Grundanforderung zur nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen kann das nachhaltige Bauen ­ auch als Teil der «Strategie Nachhaltige Entwicklung» des Bundesrates ­ unterstützt werden, z.B durch verwendungsbezogene Mindestleistungsanforderungen an die Bauprodukte, welche es beispielsweise ermöglichen, dass Bauprodukte oder Bauteile recycliert werden können.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Im Hinblick auf die Freisetzung gefährlicher Stoffe aus Bauprodukten und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen sollen die harmonisierten technischen Spezifikationen kontinuierlich ergänzt und verbessert werden, damit die Leistungserklärung diesen Aspekt besser und europaweit vergleichbar abdecken kann. Zudem sieht der Gesetzesentwurf vor, dass auch für diesen Bereich Schwellenwerte festgelegt werden können. Der Gesetzesentwurf führt somit indirekt zu einer Verbesserung der Umweltstandards. Es handelt sich um ein System der positiven Anreize für die Entwicklung leistungsfähigerer Bauprodukte in Europa, was den Verbrauch der natürlichen Ressourcen und den Schutz der Umwelt betrifft: Wenn die Staaten verbindliche Mindestwerte festlegen, werden sich die Herstellerinnen daran anpassen.

7535

3.6

Auswirkungen auf die Aussenpolitik

Die vorgeschlagene Gesetzesrevision schafft die Grundlage für die Weiterführung des MRA mit der EU im Bauproduktebereich. Dadurch wird erreicht, dass die vertragliche Regelung zur gegenseitigen Anerkennung der Gleichwertigkeit der Inverkehrbringensvorschriften im Bauproduktebereich fortgeführt und so der gegenseitige Marktzugang für eine bedeutende Produktegruppe im Industriegüterhandel mit der EU sichergestellt werden kann.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft über die Legislaturplanung 2011­201598 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich wie das geltende Bauproduktegesetz vom 8. Oktober 1999 auf die Artikel 94 Absatz 2, Artikel 95, 97 und 101 der Bundesverfassung99. Der Bund hat nach diesen verfassungsrechtlichen Bestimmungen eine umfassende Kompetenz für das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Bauprodukten auf dem Markt. Der Bund kann die Anforderungen an Bauwerke (z.B. hinsichtlich der Nationalstrassen) nur insoweit festlegen, als die Festlegung nicht in den Kompetenzbereich der Kantone fällt. Diese föderale Kompetenzverteilung soll durch die Vorlage nicht verändert werden. Die Kantone dürfen weiterhin Anforderungen an die Verwendung in Form von Schwellenwerten festlegen, jedoch im «harmonisierten Bereich» keine eigenen Bewertungsmethoden und Verfahren mehr vorsehen.

5.2

Verhältnis zum europäischen Recht und zu den internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Mit der Totalrevision des BauPG werden zugleich die Verordnung (EU) Nr. 305/2011 über Bauprodukte sowie der Aspekt der Marktüberwachung der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 über die Akkreditierung und Marktüberwachung autonom übernommen (s.o. Ziff. 1.6). Damit soll das Ziel erreicht werden, eine europakompatible Rechtsetzung zu erreichen, die als gleichwertig im MRA anerkannt wird.

Das Bauproduktegesetz findet einheitlich Anwendung auf im Inland wie im Ausland hergestellte Bauprodukte. Soweit Anforderungen verfahrensrechtlicher oder materiell-rechtlicher Art an Bauprodukte gerichtet sind, gelten diese Verfahren und Anforderungen an Produktleistungen für alle Bauprodukte gleichermassen und unabhängig von ihrer Herkunft. Somit ist die Vorlage mit den von der Schweiz im Rahmen der WTO eingegangenen Verpflichtungen vereinbar.

98 99

BBl 2012 481 610 SR 101

7536

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Vorlage enthält eine umfassende Ermächtigung des Bundesrates, technische Einzelheiten nach dem BauPG in Ausführungsvorschriften zu regeln (Art. 35 BauPG). Auch enthalten einzelne Bestimmungen weitere Delegationen: ­

Art. 1 Abs. 4: Möglichkeit der Anwendbarerklärung des PrSG auf Bauprodukte,

­

Art. 3 Abs. 3 und 4: Grundanforderungen an Bauwerke,

­

Art. 6 Abs. 1 und 3: Verfahren zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit,

­

Art. 7 Abs. 1: Festlegung von Leistungsklassen in Bezug auf die wesentlichen Merkmale eines Bauproduktes (Bst. a) und Festlegung der Voraussetzungen zur Einordnung von Produkten in bestimmte Leistungsklassen (Bst. b),

­

Art. 8 Abs. 3: in der Leistungserklärung anzugebende Produktleistungen,

­

Art. 8 Abs. 6: Inhalt der Leistungserklärung,

­

Art. 10 Abs. 1 und 3: Vorschriften für die Wirtschaftsakteurinnen, Fristanpassung, Bedingungen für das Zurverfügungstellen der Leistungserklärung,

­

Art. 13 Abs. 4: Pflichten der TBS im Verfahren zur Erstellung eines EBD sowie Inhalt und Format der ETB,

­

Art. 14 Abs. 2: Anforderungen an den Inhalt eines EBD,

­

Art. 15 Abs. 3, Art. 17 Abs. 2 und 7, Art. 19 Abs. 3: Bezeichnete Stellen, TBS und Produktinformationsstellen,

­

Art. 24 Abs. 1: Anpassung von Kontroll- und Massnahmenbefugnissen der Marktüberwachungsorgane, Marktüberwachungsprogramme,

­

Art. 29 Abs. 4: Betrauung kantonaler Stellen oder geeigneter anderer Organisationen mit Marktüberwachungsaufgaben,

­

Art. 30: Kommission für Bauprodukte,

­

Art. 33: Finanzierung des Vollzugs,

­

Art. 38 Abs. 2: Inkraftsetzung des Gesetzes.

­

Der Bundesrat kann ­ anstelle einer Regulierung in der Ausführungsverordnung ­ das BBL beauftragen, Rechtsakte der EU zu bezeichnen (Art. 35 Abs. 3 BauPG).

Das BBL kann harmonisierte und andere technische Normen (Art. 12 BauPG), sowie Rechtsakte der EU im Bereich der Marktüberwachung (Art. 24 Abs. 3 BauPG) bezeichnen.

Diese Delegationsnormen betreffen technische Bestimmungen. Sie stellen insbesondere sicher, dass die Weiterentwicklungen des EU-Rechts in technischen Fragen innert nützlicher Frist nachvollzogen werden können und die im MRA festgestellte Gleichwertigkeit weiterhin garantiert ist. Die EU wird in den kommenden Jahren die neue europäische Bauprodukteverordnung mit Ausführungsbestimmungen ergänzen.

7537

Diese sind auch für die Schweizer Gesetzgebung relevant. Die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen ermöglicht eine rasche Anpassung des schweizerischen Rechts an die europäische Rechtsentwicklung in technischen Detailfragen.

7538

Abkürzungsverzeichnis Abs.

AkkBV Art.

BauPG BauPK BauPV BBL BGÖ BPUK Bst.

CE-Kennzeichnung CEN CENELEC CPR CUAP EBD EFD EFTA EG Empa EN EOTA

ETA ETAG ETB ETSI EU

Absatz Verordnung über das schweizerische Akkreditierungssystem und die Bezeichnung von Prüf-, Konformitätsbewertungs-, Anmelde- und Zulassungsstellen vom 17. Juni 1996 Artikel Bundesgesetz über Bauprodukte eidgenössische Kommission für Bauprodukte Verordnung über Bauprodukte vom 27. November 2000 Bundesamt für Bauten und Logistik Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz Buchstabe Symbol für den freien Handel in der Europäischen Union, früher für : Communauté Européenne Comité Européen de Normalisation (Europäisches Komitee für Normung) Comité Européen de Normalisation Électrotechnique (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) Construction Products Regulation (Verordnung (EU) Nr. 305/2011, europäische Bauprodukteverordnung) Common Understanding of Assessment Procedure Europäisches Bewertungsdokument Eidgenössisches Finanzdepartement European Free Trade Association (Europäische Freihandelsassoziation) Europäische Gemeinschaft Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Europäische Norm European Organisation for Technical Assessment (Europäische Organisation für Technische Bewertungen), früher: European Organisation for Technical Approvals (Europäische Organisation für Technische Zulassungen) European Technical Assessment (Europäische Technische Bewertung), früher: European Technical Approval (Europäische Technische Zulassung) European Technical Approval Guidelines (Leitlinien für Europäische Technische Zulassungen) Europäische Technische Bewertung European Telecommunications Standards Institute (Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen) Europäische Union 7539

EWR GNB hEN ICSMS ISOS IVTH KBS KMU MRA NANDO NLF OTB PE PrSG PrSV RAPEX REACH SECO SNV SuG TBS THG VE VKF VUV WTO WPK ZGB

7540

Europäischer Wirtschaftsraum Group of Notified Bodies harmonisierte europäische Norm(en) Internet-supported Information and Communication System for the pan-European Market Surveillance Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung Interkantonale Vereinbarung zum Abbau technischer Handelshemmnisse Konformitätsbewertungsstellen kleine und mittlere Unternehmen Mutual Recognition Agreement (Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen) New Approach Notified and Designated Organisations New Legal Framework Organisation Technischer Bewertungsstellen Personeneinheit Bundesgesetz über die Produktesicherheit Verordnung über die Produktesicherheit Rapid Exchange of Information System Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals (Verordnung (EG) Nr. 1907/2006, EU-Chemikalienverordnung) Staatssekretariat für Wirtschaft Schweizerische Normen-Vereinigung Bundesgesetz über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz) vom 5. Oktober 1990 Technische Bewertungsstelle(n) Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse vom 6. Oktober 1995 Vorentwurf Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen Verordnung über die Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten vom 19. Dezember 1983 World Trade Organisation Werkseigene Produktionskontrolle Schweizerisches Zivilgesetzbuch