13.087 Botschaft zum Steuererlassgesetz vom 23. Oktober 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesgesetz über eine Neuregelung des Steuererlasses (Steuererlassgesetz).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Oktober 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-1570

8435

Übersicht Die Eidgenössische Erlasskommission für die direkte Bundessteuer (EEK) soll aufgehoben werden. Alle Gesuche um Erlass der direkten Bundessteuer werden zukünftig von den Kantonen beurteilt.

Die Vorlage ist Teil der Bestrebungen des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD), das Steuersystem zu vereinfachen. Die Kantone erhalten die Kompetenz zur Beurteilung aller Erlassgesuche, welche die direkte Bundessteuer betreffen. Damit kann die EEK aufgehoben werden. Die Kantone bestimmen die für den Erlass der direkten Bundessteuer zuständige kantonale Behörde.

Die steuerpflichtige Person kann gegen den Entscheid über den Erlass der direkten Bundessteuer die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie gegen den Entscheid über den Erlass der kantonalen Einkommens- und Gewinnsteuer. Auch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) kann diese Rechtsmittel ergreifen. Damit in Grundsatzfragen eine schweizweit einheitliche Rechtsprechung gewährleistet ist, wird neu das Bundesgericht letztinstanzlich Erlassfälle beurteilen. Dies allerdings nur, wenn es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt.

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung wird schliesslich auch zum Anlass genommen, gewisse Bestimmungen des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) und des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) formell an das im Obligationenrecht revidierte Rechnungslegungsrecht anzupassen.

Die Vorlage hat weder auf den Bund noch auf die Kantone und Gemeinden nennenswerte finanzielle oder personelle Auswirkungen.

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Erlassverfahren

Die Eidgenössische Erlasskommission für die direkte Bundessteuer (EEK) besteht gemäss Artikel 102 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 19901 über die direkte Bundessteuer (DBG) aus einem Präsidenten und einem Vizepräsidenten, die vom Bundesgericht bezeichnet werden, einem Vertreter des Bundes und einem kantonalen Vertreter. Sie entscheidet in Dreierbesetzung durch Mehrheitsbeschluss.

Die Sekretariatsgeschäfte werden von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) besorgt. Artikel 102 Absatz 4 DBG bildet die Rechtsgrundlage der Steuererlassverordnung vom 19. Dezember 19942. Die EEK entscheidet über Eingaben, mit denen um Erlass der direkten Bundessteuer im Umfang von mindestens 5000 Franken pro Jahr ersucht wird, sofern das Gesuch vor dem 1. Juli 2009 eingereicht worden ist (Art. 29 der Steuererlassverordnung). Gesuche, die später eingereicht wurden, werden durch die EEK beurteilt, sofern mit dem Gesuch um Erlass der direkten Bundessteuer im Umfang von mindestens 25 000 Franken pro Steuerjahr nachgesucht wird (Art. 4 Abs. 1 der Steuererlassverordnung in der Fassung vom 2. Juni 2009). Die kantonalen Erlassbehörden beurteilen die übrigen Erlassbegehren.

Artikel 167 DBG und die Steuererlassverordnung regeln die Erlassvoraussetzungen und das Erlassverfahren in den Grundzügen.

Im Rahmen des Entlastungsprogramms 04 (EP 04) hat der Bundesrat dem Parlament mit seiner Botschaft vom 22. Dezember 20043 auch eine Aufgabenverzichtsplanung (AVP) in der Bundesverwaltung unterbreitet. Mit Beschluss vom 13. April 2005 hat der Bundesrat sodann die Umsetzung des Massnahmenkataloges beschlossen. Eine dieser Massnahmen ist durch die ESTV umzusetzen: die vollständige Delegation der Kompetenz zur Beurteilung der Gesuche um Erlass der direkten Bundessteuer an die Kantone. Ein erster Schritt war die oben erwähnte Verordnungsänderung vom 2. Juni 2009 mit einer Limitenerhöhung von 5000 Franken auf 25 000 Franken. Die mit der AVP verbundenen Personaleinsparungen wurden bereits realisiert.

1.1.2

Überprüfbarkeit der Erlassentscheide

Mit dem Inkrafttreten der verfassungsrechtlichen Rechtsweggarantie (vgl. Art. 29a der Bundesverfassung4; BV) und der Totalrevision der Bundesrechtspflege wurde im Bereich des Erlasses der direkten Bundessteuer der gerichtliche Rechtsschutz gewährleistet. Die bisher endgültige Entscheidbefugnis der EEK und der kantonalen Erlassbehörden für den Erlass der direkten Bundessteuer wurde mit dem Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 20055 (VGG) durch Streichung von Artikel 167 1 2 3 4 5

SR 642.11 SR 642.121 BBl 2005 759 SR 101 SR 173.32; vgl. BBl 2005 4093, 4152; zur Begründung: BBl 2001 4439 f. und 4583.

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Absatz 3 DBG aufgehoben. Die Entscheide der EEK können seit dem 1. Januar 2007 beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Kantonale Erlassentscheide über die direkte Bundessteuer können seit dem 1. Januar 2009 an eine kantonale richterliche Beschwerdeinstanz weitergezogen werden (vgl. die in Art. 130 Abs. 3 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 20056 [BGG] den Kantonen gewährte Übergangsfrist von längstens zwei Jahren).

Ein Weiterzug der letztinstanzlichen kantonalen Erlassentscheide an das Bundesverwaltungsgericht ist nach geltendem Recht nicht vorgesehen.7 Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über den Steuererlass ist auch die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht nicht zulässig (Art. 83 Bst. m BGG). Zulässig ist demgegenüber ­ grundsätzlich ­ die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 113 BGG); ausgeschlossen ist dabei mangels Legitimation in der Sache selbst nur die Willkürrüge, weil nach Auffassung des Bundesgerichts auf den Erlass der direkten Bundessteuer kein Rechtsanspruch besteht. Andere Verfassungsrügen, namentlich solche verfahrensrechtlicher Natur, sind hingegen zulässig.8 Allerdings hat sich das Bundesverwaltungsgericht deutlich für einen Rechtsanspruch auf Erlass ausgesprochen. Das Bundesgericht urteilt zwar unabhängig. Es dürfte sich aber dennoch ­ sollte es zuständig werden ­ mit dieser Rechtsprechung auseinanderzusetzen haben, zumal sich die Mehrheit der neueren Lehre für einen Rechtsanspruch ausspricht.9 Bezüglich der Frage, ob die ESTV auch nach geltendem Recht kantonale Erlassentscheide über die direkte Bundessteuer an eine kantonale verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanz weiterziehen kann, gibt es noch keine Präjudizien.

Ein Weiterzug des letztinstanzlichen kantonalen Erlassentscheides an das Bundesgericht oder an das Bundesverwaltungsgericht ist jedoch für die ESTV gegenwärtig nicht möglich.

Die folgenden Tabellen zeigen die Instanzenzüge nach geltendem Recht bei der direkten Bundessteuer (Schema 1) und bei den kantonalen Steuern (Schema 2): Schema 1:

Erlassverfahren betreffend die direkte Bundessteuer

Schema 1.1:

Verfahren bei Gesuchen um Erlass von mindestens 25 000 Franken pro Steuerjahr

1. Instanz

EEK

2. Instanz

Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht

6 7 8 9

SR 173.110 Vgl. Art. 33 Bst. i VGG; zur Begründung: BBl 2001 4250, 4390.

Urteil des Bundesgerichts 2D_54/2011 vom 16. Februar 2012 E. 1, mit Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichts 2D_27/2011 vom 26. Juli 2011 E. 1.

BVGE 2009/45

8438

Schema 1.2:

Verfahren bei Gesuchen um Erlass von weniger als 25 000 Franken pro Steuerjahr

Nachfolgend werden alle Verfahrensschritte aufgeführt, die in den verschiedenen Kantonen vorkommen könnten. Der tatsächliche Verfahrensablauf in den Kantonen ist jedoch sehr unterschiedlich. Rund die Hälfte der Kantone hat beispielsweise ein Einspracheverfahren.

1. Instanz

Kantonale Verwaltungsinstanz

2. Instanz

Evtl. Einsprache- oder Verwaltungsbeschwerdeverfahren bei einer kantonalen Verwaltungsinstanz (falls Einsprache oder Verwaltungsbeschwerde vorgesehen)

3. Instanz

Beschwerde bei der ersten gerichtlichen Beschwerdeinstanz (häufig kantonale Steuerrekurskommission)

4. Instanz

Beschwerde an zweite gerichtliche Instanz (kantonales Verwaltungsgericht)

5. Instanz

Subsidiäre Verfassungsbeschwerde bei Verletzung verfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien beim Bundesgericht

Schema 2:

Erlassverfahren betreffend die kantonalen Steuern

Bei den kantonalen (und kommunalen) Steuern ist es im Gegensatz zur direkten Bundessteuer unerheblich, ob ein Gesuch um Erlass von mehr oder weniger als 25 000 Franken pro Steuerjahr gestellt wird. Je nach Höhe des Betrages kann aber eine andere Behörde für die erstinstanzliche Verfügung zuständig sein. Der Kanton Graubünden kennt beispielsweise folgende Zuständigkeiten für den Erlass der Kantonssteuer: Die kantonale Steuerverwaltung ist für Beträge bis 5000 Franken pro gesuchstellende Person und Jahr zuständig, das Finanzdepartement für Beträge von 5001 Franken bis 50 000 Franken, die Regierung für darüber hinausgehende Beträge (Art. 156 Abs. 3 des Steuergesetzes für den Kanton Graubünden vom 8. Juni 198610).

Der Verfahrensablauf ist weitgehend mit dem Schema 1.2 identisch. Eine Ausnahme besteht bei der Anfechtung kantonaler Verwaltungsgerichtsentscheide. Wenn der betreffende Kanton in seiner Gesetzgebung einen Rechtsanspruch auf Erlass vorsieht, kann die subsidiäre Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht ohne weitere Einschränkungen ergriffen werden. Einen solchen Rechtsanspruch auf Steuererlass kennt beispielsweise der Kanton Bern (Art. 240 Abs. 5 und Art. 240b Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Bern vom 21. Mai 200011).

Das Bundesgericht prüft daher in bernischen Erlassfällen im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde auch materiell, ob die Voraussetzungen für einen Steuererlass erfüllt sind.

10 11

Bündner Rechtsbuch (BR) 720.000.

Bernische Systematische Gesetzessammlung (BSG) 661.11.

8439

Instanzen 1 bis 4 5. Instanz

1.2

Wie im Schema 1.2 ­

Subsidiäre Verfassungsbeschwerde bei Verletzung verfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien beim Bundesgericht oder

­

Umfassende subsidiäre Verfassungsbeschwerde (bei einem Rechtsanspruch auf Erlass gemäss kantonaler Gesetzgebung) beim Bundesgericht

Die beantragte Neuregelung

Die Neuregelung sieht vor, dass die EEK aufgehoben wird und neu die Kantone für alle Erlassgesuche betreffend die direkte Bundessteuer zuständig sind. Die Kantone bestimmen selbst, welche kantonale Behörde für den Erlass der direkten Bundessteuer zuständig sein soll. Dies kann die gleiche Behörde sein, welche über den Erlass der kantonalen Steuer entscheidet. Es ist aber auch möglich, dass unterschiedliche Behörden für den Erlass der direkten Bundessteuer bzw. der Kantons- und Gemeindesteuer zuständig sind. In diesem Fall müssen bei der Beurteilung des Gesuchs um Erlass der direkten Bundessteuer ausstehende Kantons- und Gemeindesteuern, für welche ebenfalls ein Erlassgesuch eingereicht worden ist, berücksichtigt werden.

Gegen Entscheide über den Erlass der direkten Bundessteuer können sowohl die gesuchstellende Person als auch die ESTV die gleichen Rechtsmittel ergreifen wie gegen Entscheide über den Erlass der kantonalen Einkommens- und Gewinnsteuer.

Zu diesem Zweck kann die ESTV verlangen, dass ihr Verfügungen und Entscheide betreffend Erlassgesuche eröffnet werden. Der Erlassentscheid der letzten kantonalen Instanz über die direkte Bundessteuer, aber auch über die kantonale und kommunale Steuer, soll beim Bundesgericht angefochten werden können, sofern es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt.

Die neuen Bestimmungen im DBG umschreiben ­ in Anlehnung an die geltende Steuererlassverordnung ­ die Voraussetzungen für einen Erlass der direkten Bundessteuer. Es wird aber auch festgehalten, dass trotz einer Notlage aus anderen, überwiegenden Gründen ­ wie etwa bei Forderungen von Drittgläubigerinnen oder Drittgläubigern oder bei gewissen erlassunwürdigen Verhaltensweisen ­ kein Erlass gewährt werden kann.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Vollständige Kompetenzdelegation an die Kantone für Erlassgesuche betreffend die direkte Bundessteuer

Die Kantone sind bereits nach geltendem Recht für die Veranlagung und den Bezug der direkten Steuern zuständig. Erlassgesuche für die direkte Bundessteuer werden nach geltendem Recht entweder durch die Kantone oder sofern sich das Erlassge8440

such auf einen Steuerbetrag von mindestens 25 000 Franken pro Jahr bezieht durch die EEK beurteilt. Indem zukünftig die Kantone alle Erlassgesuche für die direkte Bundessteuer behandeln, kann die bisherige Zweispurigkeit zwischen Bund und Kantonen wirksam beseitigt werden. Die neue Kompetenzregelung soll für alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung hängigen Gesuche gelten.

1.3.2

Aufsichtsmittel und Beschwerdeverfahren

Die ESTV hat gemäss Artikel 102 Absatz 2 DBG geltenden Rechts für die einheitliche Anwendung dieses Gesetzes zu sorgen. Hierzu gehört auch, dass sie im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit darüber wacht, dass die Kantone die Gesuche um Erlass der direkten Bundessteuer korrekt und schweizweit einheitlich beurteilen. Gemäss der Neuregelung soll die ESTV zur Wahrnehmung ihrer Kontrollaufgabe verlangen können, dass ihr Erlassentscheide (Verwaltungsverfügungen und gerichtliche Entscheide) eröffnet werden (Art. 103 Abs. 1 Bst. e DBG). Dies ermöglicht es ihr, wenn nötig an eine verwaltungsunabhängige kantonale Instanz zu gelangen und allenfalls anschliessend entsprechend dem Verfahren betreffend die Veranlagung das Bundesgericht anzurufen. Dieses Rechtsmittel kann die ESTV allerdings nur erfolgreich ergreifen, wenn es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen Gründen um einen «besonders bedeutenden Fall» handelt (Art. 167g Abs. 5 DBG i. V. m. Art. 83 Bst. m BGG; siehe dazu die Erläuterungen zu Art. 83 Bst. m BGG).

1.3.3

Alternative Regelungsmöglichkeiten

Geprüft wurde die Möglichkeit, sowohl bei der direkten Bundessteuer wie auch bei den kantonalen und kommunalen Steuern einen Rechtsanspruch auf Erlass einzuräumen (vgl. Ziff. 1.1.2) und einheitliche Erlassvoraussetzungen festzulegen. Zudem wurde erwogen, die Zuständigkeiten, den Instanzenzug und die Verfahren betreffend den Erlass der direkten Bundessteuer einerseits und der Kantons- und Gemeindesteuern andererseits schweizweit zusammenzulegen.

Dieser Gesetzesvorschlag hätte die zuständigen Behörden sowie die Anzahl Instanzen schweizweit harmonisiert und auf ein Minimum reduziert. Der Nachteil wäre gewesen, dass diese Variante für die Kantone erhebliche organisatorische und rechtliche Änderungen zur Folge gehabt hätte. Nach Aufhebung der EEK werden die Kantone zusätzlich insgesamt 50 Erlassgesuche pro Jahr zu beurteilen haben. Angesichts der Tatsache, dass der einzelne Kanton folglich lediglich eine geringe Anzahl an zusätzlichen Verfahren zu bewältigen hätte, wären die mit der organisatorischen und rechtlichen Anpassung verbundenen notwendigen Aufwendungen kaum zu rechtfertigen bzw. unverhältnismässig gewesen.

Als Alternative wurde auch eine Mindesthöhe des um Erlass nachgesuchten Betrages als Voraussetzung für eine Beschwerde an das Bundesgericht in Betracht gezogen. Dies hätte im Vergleich zum Kriterium des «besonders bedeutenden Falles» eine noch bessere Vereinheitlichung des Erlassrechts sichergestellt und wäre aus der Sicht eines verbesserten Rechtsschutzes zu begrüssen gewesen. Andererseits hätte dies aber auch eine höhere Belastung des Bundesgerichts mit sich gebracht.

8441

All diese geprüften Varianten wurden nicht weiterverfolgt, da die Nachteile als zu gewichtig betrachtet wurden.

1.3.4

Vorkonsultation des Bundesgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts sowie des Präsidiums der EEK

Das Bundesgericht, das Bundesverwaltungsgericht sowie der Präsident und der Vizepräsident der EEK wurden gestützt auf Artikel 11 Absatz 2 der Vernehmlassungsverordnung vom 17. August 200512 als von den Neuerungen betroffene Instanzen eingeladen, zur Vorlage Stellung zu nehmen.

Das Bundesgericht stimmte der Vorlage grundsätzlich zu. Es hielt im Einzelnen fest, dass mit dem Steuererlassgesetz richtigerweise der Rechtsweg an das Bundesgericht geöffnet werde, das grundsätzlich in allen Rechtsgebieten für bedeutende Rechtsfragen zuständig sein sollte, um schweizweit eine einheitliche Rechtsprechung gewährleisten zu können. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts entspreche der bundesstaatlichen Ordnung. Für Beschwerden gegen kantonale Entscheide solle immer das Bundesgericht zuständig sein, nicht das Bundesverwaltungsgericht, das als Gericht für die Überprüfung der Entscheide der Bundesverwaltungsbehörden konzipiert worden sei. Zudem solle bei kantonalen Entscheiden ein doppelter Rechtsmittelzug auf eidgenössischer Ebene vermieden werden. Das Bundesgericht sprach sich dafür aus, den Weiterzug auf besonders bedeutende Fälle zu beschränken, wie dies auch in der internationalen Rechtshilfe (Art. 84 BGG) vorgesehen sei.

Das Bundesverwaltungsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme. Der Präsident und der Vizepräsident der EEK stimmten der Vorlage grundsätzlich zu.

1.3.5

Ergebnisse des Anhörungsverfahrens

Nahezu alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Anhörung und insbesondere 25 Kantone begrüssten die Abschaffung der EEK. Nur ein Kanton sprach sich gegen eine Aufgabenverschiebung vom Bund zu den Kantonen und damit gegen die Aufhebung der EEK aus. Die weiteren Punkte der Vorlage fanden ebenfalls Mehrheiten, aber in unterschiedlichem Ausmass. Der Vorschlag in der Anhörungsvorlage, es solle in Zukunft diejenige Instanz über den Erlass der direkten Bundessteuer entscheiden, die auch für das Gesuch um Erlass der Kantonssteuer zuständig sei, wurde zwar von den Kantonen begrüsst, die eine derartige Organisation der Erlassverfahren schon heute kennen. Zwei Kantone, in denen heute verschiedene Behörden über den Erlass der Kantonssteuer bzw. der direkten Bundessteuer entscheiden, verwarfen die beantragte Neuerung aber klar. Auch weitere Kantone, in denen die Gemeinden eigene Kompetenzen haben, betonten, es solle an den bisherigen kantonalen Zuständigkeiten nichts geändert werden.

Eine Mehrheit begrüsste die Einsetzung des Bundesgerichts als letzte Instanz in Erlassangelegenheiten. Dies sowohl für die direkte Bundessteuer wie auch für die kantonale und kommunale Einkommens- sowie Gewinnsteuer. Auch die Einschrän12

SR 172.061.1

8442

kung des Zugangs zum Bundesgericht auf eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder eines aus anderen Gründen besonders bedeutenden Falles fand breite Zustimmung. Eine Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer befürwortete auch den Inhalt der weiteren Bestimmungen zum DBG (beispielsweise derjenigen zu den Erlassvoraussetzungen und zum Verfahren). Keine Einigkeit bestand in der Frage, ob die Gründe für eine Ablehnung des Steuererlasses und gewisse andere Bestimmungen der Steuererlassverordnung neu auf Gesetzesstufe geregelt werden sollen.

1.4

Umsetzung

Der vorgeschlagene Artikel 167f DBG enthält die Delegationsnorm für den Erlass einer Verordnung. Diese Norm ist notwendig, weil sich die geltende Steuererlassverordnung auf Artikel 102 Absatz 4 DBG abstützt, der aufgehoben werden soll. Einzelheiten, insbesondere zu den Erlassvoraussetzungen, zu Ablehnungsgründen und zum Erlassverfahren, werden in der zu revidierenden Steuererlassverordnung geregelt werden.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

2.1

Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005

Art. 42 Abs. 2 zweiter Satz In Erlasssachen ist der Rechtsweg bis vor das Bundesgericht vorgesehen, falls es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt (vgl. die Erläuterungen zu Art. 83 Bst. m). Artikel 42 Absatz 2 präzisiert diesbezüglich das Verfahren. In der Rechtsschrift ist demnach auszuführen, warum diese Voraussetzung nach Artikel 83 Buchstabe m gegeben ist. Es obliegt dabei der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass und inwiefern die Eintretensvoraussetzung erfüllt ist. Das Bundesgericht forscht nicht nach Gründen, welche die Zulässigkeit der Beschwerde nahelegen könnten.13 Anstatt in Artikel 42 Absatz 2 zweiter Satz einen weiteren Binnenverweis auf Artikel 83 Buchstabe m anzufügen («Artikel 83 Buchstabe m, Artikel 84 oder 84a») wurden diese Verweise gestrichen, und es wurde eine abstrakte Formulierung gewählt.

Art. 83 Bst. m Nach heutigem Recht ist gegen Entscheide über die Stundung oder den Erlass von Abgaben die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht ausgeschlossen (vgl. Art. 191 Abs. 3 BV i. V. m. Art. 83 Bst. m). Falls eine kantonale verwaltungsunabhängige Beschwerdeinstanz in Erlassfällen letztinstanzlich entscheiden würde, wäre nach der Abschaffung der EEK eine schweizweit 13

Vgl. Heinz Aemisegger/Marc Forster, in: Marcel Alexander Niggli/Peter Uebersax/Hans Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, Basel 2008, N. 33 zu Art. 84 BGG.

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einheitliche Rechtsprechung nicht mehr gewährleistet. Daher soll das Bundesgericht gemäss Artikel 83 Buchstabe m letztinstanzlich Erlassstreitigkeiten bezüglich des DBG und des kantonalen und kommunalen Erlassrechts beurteilen, sofern sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt. Der Begriff ist auch in der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (Art. 84 BGG) enthalten.

Die spezielle Sachurteilsvoraussetzung des besonders bedeutenden Falles umfasst einerseits Erlassfälle, die Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen, und andererseits solche, die als Fall an sich von besonderer Bedeutung sind und höchstrichterlich beurteilt werden müssen.14 Ein besonders bedeutender Fall ist jedoch mit Zurückhaltung anzunehmen,15 und dem Bundesgericht steht bei der Beantwortung der Frage, ob diese Voraussetzung gegeben ist, ein weiter Ermessensspielraum zu.16 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist namentlich gegeben, wenn deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und sie von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Als Beispiele für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien genannt: ­

eine vom Bundesgericht noch nicht entschiedene Rechtsfrage, die von verschiedenen Kantonsgerichten unterschiedlich entschieden wurde und deren widersprüchliche Beurteilung nicht hingenommen werden kann;17

­

eine vom Bundesgericht bereits entschiedene Rechtsfrage, die in der massgeblichen Literatur kritisiert wird.18

Ein besonders bedeutender Fall liegt beispielsweise vor, wenn elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind. Im Übrigen obliegt die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des besonders bedeutenden Falles der bundesgerichtlichen Rechtsprechung.19 Die diesbezügliche höchstrichterliche Beurteilung dürfte gerade im Bereich des Steuererlasses, in dem die Rechtsweggarantie erst seit dem 1. Juli 2007 bzw., nach einer den Kantonen gewährten Übergangsfrist von zwei Jahren, seit dem 1. Januar 2009 umgesetzt ist, zu einer einheitlichen Rechtsprechung und mehr Rechtssicherheit führen.

Beschwerdegründe bei der direkten Bundessteuer: Mit Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten kann vor Bundesgericht die Verletzung von Bundesrecht und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 Bst. a und b BGG). Was den Erlass der direkten Bundessteuer anbelangt, wird das Bundesgericht prüfen können, ob die Erlassbestimmungen des DBG und der Steuererlassverordnung verletzt wurden, dies unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt.

Beschwerdegründe bei der Kantons- und Gemeindesteuer: Der Steuererlass wird im StHG auch nach neuem Recht materiell nicht geregelt (vgl. Erläuterungen zu Art. 73 Abs. 1 StHG). Nicht harmonisiertes kantonales Steuerrecht unterliegt der bundesgerichtlichen Prüfung nur insoweit, als in seiner Anwendung eine Verletzung von 14 15 16 17 18 19

Vgl. dazu Heinz Aemisegger/Marc Forster, a.a.O., N. 29 zu Art. 84 BGG.

BGE 133 III 493 E. 1.1, mit Hinweisen.

BGE 134 IV 156 E. 1.3.1, mit Hinweis.

Vgl. Beat Rudin, a.a.O., N. 32 zu Art. 85 BGG.

Vgl. Beat Rudin, a.a.O., N. 33 zu Art. 85 BGG.

Vgl. Markus Schott, a.a.O., N. 44 zu Art. 95 BGG.

8444

Bundesrecht zu erblicken ist (Art. 95 Bst. a BGG). Im Wesentlichen kann geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen die verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze. Das Bundesgericht kann somit keine umfassende Prüfung vornehmen.20 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten werden die steuerpflichtige Person, die kantonale Behörde und die ESTV gestützt auf den geänderten Artikel 73 Absatz 1 StHG folglich nur Verletzungen der Bundesverfassung ­ insbesondere Verfahrensmängel sowie Verletzungen des Rechtsgleichheitsgebots und des Willkürverbots ­ rügen können. Da beispielsweise das Willkürverbot bundesrechtlich geregelt ist (Art. 9 BV), ist eine willkürliche Anwendung von kantonalem Recht immer eine Bundesrechtsverletzung. Auch dies bedarf aber der zusätzlichen Voraussetzung, dass das Bundesgericht das Vorliegen eines besonders bedeutenden Falles bejaht.

Die Legitimation der kantonalen Behörde und der ESTV bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend den kantonalen und kommunalen Steuererlass stützt sich auf Artikel 89 Absatz 2 Buchstabe d BGG in Verbindung mit Artikel 73 Absätze 1 und 2 StHG. Die Legitimationsvoraussetzungen von Artikel 89 Absatz 1 BGG, insbesondere das schutzwürdige Interesse, gelten nur für die steuerpflichtige Person.

Verhältnis zur subsidiären Verfassungsbeschwerde: Wird ein besonders bedeutender Fall verneint, so steht die subsidiäre Verfassungsbeschwerde einzig der steuerpflichtigen Person ­ gestützt auf Artikel 115 BGG ­ zur Verfügung. Bei der subsidiären Verfassungsbeschwerde sind die Rügegründe auf die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten beschränkt (Art. 116 BGG). Gemäss der Praxis des Bundesgerichts könnte sich die steuerpflichtige Person mit einer subsidiären Verfassungsbeschwerde jedoch nur dann auf das Willkürverbot berufen, wenn das Bundesrecht oder das kantonale Recht ihr einen Rechtsanspruch auf Steuererlass einräumt. Bei der direkten Bundessteuer ist dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht der Fall (vgl. Ziff. 1.1.2).

Art. 132a

Übergangsbestimmung zur Änderung vom ...

Artikel 132a legt das Übergangsrecht für die Verfahren vor dem Bundesgericht fest.

Entscheide letztinstanzlicher kantonaler Gerichte und des Bundesverwaltungsgerichts über den Steuererlass, die vor dem Inkrafttreten der Änderung ergangen sind, können damit nicht vor Bundesgericht angefochten werden (vgl. im Übrigen die Erläuterungen zu den Übergangsbestimmungen in den Art. 205d und 207b DBG).

2.2

Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer

Art. 28 Abs. 1 und Art. 62 Abs. 1 Bei beiden Änderungen geht es jeweils um eine rein begriffliche Anpassung an das neue Rechnungslegungsrecht (Art. 957 ff. des Obligationenrechts21; OR), welches

20 21

Vgl. das Urteil des Bundesgerichts 2C_702/2012 vom 19. März 2013 E. 2.6, mit Hinweisen.

SR 220

8445

am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist.22 Der bisherige Artikel 957 OR knüpfte an die Eintragungspflicht im Handelsregister an: Wer eintragungspflichtig war, hatte eine kaufmännische Buchhaltung zu führen.

Der neue Artikel 957 OR bestimmt in Absatz 1, welche Unternehmen die Regeln einer kaufmännischen Buchführung und Rechnungslegung einzuhalten haben. In Absatz 2 legt er fest, bei welchen Unternehmen eine vereinfachte Buchführung genügt. Gestützt auf diese Änderung soll eine begriffliche Anpassung erfolgen, die auf den neuen Artikel 957 OR Bezug nimmt.

Die Umschreibung, «wenn eine kaufmännische Buchhaltung fehlt» wird daher durch die Formulierung «bei vereinfachter Buchführung nach Artikel 957 Absatz 2 OR» ersetzt. Eine vereinfachte Buchführung bedeutet, dass nur Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben, über die Vermögenslage sowie über Privatentnahmen und Privateinlagen erforderlich sind (vgl. Erläuterungen zu Art. 125 Abs. 2).

Art. 102 Abs. 4 Da neu alle Gesuche um Erlass der direkten Bundessteuer durch die Kantone entschieden werden, kann die EEK und somit auch Artikel 102 Absatz 4 aufgehoben werden.

Art. 103 Abs. 1 Bst. e Diese Bestimmung versetzt die ESTV in die Lage, ihre Aufsichtsfunktion wahrzunehmen. Die ESTV kann verlangen, dass ihr Erlassentscheide (Verwaltungsverfügungen, Einspracheentscheide, Verwaltungsbeschwerdeentscheide und gerichtliche Entscheide) eröffnet werden. Dieses Recht der ESTV ergibt sich bereits aus den Artikeln 111 Absatz 2 und 112 Absatz 4 BGG. Die Ergänzung von Artikel 103 Absatz 1 um Buchstabe e bezweckt, dass die Aufzählung vollständig ist. Dadurch wird die Transparenz des Gesetzes gewährleistet. Die ESTV muss sich nicht alle Erlassentscheide eröffnen lassen. Sie kann sich zum Beispiel darauf beschränken, dass ihr Erlassentscheide ab einem bestimmten Betrag eröffnet werden.

Art. 125 Abs. 2 Diese Bestimmung enthält wiederum die begriffliche Anpassung an das neue Rechnungslegungsrecht (vgl. Erläuterungen zu den Art. 28 Abs. 1 und 62 Abs. 1). Die Wendung «bei vereinfachter Buchführung nach Artikel 957 Absatz 2 OR» ersetzt die Umschreibung «wenn eine kaufmännische Buchhaltung fehlt».

Das geltende Recht sieht vor, dass (wenn eine kaufmännische Buchhaltung fehlt) neben einer Aufstellung über die Aktiven und Passiven auch eine solche über die Einnahmen und Ausgaben
sowie die Privatentnahmen und -einlagen der Steuererklärung beizulegen sind. Diese Formulierung soll gestützt auf den neuen Artikel 957 Absatz 2 OR begrifflich angepasst werden. Der Steuererklärung ist somit zukünftig eine Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben sowie über die Vermögenslage beizulegen. Zusätzlich soll jedoch wie bis anhin auch eine Aufstellung über Privatentnahmen und -einlagen eingereicht werden, welche für die korrekte Veranlagung der steuerpflichtigen Person notwendig ist. Die vereinfachte Buchführung hat die 22

AS 2012 6679; BBl 2008 1589.

8446

sinngemässen Grundsätze der ordnungsgemässen Buchführung (Art. 957a Abs. 2 OR) wie etwa die vollständige, wahrheitsgetreue und systematische Erfassung sämtlicher Geschäftsvorfälle und Sachverhalte sowie die Dokumentation der Buchungen mittels Belegen zu erfüllen. Zu diesen Grundsätzen gehört auch, dass die Aufzeichnungen verständlich, der Geschäftstätigkeit angepasst und nachprüfbar sind.

Art. 167

Voraussetzungen

Artikel 167 wird neu mit einer Sachüberschrift versehen, da er nicht mehr der einzige Artikel des 4. Kapitels (Erlass der Steuer) ist.

Absatz 1 entspricht inhaltlich dem bisherigen Absatz 1 von Artikel 167.

Der neue Absatz 2 entspricht Artikel 1 Absatz 1 der Steuererlassverordnung. Es handelt sich um ein Grundprinzip des Erlassrechts, dass eine Sanierung unter Einbezug aller Gläubigerinnen und Gläubiger anzustreben ist. Der Bund kann in diesen Fällen nicht einseitig und damit zugunsten der Drittgläubigerinnen und -gläubiger auf seine Forderungen verzichten (Opfersymmetrie). Diese wichtige Bestimmung wird neu auf Gesetzesstufe gehoben.

Neu ist die Präzisierung in Absatz 3, wonach die Bussen nach Absatz 1 sowie Nachsteuern nur in besonders begründeten Ausnahmefällen erlassen werden. Somit sind an den Erlass solcher Bussen und in der Regel auch an den Erlass von Nachsteuern besonders hohe Anforderungen zu stellen. Gegenstand eines Erlassgesuchs können folglich auch Bussen wegen einer Verletzung von Verfahrenspflichten (Art. 174) und Steuerhinterziehung (Art. 175­180) sein. Ein Erlass einer Busse soll aber nur gewährt werden, wenn im Rahmen der Erlassgründe nicht nur eine «einfache» Notlage im Sinne eines Missverhältnisses zur finanziellen Leistungsfähigkeit besteht, sondern sogar die wirtschaftliche Existenz der steuerpflichtigen Person gefährdet erscheint. Laut dem klaren Wortlaut des Gesetzes sind demgegenüber Bussen wegen Vergehen wie Steuerbetrug (Art. 186) und Veruntreuung von Quellensteuern (Art. 187) nach den Regeln des DBG nicht erlassfähig.23 Gemäss der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Nachsteuer keine Strafsanktion und stellt somit keine von der eigentlichen Steuerforderung verschiedene öffentlich-rechtliche Forderung dar.24 Trotzdem ist im Bezugs- und Steuererlassverfahren dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei Nachsteuern oft um Forderungen handelt, die bei ordnungsgemässer Versteuerung in einem früheren Zeitraum hätten gezahlt werden können. Es dürfen deshalb auch ausserordentliche Anstrengungen zur Tilgung der Schuld über mehrere Jahre hinweg verlangt werden. Dies gilt beispielsweise bezüglich der Nachsteuer, die im Rahmen einer straflosen Selbstanzeige erhoben wird, weil bei der straflosen Selbstanzeige von einer Strafverfolgung nur abgesehen werden kann,
wenn die steuerpflichtige Person sich unter anderem «ernstlich um die Bezahlung der geschuldeten Nachsteuer bemüht» (vgl. Art. 175 Abs. 3 Bst. c für natürliche Personen und Art. 181a Abs. 1 Bst. c für juristische Personen). Es wäre deshalb geradezu widersprüchlich, wenn stattdessen umgehend ein Erlassgesuch eingereicht würde.

23 24

Vgl. Michael Beusch, in: Martin Zweifel/Peter Athanas (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, 2. Aufl., Basel 2008, N. 10 f. zu Art. 167 DBG.

BVGE 2009/45 E. 3.1.2.3.

8447

Der besonders strenge Massstab bei der Beurteilung von Gesuchen um Erlass einer Busse wegen Übertretung oder einer Nachsteuer geht aber nicht so weit, dass ein Erlass von vornherein ausgeschlossen wäre. Es kommt vielmehr auch hier auf die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls an.

Der neue Absatz 4 entspricht Artikel 13 der Steuererlassverordnung. Er sieht vor, dass auf Erlassgesuche nicht eingetreten wird, die nach Zustellung des Zahlungsbefehls eingereicht werden. Dies verhindert, dass ein Gesuch um Steuererlass als Mittel zur Zeitgewinnung missbraucht wird. Hat die Inkassobehörde sich nach der Rechnungsstellung und Mahnung entschieden, den Betreibungsweg einzuschlagen, so ist es ihr nicht mehr zuzumuten, ein Erlassverfahren durchzuführen. Aus Gründen der Transparenz und weil die Gesetzeskonformität in der Praxis nicht unbestritten war, wird diese Bestimmung neu auf Gesetzesstufe gehoben.

Der neue Absatz 5 entspricht inhaltlich Artikel 2 Absatz 3 der Steuererlassverordnung. In Fällen der Quellenbesteuerung gilt es zu beachten, dass die Schuldnerin oder der Schuldner der Steuer und das Steuersubjekt der steuerbaren Leistung (die steuerpflichtige Person) nicht identisch sind. Ein Erlass von Quellensteuern kommt nur für die steuerpflichtige Person selbst in Frage, und zwar auch dann, wenn die Steuern bereits bezahlt sind (vgl. Art. 7 Abs. 3 Bst. a der Steuererlassverordnung).

Die Voraussetzungen für einen Erlass, das heisst eine Notlage oder grosse Härte, müssen bei der quellensteuerpflichtigen Person, beispielsweise beim Spieler eines Sportvereins, gegeben sein. Die Gesuchsbegründung kann sich dabei nicht auf die wirtschaftliche Lage des Sportvereins selber beziehen. Für den Schuldner oder die Schuldnerin der steuerbaren Leistung (den Steuersubstituten) ist ein Erlass gemäss Absatz 5 ­ wie bisher gemäss Artikel 2 Absatz 3 der Steuererlassverordnung ­ nicht vorgesehen. Ein Steuerschuldner ist folglich zur Einreichung eines Erlassgesuchs nicht legitimiert. Er hat im Zeitpunkt der Ausrichtung des quellensteuerbelasteten Arbeitsentgelts über die abgezogene Quellensteuer die Verfügungsgewalt inne und somit eine «treuhänderische» Funktion. Aus diesem Grund stellt die schuldhafte Nichtvornahme des Steuerabzugs eine Steuerhinterziehung gemäss Artikel 175 bzw.

die eigenmächtige Verwendung
abgezogener Quellensteuern eine Veruntreuung im Sinne von Artikel 187 dar. Der Begriff der «steuerpflichtigen Person» in Artikel 167 Absatz 1 umfasst den Steuerschuldner im Sinne des Quellensteuerrechts nicht.

Art. 167a

Ablehnungsgründe

Bei der Beurteilung, ob eine Notlage vorliegt, wird zunächst auf die aktuelle wirtschaftliche Lage abgestellt. Die Erlassbehörde hat aber bereits nach geltendem Recht zu prüfen, ob eine steuerpflichtige Person sich in der Vergangenheit freiwillig ihrer Einkommens- oder Vermögensquellen entäussert hat (vgl. Art. 3 Abs. 1­3 und Art. 12 Abs. 2 der Steuererlassverordnung). Dazu hat sich in den letzten Jahren eine Praxis entwickelt, die unter dem Begriff «Erlasswürdigkeit» zusammengefasst werden kann.25 Mit der beispielhaften und somit nicht abschliessenden Aufzählung von erlassunwürdigen Verhaltensweisen wird diese Praxis auf Gesetzesstufe verankert. Ein allfälliger Erlass ist demnach davon abhängig zu machen, dass die gesuchstellende Person einerseits ihre wirtschaftlichen Verhältnisse der Gegenwart, aber 25

Zur sogenannten Erlasswürdigkeit vgl. etwa die Urteile des Bundesgerichts 2D_54/2011 vom 16. Februar 2012 E. 3.4 und des Bundesverwaltungsgerichts A-1758/2011 vom 26. März 2012 E. 2.7 und E. 3.1.1 sowie das Urteil des Bundesgerichts 2P.316/2003 vom 19. Dezember 2003 E. 4.3.

8448

auch der Vergangenheit offenlegt und andererseits belegt, dass mit gewissen Verhaltensweisen, beispielsweise der bevorzugten Befriedigung anderer Gläubigerinnen oder Gläubiger, nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstossen wurde.

Art. 167b

Erlassbehörde

Absatz 1 hält fest, dass die Kantone eine kantonale Instanz bestimmen, die für den Entscheid über das Gesuch um Erlass der direkten Bundessteuer zuständig ist.

Häufig dürfte das die Behörde sein, die auch das Gesuch um Erlass der Kantonssteuer beurteilt. Dadurch kann in der Regel vermieden werden, dass der Erlassentscheid für die kantonale Einkommens- und Gewinnsteuer im Widerspruch zu demjenigen für die direkte Bundessteuer steht. Der Gesetzestext trägt jedoch auch den Anliegen jener Kantone Rechnung, die den Bezug und den Erlass der Kantonssteuer und der direkten Bundessteuer verschiedenen Behörden anvertraut haben. In diesem Fall wird die Erlassbehörde bei der Prüfung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der gesuchstellenden Person auch andere ausstehende Steuern zu berücksichtigen haben, falls für diese ein Erlassgesuch eingereicht worden war. Die zuständigen Erlassbehörden behalten aber ihre Entscheidautonomie.

Absatz 2 entspricht teilweise dem heutigen Artikel 6 der Steuererlassverordnung.

Die Regelung des Verfahrens fällt grundsätzlich in die Kompetenz der kantonalen Behörden. Die bisher in einer Departementsverordnung festgehaltenen Verfahrensbestimmungen werden deshalb neu auf Gesetzesstufe verankert.

Art. 167c

Inhalt des Erlassgesuchs

In den Artikel 167c werden Teile von Artikel 167 Absatz 2 geltenden Rechts und von Artikel 8 Absatz 1 der Steuererlassverordnung sowie der Inhalt von Artikel 8 Absatz 2 der Steuererlassverordnung übernommen. Es handelt sich um eine wichtige Verfahrensbestimmung, die auf Gesetzesstufe festzuhalten ist. Ist die Begründung des Gesuchs ungenügend oder fehlen wesentliche Beweismittel für den Entscheid, so ist der gesuchstellenden Person gestützt auf Artikel 167d die Gelegenheit zu geben, die fehlende Begründung bzw. die fehlenden Beweismittel nachzuliefern.

Art. 167d

Verfahrensrechte und Verfahrenspflichten der gesuchstellenden Person

Die Absätze 1 und 2 legen die Verfahrensrechte und die Verfahrenspflichten der gesuchstellenden Person fest. Es betrifft dies insbesondere die Artikel 113­118 und 124­126.

Absatz 2 entspricht im Grundsatz dem geltenden Recht (vgl. Art. 18 Abs. 2 der Steuererlassverordnung). In Anlehnung an Artikel 13 Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196826 (VwVG) wird neu jedoch vorausgesetzt, dass die gesuchstellende Person die «notwendige und zumutbare» Mitwirkung verweigern muss, bevor ein Nichteintretensentscheid gefällt werden kann. Damit wird der Behörde ein gewisses Ermessen eingeräumt: Sie kann einen Nichteintretensentscheid erlassen oder einen materiellen Entscheid gestützt auf die Aktenlage fällen. Die neu gefasste Bestimmung ermöglicht es der Erlassbehörde in Fällen, in denen die gesuchstellende Person die Mitwirkung trotz Mahnung bewusst verwei26

SR 172.021

8449

gert, das Verfahren mit einem Nichteintretensentscheid abzuschliessen, ohne dass sie in einem materiellen Entscheid Abgrenzungen bezüglich der Untersuchungs- und der Mitwirkungspflicht bzw. umfangreiche Beweiswürdigungen vorzunehmen hat.

Absatz 3 stimmt weitgehend mit dem bisherigen Artikel 167 Absatz 4 überein, welcher festhält, dass das Erlassverfahren grundsätzlich kostenfrei ist. Die neue Bestimmung stellt klar, dass lediglich die Verwaltungsverfügung und ein allfälliger Einspracheentscheid über das Erlassgesuch kostenfrei sind, was der heutigen Praxis entspricht. Der zweite Satz von Absatz 3 erlaubt es wie bisher, der gesuchstellenden Person die Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie ein offensichtlich unbegründetes Gesuch eingereicht hat.

Art. 167e

Untersuchungsmittel der Erlassbehörde

Diese Bestimmung entspricht inhaltlich dem heutigen Artikel 19 der Steuererlassverordnung. Die Erlassbehörde kann somit beispielsweise folgende Untersuchungsmittel weiterhin anwenden: Auskünfte verlangen, Geschäftsbücher einsehen und Belege vorlegen lassen (vgl. Art. 123 Abs. 2 und 126 Abs. 2). Im Hinblick auf die Revision des Steuerstrafrechts, zu welcher am 29. Mai 2013 die Vernehmlassung eröffnet wurde, kann darauf hingewiesen werden, dass mit «sämtliche Untersuchungsmittel nach diesem Gesetz» nicht gemeint ist, dass zukünftig die Untersuchungsmittel des Bundesgesetzes vom 22. März 197427 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) zur Anwendung gelangen sollen.

Art. 167f

Ausführungsbestimmungen

Dieser Artikel enthält die Kompetenzdelegation an das EFD für die Steuererlassverordnung (vgl. im Übrigen die Ausführungen unter den Ziffern 1.4 und 5.3 zur Umsetzung der Vorlage bzw. zur Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen).

Art. 167g

Rechtsmittelverfahren

Gemäss Absatz 1 stehen der gesuchstellenden Person gegen den Entscheid über den Erlass der direkten Bundessteuer diejenigen Rechtsmittel zur Verfügung, die für das Gesuch um Erlass der Kantonssteuer vorhanden sind. Sieht ein Kanton für den Erlass der Kantonssteuer beispielsweise ein Einspracheverfahren oder ein verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren vor, so gilt dies auch für den Erlass der direkten Bundessteuer, und zwar auch in den Fällen, in denen das Gesuch um Erlass der Kantonssteuer und dasjenige um Erlass der direkten Bundessteuer nicht von derselben Behörde behandelt werden.

Neben der gesuchstellenden Person ist gemäss Absatz 2 jeweils auch die ESTV beschwerdeberechtigt. Die ESTV kann dieselben Rechtsmittel wie die gesuchstellende Person ergreifen. Sie soll damit in die Lage versetzt werden, ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen und bezüglich des DBG eine schweizweit einheitliche Rechtsprechung anzustreben. Wie beim Veranlagungsverfahren muss sich die ESTV nicht vor jeder kantonalen Instanz am Verfahren beteiligen (Art. 111 Abs. 2 BGG).

Der Verzicht auf das Ergreifen einzelner Rechtsmittel vor kantonalen Instanzen

27

SR 313.0

8450

bewirkt somit nicht, dass die ESTV das Beschwerderecht für die nachfolgenden Instanzen verliert.28 Weil als letzte Beschwerdeinstanz das Bundesgericht vorgesehen ist, haben die Kantone obere Gerichte einzusetzen (vgl. Art. 86 Abs. 2 BGG). Absatz 3 legt das Beschwerderecht der Erlassbehörde fest. Diese hat jeweils selber den ersten Entscheid und allenfalls auch den Einspracheentscheid gefällt. Sie ist somit aufgrund ihres Rechtsschutzinteresses und je nach kantonalem Instanzenzug berechtigt, gegen den Verwaltungsbeschwerdeentscheid oder den Entscheid einer verwaltungsunabhängigen Instanz Beschwerde zu erheben.

Absatz 4 erklärt die in den Artikeln 132­135 und 140­145 enthaltenen Verfahrensbestimmungen für sinngemäss anwendbar. Damit soll erreicht werden, dass im Veranlagungs- und Erlassverfahren nach dem DBG weitgehend die gleichen Verfahrensgrundsätze gelten. Sinngemäss anwendbar bedeutet auch, dass Kantone, die für den Erlass der Kantonssteuer beispielsweise kein Einspracheverfahren kennen, ein solches auch für den Erlass der direkten Bundessteuer nicht einführen müssen (siehe auch Erläuterungen zu Abs. 1).

Gemäss Absatz 5 können die gesuchstellende Person, die Erlassbehörde und die ESTV gegen den Entscheid der letzten kantonalen Instanz beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich dabei um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall handelt. Die Einschränkung des Beschwerderechts folgt aus Artikel 83 Buchstabe m BGG (vgl. Erläuterungen dazu). Die Beschwerdelegitimation der ESTV lässt sich zwar bereits auf Artikel 89 Absatz 2 Buchstabe a BGG abstützen. Sie wird aber auch im DBG erwähnt, um eine möglichst hohe Transparenz für die Rechtssuchenden zu schaffen.

Art. 170

Arrest

Diese Bestimmung wird lediglich aus formellen Gründen angepasst, weil in Artikel 167 Absatz 4 neu die Abkürzung «SchKG» eingeführt wird. In den Absätzen 1 und 2 von Artikel 170 kann folglich neu die Abkürzung verwendet werden.

Art. 205d und Art. 207b Die Artikel 205d Absatz 1 und 207b Absatz 1 legen die Übergangsordnung bezüglich des erstinstanzlichen Erlassverfahrens nach der Aufhebung der EEK fest. Das neue Recht ist auf alle Gesuche um Erlass der direkten Bundessteuer anwendbar, die am Tag des Inkrafttretens bei der EEK oder im Kanton hängig sind. Artikel 205d betrifft Gesuche natürlicher Personen und Artikel 207b solche juristischer Personen.

Die Artikel 205d Absatz 2 und 207b Absatz 2 betreffen die übergangsrechtliche Regelung vor den Einsprache-, Verwaltungsbeschwerde- und Verwaltungsgerichtsinstanzen. Einsprache- und Beschwerdeverfahren gegen Verfügungen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorliegenden Gesetzesänderung bereits ergangen sind, werden nach früherem Verfahrensrecht und früherer Zuständigkeitsordnung beurteilt. Es wird dabei auf das Verfügungsdatum abgestellt. Beispielsweise werden die beim Bundesverwaltungsgericht hängigen Beschwerden dort abgeschlossen werden 28

Vgl. Ulrich Cavelti, in: Martin Zweifel/Peter Athanas (Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, Bd. I/2b, 2. Aufl., Basel 2008, N. 3 zu Art. 141 DBG.

8451

(vgl. auch Erläuterungen zu Art. 132a BGG). Diese Abgrenzungen dienen der Rechtssicherheit und einem zusammenhängenden Instanzenzug, indem von der Einleitung bis zum Abschluss eines Einsprache- oder eines Beschwerdeverfahrens dieselben verfahrensrechtlichen Regeln angewendet werden.29

2.3

Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden

Art. 42 Abs. 3 und 4 Die Änderungen im Absatz 3 sind identisch mit jenen in Artikel 125 Absatz 2 DBG.

Es kann daher auf die Erläuterungen zu dieser Bestimmung verwiesen werden.

Absatz 4 enthält den letzten Satz von Absatz 3 des geltenden Rechts.

Art. 73 Abs. 1 Artikel 73 Absatz 1 wurde dahingehend ergänzt, dass neu auch Entscheide der letzten verwaltungsunabhängigen kantonalen Instanz über den Erlass der kantonalen und kommunalen Einkommens- und Gewinnsteuer mit Beschwerde in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten vor Bundesgericht angefochten werden können.

Beschwerdebefugt sind die steuerpflichtige Person, die nach kantonalem Recht zuständige Behörde und die ESTV (vgl. Art. 73 Abs. 2 geltenden Rechts i. V. m.

Art. 73 Abs. 1). Mit der Wendung «nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes» in Absatz 1 ist die Beschränkung des Zugangs zum Bundesgericht auf Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und andere besonders bedeutende Fälle abgedeckt (vgl. dazu und zu den übrigen Beschwerdevoraussetzungen die Erläuterungen zu Art. 83 Bst. m BGG).

Der Steuererlass als Institut wird auch im revidierten StHG nicht normiert. Die Vorlage ändert weder das materielle Steuerharmonisierungsrecht noch das Verfahrensrecht vor den kantonalen Instanzen hinsichtlich des Erlasses der kantonalen und kommunalen Steuern. Neu soll aber wie erwähnt neben der subsidiären Verfassungsbeschwerde in gewissen Fällen auch die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offenstehen.

3

Auswirkungen der Revision

3.1

Finanzielle Auswirkungen

Die jeweiligen Vertreterinnen und Vertreter der Kantonsverwaltungen und der ESTV in der EEK erhalten keine Entschädigung. Der Präsident und der Vizepräsident der EEK wurden vom Bundesgericht gewählt. Im Jahr 2012 erhielten sie Ent29

Vgl. zur sinngemäss gleich gestalteten Bestimmung von Art. 81 VwVG: Frank Seethaler/ Fabia Bochsler, in: Bernhard Waldmann/Philippe Weissenberger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Zürich 2009, N. 1 ff. zu Art. 81 VwVG, mit weiteren Hinweisen, unter anderem zu den gleich gestalteten Übergangsbestimmungen von Art. 53 Abs. 1 VGG und Art. 132 Abs. 1 BGG.

8452

schädigungen von insgesamt rund 10 000 Franken. Diese Auslagen werden mit der Reform wegfallen.

In den Jahren 2001­2010 hat die EEK im Durchschnitt rund 210 Gesuche pro Jahr erledigt. Seither liegt der Durchschnitt deutlich tiefer: Wegen der bereits erwähnten Erhöhung der Limite per 1. Juli 2009 (vgl. Ziff. 1.1.1) wird die EEK bis zum Inkrafttreten der vorliegenden Gesetzesänderung jährlich noch höchstens 50 neue Gesuche zu erledigen haben. Die vollumfängliche Delegation der Entscheidkompetenz an die Kantone hat daher eine geringe Mehrbelastung der kantonalen Erlassbehörden zur Folge.

3.2

Personelle Auswirkungen

Die Stellen der ESTV für das Sekretariat der EEK wurden bereits früher im Rahmen der Aufgabenverzichtsplanung abgebaut. Damit ergaben sich Einsparungen von 2,4 Stellen. Mit der Abschaffung der EEK kann das Vertragsverhältnis mit dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten aufgelöst werden.

Die Kantone werden erstinstanzlich mehr Gesuche um Erlass der direkten Bundessteuer zu behandeln haben. Schweizweit dürfte es sich um eine Zusatzbelastung von jährlich höchstens 50 Gesuchen handeln. Dies wird keine bedeutenden personellen Folgen haben. Positiv wird sich auswirken, dass die Kantone in Zukunft die Erlassentscheide über die direkte Bundessteuer und die Kantonssteuer besser koordinieren können.

Die Mehrbelastung des Bundesgerichts dürfte sich in Grenzen halten, weil es nur über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung und andere besonders bedeutende Fälle zu entscheiden hat.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201230 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201231 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt worden. Die Verwaltung hat sich im Rahmen der Aufgabenüberprüfung verpflichtet, auf diese Aufgabe zu verzichten (vgl.

Ziff. 1.1.1).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Artikel 128 BV verleiht dem Bund die Befugnis, eine direkte Bundessteuer zu erheben. Damit verbunden ist auch die Kompetenz zur materiellen Regelung der rechtlichen Gründe für den Untergang von Steuerforderungen. Das Institut des Erlasses bildet ­ neben der Verjährung (Art. 120 und 121 DBG) und der Nichterhebung (Art. 36 Abs. 3 bzw. 214 Abs. 3 DBG) ­ einen solchen Untergangsgrund. Wird 30 31

BBl 2012 481 BBl 2012 7155

8453

ein Erlass gewährt, so geht die rechtskräftig veranlagte Steuerforderung endgültig unter. Da der Erlass eine rechtskräftig veranlagte Steuer voraussetzt, stellt sich die Frage des Steuererlasses regelmässig im Rahmen des Bezugsverfahrens. Die Steuern werden vom Kanton veranlagt und bezogen (Art. 128 Abs. 4 BV). Soweit es um die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Erlasses geht, ist Folgendes festzuhalten: Artikel 129 BV gibt dem Bund den Auftrag, für die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden zu sorgen. Gegenstand der Harmonisierung ist namentlich auch das Verfahrensrecht. Zur Sicherstellung einer in Grundsatzfragen harmonisierten schweizweiten Erlasspraxis sowohl für die kantonalen und kommunalen Einkommens- und Gewinnsteuern wie auch für die direkte Bundessteuer wird eine einheitliche letzte Instanz vorgeschlagen.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Von dieser Gesetzesänderung sind die internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht betroffen.

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Das Gesetz delegiert die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen an das EFD (vgl. Art. 167f DBG). Diese Delegation ist erforderlich, weil sie Regelungen betrifft, deren Detaillierungsgrad die Gesetzesebene überschreiten würde. Die Delegation umfasst insbesondere die Voraussetzungen für einen Steuererlass, die Gründe für dessen Ablehnung sowie das Erlassverfahren.

Die Artikel 167 und 167a DBG betreffend die Voraussetzungen und die Ablehnungsgründe weisen bereits einen hohen Detaillierungsgrad auf. Auch die Artikel 167b­167e und 167g DBG betreffend das Verfahren sind detailliert. Aufgrund der in diesen Gesetzesbestimmungen vorgegebenen Leitlinien ist die Rechtsetzungsbefugnis hinreichend bestimmt, sodass weitergehende Detaillierungen in der vom EFD erlassenen Steuererlassverordnung festgehalten werden können.

Die Aufzählung in Artikel 167f DBG ist nicht abschliessend, was durch den Begriff «insbesondere» angezeigt ist. Beispielsweise werden wie bisher die zeitlichen Grundlagen des Erlassentscheids sowie die Abgrenzung des Erlassverfahrens zum Schuldbetreibungsrecht in der Steuererlassverordnung geregelt werden.

8454