12.080 Botschaft zur Änderung des Heilmittelgesetzes vom 7. November 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Heilmittelgesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2006

P

2007

M 05.3391

Erleichterte Zulassung von in EU-Ländern zugelassenen OTC-Produkten (N 19.03.2007, Kleiner; S 13.12.07)

2008

M 06.3420

Klärung von Artikel 33 des Heilmittelgesetzes (S 13.12.06, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SR 03.308; N 5.3.08)

2008

M 07.3290

Neue Regelung der Selbstmedikation (N 4.10.07, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR 05.410; S 2.10.08)

2008

M 05.3016

Unabhängigkeit bei der Verschreibung und Abgabe von Medikamenten (N 19.3.07, Christlichdemokratische Fraktion; S 11.12.08)

2009

M 08.3827

Mehr Transparenz bei Swissmedic (S 18.3.09, Altherr; N 11.6.09)

2009

M 09.3208

Einfacherer Zugang zu anerkannten Arzneimitteln (S 4.6.09, Maury Pasquier; N 7.12.09)

2010

M 08.3365

Arzneimittelsicherheit bei Kindern fördern (N 3.10.08, Heim; S 15.12.10)

2011

P

Verschreibung von Arzneimitteln durch Spitäler (N 3.3.11, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR)

2012-1135

06.3380

10.3669

Information über die Zusammensetzung von Medikamenten (N 6.10.06, Robbiani)

1

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

7. November 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2

Übersicht Das Heilmittelgesetz soll zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier gewährleisten, dass nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel in Verkehr gebracht werden. Diese Bundesregelung ist relativ jung und entspricht der Absicht des Gesetzgebers, das Schweizer Heilmittelwesen internationalen Standards anzugleichen. Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten sind die damals gesetzten Ziele weitgehend erreicht worden. Allerdings haben das Parlament und der Bundesrat Handlungsbedarf beim Zugang der Bevölkerung zu Arzneimitteln, bei der Überwachung des Marktes durch die Behörden, bei der Regelung der geldwerten Vorteile sowie beim Vollzug geortet. Diese Punkte sollen im Rahmen der vorliegenden 2. Etappe der Heilmittelgesetzesrevision angegangen werden.

Ausgangslage Weltweit haben staatliche Marktzutritts- und Überwachungssysteme Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der eingesetzten Heilmittel sicherzustellen. Diese Systeme leisten einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier. Dies gilt auch für die Schweiz: Um die Arzneimittelsicherheit umfassend zu gewährleisten und den Warenaustausch innerhalb der Schweiz zu vereinfachen, hat der Gesetzgeber die verschiedenen Erlasse auf kantonaler und Bundesebene in das neue Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz) überführt und am 1. Januar 2002 in Kraft gesetzt.

Die Herstellung, der Vertrieb und die Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten folgen internationalen Normen und sind durch die laufende Erforschung und Entwicklung neuer Produkte und Vertriebsformen geprägt. Neue Erkenntnisse bei der Anwendung, der technische Fortschritt und der Wettbewerbsdruck unter den Akteuren des Marktes bewirken eine Dynamik, welche die Gesellschaft und die Politik aufgrund der komplexen Materie immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Gleichzeitig wird eine kontroverse Debatte darüber geführt, welche Heilmittelrisiken die Gesellschaft heute dem Individuum zuzumuten bereit ist. Damit ist auch die Frage verknüpft, inwieweit beispielsweise die heute geltenden Bestimmungen den Marktzutritt für Arzneimittel unverhältnismässig erschweren.

Insgesamt lässt sich jedoch feststellen, dass die mit dem Heilmittelgesetz gesetzten Ziele weitgehend erreicht worden sind. Bei gewissen Punkten indes haben sowohl
das Parlament als auch der Bundesrat Handlungsbedarf geortet. Dies betrifft namentlich den Zugang der Bevölkerung zu Arzneimitteln, die Überwachung des Marktes durch die Behörden sowie die Regelung der geldwerten Vorteile.

Aufgrund der unterschiedlichen Dringlichkeit wurden die Arbeiten in zwei Etappen aufgeteilt. Die vorgezogene Revision des Heilmittelgesetzes (Spitalpräparate, erste Etappe) schafft die rechtlichen Voraussetzungen, damit die Spitäler die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln besser sicherstellen können. Die Gesetzesänderung ist am 13. Juni 2008 vom Parlament beschlossen worden. Die geänderten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen wurden vom Bundesrat am 1. Oktober 2010 in Kraft gesetzt.

3

Inhalt der Vorlage Im Rahmen der ordentlichen Revision (2. Etappe) werden die übrigen Revisionsbegehren angegangen. Gegenstand der Vorlage bilden unter anderem die vereinfachte Zulassung von synthetischen Arzneimitteln sowie von Komplementär- und Phytoarzneimitteln, die Bestimmungen über die Abgabe von Arzneimitteln, die Stärkung der Marktüberwachung, die Verbesserung der Arzneimitteltherapie in der Kinderheilkunde und die Regelung der geldwerten Vorteile. Ebenfalls aufgenommen sind Anpassungen der Bestimmungen des Datenschutzes sowie der Regelungen des Strafund Verwaltungsstrafrechts.

Ziel dieser Vorlage ist es, die Aufträge von Parlament und Bundesrat umzusetzen und gleichzeitig den höchst unterschiedlichen Ansprüchen von Industrie, Handel und Fachpersonen, Patientinnen und Patienten Rechnung zu tragen, ohne dabei die Interessen der Gesellschaft an einem funktionierenden und kohärenten Gesamtsystem aus den Augen zu verlieren.

4

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3

Verzeichnis der europäischen Verordnungen und Richtlinien

7

1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Allgemeine Ausgangslage 1.2 Ausgangslage und Analyse des Revisionsbedarfs in den verschiedenen Fachbereichen 1.2.1 Kinderarzneimittel 1.2.2 Regelung des vereinfachten Zulassungsverfahrens 1.2.3 Geldwerte Vorteile 1.2.4 Abgabe von Arzneimitteln 1.2.5 Good Corporate Governance 1.2.6 Arzneimittelinformation 1.2.7 Marktüberwachung 1.2.8 Übrige Gebiete 1.3 Ergebnis des Vorverfahrens 1.3.1 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens im Allgemeinen 1.3.2 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens im Einzelnen und Überarbeitung des Vorentwurfs Kinderarzneimittel Regelung des vereinfachten Zulassungsverfahrens Geldwerte Vorteile Abgabe von Arzneimitteln Good Corporate Governance Arzneimittelinformation Marktüberwachung Übrige Gebiete 1.4 Die vorgeschlagene Regelung 1.4.1 Ziele der Revision im Allgemeinen 1.4.2 Kinderarzneimittel 1.4.3 Regelung des vereinfachten Zulassungsverfahrens 1.4.4 Geldwerte Vorteile 1.4.5 Abgabe von Arzneimitteln 1.4.6 Good Corporate Governance 1.4.7 Arzneimittelinformation 1.4.8 Marktüberwachung 1.4.9 Übrige Gebiete 1.5 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.6 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.7 Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht 1.8 Umsetzung 1.9 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

8 8

26 26 28 29 31 32 32 33 33 34 34 35 40 42 43 44 45 46 46 51 52 52 55 55

2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

58

11 11 13 15 20 21 22 23 24 25 25

5

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Im Allgemeinen 3.1.2 Auswirkungen auf das BAG 3.1.3 Auswirkungen auf das Institut 3.2 Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden 3.3 Volkswirtschaftliche und andere Auswirkungen 3.3.1 Pharma- und Medizinprodukteindustrie 3.3.2 Handel und berufsmässige Anwenderinnen und Anwender 3.3.3 Patientinnen und Patienten und Konsumentinnen und Konsumenten 3.4 Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein

120 120 120 120 122 123 124 124 125

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

127

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 5.5 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.6 Vereinbarkeit des Bundesbeitrages an das Institut mit dem Subventionsgesetz

127 127 127 128 128 129

Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG) (Entwurf)

6

126 126

129

131

Verzeichnis der europäischen Verordnungen und Richtlinien Verordnung (EG) Nr. 1610/96

Verordnung (EG) Nr. 141/2000 Verordnung (EG) Nr. 726/2004

Verordnung (EG) Nr. 1901/2006

Verordnung (EG) Nr. 469/2009 Richtlinie 90/385/EWG Richtlinie 93/42/EWG Richtlinie 98/79/EG Richtlinie 2001/83/EG Richtlinie 2002/98/EG

Richtlinie 2004/24/EG Richtlinie 2011/24/EU

Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel, ABl. L 198 vom 8.8.1996, S. 30; zuletzt geändert durch Beitrittsprotokoll Rumänien und Bulgarien, ABl. L 157 vom 21.6.2005, S. 203 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden, ABl. L 18 vom 22.1.2000, S. 1; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 596/2009, ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14 Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur, ABl. L 136 vom 30.04.2004, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1235/2010, ABl. L 348 vom 31.12.2010, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1; zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 469/2009, ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 1 Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (kodifizierte Fassung), ABl. L 152 vom 16.6.2009, S. 1 Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte, ABl. L 189 vom 20.7.1990, S. 17; zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/47/EG, ABl. L 247 vom 21.9.2007, S. 21 Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, ABl. L 169 vom 12.7.1993, S. 1; zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/47/EG, ABl. L 247 vom 21.9.2007, S. 21 Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika, ABl. L 331 vom 7.12.1998, S. 1; zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/100/EU, ABl. L 341 vom 22.12.2011, S. 50 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, ABl. L 311 vom 28. 11.2001, S. 67;
zuletzt geändert durch Richtlinie 2011/62/EU, ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 74 Richtlinie 2002/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung und Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, ABl. L 33 vom 8.2.2003, S. 30; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 596/2009, ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14 Richtlinie 2004/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel hinsichtlich traditioneller pflanzlicher Arzneimittel, ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 85 Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, ABl. L 88 vom 4.4.2011, S. 45.

7

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Allgemeine Ausgangslage

Am 1. Januar 2002 trat das Heilmittelgesetz vom 15. Dezember 20001 (HMG) nach rund zehnjähriger Vorarbeit in Kraft. Damit endete die Auseinandersetzung, die im 19. Jahrhundert ihren Anfang genommen hatte, zwischen den Befürwortern einer kantonalen Hoheit und den Anhängern einer Bundeslösung zugunsten einer umfassenden Bundesgesetzgebung2.

Akut auftauchende Probleme, die mit der damaligen Gesetzgebung nicht oder nicht genügend gelöst werden konnten, die missbräuchliche Verwendung von Arzneimitteln, die fehlende Einfuhr- und Ausfuhrkontrolle, neue Abgabe- und Vertriebsformen sowie das Scheitern des interkantonalen Heilmittelkonkordats 1988 hatten den Weg zum neuen Heilmittelgesetz bereitet.

Obwohl die kantonalen Kompetenzen grundsätzlich dem Bund, das heisst der Swissmedic, dem Schweizerischen Heilmittelinstitut (Institut), übertragen wurden, sind zahlreiche wichtige Bereiche, wie etwa die Kontrolle des Detailhandels oder die Überwachung der Herstellung von Arzneimitteln, die von der Zulassung befreit sind, in kantonaler Obhut verblieben. Eine wirkungsvolle Zusammenarbeit des Bundes mit den einzelnen Kantonen wurde damit zentral für die Umsetzung des Heilmittelgesetzes.

Mit dem neuen Bundesgesetz sollten die folgenden Ziele erreicht werden:

1 2

8

­

Die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochstehenden, sicheren und wirksamen Heilmitteln leistet einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit.

­

Die Übertragung von Krankheiten durch Heilmittel ist möglichst ausgeschlossen.

­

Die einzelnen Vorschriften sind patientengerecht ausgestaltet, und die Gesetzgebung dient auch der Verwirklichung von Konsumentenanliegen (Täuschungsschutz).

­

Der Wirtschafts- und Forschungsstandort Schweiz wird gestärkt, indem die Vorschriften über die Heilmittelkontrolle so ausgestaltet sind, dass sie vor allem mit dem entsprechenden Recht der Europäischen Union (EU), soweit als möglich aber auch mit weiterem internationalem Recht kompatibel sind.

­

Technische Handelshemmnisse gegenüber anderen wichtigen Handelspartnern werden abgebaut oder vermieden.

SR 812.21 Vgl. hierzu die Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates vom 1.3.1999 zum Heilmittelgesetz, BBl 1999 3453 ff.

­

Die behördliche Heilmittelkontrolle ist wirkungsvoll und kostengünstig.

Dazu sind die Zulassung und die Kontrolle aller Heilmittel in einer Institution zusammengefasst. Die Kantone und bereits existierende Institutionen werden in den Vollzugsbereich eingeschlossen. Nach der Schaffung der notwendigen Voraussetzungen kann die internationale Zusammenarbeit ausgebaut werden3.

Zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes lässt sich feststellen, dass diese Ziele weitgehend erreicht worden sind und dass sich die Regelung insgesamt bewährt hat: Das Heilmittelgesetz und seine Ausführungsbestimmungen entsprechen internationalen Standards. Das staatliche Marktzutritts- und Überwachungssystem stellt Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der in der Schweiz eingesetzten Heilmittel sicher.

Es leistet einen wesentlichen Beitrag zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier.

Diese Rahmenbedingungen ermöglichen den Patientinnen und Patienten einen gesicherten und relativ schnellen Zugang zu knapp 8 000 Humanarzneimitteln und zu rund 10 000 Medizinproduktarten. Für den Veterinärbereich sind ca. 700 Tierarzneimittel zugelassen. Zudem verfügt die Schweiz im Heilmittelbereich über eine leistungsfähige Industrie sowie über ein gut ausgebautes Vertriebs- und Abgabesystem.

Gewisse Ziele, die man sich beim Erlass des Heilmittelgesetzes gesetzt hatte, konnten aber entweder nicht vollständig oder erst mit Verzögerung erreicht werden. Dies gilt namentlich für: ­

die Versorgung der Bevölkerung mit einzelnen wichtigen Nischenpräparaten. Diese kann vorübergehend oder längerfristig gefährdet sein. Dieses Problem ist mit der vorgezogenen Revision des Heilmittelgesetzes (1. Etappe, Spitalpräparate) angegangen und gelöst worden4. Diese Gesetzesänderungen sind zusammen mit den entsprechenden Ausführungsbestimmungen des Bundesrates am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten. Bei der Versorgung mit Kinderarzneimitteln besteht aber weiterhin Handlungsbedarf.

­

den Aufbau des neuen Heilmittelinstitutes. Sowohl der Bundesrat als auch der Institutsrat trafen tiefgreifende Massnahmen, um die Situation zu verbessern. Eine dieser Massnahmen zur Stärkung des Instituts betrifft die Anpassung des Heilmittelgesetzes an die Leitlinien des Berichts des Bundesrates vom 13. September 2006 zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben5 (Corporate-Governance-Bericht).

Umstritten ist, inwieweit die heute geltenden Bestimmungen den Marktzutritt für Arzneimittel unverhältnismässig erschweren. Damit ist eine kontroverse Debatte verknüpft, welche Risiken die Gesellschaft dem Individuum zuzumuten bereit ist.

Einerseits wird wenig Verständnis dafür aufgebracht, dass Arzneimittel auch nach der Zulassung bisher unbekannte, unerwünschte Nebenwirkungen zeigen können.

Oftmals wird bei Vorfällen die Effizienz der Arzneimittelkontrolle in Frage gestellt, 3 4 5

Ebenda.

Siehe Botschaft des Bundesrates vom 28.2.2007 zur Änderung des Heilmittelgesetzes (Spitalpräparate), BBl 2007 2393 ff.

BBl 2006 8233 ff.

9

obwohl die Einschätzung des Risikoprofils eines Arzneimittels durch die Heilmittelbehörde zum Zeitpunkt der Zulassung eine Momentaufnahme ist und den zu diesem Zeitpunkt geltenden Stand von Wissenschaft und Technik widerspiegelt.

Andererseits gelten beispielsweise Arzneimittel der Komplementärmedizin oftmals als «sanfte Medizin» und werden somit generell als unproblematisch und wirksam wahrgenommen, obwohl auch solche Arzneimittel ein gewisses Gefährdungspotenzial aufweisen können.

Diese unterschiedliche Risikowahrnehmung hat die Diskussionen in Gesellschaft, Politik und Medien in den letzten Jahren wesentlich geprägt.

Zum Thema der vertretbaren Risiken gehört auch die Diskussion, inwieweit es bei Arzneimitteln, die bereits im europäischen Ausland zugelassen sind, einer erneuten Prüfung durch die Schweizer Zulassungsbehörde bedarf. Es wird argumentiert, dass eine zusätzliche Vereinfachung des Marktzutritts für diese Präparate den Abbau «unnötiger» technischer Handelshemmnisse erlaube, ohne dass dadurch die Gesundheit von Mensch und Tier gefährdet würde.

In einem im Rahmen der Botschaft zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse am 25. Juni 2008 verabschiedeten Bericht über die Vereinfachung bestehender Zulassungsverfahren (Bericht zur THG-Revision)6 hat der Bundesrat ein ganzes Paket an Massnahmen geschnürt, mit denen auch im Arzneimittelbereich die technischen Handelshemmnisse vermindert werden sollen.

Der Staat hat auch weiterhin ein begründetes Interesse daran, den Marktzugang von Arzneimitteln zu kontrollieren. Die vorhandenen knappen Ressourcen sollen jedoch effizienter als bisher zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier eingesetzt werden. Der Abbau unnötiger Anforderungen und die effizientere Gestaltung von Verfahren vermindern die administrativen Kosten für die Gesuchsteller wie auch für die zuständige Behörde. Gleichzeitig fördert die Erleichterung des Marktzutritts nicht nur den Warenaustausch mit dem Ausland, sondern stärkt auch den hiesigen Binnenmarkt. Ziel bleibt es, dass den Gesundheitsfachpersonen und den Patientinnen und Patienten ein vielfältiges Angebot an qualitativ hochstehenden, sicheren und wirksamen Arzneimitteln zu geringeren volkswirtschaftlichen Kosten zur Verfügung steht.

Im Zusammenhang mit der Festlegung der Publikumshöchstpreise
für Präparate der Spezialitätenliste 7 durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) stellte man sich des Weiteren die Frage, inwieweit die auf den verschiedenen Marktstufen gewährten Rabatte und Boni rechtlich zulässig und politisch wünschbar seien. Sowohl die von Artikel 33 HMG und Artikel 56 Absatz 3 KVG betroffenen Akteure als auch das Parlament verlangten eine Präzisierung der entsprechenden Bestimmungen.

Das Heilmittelgesetz regelt nicht nur den Marktzutritt für pharmazeutische Präparate, sondern auch die Berechtigung Arzneimittel abzugeben. Arzneimittel werden nicht nur in den Spitälern eingesetzt und in den öffentlichen Apotheken und Drogerien abgegeben. Die Präparate können unter gewissen Bedingungen auch über den Versandhandel sowie ­ je nach kantonalem Recht ­ in Arztpraxen bezogen werden.

6

7

10

Bericht über die Vereinfachung bestehender Zulassungsverfahren für bereits im Ausland nach gleichwertigen Vorschriften zugelassene Produkte, Anhang zur Botschaft zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse, BBl 2008 7367 ff.

Die Arzneimittel der Spezialitätenliste, eine Positivliste, werden im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergütet.

Diese Vielfalt an Vertriebskanälen führt über den entstehenden Wettbewerb zu Innovationen im Detailhandel und ermöglicht es den Patientinnen und Patienten sowie den Kostenträgern unter verschiedenen Abgabestellen auszuwählen. Gleichzeitig schränken staatliche Vorgaben wie das ärztliche Verschreibungsmonopol und die Einteilung von Arzneimitteln in Abgabekategorien diese Wahlfreiheit ein. Wenn diese gesetzlichen Verschreibungs- und Abgabeprivilegien dazu führen, dass die Arzneimittelsicherheit durch eine unerwünschte Mengenausweitung gefährdet und die interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Pharmakotherapie nicht optimal genutzt wird, ist die bestehende Regulierung zu hinterfragen.

Weiter vermochten die Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen in Bundesrats- oder Institutsverordnungen sowie deren Vollzug die Erwartungen von betroffenen Kreisen an das neue Heilmittelgesetz nicht immer zu erfüllen. Die Gewährung von relativ langen Übergangsfristen gerade bei kantonal registrierten Arzneimitteln oder im Bereich der Abgabekompetenzen verzögerte die Umsetzung des Willens des damaligen Gesetzgebers. Anstatt die Zeit für die notwendigen strukturellen Anpassungen zu nutzen, flammten Diskussionen zu Punkten auf, die eigentlich mit dem Erlass des Heilmittelgesetzes hätten geregelt sein sollen.

1.2

Ausgangslage und Analyse des Revisionsbedarfs in den verschiedenen Fachbereichen

1.2.1

Kinderarzneimittel

Weltweit bestehen Versorgungslücken bei Arzneimitteln für Kinder. Dies gilt auch für die Schweiz. Die Problematik ist sehr komplex, da nicht nur Fragen der Arzneimittelsicherheit, sondern auch besondere ethische Aspekte bei der Forschung mit Kindern zu berücksichtigen sind, namentlich die Problematik der Einwilligung urteilsunfähiger Kinder oder der mögliche Einfluss von Versuchen auf die Entwicklung von Kindern.

Eine medikamentöse Therapie kann zu schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen führen. Umso mehr ist eine Arzneimitteltherapie, deren Sicherheit nicht nachgewiesen ist, risikobehaftet. In der Kinderheilkunde liegen die notwendigen Informationen teilweise nicht vor, was zu Medikationsfehlern wie zum Beispiel zu falschen Dosierungen oder ungewollten Wechselwirkungen führen kann. Dies hat grosse Auswirkungen auf die Gesundheitskosten und ist vor allem Ursache individuellen Leids.

Weltweit werden deshalb Massnahmen zur Verbesserung der Arzneimitteltherapie in der Kinderheilkunde ergriffen. Die Notwendigkeit solcher Anstrengungen ist auch in der Schweiz unbestritten und findet eine breite Unterstützung bei den betroffenen Kreisen8.

In seiner Botschaft zur vorgezogenen Revision des Heilmittelgesetzes (1. Etappe, Spitalpräparate) hatte der Bundesrat festgehalten, dass das Thema Kinderarzneimittel aufgrund der oben beschriebenen Komplexität und der betroffenen Spezialge8

Siehe «Regelungsbedarf in der Schweiz betreffend wirksamer, sicherer und qualitativ hochwertiger Arzneimittel in der Pädiatrie ­ Konsultationsbericht», Bundesamt für Gesundheit, 2007, www.bag.admin.ch/themen/medizin/00709/04670/04677/index.html?lang=de.

11

setzgebungen (Humanforschungsgesetz, Patentgesetz) im Rahmen der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes (2. Etappe) aufgenommen wird. Dabei werde auch geprüft, inwieweit eine Übernahme der Bestimmungen der EU sinnvoll sei9. In Europa sind diesbezüglich verschiedene Massnahmen (Schaffung von Pflichten und Anreizen) getroffen worden (vgl. die Verordnung (EG) Nr. 1901/200610; vgl. ferner die Verordnung (EG) Nr. 141/2000).

Die vorliegende Revisionsvorlage soll sicherstellen, dass Fortschritte in der Medizin nicht nur den Erwachsenen zugutekommen, sondern auch in der Pädiatrie umgesetzt werden können. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei Kindern um eine speziell schutzbedürftige Bevölkerungsgruppe handelt. Somit wird der Motion Heim (08.3365) «Arzneimittelsicherheit bei Kindern fördern» entsprochen, die konkrete Massnahmen und die notwendigen Rechtsgrundlagen zur Förderung und Stärkung der Arzneimittelsicherheit bei Kindern verlangt.

Die Rendite, welche die pharmazeutische Industrie aus der Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel für pädiatrische Anwendungen bisher erzielen konnte, reichten als Stimulus nicht aus, genügend kindergerechte Arzneimittel auf den Markt zu bringen. Daher mussten neue Lösungsansätze gesucht werden. Im Rahmen eines neuen, international akzeptierten Konzepts (EU, USA) wurde daher als Anreiz insbesondere eine Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats von sechs Monaten eingeführt. Dies kann bei einem umsatzstarken Arzneimittel zu einem bis zu einer Milliarde Dollar höheren Umsatz führen. Die alleinige Gewährung eines Anreizes hat in den USA zwar dazu geführt, dass mehr Arzneimittel an Kindern getestet wurden. Gleichzeitig wurden Kinder aber unnötigen Prüfungen ausgesetzt.

Die Verlängerung der Dauer des ergänzenden Schutzzertifikats wurde auf europäischer Ebene aus diesem Grunde mit der Verpflichtung verbunden, Arzneimittel für Kinder zu entwickeln und dafür eine gesamthafte Planung zur Entwicklung des Arzneimittels in der Pädiatrie (pädiatrisches Prüfkonzept) der zuständigen Behörde zur Genehmigung vorzulegen.

Das Heilmittelgesetz soll nun diesem europäischen Standard angepasst werden, damit auch die Kinder in der Schweiz von neuen Entwicklungen profitieren können.

Neben speziellen Anforderungen im Rahmen eines pädiatrischen Prüfkonzepts bei der Zulassung,
begleitet von einer entsprechenden Abgeltung des Zusatzaufwandes, ist die Sammlung von vorhandenen Informationen sowie deren Verfügbarkeit und Transparenz (Schaffung einer nationalen Datenbank in der Arzneimitteltherapie im Bereich der Pädiatrie) voranzutreiben. Ebenfalls sind Vorkehrungen zu treffen, um die Erhältlichkeit von Kinderarzneimitteln möglichst langfristig sicherzustellen.

9 10

12

Botschaft zur Änderung des Heilmittelgesetzes (Spitalpräparate), BBl 2007 2405.

Die vollständige Bezeichnung und die Fundstelle dieser EG-Verordnung ist im Verzeichnis der europäischen Verordnungen und Richtlinien auf S. 4 zu finden; dies gilt auch für alle nachfolgend aufgeführten Verordnungen und Richtlinien der EU.

1.2.2

Regelung des vereinfachten Zulassungsverfahrens

Allgemeines Am 1. Oktober 2006 sind die letzten Ausführungsbestimmungen zur vereinfachten Zulassung von Arzneimitteln und zur Zulassung von Arzneimitteln im Meldeverfahren in Kraft getreten.

Sowohl in der politischen Diskussion als auch von den direkt betroffenen Kreisen sind aber wiederholt weitere Vereinfachungen des Marktzutritts für Arzneimittel gefordert worden. Dies betrifft zum einen Arzneimittel, die bereits im Ausland zugelassen sind. Zum anderen handelt es sich um Präparate, die beim Institut zur Zulassung eingereicht werden, um sie danach erstmalig in Verkehr zu bringen.

Verschiedene parlamentarische Vorstösse stellen die geltenden Bestimmungen zur (vereinfachten) Zulassung in Frage.

Im Bericht zur THG-Revision11 hat der Bundesrat unter anderem folgende Massnahmen zur Vereinfachung des Marktzutritts für Arzneimittel, die bereits im Ausland zugelassen sind, beschlossen: ­

Ausführungsbestimmungen zu Artikel 13 HMG für Human- und Tierarzneimittel: Berücksichtigung von Ergebnissen ausländischer Prüfungen bereits im Ausland zugelassener Arzneimittel und Verfahren;

­

Einfuhr patentgeschützter Arzneimittel, bei denen der Patentschutz für die funktionelle Beschaffenheit der Erzeugnisse von untergeordneter Bedeutung ist;

­

Spitalpräparate: Erleichterungen in Bezug auf Amtssprachen für Fach- und Patienteninformationen.

Der Auftrag des Bundesrates wurde im Rahmen des Heilmittelverordnungspaketes III (HMV III)12 umgesetzt: ­

die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 13 HMG wurden konkretisiert;

­

die sprachlichen Anforderungen bei Spitalpräparaten reduziert;

­

die Einfuhr von im Ausland bereits zugelassenen Arzneimitteln nach Artikel 36 der Arzneimittel-Bewilligungsverordnung vom 17. Oktober 2001 (AMBV)13 für Spitäler erleichtert.

Ebenfalls im HMV III-Paket wurden ­ aufgrund der 1. Etappe der HMG-Revision ­ die Rahmenbedingungen zur Herstellung von Arzneimitteln präzisiert, die keine Zulassung durch das Institut benötigen. Die Situation bei den Spitalpräparaten soll erneut überprüft werden, sobald ausreichende Erfahrungen mit den Auswirkungen der 1. Etappe der HMG-Revision vorliegen.

Eine weitere Massnahme zur Vereinfachung des Marktzutritts hat das Parlament mit der im Rahmen der Patentrechtsrevision beschlossenen Streichung von Artikel 14 Absatz 3 HMG14 umgesetzt. Damit hat es klargestellt, dass eine vereinfachte Zulassung von parallel importierten Arzneimitteln ungeachtet allenfalls noch bestehender 11 12 13 14

Siehe Fussnote 6.

Dieses Revisionspaket ist am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten.

SR 812.212.1 Vgl. entsprechender Beschluss vom 19.12.2008, BBl 2009 201. Die Änderungen sind am 1.7.2009 in Kraft getreten (AS 2009 2615).

13

Patentansprüche erfolgen können soll. Patentrechtliche Ansprüche sind damit nicht mehr im Zulassungsverfahren, sondern vor dem Bundespatentgericht geltend zu machen.

Da die Regelung im geltenden Recht als zu wenig weit gehend erachtet wird, wurden verschiedene politische Vorstösse eingereicht, um die Rechtslage anzupassen15.

Handlungsbedarf ist demnach insbesondere bei Arzneimitteln der Komplementärmedizin sowie bei alt kantonal registrierten Arzneimitteln gegeben.

Arzneimittel der Komplementärmedizin Die in den letzten Jahren geführten Diskussionen zu Fragen des Heilmittelrechts und der Komplementärmedizin haben gezeigt, dass die in der Komplementärmedizin angewendeten, auf einem speziellen Therapieprinzip basierenden Heilmethoden im Parlament wie in der Bevölkerung breite Anerkennung finden. Gleiches gilt für die in den betreffenden Therapien eingesetzten Arzneimittel für Mensch und Tier.

Auf Basis der vom Parlament an den Bundesrat überwiesenen Vorstösse sollen weitere Erleichterungen bei der (vereinfachten) Zulassung von Arzneimitteln beziehungsweise eine Befreiung von der Zulassungspflicht vorgesehen werden. Als Ansatz soll eine Regelung dienen, die bereits auf Gesetzesstufe zwischen Arzneimitteln mit Indikationsangabe und Komplementärarzneimitteln ohne Indikationsangabe unterscheidet. Bei letztgenannten wird das Anwendungsgebiet von der Therapeutin oder vom Therapeuten erst im Rahmen der Behandlung festgelegt und nicht bereits durch das Institut im Rahmen der Zulassung genehmigt.

Regelung der alt kantonal zugelassenen Arzneimittel Die Beratungen der parlamentarischen Initiative Kleiner (07.424) «Heilmittelgesetz.

Vereinfachte Zulassung der Komplementärmedizin konkretisieren» haben gezeigt, dass Präparate, die bei Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes in einzelnen Kantonen verkehrsfähig waren, dies auch ­ entgegen dem Willen des historischen Gesetzgebers (vgl. die heutige Regelung in Art. 95 Abs. 2 HMG) ­ weiterhin sein sollten.

Dieser Ansatz wurde durch den Ständerat zwar verworfen, doch beschloss er im Rahmen der 1. Etappe der HMG-Revision eine Verlängerung der Übergangsbestimmungen (Art. 95 Abs. 2 HMG). Dies sollte die Gelegenheit schaffen, das Schicksal der altrechtlichen, kantonal zugelassenen (bzw. nach altrechtlichem Sprachgebrauch «kantonal registrierten») Präparate im Rahmen
der vorliegenden Revisionsarbeiten nochmals grundsätzlich zu überdenken. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich die mit Artikel 95 Absatz 2 HMG verbundenen Erwartungen nicht erfüllt haben, wonach die Inhaberinnen kantonaler Zulassungen innerhalb der grosszügig bemessenen Übergangsfrist von sieben Jahren die nötigen Dokumentationen erstellen und für ihre Präparate eine Zulassung beantragen würden. Wohl wurden für etliche vormals kantonal zugelassene Arzneimittel Zulassungsgesuche beim Institut eingereicht und auch Zulassungen erteilt, der überwiegenden Mehrheit

15

14

Vgl. Mo. Kleiner (05.3391), Erleichterte Zulassung von in EU-Ländern zugelassenen OTC-Produkten (OTC: «Over the counter», d.h. nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel der Abgabekategorien C, D und E); Pa. Iv. Kleiner (07.424), Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Heilmittel der Komplementärmedizin konkretisieren; Mo. Wehrli (07.3274), Faire Chancen für die Komplementärmedizin; Mo. SGK-N (06.3413), Zulassungspraxis von Swissmedic (1); Mo. Leutenegger Oberholzer (06.3786), Liberalisierung des Heilmittelhandels.

der Zulassungsinhaberinnen erschien der Aufwand für die Erstellung einer solchen Dokumentation aber als unverhältnismässig hoch.

Für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Heilmittelgesetzes noch bestehenden kantonalen Zulassungen, mehrheitlich des Kantons Appenzell-Ausserrhoden, wurden zwei verschiedene Lösungsansätze in die Vernehmlassung geschickt. Diese unterschieden sich im Wesentlichen darin, dass der eine Vorschlag einen Rücktransfer der Kompetenzen an die Kantone vorsah (Variante A), während der andere Vorschlag an der Ablösung der alt kantonalen Registrierungen durch eine Zulassung des Instituts festhielt (Variante B).

1.2.3

Geldwerte Vorteile

Allgemeines Die heutige Fassung von Artikel 33 HMG verbietet es, Personen, die Arzneimittel verschreiben oder abgeben, geldwerte Vorteile anzubieten. Diese Personen dürfen auch keine geldwerten Vorteile fordern oder annehmen. Artikel 56 Absatz 3 Buchstabe b des Bundesgesetzes vom 18. März 199416 über die Krankenversicherung (KVG) sieht vor, dass der Leistungserbringer dem Schuldner der Vergütung die direkten oder indirekten Vergünstigungen weiterzugeben hat, die ihm Personen oder Einrichtungen gewähren, welche Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände liefern.

Das Vorteilsverbot nach Artikel 33 HMG begründet sich damit, dass geldwerte Vorteile wie zum Beispiel Warenboni, Reisen, Einladungen, Geschenke oder Gratismuster Fachpersonen, die Arzneimittel verschreiben, abgeben oder anwenden, so beeinflussen können, dass sie zu viele Arzneimittel oder solche mit einem ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis einsetzen. Unter Umständen gefährdet dieses Verhalten die Arzneimittelsicherheit, führt zu einer suboptimalen Versorgung mit Arzneimitteln und beeinträchtigt die Gesundheit oder das Leben von Mensch und Tier.

Gleichzeitig erhöhen sich die Kosten im Gesundheitswesen.

Bei der Überweisung der Botschaft zum Heilmittelgesetz war der Bundesrat der Auffassung, dass Preisvorteile im wettbewerblichen Umfeld dennoch möglich sein sollten17. Zum einen bedeutet dies, dass auch im Heilmittelgesetz am Grundsatz des regulierten Wettbewerbs festgehalten und damit etwa auf ein staatliches Verbot von Rabatten verzichtet wird. Zum anderen sollen im Arzneimittelmarkt Preisvorteile entweder dem selbstzahlenden Patienten direkt zugutekommen, oder aber sich indirekt via Rabatte an die Krankenversicherer in der Prämienhöhe niederschlagen.

Im Rahmen der parlamentarischen Debatte wurde daher das grundsätzliche Verbot der Gewährung und Annahme von geldwerten Vorteilen durch zwei Ausnahmebestimmungen eingeschränkt. Zulässig sind demnach:

16 17

­

geldwerte Vorteile von bescheidenem Wert, die für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang sind (Art. 33 Abs. 3 Bst. a HMG),

­

handelsübliche und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte, die sich direkt auf den Preis auswirken (Art. 33 Abs. 3 Bst. b HMG).

SR 832.10 BBl 1999 3519

15

Seit ihrem Inkrafttreten sind diese Bestimmungen wiederholt kontrovers diskutiert worden. Bereits unmittelbar nach dem Erlass des Gesetzes war umstritten, wie der Begriff der handelsüblichen und betriebswirtschaftlich gerechtfertigten Rabatte, die sich direkt auf den Preis auswirken, auszulegen sei. Als die damals übliche Rabattgewährung der pharmazeutischen Industrie an die Spitäler ins Stocken geriet, wurden zahlreiche parlamentarische Vorstösse eingereicht18. Die Preisüberwachung und die Wettbewerbskommission befassten sich zudem mit verschiedenen Beschwerden von Spitalapotheken öffentlicher Spitäler. Mitte 2003 reichten die Kantone Genf und Wallis Standesinitiativen19 ein, mit denen Artikel 33 HMG präziser gefasst werden sollte.

Auch das Institut als Vollzugsbehörde bemühte sich um Klärung, indem es im November 2003 Richtlinien über die Zulässigkeit von Rabatten im Rahmen von Artikel 33 Absatz 3 Buchstabe b HMG veröffentlichte20. Im Januar 2006 folgte eine weitere Richtlinie des Instituts, diesmal zur Frage der Unterstützung der Weiter- und Fortbildung von Medizinalpersonen durch die Pharmaindustrie21.

Die Wettbewerbskommission kam 2005 zum Schluss, dass sich die Rabatte im Spitalkanal normalisiert hatten. Daraufhin stellte sie die eingeleiteten Vorabklärungen wieder ein. Mit der Normalisierung der Rabatte waren auch die ursprünglichen Ziele der beiden Standesinitiativen erreicht worden, weshalb sie vom Parlament abgeschrieben wurden. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats hielt die Grundsatzproblematik der Gewährung von geldwerten Vorteilen, nicht zuletzt auch im ambulanten Bereich, jedoch für noch nicht befriedigend gelöst.

Sie beauftragte daher den Bundesrat, eine Regelung vorzuschlagen, die Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von Rabatten, die im Rahmen der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden22. Einen weiteren Auftrag erhielt der Bundesrat mit einer Motion der CVP/EVP/glp-Fraktion23, die verlangt, dass über das Krankenversicherungsgesetz Grundlagen für die Unabhängigkeit und die Schaffung von Transparenz bei der Abgabe und Verschreibung von Arzneimitteln geschafft werden. Damit wird offensichtlich, wie eng die Bestimmungen des Heilmittelgesetzes und des Krankenversi18

19 20

21

22 23

16

Mo. Leuthard (01.3582), Weitergabe der Preisvorteile bei Arzneimittelmustern; Ip. Maury Pasquier (02.3139), Zusätzliche Vergünstigungen für die Pharmaindustrie?; Po. Robbiani (02.3237), Rabatte auf den Medikamenten für Spitäler; Po. Günter (02.3657), Heilmittelgesetz. Teure Probleme mit Artikel 33.

Kt. Iv. GE (03.308) bzw. Kt. Iv. VS (03.310), Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte. Artikel 33.

Zulässigkeit von Rabatten im Rahmen von Artikel 33 Absatz 3 Buchstabe b des Heilmittelgesetzes (15.11.2003); www.swissmedic.ch/marktueberwachung/ 00091/00241/01468/index.html?lang=de.

Zum Verbot des Versprechens und Annehmens geldwerter Vorteile gemäss Artikel 33 des Heilmittelgesetzes insb. in Zusammenhang mit der Unterstützung der Weiter- und Fortbildung von Medizinalpersonen durch die Pharmaindustrie (15.01.2006); www.swissmedic.ch/marktueberwachung/00091/00241/01468/ index.html?lang=de.

Mo. SGK-S (06.3420), Klärung von Artikel 33 des Heilmittelgesetzes.

Mo. Nationalrat/Fraktion C (05.3016), Unabhängigkeit bei der Verschreibung und Abgabe von Medikamenten; sie fordert, dass finanzielle Anreize für Personen, die Arzneimittel verschreiben oder abgeben, verhindert werden, ebenso wie Beeinflussungen durch Hersteller oder Importeure. Rabatte und Vergünstigungen seien zugelassen, aber auszuweisen. Die Weitergabe an die Versicherten sei in Verträgen zu regeln. Der Bundesrat hatte sich gegen die Motion ausgesprochen, weil die Forderungen der Motion bereits mit Art. 33 HMG und Art. 56 Abs. 3 KVG umgesetzt waren.

cherungsgesetzes bei der Gewährung und Weitergabe von geldwerten Vorteilen beziehungsweise Vergünstigungen verbunden sind.

Mit Urteil vom 12. April 2012 hat das Bundesgericht nun entschieden, dass aus Artikel 33 Absatz 3 Buchstabe b HMG keine Pflicht zur Weitergabe von Rabatten abgeleitet werden kann. Diese Bestimmung sei vielmehr «so zu interpretieren, dass Rabatte transparent gewährt werden sollen, damit ohne weiteres geklärt werden kann, ob es sich um handelsübliche und betriebswirtschaftlich gerechtfertigte Rabatte handelt»24.

Einfluss von vorgelagerten Regulierungen Die Debatten in den eidgenössischen Räten zu diesen Vorstössen zeigen, wie unterschiedlich die Probleme der geldwerten Vorteile und die hierfür notwendigen Lösungen in der Politik beurteilt werden. Regelmässig werden die geldwerten Vorteile mit der Höchstpreissetzung durch das BAG für Arzneimittel der Spezialitätenliste, der Regelung des Versandhandels und der Frage der Selbstdispensation in Verbindung gebracht. Dies ist nicht weiter erstaunlich, da es sich bei Artikel 33 HMG um eine sogenannte Sekundärregulierung25 handelt. Diese dient der Korrektur von unerwünschten Wirkungen von Primärregulierungen, die ihrerseits zur Erreichung von ökonomischen (Behebung Marktversagen), gesundheits- (Verschreibungspflicht für Arzneimittel) und sozialpolitischen Zielen (flächendeckende Versorgung) vorgenommen werden. Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise der Einfluss des Kontrahierungszwangs, der Verschreibungspflicht für gewisse Arzneimittel (Kategorien A und B) sowie des Verschreibungsmonopols der Ärztinnen und Ärzte als Primärregulierungen bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Artikel 33 HMG (und letztlich auch von Art. 56 Abs. 3 KVG) zu berücksichtigen ist.

Eine vom BAG in Auftrag gegebene Studie zu den Auswirkungen der heutigen Regulierung in Artikel 33 HMG (Infras-Studie26) zeigt, wie komplex das Thema der geldwerten Vorteile ist und wie unterschiedlich die Problematik und die Lösungsvarianten von den Akteuren des Arzneimittelmarktes beurteilt werden. Divergenzen existieren bereits bei der Einschätzung, ob es überhaupt Probleme gibt und, wenn ja, ob sie eher auf ein Regulierungsversagen oder ein Vollzugsversagen zurückzuführen sind. Genauso unterschiedlich sind die Äusserungen zum Ausmass der geldwerten Vorteile. Die einen sehen
eine geringe Relevanz des Themas, andere schätzen die Grössenordnung auf bis zu 20 Prozent des Arzneimittelumsatzes (ca. 1,2 Mia. Franken). Dass das genaue Ausmass der geldwerten Vorteile nicht bestimmt werden kann, hat einerseits mit der fehlenden Transparenz am Markt, andererseits auch mit der Interessenlage der befragten Rechtsunterworfenen zu tun. Auch den Behörden liegen keine entsprechenden Daten für den Gesamtmarkt vor.

Weitgehend Einigkeit besteht unter den im Rahmen der Infras-Studie befragten Akteuren offenbar bei folgenden Punkten: ­

24 25 26

Die Frage der Weitergabe der Rabatte, die stark ins Thema der Preisbildung bei Medikamenten der Spezialitätenliste reicht, sei ein Fremdkörper im Heilmittelgesetz.

Urteil des Bundesgerichts vom 12.4.2012 (2C_92/2011).

Auch Regulierung der zweiten Stufe genannt.

«Abschätzung der Regulierungsfolgen von Artikel 33 HMG und mögliche Lösungsansätze», Infras, 2009, im Auftrag des BAG.

17

­

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sollten nicht unter den Tatbestand von Artikel 33 HMG fallen; denn nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel verursachen beim Institut einen überdurchschnittlich hohen Aufwand, ohne dass das Institut eine Gefährdung der Arzneimittelsicherheit festgestellt hätte.

­

Der Vollzug sollte bei einer anderen Behörde als dem Institut angesiedelt sein. Nach Ansicht der Befragten sprechen zu viele Gründe gegen einen weiteren Vollzug durch das Institut. Das Institut habe eine gesundheitspolizeiliche Funktion; es fehlten Kompetenzen zur Beurteilung von Rabatten und Boni, die Elemente der Preisfestsetzung sind. Weiter lasse das Institut Arzneimittel zu und finanziere sich weitergehend aus Gebühren der pharmazeutischen Industrie, sodass ein Interessenkonflikt resultiere (sogenanntes «Institutional-capture»-Problem).

­

Die für einen Verstoss gegen Artikel 33 HMG (als Übertretungstatbestand) vorgesehene Sanktion sei zu schwach, als dass sie eine abschreckende Wirkung hätte.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob eine staatliche Regulierung überhaupt noch notwendig ist oder ob der Markt sich selbst regulieren kann. Aufgrund der Analyse der Situation vor dem Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes wird ersichtlich27, dass die damalige privatrechtliche Vereinbarung auf die freiwillige Kooperation der Marktteilnehmer angewiesen war. Pharmazeutische Unternehmen, die nicht Mitglieder dieser Branchenvereinbarung waren, konnten sich im Gegensatz zu den Mitgliedern als Trittbrettfahrer des Systems mit hohen Rabatten bei Spitälern sowie Ärztinnen und Ärzten profilieren. Um nicht einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden, begannen auch Mitglieder, unzulässige Vergünstigungen zu gewähren. Damit wurde die Branchenvereinbarung nicht mehr eingehalten und das System verlor seine Stabilität. Zudem eröffnete die Wettbewerbskommission eine Untersuchung über die kartellrechtliche Zulässigkeit dieser Absprache. Eine Rückkehr zur Selbstregulierung der Branche ist demzufolge kaum zielführend und somit auszuschliessen.

Artikel 33 HMG hat seine Wirkung gezeigt, indem sich das Ausmass der Beiträge der pharmazeutischen Industrie an die persönliche Weiterbildung von Medizinalpersonen seit Bestehen des Heilmittelgesetzes deutlich reduziert hat. Zudem fände eine ersatzlose Streichung dieser Bestimmung voraussichtlich keine ausreichende politische Unterstützung.

Vollzugsdefizit bei Art. 56 Abs. 3 KVG Artikel 56 KVG sieht keine ausdrückliche Kompetenz des Bundesrates vor, Einzelheiten zur Pflicht, erhaltene Vergünstigungen weiterzugeben, zu regeln. Vielmehr ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Versicherer als Durchführungsorgane der obligatorischen Krankenpflegeversicherung letztendlich die Kontrolle der wirtschaftlichen und korrekten Tätigkeit der Leistungserbringer ausüben. Zur Erfüllung dieser Aufgabe sieht Artikel 42 KVG vor, dass die Leistungserbringer dem Honorarschuldner (versicherte Person oder Krankenversicherer) alle Angaben machen müssen, die dieser benötigt, um die Berechnung der Vergütung und die Wirtschaftlichkeit der Leistung überprüfen zu können. Wird die Vergünstigung nicht weitergegeben, so kann nach Artikel 56 Absatz 4 KVG die versicherte Person oder der Versicherer deren Herausgabe verlangen. Im System des «Tiers garant» kann sich 27

18

Siehe Infras-Studie (Fussnote 26).

die versicherte Person bei der Geltendmachung dieses Anspruchs durch ihren Versicherer auf dessen Kosten vertreten lassen (Art. 56 Abs. 2 i.V.m. Art. 89 Abs. 3 KVG). Erfüllen Leistungserbringer wiederholt ihre Verpflichtungen nicht, so kann im Sinne einer «Ultima Ratio» ein Versicherer beim Schiedsgericht nach Artikel 89 KVG den Ausschluss von der Tätigkeit zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verlangen (Art. 59 KVG).

Mit Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes wurde die Nichtweitergabe von Vergünstigungen als strafrechtliches Vergehen definiert (Art. 92 Bst. d KVG). Auf den 1. Januar 2005 wurde zudem Artikel 59 KVG insoweit verstärkt, als nicht nur ein eigentlicher Ausschluss, sondern auch Verwarnungen und Bussen vorgesehen werden können.

Dennoch ist festzustellen, dass das Regelwerk in der Praxis nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Die Gründe für diese mangelnde Wirkung dürften unterschiedlich sein. Ganz offensichtlich scheint es für die Versicherer eine zu grosse Hürde zu sein, gesicherte Informationen zu den Einkaufsbedingungen der Leistungserbringer zu erhalten. Dies dürfte nicht zuletzt auf ihre fehlenden Kompetenzen zur Einholung dieser Informationen und damit verbunden des Beweismaterials zurückzuführen sein. Zudem werden Vergünstigungen oft in kollektiver Form gewährt. Insbesondere beim Einkauf von Arzneimitteln werden den Leistungserbringern Vergünstigungen gewährt, die nicht ohne Weiteres individualisiert und an den Schuldner der Vergütung (Versicherer oder versicherte Person) weitergegeben werden können. Es handelt sich dabei beispielsweise um finanzielle Beteiligungen des Leistungserbringers am erzielten Jahresumsatz in Abhängigkeit des Bestellvolumens (Jahresboni) oder um andere Formen finanzieller Unterstützung (z. B. Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen und Kongressen). Eine Weitergabe der Vergünstigung ist indessen in anderen Fällen nicht oder nur mit erheblichem Aufwand (z. B. bei einer nachträglichen Individualisierung von Jahresboni) möglich. Daher hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 15. September 2004 zur Änderung des Krankenversicherungsgesetzes im Bereich Managed Care28 vorgeschlagen, dass die gewährten Vergünstigungen zumindest der gesamten Versichertengemeinschaft zugutekommen, indem sie der Gemeinsamen Einrichtung nach Artikel 18 KVG29
überwiesen werden und so zur Deckung von bei der Durchführung der Krankenversicherung anfallenden Kosten dienen. Die Verwaltung dieser Gelder wird der Gemeinsamen Einrichtung übertragen. Der Bundesrat bestimmt über die Verwendung dieser Gelder. Diese Regelung wurde bereits im Jahr 2000 auf freiwilliger Basis eingeführt; es wurde ein Fonds errichtet sowie ein Konto eröffnet. Bisher gab es jedoch nur zwei Einzahlungen (beide Male vom gleichen Leistungserbringer) auf dieses Konto.

Es besteht daher ein eigentliches Vollzugsdefizit, da die Versicherer kaum gegen Leistungserbringer vorgehen, die Artikel 56 Absatz 3 nicht einhalten.

Notwendigkeit der Verbesserung der Regulierung und des Vollzugs Um die Regulierung zu optimieren und den Vollzug effizienter und effektiver zu gestalten, braucht es ein Reihe von Massnahmen: Stärkung der Transparenz unter Einbezug der Medizinprodukte, Verbot von Naturalrabatten, Beschränkung des Vorteilsverbotes auf die verschreibungspflichtigen Arzneimittel, Verschärfung der 28 29

BBl 2004 5599 Diese Einrichtung nimmt unter anderem Aufgaben im Risikoausgleich oder bei der Umverteilung von Reserven zwischen den Krankenversicherern wahr.

19

Strafbestimmung und Angleichung an das neue Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs sowie die Bündelung des Vollzugs beim BAG. Als weitere Massnahme wurde in der Vernehmlassungsvorlage eine Einschränkung der ärztlichen Arzneimittelabgabe vorgeschlagen, um so die Gefahr einer Beeinflussung des Verschreibungs- und Abgabeverhaltens von selbstdispensierenden Ärztinnen und Ärzten durch geldwerte Vorteile zu bannen.

1.2.4

Abgabe von Arzneimitteln

Das Heilmittelgesetz unterstellt die Abgabe von Arzneimitteln einer kantonalen Bewilligung und legt die Abgabekompetenzen der Fachpersonen in Bezug auf Arzneimittel fest. Um die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, wird der Marktzutritt kontrolliert und der Zugang zu den Präparaten eingeschränkt. Bei der Zulassung werden die Arzneimittel nach Gefährdungspotenzial in verschiedene Abgabekategorien eingeteilt. Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen werden grundsätzlich zuerst der Verschreibungspflicht unterstellt. Liegt genügend Erfahrung mit dem Präparat vor, so hat die Zulassungsinhaberin heute die Möglichkeit, ein Gesuch zur Umteilung des Präparats in die Selbstmedikation zu stellen. Dabei können auch wirtschaftliche Überlegungen der Zulassungsinhaberin ein entsprechendes Gesuch beeinflussen.

Die bestehenden Regelungen des Heilmittelgesetzes erschweren nach Ansicht des Parlaments die Selbstmedikation unnötig30. Aus diesem Grund hat es den Bundesrat beauftragt, der Bundesversammlung eine Änderung des Heilmittelgesetzes vorzulegen, welche die Regelung der Selbstmedikation vereinfacht und vorhandene Fachkompetenz bei der Abgabe von Arzneimitteln besser ausschöpft. Der Bundesrat soll erstens die Abgabe von Arzneimitteln der geltenden Abgabekategorie B erleichtern, zweitens die geltende Abgabekategorie D erweitern, drittens die Abgabekategorie C aufheben und viertens die Grenze zwischen den Kategorien von Arzneimitteln mit und ohne Verschreibungspflicht flexibler ausgestalten, ohne dass die Behandlungssicherheit beeinträchtigt wird.

In seinem Bericht zur THG-Revision31 beschloss der Bundesrat deshalb unter anderem, die Vorschriften zur Ein- und Umteilung von Arzneimitteln anzupassen mit dem Ziel, die Selbstmedikation zu vereinfachen. Bei einer Erneuerung der Zulassung oder anschliessend im Rahmen von regelmässigen Revisionsverfahren soll das Institut Arzneimittel von Amtes wegen kohärent und konsistent umteilen können und die Fach- und Patienteninformation anpassen, namentlich wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das Produkt vorliegen.

Um eine konsistente Einteilung der Arzneimittel in die verschiedenen Abgabekategorien zu garantieren und die vorhandene Kompetenz der Fachpersonen in der Selbstmedikation optimal zu nutzen, sind eine Reihe von Anpassungen nötig: Erweiterung der Abgabekompetenzen
für Apothekerinnen, Apotheker, Drogistinnen und Drogisten, Verbesserung der Möglichkeiten des Instituts bei der selbstständigen Umteilung von Arzneimitteln sowie die Anpassung der Einteilungskriterien für die Abgabekategorien.

30 31

20

Vgl. Mo. SGK-N (07.3290), Neue Regelung der Selbstmedikation sowie Pa.Iv. Borer (05.410), Einheitliche Regelung der Selbstmedikation.

Siehe Fussnote 6.

1.2.5

Good Corporate Governance

Das Institut wurde mit dem Heilmittelgesetz gegründet und nahm seine Tätigkeit am 1. Januar 2002 auf. Es ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und in seiner Organisation und Betriebsführung selbstständig; es verfügt über eine eigene Finanzierung und führt eine eigene Rechnung. Zudem ist es im Handelsregister eingetragen32. Das Institut wird ­ neben dem Bundesgesetz und den entsprechenden Ausführungsbestimmungen ­ vor allem über zwei Instrumente gesteuert: über einen vierjährigen Leistungsauftrag, der zwischen dem Bund (vertreten durch den Bundesrat) und dem Institut (vertreten durch den Institutsrat) vereinbart wird, sowie über einjährige Leistungsvereinbarungen, die zwischen dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) und dem Institutsrat abgeschlossen werden und die Vierjahresziele für die einzelnen Jahre genauer festlegen.

Nach den ersten sechs Monaten seiner Tätigkeit erstellte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) einen Bericht über das Institut33. Dieser Bericht, der im Oktober 2002 veröffentlicht wurde, zeigte ernsthafte Schwierigkeiten sowohl in der Geschäftsführung als auch in der Organisation des Instituts auf und enthielt eine Reihe von Empfehlungen zur Behebung dieser Probleme. Im Anschluss an den Bericht der EFK beschloss die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S), das Bestehen und das Ausmass dieser Missstände zu klären. Nach einer mehrmonatigen Untersuchung reichte sie im August 2004 einen Bericht ein, der sieben Empfehlungen zuhanden des EDI und des Bundesrates enthielt34. Diese sieben Empfehlungen bezogen sich vor allem auf die Aufteilung der Zuständigkeiten und die Verfahren zwischen dem Institut und dem BAG sowie auf die Kontroll- und Koordinationsfunktion der Bundesbehörden gegenüber dem Institut.

Ab 2003, im Anschluss an den Bericht der EFK, leiteten das EDI sowie der Institutsrat die notwendigen Reformen ein, die in mehreren Etappen durchgeführt wurden (Anpassung der Direktion, vollständige Umstrukturierung der Prozesse und Produkte des Instituts). Nachdem die GPK-S seit 2004 mehrere Kontrollen und Folgebesuche im Institut vorgenommen hatte, erklärte sie sich Anfang 2009 mit den erreichten Fortschritten zufrieden und schloss ihre Untersuchung offiziell ab.

Eine der sieben Empfehlungen der GPK-S bezog sich auf eine
Vereinheitlichung der Analysen, die zur Auslagerung von Bundesstellen führen, da die Kommission festgestellt hatte, dass die verschiedenen Departemente diesbezüglich heterogene Kriterien anwenden. Im Hinblick darauf reichte die GPK-S ein Postulat ein, das im November 2004 vom Bundesrat und im März 2005 vom Ständerat angenommen wurde.

Im September 2006 verabschiedete der Bundesrat als Antwort auf dieses Postulat den Corporate-Governance-Bericht35, der ein standardisiertes Analyseraster für die Auslagerung von Bundesstellen sowie 28 Leitsätze enthält, die von diesen Stellen

32 33 34 35

Die Mitglieder des Institutsrates und der Direktion sind dort ebenfalls aufgeführt.

Eidgenössische Finanzkontrolle, Bericht an die Swissmedic über die Geschäftsführung der Swissmedic im 1. Semester 2002, Bern, Oktober 2002.

Probleme von Swissmedic anlässlich der Inbetriebnahme und Beurteilung der heutigen Lage. Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates; BBl 2005 273 ff.

Fundstelle siehe Fussnote 5.

21

angewandt werden müssen36. Daraufhin überprüfte das EDI die Erfüllung dieser Leitsätze durch seine Stellen, die bereits ausgelagert (Swissmedic, Pro Helvetia, Landesmuseum, Suva, Rat der Eidgenössischen Technischen Hochschulen) oder nicht ausgelagert waren (die Bundesämter des EDI). Im Fall des Schweizerischen Heilmittelinstituts wurde in diesem Zusammenhang eine Reihe von Mängeln festgestellt. Zu erwähnen sind beispielsweise: ­

die fehlende Möglichkeit, die Mitglieder des Institutsrats während ihrer Amtsdauer abzuberufen;

­

den Erlass der Gebührenverordnung in ausschliesslicher Kompetenz des Institutsrates, ohne Genehmigungsvorbehalt des Bundesrats;

­

die Genehmigung des Geschäftsberichts durch das EDI statt durch die Landesregierung; und

­

die Entlastung des Institutsrats durch das EDI statt durch den Bundesrat.

Einige der festgestellten Mängel konnten bereits durch die vollständige Überarbeitung der Steuerungsinstrumente ­ dem vierjährigen Leistungsauftrag 2007­2010 und der jährlichen Leistungsvereinbarung ­ behoben werden, die zwischen dem Eigner (dem Bund) und dem Institut festgelegt und im Dezember 2006 vom Bundesrat genehmigt wurden. Weitere Mängel lassen sich jedoch nur durch eine Revision des Heilmittelgesetzes beseitigen. Mit der vorliegenden Revision des Gesetzes können die letzten Abweichungen behoben und somit die Vorschriften, denen das Institut untersteht, so weit als möglich an die Anforderungen des Corporate-GovernanceBerichts des Bundesrates angepasst werden.

Schliesslich ist festzuhalten, dass dieser Bericht im März 2009 aufgrund der Ergebnisse der Beratungen im Nationalrat erstmals aktualisiert worden ist37. Mehrere neue Leitsätze, die sich vor allem auf die Personalführung beziehen, wurden verabschiedet sowie einige bestehende konkretisiert. Da eine Revision des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 200038 (BPG) ansteht, wurden sie bei der vorliegenden Gesetzesänderung nicht berücksichtigt. Die Botschaft zur Revision des Bundespersonalgesetzes wurde am 31. August 2011 vom Bundesrat verabschiedet39.

1.2.6

Arzneimittelinformation

Den Arzneimittelinformationen, welche die Fach- und Patienteninformationen sowie die Arzneimittelinformation für Tierarzneimittel umfassen, kommt für die korrekte Anwendung von Arzneimitteln und damit für die Arzneimittelsicherheit insgesamt eine grosse Bedeutung zu. Die Fachpersonen sowie die Patientinnen und Patienten beziehungsweise die Tierhalterin oder der Tierhalter werden über wichtige Aspekte von Arzneimitteln wie den Anwendungsbereich, die Dosierungsempfehlungen und die Wirkungsweise sowie die Nebenwirkungen in einem hohen Detaillierungsgrad informiert.

36 37 38 39

22

Das Parlament hat diesen Bericht im März bzw. September 2008 zur Kenntnis genommen.

Vgl. Zusatzbericht des Bundesrates vom 25.3.2009 zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Beratungsergebnisse des Nationalrats; BBl 2009 2659 ff.

SR 172.220.1 BBl 2011 6703 ff.

Für die anwendenden Fachpersonen sind nicht nur die einzelnen präparatespezifischen Informationen als solche, sondern die Sammlung dieser Informationen in der Form eines umfassenden Arzneimittelverzeichnisses von grosser Bedeutung.

Sowohl die Fach- als auch die Patienteninformation müssen durch das Institut bei der Arzneimittelzulassung genehmigt werden. Das Heilmittelrecht verpflichtet die Zulassungsinhaberinnen, diese Informationen den zur Abgabe und Verschreibung von Humanarzneimitteln berechtigten Fachpersonen zur Verfügung zu stellen. Die meisten Zulassungsinhaberinnen kommen dieser Pflicht dadurch nach, dass sie die Arzneimittelinformationen im Arzneimittel-Kompendium der Schweiz publizieren lassen. Dieses Verzeichnis von Fach- und Patienteninformationen wird sowohl elektronisch wie auch in Buchform veröffentlicht und allen Apotheken, Arztpraxen und den leitenden Spitalärztinnen und -ärzten unaufgefordert und kostenlos abgegeben. Andere Fachpersonen erhalten das Kompendium auf Anfrage hin, teils kostenlos, teils zu einem reduzierten Preis.

Die grosse Bedeutung eines vollständigen Verzeichnisses der Arzneimittelinformationen für die Arzneimittelsicherheit ist international anerkannt; entsprechende Verzeichnisse werden in den meisten europäischen Staaten, in Australien und in den USA publiziert.

In der Interpellation Heberlein (05.3601) «Veröffentlichung der Arzneimittelinformation. Übernahme eines funktionierenden privatwirtschaftlichen Angebotes?» wurde die Frage gestellt, ob die Publikation der Arzneimittelinformation durch den Bund eigenverantwortlich wahrgenommen werden müsse. Die Publikation der Arzneimittelinformation ist eine der Grundbedingungen für die Zulassung eines Arzneimittels. Je nach Abgabekategorie (mit oder ohne Verschreibungspflicht) umgehen schätzungsweise 5 bis 30 Prozent der Zulassungsinhaberinnen ihre gesetzliche Publikationspflicht. Die aktuelle Lösung auf privatwirtschaftlicher Basis ist daher unbefriedigend. Da eine umfassende Sammlung aller Arzneimittelinformationen heute nicht sichergestellt ist, müssen in diesem Bereich Massnahmen ergriffen werden.

Eine Anpassung der gesetzlichen Grundlagen bezüglich Veröffentlichung der Arzneimittelinformation drängt sich auch aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2011 auf, wonach die in Artikel
16a der Arzneimittelverordnung vom 17. Oktober 2001 (VAM)40 verankerte Verpflichtung zur Veröffentlichung der Arzneimittelinformation im Rahmen eines auf privatwirtschaftlicher Basis erstellten Verzeichnisses keine genügende Abstützung im Heilmittelgesetz aufweist41.

1.2.7

Marktüberwachung

Die traditionelle Pharmacovigilance beruht auf sogenannten Spontanerfassungssystemen, die seit den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts entwickelt wurden.

Basierend darauf umfasst die Meldepflicht an die Behörden heute: ­

40 41

das laufende Reporting (nationaler, in grossen Ländern auch internationaler Einzelmeldungen unerwünschter Wirkungen); SR 812.212.21 Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.6.2011 (C-6885/2008).

23

­

das periodische Reporting ­ die Firmen sind verpflichtet, die Einzelmeldungen zu ihren Wirkstoffen in regelmässigen Intervallen zu sichten, zusammenzufassen und den Behörden periodisch mit sogenannten «periodic safety update reports» (PSURs) darüber Rechenschaft abzulegen. Rhythmus und Dauer des periodischen Reportings sowie die Präparate, für welche dieses obligatorisch ist, sind heute auf Verordnungsebene (Art. 34 VAM) geregelt.

Dies soll so beibehalten werden.

­

das Ad-hoc-Reporting ­ die umgehende Information über neu erkannte Sicherheitssignale mit akutem Handlungsbedarf.

Weltweit werden Anstrengungen unternommen, die Marktüberwachung, insbesondere die Pharmacovigilance, zu verbessern. Die aktuelle Weiterentwicklung der Vigilance betrifft international die Konsolidierung der Spontanerfassung und neue ergänzende Instrumente wie: ­

«Good Vigilance Practice» ­ die formale und inhaltliche Qualitätssicherung insbesondere der traditionellen, aber auch der neuen Vigilance-Instrumente.

Sie wird durch Pharmacovigilance-Inspektionen überprüft;

­

Pharmacovigilance-Planning ­ die Fokussierung der Vigilance auf die bekannten sowie bereits bei der Zulassung erkannten potenziellen Risiken, besonders in der kritischen Zeit nach der Markteinführung;

­

Qualitätssicherungsmassnahmen im Bereich Medikationssicherheit.

Die Fristen, in denen die pharmazeutische Industrie neu entwickelte Präparate auf den Markt bringen will, verkürzen sich stetig. Dies erhöht den Druck auf die Zulassungsbehörden, die Begutachtungsintensität zu reduzieren. Gleichzeitig können auch Jahre nach der Zulassung eines Arzneimittels schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten, die ein sofortiges Handeln der Überwachungsbehörden erfordern.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass mit der Anpassung der rechtlichen Grundlagen an die aktuellen Erfordernisse der Pharmacovigilance auch in der Schweiz die Marktüberwachung gestärkt wird.

1.2.8

Übrige Gebiete

Lücken oder Anpassungsbedarf bestehen überdies namentlich in folgenden Bereichen: Datenbearbeitung Die für den Vollzug des Heilmittelgesetzes zuständigen Behörden haben bei der Wahrnehmung verschiedenster Aufgaben mit Personendaten, insbesondere auch mit besonders schützenswerten Daten und Persönlichkeitsprofilen, zu tun. Die Bearbeitung von Personendaten fällt zwar in den Anwendungsbereich der geltenden Artikel 61­64 HMG, ist jedoch zu wenig präzis umschrieben. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des Heilmittelverordnungspakets II, welches am 18. August 2004 vom Bundesrat verabschiedet worden ist, in verschiedenen Verordnungen die Datenbearbeitung detailliert geregelt. Da jedoch das Heilmittelgesetz keine ausreichende Grundlage für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten bietet, wurde das EDI vom Bundesrat beauftragt, bei der nächsten Revision des Heilmittelgesetzes eine umfassende formell-gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung von 24

Daten auszuarbeiten. Diese Forderung soll mit der vorliegenden Revision erfüllt werden. Gleichzeitig sollen die Grundlagen für die Datenbekanntgabe an andere Behörden des Bundes und an ausländische Stellen geschaffen beziehungsweise präzisiert werden.

Strafbestimmungen Die per 1. Januar 2007 in Kraft getretene Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches (StGB)42 macht eine Anpassung der Strafbestimmungen des HMG erforderlich. Im Vordergrund steht dabei die Angleichung der Strafen nach den Artikeln 86 und 87 an das neue Sanktionensystem des StGB. Aufgrund von in der Praxis aufgetretenen objektiven Beweisschwierigkeiten, drängt es sich zudem auf, Artikel 86 als abstraktes, statt wie im geltenden Recht als konkretes Gefährdungsdelikt auszugestalten. Schliesslich ist, als Umsetzung der Motion Parmelin (10.3786) «Härtere Sanktionen für den Schmuggel und die Fälschung von Arzneimitteln», eine Verschärfung der Strafdrohungen vorzusehen.

1.3

Ergebnis des Vorverfahrens

1.3.1

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens im Allgemeinen

Der Bundesrat eröffnete am 21. Oktober 2009 die Vernehmlassung zum Vorentwurf für die Revision des Heilmittelgesetzes43. Diese dauerte bis zum 5. Februar 2010, wobei auf Antrag eine Nachfrist bis zum 5. März 2010 gewährt wurde. 241 Vernehmlassungsadressaten wurden eingeladen, zum Entwurf Stellung zu nehmen.

Insgesamt sind 181 Stellungnahmen beim BAG eingegangen, darunter von allen Kantonen, 6 politischen Parteien, 6 gesamtschweizerischen Dachverbänden, 76 weiteren Organisationen und interessierten Kreisen sowie von 64 nicht begrüssten zusätzlichen Organisationen, Verbänden, Unternehmen, usw. und Privaten.

Eine deutliche Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden hat die Revisionsvorlage grundsätzlich begrüsst. In einigen Bereichen sind die Stellungnahmen aber sehr gegensätzlich ausgefallen.

Der Bundesrat hat am 6. April 2011 vom Ergebnisbericht Kenntnis genommen und das EDI beauftragt, eine Botschaft zur Revision des Heilmittelgesetzes vorzubereiten.

In der nachfolgenden Ziffer (1.3.2) werden wesentliche Einwände und kontrovers diskutierte Eckpunkte aus der Vernehmlassung kurz dargestellt und ausgeführt, inwiefern diese bei der Überarbeitung des Vorentwurfs berücksichtigt worden sind.

42 43

SR 311 BBl 2009 7602

25

1.3.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens im Einzelnen und Überarbeitung des Vorentwurfs

Kinderarzneimittel Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens Die vorgeschlagenen Massnahmen zur Förderung der Entwicklung von Kinderarzneimitteln wurden mehrheitlich begrüsst.

Die Vernehmlassungsteilnehmenden waren grundsätzlich mit der vorgesehenen Abgeltung des zusätzlichen Aufwandes (Gewährung bzw. Verlängerung des Unterlagenschutzes bzw. Verlängerung von ergänzenden Schutzzertifikaten) einverstanden.

Verschiedene Verbände der pharmazeutischen Industrie kritisierten indes die Anknüpfung der Verlängerung der Schutzzertifikatsdauer an erteilte Zertifikate.

Ihrer Ansicht nach müsste ein Bonus auch für Wirkstoffe ohne Schutzzertifikat vorgesehen werden, da diese sonst benachteiligt seien.

Die zur Verbesserung der langfristigen Erhältlichkeit von pädiatrischen Arzneimitteln vorgeschlagene Pflicht zur Weitergabe der Zulassungsdokumentation bei Einstellung des Vertriebs (Art. 16a HMG) wurde namentlich seitens verschiedener Verbände der pharmazeutischen Industrie als unverhältnismässiger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit beurteilt und daher abgelehnt. Hingegen wurde diese Bestimmung von mehreren Kantonen und einigen Apothekenverbänden ausdrücklich begrüsst: Damit werde die Versorgung mit Nischenprodukten verbessert, Versorgungslücken durch Produktionseinstellung von bewährten Arzneimitteln verhindert und gleichzeitig die Entwicklung von Kinderarzneimitteln vereinfacht. Einige Kantone und einzelne Apothekerverbände schlagen zudem vor, die Bestimmung auf weitere Arzneimittel auszuweiten.

Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine nationale Datenbank in der Pädiatrie (Art. 67a HMG) wurde mehrheitlich begrüsst. Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie fordert, dass der Gestaltung der Trägerschaft sowie der Beschaffung der Mittel für eine solche zentrale Datenbank besonderes Augenmerk geschenkt wird. Einzelne Verbände der pharmazeutischen Industrie lehnen hingegen diese Datenbank ab, da die Massnahme weder zielführend noch verhältnismässig sei. Die in der Schweiz erfassbaren Daten seien für sich genommen nicht repräsentativ genug. Entscheidend seien die Meldepflichten im Rahmen der Pharmacovigilance.

Überarbeitung des Vorentwurfs Abgeltung des Zusatzaufwandes Schutzzertifikate wurden gemäss der bisherigen Praxis in der Schweiz nur dann ausgestellt, wenn damit eine tatsächliche Verlängerung
der immaterialgüterrechtlichen Schutzfrist verbunden war. In Fällen, wo eine Marktzulassung bereits innerhalb von fünf Jahren nach der Patentanmeldung erfolgte, wurde mangels Rechtsschutzinteresses kein Schutzzertifikat ausgestellt. Um auch bei Wirkstoffen ohne Schutzzertifikat einen immaterialgüterrechtlichen Anreiz zu setzen, müsste auf das Konzept der ergänzenden Schutzzertifikate für Arzneimittel mit einer Null- oder Negativdauer zurückgegriffen werden. Diese Frage war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH; Rechtssache C-125/10, Urteil vom 8. Dezember 2011). Der EuGH hat entschieden, dass ein Zertifikat auch dann erteilt werden könne, wenn der Zeitraum zwischen Patentanmeldung und Marktzulassung weniger 26

als fünf Jahre beträgt. In einem solchen Fall beginne die verlängerte Schutzdauer («pädiatrische Verlängerung» um 6 Monate) ab einem Zeitpunkt zu laufen, der so bestimmt wird, dass vom Zeitpunkt des Patentablaufs die Differenz zwischen fünf Jahren und dem Zeitraum, der zwischen Patentanmeldung und Marktzulassung liegt, abgezogen wird. Eine negative Laufzeit werde nicht auf Null gerundet. Dies bedeutet, dass ein Arzneimittel, das beispielsweise 4 Jahre und 10 Monate nach der Patentanmeldung zugelassen wird, von einer effektiven Verlängerung der Schutzdauer von 4 Monaten profitieren kann (Schutzzertifikat mit Negativdauer von 2 Monaten plus Verlängerung um 6 Monate). Hingegen würde ein Arzneimittel, das zum Beispiel 4 Jahre und 4 Monate nach der Patentanmeldung zugelassen wird, keine tatsächliche Verlängerung der Schutzdauer erfahren (da das Schutzzertifikat eine Negativdauer von mehr als 6 Monaten, nämlich 8 Monate, aufweist). Die Bestimmungen über die ergänzenden Schutzzertifikate für Arzneimittel werden künftig auch in der Schweiz in diesem Sinne ausgelegt44. Somit wird der in der Vernehmlassung geäusserten Kritik entgegengekommen.

Pflicht zur Weitergabe der Zulassungsdokumentation bei Einstellung des Vertriebs Inwieweit eine Pflicht zur Weitergabe der Zulassungsdokumentation die Verfügbarkeit der Kinderarzneimittel langfristig sicherstellen kann, ist eine wesentliche Frage.

Werden diese Arzneimittel, sobald die gewährten Anreize (z. B. Ablauf der Schutzfrist) wegfallen, durch die Zulassungsinhaberin vom Markt genommen, so ergeben sich möglicherweise erhebliche Versorgungslücken. In Folge der in der Vernehmlassung aufgebrachten Kritik wurden die verschiedenen Möglichkeiten zur Sicherstellung der Erhältlichkeit nochmals bezüglich ihrer Verfassungsmässigkeit, ihrer Effektivität und ihrer Effizienz vertieft geprüft. Aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung wird die in der Vernehmlassung vorgeschlagene Massnahme beibehalten.

Datenbank über den Arzneimitteleinsatz Im Nachgang zur Vernehmlassung wurden verschiedene Geschäftsmodelle für den Aufbau und den Betrieb einer nationalen Datenbank in der Pädiatrie geprüft. Es hat sich gezeigt, dass sowohl bei den betroffenen Fachpersonen wie auch bei den Kantonen (Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren, GDK) eine hohe
Bereitschaft zur Unterstützung eines solchen Projekts vorliegt. In verschiedenen Kinderkliniken laufen bereits heute einzelne Aktivitäten zur Entwicklung von Dosierungsdatenbanken. Um eine Lösung zu ermöglichen, die eine landesweite Sammlung, Harmonisierung, Auswertung und Veröffentlichung der Daten sicherstellt und auch längerfristig Bestand hat, muss der Bund die Verantwortung für den Aufbau und den Betrieb einer solchen Datenbank übernehmen.

Im Rahmen der Abklärungen wurden weitere Geschäftsmodelle geprüft, insbesondere die finanzielle Beteiligung von Dritten, wie beispielsweise der pharmazeutischen Industrie. Die Vorteile dieses Modells liegen in der finanziellen Entlastung des Bundes. Im Gegenzug kann aber eine solche Beteiligung die Unabhängigkeit und somit die Objektivität der Dosierungsempfehlungen in Frage stellen. Dies würde sowohl die Akzeptanz wie auch den längerfristigen Betrieb der Datenbank gefährden. Die Finanzierungsbeteiligung der pharmazeutischen Industrie bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben wurde und wird insbesondere in der Diskussion um die

44

Siehe Mitteilung des IGE zur neuen Erteilungspraxis in der sic! Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht, Nr. 06/2012, S. 419 f.

27

Finanzierung des Instituts bereits kontrovers diskutiert. Eine weitere Beteiligung der Branche erscheint auch vor diesem Hintergrund nicht opportun.

Regelung des vereinfachten Zulassungsverfahrens Ergebnisse der Vernehmlassung Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Erleichterungen betreffend Komplementärund Phytoarzneimittel wurden in der Vernehmlassung kontrovers beurteilt.

Einerseits wurden die Massnahmen zur Vereinfachung der Zulassung dieser Arzneimittel begrüsst, teilweise aber als noch zu wenig weitgehend eingestuft. Es wurde kritisiert, dass die Forderungen der parlamentarischen Initiative Kleiner (07.424) «Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Komplementärmedizin konkretisieren» und der neue Artikel 118a BV nicht genügend beachtet und umgesetzt worden seien.

Andererseits lehnen einige Vernehmlassungsteilnehmende die Regelungen ab, da sie die internationale Kompatibilität (insbesondere mit der EU) gefährdet sehen. Die Schaffung der Arzneimittelkategorie «Arzneimittel ohne Indikation» bereits auf Gesetzesstufe und die damit einhergehenden Vereinfachungen betreffend Wirksamkeitsnachweis wurden von diesen Kreisen abgelehnt. Schon die Verwendung des Begriffs «ohne Indikation» für Arzneimittel ohne behördliche, das heisst vom Institut genehmigte Angabe eines Anwendungsgebietes, die zur Individualtherapie bestimmt sind, war umstritten.

Auch die Umsetzung der in der parlamentarischen Initiative Kleiner geforderten zulassungsbefreiten Herstellung von kleinen Mengen wurde kontrovers diskutiert.

Einerseits wurde die neue Regelung begrüsst, es wurde aber verlangt, dass die «kleine Menge», das heisst die Anzahl Packungen, auf Gesetzesebene definiert werden müsse. Andererseits wurde gefordert, dass zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit klar umschrieben werden müsse, wer die Kompetenz zur Herstellung und Abgabe dieser Arzneimittel hat.

Von den im Bereich der alt kantonalen Zulassungen vorgeschlagenen Varianten wird Variante A (Beibehalten von kantonalen Zulassungen) namentlich von einigen Kantonen, darunter der hauptbetroffene Kanton AR, unterstützt, Variante B (Ablösung der kantonalen Zulassungen durch Zulassungen des Instituts) insbesondere von der Mehrheit der Kantone sowie einigen Verbänden der pharmazeutischen Industrie.

Vereinzelt wurde die Möglichkeit der Anerkennung solcher Zulassungen durch andere Kantone vorgeschlagen. Die Verbände der Komplementär- und Alternativmedizin unterstützen eine «Bundeslösung», verlangen aber
weitergehende Vereinfachungen der Zulassungsanforderungen für alt kantonal zugelassene Produkte.

Überarbeitung des Vorentwurfs Angesichts der Aufträge des Parlaments beziehungsweise des Volkes (Annahme des Art. 118a BV [Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zur Komplementärmedizin»] sowie der Pa. Iv. Kleiner [07.424] «Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Komplementärmedizin konkretisieren») und der breiten Unterstützung, welche die Anliegen der Komplementär- und Alternativmedizin finden, wurden die im Vorentwurf vorgeschlagenen Erleichterungen beibehalten. Anhand von präziseren Begriffsbestimmungen wurden aber gleichzeitig die zu erfassenden Arzneimittel 28

genauer eingegrenzt (namentlich der kritisierte Begriff «Arzneimittel ohne Indikation» wurde durch «Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe» ersetzt sowie präziser umschrieben).

Darüber hinaus wurden für traditionell verwendete Arzneimittel (mit Wirkstoffen natürlicher und synthetischer Herkunft), die nicht der Verschreibungspflicht unterstehen, weitere Vereinfachungen im Hinblick auf deren Zulassung vorgesehen (Einführung des «Traditionsnachweises» in Anlehnung an die entsprechende Regelung der EU für pflanzliche «traditionelle Arzneimittel»45). Davon werden auch die alt kantonal zugelassenen Arzneimittel profitieren und mit einer Zulassung des Instituts schweizweit vertrieben werden können. Diejenigen alt kantonal zugelassenen Arzneimittel, welche diese zusätzlich vereinfachten Anforderungen nicht erfüllen, sollen auch weiterhin im jeweiligen Kanton vertrieben werden können. Der international gute Ruf einer Schweizer Zulassung wird nicht berührt, da solche kantonal zugelassenen Arzneimittel entsprechend zu kennzeichnen wären.

Geldwerte Vorteile Ergebnisse der Vernehmlassung Die Vernehmlassungsteilnehmenden sind sich einig, dass eine Klärung der rechtlichen Situation und eine Stärkung der Transparenz notwendig sind. Die Einzelbestimmungen, insbesondere der sachliche Geltungsbereich, wurden jedoch unterschiedlich kommentiert.

Diverse Kreise schlagen vor, die Bestimmungen an die Regelungen des Strafgesetzbuches zur Bestechung anzugleichen.

Kantone und Krankenversicherer unterstützen die vorgeschlagene Erweiterung des Vorteilsverbots auf die Medizinprodukte, welche die Medizinprodukteindustrie und gewisse Ärztevereinigungen hingegen ablehnen.

Die Beschränkung auf verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Entlastung des Vollzugs wurde durch einige Kantone und Parteien, Vertreter der Ärzteschaft und Konsumentenschutzorganisationen in Frage gestellt, da bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln eine gleichwertige Beeinflussungsgefahr bestehe.

Zur Pflicht, Rabatte und andere Vergünstigungen weiterzugeben, gingen unterschiedliche Stellungnahmen ein: Zum einen wurde gefordert, dass eine solche Pflicht ausschliesslich im Krankenversicherungsgesetz zu regeln sei. Zum anderen wurde darauf hingewiesen, dass der Anreiz bestehen bleiben müsse, bessere Preise zu verhandeln. Dieser Anreiz sei nicht gegeben, wenn der ganze Rabatt weitergegeben werden müsse.

Mit Ausnahme namentlich verschiedener Verbände der pharmazeutischen Industrie begrüsste ein grosser Teil der Vernehmlassungsteilnehmenden die vorgeschlagene Verpflichtung zur Offenlegung von geschäftlichen Verbindungen zu Herstellern oder Inverkehrbringern, wobei sie teilweise Zweifel an der Umsetzbarkeit äusserten.

Mit wenigen Ausnahmen wurde der Übergang der Vollzugs- und Kontrollkompetenz vom Institut zum BAG wegen der klaren Aufgabenteilung begrüsst.

45

Richtlinie 2004/24/EG.

29

Die Vernehmlassungsvorlage beinhaltete als weitere Massnahmen zur Regelung der geldwerten Vorteile eine Einschränkung der ärztlichen Arzneimittelabgabe. Dieser Vorschlag wurde von einigen Kantonen sowie verschiedenen Konsumentenschutzorganisationen und den Apothekerverbänden unterstützt. Hingegen haben sich die Mehrheit der Kantone, verschiedene Verbände der pharmazeutischen Industrie sowie die Drogisten- und Ärzteverbände gegen eine Einschränkung ausgesprochen.

Ihrer Meinung nach soll die Regelung der Selbstdispensation weiterhin in der Kompetenz der Kantone bleiben. Nur einzelne Kantone unterstützen Bestrebungen, die Abgabe im Bereich der Humanmedizin schweizweit zu vereinheitlichen.

Die Einschränkung der Abgabekompetenzen der Tierärzteschaft wird umfassend, namentlich von der Mehrheit der Kantone sowie von Verbänden im Veterinär- und Landwirtschaftsbereich abgelehnt, da diese die Versorgung mit Tierarzneimitteln gefährde.

Überarbeitung des Vorentwurfs Regelung der Medizinprodukte Der Markt für Medizinprodukte ist bezüglich der Anzahl gehandelter Produkte, der Produktarten und Umsätze nicht transparent, da diese Heilmittel unter anderem nicht vom Institut zugelassen werden. Geldwerte Vorteile können jedoch analog zu den Überlegungen bei den Arzneimitteln einen Einfluss auf die Auswahl und, je nach Medizinprodukt, auch auf die eingesetzte Menge haben (vgl. Infras-Studie46). Die mangelnde Transparenz erschwert in der Tat nicht nur eine präzise gesundheitspolizeiliche Legiferierung, sondern hemmt auch den Vollzug von sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (z. B. des Krankenversicherungsgesetzes oder des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung). Daher wurde der Vorentwurf dahingehend angepasst, dass im Bereich der geldwerten Vorteile bei Medizinprodukten neu einzig Bestimmungen zur Erhöhung der Transparenz vorgesehen werden. Nachdem durch den Vollzug dieser Bestimmungen mehr Information über das Ausmass und über die Art der geldwerten Vorteile und die damit verbundenen Auswirkungen vorliegen, sollen dann in einem nächsten Schritt weitergehende Regulierungen geprüft und Vorschläge unterbreitet werden, die den Eigenheiten dieses Produktmarktes bestmöglich Rechnung tragen.

Weitere Regelungen An einer Regelung der geldwerten Vorteile im Heilmittelgesetz soll festgehalten werden. Damit
Heilmittel massvoll und ihrem Zweck entsprechend verwendet werden (Art. 1 Abs. 2 Bst. b HMG), braucht es eine klare gesundheitspolizeiliche Regelung der Zulässigkeit von geldwerten Vorteilen in diesem Gesetz.

Die im Vorentwurf vorgesehene Einschränkung des Vorteilsverbots auf verschreibungspflichtige Arzneimittel wird ebenfalls beibehalten. Diese Einschränkung erlaubt es, den Vollzug auf die potenziell für die Gesundheit gefährlicheren Arzneimittel zu fokussieren. Die Beeinflussungsgefahr bei den nicht verschreibungspflichtigen Präparaten besteht ebenfalls, aber in einem verminderten Ausmass: Die Patientinnen und Patienten können erfahrungsgemäss die Produktauswahl und die bezogene Menge leichter beeinflussen.

46

30

Siehe Fussnote 26.

Die Kritik an einer Regelung der Weitergabepflicht im Heilmittelgesetz verkennt, dass eine solche Pflicht die Beeinflussungsgefahr durch geldwerte Vorteile deutlich reduziert und damit vor allem den Anreiz zur Mengenausweitung vermindert. Demzufolge wurde der Vorentwurf auch diesbezüglich nicht angepasst.

Auf die Bündelung des Vollzugs der im Heilmittelgesetz und im Krankenversicherungsgesetz enthaltenen Bestimmungen zu den geldwerten Vorteilen bei einer Bundesbehörde zu verzichten, hiesse, die vom Parlament gewünschte erhöhte Durchschlagskraft des Vollzugs zu vermindern. An den entsprechenden Regelungen des Vorentwurfs wird daher ebenfalls festgehalten. Dies gilt auch für die Bestimmungen zur Offenlegungspflicht, welche die Transparenz bei den geldwerten Vorteilen nachhaltig verbessern werden.

Aufgrund der bedeutenden Opposition wurde die Einschränkung der ärztlichen Arzneimittelabgabe aus der Vorlage entfernt. Der Entscheid über eine solche Einschränkung wird angesichts der ungeklärten Rollenteilung zwischen Ärztinnen, Ärzten, Tierärztinnen und Tierärzten einerseits und Apothekerinnen und Apothekern andererseits sowie den damit verbundenen Auswirkungen auf die Gesundheitspolitik vorerst zurückgestellt. Die Frage der ärztlichen Arzneimittelabgabe soll unter anderem in Kenntnis der Entwicklung in anderen Gesetzen (wie zum Beispiel das Krankenversicherungsgesetz oder das Medizinalberufegesetz) nochmals geprüft und das weitere Vorgehen bestimmt werden.

Abgabe von Arzneimitteln Ergebnisse der Vernehmlassung Die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst die Vereinfachung der Selbstmedikation. Der in den Vernehmlassungsunterlagen erwähnte geschätzte Ressourcenbedarf zur Umsetzung wurde jedoch als unverhältnismässig gewertet. Es wird eine unbürokratische und rasche Umsetzung der Aufträge von Parlament und Bundesrat verlangt.

Vor allem die Standes- und Berufsorganisationen kommentierten die Kompetenzerweiterungen für Apothekerinnen und Apotheker sowie für Drogistinnen und Drogisten unterschiedlich: Während die Befürworter jeweils die Einführung im Interesse der umfassenden Nutzung der (eigenen) Fachkompetenzen betonen, sind die Gegner ­ zumeist Vertreter anderer Vertriebskanäle ­ der Meinung, dass die Sicherheit von Patientinnen und Patienten gefährdet würde.

Von Seiten des kantonalen Vollzugs wurde auf bestehende Unklarheiten im Bezug auf die Bewilligungen zur Abgabe von Arzneimitteln aufmerksam gemacht. Der bisher verwendete Begriff des «Detailhandels» sei insofern ungenau, als es sich bei Spitalapotheken und Privatapotheken ­ im Unterschied zu öffentlichen Apotheken und Drogerien ­ nicht um Detailhandelsgeschäfte handle.

Überarbeitung des Vorentwurfs Die vorgeschlagenen Massnahmen zur Vereinfachung der Selbstmedikation werden beibehalten. Die Einteilung der Arzneimittel der Abgabekategorien B­E soll schrittweise überprüft werden; bevorzugt sollen die Abgabekategorien B und C analysiert und neu eingeteilt werden. Zudem soll diese Überprüfung vereinfacht und nach Möglichkeit und unter Berücksichtigung des Risikos gruppenweise durchge31

führt werden. Damit soll insbesondere bei der Umteilung von Arzneimitteln der Kategorie D in die Kategorie E (freiverkäuflich) dem Aspekt des Schutzes vor Missbrauch und vor Überkonsum Rechnung getragen werden.

Zudem wird durch die Streichung des Begriffs «Detailhandels» (in Art. 30 HMG) die vorgebrachte Kritik berücksichtigt.

Good Corporate Governance Ergebnisse der Vernehmlassung Vereinzelt wurde beantragt, dass der Erlass der Gebührenverordnung auch weiterhin in die Kompetenz des Institutsrates und nicht in diejenige des Bundesrates fallen soll. Mit diesem Wechsel der Kompetenz würde die Eigenfinanzierung des Instituts unnötig politisiert. Zudem wurde verlangt, dass der Institutsrat die strategischen Ziele des Instituts verabschiedet.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende fordern die Erweiterung des Institutsrates auf neun Mitglieder. Verschiedene landwirtschaftliche Organisationen und Verbände der Komplementärmedizin fordern den gesetzlich verankerten Einsitz ihrer Interessengruppen im Institutsrat.

Überarbeitung des Vorentwurfs Den Vorgaben des Corporate-Governance-Berichts entsprechend wurde der Vorentwurf dahingehend angepasst, dass die Gebührenverordnung des Instituts durch den Institutsrat ­ unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat ­ erlassen wird.

Bei zunehmender Finanzierung des Instituts über Gebühren besteht die Gefahr einer verstärkten Abhängigkeit von der regulierten Branche. Griffige Instrumente zur Steuerung des Instituts werden somit für den Eigner zunehmend wichtiger. An der Genehmigung der strategischen Ziele für das Institut durch den Bundesrat wurde daher festgehalten.

Aus Gründen der Effizienz und Effektivität wurde bei der Anzahl der Institutsratsmitglieder keine Änderung am Vorentwurf vorgenommen. Die Zusammensetzung erfolgt aufgrund eines Standardanforderungsprofils (siehe hierzu Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 72).

Arzneimittelinformation Ergebnisse der Vernehmlassung Die Übertragung der Verantwortung für die Publikation eines vollständigen Verzeichnisses mit allen genehmigten Arzneimittelinformationen an das Institut wurde grundsätzlich begrüsst. Diverse Vernehmlassungsteilnehmende beantragten jedoch, die Möglichkeit der Delegation dieser Aufgabe an Dritte durch einen entsprechenden Leistungsauftrag vorzusehen.

32

Überarbeitung des Vorentwurfs Unter Berücksichtigung der eingereichten Anträge sieht der Entwurf neu vor, dass die Publikation des Verzeichnisses mit allen genehmigten Arzneimittelinformationen durch Private aufgrund eines entsprechenden Leistungsauftrages erfolgen soll.

Marktüberwachung Ergebnisse der Vernehmlassung Die hierzu eingegangenen Stellungnahmen unterstützen im Grundsatz die vorgesehenen Massnahmen (Anwendung der «Good Vigilance Practice», Umsetzung eines «Pharmacovigilance Planning», Qualitätssicherung im Medikationsprozess). Kritisiert wurde aber die Einführung einer Bewilligungspflicht für die berufsmässige Arzneimittelanwendung.

Überarbeitung des Vorentwurfs Aufgrund der vielen ablehnenden Stellungnahmen soll im Heilmittelgesetz keine Bewilligungspflicht für die berufsmässige Anwendung von Arzneimitteln vorgesehen werden. Die Umsetzung weiterer Bestimmungen, um die Sicherheit bei der berufsmässigen Anwendung von Arzneimitteln zu gewährleisten, obliegt den Kantonen.

Die weitgehend unbestritten gebliebene Pflicht zur Etablierung eines Qualitätssicherungssystems als Bewilligungsvoraussetzung für alle Betriebe, die Arzneimittel abgeben, wird beibehalten. Die Umsetzung dieser Bestimmung soll den Kantonen überlassen werden, da sie für die Aufsicht über die Verschreibung, die Abgabe, die Anwendung und somit für die konkrete Ausgestaltung eines entsprechenden Qualitätssicherungssystems zuständig sind.

Übrige Gebiete Ergebnisse der Vernehmlassung Die im Bereich des Datenschutzes sowie der Strafbestimmungen vorgesehenen Anpassungen wurden im Grundsatz begrüsst, wobei diverse Änderungsanträge eingebracht worden sind.

Die im Vorentwurf enthaltene Neuregelung des Unterlagenschutzes in Angleichung an die Regelung der EU47 wurde von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden abgelehnt, da sie dem Bestreben des Gesetzgebers nach günstigen Rahmenbedingungen für die Forschung und Entwicklung im Heilmittelbereich widerspreche.

Diese EU-Regelung («8+2+1-Regelung») sieht während acht Jahren einen umfassenden Unterlagenschutz vor; nach Ablauf dieser Frist können Generika-Hersteller Zulassungsgesuche einreichen und dabei auf die wissenschaftlichen Ergebnisse des Originalpräparats verweisen. Die Zulassung eines Generikums darf frühestens nach weiteren zwei Jahren verfügt werden. Schliesslich kann der Unterlagenschutz um ein Jahr verlängert werden, wenn während den ersten acht Jahren eine Indikationserwei47

Art. 10 Abs. 5 der Richtlinie 2001/83/EG.

33

terung zugelassen worden ist, die einen bedeutenden klinischen Nutzen gegenüber bestehenden Therapien darstellt.

Überarbeitung des Vorentwurfs Angesicht der breiten Unterstützung der konsultierten Kreise für die Anpassungen im Bereich des Datenschutzes und der Strafbestimmungen wurde die Stossrichtung des Vorentwurfs weiterverfolgt.

Bei der konkreten Ausgestaltung des Unterlagenschutzes stellt sich primär die Frage, in welchen Fällen welche Schutzdauer sachgerecht ist, um dem Anliegen einer angemessenen Abgeltung des Forschungsaufwandes entsprechen zu können. Innerhalb des Rahmens des TRIPS-Abkommens48 kann dies die Schweiz eigenständig festlegen und ist nicht verpflichtet, sich z. B. an die Regelung der EU anzulehnen.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Vernehmlassung und angesichts der wichtigen Anliegen der Forschungsförderung soll die heutige Regelung («10-3/5Regelung»)49 beibehalten werden und somit keine Angleichung an das EU-Recht erfolgen.

1.4

Die vorgeschlagene Regelung

1.4.1

Ziele der Revision im Allgemeinen

Die Hauptzielsetzungen der Revision im Einzelnen sind: Erleichterung des Marktzutritts ­

Anpassung der aktuellen Bestimmungen bezüglich der vereinfachten Zulassung und der Zulassung im Meldeverfahren.

­

Vereinfachung der Selbstmedikation durch eine Anpassung der Einteilung von Arzneimitteln sowie der Anforderungen an die Abgabe.

Optimierung der Sicherheit von Arzneimitteln ­

Verbesserung der gesetzlichen Regelungen für die Zulassung von Arzneimitteln für Kinder.

­

Stärkung der Pharmacovigilance.

­

Konkretisierung der Bestimmungen zur Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln.

Erhöhung der Transparenz

48 49

34

­

Veröffentlichung der Arzneimittelinformationen durch das Institut zur Gewährleistung einer aktuellen und vollständigen Sammlung der präparatespezifischen Angaben.

­

Verbesserungen der Patienteninformation.

Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum, SR 0.632.20; Anhang 1.C zum GATT/WTO-Übereinkommen Erläuterungen hierzu sind in den Ausführungen zu Art. 11a und 11b in Ziff. 2 zu finden.

Klärung aktueller Bestimmungen und Überprüfung auf Fehlregulierung ­

Konkretisierung der Zulässigkeit geldwerter Vorteile und Verbesserung der Vollzugswirkung.

Umsetzung der Erkenntnisse im Bereich der Corporate Governance ­

Überprüfung der Bestimmungen zur Organisation des Instituts bzgl. der Vorgaben des Corporate-Governance-Berichts des Bundesrates.

Anpassung an geltendes Recht und Schliessung von Gesetzeslücken ­

Anpassungen in den Bereichen Straf-, Verwaltungsstraf- und Verwaltungsverfahrensrecht.

­

Anpassung an die Erfordernisse des Datenschutzes.

1.4.2

Kinderarzneimittel

Pädiatrisches Prüfkonzept Im pädiatrischen Prüfkonzept (Art. 54a HMG) werden die Details der Entwicklung eines Arzneimittels in der pädiatrischen Population festgelegt, die für die Zulassung eines Arzneimittels in den relevanten Altersgruppen erforderlich sind. Die pädiatrische Bevölkerung wird in mindestens vier Subgruppierungen (Frühgeborene/ Neugeborene: 0­27 Tage, Kleinkinder: 1­23 Monate, Kinder: 2­11 Jahre, Jugendliche: 12­18 Jahre) unterteilt.

Das pädiatrische Prüfkonzept beschreibt einerseits das medizinische Umfeld und den therapeutischen Bedarf in der Pädiatrie und andererseits die Strategie der Entwicklung einer entsprechenden Darreichungsform, der Abklärung der Sicherheit durch präklinische Studien und die Details der klinischen Entwicklung. Beim Erstellen des pädiatrischen Prüfkonzepts wird der Bedarf geprüft und die Planung festgelegt, um so unnötige Studien zu vermeiden. Diese Aspekte werden dann im Rahmen des Genehmigungsverfahrens überprüft.

Falls das Arzneimittel in allen pädiatrischen Altersgruppen angewendet werden soll, ist dies durch klinische Studien zu belegen. Ein besonderes Defizit an Informationen besteht heute bei Neugeborenen und Kleinkindern. Andererseits sollen gerade diese besonders sensiblen Altersgruppen keinem unnötigen Risiko ausgesetzt werden.

Studien mit Neugeborenen und Kleinkindern sollen gemäss pädiatrischem Prüfkonzept erst beginnen, wenn Sicherheit und Wirksamkeit in höheren Altersgruppen ausreichend dokumentiert sind. Falls das Arzneimittel für eine Altersgruppe nicht erforderlich ist, wird auf die Durchführung klinischer Studien verzichtet und entsprechend im pädiatrischen Prüfkonzept dokumentiert. Falls ein Arzneimittel nicht für eine pädiatrische Anwendung in Frage kommt, wird auf ein detailliertes Prüfkonzept verzichtet.

Weiter hat das pädiatrische Prüfkonzept vorhandene Informationen, zum Beispiel aus Erfahrungsberichten («off-label-use»), aus vorliegenden klinischen Studien und aus Berichten zu kritischen Zwischenfällen zu berücksichtigen. Spezifische Bedürfnisse der pädiatrischen Bevölkerungsgruppen bezüglich der Darreichungsform und adäquater Hilfsstoffe für die Pädiatrie sind ebenso im pädiatrischen Prüfkonzept aufzuführen.

35

Das pädiatrische Prüfkonzept ist mit dem Zulassungsgesuch des Arzneimittels vorzulegen (vgl. Art. 11 Abs. 2 Bst. a Ziff. 6). Es soll auch möglich sein, ein von einer ausländischen Behörde, zum Beispiel der EMA (European Medicines Agency) beurteiltes pädiatrisches Prüfkonzept einzureichen. Die Erstellung und Einreichung eines schweizerischen pädiatrischen Prüfkonzepts werden eher ausnahmsweise der Fall sein.

Die Zulassung eines Arzneimittels für Erwachsene soll durch die Verpflichtung zur Durchführung von klinischen Studien in der Pädiatrie nicht verzögert werden. Zu diesem Zweck sind sogenannte Rückstellungen vorgesehen, welche eine zeitlich gestaffelte Vorlage der Ergebnisse der pädiatrischen Studien ermöglicht. Der Termin für die Vorlage der Studienergebnisse (je nach Rückstellung für die jeweiligen Altersgruppen) ist im pädiatrischen Prüfkonzept aufgeführt. Die Ergebnisse der mit dem pädiatrischen Prüfkonzept übereinstimmenden Studien sind unter Berücksichtigung solcher Rückstellungen einzureichen. Im Falle eines Verzichts auf die Durchführung von Studien muss dies begründet und genehmigt sein.

Für klinische pädiatrische Studien, die nicht mit der Perspektive der Zulassung eines Arzneimittels, sondern im Rahmen von Forschung zu einem anderen Zweck durchgeführt werden, ist ein pädiatrisches Prüfkonzept nicht vorgesehen.

Ausgestaltung der Anreize Ein Grund der mangelnden Verfügbarkeit von Kinderarzneimitteln besteht darin, dass die Erforschung und Entwicklung von Produkten für zahlenmässig kleine Patientengruppen oftmals wenig rentabel ist.

Für die Entwicklung von Kinderarzneimitteln sind daher Anreize zugunsten der pharmazeutischen Industrie vorgesehen. Sie werden von der Einreichung, der Umsetzung und der Übereinstimmung der im pädiatrischen Prüfkonzept festgelegten Daten abhängig gemacht.

Bei der Ausgestaltung der Anreize sind verschiedene Sachverhalte zu unterscheiden: ­

Bei Arzneimitteln, die durch ein Patent beziehungsweise ein ergänzendes Schutzzertifikat geschützt sind, soll dieses Zertifikat unter bestimmten Voraussetzungen um sechs Monate verlängert werden (Art. 140n des Bundesgesetzes vom 25. Juni 195450 über die Erfindungspatente [Patentgesetz, PatG]).

Wird der Anspruch auf diesen Bonus geltend gemacht, so muss das genehmigte Prüfkonzept zusammen mit den entsprechenden Ergebnissen der pädiatrischen Prüfungen bei der Einreichung des Zulassungsgesuchs vorgelegt werden.

­

50

36

Bei Arzneimitteln speziell und ausschliesslich für die pädiatrische Anwendung gemäss einem genehmigten pädiatrischen Prüfkonzept soll ein Unterlagenschutz von zehn Jahren gewährt werden, sofern kein anderes Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff für die gleiche spezielle pädiatrische Anwendung in einer vergleichbaren galenischen Form zugelassen ist (Art. 11b Abs. 3 HMG).

SR 232.14

­

Für ein Arzneimittel zur Anwendung bei seltenen Krankheiten in der Pädiatrie besteht häufig kein Patentschutz, der verlängert werden könnte. Gerade bei diesen Indikationen ist die pädiatrische Entwicklung besonders schwierig. Für solche Arzneimittel ist daher eine Verlängerung des Unterlagenschutzes auf zwölf Jahre vorgesehen (Art. 11b Abs. 4 HMG).

Kein Ausschluss von Doppelanreizen Die Regelung der Anreize für die Entwicklung und Zulassung von Kinderarzneimitteln in der EU sieht ein System des Ausschlusses von Doppelanreizen vor. Das bedeutet, dass wenn ein entsprechender Unterlagenschutz gewährt wird, die Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats in der Regel ausgeschlossen ist. Bei Arzneimitteln für seltene Krankheiten schliesst die EU-Regelung eine Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats generell aus, dafür werden eine Marktexklusivität sowie deren Verlängerung gewährt. Die schweizerische Ausgestaltung des Anreizsystems ist hier weniger streng und sieht keinen entsprechenden Ausschluss von doppelten Anreizen vor.

Der Unterlagenschutz nach Artikel 11b Absätze 1 und 2 HMG sieht bei einem Originalpräparat einen zusätzlichen Schutz von drei Jahren (bzw. fünf Jahren bei einem bedeutenden klinischen Nutzen gegenüber bestehenden Therapien) für Unterlagen zu neuen Indikationen, Verabreichungswegen, Darreichungsformen oder Dosierungen oder zu dessen Anwendung auf eine neue Zieltierart. Dieser wird nur in wenigen Fällen neben dem verlängerten Zertifikatsschutz eine eigenständige Bedeutung erlangen, indem er die Generikasubstitution über das Ende des Zertifikatsschutzes hinaus verzögert. Der Unterlagenschutz schliesst zeitlich befristet aus, dass sich ein Zulassungsgesuch eines Dritten in einem vereinfachten Verfahren auf die geschützten Unterlagen abstützen kann. Der Patentschutz beziehungsweise der Schutz durch ein ergänzendes Schutzzertifikat steht für eine bestimmte Zeit dem Markteintritt von Konkurrenten generell entgegen. Der Schutz eines Wirkstoffs oder einer Wirkstoffzusammensetzung (nachfolgend Erzeugnis) durch ein ergänzendes Schutzzertifikat oder mehrere Zertifikate endet aufgrund der Berechnung der Laufzeit (vgl. Art. 140e PatG) spätestens 15 Jahre nach Erteilung der ersten Zulassung des Arzneimittels mit dem Erzeugnis in der Schweiz.

Ausgehend von einer durchschnittlichen Zulassung nach 10 Jahren seit der Anmeldung zum Patent wird ein nach Artikel 11b Absätze 1 und 2 HMG verlängerter Unterlagenschutz in der Regel bereits vor Ende des Zertifikatsschutzes abgelaufen sein.

Aufgrund der tendenziell immer kürzer werdenden Dauer bis zur ersten Zulassung wird ein doppelter Anreiz in der Praxis immer seltener eine Auswirkung
haben. Der Aufwand, der demgegenüber mit dem Vollzug eines derartigen Ausschlusses einhergehen würde, erscheint im Verhältnis zum Nutzen hoch und damit nicht gerechtfertigt; sei es, dass das Institut eine allfällige Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats prüfen müsste oder aber die Vollzugsbehörde im Bereich des Geistigen Eigentums (Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum, IGE) die Gewährung des Unterlagenschutzes. Zudem schützt der verlängerte Zertifikatsschutz in den Grenzen des sachlichen Geltungsbereichs des Patents alle Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die bis zum Ablauf des Zertifikats genehmigt werden (Art. 140d PatG) und weil Patent- beziehungsweise Zertifikatsinhaber und Zulassungsinhaber nicht identisch zu sein brauchen, vereint sich der entsprechende Schutz in dem Fall nicht in der Hand derselben Person.

37

Im Falle des Unterlagenschutzes nach Artikel 11b Absatz 3 HMG müsste für einen Ausschluss des doppelten Anreizes eine Bestätigung des Antragstellers, dass auf dem Arzneimittel keinerlei Patent- beziehungsweise Zertifikatsschutz (inkl. Verlängerung) besteht, eingeführt werden. Hierzu ist zu bedenken, dass das Parlament im Rahmen der Patentrechtsrevision Artikel 14 Absatz 3 HMG aufgehoben hat; das Institut soll nicht mit Aufgaben belastet werden, die ­ wie die Prüfung von patentrechtlichen Fragen ­ nicht in seinen Kompetenzbereich fallen. Da überdies keine direkte Verbindung zwischen dem Unterlagenschutz und dem Patentschutz (inkl.

ergänzendes Schutzzertifikat) besteht, sollen dem Institut bei der Gewährung des Unterlagenschutzes speziell für die pädiatrische Anwendung nicht wieder solche Aufgaben übertragen werden. Eine Prüfung durch das IGE, ob ein entsprechender Unterlagenschutz erteilt worden ist, wäre sehr aufwendig und würde daher in keinem Verhältnis zum Nutzen einer solchen Prüfung stehen, dies unter anderem auch im Hinblick auf die Vielzahl von möglichen betroffenen Patenten und möglichen unterschiedlichen Patent-, Zertifikats- und Zulassungsinhabern (siehe oben).

Ein Ausschluss des doppelten Anreizes ist auch im Falle von Artikel 11b Absatz 4 nicht vorgesehen. Das EU-Recht sieht hier nicht eine Verlängerung des Unterlagenschutzes, sondern die Verlängerung einer Marktexklusivität vor, welche von den Auswirkungen her sehr viel weiter reicht als ein Unterlagenschutz und damit in der Wirkung eher mit einem Zulassungsverbot für Dritte zu vergleichen ist. Da das schweizerische Recht dieses Instrument der Marktexklusivität in dieser Form nicht kennt, wird auch hier der Anreiz der Verlängerung des Unterlagenschutzes vorgesehen, eine Kumulation mit einer Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats jedoch nicht ausgeschlossen.

Datenbank über den Arzneimitteleinsatz Vermeidbare Medikationsfehler gelten in den USA als die achthäufigste Todesursache. Das sind mehr Todesfälle als durch Verkehrsunfälle, Brustkrebs oder AIDS verursacht werden. Ein Grund für Medikationsfehler ist, dass transparent verfügbare Informationen zum richtigen Zeitpunkt häufig fehlen. Besonders betroffen sind vulnerable Bevölkerungsgruppen wie Kinder, da sie in der Entwicklung von Arzneimitteln bisher zu wenig berücksichtigt
wurden. Informationen zur Therapie von Kindern sind folglich häufig bruchstückhaft. Es bestehen heute weder allgemein zugängliche Datenstämme zur Medikation beim Kind noch ausreichende Untersuchungen über die medizinischen Folgen dieser Informationslücken. Aus ausländischen Studien lässt sich ableiten, dass in der Schweiz die Medikationsfehler alleine bei Kindern und Jugendlichen jährliche Kosten von mindestens 70 Millionen Franken verursachen. Bei der reinen Kostenbetrachtung bleibt das jeweils verursachte individuelle Leid unberücksichtigt.

Es besteht deshalb eine dringende Notwendigkeit, die bereits vorhandenen Daten aus der Praxis besser zu nutzen, damit Medikationsfehler in der Pädiatrie erkennbar und folglich vermeidbar werden. Informationen über die Anwendung von Arzneimitteln in der pädiatrischen Bevölkerung sollten transparent zur Verfügung stehen. Sowohl die Daten als auch das technische Knowhow zum Aufbau einer elektronischen nationalen Datenbank für die Pädiatrie liegen vor. So werden in verschiedenen Kinderkliniken bereits heute einzelne Dosierungsdatenbanken entwickelt. Den Fachpersonen fehlen allerdings die nötigen Ressourcen für die Koordination und die technische Infrastruktur, weshalb diese laufenden Aktivitäten nur sehr langsam,

38

wenn überhaupt, zu einer umfassenden Lösung führen werden. Um eine langfristige nationale Lösung zu ermöglichen, ist deshalb das Engagement des Bundes nötig.

Mit der vorliegenden Revision soll demzufolge eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, welche die Schaffung einer nationalen Datenbank in der Pädiatrie durch den Bund ermöglicht (vgl. Art. 67a HMG). Der Bund soll den Betrieb dieser Datenbank Dritten übertragen. Mit dieser neuen gesetzlichen Grundlage wird ein Beitrag an die Verbesserung der Sicherheit der Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln bei Kindern und Jugendlichen geleistet.

Ziel der geplanten Datenbank für die Pädiatrie ist, das aktuell beste verfügbare Wissen zur Verfügung zu stellen. Dieses ist nicht immer durch wissenschaftliche Studien belegt. Die Verantwortung bei der effektiven Dosierung liegt somit weiterhin bei der behandelnden Ärztin beziehungsweise beim behandelnden Arzt. Die Datenbank stellt in diesem Sinne nur ein neues Hilfsmittel dar, bei dessen Bereitstellung grösstmögliche Anstrengungen zur Vermeidung von Erfassungsfehlern unternommen werden.

Es ist klarzustellen, dass es sich bei der Sammlung der oben erwähnten Informationen nicht um eine Aufgabe des Instituts im Rahmen der Marktüberwachung handelt, welche vor allem retrospektiven Charakter hat. Es handelt sich vielmehr um eine davon unabhängige, vom Zweck her prospektive, in die Zukunft der sicheren Anwendung gerichtete gesundheitspolitische Aufgabe, mit vorrangig präventivem Charakter. Das Institut wird deshalb für diese Aufgabe nicht zuständig sein.

Weil die geplante Datenbank in der Pädiatrie einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität und der Effizienz der Gesundheitsversorgung leisten wird, rechtfertigt es sich, dass die Kantone die Aufbau- und Betriebskosten mittragen (siehe Ausführungen in Ziff. 3.1 und 3.2).

Sicherstellung der langfristigen Verfügbarkeit von Kinderarzneimitteln Ein speziell für Kinder entwickeltes Arzneimittel soll nach der Zulassung auch langfristig auf dem Markt verfügbar sein. Mit Artikel 16a Absätze 4 und 5 HMG wird die Zulassungsinhaberin verpflichtet, wenn sie ein solches Arzneimittel, für welches ihr auch entsprechende Anreize gewährt wurden, vom Markt nimmt, die Zulassungsdokumentation entweder einem Dritten zu veräussern oder kostenlos zur Verfügung zu
stellen. Diese Bestimmung lehnt sich an eine entsprechende Regelung in der Verordnung der EU über Kinderarzneimittel an und soll die Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der Pädiatrie verbessern. Es sind verschiedene Massnahmen mit unterschiedlicher Verbindlichkeit beziehungsweise Eingriffsstärke geprüft worden. Diese Massnahme ist gegenüber anderen geprüften Massnahmen (z. B.

Verpflichtung zur Suche eines Vertriebsnachfolgers) am besten mit den verfassungsmässigen Rechten vereinbar. Der Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ist nur geringfügig, liegt im öffentlichen Interesse und ist im Hinblick auf die Zielsetzung verhältnismässig.

39

1.4.3

Regelung des vereinfachten Zulassungsverfahrens

Massnahmen zur Erleichterung des Marktzugangs Der Forderung, den Marktzugang für Komplementärarzneimittel gegenüber der heutigen Situation zusätzlich zu erleichtern, wird durch drei Massnahmen Rechnung getragen: ­

Differenzierung zwischen Arzneimitteln mit Indikationsangabe und Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe bereits auf Gesetzesstufe (vgl.

insbesondere Art. 4 Abs. 1 Bst. abis­aquater, 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 und 2 Bst. a);

­

erleichterte Zulassungsbestimmungen für traditionell verwendete Arzneimittel mit Indikationsangabe, die natürliche oder synthetische Wirkstoffe enthalten (vgl. Art. 11 Abs. 2 Bst. b);

­

zulassungsbefreite Herstellung für Kleinmengen bis zu 100 Packungen pro Jahr (vgl. Art. 9 Abs. 2ter).

Neu sollen bereits auf Gesetzesstufe zwei Arzneimitteltypen unterschieden werden.

Einerseits Arzneimittel mit Indikationsangabe, welche mit behördlich genehmigter Angabe eines bestimmten Anwendungsgebietes zugelassen werden. Diese Arzneimittel müssen weiterhin gemäss internationalen Standards hinsichtlich ihrer Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit dokumentiert und einer Nutzen/Risiko-Abwägung unterzogen werden. Andererseits Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe, bei welchen es sich um Komplementärarzneimittel handelt, die ohne behördlich genehmigte Angabe eines bestimmten Anwendungsgebietes in Verkehr gebracht werden und deren Einsatz gemäss den Prinzipien einer speziellen Therapierichtung wie zum Beispiel der Homöopathie, der anthroposophischen oder der asiatischen Medizin erfolgt. Die gesetzliche Anerkennung spezieller Therapieprinzipien wird, gestützt auf Artikel 82 Absatz 2 HMG, im Rahmen von Ausführungsbestimmungen erfolgen, die der Bundesrat erlassen wird.

Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe werden ausschliesslich auf ihre Qualität und Unbedenklichkeit im Sinne des Ausschlusses einer offensichtlichen Gefährdung der Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten hin überprüft.

Da für Phytoarzneimittel keine spezielle individualtherapeutische Anwendung beschrieben ist, können diese nicht als Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe eingestuft werden.

Um zu verhindern, dass die Konsumentinnen und Konsumenten die beiden Arzneimitteltypen verwechseln oder sich hinsichtlich der Tiefe der behördlichen Überprüfung täuschen, müssen die beiden Arzneimitteltypen entsprechend gekennzeichnet werden. Der Ausschluss einer Täuschung hinsichtlich der Wirkungsnachweise ist insbesondere dort wichtig, wo es um Arzneimittel geht, deren Verwendung sich auf schwere Krankheiten bezieht.

Die zweite Vereinfachung in der Zulassung betrifft traditionell verwendete, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel mit Wirkstoffen natürlicher und synthetischer Herkunft. Bei diesen Arzneimitteln, die seit Langem medizinisch verwendet werden, wird im Rahmen der Zulassung der Sicherheits- und Wirksamkeitsnachweis reduziert.

40

Schliesslich sollen Arzneimittel, von denen nur geringe Stückzahlen (bis zu 100 Packungen pro Jahr) hergestellt werden, von der Zulassungspflicht gänzlich befreit werden. Von dieser Möglichkeit werden gerade die Hersteller von komplementärmedizinischen Arzneimitteln profitieren, denn aufgrund der individuellen Verschreibung, basierend auf einem der Therapiekonzepte, werden oftmals nur wenige Packungen eines bestimmten Arzneimittels hergestellt und verkauft.

Regelung der alt kantonal zugelassenen Arzneimittel Von den neuen Vereinfachungen bei der Zulassung von traditionell verwendeten Arzneimitteln (mit Wirkstoffen natürlicher und synthetischer Herkunft) werden auch die altrechtlich kantonal zugelassenen Arzneimittel Gebrauch machen können und so in den Genuss eines schweizweiten Vertriebs kommen.

Arzneimittel, die schon vor dem Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes kantonal zugelassen waren und die auch die vorerwähnten zusätzlich vereinfachten Anforderungen nicht erfüllen, können weiter in Verkehr gebracht werden, sofern sie entsprechend gekennzeichnet sind und ausschliesslich im betreffenden Kanton und durch Personen mit anerkannter Ausbildung abgegeben und angewendet werden (vgl. Art. 95b).

Diese Produkte sind grundsätzlich zeitlich unbeschränkt verkehrsfähig, ohne dass sie eine Zulassung durch das Institut benötigen. Somit erfolgt in diesem Bereich eine Rückübertragung der Kompetenzen an die Kantone.

Gemäss dem Konzept des Heilmittelgesetzes können diejenigen Arzneimittel von der Zulassungspflicht befreit werden, bei denen das mit einem Arzneimittel immer vorhandene Schädigungspotenzial gering ist, weil der Kreis potenzieller Patientinnen und Patienten reduziert und gleichzeitig deren fachliche Beratung sichergestellt ist. Kantonale Zulassungen nach altem Heilmittelrecht, welche die Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels auf das Gebiet des betreffenden Kantons beschränkten, waren bei Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes nur noch im Kanton Appenzell Ausserrhoden verbreitet. Der Kreis potenzieller Konsumentinnen und Konsumenten solcher Präparate ist somit weitgehend auf die Einwohnerinnen und Einwohner des Kantons Appenzell Ausserrhoden (rund 50 000 Personen) beschränkt. Demgegenüber können zugelassene Arzneimittel in der ganzen Schweiz in Verkehr gebracht, das heisst an knapp acht Millionen
Personen abgegeben werden. Diese zahlenmässige Begrenzung des Kundenkreises kantonal zugelassener Arzneimittel, verbunden mit der kleinräumigen Struktur des Kantons Appenzell Ausserrhoden, einer überdurchschnittlichen sozialen Vernetzung, welche unerwünschte Arzneimittelwirkungen eher publik werden lässt, als dies beispielsweise in städtischen Verhältnissen der Fall sein dürfte, und die Beschränkung der Abgabe auf eidgenössisch oder kantonal approbierte Personen lassen das mit einer von der Zulassung des Instituts befreiten Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels verbundene Risiko als relativ gering erscheinen. Durch die Begrenzung des Konsumentenkreises ist das mit diesen Arzneimitteln verbundene Risiko vergleichbar mit dem Risiko von Arzneimitteln nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben a­c HMG (Formula-Arzneimittel).

Damit dies so bleibt, muss jedoch auch künftig die Verkehrsfähigkeit dieser Präparate auf den zulassenden Kanton beschränkt bleiben. Diese geografische Begrenzung der Verkehrsfähigkeit stellt eine Einschränkung des in Artikel 2 Absatz 1 des Binnenmarktgesetzes vom 6. Oktober 199551 (BGBM) festgelegten Rechts einer jeden Person dar, Waren und Dienstleistungen auf dem gesamten Gebiet der Schweiz 51

SR 943.02

41

anzubieten, soweit die Ausübung der betreffenden Erwerbstätigkeit im Kanton oder der Gemeinde ihrer Niederlassung oder ihres Sitzes zulässig ist (Recht auf freien Marktzugang). Dieses Recht auf freien Marktzugang hat jedoch keine absolute Geltung, sondern kann nach Massgabe der Ausnahmebestimmung von Artikel 3 Absatz 1 BGBM beschränkt werden. Beschränkungen sind insbesondere dann zulässig, wenn sie zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen unerlässlich und verhältnismässig sind. Eine Einschränkung des Rechts auf freien Marktzugang liegt bei Arzneimitteln typischerweise bereits darin, dass die meisten Arzneimittel lediglich durch Fachpersonen abgegeben werden dürfen. Mit Bezug auf die lediglich kantonal zugelassenen Arzneimittel ist die zusätzliche geografische Begrenzung der Marktfähigkeit notwendig, um die oben umschriebenen gesundheitspolizeilichen Interessen in verhältnismässiger Art und Weise sicherzustellen.

1.4.4

Geldwerte Vorteile

Für die Regelung der geldwerten Vorteile ist entscheidend, wie der Begriff der Arzneimittelsicherheit, der im Zentrum des Heilmittelgesetzes steht, ausgelegt wird.

Eng gefasst bezieht sich die Arzneimittelsicherheit auf das Produkt und konzentriert sich auf die Frage, ob dem der Patientin oder dem Patienten jeweils das optimale Produkt verschrieben oder abgegeben wird, das heisst, ob aufgrund der geldwerten Vorteile möglicherweise ein falsches Produkt eingesetzt worden ist. Das Institut bezieht sich heute auf dieses Verständnis und ist deshalb möglichen Mengenausweitungen bei Arzneimitteln bisher nur eingeschränkt nachgegangen.

Aus den durch Infras durchgeführten Befragungen und der Vernehmlassung ergeben sich etliche Hinweise, dass auch die Mengenausweitung und der Einsatz des Arzneimittels ausserhalb der zugelassenen Indikation52 für die Arzneimittelsicherheit bedeutend sein können. In dieselbe Richtung weisen die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 17. Dezember 201053. Dies bedingt, dass das Thema umfassender geregelt und gleichzeitig das Krankenversicherungsgesetz mit einbezogen wird, wie dies die Motion der CVP/EVP/glp-Fraktion54 verlangt.

Der vorliegende Vorschlag basiert auf einer Anpassung des Heilmittelgesetzes.

Damit wird ermöglicht, dass das Problem der geldwerten Vorteile umfassend und bei den Ursachen angegangen wird. Das Krankenversicherungsgesetz betrifft Arzneimittel der obligatorischen Krankenversicherung und deckt damit nur einen Teil des für die Arzneimittelsicherheit relevanten Bereichs ab. Auch das Bundesgesetz vom 19. Dezember 198655 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das Medizinalberufegesetz und das StGB erfassen nur einen Teil der Problematik56.

Mit den folgenden Massnahmen sollen die Regulierung und der Vollzug optimiert werden:

52 53 54 55 56

42

Sog. Off-label-use.

Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 17. Dezember 2010 (C-669/2008).

Mo. Nationalrat/Fraktion C (05.3016), Unabhängigkeit bei der Verschreibung und Abgabe von Medikamenten.

SR 241 Art. 4a UWG erfasst die selbstständigen Leistungserbringer im Gesundheitswesen nicht, Art. 40 MedBG regelt die passive Bestechung nicht und Art. 322quater StGB bezieht sich nur auf Personen mit amtlicher Tätigkeit.

­

Das Verbot von Naturalrabatten (vgl. Art. 57b Bst. c) entspricht Regulierungen im angrenzenden Ausland und vermindert die Anreize, mehr Arzneimittel einzusetzen als notwendig. Das Verbot erleichtert zudem die Durchsetzung der Transparenz der gewährten und erhaltenen Rabatte.

­

Die Einschränkung auf die verschreibungspflichtigen Arzneimittel (vgl.

Art. 57a Abs. 1) erlaubt es, die Kräfte im Vollzug auf die für die Arzneimittelsicherheit vordringlichen Aspekte zu fokussieren. Dabei sind jedoch mögliche Wechselwirkungen mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln weiterhin zu beachten.

­

Die Erhöhung der Transparenz, unter Einbezug der Medizinprodukte, wird folgendermassen erreicht: ­ Personen, die Heilmittel einsetzen, werden verpflichtet, ihre geschäftlichen Verbindungen zu Herstellern oder Inverkehrbringern offen zu legen (vgl. Art. 57c Abs. 2). Damit wird es den Patientinnen und Patienten ermöglicht, die Interessenbindungen dieser Fachpersonen zu kennen. Auf eine Einschränkung der Beteiligung an Betrieben anderer Marktstufen im Rahmen von vertikal integrierten Betrieben wurde verzichtet.

­ Weiter sollen zulässige geldwerte Vorteile neu in den Rechnungen und Buchhaltungen sowohl auf Seiten der Einkäufer (Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Ärzte und Apotheker) als auch auf Seiten der Vertreiber (Hersteller, Vertriebsfirmen, Grosshändler und Detailhandelsgeschäfte) eindeutig nachvollziehbar ausgewiesen werden (vgl. Art. 57c Abs. 1).

­

Die Durchsetzungskraft wird gestärkt, indem ­ die Strafbestimmung verschärft wird (vgl. Art. 86 ff.).

­ die einschlägigen Artikel im Heilmittel- und im Krankenversicherungsrecht neu durch eine einzige Institution auf Bundesebene, nämlich durch das BAG, vollzogen werden (vgl. Art. 82 und 90 HMG sowie Art. 82a und 92 Abs. 2 KVG).

­ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Medizinalpersonen und Organisationen neu die Möglichkeit haben, Verstösse gegen das Heilmittelrecht direkt den Behörden zu melden (vgl. Art. 59 Abs. 7).

1.4.5

Abgabe von Arzneimitteln

Die Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern sowie Drogistinnen und Drogisten zur selbstständigen Abgabe werden wesentlich erweitert: Drogistinnen und Drogisten sollen neu sämtliche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, Apothekerinnen und Apotheker neu Teile der geltenden Abgabekategorie B ohne vorgängige ärztliche Verschreibung abgeben dürfen (Art. 25 Abs. 1 Bst. b sowie Abs. 3 und 4 bzw. Art. 24 Abs. 1bis (neu) HMG). Damit wird auch die Motion der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) (07.3290) «Neue Regelung der Selbstmedikation» umgesetzt.

Für die meisten Arzneimittel der Abgabekategorie C ist eine Umteilung in die Abgabekategorie D vorgesehen. Sämtliche Präparate der Abgabekategorie C, welche aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht in die Abgabekategorie D umgeteilt werden 43

können, sollen in die Abgabekategorie umgeteilt werden, die durch Apothekerinnen und Apotheker ohne vorgängige ärztliche Verschreibung selbstständig abgegeben werden dürfen. Dies betrifft beispielsweise Arzneimittel mit spezieller Dokumentationspflicht (wie zum Beispiel die «Pille danach»), Arzneimittel mit bekannten Interaktionen mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (wie Hypericum), alle Schlaf- und Beruhigungsmittel mit synthetischem Wirkstoff, Arzneimittel mit Missbrauchspotenzial (z. B. solche mit dem Wirkstoff Dextromethorphan), Arzneimittel, welche spezielle pharmakologische Kenntnisse erfordern (wie zum Beispiel gewisse systemische Schnupfenmittel) usw. Zusätzlich ist es möglich, beispielsweise Arzneimittel, die der Prävention dienen (wie zum Beispiel Arzneimittel zur Malariaprophylaxe, Arzneimittel, welche in der Reisemedizin verwendet werden usw.) sowie Arzneimittel, welche auf ärztliche Erstverschreibung hin bei chronischen Krankheiten verwendet werden, durch Apothekerinnen und Apotheker selbstständig abgeben zu lassen.

Gleichzeitig sollen die verschiedenen Möglichkeiten, die zu einer Änderung der Arzneimitteleinteilung führen können, explizit geregelt werden (Art. 23a [neu] HMG). Diese Möglichkeiten bestehen im Rahmen der regelmässigen Überprüfung durch das Institut und aufgrund eines Gesuch der Zulassungsinhaberin.

Diese Anpassungen erfolgen unabhängig von der Zulassungsdauer der betroffenen Arzneimittel. Gestützt auf die vorzunehmende Risikoeinschätzung können Arzneimittel sowohl in eine höhere als auch in eine tiefere Abgabekategorie eingeteilt werden. Die Anpassung der Einteilung von anderen Arzneimitteln derselben Arzneimittelgruppe im Sinne einer Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Technik wird auf Verordnungsstufe auszuführen sein.

Weiter werden die Anforderungen an die Bewilligungen zur Abgabe von Arzneimitteln klargestellt. Unabhängig vom Ort der Abgabe benötigt jede Person, welche Arzneimittel abgibt, eine kantonale Bewilligung. Auf den Begriff des «Detailhandelsbetriebs» wird verzichtet. Damit wird klargestellt, dass auch Spital- und ärztliche Privatapotheken einer kantonalen Bewilligungspflicht unterstehen.

Schliesslich können verschiedene Anregungen aus dem Vollzug, wie die einheitliche Regelung der Abgabe von Arzneimitteln durch Fachpersonen unter der
Aufsicht einer abgabeberechtigten Person (Stellvertretung), auf Verordnungsstufe geregelt werden. Diese Anliegen werden bei der Ausarbeitung des Ausführungsrechts zur vorliegenden Revision des Heilmittelgesetzes berücksichtigt.

1.4.6

Good Corporate Governance

Mit dieser Revisionsvorlage wird die Steuerung des Instituts an die Leitsätze des Corporate-Governance-Berichts des Bundesrates vom 2006 angepasst. Durch die Einführung von strategischen Zielen für eine Periode von jeweils vier Jahren wird die Unabhängigkeit des Instituts gestärkt. In Abweichung zu den Richtlinien des Corporate-Governance-Berichts wird dem Bundesrat jedoch ein Genehmigungsvorbehalt für die strategischen Ziele des Instituts eingeräumt (vgl. Art. 70). Das Institut muss im Rahmen der jährlichen Berichterstattung Rechenschaft über seine Tätigkeiten und die Erreichung der strategischen Ziele ablegen. Anpassungen der strategischen Ziele auf Anregung des Institutsrates sind möglich, müssen aber durch den Bundesrat genehmigt werden. Diese Lösung ermöglicht es dem Bundesrat, 44

auch weiterhin eine aktive Rolle bei der strategischen Ausrichtung des Instituts zu spielen.

Durch die Möglichkeit, den Institutsrat (oder einzelne Mitglieder) beziehungsweise die Revisionsstelle aus wichtigen Gründen abzuberufen wird die Oberaufsicht des Bundesrates als Vertreter des Eigners gestärkt (vgl. Art. 71 Abs. 3). Als wichtige Gründe kommen insbesondere eine schwere Pflichtverletzung oder ein dauernder Interessenkonflikt eines Mitglieds dieser Organe in Frage.

Die Aufsichtsabgaben («Vignettengebühr») bewegen sich momentan zwischen 3 und 8 Promille des Fabrikabgabepreises. Die vorgeschlagene Obergrenze von 10 Promille (vgl. Art. 65 Abs. 3) trägt damit der aktuellen Situation und den finanziellen Bedürfnissen des Instituts Rechnung. Die Ausführungsbestimmungen zur Aufsichtsabgabe sollen neu vom Bundesrat erlassen werden.

Die Kompetenz zum Erlass der Gebührenverordnung bleibt beim Institutsrat. Die Verordnung unterliegt aber, in Übereinstimmung mit den Vorgaben des CorporateGovernance-Berichts, neu der Genehmigung durch den Bundesrat (vgl. Art. 65 Abs. 5).

1.4.7

Arzneimittelinformation

Mit der Änderung von Artikel 67 HMG wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, damit das Institut Artikel 16a Absatz 3 VAM umsetzen und die Arzneimittelinformationen auf Kosten der Zulassungsinhaberinnen in elektronischer Form publizieren lassen kann. Da aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 201157 die Publikation bei einem privaten Verleger nicht mehr verlangt werden kann58, beabsichtigt das Institut bis zum Inkrafttreten der Änderung von Artikel 67 HMG ein elektronisches Verzeichnis auf eigene Kosten zu betreiben. Die in diesem Zusammenhang stehenden Leistungen wurden Anfang 2012 ausgeschrieben; das Verzeichnis wird voraussichtlich per Ende 2012 aufgeschaltet59.

Gemäss dem Postulat Robbiani (06.3380) «Information über die Zusammensetzung von Medikamenten» sollen die Hersteller von Medikamenten verpflichtet werden, die Wirkstoffe und Hilfsstoffe anzugeben, welche Allergien oder unerwünschte Wirkungen hervorrufen können. Dadurch würde die Heilmittelgesetzgebung der Lebensmittelgesetzgebung angeglichen. Dies bedeutet eine Verbesserung der Information über die Arzneimittel. Eine Änderung des Heilmittelgesetzes erübrigt sich, da dies auf Verordnungsstufe zu regeln ist. Das Anliegen wird im Rahmen der Ausarbeitung des Ausführungsrechts zur vorliegenden Revision aufgenommen.

57 58

59

Siehe Fussnote 41.

Bisher hatte Swissmedic eine Publikation der Fachinformationen im Arzneimittelkompendium der Documed AG bzw. der Patienteninformationen im Kompendium oder unter oddb.org vorgeschrieben.

Vgl. auch Antwort des Bundesrates zur Interpellation Cassis (11.4180) « Das Ende des Arzneimittelkompendiums?».

45

1.4.8

Marktüberwachung

Die EU hat im Januar 2011 ein Bündel an Regelungen verabschiedet, die auch die unionsinternen Prozesse verbessern sollen60. Aufgrund einer öffentlichen Konsultation zur Pharmacovigilance hatte die EU 2007 beschlossen, die Zuständigkeiten und Aufgaben klarer zu verteilen, die Meldepflicht zu vereinfachen und die Durchführung von Studien über die Sicherheit von Arzneimitteln nach der Zulassung zu gewährleisten.

Für die Schweiz können die Einzelheiten dieser Massnahmen im Rahmen der Ausführungsbestimmungen auf Verordnungsstufe umgesetzt und die Marktüberwachung somit weiter gestärkt werden.

Folgende sicherheitsrelevante Marktüberwachungsaktivitäten sollen im Heilmittelgesetz verankert werden: ­

Ausdehnung der Meldepflicht auf Beobachtungen anderer schwerwiegender oder bisher unbekannter Tatsachen (Art. 59 Abs. 3) als Überwachungsmassnahme im Bereich Heilmittelsicherheit;

­

Anwendung der «Good Vigilance Practice» (Art. 59 Abs. 5);

­

Umsetzung eines «Pharmacovigilance-Planning» (Art. 11 Abs. 2 Bst. e);

­

Qualitätssicherung im Medikationsprozess (Art. 30 Abs. 2).

Damit sollen die Marktüberwachungsaktivitäten im Bereich Vigilance auch weiterhin laufend dem aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst und gleichzeitig internationale Standards berücksichtigt werden können.

1.4.9

Übrige Gebiete

Datenbearbeitung Mit dieser Revisionsvorlage wird für die Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten und Persönlichkeitsprofilen in den Bereichen Bewilligungsverfahren, der behördlichen Marktüberwachung, der Vigilance und den klinischen Versuchen mit Heilmitteln die formellgesetzliche Grundlage entsprechend den Anforderungen des Datenschutzgesetzes vom 19. Juni 199261 (DSG) geschaffen.

Weiter wird auch eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für den Datenaustausch zwischen dem Institut und der durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betriebenen Pharmacovigilance-Datenbank in Uppsala (Schweden) vorgesehen.

Neben diesen neuen spezialgesetzlichen Datenschutzbestimmungen sind selbstverständlich das Datenschutzgesetz und sein Ausführungsrecht direkt anwendbar.

Schliesslich soll Artikel 63 HMG so angepasst werden, dass der Bundesrat die Bekanntgabe von Daten, die für den Vollzug von Bundesgesetzen im Bereich der Gesundheit erforderlich sind, regeln kann. Dies ist beispielsweise im Bereich der Epidemienbekämpfung dringend notwendig.

60 61

46

http://ec.europa.eu/health/human-use/pharmacovigilance/index_en.htm SR 235.1

Strafbestimmungen Neben der Überarbeitung aufgrund der per 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Revision des Allgemeinen Teils des StGB beinhaltet die Vorlage auch verschiedene redaktionelle Anpassungen der Strafbestimmungen des HMG. Die wesentlichste Änderung betrifft die Strafbestimmung von Artikel 86, die bisher als konkretes Gefährdungsdelikt formuliert ist, künftig jedoch als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet werden soll, wobei die konkrete Gesundheitsgefährdung einen Qualifikationstatbestand darstellt, der, wird er erfüllt, zu einer deutlichen Straferhöhung führt.

Damit wird dem Schutz der menschlichen Gesundheit als vorrangigem Ziel des Heilmittelgesetzes (vgl. Art. 1) auch in den Strafbestimmungen verstärkt Rechnung getragen. Die Hürden bleiben allerdings hoch: Für die Anwendung des qualifizierten Straftatbestandes muss der Nachweis einer tatsächlich eingetretenen Gefährdung der Gesundheit von mindestens einer Person erbracht werden. Die blosse Gefährdungsmöglichkeit oder -vermutung reicht dafür nicht aus.

In der Praxis hat der Nachweis der Gesundheitsgefährdung zu erheblichen Beweisschwierigkeiten geführt62. Erbringen lässt er sich meist nur über den Kreis der Betroffenen, also der Konsumentinnen und Konsumenten von Heilmitteln. Oftmals sind diese jedoch nicht bekannt oder lassen sich nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand feststellen. Soweit es um Heilmittel geht, deren Konsumation die Betroffenen einer gesellschaftlichen Missbilligung aussetzt, wie dies beispielsweise bei Erektionsförderern der Fall ist, ist zudem die Mitwirkung der Konsumenten ­ eine Voraussetzung für den Nachweis der Gesundheitsgefährdung ­ nicht gewährleistet.

Weiter erschwert wird die Erbringung des Nachweises dadurch, dass die zu erhebenden Informationen durch das Arztgeheimnis ­ besonders schützenswerte Personendaten ­ geschützt sind. Eine weitere Beweisschwierigkeit ergibt sich aufgrund des ausbleibenden strafrechtlichen Erfolgs ­ eine Gesundheitsschädigung tritt bei Gefährdungsdelikten per definitionem nicht ein: Im Unterschied zu den Verletzungsdelikten des StGB, insbesondere der schweren Körperverletzung nach Artikel 122 StGB, welche regelmässig durch ärztliche Zeugnisse, Fotos usw. dokumentiert werden können, führt eine Gesundheitsgefährdung zu keinen äusserlich ­ und häufig auch innerlich ­
wahrnehmbaren Folgen. Problematisch ist oftmals auch der grosse zeitliche Abstand zwischen der zu beweisenden tatsächlich eingetretenen Gesundheitsgefährdung und den Nachweisbemühungen. Ob eine Patientin oder ein Patient zu einem bestimmten Zeitpunkt einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt war, lässt sich Monate oder Jahre später kaum mehr verbindlich feststellen, zumal sich auch der Gesundheitszustand der Betroffenen verändert.

Damit ist der Anwendungsbereich des Artikels 86 in seiner heutigen Fassung sehr stark eingeschränkt; eine Vielzahl von Heilmittelverstössen lässt sich heute, ohne unverhältnismässigen Aufwand zu betreiben, nur über Artikel 87 ahnden. Dieser ist im Grundtatbestand jedoch lediglich als Übertretung ausgestaltet und sieht daher nur die Möglichkeit von Bussen, nicht aber von Freiheitsstrafen und Geldstrafen vor.

Zahlreiche Heilmittelwiderhandlungen haben jedoch ­ aufgrund des realisierten, wenn auch abstrakten Gefährdungspotenzials oder der ihnen inhärenten kriminellen Energie ­ weitaus stärker den Charakter von Vergehen und rechtfertigen es, dass sie mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe und nicht bloss mit Busse bedroht sind. Die im 62

Vgl. die beiden vom Bundesgericht gefällten Urteile 6B_115/2008 vom 4. September 2008 und 6B_374/2008 vom 27. November 2008.

47

Heilmittelbereich zuständigen Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sehen sich demnach heute mit der Situation konfrontiert, dass sie in vielen Fällen nicht eine der Widerhandlung angemessene Strafe ausfällen können.

Vor diesem Hintergrund soll Artikel 86 neu als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet werden, womit dem Umstand Rechnung getragen wird, dass sich eine konkrete Gesundheitsgefährdung oftmals nicht nachweisen lässt, eine Vielzahl von Verstössen im Zusammenhang mit Heilmitteln aber auch durch Artikel 87 nicht hinreichend abgedeckt wird.

Wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion Parmelin (10.3786) «Härtere Sanktionen für den Schmuggel und die Fälschung von Arzneimitteln»63 festgehalten hat, wird auch eine Verschärfung der Sanktionen vorgeschlagen. In diesem Zusammenhang ist auf die am 28. Oktober 2011 von der Schweiz zusammen mit elf weiteren Staaten64 unterzeichnete Medicrime-Konvention (Übereinkommen des Europarates über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten) hinzuweisen. Mit diesem Übereinkommen steht im Kampf gegen Arzneimittelfälschungen und ähnliche Straftaten erstmals ein internationales Instrument zur Verfügung. Die Medicrime-Konvention verpflichtet einerseits die Mitgliedstaaten, wirksame, angemessene und abschreckende Strafen vorzusehen, andererseits enthält sie auch materielle Inhalte, welche neben der Festlegung von Tatbestandselementen teilweise auch die vorzusehenden Strafrahmen betreffen. Die Vorlage zur Genehmigung und Umsetzung der Medicrime-Konvention wird voraussichtlich im 1. Quartal 2013 in eine Vernehmlassung geschickt.

Keine Anpassung des Arzneimittelbegriffs Bei der Erarbeitung des Heilmittelgesetzes wurde bewusst darauf verzichtet, die Definitionen der EU wörtlich zu übernehmen65. Begründet wurde dies damals damit, dass die Definitionen der EU so ausführlich und detailliert seien, dass sie der schweizerischen Gesetzestechnik nicht entsprechen würden. Darüber hinaus sollte vermieden werden, dass das Heilmittelgesetz bei jeder noch so geringen Änderung einer EU-Definition umgehend angepasst werden müsste. Deshalb wurde auf eine buchstabengetreue Übernahme der Definitionen der EU verzichtet und die Konkretisierung der Begriffe dem Bundesrat übertragen.

Im Rahmen der vorliegenden
Revision wurde die Frage der Angleichung des Arzneimittelbegriffs an die Definition der EU nochmals analysiert.

Mit der laufenden Totalrevision des Lebensmittelgesetzes vom 9. Oktober 199266 (LMG) soll der Lebensmittelbegriff dem EU-Recht angeglichen werden67. Die Definition des Arzneimittelbegriffs in der Schweiz ist derjenigen der EU sehr ähnlich. Deshalb sind in der Schweiz auch nach Anpassung der Lebensmittelgesetz63 64

65 66 67

48

Siehe auch Antwort des Bundesrates auf 10.3170 - Ip. Parmelin «Gefahren der Medikamentenfälschung und des Medikamentenschmuggels».

Unterzeichnet haben am 28. Oktober 2011 Deutschland, Finnland, Frankreich, Island, Israel, Italien, Österreich, Portugal, Russland, die Schweiz, die Ukraine und Zypern. Seither haben zusätzlich das Fürstentum Liechtenstein, Luxemburg, Dänemark, die Türkei, Belgien, Armenien, Moldawien, Spanien und Guinea die Konvention unterzeichnet. Die Ukraine hat die Konvention bereits ratifiziert (20.8.2012).

Botschaft zum HMG vom 1. März 1999, BBl 1999 3488.

SR 817.0 Siehe Botschaft zum LMG vom 25. Mai 2011, BBl 2011 5571.

gebung an die EU keine Abgrenzungsprobleme zu erwarten, welche sich wesentlich von jenen in der EU unterscheiden. Trotz einheitlicher Definition in den EU-Ländern kommt es selbst da immer wieder zu unterschiedlichen Beurteilungen vergleichbarer Fälle.

Eine Anpassung der EU-Definition an die schweizerische Rechtssprache und die Implementierung der Eigenheiten (Aufnahme der Tierarzneimittel sowie Blut und Blutprodukte) steigert die Verständlichkeit des Begriffs nicht. Der schweizerische Arzneimittelbegriff ist zwar nicht ganz deckungsgleich mit dem europäischen, rechtfertigt jedoch keine Anpassung.

Verschreibung von Arzneimitteln in Spitälern Das Postulat der SGK-N (10.3669) «Verschreibung von Arzneimitteln durch Spitäler» beauftragt den Bundesrat zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen Spitäler verpflichtet werden können, beim Austritt der Patientinnen und Patienten auf die Verschreibung von «Marken» zu verzichten und an deren Stelle ausschliesslich die Wirkstoffe inkl. Dosierung, die galenische Form (inkl. allfälliger Retardierung) sowie die Packungsgrösse zu verschreiben.

Aufgrund der grossen Verbreitung von Generika steht heute eine Vielzahl von Präparaten mit ein und demselben Wirkstoff zur Verfügung. Der behandelnde Arzt entscheidet aufgrund der Krankengeschichte der Patientin oder des Patienten und der Diagnose, welche Behandlung und damit welches Arzneimittel am besten geeignet ist.

Die Verschreibungspraxis in den Spitälern kann den ambulanten Sektor einer ganzen Region prägen. Dies gilt insbesondere für Arzneimittel, die auch nach Spitalaustritt weiter eingenommen werden müssen. Dies hat zur Folge, dass Pharmafirmen gegenüber Spitälern einen Anreiz haben, Preisnachlässe zu gewähren. Beim sogenannten «Einstellen» auf eine bestimmte Marke im Spital können ausserhalb des Spitals volkswirtschaftliche Zusatzkosten entstehen, weil den Patientinnen und Patienten nicht zwingend ein günstiges Arzneimittel verschrieben wird. In diesem Fall ist es möglich, dass der Patient ausserhalb des Spitals ein Arzneimittel einnimmt, das aus Sicht des Spitals kostengünstig ist, weil es Rabatte erhalten hat, im Preis ausserhalb des Spitals aber wesentlich teurer ist als mögliche Konkurrenzprodukte68.

Mit dem Substitutionsrecht von Artikel 52a KVG besteht zwar bereits heute die Möglichkeit, die Wahl des
Arzneimittels dem Apotheker oder der Apothekerin zu überlassen, falls dem aus medizinischer Sicht nichts entgegensteht. Der Apotheker oder die Apothekerin hat so die Möglichkeit, aus ökonomischen Gründen ein günstigeres Arzneimittel abzugeben.

Dabei muss jedoch beachtet werden, dass zwar bei bestimmten Arzneimitteln eine Substitution problemlos erfolgen kann, es bei andern Arzneimitteln jedoch sowohl therapeutische wie auch psychologische und praktische Vorbehalte gibt. Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff sind oft nicht identisch zusammengesetzt, was ihre Wirkung beeinflussen beziehungsweise Komplikationen hervorrufen kann. Bei den Überlegungen zu einem Wechsel des Präparats während einer Therapie muss insbesondere die therapeutische Breite des Wirkstoffs (Bereich zwischen Unterdosierung und Überdosierung; je kleiner dieser Bereich ist, desto genauer muss der Wirkstoff dosiert werden) und die galenische Form des Arzneimittels berücksichtigt werden.

68

Vgl. Infras-Studie (Fussnote 26).

49

Ein häufiger Wechsel des Präparats verbunden mit nicht ausreichender Information kann insbesondere ältere Patientinnen und Patienten mit Polymedikation verunsichern und die Compliance (Therapietreue) beeinträchtigen. Besonders psychisch kranke Menschen reagieren zudem sehr empfindlich auf Änderungen des Arzneimittels, wie beispielsweise der Farbe, der Form, der Verpackung, des Geruchs und des Geschmacks des Arzneimittels. Nicht zu vernachlässigen sind praktische Aspekte wie beispielweise die Handhabung, die Tablettengrösse oder die Teilbarkeit von Tabletten.

Die Vielzahl von Präparaten mit unterschiedlichen und teilweise ähnlichen Namen für ein und denselben Wirkstoff kann nicht nur bei den Patienten, sondern auch bei den Gesundheitsfachpersonen zu Verwechslungen führen. Solche Verwechslungen können zu Medikationsfehlern führen, welche die Gesundheit von Patientinnen und Patienten gefährden. Um Medikationsfehler zu vermeiden, gehen einige Spitäler innerhalb des Hauses auf das System der Wirkstoffverschreibung über, um so bei wechselnden Arzneimittelnamen die Fehlerrate durch Verwechslungen zu senken.

Die indirekten Unkosten (bezahlte, aber nicht oder falsch eingenommene Arzneimittel, Behandlung von Komplikationen und Medikationsfehlern) können Einsparungen durch eine Generikasubstitution mehrfach überschreiten. Deshalb soll am Grundsatz von Artikel 52a KVG festgehalten werden, der im Einzelfall eine Substitution ermöglicht, aber keine Zwangssubstitution vorsieht.

Gleichzeitig sollen Massnahmen unterstützt werden, welche dazu beitragen, die Medikationssicherheit weiter zu verbessern. Auf der Ebene des Bundes legt das HMG in Artikel 3 bereits den Rahmen für die laufende Verbesserung des Verschreibungs- und Abgabeprozesses fest: Wer mit Heilmitteln umgeht, muss alle Massnahmen treffen, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich sind, damit die Gesundheit von Mensch und Tier nicht gefährdet wird. Der Bundesrat erhält mit der in der vorliegenden Revision vorgesehenen Ergänzung von Artikel 26 Absatz 1 die Möglichkeit, die bei der Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln zu beachtenden anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften näher zu umschreiben.

Bei der Förderung der Medikationssicherheit gibt es verschiedene Aspekte, die berücksichtigt
werden müssen. Bei der Verschreibung beim Spitalaustritt handelt es sich nur um einen Teilaspekt des gesamten Medikationsprozesses, der in Zusammenhang mit dem Gesamtprozess betrachtet werden sollte. Um Fehler und Probleme bei der Medikation vorzubeugen, ist die Qualität der Prozesse zu sichern. Mit dem Ziel, Defizite in der Umsetzung der Qualitätssicherung im Gesundheitswesen anzugehen, hat der Bundesrat im Oktober 2009 die «Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen»69 verabschiedet. Diese sieht vor, dass Bereiche, die ein besonders hohes Verbesserungspotenzial aufweisen, durch entsprechende nationale Programme angegangen werden. Für ein erstes nationales Qualitätsprogramm sind drei Themenbereiche vorgesehen, darunter das Thema der Medikationssicherheit. Dieses umfasst den gesamten Prozess von der Verschreibung, Problemen im Informationsfluss, Kontrolle von Medikamenteninteraktionen bis zur Polymedikation. Der Bundesrat hat im Mai 2011 die Konkretisierung der Qualitäts-

69

50

www.bag.admin.ch/themen/krankenversicherung/00300/00304/index.html?lang=de

strategie im Schweizerischen Gesundheitswesen70 gutgeheissen und damit den Auftrag für die weiteren Arbeiten erteilt.

Zudem sollen die Entwicklungen in der EU zur Anerkennung von grenzüberschreitenden Arzneimittelverschreibungen verfolgt werden. Gemäss Richtlinie 2011/24/EU soll die Kommission verschiedene Massnahmen erlassen, die unter anderem auf das Verifizieren der Echtheit der Verschreibung, die korrekte Identifizierung von Arzneimitteln oder Medizinprodukten sowie die erleichterte Verständlichkeit von Informationen für den Patienten abzielen. Die Kommission hat die Massnahmen bis spätestens Oktober beziehungsweise Dezember 2012 zu erlassen.

Der Bundesrat beschränkt sich daher in dieser Vorlage darauf, mit der neuen Regelung bezüglich Sorgfaltspflicht die Verbesserung der Sicherheit von Verschreibung, Abgabe und Anwendung zu ermöglichen (Art. 26 Abs. 1 HMG). Massnahmen, die sich auf die Arzneimittel selber beziehen (z. B. Massnahmen gegen die Soundalike/Look-alike Problematik), sind nicht davon betroffen. Diese werden bereits durch technische Vorschriften des Instituts festgelegt, namentlich im Rahmen der Arzneimittel-Zulassungsverordnung vom 9. November 200171 (AMZV).

Einfuhr nicht zugelassener Arzneimitteln Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe a HMG erlaubt ausdrücklich die Einfuhr nicht zugelassener, verwendungsfertiger Arzneimittel durch Einzelpersonen in kleinen Mengen und für den Eigengebrauch. Es wird davon ausgegangen, dass rund die Hälfte solcher Importe grössere Mengen als gesetzlich zugelassen, gefälschte oder qualitativ minderwertige Arzneimittel enthalten. Aufgrund der jährlich steigenden Anzahl Einfuhren wird zudem der Vollzug dieser Regelung zunehmend schwieriger.

Inwiefern betreffend der Regelung des Imports von Arzneimitteln durch Privatpersonen zum Eigengebrauch Handlungsbedarf besteht, bildet nicht Gegenstand dieser Vorlage, sondern soll in Rahmen der Ratifizierung der Medicrime Konvention überprüft werden72. Im gleichen Kontext soll auch geprüft werden, ob ein einfacheres und effizienteres Verwaltungsmassnahmeverfahren vorzusehen ist.

1.5

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Der vorliegende Entwurf bildet die Grundlage für eine effizientere Versorgung von Mensch und Tier mit qualitativ hochstehenden, sicheren und wirksamen Heilmitteln.

Dabei werden die Ansprüche der Bevölkerung an einen leichten Zugang zu Arzneimitteln und die Aspekte der Arzneimittelsicherheit ausgewogen berücksichtigt.

Die einzelnen Massnahmen in den verschiedenen Themenfeldern wurden differenziert ausgestaltet und aufeinander abgestimmt. So werden die Vereinfachungen in der Selbstmedikation und in der Zulassung von Arzneimitteln begleitet durch Verbesserungen in den Bereichen der Marktüberwachung und der Arzneimittelinformation. Darüber hinaus wird dem Subsidiaritätsprinzip konsequent Rechnung getragen.

70 71 72

Bericht an den Bundesrat zur Konkretisierung des Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen; Fundstelle siehe Fussnote 69.

SR 812.212.22 Vgl. hierzu auch die Antwort des Bundesrates zur Anfrage Hardegger (12.1065) «Einfuhr nicht zugelassener, verwendungsfertiger Arzneimittel durch Einzelpersonen».

51

Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit werden auf Bereiche mit hohem Risikopotenzial für die Patienten und einem kleinem Marktvolumen, in denen von einem Marktversagen ausgegangen werden muss (z. B. im Bereich der Kinderarzneimittel), beschränkt.

Die beantragten Regelungen sind durchwegs durch ein zulässiges und überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt. Im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c HMG wird auch dem Anliegen einer geordneten und sicheren Versorgung mit Heilmitteln Rechnung getragen, ohne dabei unverhältnismässige Eingriffe in den Markt vorzusehen.

Die Regelungen im Bereich Kinderarzneimittel wurden den WTO- beziehungsweise dem EFTA-Notifikationsverfahren unterzogen. Es sind keine Stellungnahmen eingegangen.

1.6

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Der Gesetzesentwurf sieht im Vergleich zum geltenden Gesetz keine grundsätzliche Änderung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen vor. Nach dem Prinzip der fiskalischen Äquivalenz finanziert jede Staatsebene diejenigen Aufgaben selbst, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.

Das Institut ist weiterhin zuständig für den Vollzug des Grossteils der Massnahmen in den Bereichen Produktsicherheit und Marktüberwachung, die Kantone nehmen vor allem im Bereich der Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln Vollzugsaufgaben wahr.

Die Bündelung und Verstärkung des Vollzugs im Bereich der geldwerten Vorteile hat die Übernahme von neuen Vollzugsaufgaben durch den Bund zur Folge. Der damit einhergehende Mehraufwand kann teilweise durch Gebühren gedeckt werden.

Im Hinblick auf die Schaffung der nationalen Datenbank in der Pädiatrie entsteht für den Bund ebenfalls ein (geringer) Mehraufwand73.

1.7

Rechtsvergleich und Verhältnis zum europäischen Recht

Kinderarzneimittel Die in dieser Vorlage im Bereich Kinderarzneimittel vorgeschlagenen Regelungen widerspiegeln die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006, angepasst an schweizerische Verhältnisse. Das System von Verpflichtung, Anreiz und Kontrolle bei der Entwicklung von Arzneimitteln wird übernommen: Zukünftig soll im Rahmen jedes Zulassungsgesuchs auch in der Schweiz geprüft werden müssen, ob auf eine Zulassung für Kinder generell oder im Einzelfall verzichtet werden kann.

Grundsätzlich müssen angemessene Darreichungsformen entwickelt, klinische Prüfungen mit Kindern durchgeführt und die entsprechenden Ergebnisse mit dem Zulassungsgesuch eingereicht werden. Zentrales Instrument ist dabei in der EU das pädiatrische Prüfkonzept, welches in analoger Form auch in die schweizerische Gesetzgebung eingeführt werden soll. Als Anreiz für die Entwicklung von Arznei73

52

Zu den Auswirkungen auf den Bund vgl. insbesondere Ziffer 3.1.

mitteln für Kinder werden in Anlehnung an die Regelungen der EU auch in der Schweiz die Verlängerung beziehungsweise die Neuerteilung des Unterlagenschutzes sowie die Verlängerung von bestehenden ergänzenden Schutzzertifikaten vorgesehen. Die EU-Regelung sieht vor, dass die Zulassungsinhaberin die Zulassung einer Rechtsnachfolgerin übertragen muss, falls sie ein für Kinder entwickeltes Arzneimittel, für welches ihr entsprechende Anreize gewährt wurden, vom Markt nehmen will. Eine ähnliche Regelung ist vorliegend auch für die Schweiz vorgesehen.

Auch in der EU laufen Bestrebungen, vorhandene Informationen aus der Pädiatrie zu vernetzen und transparent zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich dabei aber primär um Massnahmen zur Produktsicherheit, darauf ausgelegt, Kinder bei der Entwicklung von Arzneimitteln einzubinden und Studiennetzwerke zu bilden. Die vorgesehene nationale Datenbank in der Schweiz verfolgt einen anderen Ansatz. Mit der Sammlung von Dosierungsempfehlungen in der Pädiatrie soll die Medikationssicherheit verbessert werden.

Zulassung Im Bereich der Zulassung wird betreffend der Dauer der Genehmigung eine Angleichung an das europäische Recht74 vorgeschlagen. Danach soll auch in der Schweiz die Zulassung nach einer ersten erfolgreichen Erneuerung in eine unbefristete Zulassung überführt werden.

Demgegenüber werden jedoch in bestimmten Bereichen auch Änderungen am bestehenden Gesetz vorgeschlagen, welche von den europäischen Bestimmungen und den internationalen Standards abweichen: So sind die in Umsetzung der Forderungen der parlamentarischen Initiative Kleiner (07.424) «Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Komplementärmedizin konkretisieren» vorgesehenen Vereinfachungen für Komplementärarzneimittel ohne Indikation sowie traditionell verwendete Arzneimittel weitreichender als im europäischen Recht. Für bestimmte Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe ist eine reine Meldepflicht vorgesehen, das heisst, dem Institut sind zu diesen Präparaten keine Unterlagen zur Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit vorzulegen. Auch die EU sieht für Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe Vereinfachungen vor, dies aber lediglich in der Form eines vereinfachten Registrierungsverfahrens und nur für homöopathische und anthroposophische Arzneimittel (ohne Arzneimittel der asiatischen
Medizin)75. Die für traditionelle Arzneimittel vorgesehenen vereinfachten Zulassungsanforderungen für traditionelle Arzneimittel entsprechen den europäischen Vorgaben76 ebenfalls nicht. Letztere gelten nur für pflanzliche und nicht für alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (inkl. Arzneimittel mit synthetischen Wirkstoffen), die den Traditionsnachweis erfüllen können.

Geldwerte Vorteile Die Bestimmungen zum Vorteilsverbot (Art. 57a und 57b) entsprechen weitgehend den Regelungen in den Artikeln 94­96 der Richtlinie 2001/83/EG. Das EU-Recht hält hier ausdrücklich fest, dass «die in den Mitgliedstaaten bestehenden Massnahmen oder Handelspraktiken hinsichtlich der Preise, Gewinnspannen und Rabatte 74 75 76

Art. 24 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2001/83/EG bzw. Art. 14 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EG) 726/2004.

Art. 13 ff. der Richtlinie 2001/83/EG.

Richtline 2004/24/EG

53

unberührt» blieben (Art. 94 Abs. 4 der Richtlinie). Somit bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, Regelungen betreffend die Zulässigkeit von Rabatten zu erlassen.

Als Beispiel sei erwähnt, dass in Deutschland und (teilweise) in Österreich Naturalrabatte verboten sind.

Abgabe Im Bereich der Abgaberegelungen sieht die EU verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (Art. 70 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG) vor. Eine weitere Differenzierung ist nur innerhalb der Kategorie der verschreibungspflichtigen Arzneimittel vorgesehen (Art. 71 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG). Das EU-Recht lässt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, weitere Differenzierungen einzuführen, solange die Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG eingehalten werden. Einige Mitgliedstaaten der EU haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. So kennt das deutsche Arzneimittelgesetz verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Grossbritannien pflegt ein ähnliches System, wobei Verschreibungen jedoch von einem grösseren Personenkreis vorgenommen werden können (auch von Apothekerinnen und Apothekern). Österreich und Frankreich sehen ­ wie das EU-Recht ­ nur die Unterteilung in verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel vor. Die Niederlande hat eine ähnliche Regelung wie das heutige Heilmittelgesetz sie vorsieht.

Die nationalen Regelungen aller europäischen Länder erlauben die Abgabe sämtlicher Arzneimittel in Apotheken. In keinem Land ist die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Drogerien zulässig. Es besteht für sie jedoch fast überall die Möglichkeit, Arzneimittel, die unter die national definierte Kategorie der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel fallen, zu verkaufen. Durch die unterschiedliche Einteilung der Arzneimittel und die unterschiedliche Ausbildung in den verschiedenen Ländern, ist die Kompetenz von Drogistinnen und Drogisten sehr vielfältig geregelt: in Deutschland dürfen sie nur freiverkäufliche (nicht apothekenpflichtige) Arzneimittel abgeben, in Österreich die gemäss Rechtsakt vorgesehenen Arzneimittel. Frankreich kennt den Berufsstand der Drogistinnen und Drogisten überhaupt nicht ­ dort gilt das Apothekenmonopol ­ und Grossbritannien kennt den Begriff Drogistin oder Drogist als Synonym
zur Apothekerin oder zum Apotheker.

In Italien darf der Drogist unter sehr strengen Bedingungen nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel abgeben.

Good Corporate Governance Die Anpassungen in Bezug auf die Organe, die Steuerung, die Aufsicht usw. beinhalten keine grundsätzlichen Änderungen am rechtlichen Status des Instituts. Hier zeigen sich Unterschiede im internationalen Umfeld. Generell ist jedoch ein Trend zu mehr Autonomie und Unabhängigkeit vergleichbarer Institutionen von der Zentralverwaltung zu erkennen. Dies entspricht auch der mit dieser Revision vorgeschlagenen Stossrichtung. Zumeist sind die zuständigen Behörden mehr oder weniger autonome Einheiten, die der Aufsicht des Gesundheitsministeriums unterstellt sind: Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die französische Agence nationale de sécurité du médicament et des produits de santé (ansm) ist eine öffentliche Anstalt des Staates, aufsichtführend ist das Gesundheitsministerium. Die italienische Agenzia Italiana del farmaco (AIFA) 54

ist eine autonome Institution des öffentlichen Rechts, unter der Aufsicht und Überwachung des Gesundheitsministeriums. Die englische Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) ist eine «executive agency» des Department of Health, die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) eine Behörde innerhalb des Department of Health and Human Services. Die australische Therapeutic Goods Administration hat keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern befindet sich als «Division of the Department of Health and Ageing» unter dem Dach einer juristischen Person, die als «Crown in right of the Commonwealth» bezeichnet wird.

Arzneimittelinformation In Ländern mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle wie die EU und ihre Mitgliedstaaten, USA, Kanada usw. ist die Bedeutung eines Verzeichnisses der Arzneimittelinformationen unbestritten: So wird in den meisten Ländern der EU die Arzneimittelinformation ebenfalls in einem Verzeichnis (elektronisch und/oder Druckversion) publiziert. Die EMA publiziert das SmPC (Summary of Product Characteristics) der zentral zugelassenen Arzneimittel auf ihrer Homepage.

1.8

Umsetzung

Die Vorlage beinhaltet verschiedene Aspekte, die konkretisiert und umgesetzt werden müssen.

Auf Stufe Bundesrat ist namentlich eine Konkretisierung der Bestimmungen zu den Kinderarzneimitteln notwendig, insbesondere bezüglich dem pädiatrischen Prüfkonzept und der nationalen Datenbank in der Pädiatrie. Weiter bedürfen verschiedene Regelungen betreffend geldwerte Vorteile einer Ausführung (z. B. Konkretisierung der Offenlegungspflicht nach Art. 57c Abs. 2). Die Neugestaltung der Abgabekategorien wird ebenfalls verschiedene Anpassungen auf Verordnungsstufe sowie bedeutende Umsetzungsarbeiten für das Institut (Neueinteilung der Arzneimittel) mit sich bringen.

Auch das Institut wird in verschiedenen Bereichen Ausführungsrecht erlassen müssen. Im Vordergrund steht die Konkretisierung der Bestimmungen zur Zulassung traditionell verwendeter, nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel (Art. 11 Abs. 3) sowie des Meldeverfahrens (Art. 15).

1.9

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Durch den Erlass der Änderungen des Heilmittelgesetzes können folgende parlamentarische Vorstösse als erledigt abgeschrieben werden: ­

Das Postulat Robbiani «Information über die Zusammensetzung von Medikamenten» (06.3380; N 6.10.2006) beauftragt den Bundesrat, die Ausführungsbestimmungen des Heilmittelgesetzes an die entsprechenden Bestimmungen im Lebensmittelgesetz anzupassen, das heisst die Hersteller von Arzneimitteln sollen verpflichtet werden, die Wirkstoffe und Hilfsstoffe, welche Allergien oder unerwünschte Wirkungen hervorrufen können, analog zur Lebensmittelkennzeichnung anzugeben.

55

Die geforderten Anpassungen sollen im Rahmen der aufgrund der vorliegenden Revision notwendigen Überarbeitung des Ausführungsrechts zum HMG geprüft werden.

­

Mit der Motion Kleiner «Erleichterte Zulassung von in EU-Ländern zugelassenen OTC77-Produkten» (05.3391; N 19.03.2007, S 13.12.2007) wird der Bundesrat beauftragt, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass in Ergänzung zu Artikel 13 HMG, sowie aus Gründen der Nichtbenachteiligung der einheimischen Hersteller auch in Artikel 14 Buchstaben a und b HMG für nicht verschreibungspflichtige Produkte das Zulassungsdossier auf den Substanzmonographien der nationalen Pharmakopöen und «The European Scientific Cooperative on Phytotherapie» aufbauen kann.

Diese Motion wurde bereits im Rahmen des Heilmittelverordnungspakets III berücksichtigt. In Anlehnung an internationale Standards für den Sicherheits- und Wirksamkeitsnachweis gelten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel erleichterte Anforderungen. Die Substanzmonographien der Pharmakopöen bilden als Basis für die Charakterisierung der Qualität von Ausgangsstoffen einen wesentlichen Bestandteil des Zulassungsdossiers.

­

Die Motion SGK-SR «Klärung von Artikel 33 des Heilmittelgesetzes» (06.3420; S 13.12.2006, N 5.3.2008) beauftragt den Bundesrat, eine Regelung vorzuschlagen, die Klarheit schafft über die Transparenz und das zulässige Ausmass von Rabatten, die im Rahmen der Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten gewährt werden.

Mit den im Bereich der geldwerten Vorteile vorgeschlagenen Massnahmen (siehe oben, Ziff. 1.4.4) werden die Anliegen der Motion erfüllt.

­

Mit der Motion SGK-NR «Neue Regelung der Selbstmedikation» (07.3290; N 4.10.2007, S 2.10.2008) wurde der Bundesrat beauftragt, der Bundesversammlung eine Änderung des Heilmittelgesetzes vorzulegen, welche die Regelung der Selbstmedikation vereinfacht und die vorhandene Fachkompetenz bei der Abgabe von Arzneimitteln besser ausschöpft. Der Bundesrat soll erstens die Abgabe von Arzneimitteln der geltenden Abgabekategorie78 B erleichtern, zweitens die geltende Abgabekategorie D erweitern, drittens die Abgabekategorie C aufheben und viertens die Grenze zwischen den Kategorien von Arzneimitteln mit und ohne Verschreibungspflicht flexibler ausgestalten, ohne dass die Behandlungssicherheit beeinträchtigt wird.

Mit den in der vorliegenden Revision vorgeschlagenen Massnahmen zur Erweiterung der Abgabekompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern sowie Drogistinnen und Drogisten (siehe oben, Ziff. 1.4.5) werden die Anliegen der Motion erfüllt.

77 78

56

OTC: «Over the counter»-Produkte sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel.

Geltende Abgabekategorien (nach Art. 23 ff. VAM); A: Einmalige Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung, B: Abgabe auf ärztliche oder tierärztliche Verschreibung, C: Abgabe nach Fachberatung durch Medizinalpersonen, D: Abgabe nach Fachberatung, E: Abgabe ohne Fachberatung.

­

Mit der Motion Nationalrat (Fraktion C) «Unabhängigkeit bei der Verschreibung und Abgabe von Medikamenten» (05.3016; N 19.3.2007, S 11.12.2008) wurde der Bundesrat aufgefordert, über das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) Grundlagen für die Schaffung von Transparenz bei der Abgabe und Verschreibung von Arzneimitteln zu schaffen.

Wie von der SGK-S verlangt79 werden die Forderungen der Motion nicht isoliert im Rahmen einer KVG-Revision, sondern im Kontext der vorliegenden Revision des HMG erfüllt (siehe oben, Ziff. 1.4.4).

­

Die Motion Altherr «Mehr Transparenz bei Swissmedic» (08.3827; S 18.3.2009, N 11.6.2009) beauftragt den Bundesrat, im Rahmen der vorliegenden Revision eine Änderung vorzuschlagen, wonach das Institut bei seinen Verfahren (speziell Arzneimittel-Zulassungsverfahren) grundsätzlich zur Transparenz verpflichtet ist, sofern keine schützenswerten Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen.

Die Anliegen der Motion können mit der Beibehaltung der offenen Formulierung in Artikel 67 HMG, welcher die Information der Öffentlichkeit regelt, erfüllt werden. Damit ist sichergestellt, dass zukünftig weitere Informationen, wie die den Zulassungen zugrunde liegenden Beurteilungsberichte (analog zur EU), veröffentlich werden können (siehe unten, Ziff. 2, Erläuterungen zu Art. 67 Abs. 1). Die entsprechenden Modalitäten sollen im Rahmen des Ausführungsrechts auf Verordnungsstufe geregelt werden.

­

Mit der Motion Maury Pasquier «Einfacherer Zugang zu anerkannten Arzneimitteln» (09.3208; S 4.6.2009, N 7.12.2009) wurde der Bundesrat beauftragt, im Rahmen der vorliegenden Revision die nötigen Massnahmen vorzuschlagen, damit Arzneimittel, die in Ländern mit vergleichbaren Arzneimittelkontrollen bereits zugelassen und/oder seit Langem bekannt sind, in der Schweiz schneller in Verkehr gebracht werden können.

Der Bundesrat hat im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse beschlossen, Ausführungsbestimmungen zu Artikel 13 HMG für Humanund Tierarzneimittel zu erlassen80. Bei Zulassungsentscheiden anderer Länder mit gleichwertigen Zulassungsverfahren soll auf eine eigene vollständige wissenschaftliche Begutachtung verzichtet werden.

Im Rahmen des Heilmittelverordnungspaketes III wurde Artikel 13 HMG durch eine Ergänzung in der Arzneimittelverordnung (VAM) konkretisiert, um eine effiziente und transparente Umsetzung dieser Bestimmung für bereits im Ausland nach gleichwertigen Vorgaben zugelassene Produkte zu gewährleisten. Dazu wurden klare Kriterien definiert, für welche Fälle von bereits im Ausland zugelassenen Arzneimitteln die eigene vollständige wissenschaftliche Begutachtung ausgesetzt werden kann, unter Vorbehalt der Vorlage eines kompletten Dossiers. Somit wurden die Anliegen der Motion bereits umgesetzt.

79 80

Siehe Bericht der SGK-S vom 24. November 2008.

Siehe Fussnote 6.

57

­

Die Motion Heim «Arzneimittelsicherheit bei Kindern fördern» (08.3365; N 3.10.2008, S 15.12.2010) beauftragt den Bundesrat, dem Parlament konkrete Massnahmen und die notwendigen Rechtsgrundlagen zu unterbreiten mit dem Ziel der Förderung und Stärkung: 1. der Erforschung, Entwicklung und Prüfung von Arzneimitteln für Kinder, 2. der Sicherheit in der pädiatrischen Arzneimitteltherapie, 3. von Transparenz und Wissen bei Arzneimitteln in der Kinderheilkunde, 4. der Schweizer Beteiligung an internationalen Forschungsprogrammen und Kooperationen auf dem Gebiet der klinischen Forschung in diesem Bereich.

Mit dem im Bereich der Kinderarzneimittel vorgeschlagenen Massnahmen (siehe oben, Ziff. 1.4.2) werden die Anliegen der Motion weitgehend erfüllt.

Der Aufbau von Studiennetzwerken und die internationale Kooperation auf dem Gebiet der klinischen Forschung sind nicht im Heilmittelrecht zu regeln. Dies ist Gegenstand der Forschungsförderung des Schweizerischen Nationalfonds.

­

Das Postulat SGK-NR «Verschreibung von Arzneimitteln durch Spitäler» (10.3669; N 3.3.2011) beauftragt den Bundesrat, im Rahmen eines Berichts zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen Spitäler verpflichtet werden können, beim Austritt der Patientinnen und Patienten auf die Verordnung von «Marken» zu verzichten und an deren Stelle beim Austritt ausschliesslich die Wirkstoffe inklusive Dosierung, die galenische Form (inklusive allfälliger Retardierung) sowie die Packungsgrösse zu verschreiben.

Im Rahmen des vorliegenden Revisionsvorhaben wurden die entsprechenden Bestimmungen einer erneuten Prüfung unterzogen (siehe oben, Ziff. 1.4.9) und somit die Forderung des Postulates erfüllt. Der Bundesrat beschränkt sich darauf, in dieser Vorlage mit der neuen Regelung bezüglich Sorgfaltspflicht die Verbesserung der Sicherheit von Verschreibung, Abgabe und Anwendung zu ermöglichen.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Art. 3 Abs. 2 (neu) Die heutige Regelung der Sorgfaltspflicht wird mit einem neuen Absatz 2 ergänzt, um so den Besonderheiten der Komplementärarzneimittel ohne behördlich genehmigte Angabe eines bestimmten Anwendungsgebiets (Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe) Rechnung tragen zu können.

Während Arzneimittel mit Indikationsangabe nach wie vor gemäss internationalen Standards hinsichtlich ihrer Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit dokumentiert sein müssen, sind Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe ausschliesslich im Hinblick auf ihre Qualität und Unbedenklichkeit im Sinne des Ausschlusses einer offensichtlichen Gefährdung der Gesundheit von Konsumentinnen und Konsumenten zu beurteilen und für Aspekte des therapeutischen Nutzens ist auf die diesbezüglich relevanten, speziellen Therapierichtungen (wie z. B. die Homöopathie) abzu58

stützen (vgl. auch die Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 1 Bst. ater und aquater sowie Art. 10 Abs. 1 Bst. abis).

Art. 4 Abs. 1 Bst. abis (neu)­aquinquies (neu) und h (neu) Die im Bereich des Zulassungsverfahrens vorgeschlagene Regelung beinhaltet eine Unterscheidung zweier grundsätzlicher Arzneimitteltypen, deren Zulassungsgesuche unterschiedliche Unterlagen enthalten müssen. Diese beiden Arzneimitteltypen sind einerseits Arzneimittel mit Indikationsangabe, andererseits Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe. Sie werden in Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben abis und aquater näher umschrieben.

Arzneimittel mit Indikationsangabe (Bst. abis) sind zur Anwendung für ein bestimmtes Anwendungsgebiet gedacht, sogenannte Indikationen. Die indikationsbezogene Wirksamkeit muss gemäss internationalen Standards hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit dokumentiert und einer Nutzen/Risiko-Abwägung unterzogen werden.

Bei Komplementärarzneimitteln ohne Indikationsangabe (Bst. ater und aquater) erfolgt hingegen keine Angabe eines bestimmten Anwendungsgebietes, da ihre Anwendung individualtherapeutisch nach einem speziellen komplementärmedizinischen Therapieprinzip (z. B. Homöopathie, Anthroposophie, asiatische Medizin) erfolgt. Die Abgabe oder die berufsmässige Anwendung von Komplementärarzneimitteln ohne Indikationsangabe wird deshalb in aller Regel durch Personen erfolgen, welche aufgrund ihrer spezifischen Ausbildung über ein vertieftes Fachwissen im betreffenden Therapieprinzip verfügen und so in der Lage sind, einen bestimmungsgemässen therapeutischen Einsatz dieser Arzneimittel sicherzustellen und diesen zu begleiten.

Fehlt der abgebenden Fachperson solch spezialisiertes Wissen, soll sie sich auf eine entsprechende Empfehlung einer Therapeutin oder eines Therapeuten mit spezieller Ausbildung stützen.

In Buchstabe aquinquies wird die Definition des Begriffes «Phytoarzneimittel» neu aufgenommen. Damit soll klargestellt werden, dass unter diesem Begriff nur Arzneimittel mit Wirkstoffen pflanzlichen Ursprungs verstanden werden, die nicht auf einem komplementärmedizinischen Therapieprinzip basieren können und die daher mit Indikationsangabe in Verkehr gebracht werden. Komplementärarzneimittel mit Wirkstoffen pflanzlichen Ursprungs werden nicht als Phytoarzneimittel bezeichnet.

Sollen sie mit behördlich
genehmigter Angabe eines bestimmten Anwendungsgebiets in Verkehr gebracht werden, so kann dies ­ wie im geltenden Recht ­ auf der Basis von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b HMG mit einer vereinfachten Zulassung erfolgen. Für das Inverkehrbringen von Komplementärarzneimitteln ohne behördlich genehmigte Angabe eines bestimmten Anwendungsgebiets reicht es unter bestimmten Voraussetzungen aus, gestützt auf Artikel 15 eine Meldung vorzunehmen (vgl.

hierzu unten, Erläuterungen zu Art. 15).

Die Begriffe Wirkstoff und Hilfsstoff sind nach der aktuellen Europäischen Pharmakopöe definiert. Unter einem neuen Wirkstoff versteht man eine chemische, biologische oder radiopharmazeutische Substanz, die erstmals als Arzneimittel in der Schweiz im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens zugelassen wird (Bst. h). Es kann sich ebenfalls um ein Isomer, ein Gemisch aus Isomeren, ein Derivat, ein Salz eines chemischen Stoffes oder einen Komplex handeln, das oder der bereits als Arzneimittel in der Schweiz zugelassen worden ist, aber sich in seinen Eigenschaften betreffend Wirksamkeit und Sicherheit von der ursprünglich zugelassenen che59

mischen Substanz unterscheidet. Darunter fällt auch ein biologischer Stoff, der in der Schweiz bereits als Arzneimittel zugelassen worden ist, falls dieser eine unterschiedliche molekulare Struktur aufweist oder falls für dessen Herstellung ein anderes Verfahren oder Ausgangsmaterial verwendet wird. Schliesslich kann es auch eine radiopharmazeutische Substanz sein, die einem Radionuklid entspricht, oder ein Ligand, der bisher nicht in der Schweiz zugelassen ist, oder dessen Bindungsmechanismus zwischen dem Molekül und einem Radionuklid, der noch nicht in der Schweiz zugelassen worden ist. Bisher nur in Humanarzneimitteln zugelassene Wirkstoffe gelten als neue Wirkstoffe bei den Tierarzneimitteln und umgekehrt.

Art. 5 Abs. 2 Bst. a und 3 (neu) Aufgrund der vorgeschlagenen Streichung von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c muss Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a entsprechend angepasst werden.

Pharmazeutische Hilfsstoffe (Stoffe zur Formgebung, Stabilitätsverbesserung usw.)

können ein nicht unbedeutendes Risiko für die Sicherheit von Patientinnen und Patienten bergen, so wie Hilfsstoffe in aseptischen Injektabila oder Extrakte aus tierischem Gewebe, welche zur Stabilisierung eines Impfstoffes dienen. Der neue Artikel 5 Absatz 3 räumt nun dem Bundesrat die Möglichkeit ein, auf Verordnungsstufe für die Herstellung von pharmazeutischen Hilfsstoffen eine Bewilligungspflicht vorzusehen.

Art. 7 Abs. 1 Die heutige Regelung schreibt vor, dass Arzneimittel nach den anerkannten Regeln der Guten Herstellungspraxis (GMP81) hergestellt werden müssen. Da die Erteilung einer Bewilligung immer mit der Überprüfung der GMP-Konformität der Herstellung einhergeht, muss dies auch bei pharmazeutischen Hilfsstoffen, für die eine Herstellungsbewilligung erforderlich ist, gelten.

Art. 8

Grundsatz des Inverkehrbringens

Neben den Anforderungen der Pharmakopöe sollen auch die Anforderungen anderer, vom Institut anerkannter Arzneibücher für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln und pharmazeutischen Hilfsstoffen massgebend sein. Artikel 8 muss demzufolge ergänzt werden, da es sich bei den durch das Institut zu erlassenden Normen um gesetzesvertretende Normen handelt, die nicht gestützt auf die Delegationsnorm in Artikel 82 Absatz 2 erlassen werden können. Die Anpassung ergibt sich aufgrund des im Oktober 2006 in Kraft getretenen 2. Pakets der Institutsrats-Verordnungen (vgl. Art. 3 der Komplementär- und Phytoarzneimittelverordnung vom 22. Juni 200682 [KPAV] in Verbindung mit Art. 1a und Anhang der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts über den Erlass der Pharmakopöe und die Anerkennung von Arzneibüchern83).

81 82 83

60

Good Manufacturing Practices (= Gute Herstellungspraxis).

SR 812.212.24 SR 812.214.11

Art. 9 Abs. 2 Bst. b, 2bis­2quater (neu) und 4 zu Abs. 2 Bst. b Die vorgeschlagene Anpassung des französischen und italienischen Textes ist lediglich redaktioneller Natur.

zu Abs. 2bis In diesem Absatz wird präzisiert, dass es sich bei der Herstellung von Arzneimitteln nach Absatz 2 Buchstaben a­cbis um eine sogenannte Lohnherstellung handelt.

zu Abs. 2ter Dieser Absatz wurde am 13. Juni 200884 vom Parlament beschlossen und ist am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten. Er gibt dem Bundesrat die Kompetenz, qualitative und quantitative Kriterien für die nach Absatz 2 Buchstaben a­cbis und Absatz 2bis hergestellten Arzneimittel festzulegen. Aus gesetzessystematischen Gründen wird diese Regelung in einen neuen Absatz 2quater überführt.

Die neu in Absatz 2ter eingefügte Bestimmung ermöglicht die Nischenproduktion in Eigeninitiative durch eine auf die Herstellung von Arzneimitteln (nach Art. 9 Abs. 2 Bst. b und c HMG) spezialisierte Firma. Diese darf ein Arzneimittel lediglich in Kleinmengen und nur auf direktem Weg (d. h. ohne weiteren Zwischenhandel) an Personen vertreiben, die aufgrund einer Bewilligung gemäss Artikel 30 HMG zu dessen Abgabe berechtigt sind. Auch hier greifen die zusätzlichen risikomindernden Massnahmen, die bei der zulassungsbefreiten Herstellung vorgesehen sind: Arzneimittel nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b HMG enthalten nur bekannte Wirkstoffe, und die in den Herstellformeln enthaltenen Qualitätsaspekte wurden behördlich begutachtet. Zudem ist die Herstellung von Arzneimittel nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben c HMG auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel beschränkt.

Diese Anpassung hat die Aufhebung von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c zur Folge, da diese Bestimmung infolge der am 1. Oktober 2010 in Kraft getreten Neukonzeption von Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben a­cbis und 9 Absatz 2bis obsolet wird (siehe die Erläuterungen zu Art. 14 Abs. 1 Bst. c).

Mit der unter Berücksichtigung des Vernehmlassungsergebnisses vorgenommenen Festlegung der Kleinmenge auf Gesetzesstufe wird verdeutlicht, dass diese Erlaubnis zur Nischenproduktion in Eigeninitiative dem Schliessen von Versorgungslücken dient. Gleichzeitig erfolgt eine klare Unterscheidung von den quantitativen Beschränkungen im Bereich der Lohnherstellung von Arzneimitteln nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben a­cbis HMG,
die in Artikel 19c VAM aufgeführt sind. Die Festlegung auf 100 Packungen pro Jahr erfolgt im Einklang mit den Forderungen der parlamentarischen Initiative Kleiner (07.424) «Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Komplementärmedizin konkretisieren». Bei potenzierten homöopathischen und anthroposophischen Arzneimitteln erfolgt die Berechnung der hergestellten Menge unter Berücksichtigung aller Arzneimittel mit gleicher Darreichungsform und gleichem Wirkstoff, unabhängig von dessen Potenz.

zu Abs. 2quater (neu) Wie oben ausgeführt, entspricht dieser Absatz dem geltenden Absatz 2ter von Artikel 9.

84

Vgl. BBl 2008 5251 und AS 2010 4027.

61

Die einzige materielle Änderung besteht darin, dass die Kompetenz des Bundesrates, qualitative und quantitative Kriterien für nach Absatz 2 Buchstaben a­cbis und Absatz 2bis hergestellte Arzneimittel festzulegen, hinsichtlich der qualitativen Kriterien auf Arzneimittel nach Absatz 2ter erweitert wird (die zulässige Menge wird bereits durch das Gesetz selber festgelegt).

zu Abs. 4 Absatz 4 wird aus Artikel 9 herausgelöst und in einen neuen Artikel 9a bzw. 9b überführt (siehe nachfolgende Erläuterungen).

Art. 9a (neu)

Befristete Zulassung

Beim geltenden Artikel 9 Absatz 4 HMG handelt es sich um eine Bestimmung für den sogenannten «compassionate use», das heisst um eine Bestimmung, welche die medikamentöse Versorgung von Patientinnen und Patienten sicherstellen soll, für deren Behandlung gegenwärtig keine Arzneimittel zugelassen sind. Mit dieser Bestimmung sollten einerseits erfolgversprechende Arzneimittel gegen lebensbedrohende Krankheiten für die Patientinnen und Patienten verfügbar gemacht werden können, obschon im Bewilligungszeitpunkt noch nicht alle Belege hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit des Präparats vorliegen.

Es hat sich gezeigt, dass der mit Artikel 9 Absatz 4 HMG angestrebte Zweck aufgrund des geltenden Wortlauts der Bestimmung nur unvollständig erreicht werden kann. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Bewilligungserteilung des Instituts an die gesetzliche Vorgabe geknüpft ist, dass das betreffende Arzneimittel zur Behandlung einer lebensbedrohenden Krankheit vorgesehen ist. Diese Vorgabe erscheint auf den ersten Blick angemessen, gilt es doch zwischen dem Risiko eines nicht zugelassenen Arzneimittels und dem sich aus diesem Arzneimittel erwarteten Nutzen abzuwägen. Diese Nutzen/Risiko-Abwägung fällt umso positiver aus, je gravierender die nur mit dem betreffenden Präparat zu behandelnde Krankheit ist.

Aus dieser auf den Nutzen bezogenen Sicht kann jedoch kaum zwischen lebensbedrohlichen und zu einer Invalidität führenden Krankheiten unterschieden werden. Es ist nicht vertretbar, einem an einer invalidisierenden Krankheit leidenden Patienten eine Behandlung mit einem Erfolg versprechenden, (noch) nicht zugelassenen Arzneimittel zu verweigern, diese Behandlung einem an einer lebensbedrohenden Krankheit leidenden Patienten jedoch zu ermöglichen. Aus diesem Grund soll durch eine Neuformulierung dieser Bestimmung in Artikel 9a Absatz 1 der Kreis der Indikationen von Arzneimitteln, welche aufgrund einer befristeten Bewilligung auf der Basis unvollständiger Zulassungsunterlagen in Verkehr gebracht werden dürfen, auf Präparate erweitert werden, die gegen invalidisierende Krankheiten zur Anwendung gelangen. Nicht nur Therapeutika, sondern auch Diagnostika (beispielsweise diagnostisch eingesetzte Radiopharmazeutika) können im Sinne eines «compassionate use» befristet zugelassen werden. Artikel 9a findet
sowohl bei Human- wie auch bei Tierarzneimitteln Anwendung.

Schliesslich ist im geltenden Artikel 9 Absatz 4 HMG die Rede davon, dass der Vertrieb oder die Abgabe solcher Arzneimittel «befristet bewilligt» werden könne.

Soweit es jedoch um die Bewilligung des Inverkehrbringens für eine unbestimmte Anzahl von Patientinnen und Patienten geht, handelt es sich bei dieser Bewilligung nach der Terminologie des Heilmittelrechts eigentlich um eine zeitlich befristete Zulassung (Art. 9 Abs. 1 HMG), die aufgrund vereinfachter Voraussetzungen erteilt

62

wird. Aus Gründen der Konsistenz wird diese Bewilligung denn auch im Gesetz neu als Zulassung bezeichnet.

Die für die Beurteilung eines Zulassungsgesuch nach Absatz 1 notwenigen Nachweise werden vom Institut festgelegt (Abs. 2).

Art. 9b (neu)

Befristete Bewilligung zur Anwendung und zum begrenzten Inverkehrbringen

Von einer befristeten Zulassung gemäss Artikel 9a zu unterscheiden sind befristete Bewilligungen für die Abgabe von Arzneimitteln an bestimmte Patientinnen oder Patienten oder an einen bestimmten Personenkreis im Einzelfall (Abs. 1). Hierbei handelt es sich nicht um Zulassungen, denn es wird nicht die generelle Marktfähigkeit eines Produktes beurteilt und verfügt, vielmehr erteilt das Institut einzelnen Ärztinnen, Ärzten oder Kliniken die Bewilligung, Arzneimittel, die erst in klinischen Versuchen eingesetzt werden, an bestimmten Patientinnen und Patienten, die nicht in einen Versuch eingebunden sind, einzusetzen.

Aufgrund der dem Institut einzureichenden, individualisierten Beurteilungsgrundlagen ist eine genaue Nutzen/Risiko-Abwägung möglich. Somit rechtfertigt es sich, den betroffenen Personen im Einzelfall den Zugang zu nicht zugelassenen Arzneimitteln in jedem Fall, d. h. nicht nur bei lebensbedrohenden oder invalidisierenden Krankheiten, zugänglich zu machen, wenn der Nutzen der entsprechenden medikamentösen Behandlung die damit in Verbindung stehenden Risiken aller Voraussicht nach übersteigt.

Entsprechende Regelungen finden sich auch im ausländischen Recht, so namentlich im Heilmittelrecht der EU (siehe Art. 83 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004).

Absatz 2 erlaubt es dem Institut im Falle einer zeitlich begrenzten Nichtverfügbarkeit von an sich in der Schweiz zugelassenen Arzneimitteln, das Inverkehrbringen von identischen, in einem Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle85 zugelassenen Arzneimitteln ausnahmsweise zu bewilligen. Das Institut kann in diesem Zusammenhang nur eine prima vista Beurteilung vornehmen bzw. prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einfuhr erfüllt sind. Die Verantwortung für das aus dem Ausland eingeführte Arzneimittel liegt somit vollständig bei der Gesuchstellerin beziehungsweise bei der Ärztin oder beim Arzt, die beziehungsweise der das Arzneimittel an einer bestimmten Patientin oder einem bestimmten Patienten anwenden will.

Art. 10 Abs. 1 Einleitungssatz, Bst. a und abis (neu) Da für Arzneimittel mit Indikationsangabe und Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe neu unterschiedliche Zulassungsvoraussetzungen bestehen, sind diese in zwei separaten Buchstaben aufzuführen.

Im Sinne des Artikels 118a BV, der aufgrund der Volksabstimmung
vom 17. Mai 2009 über den Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Ja zur Komplementärmedizin» in die Bundesverfassung aufgenommen wurde, wie auch der parlamentarischen Initiative Kleiner (07.424) «Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Heilmittel der Komplementärmedizin konkretisieren» profitieren Komplementärarzneimittel 85

Vgl. Liste gemäss Art. 5a Abs. 4 VAM.

63

ohne Indikationsangabe gegenüber Arzneimitteln mit Indikationsangabe künftig im Zulassungsverfahren von zusätzlichen Vereinfachungen. So können diese mittels einfachem Meldeverfahren zugelassen werden, falls ihr Risikoprofil dies erlaubt (siehe Art. 15). Es muss jedoch sichergestellt sein, dass die betreffenden Arzneimittel eine hoch stehende Qualität aufweisen und glaubhaft gemacht werden, dass von ihnen ­ bei bestimmungsgemässem therapeutischen Einsatz durch eine ausgebildete Fachperson ­ keine Gefahr für die Sicherheit für Konsumentinnen und Konsumenten beziehungsweise für die betroffenen Tiere ausgeht. Die genannten Voraussetzungen sind in Eigenverantwortung der Zulassungsinhaberin zu erfüllen, müssen jedoch dem Institut von letzterer im Bedarfsfall jederzeit in einer Dokumentation nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden können. Das Fehlen eines entsprechenden Nachweises oder einer Glaubhaftmachung hat Verwaltungsmassnahmen gemäss Artikel 66 HMG zur Folge.

Art. 11

Zulassungsgesuch

Die in Artikel 11 festgelegten Anforderungen an das Zulassungsgesuch werden ergänzt und präzisiert. Der besseren Übersicht willen wurde dabei der ganze Artikel neu gestaltet. Die vorgenommenen Änderungen sind die folgenden: zu Abs. 1 Die Aufzählung in diesem Absatz beinhaltet im Vergleich zur heutigen Regelung keine neuen Bestimmungen (Bst. a­c wurden unverändert übernommen). Die Dokumentationspflichten gemäss diesem Absatz müssen für alle Arzneimittel gleichermassen eingehalten werden.

zu Abs. 2 Bst. a Die unterschiedlichen Anforderungen, welche Arzneimittel mit Indikationsangabe oder Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe im Hinblick auf eine Zulassung erfüllen müssen (vgl. Art. 10 Abs. 1 Bst. a und abis), müssen sich auch in den eingeforderten Gesuchsunterlagen widerspiegeln. Absatz 2 beinhaltet die Anforderungen an die Angaben und Unterlagen, die ein Zulassungsgesuch für Arzneimittel mit Indikationsangabe zusätzlich erfüllen muss. Die in den Ziffern 1 und 2 aufgelisteten Anforderungen entsprechen zu einem grossen Teil dem geltenden Recht (die Ziff. 1 und 2 übernehmen jeweils Teile des geltenden Abs. 1 Bst. g); auf die zusätzlichen Elemente wird nachfolgend näher eingegangen: Neu wird explizit gefordert, dass die Gesuchstellerin sämtliche Ergebnisse aus klinischen Versuchen in besonderen Bevölkerungsgruppen einreicht (Ziff. 2). Das bedeutet einerseits, dass die Gesuchstellerin mit dem Zulassungsgesuch alle gemäss pädiatrischem Prüfkonzept durchgeführten Studien einreichen muss, andererseits aber auch, dass sie alle ihr bekannten und vorliegenden Ergebnisse aus früheren pädiatrischen Studien offenzulegen hat. Damit soll sichergestellt werden, dass unnötige Studien in der Pädiatrie vermieden werden und die Arzneimittelinformation dem aktuellen Stand des Wissens angepasst werden kann.

Ziffer 3 entspricht dem heutigen Absatz 1 Buchstabe e, Ziffer 4 dem heutigen Absatz 1 Buchstabe f.

Gemäss Ziffer 5 ist eine Bewertung der Risiken und soweit erforderlich ein Plan zu ihrer systematischen Erfassung, Abklärung und Prävention (PharmacovigilancePlan) einzureichen. Unmittelbar im Anschluss an die Markteinführung eines neuen 64

Medikamentes, namentlich wenn es sich dabei um eine Innovation (z. B. neue aktive Substanz, neues gentechnisch hergestelltes Produkt, neuer Impfstoff usw.) handelt, ist die Pharmacovigilance besonders wichtig. In dieser Phase steigt die Zahl behandelter Personen in kurzer Zeit auf ein Vielfaches, verglichen mit derjenigen in klinischen Versuchen. Gewisse seltene und unerwartete, zuvor nicht erfasste Risiken werden manifest. Nach Marktrückzügen in Verbindung mit schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen wurde deshalb das «Pharmacovigilance-Planning» gemäss der Richtlinie E2E86 der International Conference on Harmonisation (ICH) geschaffen, um eine Brücke zu schlagen zwischen den Kenntnissen bei der Zulassung und denjenigen bei der Marktüberwachung sowie um diesen Übergang optimal abzusichern.

Die Gesuchstellerin oder die Zulassungsinhaberin hat die primäre Verantwortung für die Sicherheit ihres Produktes. Sie muss unter bestimmten Voraussetzungen einen spezifischen Pharmacovigilance-Plan erstellen und umsetzen. Dieser besteht aus zwei Teilen, den Pharmacovigilance-Spezifikationen und dem eigentlichen Pharmacovigilance-Plan. Die Pharmacovigilance-Spezifikationen sind eine Übersicht über die bekannten, die möglichen sowie die noch ungenügend untersuchten Risiken (beispielsweise bei schwangeren Frauen, die systematisch aus klinischen Versuchen ausgeschlossen werden). Der Pharmacovigilance-Plan sieht beispielsweise eine gezielte, systematische Erfassung und Nachverfolgung bestimmter unerwünschter Wirkungen vor, die über die übliche Spontanerfassung hinausgeht.

In folgenden Situationen werden Unterlagen zum Pharmacovigilance-Planning gefordert: ­

Arzneimittel mit neuem Wirkstoff;

­

Arzneimittel mit relevanter Neuerung bei bekanntem Wirkstoff (beispielsweise neue Verabreichungswege);

­

Arzneimittel, bei dem relevante neue Risiken aufgetreten sind.

Schliesslich muss im Rahmen eines Zulassungsgesuchs für ein neues Arzneimittel, eine neue Indikation oder eine neue galenische Form ein pädiatrisches Prüfkonzept nach Artikel 54a vorgelegt werden (Ziff. 6). Die entsprechenden pädiatrischen Prüfungen nach Buchstabe b müssen mit diesem pädiatrischen Prüfkonzept übereinstimmen (vgl. hierzu Erläuterungen zu Art. 54a).

zu Abs. 2 Bst. b Für die Zulassung traditionell verwendeter, nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel pflanzlicher und synthetischer Herkunft sollen gegenüber den heutigen Bestimmungen Erleichterungen gewährt werden. Konkret wird der Sicherheits- und Wirksamkeitsnachweis der genannten Arzneimittel insofern reduziert, als dass keine Ergebnisse zu pharmakologischen, toxikologischen und klinischen Prüfungen und auch keine Ergebnisse aus Prüfungen in besonderen Bevölkerungsgruppen vorgelegt werden müssen. Es sind einzig Unterlagen zu den Heilwirkungen (z. B. entsprechende Literatur) und zu den unerwünschten Wirkungen sowie eine Bewertung der Risiken (z. B. Ausgangsmaterial tierischen Ursprungs, Organpräparate, Nosoden, Schwermetalle und Pestizide) einzureichen.

86

Siehe www.ich.org/products/guidelines/efficacy/efficacy-single/article/ pharmacovigilance-planning.html (Version vom 18.11.2004)

65

Diese neue Regelung lehnt sich betreffend Definition des Begriffs «traditionell» an die Regelung der EU für traditionelle pflanzliche Arzneimittel87 an, geht aber weiter als diese, indem auch synthetische Arzneimittel in den Genuss der Erleichterungen kommen. Zur Risikobegrenzung werden diese Erleichterungen auf Arzneimittel beschränkt, die nach schweizerischem Recht als nicht verschreibungspflichtig einzustufen sind.

zu Abs. 2 Bst. c Dieser Absatz entspricht dem heutigen Absatz 1 Buchstabe d.

zu Abs. 3 Die für die Zulassung von Verfahren nach Artikel 9 Absatz 3 einzureichenden Unterlagen werden neu in Absatz 3 bezeichnet, entsprechen aber materiell dem geltenden Recht.

zu Abs. 4 Absatz 4 entspricht weitgehend dem heutigen Absatz 3, wobei auch hier aufgrund der neuen Struktur des Artikels der Innenverweis anzupassen ist.

zu Abs. 5 Absatz 5 entspricht weitgehend dem heutigen Absatz 2 und umschreibt die Regelungskompetenzen des Bundesrates. In Buchstabe a wurde einzig der Innenverweis auf die pharmakologischen und toxikologischen Prüfungen nach Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 2 angepasst.

Art. 11a (neu)

Unterlagenschutz im Allgemeinen

In diesem neu geschaffenen Artikel wird die Dauer des Unterlagenschutzes für Arzneimittel geregelt, welche im Verfahren nach Artikel 11 zugelassen worden sind und mindestens einen neuen Wirkstoff enthalten (heute in Art. 12 Abs. 2 erster Satz enthalten). Die Dauer der Schutzfrist beträgt zehn Jahre.

Art. 11b (neu)

Unterlagenschutz in Spezialfällen

Mit dem Ziel, Innovationen auch an Präparaten mit abgelaufenem Unterlagenschutz zu fördern, sieht bereits das geltende Recht (vgl. Art. 17 Abs. 2 VAM) bei Gesuchen für neue Indikationen, Verabreichungswege, Darreichungsformen oder Dosierungen von Arzneimitteln nach Artikel 11a sowie dessen Anwendung auf eine neue Zieltierart einen auf die innovationsbezogenen Unterlagen beschränkten zusätzlichen Schutz vor. Dieser für eine Dauer von drei Jahren gewährte Schutz entspricht den Vorgaben des TRIPS-Abkommens, wonach Testergebnisse oder sonstige Angaben, deren Erstellung erhebliche Anstrengungen erfordern, vor unlauterer gewerblicher Verwendung zu schützen sind88, und bietet einen Anreiz zur Durchführung der hierzu erforderlichen präklinischen oder klinischen Versuche. Diese Schutzdauer kann um zwei, das heisst auf insgesamt 5 Jahre verlängert werden, wenn die beantragten Neuerungen einen bedeutenden klinischen Nutzen gegenüber bestehenden Therapien darstellen. Auch dies entspricht dem geltenden Recht (vgl. Art. 17 Abs. 3 87 88

66

Siehe Richtlinie 2004/24/EG.

Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (SR 0.632.20); Anhang 1.C zum GATT/WTO-Übereinkommen, Art. 39.

VAM). Diese heute auf Verordnungsstufe angesiedelten Regelungen sollen aufgrund ihrer Bedeutung im Heilmittelgesetz in Artikel 11b verankert werden (Abs. 1 und 2).

Um eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung in der Pädiatrie zu erreichen, ist ­ wie die Erfahrungen in der EU gezeigt haben ­ ein System erforderlich, das sowohl Verpflichtungen wie auch Anreize umfasst. Die spezielle pädiatrische Anwendung eines Arzneimittels wird demzufolge auf Antrag einem Unterlagenschutz von zehn Jahren unterstellt, sofern ein pädiatrisches Prüfkonzept vorliegt, welches die Planung und Durchführung von Studien mit Kindern darlegt sowie deren Bedarf aufzeigt und begründet (Abs. 3). Ein Unterlagenschutz wird nur dann gewährt, wenn kein anderes Arzneimittel zugelassen ist, das den gleichen Wirkstoff für die gleiche spezielle pädiatrische Anwendung enthält. Es geht hier um Arzneimittel, welche bereits für Erwachsene zugelassen sind und für die eine weitere Zulassung ausschliesslich für die Verwendung in der pädiatrischen Bevölkerung erteilt wird. Sie decken ausschliesslich therapeutische Indikationen ab, die für die pädiatrische Bevölkerungsgruppe oder deren Untergruppen von Bedeutung sind, wobei Stärke, Darreichungsform oder Verabreichungsweg dieser Mittel adäquat sein müssen.

Für wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bei pädiatrischen Patientinnen und Patienten ist es sachgerecht, einen speziellen Unterlagenschutz zu schaffen, da hier die Entwicklung eines Arzneimittels besondere Probleme aufwirft. Absatz 4 sieht daher vor, dass das Institut auf Antrag die Schutzdauer in dieser Arzneimittelkategorie auf zwölf Jahre festlegt. Diese längere Schutzdauer wird auch gewährt, wenn die pädiatrische Anwendung nicht zugelassen wird, die entsprechenden Studienergebnisse jedoch in der Arzneimittelinformation des Arzneimittels wiedergegeben werden.

Art. 12

Zulassung von im Wesentlichen gleichen Arzneimitteln

Das Institut kann sich bei der Begutachtung des Nutzen/Risiko-Verhältnisses eines Arzneimittels mit einem bekannten (vom Institut bereits zugelassenen) Wirkstoff auf die für die Zulassung von Arzneimitteln nach Artikel 11a erstellten Unterlagen zu Wirksamkeit und Sicherheit beziehen. Demzufolge sind bei einem Arzneimittel, das im Wesentlichen gleich ist wie das Referenzpräparat und für das dieselbe Indikation vorgesehen ist, in der Regel keine neuen präklinischen Untersuchungen nötig. Die klinischen Untersuchungen können sich hier auf den Nachweis der therapeutischen Äquivalenz mit dem Referenzpräparat (z. B. Bioäquivalenzstudie) beschränken.

Ohne die Einwilligung der Zulassungsinhaberin des Referenzpräparats ist der beschriebene Bezug auf die für die Zulassung des Referenzpräparats erstellten Unterlagen während der festgelegten Schutzdauer nicht möglich, wobei die Zulassungsinhaberin freiwillig auf den Unterlagenschutz verzichten kann (Abs. 1).

Das Institut kann ein Gesuch um Zulassung eines im Wesentlichen gleichen Arzneimittels erst nach Ablauf der Schutzdauer des Referenzpräparats behandeln, das heisst frühestens am ersten Tag nach Ablauf der gemäss Artikel 11a oder 11b gewährten Schutzdauer (Abs. 2). Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, soll im Gesetz klargestellt werden, dass ein Gesuch auch erst zu diesem Zeitpunkt eingereicht werden kann.

67

Art. 14 Abs. 1 Einleitungssatz (betrifft nur den französischen Text) sowie Bst. b­cbis Der Einleitungssatz der französischen Fassung wird an die deutsche und die italienische Fassung angeglichen.

Aufgrund der am 1. Oktober 2010 in Kraft getretenen Neukonzeption von Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben a­cbis und der oben neu vorgeschlagenen Anpassung von Absatz 2ter wird die heutige Regelung von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe c obsolet.

Diese sieht vor, dass Arzneimittel vereinfacht zugelassen werden können, die in einer öffentlichen Apotheke, einer Drogerie oder in einem andern Betrieb, der über eine Herstellungsbewilligung verfügt, nach einer eigenen Formel (Hausspezialitäten), nach der Pharmakopöe oder nach einem andern vom Institut anerkannten Arzneibuch oder Formularium auf Vorrat hergestellt und an die eigene Kundschaft abgegeben werden. Nach Artikel 9 Absätze 2 und 2bis können grössere Mengen zulassungsbefreit hergestellt werden, sodass das Abgrenzungskriterium zwischen Artikel 14 Absatz 1 Buchstaben c zu Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben a­c der Vorratshaltung («auf Vorrat hergestellt» anstelle von «in kleinen Mengen») wegfällt.

Gemäss den Ausführungen zu Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b in der Botschaft zum Heilmittelgesetz89 ist unter den Begriff der Komplementärmedizin «insbesondere auch die Phytotherapie» zu subsumieren. In der pharmazeutischen und medizinischen Praxis finden jedoch Arzneimittel mit pflanzlichen Ausgangsstoffen sowohl in der Komplementärmedizin als auch in der herkömmlichen Medizin (Schulmedizin) Anwendung. Eine Entflechtung der Begriffe ist deshalb erforderlich. In Buchstabe b wird der im aktuellen Recht aufgeführte Begriff «Arzneimittel der Komplementärmedizin» durch den im Rahmen der vorliegenden Revision eingeführten und in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe ater definierten Begriff «Komplementärarzneimittel» ersetzt. Die «Phytoarzneimittel» (Bst. cbis) werden genannt, damit klar wird, dass Arzneimittel mit Wirkstoffen pflanzlichen Ursprungs, denen nicht ein komplementärmedizinisches Therapieprinzip zugrunde liegt und die daher mit Indikationsangabe in Verkehr gebracht werden, wie nach dem geltenden Recht vereinfacht zugelassen werden können.

Art. 15

Zulassung aufgrund einer Meldung

Bereits heute können homöopathische und anthroposophische Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe durch ein Meldeverfahren zugelassen werden.

Rechtliche Grundlage für die Zulassung im Meldeverfahren bilden die Artikel 17 und 19 der KPAV.

Voraussetzung für das seit 2006 vom Institut angewendete Meldeverfahren ist, dass die Ausgangsstoffe in der vom Institut publizierten «Liste der homöopathischen und anthroposophischen Stoffe» (HAS) aufgeführt sind und die Wirkstoffe so stark verdünnt sind, dass die resultierende Potenz den in der HAS-Liste festgelegten Anforderungen entspricht (Art. 19 KPAV). Dabei wird auch gekennzeichnet, ob eine Verschreibungspflicht besteht oder ob Kinder oder Schwangere von der Behandlung ausgenommen werden müssen. Bei Wirk- und Hilfsstoffen tierischer oder humaner Herkunft (z. B. Organpräparate, Nosoden) muss durch entsprechende Qualitätsunterlagen nachgewiesen werden, dass das Risiko der Übertragung von Krankheiten adäquat reduziert wird. So sind beispielsweise die Anforderungen der Pharmakopöe 89

68

BBl 1999 3501

hinsichtlich des Risikos der Übertragung von TSE oder BSE90 zu erfüllen. Bei Arzneimitteln zur parenteralen Anwendung91 oder zur Anwendung am Auge muss durch entsprechende Unterlagen deren Sterilität nachgewiesen werden.

Mit der vorgeschlagenen neuen Formulierung sollen das Anliegen der parlamentarischen Initiative Kleiner (07.424) «Heilmittelgesetz. Vereinfachte Zulassung der Heilmittel der Komplementärmedizin konkretisieren» und die Forderungen im Rahmen der Vernehmlassung nach einer noch stärkeren Vereinfachung umgesetzt werden, wonach insbesondere Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe, deren Risikoprofil dies erlaubt, durch blosse Meldung ­ also ohne materielle Prüfung von Unterlagen zur Qualität und Sicherheit ­ zugelassen werden sollen. Das Institut soll hierzu (gestützt auf Abs. 2) entsprechende Listen von Wirkstoffen (im Fall von Homöopathika und Anthroposophika unter Berücksichtigung von deren Potenzen) erstellen, aus denen ersichtlich ist, ob eine Zulassung aufgrund einer Meldung erfolgen kann. Dies in Analogie zur heute bereits durch das Institut veröffentlichten Liste der homöopathischen und anthroposophischen Stoffe (HAS, Anhang 4 KPAV) bzw. zur Liste der dokumentierten traditionellen asiatischen Stoffe (Liste TAS, Anhang 6 KPAV).

Dieser Ansatz stellt die stärkste Vereinfachung für die Zulassungsinhaberin dar, weist ihr aber auch die grösste Verantwortung im Umgang mit ihren Präparaten zu.

Die Öffentlichkeit, vertreten durch die Aufsichtsbehörden, kann nur noch reaktiv eingreifen und die Dokumentation zu Qualität und Sicherheit nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe abis HMG ausschliesslich nach der Zulassung bei einem Ereignis oder dem Auftreten eines besonderen Risikos verlangen. Eine Begutachtung der Unterlagen wird namentlich dann erfolgen, wenn sich aus allgemeinen (z. B. neuen Umweltbelastungen), produktspezifischen (z. B. Bestandteile menschlichen oder tierischen Ursprungs) oder firmenspezifischen (z. B. nach Inspektionen) Sicherheitssignalen Hinweise auf ein erhöhtes Risiko im Umgang mit einem Arzneimittel ergeben, ein Qualitätsmangel zu untersuchen ist oder Pharmacovigilance-Signale zu behandeln sind.

Buchstabe b entspricht dem heutigen Recht; unter die dort erwähnten «Arzneimittel mit geringem Risikopotenzial» fallen beispielsweise Kräutertees und Bonbons.
Der Institutsrat wird auf Verordnungsstufe die notwendigen Ausführungsbestimmungen erlassen (Abs. 2). Dabei wird es neben der Erstellung der oben erwähnten Wirkstofflisten insbesondere darum gehen, diejenigen Arzneimittel und Arzneimittelgruppen (Abs. 1 Bst. b) zu bestimmen, die mit einer Meldung zur Zulassung gebracht werden können. Zudem wird das Verfahren festgelegt werden müssen, in welchem die Meldung erfolgen kann und die Fristen, innert derer das betreffende Arzneimittel nach erfolgter Meldung auf den Markt gebracht werden darf, sofern das Institut der Melderin keine gegen die Meldung gerichteten Vorbehalte eröffnet.

Art. 16 Sachüberschrift sowie Abs. 2­4 Dieser Artikel äussert sich neu nur noch zum Zulassungsentscheid und zur Dauer der erstmals erteilten Zulassung. Die Bestimmungen zur Erneuerung der Zulassung

90 91

Transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE) bzw. Bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE).

D.h. Anwendung als Injektion oder Infusion unter Umgehung des Verdauungstrakts.

69

und zu deren Überprüfung werden in eigenständige Artikel (Art. 16b bzw. 16c) überführt.

In Absatz 2 wird gegenüber dem geltenden Recht unverändert festgehalten, dass eine erstmals erteilte Zulassung für üblicherweise fünf Jahre gilt. Für Arzneimittel mit grundsätzlich gutem Nutzen/Risiko-Verhältnis, bei denen jedoch noch gewisse Bedenken in Bezug auf ihre Sicherheit oder Wirksamkeit bestehen, soll eine zeitlich eingeschränkte (d. h. weniger als fünf Jahre gültige) Zulassung erteilt werden können, sodass die Unbedenklichkeit in dieser Phase definitiv beurteilt werden kann.

Aufgrund ihres Ausnahmecharakters sind befristete Zulassungen nach Artikel 9a immer für eine kürzere Dauer zu erteilen.

Da bei einer Zulassung nach Artikel 15 keine materielle Prüfung des Arzneimittels erfolgt und lediglich eine formale Kontrolle stattfindet, muss die Zulassung unbefristet gelten (Abs. 3). Eine Erneuerung der Zulassung wäre ein zusätzlicher, rein administrativer Akt, verbunden mit unnötigem Aufwand für die Zulassungsinhaberinnen und das Institut, der die Qualität oder Sicherheit der Präparate in keiner Weise verbessern würde.

Absatz 4 wird aufgehoben, da die entsprechende Regelung betreffend Erneuerung der Zulassung in den neuen Artikel 16b überführt wird.

Art. 16a Sachüberschrift und Abs. 3­5 (neu) Die Gewährung des Unterlagenschutzes und die Verlängerung eines ergänzenden Schutzzertifikats werden im Bereich der Arzneimittel für die Pädiatrie mit der Pflicht zu einer zeitgerechten Markteinführung verbunden und erfordern besondere Verpflichtungen für die Zulassungsinhaberin im Falle eines Marktrückzugs. In Anlehnung an die Regelungen der EU (das Arzneimittel mit der pädiatrischen Indikation muss innerhalb von zwei Jahren auf den Markt gebracht werden) soll der Bundesrat deshalb vorsehen können, dass auch bei Arzneimitteln für die Pädiatrie die Zulassung bereits vor Ablauf der in Artikel 16a Absatz 1 vorgesehenen dreijährigen Frist widerrufen werden kann (Abs. 3).

Plant die Zulassungsinhaberin das Inverkehrbringen eines für eine pädiatrische Indikation oder für die pädiatrische Verwendung zugelassenen Arzneimittels einzustellen, so kann sie die Zulassung an einen Dritten veräussern, der den Weitervertrieb sicherstellt. Ansonsten muss sie die beabsichtigte Vertriebseinstellung bekannt machen und die
Zulassungsdokumentation im Hinblick auf den Widerruf der Zulassung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen (Abs. 4 und 5). Damit bleiben die Informationen weiterhin im übergeordneten Interesse der öffentlichen Gesundheit nutzbar. Dies kommt dann zum Tragen, wenn die Zulassungsinhaberin einen Unterlagenschutz nach Artikel 11b Absatz 3 oder 4 HMG oder eine Verlängerung des ergänzenden Schutzzertifikats nach Artikel 140n PatG in Anspruch genommen hat.

Die Einzelheiten, insbesondere bezüglich der geforderten Publikation, werden im Verordnungsrecht auszuführen sein.

Mit dieser Verpflichtung soll gewährleistet werden, dass ein Arzneimittel für die Pädiatrie auch nach Ablauf des Unterlagenschutzes oder des ergänzenden Schutzzertifikats auf dem Markt verfügbar bleibt.

70

Art. 16b (neu)

Erneuerung der Zulassung

Dieser neue Artikel regelt die Aspekte der Erneuerung der Zulassung.

Die heutige Regelung (Zulassungsdauer von jeweils fünf Jahren mit periodischer Erneuerung) entsprach bei Erlass des Heilmittelgesetzes den diesbezüglichen europäischen Vorschriften. Diese Vorschriften haben sich inzwischen geändert. Neu ist nur eine einmalige Erneuerung der Zulassung vorgesehen; danach gilt die Zulassung in der Regel zeitlich unbeschränkt ­ selbstverständlich unter Vorbehalt der Sistierung oder des Widerrufs, falls sich dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit aufdrängt. Die hier vorgeschlagene Anpassung von Artikel 16 entspricht der Regelung im EU-Recht92.

Mit der im geltenden Recht vorgesehenen periodischen Erneuerung der Zulassung sollte sichergestellt werden, dass das Institut regelmässig prüft, ob die Voraussetzungen für die Zulassung weiterhin erfüllt sind. Bei diesen Erneuerungen der Zulassung handelt es sich um rein formale Vorgänge, ist es in der Praxis doch so, dass die Intervalle hinsichtlich der materiellen periodischen Überprüfung der zugelassenen Arzneimittel individuell und risikobasiert festgelegt werden müssen. Ausserdem besteht durch die engmaschige Vigilance eine zweite Sicherungslinie, die der rein periodischen Überprüfung ­ insbesondere derjenigen, die auf fixen Intervallen für alle Arzneimittel beruht ­ in der Wirkung überlegen ist.

Die im geltenden Recht geregelte Pflicht, Zulassungen mindestens alle fünf Jahre zu erneuern, ist rein formeller Art und bringt deshalb keine messbaren Vorteile, ist aber mit einem erheblichen Aufwand sowohl für die Firmen als auch für das Institut verbunden. Bei strukturell bedingten Engpässen muss das Institut zur Überbrückung des Zeitraums zudem bis zur Ausstellung der neuen Zulassung oft eine befristete Zulassung erteilen. Auf beides kann ohne Gefährdung der Arzneimittelsicherheit verzichtet werden.

Wie im heutigen Recht (siehe Art. 16 Abs. 4 HMG) vorgesehen, soll nach der Erstzulassung eine Erneuerung auf Gesuch hin erfolgen, sofern die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zulassung nach wie vor erfüllt sind (Abs. 1). Gemäss Absatz 2 gilt diese Erneuerung neu in der Regel unbefristet, wobei auch hier in begründeten Fällen (z. B. auf der Basis von Pharmacovigilancedaten) die Erneuerung in analoger Art und Weise erteilt werden kann wie die Erstzulassung (d. h. einmalig beschränkt auf weitere fünf Jahre und verbunden mit Auflagen und Bedingungen).

Art. 16c (neu)

Überprüfung der Zulassung

In diesem neuen Artikel werden die geltenden Regelungen des Artikels 16 HMG, welche die Überprüfung einer Zulassung betreffen, zusammengefasst und vereinfacht wiedergegeben, ohne materielle Änderungen vorzunehmen. Da das Institut ohnehin zur Überprüfung von Zulassungsentscheiden von Amtes wegen zuständig ist, wird auf die nach geltendem Recht (Art. 16 Abs. 2 und 3 HMG) vorgesehene Unterscheidung zwischen der Überprüfung eines einzelnen Präparats oder einer Gruppe von zugelassenen Arzneimitteln verzichtet.

92

Art. 24 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2001/83/EG.

71

Art. 18 Abs. 1 Einleitungssatz Die deutsche Fassung wird hier an die französische und italienische Version angeglichen (der Begriff «gewerbsmässig» wird mit «berufsmässig» ersetzt).

4. Abschnitt: Vertrieb, Verschreibung, Abgabe und Anwendung Art. 23 Abs. 3 Dieser Absatz wird einzig dahingehend geändert, als dass die Regelung betreffend Zuordnung von Arzneimitteln durch das Institut in entsprechende Abgabekategorien in den neuen Artikel 23a verschoben wird.

Art. 23a (neu)

Zuordnung der Arzneimittel zu den einzelnen Kategorien

Mit dem Ziel der Vereinfachung der Selbstmedikation soll bei der Einteilung der Arzneimittel in Abgabekategorien die Fachkompetenz der abgabeberechtigten Berufsgruppen vermehrt berücksichtigt werden. Dies entspricht der Forderung der Motion SGK-N (07.3290) «Neue Regelung der Selbstmedikation», wonach die Fachkompetenz verstärkt genutzt werden soll. Dieser Grundsatz wird neu auf Gesetzesstufe festgehalten (Abs. 1).

Die Einteilung eines Arzneimittels ist ein zentrales Instrument der Arzneimittelsicherheit und bestimmt den Abgabekanal. Das Institut wird verpflichtet, die Arzneimitteleinteilung regelmässig zu überprüfen und dem Stand von Wissenschaft und Technik anzupassen (Abs. 2). Diese Überprüfung soll nicht für alle Arzneimittel im gleichen Intervall, sondern risikobasiert und für vergleichbare Arzneimittel gruppenweise vorgenommen werden. Die Zulassungsinhaberinnen können jederzeit ein Gesuch um Umteilung eines Arzneimittels stellen. Sofern die entsprechenden Unterlagen beigebracht werden, ändert das Institut die Einteilung.

Länger bestehende Inkonsistenzen in der Arzneimitteleinteilung sind mit Blick auf die Arzneimittelsicherheit nicht zu begründen. Sie gefährden die Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit der Arzneimitteleinteilung. Das Institut passt daher bei Bedarf die Einteilung analoger Arzneimittel (z. B. Generika) ebenfalls entsprechend an, um den Stand von Wissenschaft und Technik einheitlich widerzuspiegeln. Die entsprechenden Bestimmungen werden auf Verordnungsstufe zu erlassen sein.

Arzneimittel können in eine höhere oder in eine tiefere Abgabekategorie umgeteilt werden, unabhängig von der Zulassungsdauer der betroffenen Arzneimittel (siehe auch Art. 16c). Der Bundesrat wird die Details zu den verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten der Einteilung von Arzneimitteln auszuführen haben.

Art. 24 Abs. 1bis (neu) Die Motion SGK-N (07.3290) «Neue Regelung der Selbstmedikation» verlangt die erleichterte Abgabe von Arzneimitteln der Abgabekategorie B, ohne die Behandlungssicherheit zu gefährden. Apothekerinnen und Apotheker sollen daher neu geeignete Arzneimittel der geltenden Abgabekategorie B selbstständig abgeben können. Diese verschreibungspflichtigen Arzneimittel müssen speziell gekennzeichnet und in eine separate Abgabekategorie eingeteilt werden.

72

Damit bleibt beispielsweise Publikumswerbung weiterhin verboten. Um die Behandlungssicherheit zu gewährleisten, dürfen solche Arzneimittel nur nach Fachberatung durch die Apothekerin oder den Apotheker persönlich abgegeben werden. Eine Abgabe durch eine Fachperson unter der Aufsicht der abgabeberechtigten Person, wie sie Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe c ermöglicht, ist nicht gestattet. Die selbstständige Abgabe von besonders gekennzeichneten Arzneimitteln der Abgabekategorie B durch Apothekerinnen und Apotheker muss dokumentiert werden. Form und Umfang dieser Dokumentationspflicht werden auf Verordnungsstufe zu regeln sein.

Art. 25 Abs. 1 Bst. b, 3 und 4 Drogistinnen und Drogisten sollen neu alle nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel abgeben dürfen (Umsetzung der Motion SGK-N (07.3290) «Neue Regelung der Selbstmedikation»); demzufolge sind die notwendigen Anpassungen in Absatz 1 Buchstabe b sowie in den Absätzen 3 und 4 vorzunehmen. Die Differenzierung innerhalb der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (Abgabekategorien C und D) fällt weg, diejenige zwischen nicht verschreibungspflichtigen und frei verkäuflichen Arzneimitteln (Abgabekategorie E) bleibt jedoch unberührt. Diese Vereinigung bedingt jedoch, dass die aktuell in den Abgabekategorien C und D eingeteilten Arzneimittel einerseits hinsichtlich einer eventuell notwendigen Verschreibungspflicht oder auch einer möglichen Freiverkäuflichkeit (Umteilungen in die Kategorien B bzw. E) überprüft werden (siehe auch Bericht zur THGRevision93).

Art. 26 Sachüberschrift und Abs. 1 Der geltende Wortlaut von Absatz 1 schreibt vor, dass bei der Verschreibung und der Abgabe von Arzneimitteln die anerkannten Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften ­ im Human- und Veterinärbereich ­ beachtet werden müssen. Neu wird präzisiert, dass bei Komplementärarzneimittel zudem die Prinzipien der entsprechenden Therapierichtung zu berücksichtigen sind. Weiter wird von dieser Regelung zusätzlich auch die Anwendung erfasst. Ähnlich wie bei den Regeln der Guten Herstellungspraxis (vgl. Art. 7 Abs. 2 HMG) soll schliesslich der Bundesrat auch hier die anerkannten Regeln näher umschreiben können. Diese neue Bestimmung bezweckt, die Sicherheit von Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln zu verbessern. Es ist vorgesehen, in den
Ausführungsbestimmungen insbesondere die Arzneimittel der Kinderheilkunde beziehungsweise die Anwendung von nach dem geltenden Recht zugelassenen Arzneimitteln für Erwachsene an Kindern zu erfassen. Wichtiges Instrument für die Ausarbeitung dieser Regeln ist auch die geplante Datenbank in der Pädiatrie, welche mit den gesammelten Erfahrungsdaten grundlegendes Wissen transparent zur Verfügung stellt.

Art. 30

Bewilligung für die Abgabe

Ein erheblicher und vermeidbarer Teil der Risiken von Heilmitteln ist nicht durch unerwünschte Wirkungen im engeren Sinne bedingt, sondern durch Probleme und Fehler, die bei der Medikation entstehen, das heisst während des Prozesses von der Verschreibung bis zur Anwendung des Heilmittels am Patienten. Solche Ereignisse, zum Beispiel Verwechslungen, sind nicht selten und werden meist früh genug korri93

Siehe Fussnote 6.

73

giert. Wenn nicht, können sie zu einer Spitaleinweisung oder auch zum Tod oder zu Invalidität führen. Um solchen Komplikationen vorzubeugen, gilt es ­ wie im Bereich der Flugsicherheit ­ die Qualität der Prozesse zu sichern. Die Kantone sollen daher verpflichtet werden, als Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung für die Abgabe von Arzneimitteln ­ neben den erforderlichen fachlichen Voraussetzungen (vgl. Art. 24 f. HMG) ­ ein Qualitätssicherungssystem zu fordern und zu überprüfen. Dabei müssen sie Rücksicht auf die Art und Grösse des Betriebs nehmen (Abs. 2).

Aufgrund der im Rahmen der Vernehmlassung eingegangenen Stellungnahmen wird auf eine spezielle Bewilligung für die Anwendung von Arzneimitteln für alle Personen, die dies berufsmässig machen, verzichtet. Die Anwendung von Arzneimitteln ist grundsätzlich mit Risiken behaftet, sodass eine entsprechende Vorkontrolle zum Schutz der Gesundheit der betroffenen Personen angemessen ist. Die Kantone, denen die Aufsicht über die berufsmässige Anwendung obliegt, sind deshalb weiterhin gehalten, bei der Vergabe einer Berufsausübungsbewilligung sicherzustellen, dass diese Personen, selbst bei der Verwendung von ausschliesslich nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, mit deren Anwendung und Lagerung hinreichend vertraut sind, und so den Gesundheitsschutz zu gewährleisten. Dies gilt sowohl für die Personen der Berufskategorien, die heute vom Bundesrat zur Anwendung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bestimmt sind (vgl. Art. 27a f. VAM) als auch für diejenigen, die von den Kantonen zur berufsmässigen Anwendung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln berechtigt sind.

Gemäss Absatz 3 (heute in Abs. 2) können die Kantone weitere Bewilligungsvoraussetzungen vorsehen. Sie regeln das Verfahren und führen periodische Betriebs- und Praxiskontrollen durch. Selbstverständlich sind dabei allfällige anerkannte Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften bei der Verschreibung, Abgabe und Anwendung, die der Bundesrat gestützt auf Artikel 26 Absatz 1 zweiter Satz näher umschrieben hat, zu berücksichtigen.

Art. 33 Da die vorgeschlagene Regelung zu den geldwerten Vorteilen neu teilweise auch Medizinprodukte erfassen soll, wird diese in das 4. Kapitel, das gemeinsame Bestimmungen für Arzneimittel und Medizinprodukte enthält,
aufgenommen (siehe Erläuterungen zum neuen Abschnitt 2a, Vorteilsverbot und Offenlegungspflicht).

Aus diesem Grund kann Artikel 33 aufgehoben werden.

Art. 40 Abs. 1 Nach geltendem Recht müssen bei Blut und Blutprodukten alle wichtigen Aufzeichnungen und Unterlagen während 20 Jahren aufbewahrt werden. Mit Erlass der Richtlinie 2002/98/EG gilt in der EU eine Aufbewahrungspflicht von 30 Jahren, primär von wichtigen Unterlagen zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit. Diese Rückverfolgbarkeit während 30 Jahren muss auch für Blutprodukte gewährleistet werden können, welche in die EU importiert werden. Mit einer Erhöhung der Aufbewahrungsfrist auf 30 Jahre soll auch in der Schweiz die Rückverfolgbarkeit verbessert werden. Diese neue Regelung gilt auch für Unterlagen, die bereits erstellt worden sind und nicht nur für solche, die nach Inkrafttreten der neuen Bestimmung erstellt werden.

74

Art. 42 Abs. 3 Zulassungsbefreite Arzneimittel für Nutztiere können unerwünschte Rückstände in Lebensmitteln tierischer Herkunft verursachen. Der Bundesrat kann daher bereits heute verbieten, dass für Nutztiere Arzneimittel nach einer Formula magistralis (Art. 9 Abs. 2 Bst. a HMG) hergestellt, in Verkehr gebracht und bei Nutztieren angewendet werden. Diese Kompetenz soll auf alle Arzneimittel ausgeweitet werden, die nach Artikel 9 Absatz 2 HMG nicht zulassungspflichtig sind. Damit wird sichergestellt, dass nicht zugelassungspflichtige Arzneimittel für Nutztiere nur Wirkstoffe enthalten, deren Rückstände in Lebensmitteln vorgängig als gesundheitlich unbedenklich beurteilt wurden (Fremd- und Inhaltsstoffverordnung vom 26. Juni 199594 [FIV] sowie Anhang 2 der Tierarzneimittelverordnung vom 18. August 200495 [TAMV]).

Die Verschreibung und die Abgabe von Arzneimitteln nach einer Formula magistralis (Art. 9 Abs. 2 Bst. a HMG) sind heute in der sogenannten Umwidmungskaskade (Art. 6 TAMV) geregelt. Mit dem Ziel, die Konsumentinnen und Konsumenten von Lebensmitteln tierischer Herkunft vor unerwünschten Arzneimittelrückständen zu schützen und die Exportfähigkeit der Landwirtschaft zu gewährleisten, schränkt die heutige Regelung den Einsatz von nicht zugelassenen Arzneimitteln nach Formula magistralis bei Nutztieren ein (Art. 14 und Anhang 2 Liste a TAMV). Konsequenterweise muss mit derselben Argumentation auch der Einsatz von Arzneimitteln nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstaben b­cbis HMG eingeschränkt werden. Aus diesem Grund sollen solche Arzneimittel bei Nutztieren erst dann verschrieben und abgegeben werden, wenn kein zugelassenes Tierarzneimittel verfügbar ist und die Möglichkeiten der Umwidmungskaskade ausgeschöpft sind. Die Regelung von Verschreibung und Abgabe sowie die Einschränkung der Wirkstoffe zur Behandlung von Nutztieren entsprechen den Bestimmungen der EU.

Art. 54a (neu)

Pädiatrisches Prüfkonzept

Vor der Durchführung von klinischen Versuchen im Hinblick auf die Zulassung von Arzneimitteln muss neu, analog der Regelung in der EU, grundsätzlich ein pädiatrisches Prüfkonzept erstellt werden (Abs. 1). Darin werden der Bedarf der Entwicklung des betroffenen Arzneimittels für Kinder im Rahmen des bestehenden medizinischen Umfelds begründet und zum Beispiel die zur Feststellung von Unbedenklichkeit, Wirksamkeit und Qualität erforderlichen Daten festgelegt. Insbesondere sind darin eine altersentsprechende galenische Formulierung des Arzneimittels und die klinischen Versuche im Detail zu beschreiben.

Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wird jeweils geprüft, ob die klinischen Versuche in Übereinstimmung mit dem pädiatrischen Prüfkonzept durchgeführt worden sind. Davon hängen sowohl die Zulassung als auch die Gewährung der entsprechenden Anreize ab. Während der Entwicklung kann die Herstellerfirma ein sogenannter «scientific advice» zur Klärung von Fragen in der Entwicklungsphase des Arzneimittels in Anspruch nehmen. Bei Einreichung des Gesuches wird das pädiatrische Prüfkonzept im Rahmen der Begutachtung geprüft und insbesondere die noch weitergehenden Massnahmen und Untersuchungen vereinbart.

94 95

SR 817.021.23 SR 812.212.27

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Ein pädiatrisches Prüfkonzept muss bei der Zulassung des Arzneimittels vorgelegt werden. Es wird nicht für einen klinischen Versuch gefordert. Die allgemeinen Anforderungen an die Durchführung von klinischen Versuchen mit Heilmitteln (Art. 53 ff. HMG) sind selbstverständlich unabhängig vom Ziel der Studie zu erfüllen96.

Der Bundesrat wird in den Ausführungsbestimmungen die notwendigen Verfahrensregeln erlassen (Abs. 2). Weiter wird er in Anlehnung an die Bestimmungen der EU97 die Anforderungen an das pädiatrische Prüfkonzept regeln und Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung eines solchen Konzepts vorsehen. Das pädiatrische Prüfkonzept soll in der Schweiz bezüglich Inhalt und den Ausnahmeregelungen gleich gestaltet sein wie das pädiatrische Prüfkonzept gemäss der Verordnung der EU.

Der Bundesrat kann weiter vorsehen, dass pädiatrische Prüfkonzepte, die durch andere Behörden (z. B. EMA) genehmigt wurden, berücksichtigt werden (Abs. 3).

Nur ausnahmsweise muss ein schweizerisches pädiatrisches Prüfkonzept erstellt und für die Zulassung in der Schweiz pädiatrische Studien durchgeführt werden. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Entwicklung eines pädiatrischen Arzneimittels im Ausland abweichend oder gar nicht geregelt ist. Weiter kann der Bundesrat Ausnahmen von der Pflicht zur Erstellung eines pädiatrischen Prüfkonzepts vorsehen, wie zum Beispiel für Arzneimittel zur Behandlung von Krankheiten, die nur bei Erwachsenen auftreten oder auch für Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen und komplementärmedizinische Arzneimittel.

Weitere Ausnahmen von der Entwicklung in der Pädiatrie sind insbesondere vorzusehen bei Arzneimitteln, die in der pädiatrischen Anwendung wahrscheinlich unwirksam oder bedenklich sind. Falls Studien an Erwachsenen vor Beginn der Studien in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe angezeigt sind oder wenn Studien in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe länger dauern als Studien an Erwachsenen, können im pädiatrischen Prüfkonzept entsprechende Rückstellungen der Entwicklung des Arzneimittels in der Pädiatrie aufgeführt werden. Alle Ausnahmen von der Pflicht zur Entwicklung eines spezifischen Arzneimittels in der Pädiatrie sind im pädiatrischen Prüfkonzept zu begründen.

2a. Abschnitt (neu): Vorteilsverbot und Offenlegungspflicht Die Regelungen zum Vorteilsverbot werden mit einer Transparenz- und Offenlegungspflicht ergänzt, die auch auf Medizinprodukte anwendbar ist (siehe Art. 57c).

Demzufolge ist die heute im 4. Abschnitt (betreffend «Werbung und Preisvergleiche») des 2. Kapitels (betreffend «Arzneimittel») des Heilmittelgesetzes angesiedelte Regelung der geldwerten Vorteile nicht mehr am richtigen Ort; zusammen mit der Transparenz- und Offenlegungspflicht soll sie deshalb neu in einem eigenständi-

96

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76

In Zukunft werden die allgemeinen Anforderungen an klinische Versuche am Menschen im vom Parlament am 30. September 2011 verabschiedeten Bundesgesetz über die Forschung am Menschen geregelt sein (siehe Botschaft vom 21. Oktober 2009, BBl 2009 8045, sowie verabschiedeter Gesetzestext, BBl 2011 7415). Die für klinische Versuche mit Heilmitteln notwendigen Spezialbestimmungen werden aber im Heilmittelgesetz verbleiben, so auch die Regelungen zum pädiatrischen Prüfkonzept.

Verordnung (EG) Nr. 1901/2006.

gen Abschnitt im 4. Kapitel (betreffend «Gemeinsame Bestimmungen für Arzneimittel und Medizinprodukte») platziert werden.

Art. 57a (neu)

Verbot geldwerter Vorteile

Der Regelungsinhalt von Artikel 33 HMG wird in einen neuen Artikel 57a überführt und neu formuliert, wobei wie heute in Absatz 1 die Vorteilsgewährung und in Absatz 2 die Vorteilsannahme geregelt wird. Materiell ergeben sich folgende Änderungen und Präzisierungen: ­

Der Kreis der möglichen Adressaten geldwerter Vorteile wird präziser erfasst, indem einerseits neu auch die Anwendung von Arzneimitteln als Tätigkeit aufgeführt wird, die frei von Einflüssen durch geldwerte Vorteile bleiben soll. In der Botschaft zum Heilmittelgesetz ist zwar von Fachpersonen die Rede, «welche Arzneimittel anwenden oder abgeben»98, der heutige Wortlaut von Artikel 33 HMG erfasst aber lediglich die Verschreibung und die Abgabe. Eine ausdrückliche Nennung im Gesetzestext schafft diesbezüglich Klarheit. Andererseits soll die Erweiterung auf Personen, welche Arzneimittel zum Zweck der Abgabe oder Anwendung erwerben, klarstellen, dass in Organisationen nicht nur die Personen, die Arzneimittel selber verschreiben, abgeben oder anwenden, dem Vorteilsverbot unterstehen, sondern vielmehr auch diejenigen, die sie einkaufen oder über deren Beschaffung durch Aufnahme in die Sortimentsliste mitentscheiden (Mitglieder von Arzneimittel- bzw. Medikamentenkommissionen in Spitälern, Einkäufer für Ärzte-Netzwerke usw.).

­

Weiter wird neu verlangt, dass die Vorteilsgewährung geeignet erscheint, die Verschreibung, Abgabe oder Anwendung von Arzneimitteln zu beeinflussen.

Damit soll ein im heutigen Gesetzestext bestehender Widerspruch zwischen der deutschen und der italienischen Fassung einerseits und der französischsprachigen Fassung andererseits bereinigt werden: Während in der französischen Version geldwerte Vorteile an verschreibungs- und abgabeberechtigte Personen generell verboten wird, ist dies in der deutschen und italienischen Version nur der Fall für Vorteile, die «für die Verschreibung oder die Abgabe eines Arzneimittels» beziehungsweise «per la prescrizione o la dispensazione di medicamenti» gewährt oder offeriert werden, der Fall. Mit dem neuen Wortlaut wird nun ein Mittelweg gewählt, indem das Anbieten und Gewähren beziehungsweise das Fordern und Annehmen geldwerter Vorteile, die das spätere Verschreibungs-, Abgabe-, Anwendungs- oder Einkaufsverhalten ihrer Empfänger möglicherweise beeinflussen, verboten werden.

Nicht nachgewiesen werden muss hingegen, dass ein geldwerter Vorteil ein solches Verhalten tatsächlich beeinflusst hat; dieser Nachweis wäre kaum je zu erbringen. Keine Vermutung einer Beeinflussungsgefahr liegt vor, wenn einer der Ausnahmetatbestände nach Artikel 57b gegeben ist.

Die vorgeschlagene Neuformulierung stellt zudem klar, dass das Vorteilsverbot nicht nur dann Anwendung finden soll, wenn die Vorteile für die Verschreibung, Abgabe oder Anwendung bestimmter Arzneimittel oder Gruppen von Arzneimitteln gewährt werden. Vielmehr sollen künftig auch Vergünstigungen erfasst werden, die sich nicht auf namentlich bekannte

98

BBl 1999 3518

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oder eruierbare Arzneimittel oder auf solche bestimmter Unternehmen beziehen, und demzufolge auch Anreize verhindern, die zu einer Mengenausweitung führen können99.

­

In Absatz 2 wird im Vergleich zur geltenden Regelung zur Vorteilsannahme (vgl. Art. 33 Abs. 2 HMG) bei den Handlungen das «sich versprechen lassen» ergänzt, um so eine Übereinstimmung mit der Bestimmung zur Vorteilsgewährung zu erzielen, die das «Versprechen» im geltenden wie im künftigen Recht erfasst.

Das Vorteilsverbot wird sodann auf geldwerte Vorteile beschränkt, die einen Bezug zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aufweisen (Abgabekategorien A und B; vgl. Art. 23 Abs. 1 und 24 HMG). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der missbräuchliche oder übermässige Einsatz von rezeptfreien Arzneimitteln die Gesundheit wesentlich weniger zu gefährden vermag als der Einsatz verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Aus demselben Grund ist denn auch Publikumswerbung für rezeptfreie Arzneimittel erlaubt (vgl. Art. 31 Abs. 1 Bst. b HMG).

Das Informationsgefälle zwischen Fachpersonen wie Ärztinnen oder Apothekern und Patientinnen oder Konsumenten ist hier weniger ausgeprägt; deren Schutz durch eine Vorschrift, die sachfremde (d. h. finanzielle) Einflüsse auf das Verschreibungsund Abgabeverhalten verbietet, drängt sich hier folglich nicht auf.

zu Abs. 3 Mit diesem Absatz soll klargestellt werden, dass Zuwendungen, die erbracht werden, um eine Gegenleistung einer Fachperson oder Organisation im Sinne von Absatz 1 abzugelten, rechtmässig sind. Dabei müssen jedoch folgende Voraussetzungen erfüllt sein: ­

Die Gegenleistung muss vom Umfang und Aufwand her, den sie verursacht, dem Wert der Abgeltung ungefähr entsprechen, das heisst zu ihr in einem adäquaten Verhältnis stehen.

­

Sie darf nicht bereits anderweitig vergütet werden (z. B. bei angestellten Fachpersonen durch Lohn oder bei freiberuflich tätigen Ärztinnen und Ärzten durch Rechnungsstellung an die Patientinnen und Patienten bzw. deren Versicherungen).

­

Schliesslich darf ein Aufwand, der den Fachpersonen oder Organisationen selber einen direkten Nutzen bringt, ebenfalls nicht entschädigt werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sie sich den entsprechenden Aufwand an ihre obligatorische Weiter- oder Fortbildungspflicht anrechnen lassen können oder dieser Aufwand ihre eigenen Arbeitsabläufe vereinfacht (z. B.

bei Übermittlung von ärztlichen Rezepten auf elektronischem Weg).

Als mögliche Formen zulässiger Gegenleistungen können genannt werden: ­

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Lehr- oder Gutachtertätigkeit sowie Referate an Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen;

In diesem Sinne haben auch das Bundesgericht in seinem Urteil vom 12.4.2012 (2C_92/2011) und zuvor das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17.12.2010 (C-669/2008) das aktuell geltende Vorteilsverbot gemäss Artikel 33 Absätze 1 und 2 HMG ausgelegt.

­

Einbezug medizinischer oder pharmazeutischer Fachpersonen als Beiräte oder Berater in sogenannten Advisory Boards oder zum Erfahrungsaustausch in sogenannten Regional Boards oder Focus Groups von Arzneimittelherstellern;

­

Verträge über Forschungszusammenarbeit mit klar definierten Rechten und Pflichten (z. B. Einräumung von Lizenzen auf allfälligen Erfindungen, die im Rahmen dieser Zusammenarbeit getätigt werden).

Als weitere Fallgruppe hervorzuheben sind Gegenleistungen, die von einer Fachperson oder Organisation in Zusammenhang mit dem Einkauf oder der Abgabe von Arzneimitteln erbracht werden (vgl. dazu nachfolgend, Art. 57b Abs. 1 Bst. c), so zum Beispiel durch: ­

Vereinbarung spezieller Bestell- und Zahlungskonditionen (reduzierter und konzentrierter Bestellrhythmus, Bestellung auf elektronischem Weg, Beschränkung auf grosse Packungen, vorzeitige Bezahlung, usw.), soweit diese Konditionen allein im Interesse des Lieferanten liegen;

­

Übernahme des vollen Lagerrisikos durch Ausschluss von Retouren;

­

Einkauf sehr umfangreicher Mengen, wodurch der Lieferantin Kapitalbindungs- und Lagerkosten sowie unter Umständen auch Logistikaufwand abgenommen werden;

­

Informationsleistungen, die über die gesetzlich vorgeschriebene Pharmacovigilance (vgl. Art. 59 Abs. 3 HMG) hinausgehen.

Keine Gegenleistung stellt demgegenüber die Mitarbeit an sogenannten Praxiserfahrungsberichten (von einem Pharmaunternehmen initiierten, gesetzlich nicht vorgeschriebenen nachträglichen Erfolgskontrollen seiner zugelassenen Arzneimittel) dar, da solche Berichte in der Regel von geringem wissenschaftlichem Wert sind und häufig aus Marketingüberlegungen lanciert werden.

Ebenfalls nicht zulässig ist die Abgeltung von Leistungen, die keinen zusätzlichen Aufwand verursachen, weil sie im Rahmen der ordentlichen Berufstätigkeit erbracht werden (z. B. durch Ausfüllen eines Fragebogens während einer ärztlichen Konsultation) oder weil sie aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften ohnehin erbracht werden müssen (z. B. durch Wahrnehmung von Pflicht, schwerwiegende oder bisher nicht bekannte unerwünschte Wirkungen von Heilmitteln und Vorkommnisse im Sinne von Art. 59 Abs. 3 HMG zu melden).

Zur Klärung und zur Vermeidung der heute bestehenden Interpretationsschwierigkeiten wird hier auf die im geltenden Gesetzestext verwendeten, schwer zu umgrenzenden Begriffe «handelsübliche» und «betriebswirtschaftlich gerechtfertigte» Rabatte (vgl. Art. 33 Abs. 3 Bst. b HMG) verzichtet und stattdessen festgelegt, unter welchen Bedingungen Preisreduktionen oder separate Zahlungen, die in einem Zusammenhang zum Einkauf von Heilmitteln stehen, als geldwerte Vorteile zu qualifizieren sind, die nicht unter das Vorteilsverbot von Artikel 57a Absätze 1 und 2 fallen. Es ist vorgesehen, diese Bedingungen sowie weitere mögliche Formen von Gegenleistungen, die einen geldwerten Vorteil ausschliessen (so z. B. die Einsitznahme in Advisory Boards sowie Umfang und Form möglicher Entschädigungen für die Platzierung von Werbemitteln), auf Verordnungsstufe noch näher zu umschreiben. Dabei ist anzustreben, dass diese Leistungen schriftlich und möglichst präzise fixiert und nicht mittels Preisreduktionen (Rabatten) abgegolten werden, sondern mittels separater Zahlung aufgrund nachvollziehbarer, objektiver Kriterien.

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Art. 57b (neu)

Ausnahmen

In diesem neuen Artikel sind zwei Ausnahmen vom Vorteilsverbot aufgeführt, welche bereits im heutigen Gesetzestext (vgl. Art. 33 Abs. 3 HMG) enthalten sind (Abs. 1 Bst. a und c). Neu hinzu kommt als weitere Ausnahme, dass auch geldwerte Vorteile, die als Unterstützungsbeiträge an Organisationen gewährt werden, unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind (Abs. 1 Bst. b). Schliesslich ist für Arzneimittelmuster (Abs. 1 Bst. d) eine Ausnahme vorzusehen.

zu Abs. 1 zu Bst. a Bei den geldwerten Vorteilen nach Buchstabe a handelt es sich um die typische Fallgruppe derjenigen Zuwendungen, die nicht geeignet erscheinen, das Verschreibungs-, Abgabe- und Anwendungs- bzw. Einkaufsverhalten der Fachpersonen zu beeinflussen, weil sie für die Praxis bestimmt und bescheiden sind. Sie sind deshalb vom generellen Verbot von Artikel 57a auszunehmen und in diesem Bereich sollen auch keine Transparenz- und Buchführungspflichten vorgesehen werden, da dies unverhältnismässig wäre.

Buchstabe a entspricht der geltenden Regelung von Artikel 33 Absatz 3 Buchstabe a HMG. Die einzige materielle Änderung besteht in der Präzisierung, dass die geldwerten Vorteile für die medizinische oder pharmazeutische Praxis der jeweiligen Person («für deren ... Praxis») von Belang sein müssen, der die bescheidenen Vorteile gewährt werden.

Als «bescheiden» gilt in der Regel, was gemäss Praxis des Bundesgerichts zu den sogenannten geringfügigen Vermögensdelikten (Art. 172ter StGB) als noch «geringer Vermögenswert» bezeichnet werden kann, d. h. Vorteile in einem Gesamtwert von jährlich höchstens 300 Franken pro Vorteilsgeber (Pharmaunternehmen) und jeweiligen Vorteilsempfänger (Fachperson). Gemäss den parlamentarischen Beratungen zum Heilmittelgesetz soll diese Analogie aber nicht auf Weiter- und Fortbildungsveranstaltungen anwendbar sein100. Hier ist vorgesehen, basierend auf den vom Institut erarbeiteten Kriterien101, die erforderlichen Regelungen im Verordnungsrecht zu erlassen.

Für die medizinische oder die pharmazeutische Praxis «von Belang» ist ein bescheidener geldwerter Vorteil dann, wenn er der Kundschaft der verschreibungs-, abgabeoder anwendungsberechtigten Fachperson direkt (beispielsweise Mineralwasser für durstige Patienten, ein Schaukelpferd im Wartezimmer der Praxis eines Kinderarztes) oder wenigstens indirekt zugute
kommt. Letzteres ist dann der Fall, wenn der Vorteil der medizinischen oder pharmazeutischen Fachperson mehr Fachwissen verschafft (beispielsweise Fachliteratur und ­ Zeitschriften, elektronischer Zugang zu Online-Fachinformation) oder bei ihrer täglichen Arbeit eingesetzt werden kann (beispielsweise Stethoskop, Fiebermesser, Computer-Software, Jahresagenda, Mobiltelefon für Notfalldienst, Reinigungstücher, Kugelschreiber). Kein solcher Bezug zur medizinischen oder pharmazeutischen Praxis liegt demgegenüber bei den früher weit verbreiteten Geschenken an Arztpraxen und Offizinapotheken zum 100 101

80

Vgl. Amtliches Bulletin Ständerat 2000, S. 612.

Vgl. Publikation «Zum Verbot des Versprechens und Annehmens geldwerter Vorteile gemäss Artikel 33 des Heilmittelgesetzes insb. in Zusammenhang mit der Unterstützung der Weiter- und Fortbildung von Medizinalpersonen durch die Pharmaindustrie», veröffentlicht im Swissmedic Journal 1/2006, S. 20 ff.

Jahreswechsel vor (Flasche Wein, geräucherter Lachs, Eintrittskarten zu kulturellen Anlässen).

Unter der Voraussetzung, dass jeder der ausgeschriebenen Preise bescheiden und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang ist, dürfen auch Wettbewerbe ausgerichtet werden, wenn sich diese ausschliesslich an ein Fachpublikum richten102; dies wird dadurch gewährleistet, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Wettbewerbsfragen beantworten müssen, die nicht trivial sind, sondern einschlägige wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzen. Die Teilnahme am Wettbewerb darf zudem nicht an eine Bestellung von Arzneimitteln geknüpft sein.

zu Bst. b Neu werden auch geldwerte Vorteile vom Vorteilsverbot ausgenommen, welche Organisationen in Form von Unterstützungsbeiträgen gewährt werden. Mit dieser Ausnahme soll der Situation von Organisationen wie Spitälern und Universitätskliniken Rechnung getragen werden, welche namentlich für ihre Forschungs- und Ausbildungstätigkeit oder Infrastrukturvorhaben auf Sponsoring und Drittmittel angewiesen sind. Es kann nicht Sinn eines Vorteilsverbots sein, solche Unterstützungsbeiträge zu untersagen; hingegen muss gewährleistet sein, dass das angestrebte Ziel ­ eine Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln, die möglichst frei ist von finanziellen Anreizen und allein nach objektiven, medizinischpharmazeutischen Gesichtspunkten erfolgt ­ dadurch nicht unterlaufen wird. Welche Kriterien zu diesen Zweck konkret erfüllt sein müssen, wird der Bundesrat auf Verordnungsstufe zu regeln haben (vgl. unten, Erläuterungen zu Abs. 2).

zu Bst. c In diesen Buchstaben geht es um die heute in Artikel 33 Absatz 3 Buchstabe b HMG geregelte Frage, unter welchen Voraussetzungen geldwerte Vorteile, die im Zusammenhang mit einem Heilmitteleinkauf gewährt werden ­ wie namentlich Preis- und Mengenrabatte ­ ausnahmsweise zulässig sind. Im Unterschied zu Preisrabatten (Erlass eines Prozentsatzes des Bruttopreises auf jedem gelieferten Produkt, beispielsweise ab Bezug einer Mindestmenge), können Naturalrabatte oder Warenboni (Lieferung von mehr Produkten, als tatsächlich bezahlt werden) nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand weitergegeben werden (vgl. dazu weiter unten die Ausführungen zu Bst. c Ziff. 2). Diese führen zudem eher zu einer unerwünschten Mengenausweitung, das heisst,
es muss damit gerechnet werden, dass aufgrund solcher Rabatte mehr Arzneimittel in Umlauf gelangen, als eigentlich notwendig wäre. Ferner können Naturalrabatte bei Arzneimitteln dazu missbraucht werden, die geltenden Vorschriften über Musterpackungen zu umgehen (vgl. Art. 10 Abs. 1 und 3 der Arzneimittel-Werbeverordnung vom 17. Oktober 2001103 [AWV] sowie die Ausführungen zu Bst. e).

Aus diesen Gründen werden in Buchstabe c neu die bei einem Heilmitteleinkauf zulässigen geldwerten Vorteile auf Preisrabatte und Rückvergütungen beschränkt.

Solche Vorteile sind aber nur zulässig, falls sie transparent ausgewiesen werden und 102

Gemäss Art. 21 Abs. 1 Bst. h der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittelwerbung (Arzneimittel-Werbeverordnung, AWV; SR 812.212.5) ist die Durchführung von Wettbewerben, die sich an ein Laienpublikum richten, verboten, solange sie nicht ausschliesslich im Zusammenhang mit Arzneimitteln der frei verkäuflichen Abgabekategorie E stehen (vgl. Art. 21 Abs. 2 AWV).

103 SR 812.212.5

81

ihre Weitergabe an die Endabnehmer gewährleistet ist. Naturalrabatte (Warenboni) sollen demgegenüber nicht mehr erlaubt sein; ebenso wenig alle übrigen geldwerten Vorteile, die bei einem Heilmitteleinkauf denkbar sind (z. B. ein Geschenk ab Bestellung einer Mindestmenge, selbst wenn dieses Geschenk im Sinne der Ausnahmebestimmung gemäss Bst. a von bescheidenem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang ist). Ein Verbot von Naturalrabatten kennen seit 2006 Deutschland und Österreich104.

Sämtliche nach Buchstabe c zulässigen Vorteile sollen neu in den Rechnungen und Buchhaltungen sowohl auf Seiten der Einkäufer (Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker) als auch auf Seiten der Vertreiber (Hersteller, Importeure, Grosshändler, evtl. andere Detailhändler) eindeutig nachvollziehbar ausgewiesen werden (Bst. c Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 57c Abs.

1). Diese Regelung soll ­ entsprechend dem Anliegen der Motion SGK-S (06.3420) «Klärung von Artikel 33 des Heilmittelgesetzes» ­ eine grösstmögliche Transparenz herstellen. Eine Verpflichtung zur Buchführung besteht heute lediglich für Pharmaunternehmen und nur insoweit, als sie Arzneimittelmuster unentgeltlich abgeben (vgl. Art. 10 Abs. 5 AWV), nicht jedoch auch für die Fachpersonen, welche diese Muster erhalten105.

In Buchstabe c Ziffer 2 wird sodann verdeutlicht, dass geldwerte Vorteile, die im Zusammenhang mit einem Heilmitteleinkauf gewährt werden, an die Patientinnen bzw. Konsumenten (oder deren Versicherer) weitergegeben werden müssen. Diese Klarstellung ist insbesondere auch deswegen erforderlich geworden, weil das Bundesgericht in einem kürzlich ergangenen Urteil festgestellt hat, dass aus dem aktuell geltenden Gesetzestext (Art. 33 Abs. 3 Bst. b HMG) nicht in ausreichender Klarheit hervorgehe, dass Rabatte an die Patienten bzw. Endkunden weitergegeben werden müssten. Wenn der Gesetzgeber eine solche Weitergabepflicht von Rabatten gestützt auf Heilmittelrecht wolle, müsse diese im Gesetz klarer formuliert werden106.

Mit der vorliegenden Verdeutlichung der Weitergabepflicht von Rabatten wird gewährleistet, dass den zur Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Heilmitteln befugten Personen aus Rabatten selber unmittelbar kein Vermögensvorteil entsteht, der sie in ihrem Verschreibungs-,
Abgabe- oder Anwendungsverhalten beeinflussen könnte. Ein geldwerter Vorteil kommt vielmehr der Kundschaft dieser Personen zu, was zwar ebenfalls einen Einfluss auf die Wahl der Heilmittel haben kann; diese Beeinflussung ist jedoch insofern erwünscht, als dadurch der Preis des eingekauften Arzneimittels für den Kostenträger (Krankenversicherer, Patientin oder Patient) gesenkt werden kann. Dasselbe gilt auch für Vermögensvorteile, die den Fachpersonen mittelbar entstehen können, obwohl sie die beim Einkauf erhaltenen Vergünstigungen weitergeben. Dies ist beispielsweise der Fall bei Hausärzten, deren Patientinnen und Patienten nach alternativen Versicherungsmodellen im Sinne der Managed Care versichert sind (Einschränkung der freien Arztwahl im Gegenzug zu einer vergünstigten Prämie; vgl. Art. 41 Abs. 4 bzw. Art. 62 Abs. 1 KVG) und die von den Versicherungen für jede derart versicherte Person eine Kopfpauschale (sog.

104

In Österreich allerdings mit Einschränkung auf den ambulanten Bereich sowie auf diejenigen Arzneimittel, deren Preis von der sozialen Krankenversicherung erstattet wird.

105 In seiner Publikation zur geltenden Rabattbestimmung (Art. 33 Abs. 3 Bst. b HMG) empfiehlt das Institut allerdings bereits heute, gewährte bzw. erhaltene Rabatte sowohl auf Seiten der Lieferantin als auch auf Seiten der Rabattempfänger gesondert und transparent auszuweisen; vgl. Swissmedic Journal 11/2003, S. 983 f., Ziff. VII.

106 Vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 12.4.2012 (2C_92/2011), E. 3.11.

82

Capitation) erhalten, d. h. monatlich oder jährlich einen fixen Betrag, der unabhängig ist vom tatsächlichen Behandlungsaufwand. Hier kann ­ ähnlich wie bei den nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln, die neu vom Vorteilsverbot ausgenommen werden sollen ­ davon ausgegangen werden, dass der Patient bzw. die Patientin keines zusätzlichen Schutzes durch ein Vorteilsverbot bedarf, da er oder sie ein derartiges Versicherungsmodell in Kenntnis der damit verbundenen möglichen Konsequenzen wählt und dies gestützt auf Informationen tut, die vorwiegend nicht vom behandelnden Arzt stammen. Die Grenzen des den Fachpersonen diesbezüglich zustehenden Ermessens werden zudem in Artikel 26 HMG aufgezeigt, und deren Einhaltung wird durch die kantonalen Aufsichtsbehörden kontrolliert.

Die Weitergabe erhaltener Rabatte kann für die Fachpersonen mit einem Aufwand verbunden sein. Beispielsweise Ärzte-Netzwerke oder andere Managed-CareOrganisationen haben aufgrund der mit den Krankenversicherern geschlossenen Verträge ein Interesse, ihre Patientinnen und Patienten mit kostengünstigen Arzneimitteln zu versorgen. Hierzu werden sie sich bemühen, mit ausgewählten Herstellern entsprechende Lieferverträge zu vereinbaren. Um möglichst attraktive Konditionen zu erhalten, müssen sie dem bevorzugten Hersteller belegen, wie viele seiner Produkte verschrieben und verkauft worden sind. Um dies tun zu können, müssten die Verkaufsdaten aller Leistungserbringer beschafft werden, welche die vom Netzwerk verordneten Medikamente verkauft haben. Dies hat sich in der Praxis teilweise als ziemlich aufwendig erwiesen. Daher sollen dieser Aufwand sowie derjenige für das Aushandeln der Rabattvereinbarungen ­ sofern er nachgewiesen wird ­ angemessen in Abzug gebracht werden können. Die entsprechenden Rabatte müssen daher nur anteilsmässig weitergeben werden. Wäre dieser Aufwand nicht abziehbar, so würden sich die Leistungserbringer nicht mehr bemühen, möglichst günstige Bezugskonditionen für ihre Patientinnen und Patienten auszuhandeln.

zu Bst. d Von Naturalrabatten (Warenboni) zu unterscheiden und im Unterschied zu diesen ­ in engen Grenzen ­ mit dem Vorteilsverbot von Artikel 57a vereinbar sind Arzneimittelmuster (Musterpackungen). Deren Unentgeltlichkeit ist nicht wie bei Naturalrabatten an die Voraussetzung der Bezahlung eines Teils der
Lieferung geknüpft; sie werden somit nicht (zu reduzierten Preisen) verkauft, sondern verschenkt.

Heute sind die Arzneimittelmuster in Artikel 10 AWV geregelt. Wegen ihrer grossen praktischen Bedeutung, den festgestellten Missbräuchen und dem angestrebten Verbot der mit ihnen «verwandten» Naturalrabatte sollen Arzneimittelmuster (Musterpackungen) neu bereits im Gesetz Erwähnung finden.

Entsprechend den internationalen Regelungen und Gepflogenheiten107 ist sicherzustellen, dass Arzneimittelmuster lediglich dem ihnen zugedachten Zweck dienen, das heisst Fachpersonen sollen damit in der Praxis erste Erfahrungen sammeln können.

Zu verhindern gilt insbesondere, dass Arzneimittelmuster durch umfangreichen Einsatz während unbegrenzter Zeit dazu missbraucht werden, stationäre Patientinnen und Patienten in Institutionen (Spitälern) auf ein bestimmtes Arzneimittel «einzustellen», damit sie dieses dann auch nach ihrer Entlassung aus der stationären Pflege 107

Vgl. z. B. Art. 96 der Richtlinie 2001/83/EG sowie Art. 16 des Code der EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations) vom 5. 7.2007 «on the Promotion of Prescription-Only Medicines to, and Interactions with, Healthcare Professionals» (www.efpia.eu/efpia-code-practice-promotion-prescription-only-medicines-andinteractions-healthcare).

83

­ dannzumal jedoch gegen Bezahlung ­ beziehen. Es ist deshalb vorgesehen, die heutige Regulierung der Arzneimittelmuster gemäss Artikel 10 AWV weiterzuführen (d. h. insbesondere deren Beschränkung auf eine kleine Anzahl und die kleinste im Handel befindliche Originalpackung, Auslieferung erst nach vorgängiger schriftlicher Anforderung, Kennzeichnungspflicht als «Gratismuster», Verkaufsverbot). Es ist zudem vorgesehen, die Abgabe von Mustern auf die ersten zwei Jahre nach dem ersten Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels in der Schweiz zu beschränken. Weiter wird der Bundesrat den Begriff «kleine Anzahl» näher zu umschreiben haben.

zu Abs. 2 Der Bundesrat wird auf Verordnungsstufe festzulegen haben, welche erforderlichen und zumutbaren Massnahmen Organisationen treffen müssen, damit die ihnen gewährten Unterstützungsbeiträge (nach Abs. 1 Bst. b) das Verschreibungs-, Abgabe- oder Anwendungsverhalten der Fachpersonen, die sie beschäftigen, nicht beeinflussen können. Eine wesentliche Voraussetzung ist insbesondere, dass Zuwendungen nach aussen offengelegt (z. B. mittels Veröffentlichung im Internet) und in der eigenen Buchhaltung ausgewiesen werden. Somit besteht die Gewähr, dass solche Zuwendungen von den zuständigen Revisionsstellen jährlich geprüft werden. Sodann versteht sich von selbst, dass der Sponsor oder Drittmittelgeber seine Zahlungen nicht an Bedingungen wie zum Beispiel den Bezug bestimmter Heilmittel knüpfen darf und diese Zahlungen ausschliesslich zweckgebunden verwendet werden.

Als weitere Voraussetzung könnte vorgesehen werden, dass der Zahlung eines Unterstützungsbeitrags jeweils eine schriftliche Vereinbarung zugrunde gelegt werden muss, woraus der beabsichtigte Verwendungszweck hervorgeht. Schliesslich könnte auch verlangt werden, dass die Gelder auf ein dafür bestimmtes Konto überwiesen werden müssen, worauf Personen, die Arzneimittel verschreiben, abgeben oder anwenden oder die für die betreffende Organisation Arzneimittel einkaufen, keinen oder jedenfalls keinen alleinigen Zugriff haben.

Diese Voraussetzungen orientieren sich an den Empfehlungen, welche die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) in ihren Richtlinien zur «Zusammenarbeit Ärzteschaft ­ Industrie»108 entwickelt hat. Werden sie erfüllt, so kann davon ausgegangen werden, dass die
betreffende Organisation alles Zumutbare unternommen hat, um die Eignung des erhaltenen Sponsoring- oder Unterstützungsbeitrags zur Beeinflussung des Verschreibungs-, Abgabe-, Anwendungs- oder Einkaufsverhaltens der bei ihr tätigen Fachpersonen auszuschliessen, auch wenn dieser Beitrag um ein Vielfaches über dem liegt, was für die einzelne verschreibungs- und abgabeberechtigte Person noch als «bescheidener Wert» akzeptiert werden kann (vgl. Abs. 1 Bst. a).

Art. 57c (neu)

Transparenz- und Offenlegungspflicht

zu Abs. 1 Wie oben zum neuen Artikel 57b ausgeführt wurde, müssen Preisrabatte und Rückvergütungen auf dem Einkauf verschreibungspflichtiger Arzneimittel in den Rechnungen und Buchhaltungen der Einkäufer (Spitäler, Alters- und Pflegeheime, Ärz108

84

Veröffentlicht in der Schweizerischen Ärztezeitung (SÄZ) Nr. 5/2006, S. 177 ff.

(www.saez.ch).

tinnen und Ärzte und Apothekerinnen und Apotheker) wie auch der Verkäufer (Hersteller, Importeure, Grosshändler, evtl. andere Detailhändler) ausgewiesen sein, damit diese Rabatte und Rückvergütungen als zulässige geldwerte Vorteile akzeptiert werden können (vgl. Art. 57b Abs. 1 Bst. c Ziff. 1).

Aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung wurde darauf verzichtet, das Vorteilsverbot auf Medizinprodukte auszudehnen (vgl. Ziff. 1.3.2). Die Transparenzregelung im neuen Artikel 57c Absatz 1 soll aber grundsätzlich für alle Heilmittel gelten, also auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Medizinprodukte. Um auf die Besonderheiten bestimmter Heilmittelkategorien eingehen zu können, ist es aber sinnvoll, dem Bundesrat die Kompetenz zu erteilen, Ausnahmen von dieser allgemeinen Verpflichtung vorzusehen (siehe Abs. 3).

zu Abs. 2 Auch im Bereich des Gesundheitswesens haben in den letzten Jahren die wirtschaftlichen Verflechtungen laufend zugenommen. Die unterschiedlichen Handelsstufen (Herstellung, Grosshandel, Detailhandel) sind zunehmend miteinander verwoben (z. B. Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten an Versandhandelsgesellschaften oder Herstellern, Apotheken, welche im Besitz von Grosshändlern sind usw.). Diese vertikale Integration ist dann problematisch, wenn mittels vermehrter Verschreibung, Abgabe oder Anwendung von Heilmitteln die Erträge des Unternehmens und damit indirekt auch das eigene Einkommen gesteuert werden. Dasselbe gilt für mehrstufige vertikale Integrationen, so zum Beispiel wenn eine Vertriebsgesellschaft im Besitz der Ärztinnen und Ärzte zusätzlich an einem herstellenden Unternehmen beteiligt ist.

Um unerwünschte Beeinflussungen zu verhindern, wäre es denkbar, solche Beteiligungen oder Verflechtungen zu verbieten oder zumindest stark einzuschränken. Dies würde aber einen schweren Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit darstellen. Eine weniger einschneidende Massnahme zur Verhinderung unerwünschter Beeinflussungen ist die Verpflichtung zu Transparenz. Das öffentliche Interesse an einer möglichst umfassenden Information ist im vorliegenden Kontext unbestritten109 und wird von der Motion SGK-S (06.3420) «Klärung von Artikel 33 des Heilmittelgesetzes» ausdrücklich angeregt.

Im Bereich der Zuwendungen an Organisationen ist eine Verpflichtung zur Offenlegung gestützt auf den
neuen Artikel 57b vorgesehen (vgl. Ausführungen zu Art. 57b Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 HMG)110. Da es neben der Annahme geldwerter Vorteile aber weitere Tätigkeiten gibt, die zu Interessenskonflikten führen könnten, greift diese Regelung für sich alleine betrachtet zu kurz; sie zielt zudem nur auf Organisationen, nicht jedoch auf die einzelne verschreibungs- bzw. abgabeberechtigte Person.

109

Gemäss den im Rahmen einer australischen Studie befragten Patientinnen und Patienten würde eine Offenlegung von Interessenbindungen von Ärzten zu besseren Behandlungsentscheidungen und zu höherem Vertrauen führen; siehe: Tattersall MHN, Dimoska A, Gan K. Patients expect transparency in doctors' relationships with the pharmaceutical industry, Abstract, Medical Journal of Australia 2009; 190; S. 65­68.

110 Vgl. hierzu auch den in den USA unlängst erlassenen «Physicians Payment Sunshine Act», welcher Unternehmen verpflichtet, seit 2012 jegliche finanziellen und sonstigen Zuwendungen an Ärzte, Krankenhäuser und andere medizinische Leistungserbringer offenzulegen.

85

Die Offenlegungspflicht nach Artikel 57c Absatz 2 setzt dort an, wo Arzneimittel oder Medizinprodukte an Patientinnen und Patienten oder Konsumentinnen und Konsumenten verschrieben, abgegeben oder angewendet werden, namentlich in den Arztpraxen, Spitälern und Apotheken. Die Verpflichtung gilt somit für denselben Personenkreis, der von der Regelung von Artikel 57a betroffen ist. Sie beschränkt sich jedoch nicht auf verschreibungspflichtige Arzneimittel. Damit gilt sie für alle Personen, die Heilmittel verschreiben, abgeben oder anwenden oder zu diesem Zweck einkaufen, sowie für Organisationen, die solche Personen beschäftigen. Sie sieht vor, dass (namhafte) Beteiligungen und andere Interessenbindungen offengelegt werden müssen. Folgende Teilbereiche werden von der Offenlegungspflicht erfasst111: ­

eigene Beteiligungen an Unternehmen, die Heilmittel herstellen oder in Verkehr bringen (Bst. a);

­

Tätigkeiten in Führungs- und Aufsichtsgremien, Beiräten und ähnlichen Gremien solcher Unternehmen sowie Beratungs- oder Expertentätigkeiten für diese, wozu grundsätzlich auch die in Artikel 57a Absatz 3 erwähnten Gegenleistungen zu zählen sind (Bst. b);

­

Beteiligungen solcher Unternehmen an ihrer eigenen medizinischen oder pharmazeutischen Praxis oder Organisation (Bst. c).

Die Modalitäten der Offenlegung der oben erwähnten Informationen wird der Bundesrat festlegen. Neben einer Veröffentlichung zum Beispiel im Internet (v.a. bei Spitälern) ist es denkbar, dass dieser Offenlegungspflicht mittels Anschlägen in Wartezimmern oder im Eingangsbereich einer Praxis nachgekommen werden kann.

zu Abs. 3 Die Transparenzpflicht nach Absatz 1 und die Offenlegungspflicht nach Absatz 2 erfassen grundsätzlich alle Personen, die Heilmittel verschreiben, abgeben oder anwenden oder zu diesem Zweck erwerben, und sie gilt grundsätzlich für Beteiligungen an allen Unternehmen, die Heilmittel herstellen oder in Verkehr bringen sowie für andere Interessenbindungen an solche Unternehmen. Mit Absatz 3 wird dem Bundesrat aber die Kompetenz erteilt, bestimmte Ausnahmen vorzusehen.

Ausnahmen von der Transparenzpflicht nach Absatz 1 können bei bestimmten Heilmittelkategorien sinnvoll sein, die über ein geringes Gefährdungspotenzial verfügen. Dies ist zum Beispiel bei Arzneimitteln der Abgabekategorie E, welche frei im Handel verkäuflich sind (vgl. Art. 23 Abs. 2 HMG), der Fall. Auch Medizinprodukte, welche gemäss Einteilung nach der massgeblichen Richtlinie 93/42/EWG in die «niedrigstschwellige» Klasse I fallen (vgl. Art. 45 Abs. 3 HMG i.V. m. den Art. 1 und 5 der Medizinprodukteverordnung vom 17. Oktober 2001112 [MepV]), beinhalten eher geringe Gesundheitsrisiken. Hierunter fallen beispielsweise Medizinprodukte wie Heftpflaster oder Gehhilfen (Krücken).

Bei der Offenlegungspflicht nach Absatz 2 kann der Bundesrat vorsehen, dass Beteiligungen an Unternehmen, die Heilmittel herstellen oder in Verkehr bringen, erst ab einer bestimmten Höhe offengelegt werden müssen. Zudem kann er Interessenbindungen an Unternehmen, die ausschliesslich Arzneimittel der Abgabekate111

Wortlaut in Anlehnung an Art. 11 Parlamentsgesetz (Offenlegungspflicht für Mitglieder der eidgenössischen Räte bzgl. ihrer Interessenbindungen) formuliert.

112 SR 812.213

86

gorie E oder Medizinprodukte der Klasse I herstellen oder in Verkehr bringen, von der Offenlegungspflicht auszunehmen.

Art. 58 Abs. 1, 4 und 5 Da die Zuständigkeit für den Vollzug des Verbots des Versprechens und Annehmens geldwerter Vorteile (Art. 57a und 57b) auf das BAG übergehen und dieses auch für den Vollzug der Offenlegungspflicht (Art. 57c) zuständig werden wird, ist das Institut nun nicht mehr die einzige Behörde des Bundes, welche das Heilmittelgesetz vollzieht. Die Formulierungen in den Absätzen 1, 4 und 5 von Artikel 58 sind entsprechend anzupassen (siehe auch Erläuterungen zu Art. 66 und 82 Abs. 1).

Die Neuformulierung des ersten Satzes von Absatz 5 korrigiert ein redaktionelles Versehen: gemäss der heutigen Formulierung müssen die Kantone sämtliche Ereignisse, Erkenntnisse und Beanstandungen, die sie im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit feststellen, dem Institut melden, worauf dieses die notwendigen Verwaltungsmassnahmen trifft. Gemäss Artikel 66 Absatz 3 ordnen die Kantone jedoch, soweit sie sachlich zuständig sind, die zum Vollzug des Heilmittelgesetzes erforderlichen Verwaltungsmassnahmen selber an ­ was denn auch der seit Jahren gängigen und unbestrittenen Praxis entspricht. Der Widerspruch rührt daher, dass Artikel 58 Absatz 5 erster Satz irrtümlich auf Absatz 1 der Bestimmung verweist, in dem sowohl von der Zuständigkeit des Instituts als auch von derjenigen der Kantone die Rede ist113. Die im ersten Satz von Artikel 58 Absatz 5 statuierte Meldepflicht ist daher ­ ebenso wie die sich aus dem zweiten Satz ergebende Kompetenz zur Ergreifung von Verwaltungsmassnahmen ­ auf Fälle in der sachlichen Zuständigkeit des Instituts oder des BAG zu beschränken.

Art. 59 Abs. 3 und 5­7 (neu) zu Abs. 3 Die Erfassung und Prävention von Heilmittelrisiken (sogenannte Vigilance) beschränkt sich nicht auf unerwünschte Wirkungen im engeren Sinne114. Für die Heilmittelsicherheit ebenso wichtig sind gehäuft auftretender Missbrauch oder akzidentelle Vergiftungen, zum Beispiel bei Kindern, sowie wiederholte Probleme bei der Anwendung. Zu diesen zählen sogenannte «critical incidents» oder «Nearmiss-Ereignisse», die entdeckt werden, bevor eine Patientin oder ein Patient zu Schaden kommt. Um chargenabhängige Probleme namentlich bei biologischen Präparaten zu erkennen, gilt es auch, das Ausbleiben der
Wirkung zu erfassen, zum Beispiel bei Impfstoffen.

Die Meldepflicht für Fachleute umfasst heute lediglich schwerwiegende oder neue unerwünschte Wirkungen (von Arzneimitteln) bzw. Vorkommnisse (bei Medizinprodukten) sowie Qualitätsmängel. Sie soll nun breiter gefasst werden und zusätzlich Beobachtungen schwerwiegender oder neuer Tatsachen umfassen. Dies schliesst Beobachtungen vor der Anwendung des Arzneimittels ein, die im Falle späterer Anwendungen zu Schäden beim Patienten führen könnten, wie zum Beispiel eine 113

Vgl. dazu Thomas Eichenberger, in: Eichenberger/Jaisli/Richli (Hrsg.), Basler Kommentar zum Heilmittelgesetz, Basel 2006, Art. 58 Rn. 20 m.w.H.

114 Gemäss der WHO lautet die Definition: «Ein unerwünschtes Ereignis in vermuteter Verbindung mit der üblichen Anwendung eines Heilmittels in normaler Dosis, das schädlich und unbeabsichtigt ist».

87

«Beinahe-Verwechslung» von Arzneimitteln oder Blutprodukten. Solche Beobachtungen können zur Anpassung von Zulassungsbedingungen führen. Aufgrund des von Patientinnen und Patienten eingegangenen, gravierenden Risikos müssen im Bereich der Blutprodukte knapp vermiedene Transfusionsfehler ebenfalls gemeldet werden. Die Konkretisierung dieser Meldepflicht wird auf Stufe Verordnung erfolgen.

Der Meldepflicht unterstellt werden neu auch Medizinalpersonen, die aufgrund ihrer Ausbildung zur Anwendung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind, die in der Regel von dieser Berechtigung in ihrem Arbeitsalltag aber keinen Gebrauch machen (wie z. B. Ärztinnen und Ärzte im Bereich der Gerichtsmedizin).

zu Abs. 5 (neu) und 6 (neu) Die Pharmacovigilance hat in der letzten Zeit vermehrte Bedeutung erlangt, und auf internationaler Ebene wurden harmonisierte Empfehlungen erlassen. Zu nennen sind hier die Empfehlung der ICH zur Planung der Pharmacovigilance115 und die Richtlinie vom März 2005 der Food and Drug Administration der USA «Guidance Good Pharmacovigilance Practices and Pharmacoepidemiologic Assessment»116.

Das Institut befolgt die Empfehlung der ICH bereits weitgehend; es erscheint jedoch angebracht, dem Bundesrat die Zuständigkeit zu übertragen, die internationalen Normen, auf die sich das Institut bei seiner Arbeit abstützen soll, klar zu bezeichnen.

zu Abs. 7 (neu) Mitarbeitende von Personen und Organisationen, die im Bereich der Herstellung, des Vertriebs sowie der Verschreibung oder Abgabe von Heilmitteln tätig sind, befinden sich in einem potenziellen Zielkonflikt zwischen der Treuepflicht gegenüber ihrem Arbeitgeber auf der einen Seite sowie den dem Heilmittelgesetz zugrunde liegenden öffentlichen Interessen des Gesundheitsschutzes auf der anderen Seite.

Typisches Beispiel sind die in Artikel 59 Absatz 1­3 HMG erwähnten Pflichten zur Meldung unerwünschter Wirkungen, Vorkommnisse, anderer Beobachtungen sowie von Qualitätsmängeln. Verschärft wird dieser Konflikt dadurch, dass die Unterlassung solcher Meldepflichten strafrechtlich geahndet wird (vgl. Art. 87 Abs. 1 Bst. c HMG). Die Meldepflicht trifft zwar in erster Linie nicht die Mitarbeitenden selbst, doch müssen diese aufgrund der strafrechtlichen Verantwortlichkeitsregelung von Artikel 6 des Bundesgesetzes vom 22. März 1974117 über das
Verwaltungsstrafrecht (VStrR) damit rechnen, in einem Strafverfahren selber beschuldigt und allenfalls verurteilt zu werden.

Es ist deshalb angezeigt, analog zur Meldepflicht nach den Absätzen 1 und 2 (Unternehmen) und derjenigen nach Absatz 3 (Medizinalpersonen oder Organisationen wie Spitäler) ein generelles Melderecht für deren Angestellte auf Gesetzesstufe zu verankern. Die Meldung soll direkt an die zuständige Behörde erfolgen können, ohne dass sich die Mitarbeitenden zuerst an den Arbeitgeber richten und so allenfalls ihre Anstellung gefährden müssen. Meldungen dieser Personen sind vertraulich zu

115 116

Siehe Fussnote 86.

Siehe www.fda.gov/downloads/Drugs/GuidanceComplianceRegulatoryInformation/ Guidances/ucm071696.pdf.

117 SR 313.0; Artikel 6 dieses Gesetzes ist gemäss den Art. 89 und 90 des HMG sowohl bei der Strafverfolgung durch kantonale Behörden als auch bei derjenigen durch Bundesbehörden anwendbar.

88

behandeln, und ihre Identität wird gegenüber dem Arbeitgeber nicht offengelegt (vgl. Art. 62 Abs. 1 HMG).

Situationen, in denen eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter in den oben geschilderten Zielkonflikt geraten kann, sind bei der Herstellung, dem Vertrieb sowie der Verschreibung und Abgabe von Heilmitteln auch ausserhalb der eigentlichen Pharmaco- bzw. Materiovigilance denkbar; so beispielsweise dann, wenn geldwerte Vorteile angeboten, gewährt oder angenommen werden (vgl. neuer Art. 57a). Zu denken ist aber auch an die generelle Vorgabe, dass ein Arzneimittel erst in Verkehr gebracht werden darf, wenn es zugelassen ist (Art. 9 Abs. 1). Stellt eine Mitarbeiterin einer Zulassungsinhaberin fest, dass diese Änderungen an einem zugelassenen Arzneimittel vornimmt und es auf den Markt bringt, bevor die Änderungen ihrerseits genehmigt wurden, so soll diese Mitarbeiterin ihre anstellungsrechtliche Treuepflicht nicht über das gesundheitspolizeiliche Interesse stellen müssen. Das Melderecht ist demnach in Bezug auf sämtliche Verstösse gegen das Heilmittelgesetz vorzusehen.

In diesem Zusammenhang ist auf die laufende Revision des Obligationenrechts hinzuweisen, mit welcher das Arbeitsrecht mit einer differenzierten Regelung zum Schutz von Personen, die den zuständigen Behörden Missstände am Arbeitsplatz melden, ergänzt werden soll118. Diese Regelung wird grundsätzlich auch für Angestellte von Personen und Organisationen gelten, welche Heilmittel herstellen, vertreiben, verschreiben oder abgeben. Sie erfasst aber einzig privatrechtlich angestellte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, während der hier vorgeschlagene Artikel 59 Absatz 7 HMG sämtliche Arbeitnehmende erfasst, also auch öffentlich-rechtlich Angestellte in den Kantonen (z. B. Spitalangestellte). Zudem ist gewährleistet, dass deren Meldungen vertraulich behandelt werden (vgl. Artikel 62 Absatz 1 HMG). Im arbeitsrechtlichen Konfliktfall kann sich ein Arbeitnehmer auf das hier statuierte Melderecht berufen; im Übrigen bleiben das Obligationenrecht bzw. die entsprechende kantonale Gesetzgebung massgebend.

Was die mögliche Beeinträchtigung der strafrechtlich geschützten Geheimnisse119 betrifft ist festzuhalten, dass das hier geschaffene Melderecht grundsätzlich als ein im Gesetz vorgesehener Rechtfertigungsgrund gemäss Artikel 14 StGB120 zu betrachten
ist. Die Meldung nach Absatz 7 kann demzufolge durchaus auch Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse betreffen, ohne dass die meldende Person strafrechtliche Konsequenzen befürchten muss.

4. Abschnitt: Schweigepflicht und Datenbearbeitung Art. 62a (neu)

Bearbeitung von Personendaten

Der neu geschaffene Artikel 62a regelt einen Spezialfall von Artikel 62 HMG.

Obwohl Personendaten und insbesondere auch besonders schützenswerte Personen118

Siehe www.ejpd.admin.ch/content/bj/de/home/themen/wirtschaft/gesetzgebung/ whistleblowing.html.

119 Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis (Art. 162 StGB); Amtsgeheimnis (Art. 320 StGB); Berufsgeheimnis (Art. 321 StGB).

120 Art. 14 StGB lautet: «Wer handelt, wie es das Gesetz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat nach diesem oder einem andern Gesetz mit Strafe bedroht ist.».

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daten sowie Persönlichkeitsprofile als vertrauliche Daten im Sinne von Artikel 62 HMG gelten121, ist für deren Bearbeitung eine Konkretisierung in einer eigenen Norm vorzunehmen.

Da für die Regelung der Bearbeitung von Personendaten im Sinne von Artikel 3 Buchstabe a DSG keine formellgesetzliche Grundlage erforderlich ist (Art. 17 DSG), ist auf Gesetzesstufe keine weitergehende Regelung vorgesehen. Hingegen wird in Absatz 1 für die im geltenden Recht nur auf Verordnungsstufe122 geregelte Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten und Persönlichkeitsprofilen die notwendige formellgesetzliche Grundlage geschaffen (Art. 17 Abs. 1 und 2 DSG). Für die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben bearbeiten schon heute das Institut und weitere mit dem Vollzug des Heilmittelgesetzes betraute Behörden wie zum Beispiel regionale Pharmacovigilance-Zentren, Kantonsapotheker und -ärzte sowie mit Vollzugsaufgaben betraute Dritte wie das Schweizerische Rote Kreuz (vgl. Art. 68 Abs. 4 HMG) Daten, welche die Gesundheit von individualisierbaren Personen betreffen (Bst. a). Im Rahmen der behördlichen Marktüberwachung ist im Zusammenhang mit Blut und Blutprodukten (Ziff. 1) eine Bearbeitung von Personendaten unumgänglich. So sieht Artikel 39 HMG eine Aufzeichnungspflicht aller für die Sicherheit bedeutsamen Vorgänge vor. Darunter fallen beispielsweise auch konkrete, die Gesundheit der Blut spendenden Person betreffende Daten, welche die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils ermöglichen. Ziffer 2 regelt einen weiteren Anwendungsbereich der Datenbearbeitung im Rahmen der Marktüberwachung: Meldungen an das Institut sowohl über unerwünschte Wirkungen und Vorkommnisse (Vigilance) als auch über Qualitätsmängel können Personendaten, insbesondere die Gesundheit einer Patientin oder eines Patienten betreffende besonders schützenswerte Daten beinhalten, auch wenn für die Entgegennahme einer solchen Meldung die Bekanntgabe von Personendaten nicht vorausgesetzt wird. Die regionalen Pharmacovigilance-Zentren und das Institut benötigen zur Bearbeitung solcher Meldungen grundsätzlich nur die Initialen, das Geschlecht und den Jahrgang der betroffenen Patientin oder des betroffenen Patienten. Da das Institut für die Wahrnehmung seiner Aufsichtspflicht auf den Eingang von externen Meldungen angewiesen ist, lässt sich nicht
ganz ausschliessen, dass unnötige Personendaten übermittelt werden, insbesondere bei Meldungen von Privatpersonen. Die Meldungen werden vollständig anonymisiert in die nationale von Swissmedic geführte Datenbank eingegeben. Obwohl im Rahmen von klinischen Versuchen die Behörden hauptsächlich mit anonymisierten Daten der Versuchspersonen befasst sind, können eingehende Meldungen (z. B. über schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen nach Art. 23 VKlin) oder bei Inspektionen erhobene Informationen die Gesundheit der Versuchspersonen betreffende Daten enthalten (Ziff. 3).

Die beiden in Buchstabe b geregelten Fälle betreffen die Bearbeitung von Daten über administrative oder strafrechtliche Verfolgungen und Sanktionen von Personen.

Im Rahmen der Beurteilung von Gesuchen zur Erteilung einer Betriebsbewilligung ist die Qualifikation der fachtechnisch verantwortlichen Person (Ziff. 1) zu überprüfen (vgl. Art. 5 Abs. 3 und Art. 10 Abs. 2 AMBV). Dem Institut muss es möglich sein, bei Bedarf einen Strafregisterauszug einzuholen oder bei den Kantonen weitere Auskünfte über administrative Massnahmen wie beispielsweise die Einschränkung 121 122

90

Vgl. Botschaft zum Heilmittelgesetz, BBl 1999 3543 f.

Es sind dies folgende Bestimmungen: Art. 46a AMBV, Art. 44b VAM, Art. 36 TAMV, Art. 26a MepV sowie Art. 26a der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über klinische Versuche mit Heilmitteln (VKlin; SR 812.214.2).

der Berufsausübungsbewilligung zu erhalten. Dasselbe gilt angesichts der strengen Anforderungen für die mit der Durchführung von klinischen Versuchen befassten Prüfärztinnen und -ärzte zum Schutz der teilnehmenden Versuchspersonen.

Aus Gründen der Datensicherheit sind die in Absatz 1 Buchstabe a erwähnten besonders schützenswerten, die Gesundheit betreffenden Personendaten möglichst frühzeitig und weitgehend zu anonymisieren (Abs. 2).

In Absatz 3 wird der Bundesrat verpflichtet, die zum Vollzug des Datenschutzes erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Diese umfassen weitgehend Ausführungsrecht, welches die gesetzlichen Verpflichtungen konkretisiert. Neben der Regelung der Verantwortlichkeit bei der Bearbeitung der Daten (Bst. a), hat der Bundesrat beispielsweise die Dauer der Aufbewahrung, Archivierung und Vernichtung der Daten zu regeln (Bst. c und d).

Schliesslich ist daran zu erinnern, dass, wann immer bei einer Bearbeitung von Daten auch Personendaten bearbeitet werden oder bearbeitet werden können, die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes (bzw. für kantonale Stellen diejenigen der kantonalen Datenschutzgesetze) zu beachten sind.

Art. 63 Abs. 3 (neu) Nach geltendem Recht sehen die Absätze 1 und 2 die gegenseitige Bekanntgabe von Daten unter den für den Vollzug des Heilmittelgesetzes zuständigen Stellen des Bundes und der Kantone vor, soweit dies für den Vollzug des Heilmittelgesetzes erforderlich ist. Aufgrund dieser Bestimmung ist es dem Institut verwehrt, Daten an die mit dem Vollzug anderer Gesetze beauftragten Behörden weiterzugeben.

Mit der neuen Regelung in Absatz 3 soll nun die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Bundesrat eine Datenbekanntgabe auch an Bundesbehörden vorsehen kann, die nicht mit dem Vollzug des Heilmittelgesetzes betraut sind. Eine Bekanntgabe der Daten soll dann möglich sein, wenn es für den Vollzug anderer, in mittelbarem Zusammenhang mit dem Heilmittelgesetz stehenden Bundesgesetze, die die Gesundheit betreffen, erforderlich ist. Zu nennen sind insbesondere das Betäubungsmittelgesetz123, das Epidemiengesetz124, das Krankenversicherungsgesetz oder das Bundesgesetz über die Förderung von Turnen und Sport125. Damit soll dazu beitragen werden, bestehende Lücken im Vollzug der erwähnten Gesetzgebungen zu schliessen. Diese neue Bestimmung ermöglicht es
aber nicht, anderen Vollzugsbehörden besonders schützenswerten Personendaten und Persönlichkeitsprofile bekannt zu geben. Diese Möglichkeit bieten übrigens auch die Regelungen in den Absätzen 1 und 2 nicht.

Als Beispiel für einen Anwendungsfall von Absatz 3 kann der Vollzug des Epidemiengesetzes aufgeführt werden. Hier sind in gewissen Bereichen (vertrauliche) Daten erforderlich, die auf der Grundlage des Heilmittelgesetzes erhoben werden.

Für die Vertreiber von Impfstoffen besteht nach Artikel 22 Absatz 3 AMZV die 123

Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (BetmG; SR 812.121).

124 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1970 über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz, SR 818.101).

125 Bundesgesetz vom 17. März 1972 über die Förderung von Turnen und Sport (SR 415.0); ab 1. Oktober 2012 durch das Bundesgesetz über die Förderung von Sport und Bewegung (Sportförderungsgesetz, SpoFöG) ersetzt (vgl. BBl 2011 4893).

91

Pflicht, «die in der Schweiz vertriebene Menge von immunologischen Arzneimitteln am Menschen (zu) melden». Im Rahmen der Erhebung der Durchimpfungsraten in der Schweiz ist das BAG auf die Bekanntgabe dieser Daten angewiesen, was mit dieser neuen Regelung nun ermöglicht wird.

Art. 64 Sachüberschrift, Abs. 3, Abs. 4 Einleitungssatz und Bst. abis (neu), Abs. 4bis (neu) und 5 In den Absätzen 3, 4 und 5 wird präzisiert, dass diese Regelungen auch für die Bekanntgabe von Personendaten (nicht aber für besonders schützenswerte Personendaten und Persönlichkeitsprofile) ins Ausland gelten. In Absatz 4 wird der Regelung in Artikel 6 DSG entsprechend als zusätzliche Voraussetzung für die Bekanntgabe von Personendaten ins Ausland erwähnt, dass eine solche Bekanntgabe die Persönlichkeit der betroffenen Person nicht schwerwiegend gefährden darf (Bst. abis). Eine Bekanntgabe von Personendaten ins Ausland ist somit nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 6 DSG erfüllt sind.

Demgegenüber schafft der neue Absatz 4bis eine formellgesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe von vertraulichen sowie besonders schützenswerten, die Gesundheit betreffenden Personendaten an die von der WHO betriebene internationale Pharmacovigilance-Datenbank in Uppsala (Schweden). Wie alle an dieser Datenbank beteiligten Mitglieder gibt das Institut namentlich die Initialen, das Geschlecht, den Jahrgang der betroffenen Patientin bzw. des betroffenen Patienten sowie den Bericht über die unerwünschte Wirkung bekannt.

5. Abschnitt: Gebühren und Aufsichtsabgabe Art. 65 Abs. 2­6 In Absatz 2 wird der Begriff «Gebühr» durch den Begriff «Abgabe» ersetzt, denn entgegen der heutigen Terminologie handelt es sich bei der auf dem Verkauf von Arzneimitteln erhobenen Abgabe zur Finanzierung der Überwachung des Arzneimittelverkehrs (Verkaufsabgabe) streng fiskalrechtlich nicht um eine Gebühr, sondern um eine Aufsichtsabgabe. Der Unterschied besteht darin, dass einer Gebühr, als sogenannter Kausalabgabe, eine staatliche Gegenleistung gegenüber stehen muss, welche dem Abgabepflichtigen individuell zurechenbar ist. Diese Voraussetzung ist bei der Verkaufsabgabe nicht erfüllt. Die Verkaufsabgabe dient generell der Deckung von Kosten, die dem Institut aus seiner Aufsichtstätigkeit entstehen und nicht bereits durch Gebühren oder Abgeltungen des Bundes (nach Art. 77 Abs. 2 Bst. a) gedeckt sind. In erster Linie handelt es sich dabei um die Kosten für Tätigkeiten, die nicht einem Abgabepflichtigen individuell, sondern dem Kreis der Abgabepflichtigen insgesamt zugutekommen (allgemeine Überwachungsaufgaben, die Vorbereitung und Erarbeitung von Qualitätsnormen, die Informationstätigkeit gegenüber der Bevölkerung und Massnahmen gegen den Missbrauch und Fehlgebrauch von Arzneimitteln usw.), wie dies für Aufsichtsabgaben typisch ist. In Absatz 2 wird zudem neu festgehalten, wer die Abgabe entrichten muss (Zulassungsinhaberin) und gestützt worauf sie bemessen wird (Fabrikabgabepreis). Allfällige Überschüsse werden für die Bildung von Reserven verwendet oder Unterdeckungen über vorhandene Reserven ausgeglichen (vgl. Art. 79).

92

In Absatz 3 wird die maximale Höhe der Abgabe des Instituts festgelegt (15 Promille). Die damit erzielten Einnahmen dürfen aber insgesamt höchstens zehn Promille des Erlöses aller im Abgabejahr verkauften Arzneimittel betragen. Dieses Konzept gestattet es, die bereits bisher praktizierte, differenzierte Abgabeerhebung für bestimmte Preiskategorien weiterzuführen.

Von der im heutigen Absatz 3 enthaltenen Ermächtigung, jährliche Gebühren für das Aufrechterhalten von Bewilligungen vorzusehen, hat der Bundesrat bisher nicht Gebrauch gemacht. Da diese Vollzugsaufgaben auch weiterhin vollumfänglich durch die Verkaufsabgabe nach Absatz 2 und durch Gebühren gedeckt werden sollen, kann diese Regelung ersatzlos aufgehoben werden.

Absatz 4 delegiert die nähere Ausgestaltung der Aufsichtsabgabe neu dem Bundesrat anstelle des Institutsrats. Der Bundesrat hat namentlich den Abgabesatz pro Preiskategorie festzulegen. Diese Änderung der Zuständigkeit ist insofern gerechtfertigt, als dass bei der Ausgestaltung von Aufsichtsabgaben ein viel grösserer Spielraum besteht als bei der Festlegung von Gebühren, wo das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip gewisse Leitlinien vorgeben.

Gemäss dem Corporate-Governance-Bericht, Leitsatz 13, soll die Befugnis verselbstständigter Einheiten, selber Verordnungsrecht zu erlassen, auf Ausnahmefälle und auf Bestimmungen fachtechnischen Inhalts von untergeordneter Bedeutung beschränkt werden. Der Erlass von Verordnungen im Bereich des Abgaberechts widerspricht diesem Grundsatz, weshalb künftig vorgesehen ist, den Erlass der Gebührenverordnung durch das Institut einem Genehmigungsvorbehalt durch den Bundesrat zu unterstellen (Abs. 5). Absatz 6 ist dementsprechend dahingehend anzupassen, dass der Bundesrat im Rahmen der strategischen Zielsetzung (und nicht mehr über den Weg des Leistungsauftrags) verlangen kann, dass das Institut auf die Gebührenerhebung für bestimmte Bewilligungen, Kontrollen oder Dienstleistungen ganz oder teilweise verzichten soll (z. B. bei der Zulassung von Arzneimitteln für seltene Krankheiten).

Art. 66 Abs. 1, Abs. 2 Einleitungssatz sowie Abs. 3­6 (neu) Artikel 66 umschreibt in der geltenden Fassung in nicht abschliessender Aufzählung die Verwaltungsmassnahmen, die vom Institut (Abs. 1) und den Kantonen (Abs. 3) zu treffen sind, um die Wiederherstellung des
rechtmässigen Zustandes zu bewirken.

Neu ist in Absatz 1 nicht nur vom Institut, sondern auch von «den anderen mit dem Vollzug dieses Gesetzes betrauten Behörden» die Rede. Gemeint sind damit das BAG, welches neu für die Kontrolle des Verbots des Versprechens und Annehmens geldwerter Vorteile zuständig erklärt wird, sowie die Kantone für die Kontrolle des Detailhandels. Dementsprechend ist auch der Einleitungssatz von Absatz 2 anzupassen. In Absatz 4 werden im Vergleich zum heutigen Wortlaut lediglich die massgeblichen Bestimmungen des Heilmittelgesetzes präzisiert. Der Beizug der Vollzugsbehörden durch die Zollbehörden ist weiterhin vorgesehen, wird aber neu in Absatz 5 geregelt. Die Zollorgane sind von den Änderungen in Artikel 66 nicht betroffen; am bestehenden Verfahren wird nichts geändert und es sind auch keine zusätzlichen Aufgaben vorgesehen.

Die Anordnung der erforderlichen und geeigneten Massnahmen setzt hinreichende Kenntnisse des rechtserheblichen Sachverhalts voraus. Die Sachverhaltsabklärung

93

richtet sich nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968126 über das Verwaltungsverfahren (VwVG) sowie dem Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947127 über den Bundeszivilprozess (BZP). In Ergänzung zu den dort geregelten Beweismassnahmen weiten die neuen Absätze 3 und 5 die Palette an zulässigen Untersuchungshandlungen leicht aus. Gemäss Absatz 3 werden die Vollzugsbehörden ausdrücklich ermächtigt, unter fiktivem Namen, d. h. inkognito, Waren zu bestellen. Bekämpft werden sollen mit den daraus gewonnen Erkenntnissen in erster Linie Verstösse gegen die Zulassungspflicht von Arzneimitteln, also der Handel mit zulassungspflichtigen Arzneimitteln, die nicht zugelassen sind; daneben auch Verstösse gegen Bewilligungen (Herstellungs-, Vertriebs-, Ein- und Ausfuhr- sowie Abgabebewilligungen). Würden das Institut und die zuständigen kantonalen Stellen die Ware in eigenem Namen bestellen, wären die Verursacher gewarnt und könnten sich allfälligen Verwaltungsmassnahmen und strafrechtlichen Sanktionen entziehen. Die neue Untersuchungsmassnahme setzt daher den Verdacht voraus, dass Arzneimittel unrechtmässig hergestellt, eingeführt, ausgeführt oder in Verkehr gebracht werden (Bst. a). Eine Bestellung unter fiktivem Namen ist weiter nur zulässig, wenn die bisherigen Abklärungen zu keinem Ergebnis geführt haben oder wenn weitere Abklärungen sonst aussichtslos wären oder unverhältnismässig erschwert würden (Bst. b).

Neu berechtigt Absatz 5 die Vollzugsbehörden, bei den Anbieterinnen von Postdiensten, insbesondere der Schweizerischen Post, den Namen der Inhaberin oder des Inhabers eines Postfachs ausfindig zu machen. In der Praxis kommt es häufig vor, dass verdächtige Sendungen am Zoll abgefangen werden, der Adressat ­ aufgrund der Verwendung eines Postfachs ­ jedoch nicht eruiert werden kann. Diese Ermittlungslücke soll geschlossen werden. Da es sich um einen Eingriff in das Postgeheimnis gemäss Artikel 13 der Bundesverfassung128 handelt, ist zwingend eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Wie jeder Grundrechtseingriff ist auch dieser nur zulässig, wenn der Eingriff im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Die Anbieterinnen von Postdiensten sind unter diesen Voraussetzungen zur Auskunft verpflichtet; sie laufen daher nicht Gefahr, sich wegen der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses gemäss
Artikel 321ter StGB strafbar zu machen.

Die betroffene Person ist spätestens nach Abschluss des Verfahrens zu benachrichtigen (Abs. 6). Es steht ihr die Möglichkeit offen, mittels Beschwerde die Rechtmässigkeit der Untersuchungshandlung durch ein Gericht überprüfen zu lassen. Sofern das Institut die Massnahme angeordnet hat, ist das Bundesverwaltungsgericht die zuständige Rechtsmittelinstanz.

Art. 67 Abs. 1 und 1bis (neu) zu Abs. 1 Der erste Satz von Absatz 1 bleibt unverändert. Wie in der Botschaft zum Heilmittelgesetz erwähnt, sorgt das Institut dafür, dass die Öffentlichkeit über einen aktuellen und konkreten Vorfall, der sich auf die Gesundheit von Mensch und Tier negativ auswirken könnte oder bereits ausgewirkt hat, informiert wird129. Dies wird mittels 126 127 128 129

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SR 172.021 SR 273 SR 101 BBl 1999 3550

Publikationen des Institutes im Swissmedic Journal, im Internet oder via Medien, insbesondere Fachzeitschriften, sichergestellt.

Der zweite Satz von Absatz 1 präzisiert, welche Art von Informationen das Institut publizieren soll. Dazu gehören u. a. positive und negative Entscheide aus Zulassungsverfahren sowie Verfügungen im Marktüberwachungsverfahren wie Widerrufs- und Sistierungsentscheide. Diese offene Formulierung erlaubt es, in Zukunft auch weitere Informationen, wie zum Beispiel die den Zulassungen zugrunde liegenden Beurteilungsberichte (analog zur EU), zu publizieren, ohne dass eine neue Gesetzesrevision erforderlich sein wird130. Die Modalitäten müssen auf Verordnungsstufe geregelt werden.

Der Zusatz betreffend die Veröffentlichung von Änderungen der Fach- und Patienteninformation über Arzneimittel (Abs. 1 in fine) wird in den neuen Absatz 1bis verschoben. Dagegen soll die Publikation von Ereignissen und Erkenntnissen, die im Rahmen der Marktüberwachung daraus gewonnen wurden, explizit erwähnt werden.

Damit soll die Basis geschaffen werden, um künftig vermehrt über wichtige neue Erkenntnisse aus der Marktüberwachungstätigkeit informieren zu können, so zum Beispiel über genehmigte Pharmacovigilance-Pläne oder über Erkenntnisse hinsichtlich der Qualität nicht zugelassener Arzneimittel aus der Überwachung der Einfuhr durch Einzelpersonen.

zu Abs. 1bis Die im heutigen Absatz 1 enthaltene Regelung, wonach das Institut «insbesondere (Informationen) über Änderungen von Fach- und Patienteninformationen» veröffentlicht, ist zu eng, sind es doch nicht erst die Änderungen der Arzneimittelinformation, die für die sichere Verschreibung, Abgabe und Anwendung von Arzneimitteln wichtig sind, sondern in erster Linie die mit der Zulassung genehmigten Fach- und Patienteninformationen als solche. Mit dem neuen Absatz 1bis soll deshalb eine formell-gesetzliche Grundlage geschaffen werden, die es dem Institut erlaubt, die Verantwortung für die Veröffentlichung der vollständigen Sammlung aller Arzneimittelinformationen in Form eines elektronischen Verzeichnisses (auf Kosten der Zulassungsinhaberinnen) zu übernehmen und diese Publikation durch Dritte vornehmen zu lassen.

Um die Herausgabe eines umfassenden und vollständigen Verzeichnisses sicherzustellen, macht das Institut die von ihm im Rahmen der Zulassungs-
und Änderungsentscheide genehmigten Arzneimittelinformationen der Öffentlichkeit zugänglich, indem es die Publikation dieses Verzeichnisses (Erstellung und Betrieb) Dritten im Rahmen einer GATT/WTO-Ausschreibung überträgt. Die in diesem Verzeichnis publizierten Daten sollen von privaten Verlagen frei genutzt werden können. Die Alternative zu dieser Lösung wäre eine permanente Überprüfung der von Dritten publizierten Fach- und Patienteninformationen durch das Institut, verbunden mit der Einleitung von Verwaltungsmassnahmeverfahren gegen diejenigen Zulassungsinhaberinnen, welche sich der Publikationspflicht ganz oder teilweise entziehen. Eine solche Überprüfung mit Verwaltungsmassnahmeverfahren erscheint gegenüber der Publikation durch Dritte als wenig effizient.

Was die Form der Veröffentlichung anbelangt (elektronische oder physische Publikation), so verlangte das Institut von den Zulassungsinhaberinnen bis im Sommer 130

Vgl. auch Motion Altherr (08.3827) «Mehr Transparenz bei Swissmedic».

95

2011, dass sie die Fachinformationen im Rahmen von den auf Vollständigkeit ausgelegten Verzeichnissen sowohl elektronisch wie auch physisch, d. h. in Buchform, publizieren lassen. Bei den Patienteninformationen genügte dem gegenüber eine elektronische Veröffentlichung in einem solchen Verzeichnis. Sowohl die elektronischen Verzeichnisse wie auch das Verzeichnis in Buchform mussten den zur Verschreibung, Abgabe und Anwendung berechtigten Personen grundsätzlich unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Mit seinem Urteil vom 17. Juni 2011 hat das Bundesverwaltungsgericht die zentrale Bedeutung eines umfassenden Verzeichnisses der Arzneimittelinformationen und die Pflicht der Zulassungsinhaberinnen zur Publikation zwar bestätigt. Das Gericht hat jedoch festgestellt, dass es dem Institut an der notwendigen formell-gesetzlichen Grundlage fehle, um bei den Zulassungsinhaberinnen die Verpflichtung der Veröffentlichung der Arzneimittelinformation durch bestimmte Private durchzusetzen. Eine Publikation durch das Institut selber ­ auf eigene Kosten ­ erachtet das Gericht jedoch als zulässig bzw. naheliegend.

Mit dem neuen Absatz 1bis wird ­ neben der Schaffung der formell-gesetzlichen Grundlage für eine durch das Institut auf Kosten der Zulassungsinhaberinnen veranlasste Publikation ­ gleichzeitig auch die Form dieser Publikation festgelegt. Mit der Vorgabe eines einzigen elektronischen Verzeichnisses wird sichergestellt, dass sich die Fachpersonen und Patientinnen rasch und immer aktuell über die Charakteristika der zugelassenen Arzneimittel informieren können. Die Verpflichtung zu einer Publikation in Buchform ist dem gegenüber nicht mehr zeitgemäss. Heute sind Internetdienste in der Schweiz flächendeckend gewährleistet. Es ist den Fachpersonen deshalb zuzumuten, sich die benötigten Informationen zu den zugelassenen Arzneimitteln über dieses kostengünstige und jederzeit aktuelle Medium zu beschaffen. Kommt hinzu, dass es den Organisationen des Gesundheitswesens wie auch privaten Verlegern frei steht, die durch das Institut elektronisch publizierten Fachund Patienteninformationen selbstständig zu nutzen; namentlich um den Fachpersonen die Informationen über zusätzliche Medien (E-Book, Apps, gedruckte Verzeichnisse usw.) anzubieten.

Art. 67a (neu)

Information über den Arzneimitteleinsatz in bestimmten Bevölkerungsgruppen

Im Zusammenspiel mit der Verbesserung der Prozesse aufgrund von Artikel 26 Absatz 1 ist auch ein Instrument auf nationaler Ebene zur Reduktion der Informationslücken in der pädiatrischen Medizin sinnvoll. Entsprechende Informationen sollen gesammelt, harmonisiert, ausgewertet, veröffentlicht und für die Verbesserung der Prozesse verwendet werden.

Zu diesem Zweck soll mit dem neuen Artikel 67a die rechtliche Grundlage geschaffen werden, damit der Bundesrat die Erstellung von elektronischen nationalen Datenbanken über die Arzneimittelverschreibung und -abgabe in der Kinderheilkunde vorsehen kann. Der Bund soll diese durch Dritte betreiben lassen. Der Bundesrat wird die zur Führung der Datenbank zuständige Stelle bestimmen, wobei dies eine Organisation des öffentlichen oder privaten Rechts sein kann. Dabei wird es sich aus heutiger Sicht nicht um das Institut handeln, da es sich bei diesen Datenbank um ein Instrument der allgemeinen Gesundheitspolitik handelt, welches mit der Zulassung und Marktüberwachung von Arzneimitteln nicht verknüpft werden sollte. Der Bundesrat wird zudem durch entsprechende Ausführungsbestimmungen den Einbezug der betroffenen Medizinalpersonen gewährleisten. Mit der Verpflichtung zur Anonymisierung der Daten wird garantiert, dass eine derartige Datenbank ausschliess96

lich zur objektiven Information in der Therapie und deren Verbesserung genutzt wird und keine Personendaten gesammelt werden.

Der Bundesrat legt die grundsätzlichen Anforderungen an die Datenbanken fest und regelt insbesondere die Zugriffs- und Bearbeitungsberechtigungen. Er stellt dabei sicher, dass diese Anforderungen den Medikationsprozess unterstützen. Um die nötige Fachexpertise sicherzustellen sollen auch beratende Fachkommissionen bzw.

Expertinnen und Experten eingesetzt werden können.

Mit einer solchen Datenbank kann das aktuell beste verfügbare Wissen zur Verfügung gestellt werden; die Verantwortung für die jeweilige Dosierung im Einzelfall liegt aber weiterhin bei der behandelnden Ärztin bzw. beim behandelnden Arzt (siehe hierzu auch die Ausführungen in Ziff. 1.4.2).

Der Bundesrat kann schliesslich die Sammlung von Daten zur Arzneimittelverschreibung und -abgabe auch bei weiteren vulnerablen Bevölkerungsgruppen vorsehen und somit eine entsprechende Erweiterung der Datenbank ermöglichen. Dies kann bei Patientengruppen sinnvoll sein, für die nur wenig Arzneimittel spezifisch zugelassen sind und somit ein grosser Teil ausserhalb der mit der Zulassung genehmigten Indikation eingesetzt werden (z. B. bei älteren Patienten oder bei Schwangeren).

Art. 69 Abs. 1, 1bis (neu) und 2 Das Institut hat die Aufgaben zu erfüllen, die ihm gemäss Heilmittelgesetz sowie weiteren Bundesgesetzen zugewiesen werden (Abs. 1). Der in der heutigen Bestimmung erwähnte Leistungsauftrag ist zu streichen, nicht aber mit dem neuen Instrument der strategischen Zielen zu ersetzen, da diese vom Institutsrat selber erlassen und vom Bundesrat nur genehmigt werden (vgl. unten, Erläuterungen zu Art. 70 HMG). Zusätzlich kann der Bundesrat dem Institut gegen Abgeltung weitere Aufgaben übertragen, die in engem Bezug zu den gesetzlich vorgesehenen Aufgaben stehen und deren Erfüllung nicht beeinträchtigen (Abs. 1bis).

Absatz 2 ist heute insofern weit gefasst, als er das Institut ermächtigt, für Behörden und Private gegen Entgelt Dienstleistungen zu erbringen. Die neue Formulierung sieht nun präzisierend vor, dass das Institut nur Dienstleistungen im Rahmen seiner Aufgaben nach dem Heilmittelgesetz und nur für andere Behörden und internationale Organisationen erbringen darf. Dies aber nur unter der Voraussetzung, dass seine
Unabhängigkeit dadurch nicht gefährdet wird. Das Institut hat sich in der Praxis bereits bisher an diese neu aufgeführten Rahmenbedingungen gehalten und zudem nur in sehr geringem Ausmass (vor allem für das BAG) Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht.

Art. 70

Strategische Ziele

Heute steuert der Bundesrat das Institut über den vierjährigen Leistungsauftrag und ­ mittelbar ­ durch die zwischen dem EDI und dem Institut abzuschliessende jährliche Leistungsvereinbarung. Gemäss Corporate-Governance-Bericht (Leitsatz 17) soll die Unabhängigkeit der ausgelagerten Einheiten, die ­ wie das Institut ­ mit Aufgaben der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht betraut sind, gestärkt werden, indem dem Verwaltungs- oder Institutsrat die Kompetenz zugewiesen wird, die strategischen Ziele festzulegen. Für solche Behörden wäre eine Genehmigung durch die Landesregierung nicht notwendig. Sie wird jedoch im 97

vorliegenden Fall im Einvernehmen mit dem Institut beibehalten (Abs. 1). Zum einen gewähren die strategischen Ziele dem Institutsrat eine grössere Freiheit, da er die Ziele formuliert und dem Bundesrat vorschlägt. Zum anderen ermöglicht diese Lösung dem Bundesrat, weiterhin durch die Genehmigung der Ziele eine aktive Rolle wahrzunehmen und die Entwicklung des Instituts zu beeinflussen.

Es soll auch möglich sein, aufgrund der jährlichen Überprüfung durch den Institutsrat Änderungen an den strategischen Zielen vorzunehmen. Auch diese müssen vom Bundesrat genehmigt werden (Abs. 2).

Die Ausgestaltung der strategischen Ziele erfolgt in Anlehnung an eine von der Eidgenössischen Finanzverwaltung erarbeitete Mustervorlage131, welche für Anstalten der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht jedoch nur empfehlenden Charakter aufweist. Die jeweils für vier Jahre festgelegten strategischen Ziele sollen diskutiert und von der Regierung und dem Institutsrat gemeinsam verabschiedet werden. Auf jeden Fall stehen sie auf der Traktandenliste der halbjährlichen Gespräche zwischen dem Eigner und dem Institutsrat. So gesehen weicht das festgelegte Vorgehen kaum vom heutigen ab, mit Ausnahme der nicht mehr vorgesehenen jährlichen Leistungsvereinbarung.

Art. 71

Organe

Anstelle des Direktors oder der Direktorin soll neu eine Geschäftsleitung als operatives Organ des Instituts amten (Abs. 1 Bst. b); die übrigen Organe (der Institutsrat als strategisches Organ sowie die Revisionsstelle) entsprechen bereits heute den Vorgaben des Corporate-Governance-Berichts.

Selbstverständlich, aber zur Absicherung gegen Interessenkonflikte trotzdem explizit im Gesetz festzuhalten, ist, dass eine Person nicht gleichzeitig mehreren Organen derselben verselbstständigten Einheit angehören darf (Abs. 2).

Neu soll dem Bundesrat als Wahl- beziehungsweise Ernennungsbehörde für den Institutsrat ­ analog der Regelung bei Aktiengesellschaften ­ gemäss Absatz 3 auch das Recht zukommen, dieses Organ als Ganzes oder einzelne Institutsratsmitglieder auch während der Amtsperiode aus wichtigen Gründen abzuberufen. Die Beschränkung auf wichtige Gründe ist sachgerecht und entspricht den üblichen Regelungen.

Das Verhältnis zwischen Institut und Institutsrat ist öffentlich-rechtlicher Natur; die Beschränkung des Abberufungsrechts auf wichtige Gründe ist eine Abweichung vom privatrechtlichen Auftragsrecht.

Wichtige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn ein Mitglied eine schwere Pflichtverletzung begangen hat oder ein dauernder Interessenkonflikt des Mitglieds nicht anders gelöst werden kann. Nur mit dieser Ermächtigung kann die Oberaufsicht durch den Bundesrat als Vertreter des Eigners vollumfänglich ausgeübt werden.

Mit den vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 71 werden die Leitsätze 2­5 sowie 7 des Corporate-Governance-Berichts umgesetzt.

131

98

Mustervorlage für den Erlass der strategischen Ziele von verselbstständigten Einheiten des Bundes, Eidgenössische Finanzverwaltung, 31.10.2011; siehe www.efv.admin.ch/d/themen/finanzpolitik_grundlagen/cgov.php.

Art. 72

Zusammensetzung und Wahl des Institutsrates

Neu beinhaltet Artikel 72 die Bestimmungen zur Zusammensetzung und zur Wahl des Institutsrates (im heutigen Recht in Art. 71 Abs. 1 Bst. a und Abs. 2 enthalten); dessen Funktion und Aufgaben werden in den neuen Artikel 72a überführt.

Wie bis anhin soll der Institutsrat aus höchstens sieben Mitgliedern (inklusive Präsidentin oder Präsident) bestehen (Abs. 1). Da der Rat ähnliche Aufgaben wahrnimmt wie ein Stiftungsrat, muss dieser eine möglichst hohe Fachkompetenz aufweisen.

Deshalb wird das Anforderungsprofil, dem er entsprechen muss, vom Departement festgelegt und veröffentlicht.

Ebenfalls unverändert bleiben die Wahl des Institutsrates und die Ernennung von dessen Präsidentin oder Präsidenten durch den Bundesrat, wie auch das Antragsrecht der Kantone (Abs. 2).

Die Wahl des Institutsrates und dessen Präsidentin oder Präsidenten erfolgt unverändert für vier Jahre. Neu wird ausdrücklich festgelegt, dass eine Wiederwahl möglich ist. Diese wird aber auf maximal zwei weitere Amtsperioden beschränkt (Abs. 3).

Art. 72a (neu)

Funktion und Aufgaben des Institutsrates

Mit dem neuen Artikel 72a werden die Leitsätze 6, 13, 17, 18, 20, 21, 27 und 36 des Corporate-Governance-Berichts umgesetzt.

Die Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Organe sind klar voneinander abzugrenzen. Im ersten Satz von Absatz 1 wird der Institutsrat als strategisches Organ des Instituts definiert und es wird nun auch festgehalten, dass die Wahrung der Interessen des Instituts die oberste Aufgabe des Institutsrats darstellt. Dies ist gerade beim Institut nicht selbstverständlich, denn die für die strategische Führung des Instituts notwendigen branchenspezifischen Kenntnisse wie auch der Einblick in die kantonalen Vollzugsaufgaben sind nur um den Preis einer Einsitznahme von Persönlichkeiten im Institutsrat zu erhalten, welche je einzeln auch Stakeholder des Instituts (Kantone, Industrie, Ärzteschaft usw.) vertreten. Auch den Ausstandsregeln bzw.

der Vermeidung von Interessenkollisionen zwischen der Haupttätigkeit der Institutsratsmitglieder und ihrer Tätigkeit als Institutsräte und Institutsrätinnen ist deshalb besonderes Augenmerk zu schenken (vgl. Bst. e).

In Absatz 1 werden wie im heutigen Artikel 72 Absatz 1 HMG die Aufgaben des Institutsrats detailliert umschrieben (Bst. a­n). Er erarbeitet die strategischen Ziele (Bst. a) und legt sie dem Bundesrat zur Genehmigung vor. Dem Institutsrat obliegt auch die Aufgabe, die Erreichung dieser Ziele jährlich zu überprüfen und der Landesregierung jährlich über die Zielerfüllung zu berichten (Bst. b). Der Institutsrat legt dem Bundesrat auch den Bericht der EFK über eine im Rahmen der Finanzaufsicht durchgeführte Prüfung des Instituts vor, denn der Tätigkeitsbericht enthält nur das Testat zur Jahresrechnung. Zu den zentralen strategischen Aufgaben des Institutsrats gehören namentlich die Geschäftsplanung und die Finanzplanung (Bst. l), aufgrund derer er dem Bundesrat die Höhe des Bundesbeitrags für die Finanzierung des Instituts vorschlägt, mit dem die gemeinwirtschaftlichen Leistungen abgegolten werden, die das Institut erbringt und die nicht durch Gebühren abgedeckt sind (Bst.

c). Weiter wird der Institutsrat das Organisationsreglement des Instituts (Bst. d) künftig nicht lediglich genehmigen, sondern selber erlassen. Der Institutsrat erlässt

99

auch ein Geschäftsreglement und legt darin insbesondere die Ausstandsregeln fest (Bst. e).

Der Geschäftsbericht des Instituts (Bst. f) wird durch den Institutsrat erstellt und verabschiedet. Der Geschäftsbericht wird dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet, zusammen mit dem Antrag auf Entlastung und über die Verwendung eines allfälligen Gewinns.

Der Institutsrat entscheidet über die Begründung, die Änderung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Direktorin oder dem Direktor; heute ist dies Aufgabe des Bundesrates. Künftig soll die Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Bundesrat genehmigt werden (Bst. g). Dies stellt eine Abweichung vom Leitsatz 4 des Corporate-Governance-Berichts132 dar. In Anbetracht der Bedeutung von Swissmedic in den politischen und wirtschaftlichen Kreisen der Schweiz ist die Position der Direktorin oder des Direktors exponiert; sie bedarf des vollen Vertrauens des Eigners. Aus diesem Grund soll dieser die Möglichkeit erhalten, die Ernennung und die Entlassung zu genehmigen. Über die Begründung, Änderung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses der weiteren Mitglieder der Geschäftsleitung entscheidet der Institutsrat auf Antrag der Direktorin oder des Direktors (Bst. h).

Gemäss Buchstabe i erfüllt der Institutsrat weitere Aufgaben im Heilmittelbereich, die ihm der Bundesrat zuweist. Es handelt sich dabei um punktuelle und einmalige Angelegenheiten, die demzufolge nicht mittels eines Rechtsatzes zugewiesen werden können.

Der Institutsrat sorgt ferner für ein dem Institut angepasstes internes Kontrollsystem und Risikomanagement (Bst. j). Er muss sich vergewissern, sofern die strategischen Ziele keine besonderen Vorgaben enthalten, dass ein angemessenes Risikomanagement existiert und sich inhaltlich mit den Risiken auseinandersetzen und eine Beurteilung vornehmen; eine inhaltliche Kontrolle erfolgt grundsätzlich nicht.

Soweit dem Institut Gesetzgebungskompetenzen zustehen, ist der Institutsrat das erlassende Organ (Bst. k).

Der Institutsrat ist weiter zuständig für den Abschluss des Anschlussvertrages mit der Pensionskasse des Bundes (PUBLICA) und hat diesen dem Bundesrat zur Genehmigung zu unterbreiten (Bst. m). Zudem regelt er die Zusammensetzung, das Wahlverfahren und die Organisation des paritätischen Organs für das Vorsorgewerk
(Bst. n).

Mit Absatz 2 wird der Institutsrat generell verpflichtet, die Interessen des Instituts zu wahren, was die Interessen und Ziele des Bundes mit einschliesst, welche dieser mit dem Institut erreichen will. Die Regelung bezüglich der Interessenskonflikte lehnt sich an Artikel 717a Absatz 3 E-OR133 an. Im Unterschied zu dieser Regelung, die den Ausstand nur für die Beschlussfassung über die Massnahmen zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft vorsieht, wird hier eine offenere Formulierung gewählt: Der Institutsrat soll sowohl generell im Organisationsreglement die Spielregeln für den Umgang mit Interessenkonflikten festlegen wie auch in einzelnen konkreten Fällen die nötigen Massnahmen ergreifen. Dass der Ausstand unter Umständen nur für die Beschlussfassung über ein Traktandum nötig ist, die Beteiligung an der 132 133

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BBl 2006 8271 BBl 2008 1751

Diskussion darüber hingegen erwünscht sein kann, beispielsweise um das Sachwissen der betroffenen Personen nutzen zu können, ist sinnvoll und kann im Organisationsreglement umgesetzt werden. Die Informationspflichten der Mitglieder des Institutsrates und der Geschäftsleitungsmitglieder im Falle eines konkreten Interessenkonflikts sind zwingender Bestandteil des Organisationsreglementes.

Art. 73

Geschäftsleitung

Die Geschäftsleitung unter dem Vorsitz der Direktorin oder des Direktors ist gemäss Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe b neues operatives Organ des Instituts. Artikel 73 wird entsprechend angepasst. Mit Absatz 2 Buchstabe g werden dem operativen Organ ­ im Sinne eines Auffangtatbestandes bei negativen Zuständigkeitskonflikten ­ subsidiär alle Aufgaben zugewiesen, die gesetzlich oder gemäss dem Organisationsreglement weder dem Institutsrat noch der Revisionsstelle vorbehalten sind.

Art. 74

Revisionsstelle

Absatz 1 hält fest, dass der Bundesrat die Revisionsstelle zu bezeichnen hat (im geltenden Recht in Art. 71 Abs. 3 HMG geregelt). Diese wird für vier Jahre eingesetzt und kann für eine weitere Amtsdauer wiedergewählt werden.

Gemäss den Leitsätzen 8 und 22 des Corporate-Governance-Berichts sollen sich Stellung und Prüfzuständigkeit der Revisionsstelle selbstständiger öffentlichrechtlicher Anstalten des Bundes sowie die Adressaten der Berichterstattung der Revisionsstelle neu nach dem Aktienrecht richten. Absatz 2 erklärt demzufolge die einschlägigen Vorschriften des Obligationenrechts134 für sinngemäss anwendbar.

Absatz 3 präzisiert, dass die Revisionsstelle eine ordentliche Revision (Art. 727 OR) durchzuführen hat und legt den Adressaten der umfassenden Berichterstattung fest (Institutsrat und Bundesrat).

In Analogie zu Artikel 697a Absatz 1 OR hat der Bundesrat ein Recht auf Sonderprüfung wie Aktionärinnen und Aktionäre einer Aktiengesellschaft, allerdings ohne dass die Voraussetzungen für eine Sonderprüfung oder die entsprechenden Verfahrensvorschriften eingehalten werden müssten (Abs. 4). Der Bundesrat bestimmt Inhalt und Umfang der Prüfung; das Institut hat vollumfänglich mitzuwirken und die Kosten dieser Aufsichtsmassnahme zu tragen.

Schliesslich kann der Bundesrat gemäss Absatz 5 die Revisionsstelle jederzeit abberufen, ohne dass wichtige Gründe geltend gemacht werden müssen, da ein rein privatrechtliches Auftragsverhältnis vorliegt (vgl. auch Art. 730a Abs. 4 OR).

Art. 75 Sachüberschrift sowie Abs. 2­4 (neu) Absatz 2 wurde im Sinne des Corporate-Governance-Berichts des Bundesrates angepasst. Demnach wird die Personalverordnung künftig keine Bundesratsverordnung mehr sein, sondern ­ wie die Gebührenverordnung ­ vom Institutsrat unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch den Bundesrat erlassen.

Die weiteren vorgenommenen Anpassungen sind redaktioneller Natur. Insbesondere werden die Regelungen des heutigen Absatzes 2 neu in zwei verschiedene Absätze

134

SR 220

101

(Abs. 2 und 3) aufgeteilt. Die Bestimmung zur Entlöhnung wird in den neuen Absatz 3 integriert.

In Absatz 4 sind die Rahmenbedingungen für die Entschädigung der Mitglieder des Institutsrates festgelegt. Diese Regelung entspricht dem heutigen Artikel 71 Absatz 2 HMG.

Art. 75a (neu)

Anzeigepflichten, Anzeigerechte und Schutz

Mit diesem Artikel wird eine zu Artikel 22a BPG analoge Regelung aufgenommen135.

Absatz 1 zielt nicht einzig auf Korruptionsfälle ab, sondern auf alle Arten von Verbrechen und Vergehen, die von Amtes wegen verfolgt und sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Verwaltung von Bundesangestellten oder von externen Personen begangen werden. Die Anzeigepflicht wird bereits bei einem begründeten Verdacht ausgelöst. Für Vergehen und Verbrechen, welche die Angestellten privat in Erfahrung bringen, besteht keine Anzeigepflicht. Die Wahl des Ansprechpartners richtet sich nach den Umständen, den gemachten Erkenntnissen oder der Art und Weise der Kenntnisnahme.

Bei den Unregelmässigkeiten in Absatz 4 handelt es sich nicht nur um strafrechtliche Vorwürfe (andere als die in Abs. 1 genannten), sondern beispielsweise auch um verschwenderische oder unnötige Ausgaben.

Sowohl in Absatz 1 wie in Absatz 4 wird neben der EFK auch der Institutsrat als Meldestelle aufgeführt, was seiner Rolle als vom Bundesrat gewähltes, unter anderem für die Aufsicht und Kontrolle zuständiges Organ entspricht.

5. Abschnitt: Finanzhaushalt und Geschäftsbericht Art. 77

Finanzielle Mittel

Das Institut verfügt über ein von Bund und Kantonen geäufnetes Dotationskapital im Umfang von 14,5 Millionen Franken. Gemäss heutigem Recht kann der Institutsrat eine Verzinsung dieses Dotationskapitals beschliessen; eine solche Verzinsung fand jedoch bisher nicht statt. Leitsatz 24 des Corporate-Governance-Berichts sieht vor, dass Kapitalausstattungen der ausgegliederten Einheiten unverzinslich sein sollen.

Dieser Vorgabe entsprechend werden die Absätze 1 und 2 des geltenden Artikels 77 neu in Absatz 1 zusammengefasst und die Unverzinslichkeit des Dotationskapitals darin festgehalten.

In Absatz 2 (im geltenden Recht in Abs. 3) werden die Grundlagen der Finanzierung des Instituts an die Änderung von Artikel 69 Absatz 1 angepasst (Bst. a) und in Buchstabe b werden neu neben den eigentlichen Gebühren auch andere Abgaben erwähnt; dies im Sinn einer Anpassung an die Neuformulierung von Artikel 65 Absätze 2 und 3.

Heute legt der Bundesrat im Rahmen des Leistungsauftrags fest, welche Aufgaben in welchem Mass durch Bundesbeiträge und welche durch Erträge aus Abgaben 135

102

Vgl. hierzu auch die Erläuterungen in der Botschaft zum Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (BBl 2008 8180 ff).

finanziert werden. Gestützt auf Absatz 3 wird der Bundesrat die aufgabenspezifische Mittelverwendung auch künftig festlegen; neu geschieht dies jedoch bei der Genehmigung der strategischen Ziele.

Um falsche Anreize zu vermeiden, ist vorgesehen, dass Bussen und Einnahmen aus Sanktionen, die infolge von Verstössen gegen das Heilmittelgesetz entrichtet werden, an den Bund fliessen (Abs. 4).

Art. 78

Rechnungslegung

Die Neuformulierung dieses Artikels orientiert sich eng an Artikel 18 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 2007136 (FINMAG) und entspricht den Bestimmungen des Aktienrechts. Absatz 4 entspricht dem Leitsatz 25 des CorporateGovernance-Berichts.

Art. 78a (neu) Geschäftsbericht Der Geschäftsbericht des Instituts wird neu in einem separaten Artikel geregelt.

Dieser hat sich an den Vorgaben des Aktienrechts auszurichten.

Art. 79

Reserven

Der geltende Artikel 79 wurde unter den neuen Titel «Reserven» (heute: «Gewinn und Verlust») gestellt und kürzer und klarer gefasst. Das Institut ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, Reserven zu bilden. Neu sollen diese auf den Umfang eines Jahresbudgets (heute: «angemessene Höhe») beschränkt werden. Über die Gewinnverwendung entscheidet der Bundesrat jährlich im Rahmen der Rechnungsgenehmigung (Art. 72a Abs. 1 Bst. f); dies entspricht dem Leitsatz 27 aus dem CorporateGovernance-Bericht.

Art. 79a

Tresorerie

Mit dieser Bestimmung wird die gesetzliche Grundlage für die bereits bestehende Tresorerievereinbarung zwischen der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) und dem Institut geschaffen. Zu einer allfälligen Sicherstellung der Zahlungsbereitschaft können dem Institut auf dessen Begehren hin verzinsliche Darlehen gewährt werden.

Im Gegenzug kann das Institut seine überschüssigen Mittel beim Bund anlegen. Auf diesen Geldern bezahlt der Bund marktkonforme Zinsen.

Art. 80

Haftung

Der Corporate-Governance-Bericht hält fest (Leitsatz 11), dass die mit Aufgaben der Wirtschafts- und Sicherheitsaufsicht betrauten verselbstständigten Einheiten, gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung137, nur bei Verletzung wesentlicher Amtspflichten haftbar gemacht werden können. Sie sollen namentlich nicht für Schäden eintreten müssen, die auf Pflichtverletzungen der Beaufsichtigten zurückzuführen sind. Gemäss der bundesrechtlichen Rechtsprechung liegt eine wesentliche Amtspflichtverletzung nur dann vor, wenn eine unentschuldbare Fehlleistung einer Behörde oder eines Gerichts vorliegt, die einer pflichtbewussten Person nicht unter136 137

SR 956.1 U.a. BGE 123 II 577, E. 4d/dd.

103

laufen wäre. In Absatz 2 wird diese Haftungsbeschränkung für das Institut festgehalten138.

6. Abschnitt: Unabhängigkeit und Aufsicht Art. 81a (neu) Im geltenden Erlass fehlt eine Bestimmung, welche die verschiedenen Aspekte der Aufsichtstätigkeit von Institut, Bundesrat sowie des Parlamentes bündelt. Diese Lücke wird durch den neuen Artikel 81a geschlossen. So übt der Bundesrat seine Aufsichts- und Kontrollfunktion insbesondere durch die Wahl und die Abberufung der Mitglieder des Institutsrats und dessen Präsidentin oder Präsidenten, durch die Genehmigung der Ernennung und der Entlassung der Direktorin oder des Direktors sowie durch die Wahl der Revisionsstelle aus. Weiter genehmigt er den Geschäftsbericht, entlastet gegebenenfalls den Institutsrat und beschliesst über die Verwendung eines allfälligen Gewinns. Absatz 3 Buchstabe f dieses Artikels ermöglicht es, die Erreichung der strategischen Ziele jährlich zu überprüfen, obwohl diese Ziele jeweils für vier Jahre verabschiedet werden (vgl. oben, Erläuterungen zu Art. 70).

Das vom Institut definierte Indikatorensystem sowie die verschiedenen Berichte, die erstellt werden müssen, lassen eine derartige jährliche Überprüfung ohne Weiteres zu.

Schliesslich wird in Absatz 5 präzisiert, dass die gesetzlichen Befugnisse der EFK vorbehalten bleiben. Das Verfahren richtet sich nach dem Finanzkontrollgesetz139.

Art. 82 Abs. 1 Diese Bestimmung wird ergänzt, da vorgesehen ist, für den Vollzug des Verbots des Versprechens und Annehmens geldwerter Vorteile (Art. 57a und 57b) sowie der Transparenz- und Offenlegungspflicht (Art. 57c) das BAG zuständig zu erklären.

Aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs dieser Regelungen mit der Weitergabepflicht von Vergünstigungen beim Heilmitteleinkauf des Krankenversicherungsgesetzes (Art. 56 Abs. 3 Bst. b KVG) ist es sachgerecht, wenn der Vollzug in diesem Bereich zusammengeführt und durch eine Bundesbehörde sichergestellt wird. Diese Aufgabe soll nicht dem Institut zufallen, da der Vollzug zu einem grossen Teil gesundheitsökonomische Aspekte umfassen wird und dies nicht Sache eines Heilmittelinstituts sein kann. Sie soll vom BAG als für solche Aspekte zuständige Fachbehörde wahrgenommen werden.

Der Bundesrat kann wie im geltenden Recht einzelne Aufgaben des Instituts oder neu des BAG anderen Behörden übertragen.

Art. 84 Abs. 1bis (neu) Aufgrund der Diversität der fachlichen Fragen, die sich bei der
Begutachtung von Zulassungsdossiers und von Sachverhalten stellen und die in Marktüberwachungsverfahren zu beurteilen sind, bedient sich das Institut, falls nötig, externer Expertin138 139

104

Entspricht Art. 19 Abs. 2 FINMAG, welcher die Verantwortlichkeit der FINMA regelt.

Bundesgesetz vom 28. Juni 1967 über die Eidgenössische Finanzkontrolle (Finanzkontrollgesetz, FKG; SR 614.0).

nen und Experten (vgl. Art. 12 Bst. e VwVG sowie Art. 68 Abs. 5 HMG). Diese helfen dem Institut dabei, den Sachverhalt dort näher auszuleuchten, wo dieses selber nicht dazu im Stande ist. Der Beizug externer Expertinnen und Experten stellt damit keine Besonderheit des Heilmittelbereichs dar, sondern ist im Vollzug des Verwaltungsrechts und auch im Verwaltungsbeschwerdeverfahren weit verbreitet.

Die grundsätzlich für alle Verwaltungsverfahren geltenden prozessualen Regeln des VwVG und des BZP verursachen jedoch dort Probleme, wo die Zahl möglicher Gutachter klein ist und die Gutachter mit der regulierten Branche stark vernetzt sind.

In solchen Verhältnissen scheuen sich mögliche Experten oftmals, einen Gutachterauftrag anzunehmen, weil sie befürchten, aufgrund der ihnen zuzuordnenden Expertenmeinung zu Ungunsten einer Verfahrenspartei künftig Nachteile zu erleiden (u. a.

Wegfall von wissenschaftlichen Aufträgen und finanzieller Unterstützung akademischer Tätigkeit durch einzelne pharmazeutische Unternehmen). Diese Problematik ist im Bereich der Begutachtung von Arzneimitteln international anerkannt und akzentuiert sich in der kleinräumigen Schweiz mit ihren beschränkten Ressourcen an Experten zusätzlich.

Die allgemeinen Verfahrensregeln des VwVG und der BZP können durch spezialgesetzliche Bestimmungen derogiert werden. So bestimmt beispielsweise Artikel 13 Absatz 3 des Forschungs- und Innovationsförderungsgesetzes vom 7. Oktober 1983140 (FIFG), dass sich das Verfahren betreffend die Verfügungen über Beiträge der Forschungsförderung (z. B. Nationalfonds) zwar nach dem VwVG richte, dass «die Namen der Referenten und wissenschaftlichen Gutachter [jedoch] nur mit deren Einverständnis dem Beschwerdeführer bekannt gegeben werden [dürfen]». Der neue Absatz 1bis von Artikel 84 sieht eine analoge Regelung, wodurch der oben erwähnten Problematik, die sich in ähnlicher Art und Weise offenbar auch bei der Begutachtung von Gesuchen um Forschungsförderung stellt, Rechnung getragen wird.

Allgemeine Erläuterungen zu den Art. 86­87 Die per 1. Januar 2007 in Kraft getretene Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches verlangt nach einer Anpassung der Strafbestimmungen des Heilmittelgesetzes. Die in den Artikeln 86 und 87 HMG aufgeführten Strafen sind gemäss dem Umwandlungsschlüssel von Artikel 333 StGB
an das neue Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs anzugleichen. Notwendig sind auch gewisse redaktionelle Änderungen. Zudem ist aufgrund der Motion Parmelin (10.3786) «Härtere Sanktionen für den Schmuggel und die Fälschung von Arzneimitteln» bzw. die entsprechende Antwort des Bundesrates eine Erhöhung der Strafrahmen angezeigt.

Aufgrund von Beweisschwierigkeiten, die in der Praxis aufgetreten sind141, ist der heutige Straftatbestand von Artikel 86, welcher eine konkrete Gesundheitsgefährdung von Menschen voraussetzt, weitgehend toter Buchstabe geblieben. Um die Wirksamkeit der Strafverfolgung zu erhöhen, ist deshalb vorgesehen, den Tatbestand neu als abstraktes Gefährdungsdelikt zu formulieren und die konkrete Gesundheitsgefährdung als Qualifikationsmerkmal für eine erhöhte Strafdrohung vorzusehen, wobei die Strafdrohungen sowohl im Grundtatbestand (Vergehen) wie auch im qualifizierten Tatbestand (Verbrechen) an diejenigen des Betäubungsmittelgesetzes angenähert werden. Davon ausgenommen bleiben Straftaten, die sich auf Heilmittel beziehen, welche ausschliesslich für den Eigengebrauch bestimmt sind 140 141

SR 420.1 Siehe Fussnote 62.

105

oder von denen nur ein geringes abstraktes Gefahrenpotenzial ausgeht; diese Taten werden im Grundtatbestand weiterhin nur als Übertretungen verfolgt und bestraft (vgl. unten, Erläuterungen zu Art. 87 Abs. 1 Bst. f HMG)..

Mit Artikel 86a sollen zudem Widerhandlungen gegen das Vorteilsverbot von Artikel 57a neu als Vergehen gelten, während Verstösse gegen die in Artikel 57c statuierten Transparenz- und Offenlegungspflicht als Übertretungen geahndet werden (neuer Art. 87 Abs. 1 Bst. h). Bisher werden Verstösse gegen das Vorteilsverbot (Art. 33) als Übertretungen verfolgt und bestraft (Art. 87 Abs. 1 Bst. b HMG).

Ungeachtet dieser neuen Strafbestimmungen ist aufgrund der sich aus den Artikeln 10 und 103 StGB ergebenden Einteilung der strafbaren Handlungen in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen eine Änderung der Sachüberschriften von Artikel 86 und 87 notwendig: In Artikel 86 werden nicht nur Vergehen (Abs. 1 und 3), sondern auch Verbrechen (Abs. 2) beschrieben, während Artikel 87 nicht nur Übertretungen (Abs. 1 und 3), sondern auch Vergehen (Abs. 2) umfasst.

Art. 86

Gefährdung der Gesundheit

zu Abs. 1 Im Ingress der geltenden Fassung von Absatz 1 werden die mit höherer Strafe bedrohten Straftatbestände gemäss Strafgesetzbuch und Betäubungsmittelgesetz vorbehalten; d. h. es kommt nur dann zu einer Strafverfolgung wegen Widerhandlungen gegen das Heilmittelgesetz, wenn nicht gleichzeitig einer dieser Straftatbestände ­ wie beispielsweise fahrlässige Tötung (Art. 117 StGB) ­ erfüllt wurde (sog. Subsidiarität des HMG). Aufgrund der nunmehr verschärften Strafdrohungen im HMG (vorgesehen ist eine Annäherung an diejenige des BetmG) ist dieser Vorbehalt nicht mehr sinnvoll. Die Streichung des Vorbehalts hat indes keine Auswirkung auf die Abgrenzung der Kompetenzen zur Strafverfolgung zwischen Bund und Kantonen (vgl. Art. 90 HMG), dürften doch die verbleibenden, schwerer wiegenden Straftatbestände des StGB kaum jemals durch Vertriebs- oder Einfuhrtätigkeit nach HMG erfüllt werden (welche zur Zuständigkeit des Instituts zur Strafverfolgung führt), sondern wohl stets nur durch Abgabetätigkeiten, die ohnehin in der kantonalen Kompetenz liegen.

Absatz 1 von Artikel 86 wird neu als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet; somit reicht bereits die Begehung einer der in den Buchstaben a­e aufgezählten Tathandlungen aus, um eine mögliche Gesundheitsgefährdung zu begründen, womit der objektive Tatbestand als erfüllt gilt. Nicht notwendig ist der Nachweis, dass Menschen tatsächlich gefährdet worden sind. Die Vernehmlassung hat ergeben, dass keine Abgrenzung zwischen den einzelnen Kategorien von Arzneimitteln gemacht werden sollte, da grundsätzlich alle Arzneimittel gesundheitsgefährdend sein können. Davon auszunehmen sind einzig die freiverkäuflichen Arzneimittel (vgl. Art. 23 Abs. 2 HMG) und die Medizinprodukte mit dem geringsten Gefährdungspotenzial, d. h. diejenigen der Klasse I142. Bei Widerhandlungen, die ausschliesslich in Bezug auf solche Arzneimittel (Tathandlungen nach Abs. 1 Bst. a und e) beziehungsweise Medizinprodukte (Tathandlungen nach Abs. 1 Bst. c­e) oder im Hinblick auf den Eigengebrauch von Heilmitteln begangen werden, sind demnach gemäss Artikel 87 Absatz 1 Buchstabe f weiterhin lediglich als Übertretungen zu verfolgen und zu 142

106

Massgebend für die Klassifizierung von Medizinprodukten der Klasse I ist der Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG (vgl. Art. 45 Abs. 3 Bst. b HMG und Art. 5 MepV).

bestrafen. Nicht anwendbar ist diese privilegierende Strafnorm auf den neuen Buchstaben b von Absatz 1, da bei Blut und Blutprodukten eine Zuordnung zu den freiverkäuflichen Arzneimitteln nicht in Frage kommt.

zu Bst. a Der vorgesehene neue Buchstabe a fasst die geltenden Buchstaben a und b zusammen. Dadurch sowie mit Streichung von Buchstabe c der heute geltenden Fassung verschieben sich die Buchstaben in der Aufzählung von Absatz 1 (Bst. d wird zu Bst. b usw.).

Der geltende Buchstabe a sieht als Tathandlung die Verletzung von Sorgfaltspflichten im Umgang mit Heilmitteln vor. Diese allgemeine Formulierung, welche eine Verletzung der in Artikel 3 formulierten generellen Sorgfaltspflicht unter Strafe stellt, wird neu durch die explizite Nennung der massgeblichen Sorgfaltspflichten präzisiert (Art. 3, 7, 21, 22, 26, 29, 37 und 42).

Gemäss der Tatbestandsvariante von Buchstabe b (heutige Fassung) macht sich strafbar, wer Arzneimittel ohne Zulassung, ohne Bewilligung oder entgegen anderen Bestimmungen dieses Gesetzes herstellt, in Verkehr bringt, verschreibt, ein- oder ausführt oder damit im Ausland handelt. Durch die Einfügung des Adjektivs «erforderlich» in der neuen Fassung (Bst. a) wird klargestellt, dass nicht alle Arzneimittel einer Zulassung bedürfen. Die Herstellung von Arzneimitteln, die gemäss Artikel 9 Absatz 2 HMG von der generellen Zulassungspflicht ausgenommen sind, kann indessen einer kantonalen Herstellungsbewilligung unterstellt sein (vgl. Art. 6 und 6a AMBV), und auch bei der Herstellung, Abgabe oder Anwendung solcher Arzneimittel kann gegen Sorgfaltspflichten verstossen werden. Aus dem geltenden Buchstaben b ohne Einschränkung übernommen wurden die Handlungen, mit denen Arzneimittel illegal auf den Markt bzw. an die Konsumentin oder den Konsumenten gebracht werden, wobei das Inverkehrbringen sowohl den Vertrieb wie auch die Abgabe umfasst (vgl. die entsprechenden Begriffsdefinitionen in Art. 4). Zusätzlich aufgeführt wird die Anwendung von Arzneimitteln. Damit werden insbesondere auch Fälle erfasst, in denen das Arzneimittel selbst den gesetzlichen Ansprüchen zwar genügt, es jedoch von Personen angewendet wird, welche nicht über die hierzu erforderliche Berechtigung verfügen (vgl. Art. 24 Abs. 3).

Eine weitere Fallkonstellation liegt darin, dass ein zugelassenes Arzneimittel
entgegen der erteilten Zulassung oder Bewilligung hergestellt oder in Verkehr gebracht wird. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn sich im Rahmen der behördlichen Marktüberwachung erweist, dass die tatsächlich hergestellten Arzneimittel nicht mit der Zulassung übereinstimmen (vgl. Art. 58 Abs. 2 HMG), wenn die erforderliche Chargenfreigabe nicht eingeholt wurde (vgl. Art. 17 HMG und Art. 32 ff. AMBV) oder wenn das Institut eine Zulassung mit Auflagen und Bedingungen verknüpft (vgl. Art. 16 Abs. 1 HMG), indem es zum Beispiel Fach- oder Publikumswerbung für das betreffende Arzneimittel ausdrücklich untersagt und sich das Unternehmen in der Folge nicht daran hält. Der sogenannte «off-label use» von Arzneimitteln, das heisst die Abgabe oder Anwendung von Arzneimitteln zu anderen als zu den mit der Zulassung genehmigten Indikationen und Anwendungsmöglichkeiten durch eine medizinische Fachperson, wird dadurch jedoch nicht berührt.

Die Streichung der heutigen Regelung von Buchstabe c ist gerechtfertigt, weil das dort umschriebene strafbare Verhalten («Abgabe» von Heilmitteln ohne Berechtigung) künftig bereits durch Buchstabe a («Inverkehrbringen» von Arzneimitteln) und Buchstabe c («Inverkehrbringen» von Medizinprodukten) abgedeckt wird. Mit 107

der Streichung kann diese Doppelspurigkeit beseitigt werden. Die im geltenden Buchstaben c erwähnte «Berechtigung» ist nicht von eigenständiger Bedeutung, bedürfen doch die zur Abgabe berechtigten Personen einer Bewilligung und werden somit vom neuen Buchstaben a erfasst. Von dieser Formulierung werden auch Fälle erfasst, in denen ausnahmsweise keine formelle Bewilligung im Einzelfall erteilt, sondern das Bewilligungserfordernis durch eine generelle gesetzliche Ermächtigung ersetzt (so allenfalls im kantonalen Recht gemäss Art. 25 Abs. 5 HMG) oder wegbedungen wird (so Art. 23 Abs. 2 HMG für die freiverkäuflichen Arzneimittel).

zu Bst. b Im neuen Buchstaben b (geltender Buchstabe d) drängt sich aus Gründen der Rechtssicherheit eine abschliessende Aufzählung aller im 6. Abschnitt des 2. Kapitels aufgeführter Voraussetzungen auf, die beim Umgang mit Blut und Blutprodukten zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören auch die Sicherheits- und Schutzmassnahmen nach Artikel 41 HMG, die in den Artikeln 25 und 26 AMBV präzisiert wurden und bei deren Unterlassung eine Gesundheitsgefährdung resultiert.

zu Bst. c Im neuen Buchstaben c ist ­ analog zu Buchstabe a ­ die Anwendung eigens aufzuführen, da Medizinprodukte häufig nur angewendet, jedoch nicht abgegeben werden.

Gleich wie bei den Arzneimitteln kann die Gesundheitsgefährdung auch hier entweder aus dem Umstand resultieren, dass das Medizinprodukt an sich nicht konform ist, oder aber dadurch entstehen, dass ein an sich konformes Produkt auf unzulässige Weise angewendet wird, das heisst wenn insbesondere die nach Artikel 48 Buchstabe b HMG erforderlichen, fachlichen oder betrieblichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Es geht hierbei namentlich um Produkte, die nur von bestimmten Fachpersonen angewendet werden dürfen (vgl. Art. 18 MepV sowie Anh. 6 MepV). In diesen Fällen kann mangelnde Sachkenntnis bei der vorangehenden Abklärung beispielsweise dazu führen, dass andere Erkrankungen oder Kontraindikationen nicht rechtzeitig erkannt werden. Ebenso kann eine unsachgemässe Betreuung der Patientin oder des Patienten in der Nachbehandlung zu einer Gefährdung der Gesundheit führen.

zu Abs. 2 und 3 Diese beiden Absätze werden an das neue Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs angepasst.

In Absatz 2 tritt zusätzlich zur gewerbsmässigen Tatbegehung die konkrete
Gesundheitsgefährdung als weiteres Qualifikationsmerkmal hinzu. Zudem wird der Strafrahmen an denjenigen des schweren Falles von Artikel 19 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BetmG)143 angelehnt und beträgt neu bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Diese Erhöhung gegenüber dem geltenden Recht ist aus mehreren Gründen angezeigt: Zunächst ist zu bedenken, dass sich die Konsumentin oder der Konsument von beispielsweise gefälschten Heilmitteln, welche in den legalen Vertriebskanal gelangen, nicht bewusst sein wird, ein gesundheitsschädigendes Produkt zu kaufen, sondern viel mehr darüber hinweggetäuscht wird. Dem Opfer fehlt es damit an der Möglichkeit, die Ware auf ihr Gefährdungspotenzial hin zu überprüfen. Sodann ist eine Erhöhung des Strafrahmens auch in Bezug auf die trügerische Heilanpreisung gesundheitsgefährdender Heilmittel gerechtfertigt, wie es der 143

108

SR 812.121

Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion Parmelin (10.3786) «Härtere Sanktionen für den Schmuggel und die Fälschung von Arzneimitteln» festgehalten hat. Eine solche Heilanpreisung kann dazu führen, dass die Anwendung einer wirksamen Heilmethode vereitelt wird. Es bleibt zu erwähnen, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung ­ entsprechend der Praxis des Bundesgerichts zum geltenden Artikel 86 Absatz 1144 ­ auch in Zukunft die Ausnahme bleiben wird; mit dem erhöhten Strafrahmen soll der Unrechtsgehalt von Gesetzesverstössen, die im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Heilmitteln («life saving drugs») begangen werden und welche die Gesundheit nachweisbar gefährden, adäquat sanktioniert werden können.

Woraus bei Verstössen nach dem neuen Absatz 2 Buchstaben a die konkrete Gesundheitsgefährdung resultiert, lässt sich wie bisher nicht losgelöst vom Einzelfall beurteilen. Es kann jedoch zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Fallkonstellationen unterschieden werden; zwischen der Gefährlichkeit des illegalen Arzneimittels an sich und der Gefährdung, die von einem illegalen Arzneimittel aufgrund der damit verbundenen Fachberatung ausgeht. Zum einen gibt es Arzneimittel, bei denen die konkrete Gesundheitsgefährdung daraus resultiert, dass sie Stoffe enthalten, welche toxisch sind oder die in der verwendeten Konzentration beim Menschen Gesundheitsschädigungen hervorrufen. Zum anderen werden aber auch immer wieder illegale Arzneimittel in den Verkehr gebracht, die an sich, das heisst, aufgrund ihrer Zusammensetzung und Dosierung, nicht gesundheitsgefährdend sind (namentlich wenn sie gar keine Wirkstoffe enthalten oder bei alleiniger Einnahme für die dafür zugelassene Indikation unbedenklich sind). Auch solche Arzneimittel können zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung führen, wenn bei der Patientin oder dem Patienten aufgrund der Anpreisungen auf der Verpackung oder des mit der Verschreibung, Abgabe oder Anwendung des Arzneimittels verbundenen Beratungsgesprächs der Eindruck erweckt wird, das illegale Arzneimittel sei geeignet, eine bereits bestehende oder in Aussicht genommene Therapie mit einem zugelassenen Präparat zu ersetzen oder diese zu ergänzen. In diesen Fällen realisiert sich die Gesundheitsgefährdung nicht durch die alleinige Einnahme oder Anwendung des illegalen Arzneimittels, sondern dadurch,
dass andere, legale Arzneimittel abgesetzt oder gar nicht erst eingenommen oder aber weiterhin konsumiert werden, wobei die Kombination mit dem illegalen Arzneimittel zu gesundheitsgefährdenden Interaktionen führt. Die Gesundheitsgefährdung ist hier nicht im illegalen Produkt allein begründet, sondern ist verbunden mit der bei Arzneimitteln in aller Regel (Art. 25­26 VAM) vorausgesetzten Fachberatung, welche (als Teil der Verschreibungs-, Abgabe- oder Anwendungshandlung) ihrerseits den gesetzlichen Sorgfaltsvorschriften von Artikel 26 HMG unterliegt. Gegen diese Vorschriften wird insbesondere dann verstossen, wenn die Fachberatung nur eine scheinbare ist, das heisst nicht durch eine Fachperson erfolgt, die über die entsprechende Bewilligung verfügt, sondern durch eine Person, die sich den Status einer Fachperson anmasst.

Gerade in solchen Fällen ist die illegale, scheinbare Fachberatung aufs Engste mit dem (meist ebenfalls illegalen bzw. gefälschten) Präparat verbunden, denn sie ersetzt die fehlende Fach- und Patienteninformationen oder ergänzt diese zumindest.

Eine Ausweitung der Legaldefinition des «Inverkehrbringens», wie sie vom Bundesgericht angeregt wurde145, ist somit nicht erforderlich.

Das andere qualifizierende Merkmal von Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe b setzt im Unterschied zum geltenden Recht und analog zur entsprechenden Norm des Betäu144 145

Siehe Fussnote 62.

BGE 138 IV 57, E. 4.2.2.

109

bungsmittelgesetzes (Art. 19 Abs. 2 Bst. c BetmG) zusätzlich zur Gewerbsmässigkeit einen dadurch erzielten grossen Umsatz oder erheblichen Gewinn voraus. Dabei kann auf die zu diesem Qualifikationskriterium nach Betäubungsmittelrecht entwickelte Gerichtspraxis abgestellt werden.

Absatz 3 sieht für eine fahrlässige Begehung Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen vor, was der bisherigen Strafdrohung entspricht (vgl. Art. 333 Abs. 2 StGB), welche allerdings ausschliesslich Taten abgilt, die zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung geführt haben (vgl. oben, Ausführungen zu Abs. 1). Damit unterliegen diese Straftaten nun auch dann dieser Bestimmung, wenn sie zu keiner Gesundheitsgefährdung geführt haben. Dadurch wird ein sehr weiter Bereich möglichen fahrlässigen Verhaltens dieser vergleichsweise hohen Strafdrohung unterstellt. Verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer haben sich dazu kritisch geäussert. Deshalb wird für leichte Fälle vorgesehen, dass anstelle einer Geldstrafe bloss eine Busse verhängt werden kann, deren Höchstbetrag auf 10 000 Franken begrenzt ist (vgl. Art. 106 Abs. 1 StGB).

Art. 86a (neu)

Verstoss gegen das Verbot geldwerter Vorteile

Widerhandlungen gegen das Verbot des Gewährens beziehungsweise Annehmens geldwerter Vorteile gemäss Artikel 57a werden analog zur strafrechtlichen Vorteilsgewährung beziehungsweise -annahme (vgl. Artikel 322quinquies und 322sexies StGB) neu als Vergehen geahndet; zu diesem Zweck wird eine eigene Strafbestimmung im Heilmittelgesetz geschaffen. Durch eine höhere Strafandrohung (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe) soll die generalpräventive Wirkung, die nach einhelliger Meinung der betroffenen Akteure bisher kaum vorhanden ist, verstärkt werden. Heute gelten Verstösse gegen das Verbot des Versprechens und Annehmens geldwerter Vorteile lediglich als strafrechtliche Übertretung, indem sie unter die Bestimmungen über die Werbung für Arzneimittel subsumiert werden (vgl. Art. 87 Abs. 1 Bst. b HMG bzw. die Abschnittsüberschrift «Werbung und Preisvergleiche» zu den Art. 31­33 HMG). Somit ist als Höchststrafe lediglich eine Busse von 50 000 Franken möglich.

Gleich wie die Delikte nach dem neuen Grundtatbestand von Artikel 86 Absatz 1 HMG setzt der Verstoss gegen das heilmittelrechtliche Vorteilsverbot keine konkrete Gefährdung der Gesundheit voraus. Vielmehr genügt es, damit der entsprechende Straftatbestand (Art. 86a) zur Anwendung gelangt, dass die geldwerten Vorteile nicht zulässig (vgl. Art. 57b e contrario) sowie geeignet sind, das spätere Verschreibungs-, Abgabe- oder Anwendungsverhalten der Vorteilsempfängerinnen und -empfänger zu beeinflussen (vgl. Art. 57a).

Dass Verstösse gegen das Vorteilsverbot von Artikel 57a direkt zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung führen können, erscheint ausgeschlossen. Dazu bedarf es vielmehr zusätzlich einer Verletzung der Sorgfaltspflicht bei der Verschreibung, der Abgabe oder der Anwendung der Vorteilsempfängerinnen und -empfänger. Diese kann zwar eine Folge der versprochenen oder erhaltenen geldwerten Vorteile sein; sie ist jedoch nicht als Verstoss gegen das strafrechtliche Vorteilsannahmeverbot, sondern als solcher gegen den Straftatbestand von Artikel 86 Absatz 1 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 26 zu bestrafen. Es ist deshalb nicht angezeigt, für Verstösse gegen das Vorteilsverbot den Qualifikationstatbestand einer konkreten Gesundheitsgefährdung zu schaffen, wie er für die Delikte nach Artikel 86 Absatz 1 vorgesehen ist (vgl. Art. 86 Abs. 2 Bst. a). Gleiches gilt für das Qualifikations110

merkmal der gewerbsmässigen Tatbegehung (Art. 86 Abs. 2 Bst. b), würde doch damit gegenüber den vergleichbaren klassischen Korruptionstatbeständen des Strafgesetzbuchs (vgl. Art. 322quinquies und 322sexies StGB) eine Ungleichheit geschaffen, die sich nicht rechtfertigen liesse.

Anders als die klassischen Korruptionstatbestände des Strafgesetzbuchs ist das heilmittelrechtliche Vorteilsverbot keine rein strafrechtliche Norm, sondern eine sogenannte Sekundärregulierung, die auch mit Mitteln des Verwaltungsrechts durchgesetzt wird. An dieser Eigenschaft des Verbots geldwerter Vorteile als strafrechtlich-verwaltungsrechtliche «Doppelnorm» wird sich mit der vorliegenden Gesetzesrevision nichts ändern. Damit deren Durchschlagskraft gewahrt bleibt und um ihrer Komplexität Rechnung zu tragen146, rechtfertigt es sich ­ im Unterschied zu den klassischen Korruptionsdelikten ­ auch bloss fahrlässig begangene Verstösse strafrechtlich zu verfolgen, so wie es bereits das geltende Recht vorsieht (Art. 87 Abs. 1 Bst. b i.V.m. Abs. 3 HMG). Der entsprechende Straftatbestand (Art. 86a Abs. 2) sieht die gleiche Strafe (Geldstrafe bis zu 180 Tagessäten) und dieselbe Strafmilderungsmöglichkeit in leichten Fällen (Busse statt Geldstrafe) vor wie die analoge Vorschrift von Artikel 86 Absatz 3 für fahrlässig begangene Verstösse gegen Artikel 86 Absatz 1.

Art. 87 Sachüberschrift, Abs. 1 Einleitungssatz sowie Bst. c und f­h (neu), 2 und 3 Der Einleitungssatz von Absatz 1 sowie Absatz 2 werden lediglich an das neue Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs angepasst (vgl. Art. 333 Abs. 3 und 4 StGB).

Mit der Anpassung von Absatz 1 Buchstabe c wird die Verletzung der vorgeschlagenen Publikationspflicht nach Artikel 16a Absatz 4 (Mitteilung der Vertriebseinstellung eines Kinderarzneimittels) unter Strafe gestellt.

Der Wortlaut von Absatz 1 Buchstabe f wird an die neue Ausgestaltung von Artikel 86 als abstraktes Gefährdungsdelikt im Grundtatbestand angepasst. Dabei wird zunächst präzisiert, dass alle Heilmittel, welche ausschliesslich zum Eigengebrauch bestimmt sind, ausdrücklich dem Strafrahmen von Artikel 87 unterstellt werden sollen. Da in diesen Fällen ausschliesslich die eigene Gesundheit gefährdet wird, nicht aber eine Gesundheitsgefährdung Dritter vorliegt, rechtfertigt es sich, die davon betroffenen Widerhandlungen lediglich
als Übertretung zu qualifizieren.

Hierzu ist klarzustellen, dass die Einfuhr kleiner Mengen von Arzneimitteln, die gemäss Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe a eingeführt werden, keine Bestrafung nach sich ziehen. Die konkrete Menge des jeweilig betroffenen Arzneimittels, die für den Eigengebrauch straffrei eingeführt werden darf, ist von der Praxis zu definieren; sie ergibt sich aus der bisherigen einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Beschwerdeverfahren gegen Verwaltungsmassnahmen des Instituts im Rahmen seiner Marktüberwachungstätigkeit147. Sodann wird in Artikel 87 Absatz 1 Buchstabe f festgehalten, dass unabhängig von einem allfälligen Eigen146

Vgl. dazu das noch zu erlassende Ausführungsrecht betreffend Zulässigkeit von Unterstützungsbeiträgen an Organisationen (vgl. Art. 57b Abs. 1 Bst. b und Abs. 2) sowie die erforderliche Abstimmung auf das Krankenversicherungsrecht bei der Weitergabepflicht von Preisrabatten und Rückvergütungen auf Arzneimitteleinkäufen (vgl. Art. 57b Abs. 1 Bst. c Ziff. 2 HMG bzw. Art. 56 Abs. 3 Bst. b KVG).

147 Vgl. z. B. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts C-3298/2008 und C-6050/2008 vom 14.2.2011.

111

gebrauch auch die frei verkäuflichen Arzneimittel (vgl. Art. 23 Abs. 2 HMG) und die Medizinprodukte mit dem geringsten Gefährdungspotenzial (Klasse I gemäss Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG) bloss als Übertretungen statt ­ gemäss Artikel 86 Absatz 1 ­ als Vergehen verfolgt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 86 Abs. 1).

Das Heilmittelgesetz bildet die Rechtsgrundlage für alle seine Ausführungsbestimmungen. Die Kataloge der strafbaren Handlungen in den Artikeln 86 und 87 HMG decken ihrerseits den gesamten Geltungsbereich des Heilmittelgesetzes und folglich seiner Ausführungsbestimmungen ab. Da dem ersten Satz von Artikel 87 Absatz 1 Buchstabe g somit keinerlei praktische Bedeutung zukommt, soll er aufgehoben werden.

Die Verletzung der Transparenz- und Offenlegungspflicht gemäss Artikel 57c wird in Artikel 87 in den Katalog der Übertretungen aufgenommen (Abs. 1 Bst. h).

Die vorgeschlagene Änderung bei der fahrlässigen Tatbegehung (Abs. 3) sieht vor, den oberen Strafrahmen für Bussen auf 20 000 Franken zu erhöhen. Damit wird eine Angleichung an vergleichbare Straftatbestände im Entwurf für das neue LMG erreicht (vgl. Art. 65 Abs. 4 E-LMG148).

Art. 89

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Abweichend vom sonst anwendbaren allgemeinen Teil des StGB wird in den Artikeln 6 und 7 VStrR eine besondere Regelung für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben und durch Beauftragte normiert. Artikel 6 VStrR erleichtert den Durchgriff auf die Geschäftsleitung, indem bei Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben neben der natürlichen Person, welche die Tat verübt hat, unter Umständen auch der Geschäftsherr, der Arbeitgeber, der Auftraggeber oder die oder der Vertretene bestraft werden kann. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass ein grosser Teil der im Heilmittelgesetz mit Strafe bedrohten Handlungen von Personen innerhalb eines Geschäftsbetriebes begangen wird, ohne dass es sich dabei eindeutig um Mittäterschaft, Anstiftung oder Gehilfenschaft im strafrechtlichen Sinne handelt. Die Sonderregelung von Artikel 7 VStrR erlaubt es daher, für leichtere Fälle auf die Ermittlung der nach Artikel 6 VStrR strafbaren Personen zu verzichten, wenn dies mit zeitraubenden Nachforschungen verbunden wäre, und an ihrer Stelle das Unternehmen mit einer Busse von höchstens 5000 Franken zu bestrafen.

Diese «Bestrafung» von juristischen Personen stellt einen Eingriff dar in das in der Schweiz vertretene Prinzip der (fast) ausschliesslichen Bestrafung der natürlichen Personen, welche die strafbare Handlung begangen haben. Sie hat sich jedoch im Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens, namentlich in der Mehrwertsteuer- und der Zollgesetzgebung, bis anhin bewährt und führte in der Praxis zu keinerlei Schwierigkeiten.

Die vorgeschlagene Änderung sieht vor, den oberen Strafrahmen für derartige Bussen auf 20 000 Franken zu erhöhen, womit insbesondere der seit Inkrafttreten des VStrR (1. Januar 1975) eingetretenen Geldentwertung Rechnung getragen wird.

Die revidierte Bestimmung von Artikel 89 derogiert die Anwendung von Artikel 7 VStrR. Sie entspricht dem Grundsatz nach den Normierungen in Artikel 87 des

148

112

Vgl. Fussnote 67.

Mehrwertsteuergesetzes vom 2. September 1999149 (MWSTG) und Artikel 125 des Zollgesetzes vom 18. März 2005150, welche bei Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben Bussen bis zu 100 000 Franken ermöglichen.

Art. 90

Strafverfolgung

zu Abs. 1 Aufgrund der Änderungen im Vollzug des Verbots des Versprechens und Annehmens geldwerter Vorteile sowie der Offenlegungspflicht nach Artikel 57a­57c beziehungsweise der entsprechenden Strafnormen der Artikel 86a und 87 Absatz 1 Buchstabe h (neu beim BAG) muss auch die Regelung betreffend Strafverfolgung angepasst werden. Die Strafverfolgung wird auch vom BAG nach den Bestimmungen des VStrR geführt.

Falls bei der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Heilmitteln gleichzeitig auch eine Widerhandlung gegen die Zoll- oder Mehrwertsteuergesetzgebung vorliegt, soll die Verfolgung und Beurteilung der Widerhandlungen neu nur durch eine Behörde, nämlich die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV), erfolgen. Eine solche Situation liegt zum Beispiel dann vor, wenn illegal hergestellte beziehungsweise gefälschte Arzneimittel über die Grenze geschmuggelt werden. In solchen Fällen sollen nicht zwei parallele Strafverfahren (durch das Institut und die EZV) durchgeführt werden, sondern es soll aus Effizienzgründen nur eine Behörde (die EZV) die Widerhandlungen verfolgen und beurteilen. Die notwendige fachliche Unterstützung bei der Klärung und Beurteilung von heilmittelrechtlichen Fragestellungen wird aber weiterhin durch das Institut wahrgenommen.

zu Abs. 2 Widerhandlungen gegen das Heilmittelgesetz können in die Zuständigkeit mehrerer Strafverfolgungsbehörden des Bundes fallen. So ist es beispielsweise möglich, dass eine Widerhandlung gegen das Vorteilsverbot, die neu vom BAG verfolgt wird, gleichzeitig auch gegen ein Werbeverbot nach Artikel 32 verstösst, für dessen Durchsetzung das Institut weiterhin zuständig bleibt. Bei solchen Konstellationen fehlt es an einer Delegationsnorm analog zu derjenigen nach Artikel 20 Absatz 3 VStrR, welche es ermöglichen würde, beide Verfahren in der Hand einer einzigen Behörde zu vereinigen. Eine solche Norm soll deshalb ins Heilmittelgesetz aufgenommen werden.

zu Abs. 3 Künftig soll sich das Institut an kantonalen Strafverfahren beteiligen können. Ihm sollen dabei auf der Grundlage von Artikel 104 Absatz 2 der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007151 (StPO) die gleichen Rechte wie einer Privatklägerschaft zukommen. Damit soll gewährleistet werden, dass das Institut, welches für eine einheitliche Rechtsanwendung in der Schweiz zu sorgen hat, seiner Aufgabe auch im strafrechtlichen
Bereich nachkommen kann. Da eine Konstituierung als Privatkläger gemäss Artikel 118 Absatz 3 StPO spätestens bis zum Abschluss der Vorverfahrens zu erfolgen hat, das Institut aber nicht wie ein Privatkläger im herkömmlichen Sinn aufgrund eigener Betroffenheit von einem Vorfall Kenntnis erhält, sind 149 150 151

SR 641.20 SR 631.0 SR 312.0

113

die kantonalen Staatsanwaltschaften verpflichtet, das Institut über die von ihnen geführten Verfahren im Zusammenhang mit heilmittelrechtlichen Widerhandlungen rechtzeitig zu orientieren.

Stehen dem Institut die gleichen Rechte wie einer Privatklägerschaft zu, so ist es nach erfolgter Konstituierung demnach auch berechtigt, Rechtsmittel im kantonalen Verfahren aus eigener Legitimation heraus zu ergreifen. Die Zuhilfenahme der Bundesanwaltschaft zur Einlegung von Rechtsmitteln, wie sie heute in gewissen Fällen aufgrund von Artikel 381 Absatz 4 StPO nötig ist, wird für diese Fälle somit hinfällig.

Art. 95b (neu)

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Aufgrund von Artikel 95b können Arzneimittel, die am 1. Januar 2002 in einem Kanton zugelassen waren und sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Änderung noch in Verkehr befinden, im entsprechenden Kanton weiterhin vertrieben werden.

Um das Risiko einer solchen geografisch begrenzten Verkehrsfähigkeit ohne Kontrolle durch das Institut angemessen einschränken zu können, müssen (wie im Bereich der von der Zulassung befreiten Formula-Arzneimittel nach Art. 9 Abs. 2 Bst. a­cbis HMG) die Zulassungsinhaberinnen sowie die zum Vertrieb, zur Abgabe und Anwendung befugten Fachpersonen ihre Pflichten im Umgang mit Arzneimitteln (insbesondere die Pflicht zur Meldung von Nebenwirkungen) wahrnehmen. Die örtlich zuständigen kantonalen Behörden sind ebenfalls in der Pflicht, den in ihrem Kanton zugelassenen Arzneimitteln (wie auch den ihrer Aufsicht unterstehenden Formula-Arzneimitteln nach Art. 9 Abs. 2 Bst. a­cbis HMG) im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktionen ein besonderes Augenmerk zu schenken. Präparaten, die sich als für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten gefährlich erweisen sollten, muss die Zulassung entzogen werden.

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass kantonal zugelassene Arzneimittel trotz der mit dieser Zulassung verbundenen Einschränkung der geografischen Verkehrsfähigkeit verschiedentlich ausserhalb des betreffenden Kantons vertrieben und abgegeben wurden. Zudem wurde bei den Konsumentinnen und Konsumenten oftmals der falsche Eindruck erweckt, diese Präparate seien vom Institut zugelassen und hätten eine entsprechende Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitskontrolle durchlaufen. Um die oben umschriebene Rechtfertigung für die Zulassungsbefreiung aufrechterhalten zu können, ist eine besondere Kennzeichnung kantonal zugelassener Arzneimittel erforderlich, um Täuschungen auszuschliessen. Als weitere Voraussetzung zur Begrenzung des Risikos ist vorgesehen, dass die Arzneimittel nur durch Fachpersonen abgegeben werden dürfen, die gestützt auf dieses Gesetz zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind (vgl. Art. 24 und 25 HMG).

Die heute geltende Übergangsregelung für kantonal zugelassene Arzneimittel (Art.

95 Abs. 2) läuft per Ende 2013 aus, soll aber durch die am 27. September 2012 eingereichte parlamentarische Initiative Gilli (12.471) «Erneute Verlängerung der kantonalen Zulassung von Arzneimitteln» bis zum 31. Dezember 2017 verlängert werden.

114

Aufhebung und Änderung bisherigen Rechts 1. Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005152 Art. 33 Bst. b Ziff. 5 (neu) Nach dem vorgeschlagenen Artikel 71 Absatz 3 HMG kann der Bundesrat Mitglieder des Institutsrats aus wichtigen Gründen während der Amtszeit abberufen. Eine solche Abberufung muss gerichtlich überprüft werden können. Dafür ist eine Ergänzung von Artikel 33 Buchstabe d des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 erforderlich.

2. Patentgesetz vom 25. Juni 1954153 Art. 46a Abs. 4 Bst. h Beim Versäumen der Frist für die Einreichung des Gesuchs um Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats (Art. 140f Abs. 1) ist die Weiterbehandlung ausgeschlossen154. In logischer Konsequenz soll dies auch beim Versäumen der Frist für die Einreichung eines Gesuchs um Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats gelten.

Art. 140a Abs. 1bis (neu) Die vorliegende Gesetzesrevision wird zum Anlass genommen, in Artikel 140a Absatz 1bis PatG für den Bereich der Arzneimittel die Begriffe des Wirkstoffs beziehungsweise der Wirkstoffzusammensetzung in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Rs. C-431/04, Massachusetts Institute of Technology155) zu präzisieren. Demnach sind Stoffe, die zur Zusammensetzung eines Arzneimittels gehören, aber keine medizinische Wirkung auf den menschlichen oder tierischen Organismus haben, im Begriff «Wirkstoff» nicht eingeschlossen. Der Begriff der «Wirkstoffzusammensetzung» eines Arzneimittels umfasst demzufolge auch keine Kombination aus zwei Stoffen, von denen nur einer eine medizinische Wirkung auf den Organismus hat.

Art. 140b Abs. 1 Bst. b und Abs. 2; 140e Abs. 1 und 3; 140f Abs. 1; 140i Abs. 1 Bst. c sowie Abs. 2 und 3; 140l Abs. 2 Mit der vorliegenden Revision sollen auch redaktionelle Anpassungen an das Heilmittelgesetz vorgenommen werden. Im Wesentlichen geht es darum, den veralteten Begriff «Genehmigung» durch «Zulassung» zu ersetzen.

152 153 154 155

SR 173.32 SR 232.14 Vgl. Botschaft zu einer Änderung des Patentgesetzes; BBl 1993 III 727.

Slg. 2006, I-04089.

115

2. Abschnitt: Verlängerung der Dauer der ergänzenden Schutzzertifikate für Arzneimittel Die Bestimmungen zur Verlängerung der Dauer der ergänzenden Schutzzertifikate bei Arzneimitteln werden in den 2. Abschnitt des 7. Titels des PatG eingefügt (Art. 140n­140s PatG). Die heutige Regelung zu den ergänzenden Schutzzertifikaten bei Pflanzenschutzmitteln wird demzufolge in einen neuen 3. Abschnitt (Art. 140t) verschoben.

Art. 140n (neu) Um den Anspruch auf eine Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats geltend machen zu können, muss mit dem Zulassungsgesuch ein Prüfkonzept einschliesslich der entsprechenden Ergebnisse der pädiatrischen Prüfungen eingereicht werden (vgl.

Erläuterungen zu Art. 11 Abs. 2 Bst. a Ziff. 6 und Art. 54a HMG). Das IGE gewährt die Verlängerung der Schutzdauer nur, falls die Zulassung eine Bestätigung enthält, wonach die Arzneimittelinformation die Ergebnisse aller Studien wiedergibt, die in Übereinstimmung mit dem bei der Zulassung berücksichtigten pädiatrischen Prüfkonzept durchgeführt worden sind.

Der Bonus der Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats wird für die Durchführung von Studien gemäss einem pädiatrischen Prüfkonzept gewährt und nicht für den Nachweis, dass ein Arzneimittel in einem Teil oder in der Gesamtheit der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe sicher und wirksam ist. Die Verlängerung wird daher auch dann gewährt, wenn die Anwendung des Arzneimittels mit dem Erzeugnis in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe schliesslich nicht zugelassen werden kann.

Damit die Fortschritte in der Medizin auch für die Pädiatrie umgesetzt werden können, sollen allerdings sämtliche relevanten Informationen über die Anwendung von Arzneimitteln in der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe allgemein verfügbar sein; aus diesem Grund sind die Ergebnisse der in Übereinstimmung mit einem pädiatrischen Prüfkonzept durchgeführten Studien in jedem Fall in die Arzneimittelinformation aufzunehmen (vgl. auch oben, Erläuterungen zu Art. 11b Absatz 4 HMG).

Art. 140o (neu) Eine Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats kommt nur dann in Frage, wenn ein Zertifikat erteilt wurde. Das Gesuch um Verlängerung der Schutzdauer kann daher nicht vor dem Gesuch um Erteilung eines Zertifikats gestellt werden.

Der Öffentlichkeit ­ und vor allem den Konkurrenten ­ soll möglichst frühzeitig und mit
Bestimmtheit bekannt sein, ab wann ein Erzeugnis nicht mehr geschützt sein wird. Studien zur Anwendung des entsprechenden Arzneimittels in der Pädiatrie werden zudem künftig auch in der Schweiz generell zu einem festen Bestandteil der Arzneimittelentwicklung. Grundsätzlich ist es daher möglich, dass die Zulassungsinhaberin bereits im Zeitpunkt der Zulassung über die zur Einreichung des Gesuchs um Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats erforderlichen Unterlagen verfügt.

In Abwägung der verschiedenen Interessen und in Anlehnung an die Bestimmungen der EU (vgl. Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009) muss das Gesuch um Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats grundsätzlich spätestens zwei Jahre vor Ablauf des Zertifikats gestellt werden.

116

Ziel des Bonus einer Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats ist, die Entwicklung von Arzneimitteln zur Verwendung bei der pädiatrischen Bevölkerungsgruppe zu fördern und den Zugang zu diesen Arzneimitteln zu erleichtern. Die absolute Frist zur Einreichung des Gesuchs von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der ersten Zulassung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit dem Erzeugnis im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), ausgenommen Liechtenstein, stellt sicher, dass ein aufgrund neuer Daten für die Kinder entwickeltes beziehungsweise an sie angepasstes Arzneimittel in der Schweiz rasch und vorzugsweise zeitgleich wie im EWR (ausgenommen Liechtenstein) zur Verfügung steht. Es wird verhindert, dass eine Zulassungsinhaberin noch Jahre nach einer Arzneimittel-Zulassung in den Ländern der EU oder in Norwegen und Island mit den identischen ­ mittlerweile veralteten ­ pädiatrischen Daten in den Genuss des Bonus auch in der Schweiz kommen kann. In der Schweiz zugelassene Arzneimittel sind grundsätzlich spätestens ein Jahr später auch in Liechtenstein zugelassen156. Was die Zulassung von Arzneimitteln anbelangt, besteht zwischen Liechtenstein und der Schweiz somit eine enge Verbindung.

Liechtenstein ist allerdings Mitglied des EWR und gemäss Urteil des EuGH vom 21. April 2005157 gelten im heutigen Zeitpunkt Schweizer Arzneimittelzulassungen, die von Liechtenstein anerkannt werden, als Zulassungen im EWR-Raum.

Gemäss Artikel 36 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 wird bei Anwendung der Verfahren der Richtlinie 2001/83/EG die Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats nur dann gewährt, wenn das Arzneimittel in allen Mitgliedstaaten zugelassen ist. Auf eine analoge Regelung in der Schweiz wurde verzichtet: Einerseits partizipiert die Schweiz nicht am oben erwähnten Zulassungsverfahren und andererseits würde dies für sie zu einer Verzögerung bei der Umsetzung der aus den pädiatrischen Studien gewonnen Erkenntnisse führen.

Art. 140p (neu) Die Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats erfolgt, wie die Erteilung des Patents (vgl. Art. 60 Abs. 1 PatG) und des Zertifikats (vgl. Art. 140g PatG), durch entsprechende Eintragung im Patentregister durch das IGE.

Durch die Verlängerung der Schutzdauer von sechs Monaten kann die maximale Schutzdauer von fünf Jahren gemäss Artikel 140e Absatz 2
überstiegen werden.

Art. 140q (neu) An dieser Stelle wird die gesetzliche Grundlage für die Erhebung einer Verlängerungsgebühr geschaffen. Die Regelung steht im Einklang mit Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009.

156

Vgl. Notenaustausch vom 11. Dezember 2001 zwischen der Schweiz und Liechtenstein betreffend die Geltung der schweizerischen Heilmittelgesetzgebung in Liechtenstein (SR 0.812.101.951.4) sowie die Ergänzungsvereinbarung vom 21. Mai 2012 zum erwähnten Notenaustausch (SR 0.812.101.951.41) bzw. Vertrag vom 29. März 1923 zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet (SR 0.631.112.514).

157 Verbundene Rechtssachen C-207/03 und C-252/03.

117

Art. 140r (neu) Diese Bestimmung gibt dem IGE die Berechtigung, die gewährte Verlängerung der Schutzdauer des Zertifikats wieder aufzuheben, wenn diese entweder bereits im Widerspruch zu Artikel 140n PatG gewährt wurde (ursprüngliche Fehlerhaftigkeit) oder wenn sie Artikel 140n PatG nachträglich widerspricht (nachträgliche Fehlerhaftigkeit). Es kann von Amtes wegen oder auf entsprechendes Gesuch hin tätig werden (vgl. Abs. 2).

Die ausdrückliche Legitimation jeder Drittperson zur Stellung eines Widerrufsantrags stellt klar, dass dieser Person ein Rechtsanspruch auf Behandlung ihres Antrags zusteht. Es handelt sich damit um ein förmliches Rechtsmittel.

Art. 140s (neu) Im Interesse der Flexibilität sollen auf Gesetzesstufe nur die Grundzüge geregelt werden, während Einzelheiten insbesondere des Verfahrens und der erforderlichen Veröffentlichungen auf Verordnungsstufe geregelt werden. Absatz l gibt die Ermächtigung dazu.

Der Bundesrat wird sich am Regelungsgehalt von Artikel 52 der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 orientieren (Abs. 2).

Art. 140t (neu) Absatz 1 und 2 entsprechen der heutigen Regelung (Art. 140n). Neu soll analog zu Artikel 140a Absatz 1bis der Begriff «Wirkstoff» für den Bereich der Pflanzenschutzmittel ebenfalls definiert werden (Abs. 3). Dabei wird die Definition gemäss der Verordnung (EG) Nr. 1610/96 übernommen.

Art. 149 (neu) Den Inhabern eines Zertifikats soll es während einer Übergangszeit möglich sein, das Gesuch um Verlängerung der Schutzdauer grundsätzlich auch später als zwei Jahre vor Ablauf des Zertifikats zu stellen.

Die absolute Frist zur Einreichung des Gesuchs von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der ersten Zulassung eines Arzneimittels mit dem Erzeugnis im EWR, ausgenommen Liechtenstein (Art. 140o Abs. 1), soll in Fällen, in denen diese Zulassung bereits vor Inkrafttreten der vorliegenden Gesetzesrevision erteilt wurde, während der Übergangszeit dahingehend verlängert werden, dass das Gesuch bis spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieser Gesetzesrevision gestellt werden kann.

3. Strafgesetzbuch158 Art. 102 Abs. 2 StGB Die Erweiterung des Straftatenkatalogs bei der parallelen (konkurrierenden, primären) Unternehmenshaftung mit Artikel 57a Absatz 1 HMG soll dem Umstand Rechnung tragen, dass Verstösse gegen dieses Vorteilsverbot erfahrungsgemäss im 158

118

SR 311.0

Interesse und mit Billigung der beteiligten Unternehmen begangen werden oder auf unterlassene bzw. ungenügende organisatorische Vorkehren dieser Unternehmen zurückzuführen sind, solche Verstösse zu verhindern. Dementsprechend figurieren die aktiven Korruptionsdelikte des Strafgesetzbuchs (Art. 322ter, 322quinquies und 322septies StGB) und des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (Art. 4a Abs. 1 Bst. a UWG) bereits heute im Straftatenkatalog von Art. 102 Abs. 2 StGB.

Als Unternehmen im Sinne von Artikel 102 Absatz 2 StGB gelten juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts (letztere mit Ausnahme der Gebietskörperschaften) sowie Gesellschaften und Einzelfirmen (vgl. Art. 102 Abs. 4 StGB).

Dieser Begriff des «Unternehmens« («entreprise», «impresa») ist demnach weitestgehend deckungsgleich mit demjenigen der «Organisation» im Sinne des Artikels 57a HMG bzw. demjenigen des «Geschäftsbetriebs («entreprise», «azienda») im neu vorgeschlagenen Artikel 89 HMG (welcher auf die Sachüberschrift zu Art. 6 VStrR verweist).

4. Bundesgesetz vom 18. März 1994159 über die Krankenversicherung Art. 82a (neu) Kontrolle der Weitergabe von Vergünstigungen sowie Art. 92 Abs. 2 (neu) Beim Vollzug von Artikel 56 Absatz 3 KVG besteht Handlungsbedarf160. Vorgeschlagen wird daher, dass ­ soweit es um die Weitergabe direkter oder indirekter Vergünstigungen bei der Lieferung von Heilmitteln161 geht ­ sowohl der Vollzug als auch die Strafverfolgung auf Ebene des Bundes anzusiedeln ist, um damit eine Übereinstimmung mit dem Vollzug von Artikel 57a­57c HMG zu erreichen. Damit wird einerseits der Vollzug dieser Pflichten auf eine Verwaltungseinheit konzentriert und andererseits der Vollzug im Bereich des KVG auf Ebene des Bundes konzentriert, was die Durchsetzbarkeit des Regelwerks vereinfacht.

Entsprechend ist ein neuer Artikel 82a zu schaffen, der dem Bundesamt (BAG) die Kompetenz zur Kontrolle des Vollzugs von Artikel 56 Absatz 3 Buchstabe b KVG überträgt. Diese Zusammenfassung erfolgt unabhängig davon, ob die Produkte auch von den entsprechenden Bestimmungen des Heilmittelrechts erfasst werden: Auch Produkte, die von den Bestimmungen bezüglich geldwerte Vorteile im Heilmittelrecht nicht betroffen sind, unterliegen gestützt auf das KVG einer Weitergabepflicht, sofern sie auf einer der Listen für kassenzulässige Arzneimittel, Mittel und Gegenstände figurieren (vgl. Art. 52 KVG). Das Bundesamt ist befugt, bei Versicherern und Leistungserbringern sowie deren Lieferanten sämtliche dafür notwendigen Angaben zu erheben und nötigenfalls die Weitergabe von Vergünstigungen zu verfügen, entweder an die versicherten Personen oder deren Versicherern oder aber ­ sofern diese nicht mit vernünftigem Aufwand eruiert werden können ­ an die oben erwähnte Gemeinsame Einrichtung nach Artikel 18 KVG.

Um die Strafverfolgung durch den Bund zu ermöglichen, ist Artikel 92 mit einem zweiten Absatz zu ergänzen, der in Abweichung von Artikel 79 Absatz 2 des Bun159 160 161

SR 832.10 Vgl. oben, Ausführungen in Ziffer 1.2.3.

Gemäss Wortlaut von Art. 56 Abs. 3 Bst. b KVG: «Arzneimittel oder der Untersuchung oder Behandlung dienende Mittel oder Gegenstände».

119

desgesetzes vom 6. Oktober 2000162 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) dem Bundesamt die Strafverfolgung bei Widerhandlungen gegen Artikel 56 Absatz 3 Buchstabe b ermöglicht.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Im Allgemeinen

Zur Anpassung des Instituts an die 28 Leitsätze der Corporate Governance wurden bereits Massnahmen umgesetzt, welche beim Bund zu folgenden Änderungen geführt haben: ­

Übergang der Kontrollfunktion gegenüber dem Institut vom BAG an das Generalsekretariat des EDI (GS EDI). Das GS EDI nimmt diese neue Funktion bereits seit dem 1. Januar 2007 wahr. Dazu wurde eine interne Umstrukturierung ohne Schaffung von zusätzlichen Stellen vorgenommen. Damit das GS EDI diese zusätzliche Aufgabe übernehmen kann, finanzieren das BAG zwei Drittel und das Institut einen Drittel einer 30-Prozent-Stelle;

­

Genehmigung des Leistungsauftrags 2007­2010 (Ende 2006), der die Produkte des Instituts und deren Finanzierungsart festlegt (Bundesbeiträge, Gebühren, Abgaben) und eine Verringerung des Bundesbeitrags um 4 Prozent vorsah;

­

Genehmigung des Leistungsauftrags 2011­2014 (Ende 2010), der eine Reduktion der durch den Bund finanzierten Produktegruppen von sieben auf fünf und eine weitere lineare Verringerung des Bundesbeitrags von insgesamt 9 Prozent innert vier Jahren vorsieht.

Die vorliegende Revision des Heilmittelgesetzes hat nun folgende weitere Anpassungen zur Folge: ­

Ausbau der Autonomie des Instituts, vor allem durch eine Konsolidierung der Zuständigkeiten des Institutsrates. Diese verschiedenen Anpassungen erfordern keine zusätzlichen personellen Ressourcen;

­

Vereinfachung der Prozesse des Instituts (zum Beispiel vom Institutsrat erarbeitete strategische Ziele, strukturelle Organisation des Instituts anhand von Produkten) und der administrativen Abläufe sowie Minimierung der potenziellen Interessenkonflikte (Regeln bezüglich Interessenkonflikten innerhalb des Institutsrats im Fall von Verbindungen zur Pharmaindustrie).

3.1.2

Auswirkungen auf das BAG

Bei den nachfolgenden Angaben wird von einer Inkraftsetzung des revidierten Heilmittelgesetzes auf Beginn des Jahres 2016 ausgegangen. Der für den Vollzug der Bestimmungen zum Vorteilsverbot im Bereich des HMG (neu in Art. 57a ff.

HMG) und zum Weitergabegebot im Bereich des KVG (Art. 56 Abs. 3 Bst. b KVG) 162

120

SR 830.1

ausgewiesene Ressourcenbedarf (ab 2016) wird in Kenntnis des Ergebnisses der parlamentarischen Beratung genauer zu evaluieren sein. Dasselbe gilt für die Betriebsphase der nationalen Datenbank für die Kinderheilkunde (ebenfalls ab 2016).

Vollzug im Bereich der geldwerten Vorteile Der Vollzug der Bestimmungen zum Vorteilsverbot (neu in Art. 57a ff.) sowie zum Weitergabegebot im Bereich des KVG (Art. 56 Abs. 3 Bst. b KVG) soll neu zusammengeführt und durch eine Bundesbehörde (das BAG) sichergestellt werden.

Die vom BAG wahrzunehmenden Aufgaben umfassen nicht nur Tätigkeiten im Rahmen der behördlichen Marktüberwachung (u. a. Entgegennahme und Auswertung von Meldungen des Instituts, der Kantone oder von Dritten, Durchführung von Kontrollen, Feststellung des Sachverhaltes, Evaluation/Festlegung der erforderlichen Massnahmen, Erlass von Verfügungen, Begleitung allfälliger Beschwerdeverfahren), sondern auch die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren (u. a. Durchführen der Untersuchungen, Erlass der Strafbescheide, Vertretung der Anklage vor kantonalen Gerichten) und allgemeine Informationstätigkeiten.

Der Vollzug von Artikel 33 HMG wird heute mit einem Aufwand bewerkstelligt, der sich im Bereich einer Vollzeitstelle bewegt.

Zusammen mit der Schaffung der entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen auch die entsprechenden personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Nur so lässt sich das Ziel eines effizienteren und schlagkräftigeren Vollzugs erreichen. Zu berücksichtigen ist einerseits die Erweiterung der Bestimmungen zum Verbot geldwerter Vorteile von Artikel 57a ff. (insbesondere Transparenz- und Offenlegungspflicht gemäss Art. 57c HMG, Einbezug der Medizinprodukte) und andererseits der Einbezug des Vollzugs von Artikel 56 Absatz 3 Buchstabe b KVG.

Angesichts dieser neuen Vollzugsaufgaben und gestützt auf die Erfahrungswerte im Vollzug der heutigen Regelung betreffend Verbot geldwerter Vorteile (Art. 33 HMG) sind folgende personellen Ressourcen notwendig: ­

Aufbauphase (2014/2015): 200 Stellenprozente für den Aufbau und die Organisation des Vollzugs in den Bereichen HMG und KVG (Festlegen der internen Abläufe, Erstellen von Arbeitshilfen, Vorbereitung der Übernahme laufender Verfahren des Instituts usw.).

­

Vollzugsphase (ab 2016): 350 Stellenprozente für den Vollzug im Bereich der Marktüberwachung/ Verwaltungsmassnahmeverfahren sowie 150 Stellenprozente für die Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren.

Die Wahrnehmung dieser Aufgaben (die Marktüberwachung bzw. das Verwaltungsmassnahmeverfahren einerseits, das Verwaltungsstrafverfahren andererseits) hat personell getrennt zu erfolgen, was sich auf den Ressourcenbedarf auswirkt.

Aus heutiger Sicht ist zu erwarten, dass die dem BAG für den Vollzug des Verbots geldwerter Vorteile (Art. 57a ff. HMG) sowie des Weitergabegebots (Art. 56 Abs. 3 Bst. b KVG) zu sprechenden zusätzliche Ressourcen etwa zu 10 bis 20 Prozent durch die zu erwartenden Mehreinnahmen des Bundes gedeckt werden können.

121

Aufbau einer nationalen Datenbank in der Pädiatrie Der gesamte Prozess zum Aufbau einer nationalen Datenbank in der Pädiatrie wird vermutlich rund drei Jahre dauern und Kosten von 1,2 Millionen Franken verursachen, also rund 400 000 Franken jährlich. Die geschätzten Kosten für den weiteren Betrieb der Datenbank belaufen sich auf rund 250 000 Franken pro Jahr. Im Vergleich zu den Kosten, die jährlich für die Folgen von Medikationsfehlern bei Kindern ausgegeben werden, stellt die Datenbank eine kostengünstige Massnahme zur Reduzierung dieser Ausgaben dar.

Die Arbeiten lassen sich in eine Aufbauphase (2014­2016) sowie in eine Betriebsphase (ab 2017) unterteilen: In der Aufbauphase koordiniert der Bund die Zusammenarbeit zwischen den Kinderkliniken. Insbesondere wird die Harmonisierung der Anwendungsdaten vorangetrieben.

Die Kantone (Gesundheitsdirektorenkonferenz; GDK) haben ab 2014 einen finanziellen Beitrag von 100 000 Franken jährlich an den Aufbau und den Betrieb der Datenbank zugesagt (Entscheid Plenarversammlung GDK vom 31. Mai 2012). Die restlichen Aufwendungen in der Aufbauphase (ca. Fr. 300 000/Jahr) werden durch den Bund zu decken sein.

Die Kosten in der Betriebsphase von ca. 250 000 Franken jährlich werden durch die Kantone (Fr. 100 000) und durch den Bund (Fr. 150 000) getragen. Nach geltender Kompetenz- und Aufgabenverteilung im Gesundheitsbereich sind die Kantone für die Sicherstellung und damit die Organisation der Gesundheitsversorgung zuständig.

Weil die geplante Datenbank in der Pädiatrie einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität und der Effizienz der Gesundheitsversorgung leisten wird, rechtfertigt sich die Finanzierungsbeteiligung der Kantone. Die Finanzierung der Datenbank soll in einer Rahmenvereinbarung mit der GDK geregelt werden.

3.1.3

Auswirkungen auf das Institut

Die Umsetzung der Motion SGK-N (07.3290) «Neue Regelung der Selbstmedikation» hat eine Neustrukturierung der Abgabekategorien zur Folge. Die Überprüfung der Abgabekategorien B bis D erfolgt in zwei Etappen und verursacht beim Institut einen zusätzlichen, zeitlich befristeten Personalbedarf von insgesamt 23 Personenjahren (inkl. Aufwand für Kommissionen).

Die Erweiterung der Meldepflicht auf Beobachtungen schwerwiegender oder anderer bisher nicht bekannter Tatsachen sowie auch die Ausweitung des Melderechtes auf Angestellte und Personen von Organisationen die im Bereich Herstellung, Vertrieb Verschreibung und Abgabe von Heilmitteln tätig sind, werden zu einer erheblichen Zunahme von Meldungen führen. Seit Einführung der gesetzlichen Meldepflicht hat sich die Anzahl der Meldungen bereits mehr als verdoppelt. Die vorgesehene und aus Sicht der Heilmittelsicherheit zweckmässige Erweiterung wird zu einem erheblichen Mehraufwand des Instituts führen. Dies sowohl in der Auswertung der Meldung, der Evaluation von Signalen aber auch in der Durchsetzung von Massnahmen. Wenn die Meldezahl um rund 15 Prozent pro Jahr steigt, resultiert ein Mehraufwand von mindestens sechs Vollzeitstellen (Arzneimittel-, Blutprodukte- und Materiovigilance, aber auch für die Bearbeitung von Qualitätsmängelanzeigen).

122

Auch die Umsetzung der gezielten Marktüberwachung neuer Arzneimittel mittels Pharmacovigilance-Planung wird für das Institut trotz internationaler Vernetzung zu einem geschätzten Mehraufwand von rund 3 Vollzeitstellen führen.

Die konsequente Umsetzung der internationalen Vorgaben im Bereich der «Guten Vigilance-Praxis» erfordert einerseits eine Schulung, andererseits auch die Durchführung entsprechender Inspektionen durch das Institut. Für den Aufbau innert rund drei Jahren sollten mindestens drei fachspezifische Inspektorenstellen geschaffen werden können.

Mit dem Transfer des Vollzugs von Artikel 33 HMG (neu Art. 57a) zum BAG werden beim Institut gewisse Ressourcen frei. Dies würde auf den ersten Blick eine Entlastung des Bundeshaushalts durch eine Senkung des Bundesbeitrags an das Institut in dem Umfang rechtfertigen, in dem die vom Institut zur Zentralverwaltung verschobenen Teilaufgaben bisher durch Bundesbeiträge finanziert wurden. Der heutige Vollzug von Artikel 33 HMG wird jedoch ­ mit Ausnahme der Aufgaben im Bereich des Strafrechts nach Ziffer 9 Absatz 1 des Leistungsauftrags 2011­2014 des Bundesrates an das Institut ­ nicht durch den Bundesbeitrag, sondern vorwiegend durch die Aufsichtsabgabe gemäss Artikel 65 Absatz 2 HMG finanziert. Diesem Umstand wird bei der zukünftigen Festlegung des Bundesbeitrags im Rahmen des neuen Leistungsauftrags (ab 2015) Rechnung zu tragen sein.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden

Die Regelung der vor dem Inkrafttreten des Heilmittelgesetzes lediglich kantonal zugelassenen Arzneimittel sieht vor, dass diese Arzneimittel wie bis anhin unter kantonaler Aufsicht in Verkehr gebracht werden können (siehe Art. 95b). Zur Minimierung des Risikos wird klargestellt, dass die betreffenden Arzneimittel ausschliesslich im betreffenden Kanton und nur durch Personen mit anerkannter Ausbildung abgegeben und angewendet werden dürfen und entsprechend zu kennzeichnen sind. Damit sind für die Kantone kaum grössere Auswirkungen zu erwarten.

Artikel 30 verpflichtet die Kantone, Qualitätssicherungssysteme im Medikationsprozess zu fordern und zu überprüfen. Dabei nehmen sie Rücksicht auf die Art und Grösse des Betriebs. Auch die Koordination der Erfassung und Prävention wichtiger Medikationsprobleme bleibt in ihrer Kompetenz.

Die geplante Datenbank in der Pädiatrie leistet einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den Kantonen. Demzufolge sollen diese bei Aufbau und Betrieb dieser Datenbank beteiligt sein. Zudem rechtfertigt sich eine finanzielle Beteiligung der Kantone. Die entsprechenden Details sind zu gegebener Zeit von Bund und Kantonen gemeinsam festzulegen und in einer Rahmenvereinbarung festzuhalten (siehe Ziff. 3.1.2).

123

3.3

Volkswirtschaftliche und andere Auswirkungen

3.3.1

Pharma- und Medizinprodukteindustrie

Die Pharmaindustrie sieht sich im Bereich der Kinderarzneimittel einerseits zusätzlichen Verpflichtungen beziehungsweise erhöhten Anforderungen und demzufolge vermehrtem Aufwand gegenüber, andererseits wird die Entwicklung nach pädiatrischen Prüfkonzepten durch zum Beispiel einen erweiterten Unterlagenschutz oder eine Verlängerung von ergänzenden Schutzzertifikaten zumindest teilweise «entschädigt».

Die vorgeschlagenen, stark erleichterten Verfahren im Bereich der Zulassung von Komplementärarzneimitteln ohne Indikationsangabe haben zur Folge, dass die im Bereich der Herstellung von Komplementärarzneimitteln dominierenden KMU vom Nachweis der Wirksamkeit ihrer Präparate entbunden und damit finanziell entlastet werden. Diese Zulassungen erfolgen zwar immer noch risikobasiert (Fokussierung auf die Aspekte der Qualität und Unbedenklichkeit unter Ausklammerung der Wirksamkeit), die gewährten Erleichterungen sind aber bedeutend weitreichender als international (insbesondere in der EU) üblich.

Die Möglichkeit einer reinen Meldepflicht für Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe sowie zur zulassungsbefreiten Herstellung von kleinen Mengen bis zu 100 Packungen pro Jahr wird in einer vom BAG und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Auftrag gegebene Regulierungsfolgenabschätzung (RFA zur vereinfachten Zulassung)163 als positiv für die Herstellerinnen beurteilt, da sich Einsparungen bei den Zulassungskosten, Anreize zu Innovation, grössere unternehmerische Freiheit sowie positive Auswirkungen auf die Ausdehnung des Marktpotenzials für Kleinmengen ergeben.

Die Einführung von vereinfachten Zulassungsmöglichkeiten für traditionelle Arzneimittel mit Indikationsangabe, von welchen auch die bisher kantonal zugelassenen Arzneimittel profitieren können, werden im Rahmen der RFA ebenfalls als positiv für die wirtschaftlichen Bedingungen auf dem Arzneimittelmarkt beurteilt. Dies aber nur so lange, bis alle traditionellen Arzneimittel erfasst sind, da neue Arzneimittel definitionsgemäss nicht von diesen Regelungen profitieren können.

Die RFA zur vereinfachten Zulassung hat gezeigt, dass die Komplementärarzneimittel (Homöopathika, Anthroposophika sowie asiatische Arzneimittel) nur ungefähr 20 Prozent des gesamten Marktvolumens von Komplementär- und Phytoarzneimitteln (Gesamtvolumen ca. 220 Mio. Franken)
ausmachen und somit insbesondere bei den Phytotherapeutika, welche rund 80 Prozent des Marktvolumens ausmachen, Handlungsbedarf besteht. Im Rahmen der RFA wurde deshalb der Vorschlag, auch Phytotherapeutika im Rahmen eines Meldeverfahrens zulassen zu können, geprüft.

Die Studie kommt zum Schluss, dass dadurch eine Verbesserung des Angebots sowie eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Schweizer KMU zu erwarten sind. Eine Verschlechterung der Arzneimittelsicherheit sei nicht zu erwarten, sofern flankierende Massnahmen getroffen werden. Vorgeschlagen wird die Sicherstellung einer adäquaten Ausbildung von Therapeutinnen und Therapeuten.

163

124

«Regulierungsfolgenabschätzung zur Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) ­ Teilprojekt vereinfachte Zulassung von Komplementär- und Phytoarzneimitteln», Infras, 2011, im Auftrag des BAG und des SECO.

Die oben erwähnten, im Vergleich zu den Regelungen der EU weitergehenden Erleichterungen im Bereich der Komplementärarzneimittel werden sich somit positiv auf die Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer auswirken. Es kann aber nicht völlig ausgeschlossen werden, dass in diesem Bereich erteilte Schweizer Arzneimittelzulassungen im Ausland zukünftig nicht im gleichen Umfang wie bisher anerkannt werden (vgl. auch Ziff. 5.2).

Die Forderung, auch für Phytotherapeutika die Möglichkeit der Zulassung ohne Indikationsangabe zu schaffen, wurde von den betroffenen Kreisen auch im Rahmen der Vernehmlassung vorgebracht. In der Terminologie des HMG werden die Phytoarzneimittel aber (aktuell) nicht vom Begriff «Komplementärarzneimittel» erfasst, weil für diese kein spezielles Therapieprinzip beschrieben ist. In der RFA zur vereinfachten Zulassung wird hierzu festgehalten, dass zur genauen Ausgestaltung eines Meldeverfahrens für Phytoarzneimittel weitere Diskussionen stattfinden müssten. In diesem Zusammenhang müsste auch die Ausbildung der verschreibenden und abgebenden Personen berücksichtig werden, weshalb parallel zur Heilmittelgesetzgebung die entsprechende Gesetzgebung im Bereich Berufsbildung angepasst werden müsste. Die Schaffung von eidgenössischen höheren Fachprüfungen für die nicht ärztlichen Therapeuten im Bereich Komplementärmedizin ist beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden der nichtärztlichen Komplementär- und Alternativmedizin im Gange164.

Für Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen mit geringem Risikopotenzial (z. B.

Tees, Bonbons) sieht der vorliegende Gesetzesentwurf die Möglichkeit eines Meldeverfahrens vor (Art. 15 Abs. 1 Bst. b).

Die Pharmaindustrie wird neu gesetzlich verpflichtet, sich bei der Erfüllung Ihrer Meldepflichten an die Regeln der Guten Vigilance-Praxis (Art. 59 Abs. 5) zu halten und für Arzneimittelzulassungen bei Vorliegen der erforderlichen Kriterien einen Pharmacovigilance-Plan (Art. 11 Abs. 2 Bst. a Ziff. 5) zu erstellen und dem Institut vorzulegen.

Die Optimierung der Regulierung und die Stärkung des Vollzugs im Zusammenhang mit den geldwerten Vorteilen bringen für die Betroffenen grössere Klarheit in Bezug auf deren Zulässigkeit.

3.3.2

Handel und berufsmässige Anwenderinnen und Anwender

Der Handel (Gross-/Detailhandel) wird neu verpflichtet, ein der Art und Grösse des Betriebs angepasstes Qualitätssicherungssystem für die Abgabe von Arzneimitteln zu betreiben.

Die Ausweitung der selbstständigen Abgabekompetenzen für Apothekerinnen und Apotheker sowie Drogistinnen und Drogisten dürfte die wirtschaftliche Situation dieser Berufsgruppen verbessern. Die Menge an abgegebenen Arzneimitteln im Rahmen der Selbstmedikation wird sich eher vergrössern, die Menge der über eine ärztliche Verschreibung bezogenen Arzneimittel abnehmen. Dies wird wiederum zur Folge haben, dass die Krankenversicherer entlastet werden. Noch nicht beziffert

164

Vgl. www.oda-am.ch und www.oda-kt.ch.

125

werden können die Auswirkungen für die Heilmittelindustrie, welche die Kennzeichnung dieser Arzneimittel (aktuell Abgabekategorien B und C) anpassen muss.

Die vorgeschlagenen Erleichterungen in der Zulassung werden im Rahmen der RFA zur vereinfachten Zulassung165 bezüglich Auswirkungen auf den Grosshandel, Detailhandel und auch die Ärztinnen und Ärzte sowie Therapeutinnen und Therapeuten positiv beurteilt. Aufgrund der vereinfachten Marktzutrittsbedingungen kann von einem Umsatzzuwachs sowie einer Angebotssteigerung ausgegangen werden.

3.3.3

Patientinnen und Patienten und Konsumentinnen und Konsumenten

Die vorgeschlagenen Vereinfachungen des Zulassungsverfahrens für Komplementärarzneimittel ohne Indikationsangabe sowie für traditionelle Arzneimittel folgen einem breit abgestützten politischen Bedürfnis und können gemäss RFA zur vereinfachten Zulassung166 zu einer Verbesserung des Angebotes führen. Die hierbei stattfindende Fokussierung auf die Aspekte der Qualität und Unbedenklichkeit unter Minimierung der Auflagen bezüglich des Nachweises der Wirksamkeit setzt aber voraus, dass die reduzierte behördliche Begutachtung durch eine entsprechende Kennzeichnung der betroffenen Präparate transparent gemacht wird. Nur so wird es den Patientinnen und Patienten ermöglicht, in aufgeklärter Art und Weise zwischen verschiedenen Arzneimitteltypen auszuwählen. Zudem bedingt die reduzierte behördliche Vorkontrolle eine entsprechend verstärkte Beratung durch die verschreibenden, abgebenden, und anwendenden Fachpersonen, um so ein angemessenes Sicherheitsniveau sicherzustellen.

Bei den Kinderarzneimitteln verbessert sich die Verfügbarkeit altersgerechter Präparate, was zusammen mit der transparenteren Information der Fachpersonen die Medikationssicherheit erhöht. Damit können die Therapiesicherheit verbessert und die durch Medikationsfehler verursachten Kosten verringert werden.

Die Massnahmen zur Regelung der geltenden Vorteile dürften über ihre mengendämpfende Wirkung auch die Kosten- und damit die Prämienentwicklung bremsen.

3.4

Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein

Die schweizerische Heilmittelgesetzgebung ist gemäss Notenaustausch vom 11. Dezember 2001167 zwischen der Schweiz und Liechtenstein betreffend die Geltung der schweizerischen Heilmittelgesetzgebung in Liechtenstein beziehungsweise gemäss Zollvertrag vom 29. März 1923168 zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein auch im Fürstentum Liechtenstein anwendbar. Massgebend ist auch die Ergänzungsvereinbarung vom 21. Mai 2012169 zum oben erwähnten Notenaustausch. Die Prüfung des Umfangs der Anwendbarkeit der vorliegenden 165 166 167 168 169

126

Vgl. Fussnote 163.

Vgl. Fussnote 163.

SR 0.812.101.951.4 SR 0.631.112.514 Ergänzungsvereinbarung vom 21. Mai 2012 zum Notenaustausch betreffend die Geltung der schweizerischen Heilmittelgesetzgebung in Liechtenstein vom 11. Dezember 2001 über die Zulassung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen; SR 0.812.101.951.41.

Änderungen des HMG erfolgt im Rahmen des regulären Bereinigungsverfahrens der Anlagen zum Zollvertrag.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage wurde in der Botschaft vom 23. Januar 2008170 über die Legislaturplanung 2007­2011 angekündigt. Aufgrund des Revisionsumfangs und der Komplexität der Materie konnte diese aber nicht wie angekündigt verabschiedet werden.

Die Vorlage ist nun in der Botschaft vom 25. Januar 2012171 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Verfassungsgrundlagen für das zur Änderung vorgeschlagene Gesetz finden sich in den Artikeln 95 Absatz 1 und 118 Absatz 2 BV. Für die hier vorgeschlagenen Änderungen ist Artikel 118 Absatz 2 BV (Schutz der Gesundheit) massgebend.

Gestützt auf diese Bestimmung erlässt der Bund Vorschriften u. a. über den Umgang mit Heilmitteln.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Alle vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.

Aufgrund des Abkommens vom 21. Juni 1999172 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen können in denjenigen Produktbereichen, in welchen die anwendbare Gesetzgebung der Schweiz und der EU als gleichwertig gilt, Konformitätsbewertungen gegenseitig anerkannt werden.

Im Heilmittelbereich werden einerseits die Medizinprodukte (Kapitel 4) und andererseits die Inspektion der guten Herstellungspraxis für Arzneimittel (Good Manufacturing Practice, GMP) und die Zertifizierung der Chargen (Kapitel 15) vom Abkommen erfasst. Kapitel 15 gilt für alle Arzneimittel, die in der Schweiz und in der EU industriell hergestellt werden und für die die Anforderungen an die gute Herstellungspraxis gelten. Die mit der vorliegenden Revision vorgenommenen Anpassungen lassen die in den erwähnten Bereichen anerkannte Gleichwertigkeit der entsprechenden technischen Bestimmungen der EU und der Schweiz unberührt.

Schliesslich bleibt noch festzuhalten, dass bei den übrigen hier zur Diskussion stehenden Regelungen keine Verpflichtung der Schweiz zur Übernahme von EURecht besteht (autonomer Nachvollzug). Die politisch verlangten Erleichterungen 170 171 172

BBl 2008 824 BBl 2012 616 SR 0.946.526.81

127

der Zulassungsvoraussetzungen für sogenannte Naturarzneimittel können potenziell dazu führen, dass für solche Arzneimittel erteilte Schweizer Zulassungen in anderen Ländern nicht im gleichen Umfang wie bisher anerkannt werden.

5.3

Erlassform

Die Vorlage beinhaltet wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die nach Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind. Die vorliegende Revision des Heilmittelgesetzes erfolgt demzufolge im normalen Gesetzgebungsverfahren.

5.4

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die Revisionsvorlage enthält im Vergleich zum geltenden Recht zusätzliche Delegationsnormen zum Erlass von Verordnungsrecht. Der Bundesrat als Verordnungsinstanz darf damit innerhalb der vom Gesetz beschriebenen Grenzen gesetzesergänzendes Verordnungsrecht erlassen. Diese Delegationen betreffen Regelungen, deren Details den Konkretisierungsgrad der Gesetzesebene wesentlich überschreiten würden. Verfassungsrechtlich müssen sich Delegationsermächtigungen auf einen bestimmten Regelungsgegenstand beschränken, dürfen also nicht unbegrenzt sein.

Die Rechtsetzungsermächtigungen des Vorentwurfs beschränken sich deshalb jeweils auf einen bestimmten Regelungsgegenstand und sind nach Inhalt, Zweck, und Ausmass hinreichend konkretisiert. Die eingeräumte Verordnungskompetenz wird damit dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht und ist somit verfassungsrechtlich ausreichend umrissen.

Beispielsweise kann im Heilmittelgesetz die Ausgestaltung des pädiatrischen Prüfkonzepts nicht selber umfassend geregelt werden. Diese Elemente unterliegen der wissenschaftlichen Entwicklung. Unter diesen Umständen muss sich der Gesetzesvorentwurf teilweise darauf beschränken, den Rahmen zu setzen und das Weitere dem Bundesrat als Verordnungsgeber zu überantworten. Allzu konkrete Inhalte würden die Entwicklung hemmen, unter Umständen sogar verunmöglichen.

Nachfolgend werden diese neuen beziehungsweise erweiterten Delegationsnormen aufgeführt: ­

Artikel 5 Absatz 3: Vorsehen einer Bewilligungspflicht für die Herstellung von Hilfsstoffen für Arzneimittel;

­

Artikel 24 Absatz 1bis: Festlegen der Anforderungen an die Dokumentation der Abgabe besonders gekennzeichneter verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne ärztliche Verschreibung durch Apothekerinnen und Apotheker;

­

Artikel 26 Absatz 1: Umschreiben der Regeln der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaften;

­

Artikel 42 Absatz 3: Einschränkung der Verwendung von Arzneimitteln nach Artikel 9 Absatz 2 HMG an Nutztieren;

­

Artikel 54a Absatz 2 und 3: Regelung der Ausgestaltung des pädiatrischen Prüfkonzepts in Anlehnung an die Bestimmungen der EU;

128

­

Artikel 57b Absatz 2: Festlegen der Kriterien für Unterstützungsbeiträge als Ausnahme vom Vorteilverbot nach Artikel 57a;

­

Artikel 57c Absatz 3: Regelung der Ausnahmen von der Transparenz- und Offenlegungspflicht bezüglich der Rabattgewährung beim Verkauf von Heilmitteln beziehungsweise der Beteiligungen und anderer Interessenbindungen;

­

Artikel 63 Absatz 3: Regelung der Datenbekanntgabe an Bundesbehörden, die andere Bundesgesetze im Bereich der Gesundheit vollziehen;

­

Artikel 67a: Schaffung der Datenbank in der Kinderheilkunde (Regelung der Ausgestaltung, Auswertung usw.).

5.5

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 der Bundesverfassung sieht vor, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte bedürfen. Die Vorlage enthält weder Subventionsbestimmungen noch Finanzierungsbeschlüsse, welche zu neuen Ausgaben führen, und unterliegt somit nicht der Ausgabenbremse.

5.6

Vereinbarkeit des Bundesbeitrages an das Institut mit dem Subventionsgesetz

Bedeutung der Subvention für die Erreichung der angestrebten Ziele Die Abgeltung für die Leistungen, die dem Institut gesetzlich übertragen werden (Art. 69 Abs. 1 HMG), erfolgt gemäss den im Heilmittelgesetz und in anderen relevanten Erlassen im Gesundheitsbereich festgelegten Regelungen (Art. 65 HMG).

Die Heilmittel-Gebührenverordnung vom 22. Juni 2006 (HGebV)173 legt die entsprechenden Gebühren fest. Die Leistungen nach Artikel 69 Absatz 1 HMG werden gemäss Artikel 77 Absatz 2 Buchstabe a HMG durch Abgeltungen des Bundes finanziert, sofern sie nicht durch Gebühren gedeckt sind. Mit diesen Betriebsbeiträgen soll sichergestellt werden, dass das Institut in seiner Funktion als Marktüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörde für die Arzneimittelsicherheit wichtige Aufgaben auch unabhängig von der Entwicklung der Verfahrensgebühren und Verkaufsabgaben wahrnehmen kann.

Materielle und finanzielle Steuerung Der Bundesrat bestimmt im Rahmen des Leistungsauftrags, den er dem Institut jeweils für vier Jahre erteilt, diejenigen Produkte und Produktgruppen, die hauptsächlich durch den Bund finanziert werden. Damit legt der Bundesrat fest, welche Produkte als gemeinwirtschaftlich zu betrachten sind.

173

SR 812.214.5

129

Folgende Produkte und Produktgruppen werden gemäss dem aktuellen Leistungsauftrag 2011­2014174 durch Bundesbeiträge finanziert: ­

Rechtsgrundlagen

­

Information der Öffentlichkeit

­

Vigilance Medizinprodukte

­

Marktkontrolle Medizinprodukte

­

Strafrecht

Soweit die Abgeltung des Bundes nicht ausreicht, um die Finanzierung der betreffenden Produkte vollumfänglich abzudecken, zieht das Institut dazu subsidiär Mittel aus den genannten Gebühren und Abgaben heran.

Im Rahmen des Leistungsauftrags schliesst das Eidgenössische Departement des Innern als zuständiges Departement gemäss Artikel 70 Absatz 2 HMG eine Leistungsvereinbarung mit dem Institut ab. Diese konkretisiert die im Teil «Aufgaben, Finanzierung und Aufsicht» des Leistungsauftrags vorgegebenen Rahmenbedingungen für jeweils ein Jahr und legt die Höhe der damit verbundenen Beiträge des Bundes zur Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen fest.

Unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch das Parlament sind für die Jahre 2012 und 2013 15,2 beziehungsweise 14,7 Millionen Franken eingestellt. 2014 soll das Institut 14,2 Millionen Franken erhalten.

Die EFK als Revisionsstelle des Instituts erstattet dem Bundesrat und dem Institutsrat Bericht. Dazu überprüft sie die Rechnungsführung, die Berichterstattung über die Einhaltung von Leistungsauftrag und Leistungsvereinbarung sowie das richtige Funktionieren der Planungs-, Kontroll-, Steuerungs- und Berichtssysteme des Instituts (Art. 74 HMG).

Nach Inkrafttreten der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes erfolgt die Steuerung der Mittel im Rahmen der strategischen Ziele, die aus diesem Grund vom Bundesrat für jeweils vier Jahre zu genehmigen sind. Auf die jährliche Steuerung durch Leistungsvereinbarungen zwischen dem zuständigen Departement und dem Institut soll verzichtet werden. Allerdings wird das Institut auch weiterhin jährlich Rechenschaft über die Erreichung der strategischen Ziele ablegen müssen.

Verfahren der Beitragsgewährung Die Kontrolle durch die EFK sowie die Berichterstattung des Instituts über das zuständige Departement an den Bundesrat stellen sicher, dass die vom Bund zugestandenen Mittel tatsächlich im Sinne des Eigners verwendet werden. Dieser Mitteleinsatz muss kohärent mit den genehmigten strategischen Zielen erfolgen. Bis zum Inkrafttreten dieser Vorlage stellt die Veröffentlichung des Leistungsauftrags 2011­2014 und der jährlichen Leistungsvereinbarung die Transparenz der Beitragsgewährung sicher, danach ergibt sich die gewünschte Transparenz aus der Publikation der strategischen Ziele.

174

130

Vgl. www.swissmedic.ch/org/00006/index.html?lang=de.