13.048 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 29. Mai 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen einen Entwurf betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2010 M 10.3014

Neues System für die Erhebung der Radio- und Fernsehgebühren (N 30.9.10, Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen N; S 16.3.11; N 13.9.11)

2010 P

Änderung des RTVG. Nicht ausbezahlte Gebührengelder zur Förderung journalistischer Qualität sowie gemeinsamer Initiativen der Branche verwenden (S 16.12.10, Bieri Peter)

10.4032

2012 M 11.4080

Keine doppelte Erhebung von Gebühren durch die Billag (N 16.3.12, Rickli Natalie; S 10.9.12)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Mai 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-0016

4975

Übersicht Mit dieser Vorlage setzt der Bundesrat den Auftrag des Parlaments um, ein neues System zur Finanzierung des Service public in Radio und Fernsehen auszuarbeiten. Weiterer Revisionsbedarf ergibt sich aus der technologischen Entwicklung und wegen Vollzugsproblemen mit gewissen Bestimmungen seit dem Inkrafttreten der Totalrevision des Radio- und Fernsehgesetzes (RTVG) im Jahr 2007.

Ausgangslage Das heutige System der Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen knüpft die Gebührenpflicht an ein betriebsbereites Gerät. Infolge des technologischen Wandels ist zunehmend unklar, was ein «Empfangsgerät» ist. Diese Entwicklung untergräbt das Gebührensystem, ist im Vollzug aufwendig und gefährdet die Finanzierung des Service public in Radio und Fernsehen. Aus diesen Gründen überwies das Parlament im September 2011 eine Motion (10.3014) der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N), welche den Bundesrat beauftragt, eine Vorlage zur Änderung der Gebührenpflicht im Sinne einer geräteunabhängigen Abgabe für alle Haushalte und alle Betriebe zu erarbeiten. Dabei soll er Vorschläge für Ausnahmen von der Gebührenpflicht aus sozialpolitischen Gründen und für Kleinbetriebe unterbreiten.

Inhalt der Vorlage Mit dem neuen, geräteunabhängigen Abgabesystem wird für die Erhebung der Abgabe und für die Befreiung von der Zahlungspflicht ein einfaches Verfahren vorgeschlagen. Die Meldepflicht und Einzelfallprüfungen fallen weg. Schwarzkonsumentinnen und -konsumenten sowie Kontrollen in den Haushalten und Betrieben wird es nicht mehr geben. Neu muss grundsätzlich für jeden Haushalt eine Abgabe geleistet werden. Von der Abgabe befreit werden wie bisher Bezügerinnen und Bezüger von jährlichen AHV/IV-Ergänzungsleistungen. Die Erhebung der Haushaltabgabe knüpft an das Registerharmonisierungsgesetz (RHG, SR 431.02) an, die Angaben zu den Haushalten stammen aus den kantonalen und kommunalen Einwohnerregistern. Kollektivhaushalte (z.B. Alters- und Pflegeheime, Spitäler) leisten eine einheitliche Abgabe, ihre Bewohnerinnen und Bewohner unterliegen keiner individuellen Abgabepflicht mehr.

Die Unternehmensabgabe knüpft am jährlichen Gesamtumsatz an, der von der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) im Rahmen der Mehrwertsteuer (MWST) erhoben wird. Kleine Betriebe unterhalb eines bestimmten Umsatzes sind
von der Abgabe ausgenommen. Den Grenzwert für die Abgabepflicht wird der Bundesrat in der Radio- und Fernsehverordnung (RTVV; SR 784.401) voraussichtlich auf 500 000 Franken festlegen, womit weniger als 30 Prozent aller Unternehmen der Radio- und Fernsehabgabe unterliegen. Die Höhe der Unternehmensabgabe richtet sich ebenfalls nach dem Gesamtumsatz. Der Bundesrat beabsichtigt sechs Tarifkategorien festzulegen, wobei die Abgabe in der tiefsten Tarifstufe (betrifft mehr

4976

als einen Drittel der abgabepflichtigen Unternehmen) mit rund 400 Franken auf ähnlichem Niveau wie die Haushaltabgabe und tiefer als die heute tiefste Empfangsgebühr für Betriebe (612 Franken) liegen wird.

Die Erhebung der Haushaltabgabe wird wie bisher durch ein Unternehmen ausserhalb der Bundesverwaltung vorgenommen werden, welches in einem Verfahren nach öffentlichem Beschaffungsrecht bestimmt wird. Aus Transparenzgründen wird eine strukturelle Verselbständigung der Erhebungsstelle gefordert, nicht aber deren Unabhängigkeit von anderen Unternehmen. Anders als heute darf die Erhebungsstelle neben den gesetzlichen Aufgaben für die Erhebung der Haushaltabgabe keine andere Tätigkeit wahrnehmen. Die Erhebung der Urheberrechtsabgaben bei den Betrieben, welche die Gebührenerhebungsstelle heute als Nebentätigkeit für die Verwertungsgesellschaft Suisa durchführt, wird die Erhebungsstelle jedoch ohnehin nicht mehr ausführen können, da sie ausschliesslich für die Haushaltabgabe tätig sein und deshalb über keine Daten von Betrieben bzw. Unternehmen mehr verfügen wird. Neu ist die Erhebungsstelle verpflichtet, ihre Jahresrechnung sowie einen jährlichen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen. Mit dieser Verpflichtung wird dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach grösserer Transparenz bei der Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgabe entsprochen.

Erhebung und Inkasso der Unternehmensabgabe werden durch die ESTV wahrgenommen. Diese Lösung vermeidet Schnittstellen zwischen verschiedenen Organisationen und ist dadurch effizienter.

Der Wechsel von der Empfangsgebühr zur Abgabe für Radio und Fernsehen dient nicht dazu, die Erträge der Gebührenempfänger zu erhöhen. Ob die Einnahmen aus der Abgabe erhöht oder gesenkt werden sollen, ist ein medienpolitischer Entscheid, der auch weiterhin durch den Bundesrat im dazu vorgesehenen Verfahren getroffen werden soll. Ausgehend von der Ertragsneutralität des Systemwechsels und der grösseren Zahl der Abgabepflichtigen ist nicht mit höheren Einnahmen, sondern tendenziell mit einer tieferen Abgabe der einzelnen Abgabepflichtigen als heute zu rechnen.

Durch den Wegfall der bisherigen Meldepflicht und die Anknüpfung an bestehende andere Erhebungssysteme wird nicht nur der Erhebungs- und Aufsichtsaufwand der Erhebungsstelle gegenüber heute vermindert, sondern auch der administrative
Aufwand der Abgabepflichtigen: Die Erhebung der neuen Abgabe verursacht einem Unternehmen gar keinen administrativen Aufwand; Bewohnerinnen und Bewohner eines Haushalts müssen ein allfälliges Befreiungsgesuch einreichen.

Weitere Änderungen im Rahmen dieser Revision betreffen die Kompetenzregelungen (bei der Aufsicht über das übrige publizistische Angebot der SRG, bei der Frequenzverwaltung, bei den Sanktionen der UBI), die Konzessionsvoraussetzungen (Gefährdung der Vielfalt entfällt als Voraussetzung, Lockerung der Konzessionsbeschränkung für Unternehmen) und die Bedingungen für die privaten Radio- und Fernsehveranstalter (flexibilisierter Anteil am Gebühren- bzw. Abgabeertrag, neue Kriterien für die Unterstützung neuer Verbreitungstechnologien, Aufhebung der Verbreitungsbeschränkung und Einführung einer Pflicht zur Untertitelung von

4977

Informationssendungen für konzessionierte Regionalfernsehen, Streichung der Konzessionsgebühr für Funkkonzessionen für konzessionierte Radio- und Fernsehveranstalter). Ausserdem soll der bisher aufgelaufene Überschuss bei den Empfangsgebühren an die Gebührenzahlenden zurückbezahlt werden.

4978

Inhaltsverzeichnis Übersicht

4976

1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Abgabe für Radio und Fernsehen 1.1.2 Weiterer Revisionsbedarf 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Abgabe für Radio und Fernsehen Das heutige System der Empfangsgebühr in Kürze Probleme beim System der Empfangsgebühr Vorteile des Systems einer geräteunabhängigen Abgabe Grundzüge des neuen Systems der Abgabe Einfaches Verfahren Abgabe pro Haushalt Abgabe von Unternehmen Höhe der Abgabe Erhebung der Abgabe durch Erhebungsstelle und ESTV Verworfene Alternativen 1.2.2 Weitere Regelungsbereiche Kompetenzregelungen Konzessionsvoraussetzungen Finanzierung von Radio und Fernsehen Rechte und Pflichten von Regionalfernsehveranstaltern mit Konzession Übrige Änderungen 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.5 Rechtsvergleich 1.6 Umsetzung 1.7 Erledigung parlamentarische Vorstösse

4981 4981 4981 4981 4982 4982 4982 4983 4984 4985 4985 4985 4986 4988 4989 4991 4991 4991 4992 4993

2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Abgabe für Radio und Fernsehen 2.1.1 Allgemeines 2.1.2 Haushaltabgabe 2.1.3 Abgabe von Unternehmen 2.1.4 Strafbestimmungen 2.1.5 Übergangsbestimmungen 2.1.6 Weitere Änderungen 2.2 Aufsicht über das übrige publizistische Angebot der SRG 2.2.1 Wechsel der Zuständigkeit vom BAKOM zur UBI 2.2.2 Notwendige Anpassungen 2.3 Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen 2.4 Behindertengerechte Programmaufbereitung 2.5 Tägliche Werbezeitbeschränkung 2.6 Auskunftspflicht

4998 4998 4998 4999 5008 5012 5012 5013 5014 5014 5014 5018 5020 5021 5022

4993 4993 4994 4996 4996 4997 4997

4979

2.7 Verbreitungsbeschränkung für konzessionierte Fernsehveranstalter mit Gebührenanteil 5023 2.8 Gebührenanteil für private Radio- und Fernsehveranstalter 5024 2.8.1 Nicht ausschüttbare Gebührenanteile 5024 2.8.2 Vorgeschlagene Regelung 5026 2.8.3 Postulat Bieri (10.4032) 5027 2.9 Konzessionsvoraussetzung: Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt 5028 2.10 Beschränkung für den Erwerb von Radio- und Fernsehkonzessionen («2+2-Regel») 5029 2.11 Zuständigkeit für die Frequenzverwaltung 5030 2.12 Förderung neuer Technologien 5031 2.13 Prüfung einer Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt: Schnittstelle WEKO-UVEK 5033 2.14 Organisation der Stiftung für Nutzungsforschung 5033 2.15 Sanktionskompetenz der UBI 5034 2.16 Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Vereinbarungen 5035 2.17 Konzessionsgebühren für Funkkonzessionen 5036 2.18 Beschwerde gegen die SRG-Konzession 5037 2.19 Geltungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes 5038 3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

5038 5038 5038 5039

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

5040

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 5.4 Übergang zur Radio- und Fernsehabgabe

5040 5040 5041 5042 5043

Anhänge I Artikel der Revision und die Fundstelle ihrer Erläuterungen in der Botschaft II Verworfene Abgabesysteme III Auswirkungen des Systemwechsels auf die einzelnen Gebühren- bzw. Abgabenanteile

5044 5047 5050

Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) (Entwurf)

5051

4980

5039 5039

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Abgabe für Radio und Fernsehen

Das heutige System der Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen, welches die Gebührenpflicht an ein betriebsbereites Empfangsgerät knüpft, ist infolge des technologischen Wandels überholt. Was ein «Empfangsgerät» ist, wird zunehmend unklarer. Diese Entwicklung untergräbt das Gebührensystem, verursacht Probleme und Mehraufwand beim Vollzug und gefährdet dadurch die Finanzierungsgrundlage des Service public im Radio und im Fernsehen. Eine neue, geräteunabhängige Radio- und Fernsehabgabe für alle Haushalte und Betriebe soll die heutige Empfangsgebühr ersetzen und damit die Finanzierung des verfassungsmässigen Service public der SRG und der privaten lokal-regionalen Radio- und Fernsehveranstalter auch unter veränderten technologischen Voraussetzungen sichern. Mit diesem Vorschlag erfüllt der Bundesrat das Anliegen einer Motion der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates (KVF-N), die das Parlament im September 2011 überwiesen hat.1 Die Motion verlangt vom Bundesrat, eine Vorlage zur Änderung der Gebührenpflicht im Sinne einer geräteunabhängigen Abgabe für alle Haushalte und alle Betriebe auszuarbeiten. Dabei sollen Ausnahmen von der Abgabepflicht aus sozialpolitischen Gründen und für Kleinbetriebe vorgesehen werden.

Näheres unten Ziffer 1.2.1 Vorteile des Systems einer gerätunabhängigen Abgabe.

1.1.2

Weiterer Revisionsbedarf

Das totalrevidierte Bundesgesetz vom 24. März 20062 über Radio und Fernsehen (RTVG) und die ausführende Radio- und Fernsehverordnung vom 9. März 20073 (RTVV) sind am 1. April 2007 in Kraft getreten. Die ersten Erfahrungen mit den neuen Regelwerken sind überwiegend positiv. Dennoch gibt es in einzelnen Punkten Revisionsbedarf. In gewissen Bereichen wird der rasanten technischen Entwicklung, welche teilweise auch schon in der Botschaft zur Totalrevision des RTVG vom 18. Dezember 20024 erwähnt wurde, Rechnung getragen. Andere Bestimmungen erwiesen sich beim Vollzug als wenig praktikabel oder erzielten aus anderen Gründen nicht den vom Gesetzgeber erwünschten Effekt. Schliesslich offenbarte die tägliche Anwendungspraxis seither neue Sachverhalte, für die das RTVG bislang keine Regelung kennt. Zehn Jahre nach Verabschiedung der Botschaft zur Totalrevision des RTVG werden mit dieser Vorlage die notwendigen Anpassungen vorgenommen und die bestehenden Lücken geschlossen.

1 2 3 4

Motion 10.3014 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats, Neues System für die Erhebung der Radio- und Fernsehgebühren, vom 23.2.2010.

SR 784.40 SR 784.401 BBl 2003 1569 ff.

4981

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Abgabe für Radio und Fernsehen

Das heutige System der Empfangsgebühr in Kürze Eine Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen muss heute für jene Haushalte und Betriebe entrichtet werden, welche über ein betriebsbereites Empfangsgerät verfügen. Mitglieder eines gebührenpflichtigen Haushalts oder Betriebes haben sich bei der Gebührenerhebungsstelle anzumelden. Bestimmte Kategorien von Personen und Institutionen sind von der Melde- bzw. von der Gebührenpflicht ausgenommen; darunter fallen stark Pflegebedürftige in Heimen, Bezügerinnen und Bezüger von jährlichen Ergänzungsleistungen nach AHV oder IV sowie diplomatische Vertretungen, konsularische Posten und internationale Organisationen. Es bestehen unterschiedliche Tarife für den Radio- und für den Fernsehempfang sowie für Haushalte und Betriebe, und die Höhe der Empfangsgebühr wird vom Bundesrat periodisch neu festgelegt. Derzeit beträgt die jährliche Gebühr für den Radio- und Fernsehempfang pro Haushalt 462.40 Franken, pro Betrieb (je nach Kategorie) zwischen 612.40 und 1 408,60 Franken für jede Betriebsstätte, wobei einzelne Betriebe jährlich einen sechsstelligen Betrag entrichten. Ende 2011 waren über 2,8 Millionen Schweizer Haushalte und über 100 000 Betriebe in der Schweiz gemeldet (gemäss der Erhebungsstelle Billag AG: 2 776 372 Haushalte und 100 340 Betriebe für Radioempfang; 2 822 340 Haushalte und 34 740 Betriebe für Fernsehempfang), was im Jahr 2011 zu Gebühreneinnahmen in der Höhe von 1,336 Milliarden Franken (inkl.

Mehrwertsteuer [MWST]) geführt hat. Dieser Ertrag dient in erster Linie der Finanzierung der Programme der SRG, daneben erhalten bestimmte lokale und regionale Programmveranstalter gesamthaft je vier Prozent des Radio- bzw. des FernsehGebührenertrags; ausserdem wird mit dem Ertrag der im Zusammenhang mit der Gebührenerhebung anfallende Aufwand gedeckt, und die Nutzungsforschung sowie die Einführung neuer Verbreitungstechnologien werden unterstützt.5 Das heutige Gebührensystem ist zu einer Zeit entstanden, da nur wenige zuerst Radio und später Fernsehen konsumierten. Vor diesem Hintergrund war es naheliegend und sinnvoll, die Gebührenpflicht im Sinne eines Nutzungsentgelts auf diejenigen zu beschränken, welche die damals exklusiv verfügbaren SRG-Programme nutzten. Ein erster Bruch mit diesem System entstand durch die Möglichkeit, auch ausländische Programme zu
empfangen. Faktisch hatte dies zur Folge, dass nun ­ sofern ein Gerät zur Verfügung stand ­ auch diejenigen bezahlen mussten, die überhaupt keine SRG-Programme nutzten. Mit der Aufnahme des Radio- und Fernsehartikels in die Bundesverfassung (heute Art. 93 BV6) im Jahr 1984 erhielt der Bund die Aufgabe, ein Radio- und Fernsehsystem zu errichten, das zur Bildung, zur Meinungsbildung, zur kulturellen Entfaltung und zur Unterhaltung beiträgt. Hinter der Schaffung dieser Verfassungsbestimmung stand die Überzeugung, dass ein funktionierendes Rundfunksystem für eine direkte Demokratie heute von herausragender Bedeutung ist. Es geht hier somit um eine demokratisch festgelegte öffentliche Aufgabe, deren Erfüllung allen direkt oder indirekt zugutekommen soll, d.h.

auch denjenigen, die selten oder überhaupt keine Radio- und Fernsehprogramme 5

6

Detaillierte Informationen zur heutigen Empfangsgebühr finden sich im Bericht des Bundesrates an die Eidg. Räte vom 17.2.2009, Ziffern 1 bis 4 sowie Anhang 2 (Bericht s. www.bakom.admin.ch/empfangsgebuehren/03812/03817/index.html?lang=de) Bundesverfassung, SR 101

4982

konsumieren. Die Empfangsgebühren sind heute die Hauptfinanzierungsquelle für Radio und Fernsehen in der Schweiz, wie auch der Vergleich mit dem Ertrag aus der Werbung zeigt: Alle Radio- und Fernsehveranstalter zusammen erzielten 2011 aus der Werbung in der Schweiz 697 Millionen Franken (netto); dies ist rund halb so viel, wie der Ertrag aus den Empfangsgebühren ausmacht.7

Probleme beim System der Empfangsgebühr Gebührenpflichtig ist heute, wer ein betriebsbereites Empfangsgerät bereithält.

Dieses System war während langer Zeit unproblematisch, da kaum Zweifel bestanden, was unter einem Empfangsgerät zu verstehen war. Der technologische Wandel stellt diese Voraussetzung aber zunehmend in Frage. Im Zentrum der Entwicklung steht die Digitalisierung der vormals rein analogen Verbreitung von elektromagnetischen Signalen. Durch die Digitalisierung können diese Signale grundsätzlich auf allen digitalen Verbreitungswegen transportiert werden. Die früher klare Trennung in Rundfunk-Verbreitungsnetze und Fernmeldenetze verschwindet, und es kommt zur Verschmelzung des Rundfunk- und des Fernmeldebereichs. Diese Verschmelzung ­ auch Konvergenz genannt ­ erfasst neben den Verbreitungsnetzen und den darüber transportierten Inhalten auch die Empfangsgeräte. Moderne Geräte lassen sich nicht mehr eindeutig einem bestimmten einzelnen Verwendungszweck zuordnen, so wie dies früher bei einem Radio, einem Fernsehgerät oder einem Telefon der Fall war. Problemlos können heute mit vielen modernen Geräten dank neuer Anwendungen oder entsprechender Software Rundfunkangebote empfangen werden.

Praktisch alle neuen Geräte sind multifunktional, d.h. vielseitig verwendbar (z.B.

Mobiltelefone mit Radio- und Fernsehempfang, GPS-Geräte mit Radioempfang, Personal Computer). Selbst mit den traditionellen Fernsehgeräten kann man ohne grossen technischen Aufwand ­ via Satellitenempfang oder über eine Settop-Box ­ problemlos Radio hören. Erhältlich sind zudem Fernsehgeräte, mit denen auch im Internet navigiert werden kann. Im Bereich des Internets ist die Konvergenz am stärksten fortgeschritten. Dienste, Anwendungen und Geräte (Computer, Laptop, Netbook, PDA, Smartphone) sind hier kaum mehr zu trennen. So ist es heute mit privat oder beruflich genutzten Computern mit Internetanschluss problemlos möglich, Radio- und Fernsehprogramme zu konsumieren. Was ein Empfangsgerät ist, wird letztlich nicht mehr technisch vorbestimmt, sondern ergibt sich aus der konkreten Nutzung.

Der technische Wandel bei den Empfangsgeräten untergräbt das heutige Gebührensystem. Heute existiert zwar eine Praxis für die Gebührenpflicht bei multifunktionalen Geräten, die für eine Übergangsphase tragfähig ist. Es ist aber absehbar,
dass in naher Zukunft die Unterscheidung von gebührenpflichtigen und übrigen Haushalten anhand des Kriteriums «Empfangsgerät» nicht mehr möglich ist. Die Entwicklungsdynamik nötigt zu komplizierten Abgrenzungen, die den Konsumentinnen und Konsumenten schwierig zu vermitteln sind und zu Rechtsunsicherheit führen. Diese Verunsicherung drückt sich auch darin aus, dass ein grosser Teil der telefonischen und schriftlichen Anfragen an die Gebührenerhebungsstelle Billag AG die Gebührenpflicht bei multifunktionalen Geräten betrifft; durch diese Anfragen wird auch der Systemaufwand erhöht.

7

Inkl. Erträge Schweizer Werbefenster in ausländischen Programmen (Quelle: Stiftung Werbestatistik Schweiz).

4983

Diese Probleme haben negative Auswirkungen auf den Vollzug der Gebührenpflicht. Die Gebührenerhebungsstelle muss durch Kontrollen bei den nicht angemeldeten Haushalten und Betrieben überprüfen, ob diese tatsächlich keine Empfangsgeräte besitzen. Diese Kontrollen sorgen bei den Betroffenen für Unmut, da sie als Eindringen in die Privatsphäre empfunden werden. Konsequenterweise müsste sich eine Kontrolle angesichts der technischen Konvergenz auch auf die Festplatte eines Computers erstrecken, was erhebliche Datenschutzfragen aufwerfen würde. Wollte die Gebührenerhebungsstelle sämtliche nicht gemeldeten Gebührenpflichtigen aufspüren, setzte dies einen unverhältnismässig hohen Kontrollaufwand voraus. Diese zunehmenden Unsicherheiten lassen den Teil von schwarz Konsumierenden tendenziell ansteigen, deren Gebühr indirekt von den ehrlichen Gebührenzahlenden finanziert werden muss.

Ein Ärgernis für die Betroffenen ist ferner auch der Umstand, dass heute für einen aufgelösten Haushalt die Empfangsgebühr weiterhin bezahlt werden muss, wenn der Haushalt nicht oder zu spät bei der Gebührenerhebungsstelle abgemeldet worden ist.

Diese Lösung ist eine Folge davon, dass beim heutigen System aus Beweisgründen (bezüglich Empfangsgeräten) eine rückwirkende Abmeldung nicht möglich ist.

Dieses Problem entfällt bei der neuen Abgabe, da keine besondere Abmeldepflicht mehr besteht: Mit der Abmeldung bei der Einwohnerbehörde endet auf das Monatsende automatisch auch die Abgabepflicht eines aufgelösten Haushalts.

Vorteile des Systems einer geräteunabhängigen Abgabe Unter dem Eindruck der zunehmenden Schwierigkeiten beim Vollzug der Empfangsgebühr haben die eidgenössischen Räte am 13. September 2011 die bereits weiter oben erwähnte Motion 10.3014 überwiesen, welche den Bundesrat beauftragt, eine Gesetzesvorlage für eine neue, geräteunabhängige Abgabe für Radio und Fernsehen von allen Haushalten und Betrieben auszuarbeiten. Die Vorlage soll gemäss diesem Auftrag Ausnahmen von Haushalten aus sozialpolitischen Gründen und von kleinen Betrieben von der Abgabepflicht vorsehen; das Mandat zum Inkasso der Abgabe soll in einer öffentlichen Ausschreibung erteilt werden.

Mit der Überweisung dieses Vorstosses hat sich das Parlament implizit gegen andere Modelle der öffentlichen Finanzierung des Service public in Radio und Fernsehen ausgesprochen, beispielsweise eine Finanzierung aus dem Ertrag der direkten Bundessteuer oder der Mehrwertsteuer, eine gemeinsam mit der direkten Bundessteuer erhobene Abgabe oder eine allgemeine Abgabe, bei der die Möglichkeit besteht, sich beim Nichtkonsum von Radio und Fernsehen abzumelden. Diese und weitere Finanzierungsmodelle waren in einem Bericht vom Januar 2010 vorgestellt und erörtert worden, den der Bundesrat aufgrund eines Postulats ausgearbeitet hatte und der dem Parlament vorlag, als es die Motion überwies (vgl. auch Anhang II zu diesen Erläuterungen).8 Die vom Parlament geforderte vollständige Lösung der Abgabepflicht von den Empfangsgeräten beseitigt die Hauptprobleme bei der heutigen Empfangsgebühr.

Die Vorteile einer geräteunabhängigen Abgabe sind: 8

Postulat 09.3012 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats, Radio und Fernsehen. Überprüfung der Gebührenpflicht und des Inkassos, vom 17.2.2009. Bericht des Bundesrates vom Januar 2010 siehe Fussnote 5.

4984

­

Die Abgrenzungsprobleme bezüglich multifunktionaler Geräte fallen weg

­

Die Meldepflicht und die Abmeldepflicht entfallen

­

Es gibt keine schwarz Konsumierenden

­

Kontrollen in Haushalten und Betrieben sind nicht nötig

­

die Abgabe kann gesenkt werden, da der Erhebungsaufwand kleiner und die Zahl der Abgabepflichtigen grösser wird

Neben den praktischen Vorteilen eines geräteunabhängigen Systems der Abgabe sprechen auch grundsätzliche, staatspolitische Überlegungen für einen Systemwechsel. Wie schon weiter oben dargelegt, erfüllen die SRG und die lokal-regionalen Sender mit Gebührenunterstützung mit ihren Programmen einen wichtigen Dienst an der Öffentlichkeit, einen Service public. Sie haben einen gesetzlichen, d.h. demokratisch abgestützten Auftrag, zur politischen Meinungsbildung, zum nationalen Zusammenhalt, zum Kulturleben und zur Bildung beizutragen. Ein funktionierendes Rundfunksystem ist für eine direkte Demokratie heute von herausragender Bedeutung und trägt wesentlich zu deren Funktionsfähigkeit bei. Das einheimische kulturelle Leben findet in Radio und Fernsehen nicht nur ein Echo, sondern auch eine unverzichtbare Plattform. Die Programmveranstalter erfüllen somit eine unverzichtbare öffentliche Aufgabe, und ihre Beiträge zur demokratischen Meinungsbildung und zur kulturellen Entfaltung kommen (indirekt) auch jenen Personen zu Gute, die nie ein schweizerisches Programm sehen oder hören. Vor diesem Hintergrund ist es vertretbar, dass alle zur Finanzierung dieser Leistungen beitragen.

Grundzüge des neuen Systems der Abgabe Einfaches Verfahren Wegleitend für die Ausgestaltung der neuen Abgabe war die Anforderung, dass sowohl für die Erhebung der Abgabe als auch für die Befreiung von ihr einfache Verfahren gewählt werden, welche weder für die Abgabepflichtigen noch für die Erhebungsstelle einen übermässigen Aufwand verursachen. Einzelfallprüfungen sind deshalb zu vermeiden, und es soll soweit möglich an bereits von anderen Behörden erhobene Sachverhalte angeknüpft werden. Dass ein einfaches und auch schematisches Verfahren bei einem Geschäft in dieser Grössenordnung unvermeidlich sei, hat auch schon das Bundesgericht festgestellt.9

Abgabe pro Haushalt Wie die bisherige Empfangsgebühr bezieht sich auch die künftige Abgabe nicht auf Einzelpersonen, sondern auf Haushalte. Von den Mitgliedern jedes Haushalts wird jährlich eine Abgabe erhoben. Die Erhebung der Abgabe pro Haushalt knüpft an das Registerharmonisierungsgesetz vom 23. Juni 200610 (RHG) an. Demnach besteht ein Haushalt aus jenen Personen, die gemäss dem Einwohnerregister einer bestimmten Wohnung zugeordnet sind. Die künftige Erhebungsstelle wird über die elektronische 9 10

Urteil des Bundesgerichts 2A.393/2002 vom 23. Juni 2003, E. 2.5.

SR 431.02

4985

Schnittstelle Sedex des Bundes Zugang zu den kantonalen und kommunalen Einwohnerregistern erhalten und so in der erforderlichen Aktualisierung über die Zusammensetzung aller Haushalte in der Schweiz informiert sein. Gestützt auf die von den Registerbehörden gelieferten Informationen versendet die Erhebungsstelle die Rechnungen an die Haushalte. Dabei soll auch künftig eine Jahresrechnung der Normalfall sein. Die Anmeldung der Haushalte bei der Erhebungsstelle erübrigt sich damit, ebenso die Abmeldung bei einem Umzug oder bei der Auflösung des Haushalts. Dank den regelmässigen Datenabgleichen mit den Einwohnerregistern kann die Erhebungsstelle auch auf Mutationen bei den Haushalten reagieren, sodass sie z.B. den erloschenen Haushalten die zuviel bezahlte Abgabe zurückerstatten kann.

Eine Person ist grundsätzlich nur für einen einzigen Haushalt, nämlich für ihren Hauptwohnsitz, abgabepflichtig. Anders als heute bei der privaten Empfangsgebühr muss für einen während längerer Zeit genutzten Nebenwohnsitz, z.B. eine Ferienwohnung oder den Wochenaufenthaltswohnsitz, keine Abgabe entrichtet werden.

Die Motion 10.3014 verlangt, dass Befreiungen von Haushalten aus sozialpolitischen Gründen vorzusehen seien. Diese Vorgabe wird umgesetzt, indem wie bisher auf Gesuch hin Haushalte von Personen mit jährlichen Ergänzungsleistungen nach AHV oder IV (EL) von der Abgabe befreit werden. Aus diesem Grund waren 2011 rund 244 000 Haushalte von der Empfangsgebühr befreit (gegenwärtig beziehen rund 310 000 Personen jährliche Ergänzungsleistungen nach AHV/IV, von denen allerdings rund ein Viertel in Heimen lebt; die Heimbewohnerinnen und -bewohner müssen künftig keine individuelle Haushaltabgabe mehr entrichten). Diese Befreiungspraxis führt zu Ertragsausfällen von ca. 113 Millionen Franken, die durch die zahlenden Haushalte kompensiert werden, was deren jährliche Gebührenbelastung um etwa 37 Franken ansteigen lässt. Gegenüber heute wird jedoch das Verfahren zugunsten der Bezügerinnen und Bezüger von EL verbessert: Künftig wird eine Befreiung auch rückwirkend bis längstens fünf Jahre vor der Einreichung des Befreiungsgesuches bei der Erhebungsstelle gewährt werden. Heute ist eine rückwirkende Befreiung von der Empfangsgebühr nicht möglich, was ungenügend informierte EL-Beziehende benachteiligt und deshalb vielerorts
auf Unverständnis stösst.

Nach dem neuen System erübrigt sich die bisherige Befreiung schwer pflegebedürftiger Personen in Heimen, denn diese begründen nach RHG keinen eigenen Haushalt innerhalb des Heims. Abgabepflichtig ist lediglich das Pflegeheim selber, das als Kollektivhaushalt gilt.

Weiterhin zu befreien sind bestimmte Kategorien von ausländischen Personen, die gemäss Völkerrecht Vorrechte und Immunitäten geniessen und bei einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung arbeiten.

Aufsichts- und Beschwerdeinstanz der Erhebungsstelle ist das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM).

Abgabe von Unternehmen Alle Unternehmen, die in ihren Räumlichkeiten oder Fahrzeugen Empfangsgeräte betreiben, schulden heute eine Gebühr und unterliegen einer Meldepflicht. Wie bei den Privathaushalten soll auch bei der Abgabe von Unternehmen künftig von der Meldepflicht Abschied genommen werden. Die Abgabe knüpft neu am jährlichen Gesamtumsatz eines Unternehmens an, der im MWST-Abrechnungsformular unter 4986

Ziffer 200 deklariert wird. Der Gesamtumsatz erfasst im Unterschied zum steuerbaren Umsatz, auf dem die Mehrwertsteuer berechnet wird, auch die von der Steuer befreiten und die von der Steuer ausgenommenen Umsätze der Unternehmen. Der Gesamtumsatz wird im Zusammenhang mit der Radio- und Fernseh-Abgabe als Massstab für die Grösse eines Unternehmens herangezogen.

Voraussetzung für die Erfassung eines Unternehmens im Rahmen der Radio- und Fernseh-Abgabe ist jedoch, dass das Unternehmen mindestens teilweise der MWST unterliegende Umsätze erzielt. Bei Unternehmen, die ausschliesslich von der MWST ausgenommene Umsätze erzielen und die deshalb bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) nicht als steuerpflichtige Personen erfasst sind, kann die Abgabe nicht erhoben werden. Dabei handelt es sich in erster Linie um Unternehmen in den Bereichen Gesundheitswesen, Sozialwesen, Bildungswesen, Kultur und Sport, Finanz- und Versicherungswesen, Liegenschaftshandel und -vermietung, Landwirtschaft sowie Glücksspiele (vgl. Art. 21 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 200911 über die Mehrwertsteuer [Mehrwertsteuergesetz, MWSTG]). Eine Vielzahl der Unternehmen, die von der MWST ausgenommene Leistungen erbringen, sind jedoch für andere, steuerbare Leistungen bei der ESTV als steuerpflichtige Personen erfasst, was die Erhebung der Abgabe auch bei diesen Unternehmen ermöglicht.

Der Abgabepflicht unterstehen Unternehmen, die in der vorangegangenen jährlichen Steuerperiode einen bestimmten minimalen Umsatz erreicht oder übertroffen haben.

Der Bundesrat beabsichtigt, diesen Grenzwert in der RTVV auf 500 000 Franken festzulegen. Dieser Betrag entspricht dem Grenzwert für die Buchführungspflicht nach neuem Rechnungslegungsrecht. Er trägt ferner dem Anliegen der Motion 10.3014 Rechnung, die «kleine Gewerbe-, Fabrikations-, Dienstleistungs- und Landwirtschaftsbetriebe» von der Abgabepflicht ausnehmen will. Insbesondere soll mit der gewählten Befreiungsgrenze verhindert werden, dass bei kleinen Betrieben, die oft im Rahmen eines familiären Haushalts wirtschaften, eine unzumutbare Doppelbelastung entsteht.12 Mit dieser Lösung würden rund 140 000 der in der Schweiz existierenden 500 000 Unternehmen, von denen rund 345 000 mehrwertsteuerpflichtig sind, abgabepflichtig.13 Das bedeutet, dass bei einer Untergrenze von 500 000
Franken weniger als 30 Prozent aller Unternehmen der Radio- und Fernseh-Abgabe unterliegen. Öffentliche Verwaltungen von Bund, Kantonen und Gemeinden sollen gleich behandelt werden wie private Unternehmen: Ist eine Dienststelle aufgrund einer unternehmerischen Tätigkeit steuerpflichtig und überschreitet sie die voraussichtliche Umsatzgrenze von 500 000 Franken pro Jahr, schuldet sie die Abgabe.

Bisher schuldeten die Unternehmen eine Gebühr für jede Betriebsstätte mit Empfangsgeräten, was bei Betrieben mit vielen Filialen zu sechsstelligen Beträgen führen konnte. Dieses Kriterium kann bei der neuen Abgabe wegen der Anknüpfung an die Mehrwertsteuer bzw. wegen der Loslösung vom Empfangsgerät nicht mehr zur Anwendung kommen. Neu erfolgt die Abstufung deshalb nicht mehr über die Anzahl der Filialen, sondern über den Umsatz. Oberhalb der Grenze von 500 000 Franken Umsatz wird eine nach dem Umsatz eines Unternehmens abgestufte Abgabe erhoben. Durch diese Abstufung kann die Grösse eines Unternehmens berücksichtigt werden (zu den Tarifkategorien s. Ziff. 1.2.1 Höhe der Abgabe).

11 12 13

SR 641.20 Kommissionssprecher Levrat in AB 2011 N 1361 ESTV, MWST-Statistik 2010

4987

Höhe der Abgabe Der Wechsel von der Empfangsgebühr zur Radio- und Fernseh-Abgabe dient nicht dazu, die Erträge der Gebührenempfänger (SRG, private Veranstalter mit Gebührenanteil, Erhebungsstelle, BAKOM, u.a.) zu erhöhen. Ob die Einnahmen erhöht oder gesenkt werden sollen, ist ein medienpolitischer Entscheid, der durch die zuständige Behörde ­ heute der Bundesrat ­ im dazu vorgesehenen Verfahren getroffen wird (vgl. für die Bestandteile und Finanzflüsse des heutigen Empfangsgebührensystems und des neuen Systems der Radio- und Fernseh-Abgabe Anhang III). Die hier genannten Annahmen zur voraussichtlichen Höhe der Abgabe gehen daher von der Ertragsneutralität für die Abgabenempfänger aus, d.h. vom aktuellen Gesamtertrag von Haushalten und Unternehmen von rund 1,3 Milliarden Franken pro Jahr. Die grössere Zahl der Abgabepflichtigen führt daher nicht zu höheren Einnahmen, sondern tendenziell zu einer tieferen Abgabe als heute. Vorausgeschickt sei zudem, dass die Abgabetarife nicht im Gesetz festgelegt werden. Diese Festlegung soll der Bundesrat wie bisher auf Verordnungsstufe treffen; er wird die Tarife regelmässig aufgrund der Bedürfnisse für die vorgesehenen Verwendungszwecke überprüfen und sie gegebenenfalls anpassen können.

Weil die neue Abgabe ohne Bezug zu Empfangsgeräten erhoben wird, gibt es künftig keine Unterscheidung mehr zwischen einer Abgabe für Radio und für Fernsehen.

Die Haushaltabgabe wird wie die bisherige Empfangsgebühr für jeden Privathaushalt gleich hoch sein. Heute beträgt die jährliche Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen pro Haushalt 462 Franken. Die neue Abgabe wird voraussichtlich spürbar tiefer liegen als heute, wobei das Ausmass der Befreiungen von der Abgabe eine grosse Rolle spielen wird. Die Reduktion gegenüber heute ist unter anderem zurückzuführen auf die grössere Zahl von Haushalten, für welche eine Abgabepflicht besteht. Wenn die Abgabe künftig bei 400 Franken pro Haushalt und Jahr liegen sollte, würden die Haushalte insgesamt jährlich rund 1 100 Millionen Franken zum Ertrag der Abgabe beitragen.

Auch die Kollektivhaushalte (Alters- und Pflegeheime, Spitäler, Internate, u.a.)

entrichten eine einheitlich hohe Abgabe. Diese wird voraussichtlich höher liegen als die Abgabe pro Privathaushalt, da einem Kollektivhaushalt gewöhnlich mehr Personen angehören als einem
Privathaushalt. Eine höhere Abgabe rechtfertigt sich auch dadurch, dass die Angehörigen von Kollektivhaushalten gegenüber heute entlastet werden, weil sie anders als heute keine individuelle Haushaltabgabe mehr für ihre privat genutzten Räume innerhalb des Kollektivhaushalts bezahlen müssen.

Die Abgabe eines Unternehmens soll wie oben dargelegt nach dem jährlichen Umsatz abgestuft werden (vgl. Ziff. 1.2.1 Abgabe von Unternehmen). Die Tarifkategorien und die anwendbaren Tarife wird der Bundesrat in der RTVV festlegen.

Geplant ist, sechs Tarifkategorien mit folgenden Abgabetarifen zu schaffen:14

14

Anzahl der Unternehmen pro Umsatzkategorie gemäss ESTV, MWST-Statistik 2010

4988

Tarifkategorie

Umsatz (Fr.)

Anzahl Unternehmen

Tarif/Jahr (Fr.)

500 000­1 Mio.

51 205

400

2

1­5 Mio.

65 899

1 000

3

5­20 Mio.

17 729

2 500

1

4

20­100 Mio.

5 673

6 300

5

100 Mio.­1 Mrd.

1 635

15 600

6

über 1 Mrd.

327

39 000

Die Abgabe in der tiefsten Tarifstufe wird damit auf ähnlichem Niveau liegen wie die Haushaltabgabe. Dieser Betrag ist geringer als die heute geltende niedrigste Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen für Betriebe (612 Franken), wodurch die kleinsten der nicht ohnehin befreiten Unternehmen bloss eine bescheidene Belastung erfahren. Auch die oberste Stufe ist tiefer als die bisherigen Höchstbelastungen bei Betrieben. Heute zahlen Unternehmen mit vielen Filialen ­ Grossverteiler, Banken, Modehäuser, Post ­ teilweise Empfangsgebühren in sechsstelliger Höhe.

Kommt diese Tarifstruktur zur Anwendung, wird der Ertrag aus der UnternehmensAbgabe jährlich rund 200 Millionen Franken ausmachen, also etwa 15 Prozent des Gesamtertrags. Dies bedeutet eine Zunahme gegenüber heute, begründet durch die künftig grössere Zahl von Unternehmen, welche effektiv einen finanziellen Beitrag leisten. Im Jahr 2012 fakturierte die Billag AG den Betrieben Empfangsgebühren von insgesamt rund 40 Millionen Franken. Nach Angaben der Billag AG haben per Ende 2012 unter den Betrieben, welche über mindestens ein Radio- bzw. Fernsehgerät verfügen und damit gebührenpflichtig sind, lediglich 50 Prozent die Radiound 38 Prozent die Fernseh-Empfangsgebühr entrichtet. Würden die Unternehmen im neuen Abgabesystem vollständig von der Abgabepflicht befreit, müsste jeder Haushalt etwa 65 Franken pro Jahr mehr bezahlen.

Die Belastung von Kantonen und Gemeinden durch die Unternehmensabgabe dürfte mit dieser Tarifstruktur eher geringer ausfallen als durch die heutige Empfangsgebühr. Die Bundesverwaltung, die heute von der Empfangsgebühr ausdrücklich befreit ist, würde voraussichtlich mit insgesamt rund 100 000 Franken belastet werden.

Erhebung der Abgabe durch Erhebungsstelle und ESTV Die Erhebung der Haushaltabgabe wird durch eine Firma ausserhalb der Bundesverwaltung vorgenommen werden, wie dies heute bereits durch die Gebührenerhebungsstelle geschieht. Das Mandat der Erhebungsstelle wird in einem Verfahren nach dem öffentlichen Beschaffungsrecht an die am besten geeignete Bewerberin erteilt werden. Dies kann ­ wie in der Motion 10.3014 vorgesehen ­ im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung geschehen, oder in einem Einladungsverfahren.

Angesichts des beschränkten Kreises von Firmen, welche ein anspruchsvolles Massengeschäft von diesem Umfang bewältigen können, erscheint das weniger aufwendige und kürzere Einladungsverfahren als ebenso geeignet für die Wahl der Erhebungsstelle. Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie 4989

und Kommunikation (UVEK) schliesst wie heute einen mehrjährigen Vertrag mit der gewählten Erhebungsstelle, in welchem deren Aufgaben und Kompetenzen im Detail sowie die Abgeltung geregelt sind (vgl. dazu hinten die Ausführungen zu Art. 69d Abs. 1).

Anders als heute darf die Erhebungsstelle keine andere Tätigkeit wahrnehmen als die gesetzlichen Aufgaben für die Erhebung der Haushalts- und Unternehmensabgabe. Diese Anforderung stellt für allfällige Bewerber um das Erhebungsmandat indessen keine schwerwiegende Einschränkung dar. Gefordert ist aus Transparenzgründen lediglich die strukturelle Verselbständigung der Erhebungsstelle, nicht aber deren Unabhängigkeit von anderen Unternehmen. Heute erhebt die Gebührenerhebungsstelle auch die Urheberrechtsabgaben für die Verwertungsgesellschaft Suisa und stellt dabei auf die Daten ab, die sie beim Inkasso der Empfangsgebühren bei den Betrieben erhebt. Dieser Synergieeffekt fiele künftig ohnehin weg, da die Erhebungsstelle ausschliesslich für die Haushaltabgabe tätig sein und deshalb über keine Daten von Betrieben bzw. Unternehmen mehr verfügen wird.

Neu ist die Erhebungsstelle verpflichtet, ihre Jahresrechnung sowie einen jährlichen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen. Mit dieser Verpflichtung wird dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach grösserer Transparenz bei der Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgabe entsprochen. Die Veröffentlichung der Jahresrechnung wird überdies auch in der Motion 10.3014 verlangt.

Die Unternehmensabgabe schulden ausschliesslich mehrwertsteuerpflichtige Unternehmen mit einem Mindestumsatz von 500 000 Franken. Die Abgabe wird neu direkt von der ESTV eingezogen. Auf diese Weise liegt der ganze Prozess in der Hand einer einzigen Behörde ­ der ESTV ­ wodurch Schnittstellen vermieden und ein effizientes Verfahren sichergestellt werden kann.

Die ESTV ist zuständig für die Rechnungsstellung, das Inkasso sowie die Rechtsmittelverfahren, welche die Abgabe betreffen. Das Verfahren richtet sich jedoch nicht nach dem MWSTG, sondern nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 196815 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG): Das bei der Mehrwertsteuer angewendete Verfahren der Selbstveranlagung eignet sich nicht zur Erhebung der Abgabe, da diese den Unternehmen in Rechnung gestellt wird. Einzelne Bestimmungen des MWSTG ­
wie beispielsweise betreffend Mithaftung und Sicherstellung ­ sind jedoch auch auf die Erhebung der Abgabe anwendbar, um einen parallelen Einzug der MWST und der Abgabe zu ermöglichen. Eine gemeinsame Erhebung von Haushalt- und Unternehmensabgabe durch eine einzige Stelle brächte hingegen wegen der klar getrennten Kreise der Abgabepflichtigen und der unterschiedlichen Systeme kaum Synergien.

Die neue Abgabe bringt damit nicht nur für die Erhebungsbehörde eine bedeutende administrative Vereinfachung gegenüber der heutigen Empfangsgebühr. Indem dieses Abgabesystem von den Unternehmen keine zusätzliche Deklaration oder Meldung erfordert, wird auch der Forderung nach administrativer Entlastung Rechnung getragen.

15

SR 172.021

4990

Verworfene Alternativen Bei der Erarbeitung der Gesetzesvorlage sind neben den hier erläuterten Regelungen auch andere Lösungen geprüft worden, um den Anforderungen der Motion 10.3014 zu entsprechen (zu alternativen Abgabesystemen siehe Ziff. 1.2.1 Vorteile des Systems einer geräteunabhängigen Abgabe sowie den Anhang II).

Die geprüften alternativen Kriterien für die Abgabe-Befreiung von Haushalten aus sozialpolitischen Gründen erwiesen sich durchwegs als nicht sachgerecht oder als zu aufwendig im Vollzug und wurden deshalb verworfen; dazu zählen die Modelle, die an der Verbilligung der Krankenkassenprämien, an der Steuerbefreiung oder ­ unter Einbezug ergänzender Kriterien ­ am steuerbaren Einkommen anknüpfen. Ebenfalls nicht angebracht ist die Befreiung von Personen, die Sozialhilfe empfangen, da gemäss den von den Kantonen anerkannten Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) die Kosten für die Empfangsgebühr im Existenzminimum berücksichtigt sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Ertragsausfall durch die Befreiung der Ergänzungsleistungen beziehenden Personen jährlich über 100 Millionen Franken beträgt, dass also bereits heute jeder gebührenzahlende Haushalt einen «Solidaritätsbeitrag» von rund 37 Franken bezahlt. Diese Beträge würden durch die Befreiung der Personen, die Sozialhilfe beziehen, auf über 150 Millionen Franken bzw. auf über 50 Franken je Haushalt ansteigen. Nicht gerechtfertigt ist schliesslich eine Befreiung von hör- oder sehbehinderten Personen.

Zwar können solche Menschen die Radio- und Fernsehprogramme nur eingeschränkt nutzen. Demgegenüber wird ein bedeutender und zunehmender Teil des Abgabeertrags gerade zum Ausgleich dieser Nachteile verwendet (mittels Untertitelung, Gebärdensprache, Audio Deskription) und die Programme diesen Menschen damit zugänglich gemacht.

Als Kriterium zur Befreiung und Tarifgestaltung für die Unternehmensabgabe verworfen wurde die Anknüpfung an die Lohnsumme oder an die Anzahl Angestellte eines Unternehmens. Beide Werte werden jährlich im Rahmen der AHV erhoben. Zum einen würde sich die Dezentralisierung der Datenbasis nachteilig auf die Effizienz des Systems auswirken, denn die Angaben müssten von den über 100 AHV-IV-Ausgleichskassen bezogen werden. Das Kriterium Lohnsumme hätte ausserdem die unerwünschte
Folge, dass die Arbeitskosten stärker belastet würden.

Die Zahl der Angestellten als Kriterium führt zu Verzerrungen, da die AHV-Statistik nicht unterscheidet zwischen temporärem bzw. teilzeitlichem Arbeitseinsatz und Vollzeitarbeit. Dies würde bestimmte Branchen mit einem grossen Anteil von temporär Angestellten wie das Gastgewerbe und die Landwirtschaft benachteiligen.

1.2.2

Weitere Regelungsbereiche

Kompetenzregelungen Die Aufsicht über das mit der Radio- und Fernseh-Abgabe finanzierte übrige publizistische Angebot (üpA) der SRG wird im geltenden RTVG nicht explizit geregelt und liegt daher heute beim BAKOM, das im Aufsichtsbereich eine Auffangkompetenz hat. Dies ist vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich garantierten Programmautonomie der Veranstalter heikel. Diese Kompetenz wird daher der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) übertragen. Näheres unten Ziffer 2.2.

4991

Eine weitere Lücke wird bei der Staatsunabhängigkeit geschlossen. Radio und Fernsehen sollen aus verfassungsrechtlichen Gründen vom Staat unabhängig sein (Art. 93 Abs. 3 BV). Da eine spezialgesetzliche Regelung im RTVG fehlt, können vom Staat beherrschte Radio- und Fernsehveranstalter nur dort verhindert werden, wo eine Konzession nötig ist. Um die Staatsunabhängigkeit auch bei den übrigen (meldepflichtigen) Veranstaltern durchsetzen zu können, wird eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Näheres unten Ziffer 2.3.

Die Zuständigkeiten im Bereich der Frequenzverwaltung sind im geltenden Recht danach aufgeteilt, ob es sich um medienpolitische (Bundesrat, UVEK) oder technische, auf die Infrastruktur bezogene Anliegen (Eidgenössische Kommunikationskommission ComCom) handelt. Die konkrete Ausgestaltung der Aufteilung im geltenden RTVG ist allerdings nicht ganz klar und konsequent. Die Kompetenzregelung ist dementsprechend anzupassen und auf die ursprüngliche Absicht auszurichten. Entscheidungen in Frequenzangelegenheiten, die der Sicherstellung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags von Radio und Fernsehen (Art. 93 BV) dienen, sollen durch den Bundesrat getroffen werden. Näheres unten Ziffer 2.11.

Die Schnittstelle WEKO-UVEK wird in Artikel 74 Absatz 2 RTVG geklärt. Künftig soll die WEKO im Rahmen der Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung die medienrelevanten Märkte selbst abgrenzen. Näheres unten Ziffer 2.13.

Eine weitere Modifikation betrifft die Zuständigkeit der UBI, Sanktionen auszusprechen. Diese Kompetenz ist verfassungsrechtlich heikel und wird in eine Antragskompetenz umgewandelt. Statt selbst Sanktionen auszusprechen, soll die UBI beim BAKOM einen Antrag auf Erlass von Sanktionen stellen können. Näheres unten Ziffer 2.15.

Die letzte Kompetenzverschiebung wird im Bereich des Abschlusses internationaler Verträge technischen oder administrativen Inhalts vorgeschlagen. Solche Verträge sollen direkt vom BAKOM abgeschlossen werden können. Dies entspricht einer Angleichung an die Regelung im Fernmeldegesetz vom 30. April 199716 (vgl.

Art. 64 FMG). Näheres unten Ziffer 2.16.

Konzessionsvoraussetzungen Vor der Erteilung einer Konzession für die Veranstaltung eines lokal-regionalen Radio- oder Fernsehprogramms muss nach geltendem Recht geprüft werden, ob die Meinungs- und Angebotsvielfalt nicht gefährdet wird. Die Erfahrungen anlässlich der Erteilung der Veranstalterkonzessionen 2007 haben gezeigt, dass diese Prüfung komplex und zeitaufwendig ist ­ sie kann bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen ­ und das Konzessionierungsverfahren schwerfällig macht. Diese Konzessionsvoraussetzung könnte zudem dazu führen, dass in kleinen Gebieten mit nur einem Medienhaus gar keine Konzessionen mehr erteilt werden könnten. Ein solches Ergebnis würde den vom Gesetzgeber favorisierten Grundsatz, wonach die Priorität bei der Auswahl von Konzessionären auf der Erfüllung des Leistungsauftrages liegen und erst in zweiter Linie die Frage der Medienkonzentration ausschlaggebend sein soll, in sein Gegenteil verkehren.

16

SR 784.10

4992

Aus diesen Gründen soll diese Konzessionsvoraussetzung gestrichen werden. Für die Bekämpfung der Medienkonzentration sieht das Gesetz schon heute andere Instrumente vor (Aufsichtsmassnahmen, falls eine Medienkonzentration tatsächlich besteht, Beschränkung auf den Erwerb von maximal zwei Radio- und zwei Fernsehkonzessionen), die hinreichend sind. Näheres unten Ziffer 2.9.

Die erwähnte Beschränkung auf den Erwerb von maximal zwei Radio- und zwei Fernsehkonzessionen erweist sich grundsätzlich als taugliches Instrument für die Gewährleistung der Medienvielfalt. Allerdings könnte sich diese Norm als technologiehemmend erweisen. Deshalb wird vorgeschlagen, dass der Bundesrat Ausnahmen vorsehen kann, soweit es um die Erteilung einer Konzession geht, welche die Einführung neuer Technologien fördert. Näheres unten Ziffer 2.10.

Finanzierung von Radio und Fernsehen Das Gebührensystem für die lokal-regionalen Veranstalter mit Leistungsauftrag und Gebührenanteil soll flexibilisiert werden. Dadurch wird künftig die Bildung von Überschüssen verhindert, ohne dass die Gebührenanteile der Veranstalter reduziert werden. Näheres unten Ziffer 2.8.

Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Förderung neuer Technologien konnte nicht im gewünschten Ausmass realisiert werden. Um die gewollte Anschubfinanzierung neuer Technologien effektiv zu gestalten, werden die Anspruchsvoraussetzungen neu definiert. Näheres unten Ziffer 2.12.

Rechte und Pflichten von Regionalfernsehveranstaltern mit Konzession Heute sind die SRG und die sprachregional verbreiteten Fernsehveranstalter zur behindertengerechten Aufbereitung von Sendungen verpflichtet. Eine entsprechende Dienstleistung zugunsten der Hörbehinderten sollen künftig auch die regionalen Fernsehveranstalter mit Konzession anbieten. Die Untertitelung soll vollumfänglich aus der Radio- und Fernseh-Abgabe finanziert werden. Näheres unten Ziffer 2.4.

Eine Erleichterung für die konzessionierten lokal-regionalen Veranstalter stellt die Aufhebung der Verbreitungsbeschränkung dar. Bisher durften Veranstalter mit Gebührenanteil ihr Programm nur im Versorgungsgebiet verbreiten. Aufgrund der neuen Verbreitungswege (insb. Verbreitung über Internet) stellt sich diese Beschränkung je länger desto mehr als grosser Nachteil für die gebührenfinanzierten Service-public-Veranstalter heraus; sie lässt sich darum nicht mehr länger aufrecht erhalten. Der Bundesrat sah sich bereits mehrmals veranlasst, infolge der technologischen Entwicklung Ausnahmen vorzusehen. Näheres unten Ziffer 2.7.

Übrige Änderungen Geringfügige Änderungen im RTVG betreffen die Werbezeitregelung (Liberalisierung wie in Europa) und die Organisation der Stiftung Mediapulse (Verzicht auf Vorgaben bei der Zusammensetzung des Verwaltungsrats). Näheres unten Ziffer 2.5 und 2.13.

4993

Die Auskunftspflicht soll im Bereich der Überprüfung der Medienkonzentration auf die Akteure derjenigen medienrelevanten Märkte erweitert werden, in denen die Prüfung stattfindet. Damit soll sichergestellt werden, dass der rechtserhebliche Sachverhalt ermittelt werden kann. Näheres unten Ziffer 2.6.

Das FMG soll im Bereich der Konzessionsgebühren geändert werden. Neu sollen nur noch konzessionierte Radio- und Fernsehveranstalter (heute: alle Veranstalter) zwingend von der Konzessionsgebühr für Funkkonzessionen befreit werden. Näheres unten Ziffer 2.17.

Im Bundesgesetz vom 17. Juni 200517 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG) wird ein gesetzgeberisches Versehen korrigiert und nun auf Gesetzesstufe ausdrücklich festgehalten, dass die Beschwerde gegen Verfügungen über die Erteilung, Änderung oder Erneuerung der Konzession für die SRG unzulässig ist. Näheres unten Ziffer 2.18.

Der Geltungsbereich des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 2002 über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG18), welcher durch die Bahnreform 2 versehentlich eingeengt wurde19, soll wiederhergestellt werden. Näheres unten Ziffer 2.19.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Im Vernehmlassungsverfahren nahmen alle 26 Kantone, zwei kantonale Konferenzen, acht politische Parteien und 88 Organisationen teil. Ausserdem reichten 97 Privatpersonen Stellungnahmen ein.

Der überwiegende Teil der Stellungnahmen bezog sich auf die neue, geräteunabhängige Abgabe. Der Systemwechsel wurde mehrheitlich begrüsst. Ein Teil der Stellungnehmenden forderte aber, dass bei Nichtkonsum keine Abgabe zu leisten sei und dass die Möglichkeit bestehen müsse, sich bei Nichtkonsum von Radio- oder Fernsehprogrammen abzumelden (sogenanntes Opting out). Das Opting out wird in der Vorlage nicht aufgenommen, weil dadurch die Geräteabhängigkeit als Ursache der heutigen Vollzugsprobleme ­ Abgrenzungsfragen, Haushaltkontrollen, Schwarzkonsumierende, Abmeldeverfahren ­ beibehalten und die Vorteile des Systemwechsels weitgehend entfallen würden.

Einige Teilnehmende forderten, dass die Haushaltabgabe nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit oder nach der Anzahl Personen abgestuft werde. Dies würde aber den administrativen Aufwand unverhältnismässig erhöhen, sodass an der einheitlichen Haushaltabgabe festgehalten wird.

Der Vorschlag, die Abgabe von Kollektivhaushalten (z.B. Alters- und Pflegeheime) nicht nach der Anzahl Bewohnerinnen und Bewohnern abzustufen, wurde in die Vorlage aufgenommen. Dies entspricht einer nochmaligen Vereinfachung des Systems und ist sachgerecht. In solchen Haushalten wohnen viele Bezügerinnen und

17 18 19

SR 173.32 SR 151.3 (Anpassungen gemäss AS 2012 5619; voraussichtliches Inkrafttreten: 1. Juli 2013) Vgl. BBl 2011 911 ff.

4994

Bezüger von Ergänzungsleistungen (EL), die von der Abgabe von Gesetzes wegen befreit sind.

Die Befreiung von EL-Beziehenden von der Haushaltabgabe wurde zwar begrüsst, allerdings wurde vereinzelt eine rückwirkende Befreiung gefordert. Auch dieses Anliegen wurde berücksichtigt, indem die Möglichkeit, sich rückwirkend bis zu fünf Jahren von der Abgabe zu befreien, vorgeschlagen wird.

In der Vernehmlassung wurden betreffend Unternehmensabgabe zwei Varianten unterbreitet: Erhebung durch die Erhebungsstelle oder Erhebung durch die ESTV.

Die Variante ESTV wurde mehrheitlich begrüsst und wird nun auch vorgeschlagen.

Es handelt sich um eine effiziente Lösung, mit welcher Synergien genutzt werden können.

Viele Reaktionen rief die Frage hervor, ab welchem jährlichen Gesamtumsatz ein Unternehmen die Abgabe zu leisten habe. Die Vorschläge waren sehr kontrovers (Erhöhung bzw. Senkung des Grenzwerts, Abstufung nach Anzahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern). Der Grenzwert wird allerdings nicht im Gesetz festgelegt, sondern vom Bundesrat in der Verordnung bestimmt. Der Bundesrat verfolgt weiterhin die Absicht, den Grenzwert bei 500 000 Franken festzulegen. Damit werden über 70 Prozent der Unternehmen keine Abgabe leisten müssen.

Die Forderung einiger Kreise, dass künftig das Parlament und nicht der Bundesrat die Abgabehöhe bestimmen solle, wird in der Vorlage nicht berücksichtigt. Diese Kompetenzverschiebung wäre unter dem Aspekt der Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen heikel und wurde vom Parlament bereits einmal abgelehnt.20 Die übrigen Revisionspunkte riefen weit weniger Reaktionen hervor. Zahlreiche Vorschläge konnten übernommen werden, da es sich häufig um geringfügige Modifikationen oder um Klarstellungen handelte. Insbesondere zu den nachfolgenden Themen gab es kritische oder ablehnende Reaktionen: Die Untertitelung von Fernsehsendungen der regionalen Fernsehveranstalter erachteten die betroffenen Kreise als zuwenig weitreichend. Demgegenüber gab es vereinzelte Stimmen, die diese Regelung ablehnten. Da es sich um eine Thematik handelt, die stark von den technischen Entwicklungen und Möglichkeiten abhängt, wird neu vorgeschlagen, die konkreten Anforderungen an die Untertitelung an den Bundesrat zu delegieren.

Die Streichung der täglichen Werbezeitbeschränkung ging gewissen Teilnehmenden zu wenig
weit. Vereinzelt gefordert wurden eine weitergehende Liberalisierung, weitergehende Restriktionen für die SRG oder der Status quo. Es wurden keine Anpassungen vorgenommen, weil die vorgeschlagene Norm den europäischen Minimalanforderungen entspricht und eine Gleichbehandlung der schweizerischen mit den ausländischen Veranstaltern bedeutet. Was die SRG betrifft, besteht heute schon eine Kompetenz des Bundesrates, die Werbezeit einzuschränken, wovon er auch Gebrauch gemacht hat.

Die Flexibilisierung des Abgabenanteils für die lokalen und regionalen Veranstalter rief zahlreiche kontroverse Reaktionen hervor: Diese gingen von der Ablehnung der Flexibilisierung bis zur Verlegung der Bandbreite nach oben (4­6 Prozent) oder nach unten (2­4 Prozent). Die Vorlage wurde nicht angepasst. Mit dem vorliegenden 20

09.411, Parlamentarische Initiative Rickli ­ Kompetenz für Radio- und Fernsehgebühren beim Parlament (AB 2010 S 1347).

4995

Vorschlag sind die Bedürfnisse der lokalen und regionalen Veranstalter abgedeckt, und gleichzeitig kann die Neubildung von Überschüssen verhindert werden.

Der Vorschlag, die Überschüsse aus den Gebührenanteilen an die Gebührenzahlenden zurückzuzahlen, wurde von zahlreichen Teilnehmenden begrüsst, es wurden aber auch Alternativen vorgeschlagen (insbesondere die Verwendung für den Journalismus, die Aus- und Weiterbildung, die Unterstützung neuer Technologien oder die Digitalisierung). Da für die vorgeschlagenen Zwecke bereits Subventionen bestehen, wird weiterhin die Rückzahlung an die Gebührenzahlenden vorgeschlagen.

Von betroffenen Kreisen wurde auf ein gesetzgeberisches Versehen im BehiG hingewiesen. Im Zuge der Bahnreform 2 wurde versehentlich der Geltungsbereich eingeschränkt, sodass die Radio- und Fernsehveranstalter mit Konzession nicht mehr den bisherigen Pflichten unterliegen würden. Dieses Anliegen wurde entgegengenommen, und es wird vorgeschlagen, dieses Versehen zu korrigieren und für die konzessionierten Radio- und Fernsehveranstalter den Status quo wieder herzustellen.

1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Mit der Einführung einer geräteunabhängigen Abgabe für Radio und Fernsehen soll die Finanzierung des verfassungsmässigen Service public der SRG und der privaten lokal-regionalen Radio- und Fernsehveranstalter auch unter veränderten technologischen Voraussetzungen gesichert werden. Den jährlich rund 1,3 Milliarden Franken Abgabeerträgen, welche auf diesem Weg erhoben und für die Erbringung dieser wichtigen Leistungen für Kultur und Demokratie verwendet werden können, steht ein im Verhältnis geringer Erhebungsaufwand von voraussichtlich rund 40 Millionen Franken entgegen. Im Vergleich mit dem heutigen Empfangsgebührensystem fällt somit ein geringerer finanzieller Erhebungsaufwand für die Abgabe an (vgl.

Ziff. 3.3).

1.5

Rechtsvergleich

Nicht nur die Schweiz ist mit dem Problem konfrontiert, dass der Betrieb eines Empfangsgeräts nicht mehr als Kriterium für die Erhebung einer Rundfunkgebühr geeignet ist. In vielen europäischen Ländern gibt es deshalb Bestrebungen zu einer Anpassung der bisherigen Finanzierungsmodelle an die veränderte Situation. Die Bemühungen zur Einführung geräteunabhängiger Abgaben sind in den verschiedenen Staaten unterschiedlich weit gediehen.

Bestimmte Länder ziehen einen Systemwechsel erst in Erwägung (z.B. Österreich), andere Staaten haben das neue Modell bereits eingeführt. So ist in Deutschland am 1. Januar 2013 der neue, von den Ländern beschlossene Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBeitrStV) in Kraft getreten. Rundfunkempfang und Rundfunkbeitrag sind nunmehr entkoppelt: Im privaten Bereich ist für jede Wohnung ein Beitrag (Haushaltabgabe) zu entrichten, wobei auch nach neuem Recht bestimmte Möglichkeiten zur Befreiung (z.B. für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialhilfe oder für taubblinde Menschen) oder Ermässigung (z.B. für hör- oder sehgeschädigte Personen) bestehen. Im gewerblichen Bereich ist der Rundfunkbeitrag gestaffelt nach der Anzahl der Beschäftigten pro Betriebsstätte.

4996

1.6

Umsetzung

Mit der Abkehr von der Empfangsgebühr hin zur geräteunabhängigen Abgabe für Radio und Fernsehen findet ein grundlegender Systemwechsel statt. Dieser Wechsel bedingt die vollständige Überarbeitung der Abläufe und Prozesse für die Erhebung der Abgabe und das Inkasso. Während die Haushaltabgabe weiterhin von einer Erhebungsstelle ausserhalb der Bundesverwaltung erhoben werden wird, soll die Erhebung der Unternehmensabgabe zudem an die ESTV übertragen werden. Auch dies bedingt eine gesetzliche Neukonzeption des Verfahrens. Die gewählte Lösung ist für die ESTV im Vollzug praktisch handhabbar.

Wie dies bereits bei der Empfangsgebühr unter dem geltenden RTVG der Fall ist, sollen die gesetzlichen Regelungen zum Abgabesystem auf Verordnungsstufe weiter verfeinert und ausgeführt werden. So wird der Bundesrat auch im neuen System periodisch die Höhe der Abgabe und die Erhebungsstelle für die Haushaltabgabe bestimmen. In weiteren Ausführungsbestimmungen wird der Bundesrat in der RTVV insbesondere die für die Erhebung der Haushaltabgabe relevanten Daten aus den Einwohnerregistern und die für die Unternehmensabgabe massgebenden Umsatzstufen festlegen.

Auch zu gewissen Bestimmungen in den weiteren Regelungsbereichen (vgl. oben Ziff. 1.2.2) werden präzisierende Ausführungsbestimmungen in der RTVV geschaffen werden müssen. In einigen Fällen werden gar Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert (vgl. hierzu unten Ziff. 5.3).

1.7

Erledigung parlamentarische Vorstösse

Es wird beantragt, folgende parlamentarischen Vorstösse als erledigt abzuschreiben: 10.3014 Motion KVF-N Neues System für die Erhebung der Radio- und Fernsehgebühren 10.4032 Postulat Bieri (S) Änderung des RTVG. Nicht ausbezahlbare Gebührengelder zur Förderung journalistischer Qualität sowie gemeinsamer Initiativen der Branche verwenden 11.4080 Motion Rickli (N) Keine doppelte Erhebung von Gebühren durch die Billag Mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung erfüllt der Bundesrat das Anliegen der Motion KVF-N, welche die Ausarbeitung einer Vorlage zur Änderung der Gebührenpflicht im Sinne einer geräteunabhängigen Abgabe für alle Haushalte und alle Betriebe verlangt (vgl. oben Ziff. 1.1.1 und 1.2.1 Vorteile des Systems einer geräteunabhängigen Abgabe).

Das Postulat von Herrn Ständerat Bieri wurde vom Ständerat am 16. März 2011 angenommen. Die Ergebnisse der vertieften Prüfung des Anliegens werden, wie in der Stellungnahme des Bundesrates vom 16. Februar 2011 zum Vorstoss in Aussicht gestellt, im Rahmen der vorliegenden Gesetzesrevision dargelegt (vgl. unten Ziff. 2.8.3).

Dem Anliegen der Motion von Frau Nationalrätin Rickli, welche am 10. September 2012 vom Ständerat an den Bundesrat überwiesen wurde, wird mit dem vorgeschla4997

genen Systemwechsel bei der Finanzierung des Service public in Radio und Fernsehen nachgekommen. Mit dem Wegfall der Meldepflicht werden die in der Motion geschilderten Konstellationen ausgeschlossen.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Abgabe für Radio und Fernsehen

2.1.1

Allgemeines

Art. 68

Grundsatz

Absatz 1: Grundsatzbestimmung, welche den Zweck der Abgabe und den Kreis der Abgabepflichtigen umreisst.

Absatz 2: Unverändert gilt der Grundsatz, dass pro Haushalt eine Abgabe erhoben wird (vgl. heute Art. 68 Abs. 2 RTVG). Neu ist dagegen, dass die zweite Abgabe pro Unternehmen erhoben wird und nicht mehr wie heute pro Geschäftsstelle eines Unternehmens.

Absatz 3: Entspricht der heutigen Praxis: wie der Ertrag der Empfangsgebühr wird auch der Ertrag der Abgabe grundsätzlich nicht in der Staatsrechnung ausgewiesen.

Einzige Ausnahme ist wie bisher jener Teil der Abgabe, der den Bundesstellen (BAKOM, neu auch ESTV) als Abgeltung für deren Aufwand bei der Abgabeerhebung ausgerichtet wird.

Art. 68a (neu)

Höhe der Abgabe und Verteilschlüssel

Absatz 1: Diese Bestimmung entspricht inhaltlich dem bisherigen Artikel 70 Absatz 1, hinzugekommen ist eine Bestimmung in Buchstabe e. Aus dem Ertrag der Abgabe werden dieselben Leistungen finanziell unterstützt wie heute aus dem Ertrag der Empfangsgebühr (vgl. heutigen Art. 70 Abs. 1 RTVG): die Programme und das übrige publizistische Angebot der SRG; die Programme der privaten lokalregionalen Radio- und Fernsehveranstalter mit einem Abgabenanteil; die Stiftung für Nutzungsforschung, die Einführung neuer Verbreitungstechnologien sowie die Aufgaben im Zusammenhang mit der Erhebung und Durchsetzung der Abgabe, insbesondere der Aufwand der Erhebungsstelle; die Tätigkeit des BAKOM im Bereich der Empfangsgebühren, neu auch die Tätigkeit der ESTV bei der Erhebung der Abgabe sowie die Entschädigung von Kantonen und Gemeinden (nach Art. 69g Abs. 4).21 Hinzu kommt neu die Unterstützung der Untertitelung von konzessionierten Regionalfernsehprogrammen zugunsten von hörbehinderten Menschen (Bst. e; Erläuterungen zu dieser Bestimmung siehe unter Ziff. 2.4).

Dass der Bundesrat ­ und nicht das Parlament ­ die Höhe der Abgabe festlegen soll, hat das Parlament im Dezember 2010 bestätigt, indem es einer parlamentarischen

21

Vgl. für die Bestandteile und Finanzflüsse des heutigen Empfangsgebührensystems und des neuen Systems der Radio- und Fernseh-Abgabe Anhang III.

4998

Initiative keine Folge leistete, welche diese Kompetenz der Bundesversammlung zuweisen wollte.22 Absatz 2: Ausdrücklich festgehalten wird nun die bisherige Praxis, wonach der Bundesrat bei der Festlegung der Abgabehöhe auch die Beträge festlegt, welche aus dem voraussichtlichen Abgabeertrag den Zwecken und Empfängern nach Absatz 1 zufliessen. In Bezug auf den Anteil der SRG (nach Abs. 1 Bst. a) kann der Bundesrat zudem die Teilbeträge für Radio, für Fernsehen und für das übrige publizistische Angebot einzeln bestimmen. Dadurch kann er ­ sofern nötig ­ sicherstellen, dass die einzelnen Mediengattungen im Angebot der SRG einen angemessenen Anteil aus der neuen Abgabe erhalten, um den Leistungsauftrag erfüllen zu können. Im heutigen Gebührensystem ergibt sich die Aufteilung nach Radio und nach Fernsehen automatisch, da eine separate Radio- und Fernseh-Empfangsgebühr erhoben wird, deren Erträge für das jeweilige Medium verwendet werden. Mit der neuen Abgabe entfällt diese Aufteilung. Von dieser Kompetenz würde der Bundesrat insbesondere dann Gebrauch machen, wenn er feststellen würde, dass einzelne Programmkategorien auf Kosten von anderen zu gut ausgestattet bzw. zugunsten anderer vernachlässigt würden.

Absatz 3: Entspricht dem heutigen Artikel 70 Absatz 3 RTVG.

2.1.2 Art. 69

Haushaltabgabe Allgemeine Bestimmungen

Absatz 1: Die Regelung des zeitlichen Beginns bzw. Endes der Abgabepflicht für einen Haushalt entspricht sinngemäss der heutigen Regelung in Artikel 68 Absätze 4 und 5 RTVG.

Absatz 2: Im heutigen Gebührensystem erhält die Erhebungsstelle die Daten zu den betroffenen Haushalten in erster Linie durch deren Anmeldung. Zur Überprüfung der Gebührenpflicht von nicht angemeldeten Haushalte verfügt die Gebührenerhebungsstelle über verschiedene weitere Datenquellen, unter anderem die Einwohnerregister, die Adressdaten der Post und die Rückmeldungen der Kontrolleurinnen und Kontrolleure der Gebührenerhebungsstelle. Im neuen Abgabesystem entfällt die Meldepflicht. Die Erhebungsstelle muss sich daher sämtliche Haushaltdaten aus anderen Quellen beschaffen. Durch die Vereinheitlichung der Einwohnerregister im Rahmen des RHG eignen sich diese Register als alleinige Datengrundlage für die Erhebung der Haushaltabgabe. In jedem Register werden die im betreffenden Kanton bzw. in der betreffenden Gemeinde gemeldeten Personen mittels einer Personen-Identifikatornummer erfasst und jeweils einer bestimmten Gebäude- und einer Wohnungs-Identifikatornummer zugeordnet. Die beiden letzten Nummern basieren auf dem offiziellen Gebäude- und Wohnungsregister. Zuzüge, Wegzüge und Umzüge müssen dem zuständigen Einwohneramt gemäss RHG innert 14 Tagen mitgeteilt werden. Auf der Grundlage dieser Angaben lassen sich zu jedem gewünschten Zeitpunkt der aktuelle Bestand und die Zusammensetzung der Haushalte in der ganzen Schweiz feststellen. Der Zugang der Erhebungsstelle zu den Daten der Einwohnerregister ist in Artikel 69g geregelt.

22

Parlamentarische Initiative N Rickli «Kompetenz für Radio- und Fernsehgebühren beim Parlament» (09.411) vom 19.3.2009 (AB 2010 S 1347)

4999

Absatz 3: Die Einzelheiten zu Periodizität, Fälligkeit und Verjährung der Haushaltabgabe wird der Bundesrat wie bisher in der RTVV regeln, so die jährliche Erhebung der Haushaltabgabe und die Modalitäten im Zusammenhang mit der Rechnungstellung (heute in Art. 60a bis 62 RTVV). Wie dies heute bei der Empfangsgebühr der Fall ist, wird bezüglich Haushalte die Jahresrechnung der Standard sein, die quartalsweise Rechnung die zuschlagspflichtige Alternative.

Art. 69a (neu)

Privathaushalte: Abgabepflicht

Absatz 1: Wie heute bei der Empfangsgebühr ist der Tarif der neuen Abgabe einheitlich für alle Privathaushalte.

Absatz 2: Das RHG definiert den Haushalt als Einheit aller Bewohnerinnen und Bewohner, die in der gleichen Wohnung leben (Art. 3 Bst. d RHG), in der Registerharmonisierungsverordnung vom 21. November 200723 (RHV) wird ausserdem der Privathaushalt vom Kollektivhaushalt unterschieden (Art. 2 Bst. a und abis RHV).

Demnach gilt als Privathaushalt die Gesamtheit aller Personen, die in derselben Wohnung in demselben Gebäude wohnen. Als Kollektivhaushalte betrachtet werden bestimmte, abschliessend aufgezählte Formen von Gross-Haushalten (Alters- und Pflegeheime, Wohn- und Erziehungsheime, Internate, Studentenwohnheime, Behinderteninstitutionen, Spitäler, Gefängnisse, Asylheime, Klöster). Diese Definition ist praktisch identisch mit dem Haushaltsbegriff, den die Gebührenerhebungsstelle in der bisherigen Praxis entwickelt und angewandt hat. Der bedeutendste Unterschied besteht darin, dass der private Wohnbereich von Bewohnerinnen und Bewohnern von Kollektivhaushalten (z.B. Pflegeheimen) im heutigen Empfangsgebührensystem als eigener Haushalt betrachtet wird, während nach dem RHG innerhalb eines Kollektivhaushalts keine Privathaushalte bestehen.

Absatz 3: Da ein Haushalt kein Rechtsträger ist, muss geregelt werden, inwieweit den Bewohnerinnen und Bewohnern die Verantwortung für die Bezahlung der Abgabe zukommt. Aus der Haftungsbestimmung in diesem Absatz ergibt sich, dass Schuldner(in) jede Person im Haushalt ist, welche volljährig ist, d.h. das 18. Altersjahr zurückgelegt hat. Die Haftung ist solidarisch. Dies bedeutet, dass alle Personen im Haushalt gemeinsam haften. Die Erhebungsstelle kann ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse von allen, einigen oder einem einzigen der Schuldner die Erfüllung der Schuld verlangen. Im Fall einer Betreibung steht es im Ermessen der Erhebungsstelle, gegen welche der solidarisch haftenden Personen sie die Betreibung über den ganzen offenen Betrag richtet. Wie die solidarisch Haftenden den von einer Person bezahlten Betrag intern ausgleichen, richtet sich nach den rechtlichen Grundlagen des Innenverhältnisses (Art. 148 des Obligationenrechts24).

Die hier gewählte Regelung für den Privathaushalt entspricht insofern der heutigen Regelung im Rahmen der
Empfangsgebühr, als heute jede Person, die im betreffenden Haushalt ein Empfangsgerät zum Betrieb bereithält oder betreibt, für die Entrichtung der Empfangsgebühr verantwortlich ist. Im Gegensatz zu heute entfällt aber die Abgabepflicht für einen Zweitwohnsitz. Diese Änderung gegenüber heute liegt im unterschiedlichen Anknüpfungspunkt der Abgabe begründet. Da die heutige Gebühr am Empfangsgerät anknüpft, muss heute unter bestimmten Umständen auch für einen Zweitwohnsitz (z.B. eine Ferienwohnung) eine Haushaltgebühr entrichtet 23 24

SR 431.021 SR 220

5000

werden, wenn dort ein entsprechendes Gerät steht. Die neue Abgabe hingegen wird völlig losgelöst von einem Empfangsgerät geschuldet, sodass sich die Abgabepflicht einer Person auf einen einzigen Haushalt beschränken muss. Dies ist der Hauptwohnsitz der Person (Bst. a); einzig bei Personen mit Hauptwohnsitz im Ausland ist es der Nebenwohnsitz (Bst. b).

Absatz 4: Dieser Absatz präzisiert, dass eine Person nur insofern für die Abgabeschuld eines Haushalts haftet, als sie zu Beginn der entsprechenden Rechnungsperiode bereits diesem Haushalt angehört hat (und in der Regel auch auf der Rechnung als Adressat ausdrücklich erwähnt ist). Konkret heisst das, dass Personen, die erst im Laufe der Rechnungsperiode zum Haushalt stossen, für allenfalls noch offene Rechnungen nicht haften. Umgekehrt haftet für diese Rechnungen eine Person, die dem Haushalt ursprünglich angehört hat, aber während der Rechnungsperiode weggezogen ist. Diese Schematisierung ist erforderlich, um einen unverhältnismässig grossen Erhebungsaufwand zu vermeiden.

Absatz 5: Nach der Definition in Artikel 3 Buchstabe d RHG besteht in einer Wohnung derselbe Haushalt weiter, solange diese Wohnung von mindestens einer Person bewohnt wird. Für die Erhebung der Abgabe ist es jedoch wesentlich, dass bei einem zeitgleichen Auszug aller Bewohnerinnen und Bewohner einer Wohnung oder im Todesfall der einzigen Bewohnerin der bisherige Haushalt endet, und damit auch dessen Abgabepflicht, selbst wenn die betreffende Wohnung ohne Unterbruch von anderen Personen weiterhin bewohnt werden sollte. Diese anderen Personen begründen in derselben Wohnung ab dem folgenden Monatsersten einen neuen Haushalt, der einer eigenen Abgabepflicht unterliegt. Mit der vorliegenden Bestimmung wird diese Abweichung von der RHG-Definition festgehalten. Aus praktischen Gründen und in Analogie zur Regelung von Abgabepflicht und Haftung wird die Veränderung der Haushaltszugehörigkeit nur monatsweise berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Beendigung eines Haushalts bzw. die Neugründung eines solchen in derselben Wohnung nicht erst dann erfolgt, wenn alle Bewohner am gleichen Tag wechseln. Es genügt, wenn sich der Wechsel aller Bewohnerinnen und Bewohner im Laufe desselben Kalendermonats ereignet. Der bisherige Haushalt endet in einem solchen Fall am letzten Tag des betreffenden
Kalendermonats, der neue Haushalt wird am ersten Tag des folgenden Monats begründet. Geschieht der vollständige Wechsel der Personen in einer Wohnung hingegen über einen längeren Zeitraum als innerhalb eines Kalendermonats, so gilt der bisherige Haushalt als weiterbestehend.

Art. 69b (neu)

Privathaushalte: Befreiung von der Abgabepflicht

Absatz 1: Im neuen Abgabesystem sollen dieselben Personen bzw. Haushalte befreit werden wie im heutigen Gebührensystem, nämlich die Bezügerinnen und Bezüger von jährlichen Ergänzungsleistungen (EL) nach AHV und IV (Bst. a; heute in Art. 64 RTVV) sowie bestimmte Kategorien von ausländischen Personen, die gemäss Völkerrecht Vorrechte und Immunitäten geniessen (Bst. b; heute in Art. 63 Bst. e RTVV). Die Befreiung von Personen, die Ergänzungsleistungen beziehen, wird wie bisher auf ihr schriftliches Gesuch hin und nach Vorlage der Bestätigung der zuständigen Behörde (AHV-Ausgleichskasse und EL-Durchführungsstellen) über die Ausrichtung der Ergänzungsleistungen erteilt.

Anders als im heutigen Gebührensystem wird künftig eine rückwirkende Befreiung von der Haushaltabgabe möglich sein. Dies bedeutet, dass eine EL-beziehende Person in ihrem Gesuch bei der Erhebungsstelle auch die Befreiung von der Abgabe 5001

für die (maximal) fünf vorangehenden Jahre geltend machen kann, soweit sie in diesen Jahren bereits eine jährliche EL erhalten hat. Die in den entsprechenden Vorjahren bereits bezahlten Abgabebeträge werden der rückwirkend befreiten Person von der Erhebungsstelle rückerstattet. Diese Neuerung bedeutet eine Verbesserung für EL-Beziehende, welche oft ungenügend über die Befreiungsmöglichkeiten informiert sind.

Nicht mehr ausdrücklich von der Abgabe befreit werden müssen stark pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen (vgl. heute Art. 63 Bst. b RTVV), da diese nach RHG keinen eigenen Haushalt führen. Ebenso hinfällig wird die ausdrückliche Befreiung von Personen mit ausländischem Wohnsitz (heute in Art. 63 Bst. a RTVV), da diese Personen von der Einwohnermeldepflicht ohnehin ausgenommen sind (aufgrund von Art. 3 Bst. c RHG) und dadurch in den Einwohnerregistern nicht erscheinen.

Wie bisher von der Haushaltabgabe befreit werden sollen die rund 5 500 ausländischen Personen, die in offizieller Eigenschaft für eine diplomatische Mission, einen konsularischen Posten, eine ständige Mission oder eine andere Vertretung bei zwischenstaatlichen Organisationen nach Artikel 2 Absatz 1 des Gaststaatgesetzes vom 22. Juni 200725 (GSG) tätig sind und die entsprechenden Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen geniessen. Der Kreis dieser Personen entspricht wie heute den Inhabern und Inhaberinnen einer EDA-Legitimationskarte des Typs B, C, D, E, K rot, K blau, K violett und O, was nach wie vor in der RTVV präzisiert sein wird (vgl. bestehende Regelung in Art. 63 Bst. e RTVV). Daneben werden neu auch die rund 2 200 ausländischen Personen, die in offizieller Eigenschaft für eine internationale Organisation nach Artikel 2 Absatz 1 GSG tätig sind und den Diplomatenstatus besitzen, von der Abgabe befreit. Die Befreiung dieser Personen lässt sich aus den Verpflichtungen der Schweiz aus dem Völkerrecht ableiten (Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen26, Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen27, Sitzabkommen28 sowie andere bilaterale oder multilaterale Abkommen über Vorrechte und Immunitäten) und entspricht der internationalen Usanz. Sie wird namentlich in allen Nachbarländern der Schweiz gewährt. Die Massnahme dient somit dazu, die völkerrechtlichen Pflichten der Schweiz
einzuhalten, was für die Schweiz als Gaststaat und Standort von internationalen Organisationen erforderlich ist. Die Befreiung der obengenannten Personen wird die Erhebungsstelle soweit möglich von Amtes wegen vornehmen; ihre Entscheidung fällt sie aufgrund der Daten aus den Einwohnerregistern und aus dem Informationssystem Ordipro des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Da die Meldung bei der Einwohnerbehörde für ausländische Personen, die Vorrechte und Immunitäten geniessen, freiwillig ist, verfügt die Erhebungsstelle nicht über die erforderlichen Daten aller dieser Personen, sodass daneben auch die Möglichkeit der Befreiung auf Gesuch hin vorgesehen wird.

Absatz 2: Diese Bestimmung hält ausdrücklich fest, was bereits heute bei der Empfangsgebühr Praxis ist. Der ganze Privathaushalt wird von der Abgabe befreit, wenn eine Person aus diesem Haushalt die Befreiungsvoraussetzungen erfüllt. Dies ist für beide Befreiungstatbestände nach Absatz 1 sachgerecht. Bei ihrem Entscheid, ob 25 26 27 28

SR 192.12 SR 0.191.01 SR 0.191.02 Vgl. Anhang 1 der Verordnung vom 7. Juni 2004 über das Informationssystem Ordipro des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (SR 235.21).

5002

eine Person Anrecht auf Ergänzungsleistungen hat, berücksichtigt die kantonale Behörde stets die wirtschaftliche Situation des ganzen Haushalts. Im Fall von ausländischen Personen, die gemäss Völkerrecht Vorrechte und Immunitäten geniessen, besitzen in der Regel Familienmitglieder im gemeinsamen Haushalt den gleichen Status wie die hauptberechtige Person.

Art. 69c (neu)

Kollektivhaushalte

Absatz 1: Jeder Kollektivhaushalt entrichtet eine Abgabe in derselben Höhe, ungeachtet der Zahl seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Die Erhebung einer Abgabe, die nach der Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner abgestuft ist, würde einen unverhältnismässig grossen Mehraufwand verursachen, insbesondere wenn nur die effektiv abgabepflichtigen Bewohnerinnen und Bewohner erfasst werden sollen, nämlich die volljährigen Personen, die sich dauerhaft im betreffenden Kollektivhaushalt aufhalten, dort ihren Hauptwohnsitz haben und keine Ergänzungsleistungen nach AHV/IV beziehen. Die Daten aus den Einwohnerregistern lassen eine vollständige und zuverlässige Unterscheidung der Bewohnerinnen und Bewohner von Kollektivhaushalten nach diesen Kriterien nicht zu, sodass die Erhebungsstelle regelmässig eine besondere Erhebung bei allen Kollektivhaushalten durchführen müsste.

Absatz 2: Als Kollektivhaushalte gelten nach Artikel 2 Buchstabe abis RHV bestimmte Formen von Grosshaushalten wie Alters- und Pflegeheime, Wohn- und Erziehungsheime, Internate, Studentenwohnheime, Behinderteninstitutionen, Spitäler, Gefängnisse, Asylheime, Klöster (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 69a Abs. 2).

Absatz 3: Die Regelung der solidarischen Haftung für den Privathaushalt (vgl.

Art. 69a) lässt sich wegen ihrer Besonderheiten nicht auf Kollektivhaushalte übertragen. Die Verantwortung für die Entrichtung der Abgabe und der damit verbundenen Verfahrenspflichten liegt hier bei der haftenden Rechtspersönlichkeit mit Rechts- und Handlungsfähigkeit, welche hinter jedem Kollektivhaushalt steht. Dabei kann es sich um eine natürliche (bei der einfachen Gesellschaft oder bei Personengesellschaften wie z.B. die Kollektivgesellschaft) oder um eine juristische Person (Verein, Stiftung oder eine Handelsgesellschaft wie AG oder GmbH) handeln. Den einzelnen Personen hingegen, die einem Kollektivhaushalt angehören, kommt im Zusammenhang mit der Abgabe keine rechtliche Verantwortung zu.

Art. 69d (neu)

Erhebung der Haushaltabgabe

Absatz 1: Der Bundesrat wird das Mandat für die Erhebung der Abgabe bei den Haushalten einer besonderen Erhebungsstelle übertragen. Dies entspricht der heutigen Regelung, welche zur Übertragung des Mandats an die Billag AG geführt hat, und wird auch in der Motion 10.3014 gefordert. Der Bundesrat wird die Bestimmung der Erhebungsstelle wie heute dem UVEK überlassen, und dieses wird wie bisher mit der Erhebungsstelle einen Vertrag über die Modalitäten der Aufgabenerfüllung sowie die Entschädigung abschliessen (vgl. heute Art. 65 Abs. 1 und 3 RTVV).

Die Übertragung der Abgabenerhebung erfolgt nach den Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts des Bundes.29 Die Erhebungsstelle ist somit in einem nicht 29

Bundesgesetz vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1).

5003

diskriminierenden Verfahren unter Wettbewerbsbedingungen auszuwählen, das heisst entweder in einer öffentlichen Ausschreibung oder in einem öffentlichen Einladungsverfahren.

Sollte in einem öffentlichen Verfahren nach Beschaffungsrecht kein Bewerber gefunden werden, der die Anforderungen erfüllt, oder kein wirtschaftlich günstiges Angebot vorliegen, erlaubt es die «Kann»-Formulierung dem Bundesrat, die Erhebungs-Aufgaben notfalls einer Bundesstelle zu übertragen.

Absatz 2: Wie bisher übt das BAKOM die Aufsicht über die Erhebungsstelle aus (vgl. bestehenden Art. 69 Abs. 5 RTVG). Daneben unterliegt die Erhebungsstelle nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe d des Bundesgesetzes vom 28. Juni 196730 über die Eidgenössische Finanzkontrolle (Finanzkontrollgesetz, FKG) auch der Finanzaufsicht der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Weiterhin behandelt das BAKOM auch Beschwerden gegen Verfügungen der Erhebungsstelle (siehe Art. 99 Abs. 2).

Art. 69e (neu)

Aufgaben und Kompetenzen der Erhebungsstelle

Absatz 1: Die Erhebungsstelle wird wie die heutige Gebührenerhebungsstelle (vgl.

heute Art. 69 Abs. 1 RTVG) Verfügungen über das Bestehen einer Abgabepflicht erlassen (Bst. a). Neu wird die Erhebungsstelle zudem gegenüber Kantonen und Gemeinden bei Streitigkeiten über die Entschädigung im Zusammenhang mit der Lieferung von Daten aus den Einwohnerregistern verfügen können (Bst. b).

Absatz 2: Bei ihren Tätigkeiten gemäss Absatz 1 handelt die Erhebungsstelle in Anwendung des VwVG und ist Behörde im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe e VwVG. Als solche kann sie beispielsweise auch Verfügungen im Bereich des Datenschutzgesetzes31 und des Öffentlichkeitsgesetzes32 erlassen. Die Abgabepflichtigen haben bei der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken (Art. 13 VwVG).

Absatz 3: Die Erhebungsstelle hat geschuldete Abgaben nötigenfalls im Rahmen von Betreibungsverfahren einzufordern. Ihre Verfügungen berechtigen zur definitiven Rechtsöffnung gemäss Artikel 80 Absatz 2 Ziffer 2 SchKG.33 Diese Kompetenz besitzt die Erhebungsstelle bereits heute (vgl. Art. 69 Abs. 1 RTVG).

Absatz 4: Die Erhebungsstelle muss sich auf die Tätigkeit nach diesem Gesetz beschränken, andere wirtschaftliche Aktivitäten sind ihr nicht gestattet. Mit dieser Bestimmung ist sichergestellt, dass die Erhebungsstelle ihre vertragliche Abgeltung allein für die Erhebung der Abgabe einsetzt und dass ­ vor dem Hintergrund der neuen Pflicht zur Publikation der Jahresrechnung ­ vollständige Transparenz über die Verwendung der Mittel hergestellt werden kann. Diese Anforderung stellt für allfällige Bewerber um das Erhebungsmandat indessen keine schwerwiegende Einschränkung dar. Gefordert ist lediglich die strukturelle Verselbständigung der Erhebungsstelle, nicht aber deren Unabhängigkeit von anderen Unternehmen. Die Erhebungsstelle kann durchaus einem anderen Unternehmen gehören oder Teil eines grösseren Konzerns sein, in welchem auch andere ­ bisherige oder neue ­ Tätigkei30 31 32 33

SR 614.0 Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ 152.3) Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG; SR 281.1)

5004

ten wahrgenommen werden. Auch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen (Buchhaltung, Informatik, Liegenschaften, u.a.) mit anderen Unternehmen bleibt der Erhebungsstelle möglich.

Die bisherige Nebentätigkeit der Gebührenerhebungsstelle im Auftrag der Verwertungsgesellschaft Suisa (Erhebung von Urheberrechtsentschädigungen bei Betrieben) könnte die Erhebungsstelle im neuen Abgabesystem ohnehin nicht weiterführen, da ihre Tätigkeit auf die Haushaltabgabe beschränkt wird und sie daher anders als heute keine Daten von Unternehmen erheben bzw. erhalten wird.

Nicht untersagt ist es der Erhebungsstelle hingegen, wie bisher einzelne Aufgaben bei der Erhebung der Abgabe an Drittfirmen auszulagern. Dies ermöglicht eine effizientere und günstigere Aufgabenerfüllung und liegt damit auch im Interesse der Abgabezahlenden. Heute lagert die Gebührenerhebungsstelle Billag AG u.a. Teile der Informatik (IT-System), Druck, Verpackung und Versand der Rechnungen sowie die Verlustscheinverwertung an externe Firmen aus. Es versteht sich von selbst, dass die beauftragten Drittfirmen denselben Pflichten (Sorgfalt, Datenschutz, Auskunft, u.a.) unterliegen müssen wie die Erhebungsstelle selbst. Eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag zwischen der Erhebungsstelle und dem UVEK wird dies sicherstellen. Die Erhebungsstelle wird diese Pflichten von jeder beauftragten Firma einfordern und gegebenenfalls durchsetzen müssen. Ausserdem wird sich das UVEK im Vertrag die Genehmigung von Auslagerungen vorbehalten.

Absatz 5: Die Erhebungsstelle ist im öffentlichen Auftrag tätig und durch öffentliche Gelder finanziert, sodass die Öffentlichkeit von ihr ein bestimmtes Mass an Transparenz über ihre Geschäftstätigkeit erwartet. Diese Erwartung drückt sich auch in der Motion 10.3014 aus, die eine Veröffentlichung der Jahresrechnung verlangt. Neben der Transparenz in wirtschaftlicher Hinsicht, welche dadurch hergestellt wird, soll die Erhebungsstelle ausserdem in einem Tätigkeitsbericht die Öffentlichkeit jährlich über die Erledigung ihrer Aufgaben informieren und Rechenschaft ablegen. Der Bundesrat wird in der RTVV regeln, welche Angaben zu ihrer Geschäftstätigkeit die Erhebungsstelle im Jahresbericht und im Tätigkeitsbericht mindestens publizieren muss.

Art. 69f (neu)

Datenbearbeitung durch die Erhebungsstelle

Absatz 1: Entspricht inhaltlich der bisherigen Bestimmung in Artikel 66 Absatz 1 RTVV, sie wird neu ins Gesetz aufgenommen und dahin präzisiert, dass es sich bei den besonders schützenswerten Personendaten um jene Informationen handelt, welche die Erhebungsstelle im Zusammenhang mit Gesuchen um eine Abgabebefreiung erhält: Die Tatsache, dass eine Person jährliche Ergänzungsleistungen erhält, zeigt, dass sie soziale Hilfe in Anspruch nimmt. Ergänzungsleistungen nach der Invalidenversicherung lassen zudem möglicherweise Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand einer Person zu.

Absatz 2: Die Vorgaben an die Erhebungsstelle betreffend die Bearbeitung von Daten sind dieselben wie heute an die Gebührenerhebungsstelle (vgl. heute Art. 69 Abs. 3 RTVG). Anders als bisher entfällt jedoch die Möglichkeit, Daten für andere Zwecke zu bearbeiten und weiterzugeben, da die Daten, welche die Erhebungsstelle aus den Einwohnerregistern erhalten hat, aus Datenschutzgründen nicht für andere Zwecke verwendet werden dürfen. Heute verwendet die Gebührenerhebungsstelle einen Teil der ­ von ihr selbst erhobenen ­ Daten auch für die Erhebung von Urheberrechtsentschädigungen bei den Betrieben im Auftrag der Verwertungsgesellschaft 5005

Suisa. Auch künftig ist es der Erhebungsstelle hingegen gestattet, Daten im Rahmen eines Outsourcing von Erhebungsaufgaben weiterzugeben. Die beauftragten externen Personen oder Firmen unterliegen bei der Bearbeitung der Daten denselben Pflichten wie die Erhebungsstelle selbst (vgl. Erläuterungen zu Art. 69e Abs. 4).

Absatz 3: Daten hingegen, die Rückschlüsse auf die Gesundheit sowie auf Massnahmen der sozialen Hilfe zugunsten einer Person zulassen, dürfen Dritten nicht zur Kenntnis gebracht werden, um Missbrauch mit diesen besonders schützenswerten Daten zu verhindern. Im Rahmen eines Outsourcing darf die Erhebungsstelle solche Daten nur in inhaltlich verschlüsselter Form bei Dritten speichern (z.B. Datenhosting). Die Verschlüsselung hat einem Verschlüsselungsstandard zu entsprechen, der nach dem aktuellen Stand der Technik als sicher gilt. Ausnahmen sind möglich für Personen, die mit Wartungs-, Unterhalts- oder Programmieraufgaben betraut sind. Diese dürfen solche Daten bearbeiten, wenn es zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist und die Datensicherheit gewährleistet ist.

Absatz 4: Entspricht im Grundsatz der Bestimmung im bestehenden Artikel 66 Absatz 3 RTVV. Die Bestimmung ist unerlässlich, damit der Bestand von Haushaltdaten im Fall, dass eine neue Anbieterin die Funktion der Erhebungsstelle ausübt, der Nachfolgerin unmittelbar zur Verfügung steht. Aus Gründen des Datenschutzes hat die bisherige Erhebungsstelle ausserdem dafür zu sorgen, dass nach erfolgter Datenübergabe der nicht mehr benötigte Datenbestand bei ihr gelöscht wird.

Art. 69g (neu)

Bezug der Daten zu Haushalten

Absatz 1: Diese Bestimmung liefert die rechtliche Grundlage, damit die Erhebungsstelle die für die Erhebung der Haushaltabgabe nötigen Daten aus den kantonalen und kommunalen Einwohnerregistern (Bst. a) und dem Informationssystem Ordipro des EDA (Bst. b) beziehen und bearbeiten darf. Zu den Daten aus den Einwohnerregistern siehe Erläuterungen zum Absatz 3. In Ordipro werden Angaben zu diplomatischen Personen in der Schweiz erfasst, welche eine Legitimationskarte des EDA erhalten haben.34 Dieses Register dient der Erhebungsstelle dazu, abzuklären, ob eine diplomatische Person von der Abgabepflicht befreit werden kann. Welche Daten die Erhebungsstelle im Einzelnen beziehen kann, wird der Bundesrat in der RTVV regeln (vgl. Abs. 6).

Absatz 2: Die Erhebungsstelle wird die Daten aus den Einwohnerregistern direkt von jedem kantonalen und kommunalen Einwohneramt über die zentrale Informatik- und Kommunikationsplattform des Bundes (Sedex) zugestellt erhalten. Sedex wurde ursprünglich für die regelmässige Datenübermittlung von den Einwohnerregistern zum Bundesamt für Statistik (BFS) zu statistischen Zwecke eingerichtet, dient aber auch den Einwohnerbehörden für den gegenseitigen Informationsaustausch (vgl.

Art. 2 Bst. b und Art. 11 ff RHV). Die Erhebungsstelle wird dem BFS gemäss Artikel 15 Absatz 2 RHV eine jährliche Gebühr als Abgeltung der Betriebskosten von Sedex entrichten.

Absatz 3: Bereits heute sind Kantone und Gemeinden verpflichtet, bestimmte Daten aus ihren Einwohnerregistern an die Gebührenerhebungsstelle zu liefern (heutiger Art. 69 Abs. 2 RTVG). Die vorliegende Bestimmung passt diese Verpflichtung an die Voraussetzungen der neuen Abgabe an. So wird ausdrücklich geregelt, dass die 34

Vgl. Verordnung vom 7. Juni 2004 über das Informationssystem Ordipro des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (Ordipro-Verordnung), SR 235.21.

5006

Datenlieferung über die Plattform Sedex geschehen muss. Für die Datenübermittlung werden eCH-Standards angewandt, wie sie bereits für die Übermittlung der Daten an das BFS Anwendung finden. Die für die Erhebung der Abgabe notwendigen Daten beschränken sich auf den Kreis jener Datenmerkmale, die ein Einwohnerregister nach Artikel 6 RHG mindestens zu jeder Person enthalten muss, welche sich in der Gemeinde niederlässt oder aufhält. Die Einwohnerbehörden müssen also für die Zwecke der Abgabe keine zusätzlichen Daten zu Personen oder Haushalten erheben.

Absatz 4: Um die technische Voraussetzung für die Übermittlung von Daten an die Erhebungsstelle zu schaffen, wird jede Einwohnerbehörde ein spezifisches Datenmodell in ihr Informatiksystem integrieren. Dies erlaubt eine automatisierte Übermittlung der erforderlichen Daten aus dem Einwohnerregister in der gewünschten Aufbereitung und Periodizität. Auf diese Weise werden bereits heute Daten aus allen Einwohnerregistern zu statistischen Zwecken regelmässig an das BFS geliefert. Für die spezifischen Investitionen für die Anpassung ihres Informatiksystems werden die Einwohnerbehörden aus dem Ertrag der Abgabe finanziell entschädigt. Die Entschädigung betrifft spezifische Investitionen sowohl für die Datenbereitstellung in der Einwohnerregister-Software als auch für die eigentliche Übermittlung der Daten.

Der Bundesrat wird die Höhe der Beiträge regeln.

Sind die informatiktechnischen Voraussetzungen bei der Einwohnerbehörde hergestellt, so entsteht dieser für die regelmässigen, automatisierten Datenlieferungen an die Erhebungsstelle grundsätzlich kein spezifischer Aufwand mehr. Administrativer Aufwand kann einer Einwohnerbehörde hingegen durch Rückfragen der Erhebungsstelle zu einzelnen gelieferten Personendaten entstehen. Gleichzeitig erhält die Einwohnerbehörde mit jeder Rückfrage einen Hinweis auf Fehler in ihrem Einwohnerregister. Diese kann sie korrigieren, wodurch die Qualität des Registers erhöht wird. Soweit also den Einwohnerbehörden ein zusätzlicher Betriebsaufwand entsteht, dient dieser auch ihren eigenen Zwecken, weshalb eine Abgeltung des Betriebsaufwands nicht angebracht ist.

Absatz 5: Zu den Daten, welche die Einwohnerbehörden der Erhebungsstelle liefern werden, gehört auch die AHV-Versichertennummer, welche in den EinwohnerRegistern als
Personen-Identifikatornummer dient und daher für die Erhebungsstelle zur Feststellung der Haushaltssituation unerlässlich ist. Ausserdem benötigt die Erhebungsstelle die AHV-Versichertennummer für den automatisierten Abgleich zwischen den Daten von Einwohnerregistern und Ordipro, in welchem die AHVNummer ebenfalls erfasst wird. Ohne Zugriff auf die AHV-Versichertennummer ­ die als eindeutiges Identifikationsmerkmal für eine Person dient ­ entstünde der Erhebungsstelle ein bedeutender administrativer Mehraufwand. Da die Bearbeitung der Personendaten nicht vollständig automatisiert geschehen könnte, würde dies zu einer höheren Fehlerquote und zu einem entsprechend grösseren Aufwand für Einzelabklärungen führen. Durch die grössere Fehlerquote würden zudem mehr Haushalte unrichtige oder fehlerhafte Rechnungen für die Abgabe erhalten. Schliesslich vereinfacht die Verwendung der AHV-Nummer auch die Kommunikation zwischen Erhebungsstelle und Einwohnerbehörden im Fall von Rückfragen zu unvollständigen oder fehlerhaften Daten erheblich. Die Bearbeitung der AHV-Versichertennummer bedarf nach Artikel 50e Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 194635 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) einer ausdrückli35

SR 831.10

5007

chen gesetzlichen Grundlage. Die Erhebungsstelle ist zudem verpflichtet, die gesetzlichen Vorgaben bei der systematischen Verwendung der Versichertennummer im Sinne von Artikel 50d ff. AHVG einzuhalten, insbesondere die sichernden Massnahmen nach Artikel 50g.

Absatz 6: Der Bundesrat wird in der RTVV präzisieren, welche Personendaten die Kantone und Gemeinden in welcher Aufbereitung und in welcher Häufigkeit an die Erhebungsstelle zu liefern haben. Regeln wird der Bundesrat ausserdem die Modalitäten der Beiträge an die spezifischen informatiktechnischen Investitionskosten der Einwohnerbehörden.

2.1.3 Art. 70

Abgabe von Unternehmen Abgabepflicht der Unternehmen

Die Abgabe von Unternehmen löst die Empfangsgebühr bei Betrieben ab. Wegen des unterschiedlichen Anknüpfungspunkts ist die neue Abgabe anders ausgestaltet.

Im neuen Abgabesystem ist es unerheblich, ob in einem Unternehmen ein Radiooder Fernsehgerät betrieben wird und zu welchem Zweck. Die bisherige Unterscheidung nach gewerblichem und kommerziellem Empfang und die Anwendung eines dementsprechend differenzierten Tarifs (heute Art. 58 Abs. 2 und 3 sowie Art. 59 Abs. 2 und 3 RTVV) fällt somit dahin. Weil die Abgabe unabhängig vom Empfangsgerät zu entrichten ist, ist es auch nicht mehr zwingend, bei der Abgabeerhebung am einzelnen Unternehmen bzw. an der Geschäftsstelle als Ort des Empfangs anzuknüpfen. Deshalb wird nun pro abgabepflichtiges Unternehmen ­ einschliesslich aller Betriebsstätten und Filialen ­ jährlich eine einzige Abgabe erhoben. Statt wie bisher die unterschiedliche Art der Nutzung (gewerblich bzw. kommerziell) bzw. die unterschiedliche Zahl der Betriebsstätten (Filialen) wird als Kriterium für die Festlegung der Abgabe neu die Grösse eines Unternehmens ­ diese bemisst sich nach dem Gesamtumsatz ­ herangezogen.

Absatz 1: Erreicht ein Unternehmen in einer Steuerperiode den vom Bundesrat festgelegten Mindestumsatz von voraussichtlich 500 000 Franken, ist es im darauffolgenden Kalenderjahr abgabepflichtig. Die Steuerperiode bei der MWST ist zurzeit das Kalenderjahr. Sobald bei der ESTV die technischen Voraussetzungen geschaffen sind, werden die Unternehmen auch das Geschäftsjahr als Steuerperiode wählen können (Art. 34 Abs. 3 MWSTG). Massgebend für die Höhe der geschuldeten Abgabe ist der Gesamtumsatz jener Steuerperiode, die im vorangehenden Kalenderjahr abgeschlossen wurde. Umfasst die Steuerperiode eines Unternehmens das Kalenderjahr, ist für die Abgabe 2015 also der Umsatz des Kalenderjahres 2014 massgebend. Umfasst die Steuerperiode eines Unternehmen beispielsweise den Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni des Folgejahres, ist für die Abgabe 2015 der Umsatz vom 1. Juli 2013 bis zum 30. Juni 2014 massgebend. Die Abgabe wird somit im System der einjährigen Vergangenheitsbemessung erhoben.

Absatz 2: Als Unternehmen im Sinne der Abgabe gilt, wer im Register der mehrwertsteuerpflichtigen Personen der ESTV eingetragen ist. Durch die Anknüpfung an das Register der ESTV ist sichergestellt,
dass der Kreis der potenziell abgabepflichtigen Unternehmen identisch ist mit den steuerpflichtigen Personen bei der MWST.

Erfasst werden damit in erster Linie steuerpflichtige Unternehmen nach Artikel 10 MWSTG. Unternehmen, die nach Artikel 11 MWSTG auf die Befreiung von der 5008

Steuerpflicht verzichtet haben, können nur dann der Abgabepflicht unterliegen, wenn sie zum grössten Teil von der MWST ausgenommene Umsätze erzielen. Nicht erfasst werden hingegen Unternehmen, die nur von der Steuer ausgenommene Leistungen erzielen, da diese die Steuerpflicht nicht auslösen. Dies können analog der Steuerausnahmen bei der Mehrwertsteuer Unternehmen in den Bereichen Gesundheitswesen, Sozialwesen, Bildungswesen, Kultur und Sport, Finanz- und Versicherungswesen, Liegenschaftshandel und -vermietung, Landwirtschaft und Glücksspiele sein (vgl. Art. 21 Abs. 2 MWSTG). Eine Vielzahl der Unternehmen, die solche von der Steuer ausgenommenen Leistungen erbringen, sind jedoch für andere steuerbare Leistungen bei der ESTV als steuerpflichtige Personen erfasst.

Gemeinwesen nach Artikel 12 MWSTG unterliegen der Abgabepflicht grundsätzlich in gleicher Weise wie privatwirtschaftliche Unternehmen. Da sie jedoch nach Artikel 12 MWSTG nur in beschränktem Rahmen und nur hinsichtlich ihrer unternehmerischen Tätigkeiten der Mehrwertsteuerpflicht unterliegen, werden die Gemeinwesen von der Abgabe nur beschränkt berührt.

Diplomatische Missionen und andere institutionell Begünstigte im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 GSG unterliegen der Abgabepflicht nicht, da ihnen eine kommerzielle Tätigkeit untersagt ist und sie deshalb nicht mehrwertsteuerpflichtig sind.

Absatz 3: Massgebend für die Abgabepflicht und für die Höhe der Abgabe ist der gesamte in der massgebenden Steuerperiode erzielte Umsatz eines Unternehmens, bei dem jedoch die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht berücksichtigt wird.

Dieser Umsatz wird im MWST-Abrechnungsformular in Ziffer 200 deklariert.

Andere steuerliche Qualifikationen des Umsatzes spielen für die Abgabe aber keine Rolle: So ist es unerheblich, ob ein Umsatz aus Sicht der Mehrwertsteuer im Ausland oder Inland erzielt wurde, aus dem Export von Gütern stammt, steuerbar, von der Steuer ausgenommen oder steuerbefreit ist etc. Der für die Abgabe massgebende Umsatz ist somit umfassender definiert als der steuerbare Umsatz für die Mehrwertsteuer.

Werden mehrere Unternehmen, die unter einheitlicher Leitung stehen, für die MWST als Gruppe gemeinsam veranlagt, so gelten diese Unternehmen auch bezüglich der Abgabepflicht bzw. der Höhe der Abgabe als einziges Unternehmen.

Absatz 4:
Die Motion 10.3014 will «kleine Gewerbe-, Fabrikations-, Dienstleistungs- und Landwirtschaftsbetriebe» von der Unternehmensabgabe ausnehmen.

Insbesondere soll vermieden werden, dass bei kleinen Betrieben, die oft im Rahmen eines familiären Haushalts wirtschaften, durch die Unternehmens- und die Haushaltsabgabe eine unzumutbare Doppelbelastung entsteht.36 Mit dem vom Bundesrat vorgesehenen Schwellenwert von 500 000 Franken jährlichem Umsatz wird dieser Vorgabe entsprochen. Über 70 Prozent aller Unternehmen sind dadurch von der Abgabepflicht befreit. Ausserdem handelt es sich dabei auch um den Grenzwert für die Buchführungspflicht nach neuem Rechnungslegungsrecht (vgl. dazu die Ausführungen unter Ziff. 1.2.1 Abgabe von Unternehmen).

Absatz 5: Die Grössenunterschiede zwischen jenen Unternehmen, die mehr als den für die Abgabepflicht relevanten Mindestumsatz von voraussichtlich 500 000 Franken aufweisen, sind beträchtlich. Die Abgabe wird daher in Abhängigkeit von der Höhe des Umsatzes eines Unternehmens erhoben: je mehr Umsatz ein Unternehmen erzielt, desto höher fällt seine Abgabe aus. Diese Abstufung ersetzt die bisherigen 36

Kommissionssprecher Levrat in AB 2011 N 1361

5009

Differenzierungen, die nach der Anzahl Betriebsstätten (Filialen) bzw. nach der Art des Geräteeinsatzes (gewerblich oder kommerziell) erfolgt sind. Aus praktischen Gründen wird die Abgabe aber nicht stufenlos mit zunehmendem Umsatz erhöht, sondern es werden mehrere Umsatzstufen geschaffen, denen je eine unterschiedlich hohe Abgabe zugeordnet wird. Der Bundesrat wird die Umsatzstufen und den Abgabetarif in den Ausführungsbestimmungen festlegen (vgl. Ziff. 1.2.1 Höhe der Abgabe).

Art. 70a (neu)

Erhebung der Unternehmensabgabe

Absatz 1: Mit dieser Bestimmung wird die Kompetenz der ESTV zur Erhebung und zum Bezug der Abgabe ausdrücklich begründet. Daraus folgt, dass der Erlass sämtlicher damit zusammenhängender Verfügungen in der Zuständigkeit der ESTV liegt.

Absatz 2: Die ESTV nimmt die Feststellung der Abgabepflicht eines Unternehmens sowie die Zuordnung einer Tarifkategorie vor und stellt dem Unternehmen den entsprechenden Betrag in Rechnung. Die Rechnungsstellung selbst stellt keine Verfügung dar. Die Erhebung der Abgabe ist somit ein der Erhebung der MWST nachgelagertes Verfahren, um den zusätzlichen Aufwand der ESTV möglichst in Grenzen zu halten.

Absatz 3: Für die Erhebung der MWST schätzt die ESTV bei Unternehmen, die ihren Veranlagungspflichten nicht nachkommen, die Mehrwertsteuerforderung nach Ermessen. Für die Zwecke der Radio- und Fernsehabgabe schätzt die ESTV zusätzlich den massgeblichen Gesamtumsatz gemäss Artikel 70 Absatz 3 RTVG, um die Abgabepflicht und die Tarifkategorie eines Unternehmens festzustellen. Da die Schätzung des Gesamtumsatzes für die ESTV neu sein wird, ist sie mit gewissen Unsicherheiten verbunden, vor allem bei Unternehmen, die von der MWST ausgenommene Umsätze erzielen.

Absatz 4: Kann die ESTV die Zuteilung zu einer Tarifkategorie für eine abgeschlossene Steuerperiode wegen fehlender Angaben der steuerpflichtigen Personen oder wegen laufender Verfahren vorläufig nicht vornehmen, erfolgt die Rechnungstellung zu einem späteren Zeitpunkt. Die ESTV wird dem betreffenden Unternehmen die Abgabe für jene Jahre rückwirkend in Rechnung stellen, für die sie nachträglich eine Abgabepflicht festgestellt hat.

Art. 70b

Fälligkeit und Vollstreckung

Absatz 1 regelt die Fälligkeit und die Verjährung der Abgabe. Da die Abgabe immer erst nach Abschluss eines allfälligen Mehrwertsteuerverfahrens in Rechnung gestellt wird und die Verjährung erst nach Rechnungsstellung zu laufen beginnt, ist die fünfjährige Verjährungsfrist auch bei langen Verfahren betreffend die MWST nicht zu knapp. Beim Fälligkeitstermin handelt es sich wie im öffentlichen Recht üblich um einen gesetzlichen Verfalltag, der anstelle der Mahnung tritt und die Verzugszinspflicht unmittelbar auslöst.

Absatz 2: Erhebt ein Schuldner oder eine Schuldnerin Rechtsvorschlag gegen einen Zahlungsbefehl, ist ausschliesslich die ESTV für die Rechtsöffnung zuständig, was die kantonalen Gerichte entlastet. Die ESTV beseitigt den Rechtsvorschlag in jedem Fall unverzüglich mittels einer Verfügung, die nach Eintritt der Rechtskraft einem vollstreckbaren Urteil nach Artikel 79 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) gleichgestellt ist. Indem die ESTV nach 5010

Erheben des Rechtsvorschlages zwingend das Rechtsöffnungsverfahren eröffnet, hat die steuerpflichtige Person Kenntnis von einem laufenden Verfahren und muss daher mit der Zustellung einer Verfügung rechnen.

Absatz 3: Ist die Schuldnerin oder der Schuldner mit der in Rechnung gestellten Abgabe nicht einverstanden und wird sie bestritten, so muss die ESTV die Abgabe mittels Verfügung festlegen, es sei denn, es liege bereits eine rechtskräftige Verfügung vor. Ist in einem laufenden Konkurs- oder Nachlassverfahren eine Abgabe noch nicht mittels Verfügung rechtskräftig festgesetzt worden und wird die Abgabe abgewiesen oder ist sie bestritten, dann müssen die Konkurs- oder Nachlassbehörden die Rechtskraft der Verfügung abwarten. Gestützt auf Artikel 70b Absatz 3 RTVG findet das administrative Verfahren und nicht der Kollokationsprozess im Sinne von Artikel 250 SchKG Anwendung.

Absatz 4: Im Rahmen der Erhebung der MWST können zugunsten der steuerpflichtigen Personen auch Guthaben resultieren. Solche Guthaben aus der MWST soll die ESTV mit in Rechnung gestellten Abgabeschulden verrechnen können.

Absatz 5 erlaubt der ESTV, die Sicherstellungsmassnahmen gemäss MWSTG auch zur Sicherung der Abgabe einzusetzen. Ebenso sollen die Bestimmungen der Mithaftung und Steuernachfolge gleichzeitig für die Abgabe gelten. Dadurch können eine unterschiedliche Behandlung der Mehrwertsteuer und der Abgabe sowie der damit verbundene administrative Aufwand verhindert werden.

Absatz 6: Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nicht nach den Spezialbestimmungen des MWSTG, die auf die Eigenheiten der Selbstveranlagung ausgerichtet sind, sondern nach dem Verwaltungs- und Verwaltungsjustizverfahren nach VwVG.

Verfügungen der ESTV betreffend die Abgabepflicht unterliegen somit nicht wie die Verfügungen betreffend die MWST erst dem Einspracheverfahren, sondern sind mit Beschwerde direkt beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten.

Art. 70c

Berichterstattung durch die ESTV

Absatz 1: Indem die ESTV ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit der Unternehmensabgabe in der Buchhaltung von ihren übrigen Aktivitäten trennt, ist sie in der Lage, die spezifischen Kosten der Abgabeerhebung transparent zu machen, was eine Voraussetzung für die direkte Entschädigung der ESTV aus der Abgabe darstellt (vgl. Art. 68a Abs. 1 Bst. f). Gleichzeitig wird damit auch eine Quersubventionierung ausgeschlossen.

Absatz 2: Wie die Erhebungsstelle in Bezug auf die Erhebung der Haushaltabgabe (vgl. Art. 69e Abs. 5) soll auch die ESTV die Öffentlichkeit regelmässig über ihre Tätigkeit bei der Erhebung der Unternehmensabgabe informieren und die Jahresrechnung hierzu veröffentlichen. Die Finanzaufsicht der Eidgenössischen Finanzkontrolle ist für alle Tätigkeiten der ESTV nach Artikel 8 Absatz 1 FKG gegeben.

Dies gilt auch in Bezug auf die Erhebung der Abgabe; eine besondere Regelung drängt sich nicht auf.

Art. 70d

Geheimhaltung und Datenbearbeitung

Absatz 1: Da die Bearbeitung der Daten zur Erhebung der Abgabe nicht ausschliesslich im Rahmen der Erhebung der MWST erfolgt, wird mit dieser Bestimmung die gesetzliche Grundlage geschaffen, damit auch eine Datenbearbeitung durch die ESTV zur Erhebung der Abgabe möglich ist.

5011

Absatz 2: Diese Bestimmung stellt sicher, dass das Steuergeheimnis und die gesetzlichen Ausnahmen nach Artikel 74 MWSTG sich auch auf die Erhebung und den Bezug der Abgabe erstrecken. So können zum Beispiel Dritte keine Auskunft über die Einordnung eines Unternehmens in eine Abgabekategorie verlangen, da dies Rückschlüsse auf den Umsatz einer steuerpflichtigen Person zulassen würde. Allerdings ist die ESTV beispielsweise im Rahmen der Zwangsvollstreckungen gegenüber den Schuldbetreibungs- und Konkursbehörden nicht an das Steuergeheimnis gebunden.

2.1.4

Strafbestimmungen

Art. 101 Abs. 1 (Aufgehoben) Die Strafandrohung für die Verletzung der Meldepflicht für das Bereithalten oder Betreiben eines Empfangsgerätes wird im neuen Abgabesystem gegenstandslos, da die Meldepflicht entfällt.

2.1.5 Art. 109b

Übergangsbestimmungen Einführung der Abgabe für Radio und Fernsehen

Absätze 1 und 2: Die Abgabe für Radio und Fernsehen wird nicht unmittelbar nach der Inkraftsetzung der vorliegenden Gesetzesrevision eingeführt werden können. Die Bestimmung der neuen Erhebungsstelle für die Hausaltabgabe in einem Verfahren nach öffentlichem Beschaffungsrecht (nach Art. 69d Abs. 1) wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die neue Erhebungsstelle wird sich sodann konstituieren und das neue Abgabesystem bis zur Einsatzreife vorbereiten müssen. Während dieser Übergangszeit wird weiterhin die Empfangsgebühr für den privaten Empfang (Haushalte) wie für den gewerblichen Empfang (Betriebe) nach bisherigem Recht durch die bisherige Erhebungsstelle Billag AG erhoben. Ist die neue Erhebungsstelle rechtskräftig bestimmt, und ist und absehbar, wann das neue Abgabesystem funktionsfähig sein wird, wird der Bundesrat den Zeitpunkt des Systemwechsels mit der notwendigen Vorlaufzeit festlegen. Der Wechsel von der Empfangsgebühr zur Radio- und Fernsehabgabe wird für Haushalte wie für Betriebe bzw. Unternehmen am selben Tag stattfinden.

Obwohl die neuen Bestimmungen zur Erhebung der Abgabe für Radio und Fernsehen vorläufig noch nicht angewendet werden, werden sie vom Bundesrat dennoch sofort in Kraft gesetzt. Dies erlaubt es, die nötigen Vorbereitungsarbeiten für die Einführung der neuen Abgabe bereits vor dem Zeitpunkt des Systemwechsels ohne Weiteres anzugehen. Zu denken ist insbesondere an die Bestimmung der neuen Erhebungsstelle für die Haushaltabgabe oder den Bezug von Daten aus den Einwohnerregistern von Kantonen und Gemeinden (nach Art. 69g), der teilweise die Änderung von kantonalen Rechtsgrundlagen und auch eine gewisse Umsetzungs- und Testphase bedingt.

Absatz 3: Anders als die Erhebung richtet sich die Verwendung des Ertrags unmittelbar nach Inkrafttreten der Gesetzesrevision bereits nach dem neuen Recht. Dies deshalb, weil die revidierten Bestimmungen einige Änderungen bei der Verwendung 5012

des Ertrags aus der Gebühr bzw. der Abgabe vorsehen, die mit dem gewählten Erhebungssystem nicht zusammenhängen und deshalb bereits sofort umgesetzt werden können. So werden die Anteile für lokal-regionale Programmveranstalter neu 3 bis 5 (statt genau 4) Prozent des Gesamtertrags ausmachen (Art. 40 Abs. 1) und neu Beiträge an die Aufbereitung von Regionalfernsehsendungen für hörbehinderte Menschen geleistet (Art. 68a Abs. 1 Bst. e). Ausserdem können Vorbereitungsarbeiten der ESTV für die Einführung der neuen Unternehmensabgabe aus dem Gesamtertrag entschädigt werden (Art. 68a Abs. 1 Bst. f).

Absatz 4: Die weiteren, in diesem Gesetz nicht geregelten Einzelheiten des Systemwechsels wird der Bundesrat in der RTVV festlegen. Unter anderem wird er den Transfer von nicht verwendeten Erträgen aus der Empfangsgebühr in das neue Abgabesystem und die Behandlung von hängigen Verfahren aus der Empfangsgebühr regeln. So wird er ausschliessen, dass die ESTV hängige Fälle aus der gewerblichen Empfangsgebühr erledigen muss.

Absatz 5: Damit im ersten Jahr nach Einführung der neuen Abgabe keine Ertragslücke und dadurch Liquiditätsprobleme bei den Abgabeempfängern entsteht (SRG, lokal-regionale Veranstalter mit Abgabenanteil, u.a.), müssen die ersten Rechnungen an die Abgabepflichtigen auf den Beginn der Abgabeperiode versandt werden können. Dies setzt voraus, dass die Bemessungsgrundlage für die erstmalige Abgabeerhebung früher angesetzt sein muss als danach im regulären Betrieb. Bei der Haushaltabgabe kann der Bundesrat die Bemessungsgrundlage (nach Art 69 Abs. 3) selbst bestimmen, bei der Unternehmensabgabe hingegen ist sie im Gesetz festgelegt (Art. 70 Abs. 1). Um bei der erstmaligen Abgabeerhebung nicht wie vorgegeben die im Vorjahr abgeschlossene MWST-Periode heranzuziehen, sondern jene des Jahres zuvor, braucht es eine gesetzliche Delegation an den Bundesrat.

2.1.6

Weitere Änderungen

Art. 18 Abs. 2 Bst. 1 und Art. 25 Abs. 2 Bst. b MWSTG Im geltenden Recht knüpft die Empfangsgebühr an ein betriebsbereites Empfangsgerät an, so dass es sich um eine gegen Entgelt erbrachte Leistung im Sinne des MWSTG handelt. Da die Abgabe künftig für jeden Haushalt und jedes Unternehmen zu leisten ist, ist der Zusammenhang zwischen Leistung und Abgabe nicht mehr eindeutig. Deshalb wird in Artikel 18 Absatz 2 Buchstabe l MWSTG ausdrücklich geregelt, dass die Radio- und Fernsehabgabe weiterhin der Mehrwertsteuer unterliegt. Damit ändert sich durch den Wechsel von der Empfangsgebühr zu der Radiound Fernsehabgabe hinsichtlich der Mehrwertsteuerpflicht nichts. Wie bisher wird auf die von den Haushalten und Unternehmen geleistete Abgabe der reduzierte Satz gemäss Artikel 25 Absatz 2 Buchstabe b MWSTG angewendet. Mit der Anpassung dieser Bestimmung wird die Anwendung des reduzierten Satzes auf die Radio- und Fernsehabgabe ausdrücklich festgehalten und der Wortlaut angepasst.

Art. 75 Abs. 2 MWSTG Damit die ESTV auch für den Bezug der Abgabe Auskunft von anderen Amtsstellen einfordern kann, wurde die Bestimmung zur Amtshilfe im MWSTG entsprechend

5013

ergänzt. Damit kann die ESTV beispielsweise einen Betreibungsregisterauszug auch dann einfordern, wenn dies bloss zum Einzug der Abgabe dient.

2.2

Aufsicht über das übrige publizistische Angebot der SRG

2.2.1

Wechsel der Zuständigkeit vom BAKOM zur UBI

Das RTVG sieht vor, dass die SRG neben den herkömmlichen Radio- und Fernsehprogrammen auch ein so genanntes übriges publizistisches Angebot (üpA) an die Öffentlichkeit richten kann, welches ebenfalls aus der Radio- und Fernseh-Abgabe finanziert wird (Art. 25 Abs. 3 Bst. b RTVG). Voraussetzung dafür ist, dass das Angebot zur Erfüllung des Programmauftrags auf sprachregionaler, nationaler und internationaler Ebene notwendig ist. Zum üpA gehören heute in erster Linie das Online-Angebot der SRG, der Teletext, das Auslandangebot Swissinfo, programmassoziierte Informationen (z.B. Tonkanäle, Untertitelung, Steuersignale etc.) sowie Begleitmaterialien zu den Sendungen. Der Umfang und die Grenzen des üpA werden in der SRG-Konzession geregelt.

Die Konzession verpflichtet die SRG, die Programmbestimmungen sinngemäss auch auf das üpA anzuwenden (Art. 12 Abs. 2 SRG-Konzession vom 28. November 2007). Mangels expliziter Regelung im geltenden RTVG liegt die Aufsicht darüber, ob diese inhaltlichen Grundsätze eingehalten worden sind, anders als beim Programm nicht bei der UBI, sondern beim BAKOM. Es hat im Aufsichtsbereich gemäss Artikel 86 Absatz 1 RTVG eine Auffangkompetenz.37 Diese Inhaltsüberprüfung durch die Verwaltung ist im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten Medienfreiheit nicht unproblematisch.

Deshalb soll die Aufsicht über den Inhalt des üpA künftig durch die verwaltungsunabhängige UBI (und die ihr vorgeschalteten Ombudsstellen der SRG) wahrgenommen werden. Die Ausgestaltung der Aufsicht orientiert sich am bestehenden System der Aufsicht über den Inhalt redaktioneller Sendungen (Art. 91ff. RTVG).

Dies betrifft namentlich das Verfahren vor der Ombudsstelle mit der 20-tägigen Beanstandungsfrist und das Verfahren vor der UBI. Mit der Zusammenführung der Aufsicht bei einer zuständigen Beschwerdeinstanz wird eine einheitliche Praxis in der rundfunkrechtlichen Programmaufsicht gewährleistet. Für die Beschwerdeführenden bedeutet dies mehr Klarheit und schliesslich mehr Rechtssicherheit.

2.2.2 Art. 2 Bst. cbis

Notwendige Anpassungen Redaktionelle Publikation

Neu eingeführt wird der Sammelbegriff der redaktionellen Publikation. Dieser dient in erster Linie der besseren sprachlichen Integration der Bestimmungen zur Aufsicht über das üpA der SRG in die bestehende Regelung der Programmaufsicht der UBI.

Letztere hat sich bislang nur auf redaktionelle Sendungen bezogen. Unter den Sam-

37

Urteil A-6603/2010 des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. April 2011.

5014

melbegriff fallen redaktionelle Sendungen im Programm eines schweizerischen Veranstalters sowie von der Redaktion gestaltete Beiträge im üpA der SRG.

Für den Begriff der redaktionellen Sendung ist auf den bisherigen Artikel 2 Buchstabe c RTVG zu verweisen. Der Begriff des üpA der SRG wird in Artikel 25 Absatz 3 Buchstabe b RTVG definiert. Zu beachten gilt es allerdings, dass nur diejenigen Beiträge im üpA der SRG als redaktionelle Publikationen gelten, die von der Redaktion gestaltet wurden (redaktionsgenerierte Beiträge). Im Unterschied dazu fallen Beiträge im üpA der SRG, die von den Nutzenden gestaltet wurden (nutzergenerierte Beiträge, user generated content), nicht unter den Begriff der redaktionellen Publikation. Dies gilt etwa für leserbriefähnliche Beiträge aus dem Publikum in den Kommentarspalten eines SRG-Blogs.

Abbildung 1 Gegenstand der Aufsicht in Radio und Fernsehen

Gegenstand der Aufsicht in Radio und Fernsehen Sendung

üpA der SRG*

(Art. 2 Bst. b RTVG)

(Art. 25 Abs. 3 Bst. b RTVG)

Werbung

Redaktionelle Sendung

(Art. 2 Bst. k RTVG)

(Art. 2 Bst. c RTVG)

Redaktionsgenerierte Beiträge

Nutzergenerierte Beiträge

Redaktionelle Publikation (Art. 2 Bst. cbis RTVG)

Aufsicht durch das BAKOM gestützt auf Art. 9 ff. RTVG

Aufsicht durch die UBI gestützt auf Art. 4, 5 und 5a RTVG

Keine Spezialkontrolle RTVG; unterliegen nicht Art. 5a RTVG.

* Werbung im üpA ist der SRG grundsätzlich verboten (Art. 14 Abs. 3 RTVG i.V.m. Art. 25 RTVV). Die Einhaltung dieses Werbeverbots unterliegt der Aufsicht des BAKOM.

Der gesetzliche Begriff der redaktionellen Gestaltung in Artikel 2 Buchstabe cbis RTVG ist enger als jener der redaktionellen Tätigkeit. Gestaltung bedeutet, dass der publizierte Inhalt durch die Redaktion geschaffen sein muss. Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn die Redaktion lediglich die Publikation eines nutzergenerierten Inhalts akzeptiert bzw. nicht verhindert. Redaktionelle Gestaltung kann allerdings vorliegen, wenn ein von Dritten gelieferter Inhalt (z.B. ein Ausschnitt aus einem amtlichen Dokument oder ein mündliches Statement) in einen redaktionellen Beitrag eingebaut wird. Von einem Redaktionsmitglied klar als persönliche Meinungsäusserungen verfasste Beiträge in einem Blog fallen zwar unter den Begriff der Gestaltung. Ein solcher Blog fällt allerdings nur unter das üpA der SRG, falls er Teil des konzessionierten, zur Erfüllung des Programmauftrages notwendigen und aus der Radio- und Fernseh-Abgabe finanzierten Angebots der SRG ist. Der blosse Link auf 5015

einer Internetseite des üpA der SRG auf den persönlichen Blog eines oder einer SRG-Mitarbeitenden reicht dafür nicht aus.

Art. 5a

Mindestanforderungen an das üpA der SRG

Die Anforderungen an den Inhalt des üpA der SRG richten sich nach denselben Grundsätzen, die auch für Programme gelten: Zu beachten sind die Pflichten von Artikel 4 Absatz 1 (Achtung der Menschenwürde, der Grundrechte, Verbot der Gewaltdarstellung) und Artikel 5 RTVG (Jugendschutz). Diese Mindestanforderungen gelten für alle von der Redaktion gestalteten Beiträge im üpA der SRG (in Abgrenzung zu nutzergenerierten Beiträgen, welche diesen Anforderungen nicht unterliegen); dazu gehören auch Einträge der Redaktion in einem Blog oder einem Forum. Ebenfalls anwendbar ist das Sachgerechtigkeitsgebot, welches allerdings auch im üpA ausschliesslich für Angebote mit Informationsgehalt gilt (Art. 4 Abs. 2 RTVG).

Das Vielfaltsgebot in Artikel 4 Absatz 4 RTVG hingegen soll sich auf Beiträge in der besonders heiklen Phase vor Abstimmungen und Wahlen beschränken. Massgebend sind aber nicht alle Inhalte des üpA, die irgendeinen Bezug zum bevorstehenden Urnengang haben. Dem Vielfaltsgebot zu genügen haben einzig Inhalte, welche die SRG vor einem Urnengang in einem gesonderten Dossier (im engeren Sinne) oder in gleichwertigen Informationsgefässen zusammenstellt und im üpA veröffentlicht.

Art. 6 Abs. 2

Autonomie

Der Grundsatz der Autonomie bezieht sich neu auf redaktionelle Publikationen. Da sich die Medienfreiheit auch auf die Werbung bezieht, muss diese neben dem neuen Begriff der «redaktionellen Publikation» gesondert erwähnt werden.

Die Präzisierung der Sachüberschrift ergibt sich in Abgrenzung zum Grundsatz der Unabhängigkeit vom Staat, welche neu ausdrücklich in Artikel 3a geregelt wird.

Inhaltlich erfährt die Bestimmung dadurch aber keine Einschränkung (vgl. hinten Ziff. 2.3).

Art. 20

Aufzeichnung und Aufbewahrung der Sendungen sowie der Beiträge im üpA der SRG

Um die Aufsicht über das üpA der SRG zu gewährleisten, müssen die betreffenden Beiträge gesichert und während einer bestimmten Zeit seit Veröffentlichung der Aufsichtsbehörde zur Verfügung gehalten werden. Die Aufbewahrungsfrist wird der Bundesrat auf Verordnungsstufe festlegen. Damit ist die Flexibilität der Regelung gewährleistet, um dem raschen technischen Wandel namentlich im Bereich des Internets angemessen begegnen zu können. Für Beiträge im üpA ist aufgrund des Datenvolumens aus heutiger Sicht eine kürzere Aufbewahrungsdauer angemessen, als sie für Sendungen im herkömmlichen Programm gilt (vier Monate). Der Bundesrat soll die Möglichkeit haben, unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten und der Zumutbarkeit für die SRG den Umfang der Aufzeichnungspflicht einzuschränken (Abs. 2). Dies betrifft neben der Dauer etwa auch die Frage, welche von verschiedenen Versionen der Beiträge aufbewahrt werden müssen.

Absatz 3 ist an die erweiterte Begrifflichkeit anzupassen. Die Verlängerung der Aufbewahrung gilt auch bei fristgerecht eingereichten Beanstandungen gegen einen 5016

von der Redaktion gestalteten Beitrag im üpA der SRG. Dementsprechend wird auch der Titel der Bestimmung angepasst.

Art. 83 ff.

Aufsicht durch die Beschwerdeinstanz ­ Aufgaben, Zuständigkeit und Verfahren

Die heutigen Bestimmungen zu den Aufgaben, Zuständigkeiten und zum Verfahren im Rahmen der Aufsicht durch die Beschwerdeinstanz sind an die erweiterte Begrifflichkeit anzupassen. Die UBI und die ihr vorgelagerten Ombudsstellen waren bislang für die Beurteilung von Beanstandungen gegen redaktionelle Sendungen (Programmbeschwerde) und Beanstandungen wegen der Verweigerung des Zugangs zum Programm (Zugangsbeschwerde) zuständig. Die bestehenden Regelungen werden auf die von der Redaktion gestalteten Beiträge im üpA der SRG erweitert (Art. 83 Abs. 1 Bst. a, Art. 86 Abs. 1, 2, 4 und 5, Art. 89 Abs. 2, Art. 90 Abs. 1 Bst. h, Art. 91 ff.). An den Verfahrensvoraussetzungen ändert sich dabei nichts. Die Zuständigkeit der Ombudsstellen und der UBI im Bereich der Programmbeschwerde insbesondere beschränkt sich weiterhin auf Beanstandungen gegen bereits veröffentlichte redaktionelle Inhalte. Die Beaufsichtigung von Produktions- und Vorbereitungshandlungen sowie reine Zweckmässigkeitskontrollen sind ausgeschlossen. Ebenso sind im Bereich der Aufsicht durch die Beschwerdeinstanz keine vorsorglichen Massnahmen zulässig (Art. 86 Abs. 1, 2, 4 und 5, Art. 91 Abs. 3 Bst. c).

Durch die erweiterte Begrifflichkeit werden zusätzliche redaktionelle Anpassungen notwendig. So ist die heutige Bezeichnung des 2. Kapitels vom 7. Titel (Aufsicht über den Inhalt redaktioneller Sendungen) nicht mehr stimmig. Um sämtliche Bereiche der Aufsichtszuständigkeit der UBI zu erfassen, wird das 2. Kapitel allgemeiner in «Aufsicht durch die Beschwerdeinstanz» umbenannt (vgl. so auch in Art. 86 Abs. 4 RTVG). Zwecks einheitlicher Terminologie wird im Gliederungstitel vor Artikel 94 RTVG nur noch von «Beschwerdeinstanz» gesprochen. Bereits im geltenden Artikel 86 RTVG fehlt sodann der Hinweis auf die Zuständigkeit der UBI für Zugangsbeschwerden, welche namentlich in Artikel 94 Absatz 1 RTVG geregelt ist. Diese Unvollständigkeit wird nun behoben.

Der Aufsicht durch die Ombudsstellen und der UBI unterliegen wie erwähnt nur redaktionsgenerierte Inhalte des üpA der SRG (vgl. oben zu Art. 2 Bst. cbis RTVG).

Für nutzergenerierte Inhalte hingegen ist keine verwaltungsrechtliche Spezialkontrolle durch die UBI angezeigt. Sie haben kaum eine stärkere Wirkung als Publikationen in Printmedien, die ebenfalls lediglich (aber immerhin) die allgemeinen
Grenzen des Straf- und Zivilrechts zu beachten haben. Die SRG gewährleistet die Einhaltung der Programmvorschriften im nutzergenerierten Bereich des üpA (Einträge in den Blogs und Foren) überdies durch hausinterne Regeln (sogenannte Netiquette). Diese Eigenkontrolle ist Ausfluss ihrer konzessionsrechtlichen Verantwortlichkeit zur Erfüllung des Leistungsauftrags. Im Falle von begründeten und wiederholten Beanstandungen kann das Vorhandensein, die Anwendung und die Effizienz der Netiquette im Rahmen der allgemeinen Konzessionsaufsicht durch das BAKOM überprüft werden.

Eine differenzierte Regelung besteht bei der Beanstandung gegen mehrere redaktionelle Publikationen (Zeitraumbeschwerde): Während die Zeitraumbeschwerde gegen redaktionelle Sendungen thematisch nach wie vor uneingeschränkt möglich ist, beschränkt sich diese im üpA der SRG auf redaktionsgenerierte Beiträge in Wahlund Abstimmungsdossiers (Art. 92 Abs. 4). Die Frist für eine Beanstandung bei der 5017

Ombudsstelle beträgt allgemein 20 Tage seit der Publikation. Massgebend ist das Publikationsdatum (Art. 92 Abs. 2). Bei bereits im Programm ausgestrahlten und später online abrufbaren Beiträgen beginnt der Fristenlauf mit der Ausstrahlung im Programm.

Den Besonderheiten des üpA ist auch bei der Form der Beanstandung Rechnung zu tragen. Namentlich Beiträge im Internet sind dynamisch und werden laufend aktualisiert. Von einem Beitrag kann es daher zeitlich betrachtet verschiedene Versionen mit unterschiedlichen Inhalten geben. Damit klar ist, welche Version eines Beitrags zu beurteilen ist, muss diese der Beanstandung in geeigneter Form (z.B. Ausdruck des Beitrages) beigelegt werden (Art. 92 Abs. 5). Den Umfang der Aufbewahrungspflicht für die SRG wird der Bundesrat auf Verordnungsstufe regeln (vgl. oben zu Art. 20 Abs. 1bis, S. 45).

Ebenfalls auf das üpA der SRG zu erweitern sind die Bestimmungen über die Zugangsbeschwerde. Beschwerden wegen des verweigerten Zugangs zu Radio- und vor allem zu Fernsehprogrammen haben die schweizerische Justiz in den vergangenen Jahren ab und zu beschäftigt.38 Im Bereich des üpA der SRG ist das Rechtsschutzbedürfnis für nicht berücksichtigte Privatpersonen, Vereinigungen oder Unternehmen geringer als im herkömmlichen Programm. In der Online-Welt gibt es eine schier unüberblickbare Zahl publizistischer Plattformen. Es herrscht nicht eine vergleichbare Knappheit wie im Rundfunk. Wen die SRG ablehnt, der kann sich im Internet auf anderen Plattformen Gehör verschaffen. Eine Zugangsbeschwerde (z.B.

wegen des vermeintlich systematischen Boykotts von Beiträgen über eine bestimmte politische oder gesellschaftliche Gruppierung) ist deshalb lediglich im redaktionsgenerierten Teil des üpA angezeigt (Art. 91 Abs. 3 Bst. b).

Keine verwaltungsrechtliche Aufsicht ist demgegenüber am Platz bei Streitigkeiten um den Zugang zum kommerziellen Teil (Werbung) im üpA der SRG oder zu nutzergenerierten Plattformen. Die angeblich ungerechtfertigte Rückweisung eines nutzergenerierten Inhaltes durch die SRG rechtfertigt ebenso wenig ein hoheitliches Einschreiten wie die Rückweisung eines Leserbriefs durch eine Zeitungsredaktion.

In jenen Bereichen bestehen mit anderen Worten keine spezifischen rundfunkrechtlichen Vorgaben, und deshalb werden weder die UBI noch das BAKOM tätig. Die bestehenden
zivil- und wettbewerbsrechtlichen Möglichkeiten reichen aus.

Bei persönlicher Betroffenheit sind sowohl in- wie auch ausländische Personen zur Beschwerde befugt. Eine Beschränkung auf Personen mit schweizerischem Bürgerrecht bzw. Niederlassung oder Aufenthalt rechtfertigt sich einzig im Bereich der Popularbeschwerde. Dies gilt sowohl bezüglich des üpA der SRG wie auch im redaktionellen Programm. Die bisherige, zu enge39 Legitimation wird deshalb ausgedehnt (Art. 94 Abs. 3).

2.3

Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen

Die Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen ist durch die Bundesverfassung gewährleistet (Art. 93 Abs. 3 BV), mit dem Ziel, die freie Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger vor dem Einfluss staatlicher Stellen zu schützen. Sie um38 39

Aus der Rechtsprechung vgl. etwa BGE 123 II 402 und 136 I 158.

Vgl. zur bisherigen, unbefriedigenden Rechtslage UBI-Entscheid b. 602 vom 27.8.2009

5018

fasst zwei verschiedene Aspekte: Im Bereich der inhaltlichen Programmgestaltung gilt der Grundsatz der Autonomie. Veranstalter sind danach in Bezug auf ihr Programm keinen Weisungen von Dritten und insbesondere von Behörden verpflichtet und können nicht zur Verbreitung bestimmter Inhalte gezwungen werden. Der strukturelle Aspekt der Unabhängigkeit verbietet es dem Staat, selber Rundfunkprogramme zu betreiben oder sich massgeblich in finanzieller oder organisatorischer Weise an privaten Veranstaltern zu beteiligen.40 Im RTVG ist mit Artikel 6 RTVG einzig der inhaltliche Aspekt der Staatsunabhängigkeit ausdrücklich geregelt. Der strukturelle Aspekt der Staatsunabhängigkeit ist dagegen im RTVG heute nicht abgedeckt. Es fehlt infolgedessen eine formellgesetzliche Grundlage, um der verfassungsrechtlich gewährleisteten Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen in ihrer Gesamtheit Nachachtung verschaffen zu können.

Mit der Abkehr von der generellen Konzessionspflicht für Radio- und Fernsehveranstalter kann die Durchsetzung der Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen heute nicht mehr allgemein über die Konzessionierung gewährleistet werden.

Das Manko der fehlenden formalgesetzlichen Grundlage betrifft insbesondere die meldepflichtigen Veranstalter. In jüngerer Zeit meldeten sich mehrere Veranstalter von regionalen Fernsehprogrammen, bei welchen sich der Staat (Gemeinden) mehrheitlich beteiligt. Dem BAKOM fehlt es jedoch im geltenden Recht an Instrumenten, um die Staatsunabhängigkeit gegen den Willen der Beteiligten durchzusetzen.

Art. 3a

Unabhängigkeit vom Staat

Der Grundsatz der Unabhängigkeit vom Staat wird systematisch in einer eigenständigen Bestimmung in einem neuen Abschnitt 1a «Unabhängigkeit vom Staat» in den allgemeinen Bestimmungen für die Veranstaltung schweizerischer Programme festgehalten (Art. 3a). Damit wird der strukturelle Aspekt von Artikel 93 Absatz 3 BV gestärkt und eine unsachgemässe Vermischung der beiden Aspekte von Artikel 93 Absatz 3 BV (inhaltliche Autonomie und organisatorisch-strukturelle Staatsunabhängigkeit der Veranstalter) im Gesetz vermieden.

Die Erarbeitung von Kriterien für die Prüfung der Staatsunabhängigkeit wird Aufgabe der Praxis sein. Die Prüfung wird sich allerdings auf organisatorischstrukturelle Kriterien beschränken müssen, denn das BAKOM ist als staatliche Behörde aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht befugt, den Programminhalt zu bewerten. Der Bundesrat hat sich 2006 im Zusammenhang mit der Konzessionserneuerung der Teleclub AG bereits einmal zur Tragweite der Staatsunabhängigkeit geäussert. Die Swisscom AG, deren Aktienmehrheit im Besitz des Bundes liegt, beteiligte sich im September 2004 zu 49 Prozent ­ mit Option auf weitere 26 Prozent ­ an der Cinetrade AG, deren 100 Prozent-Tochter der Fernsehveranstalter Teleclub AG ist. Der Bundesrat befand eine Minderheitsbeteiligung unter den gegebenen Umständen aus verfassungs- und medienrechtlicher Sicht als vertretbar, eine Mehrheitsbeteiligung dagegen als mit Artikel 93 Absatz 3 BV unvereinbar.41

40

41

Rhinow René / Schefer Markus, Schweizerisches Verfassungsrecht, Basel 2009, Rn 1650; Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 3. März 2008, in: VPB 4/2009 vom 2. Dezember 2009, 2009.12, S. 219 ff.

Vgl. dazu auch das entsprechende Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 3. März 2008, in: VPB 4/2009 vom 2. Dezember 2009, 2009.12, S. 219 ff.

5019

2.4

Behindertengerechte Programmaufbereitung

Während das RTVG in seiner heutigen Fassung nur die Fernsehveranstalter mit nationalem oder sprachregionalem Programmangebot dazu verpflichtet, einen angemessenen Anteil ihrer Sendungen in einer für hör- und sehbehinderte Menschen geeigneten Weise aufzubereiten, strebt der vorliegende Revisionsentwurf auch eine bessere Zugänglichkeit der von den regionalen Fernsehsendern ausgestrahlten Informationen an. Die wichtigsten Behindertenorganisationen zeigen Interesse an der Untertitelung der Tagesschauen von regionalen Fernsehsendern, denn diese sorgen für die örtliche Bindung der Menschen mit einer Behinderung. Da die regionale Verankerung ein zentrales Element des mit der Konzession erteilten Leistungsauftrags der regionalen Fernsehsender ist, scheint es richtig und angebracht, diese Leistungen auch Menschen mit Sinnesbehinderungen anzubieten, denn es handelt sich hier um einen echten Service public. Folglich ist die Finanzierung dieser Leistungen vollumfänglich über die Radio- und Fernsehabgabe sicherzustellen.

Art. 7 Abs. 4

Weitere Anforderungen an das Programm von Fernsehveranstaltern

und Art. 68a Abs. 1 Bst.e

Höhe der Abgabe und Verteilschlüssel

Praktisch werden die regionalen Fernsehveranstalter neu verpflichtet, ihre Hauptinformationssendungen ebenfalls mit Untertiteln zu versehen (Art. 7 Abs. 4). Die Finanzierung dieser Leistungen ist vollumfänglich über die Abgabe für Radio und Fernsehen sicherzustellen (Art. 68a Abs. 1 Bst. e). Ein unabhängiges, vom BAKOM in Auftrag gegebenes Gutachten schätzt die Kosten für die Untertitelung der Hauptinformationssendungen aller regionalen Fernsehveranstalter mit Konzession (je eine Ausstrahlung) aktuell auf 2,5 Millionen Franken pro Jahr. Man darf jedoch in Zukunft eine Verringerung dieser Kosten erwarten, denn die Digitalisierung der Technologien zur Produktion und Ausstrahlung von Fernsehsendungen bringt auch in diesem Bereich Einsparungen mit sich. Es ist jedoch hervorzuheben, dass diese neue Aufgabe zu einer leichten Erhöhung der Radio- und Fernsehabgabe führen könnte. Dies hängt aber auch von der künftigen Entwicklung anderer Posten in der Gesamtabgabe ab.

Da die Verpflichtung technologieabhängig ist und damit einem steten Wandel unterliegt, wird ihr Umfang ­ unter Beizug der Beteiligten ­ auf Verordnungsebene zu konkretisieren sein. Der Bundesrat wird unter Berücksichtigung der technologischen Möglichkeiten und im Sinne der bestmöglichen Zweck-Mittel-Relation insbesondere die Zahl der Sendungen, die mit Untertitelung auszustrahlen sind, festlegen und technische Vorgaben für die Sendungsaufbereitung machen. Das Ziel ist, dadurch den Zugang hörbehinderter Menschen zu regionalen Informationen möglichst umfassend zu gewährleisten.

Der Bundesrat wird den finanziellen Bedarf der regionalen Fernsehveranstalter für die Untertitelung im Rahmen der Festlegung der Abgabehöhe (vgl. oben Ziff. 2.1.1) für eine Abgabeperiode festlegen und berücksichtigen. Die festgelegten Beiträge für die Untertitelung werden den berechtigten Veranstaltern vom BAKOM quartalsweise ­ vorzugsweise zusammen mit den Abgabenanteilen ­ ausgerichtet. Wie bei den übrigen Abgabenanteilen, die an Veranstalter mit Konzession mit Leistungsauftrag ausgerichtet werden (Art. 40 Abs 3. RTVG), ist auch bei diesen Beiträgen 5020

das Bundesgesetz vom 5. Oktober 199042 über Finanzhilfen und Abgeltungen (Subventionsgesetz, SuG) anwendbar.

2.5

Tägliche Werbezeitbeschränkung

Der Beschränkung der Werbedauer in Artikel 11 Absatz 2 RTVG unterliegen konzessionierte Veranstalter und Fernsehveranstalter, die ihr Programm grenzüberschreitend verbreiten. Für alle anderen Radio- und Fernsehveranstalter hat der Bundesrat mit Artikel 19 Absatz 2 RTVV von seiner Zuständigkeit, Ausnahmen zu regeln, Gebrauch gemacht und gänzlich von Werbezeitbeschränkungen Abstand genommen. Eine besondere Werberegelung gilt für die Fernsehprogramme der SRG; die SRG-Radios sind werbefrei (Art. 14 RTVG i.V.m. Art. 22 RTVV).

Art. 11 Abs. 2

Einfügung und Dauer der Werbung

Die zulässige Werbedauer für die konzessionierten Veranstalter und die grenzüberschreitend tätigen Fernsehveranstalter wird an die vereinfachte europäische Regelung in Artikel 18 der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL43) angepasst, indem das Werbezeitkontingent von 15 Prozent der täglichen Sendezeit eines Programms gestrichen wird (Abs. 2). Die Werbebestimmungen der AVMD-RL sind im Rahmen des Abkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union über die Teilnahme der Schweiz am EU-Programm MEDIA (MEDIAAbkommen44) für Schweizer Werbefenster ausländischer Veranstalter massgebend.

Um eine Ungleichbehandlung der inländischen mit den ausländischen Veranstaltern zu vermeiden, hat der Bundesrat eine erste Angleichung an Artikel 18 AVMD-RL bereits per 1. April 2010 mit der Revision von Artikel 19 RTVV vorgenommen.45 Die Beschränkung der täglichen Werbezeit hatte seit dem Ausbau der Sendetätigkeit auf 24-Stunden-Programme neben der Beschränkung der Werbezeit auf 12 Minuten pro Stunde in der Praxis kaum mehr eigenständige Relevanz. Die stündliche Beschränkung erweist sich zudem als effektiver, weil sie auch für die werberelevanten Hauptsendezeiten gilt, und wird daher beibehalten. Weiterhin gilt also in Übereinstimmung mit dem EU-Recht, dass pro Stunde höchstens während 12 Minuten Werbespots gesendet dürfen.

Im Vergleich zu heute ist den konzessionierten Veranstaltern mit dieser Liberalisierung eine Steigerung ihrer Werbezeit von fünf Prozent möglich, verbunden mit Zusatzeinnahmen aus der Werbung. Ein allfälliger Anstieg der Werbung wird sich aber nur ausserhalb der Hauptsendezeit bemerkbar machen. In der reichweitenstarken Hauptsendezeit sind die Veranstalter schon heute darum bemüht, ihr Werbekon-

42 43

44

45

SR 616.1 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste; Amtsblatt ABl. L 95 vom 15.4.2010) Vgl. Botschaft zur Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EU-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013 über einen Bundesbeschluss zur Finanzierung der Teilnahme vom 21. September 2007, in: BBl 2007 6681 ff.

Vgl. AS 2010 965 und www.bakom.admin.ch/dokumentation/ medieninformationen/00471/index.html?lang=de&msg-id=32206

5021

tingent von 12 Minuten pro Stunde auszuschöpfen, da diese Werbesekunden am teuersten verkauft werden können.

Für die SRG kann der Bundesrat weiterhin Einschränkungen der Werbezeit vorsehen, wie dies heute bereits der Fall ist.

2.6

Auskunftspflicht

Die Auskunftspflicht im RTVG ist keine umfassende, sondern bezieht sich auf Auskünfte und Akten, die die Aufsichts- und Konzessionsbehörde im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit und im Zusammenhang mit der Überprüfung der Bestimmungen zur Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt benötigt. Insbesondere in diesem Bereich sind neben den Programmveranstaltern (Art. 17 Abs. 1) auch Unternehmen und Einzelpersonen auskunftspflichtig, die mit diesen wirtschaftlich verflochten sind (Art. 17 Abs. 2 Bst. a) oder welche im Radio- und Fernsehmarkt tätig sind und eine beherrschende Stellung in einem oder mehreren medienrelevanten Märkten innehaben (Art. 17 Abs. 2 Bst. e). Damit sollte sichergestellt werden, dass die für die Überprüfung der Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt erforderlichen Informationen zu den relevanten Märkten zugänglich sind.46 In den bisherigen Verfahren zur Klärung einer allfälligen Gefährdung der Meinungsund Angebotsvielfalt nach Artikel 74 RTVG hat sich gezeigt, dass der Umfang der Auskunftspflicht nicht ausreichend definiert ist, um den rechtserheblichen Sachverhalt festzustellen. Sie muss daher erweitert werden.

Art. 17 Abs. 1 und 2 Bst. f

Auskunftspflicht

Die Prüfung nach Artikel 74 RTVG bezieht sich nicht nur auf den Radio- und Fernsehmarkt, sondern auf alle medienrelevanten Märkte. Da die zu prüfenden Unternehmen in der Regel multimedial tätig sind, muss beispielsweise auch die Situation im Print- und der Internetbereich untersucht werden. In Marktbefragungen müssen die Marktverhältnisse erhoben werden. Dabei ist das UVEK auf die Mithilfe der Marktakteure angewiesen. Zu diesem Zweck ist die Auskunftspflicht im Bereich der Überprüfung einer Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt auf die Akteure derjenigen medienrelevanten Märkte zu erweitern, in denen die Prüfung stattfindet (Abs. 2 Bst. f).

Der zusätzliche Verweis auf Artikel 74 in Absatz 1 ist eine reine Präzisierung und trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Auskunftspflicht auf das 2. Kapitel des 5. Titels «Massnahmen gegen die Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt» bezieht, welches beide Artikel (Art. 74 und 75) umfasst. Im Sinne einer Vereinheitlichung wird zudem anstelle von Medienkonzentration neu der Begriff Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt verwendet (vgl. dazu auch Ziff. 2.13).

46

Vgl. Botschaft zur Totalrevision des RTVG, in: BBl 2003 1569 1683.

5022

2.7

Verbreitungsbeschränkung für konzessionierte Fernsehveranstalter mit Gebührenanteil

Radio- und Fernsehveranstalter mit einer Konzession mit Leistungsauftrag und Gebührenanteil dürfen ihr Programm gegenwärtig nur innerhalb ihres konzessionierten Versorgungsgebietes verbreiten (lassen). Die Verbreitungsbeschränkung sollte insbesondere eine flächendeckende Verbreitung mit gleichwertigen Angeboten auf lokal-regionaler Ebene sicherstellen, indem sich die gebührenfinanzierten Veranstalter nicht um lokal-regionale Werbegelder konkurrenzieren können.

Bereits in der Botschaft zum heute geltenden RTVG hat der Bundesrat angedeutet, die technologische Entwicklung werde künftig diese Beschränkung vor allem angesichts der sich über Internet bietenden Möglichkeiten in Frage stellen,47 und bereits das heutige Gesetz sieht Möglichkeiten für Ausnahmen vor. In den letzten Jahren sind solche mehrfach gewährt worden: So dürfen über UKW verbreitete Radioprogramme in digitaler Technik drahtlos-terrestrisch, über Leitungen und Satelliten unbeschränkt verbreitet werden (Art. 37 RTVV). Eine weitere Ausnahme hat der Bundesrat in Artikel 37 RTVV für die digitale Verbreitung über Leitungen von konzessionierten Fernsehprogrammen vorgesehen.48 Art. 38 Abs. 5

Verbreitungsbeschränkung für konzessionierte Veranstalter mit Leistungsauftrag und Gebührenanteil

und Art. 52 Abs. 3

Einschränkung für die Übertragung von Programmen

Mit der Aufhebung der Verbreitungsbeschränkung (Art. 38 Abs. 5 und Art. 52 Abs. 3) wird der technischen Entwicklung Rechnung getragen. Die Ausnahmeregelungen aus technologischen Gründen haben so stark an Bedeutung gewonnen, dass der bisherige Grundsatz seine ursprüngliche Tragweite verloren hat und sich eine Anpassung des Gesetzes aufdrängt.

Die Aufhebung der Verbreitungsbeschränkung ändert nichts an den Leistungsaufträgen der betroffenen Veranstalter, die ihre Programme thematisch nach wie vor auf ihre Versorgungsgebiete auszurichten haben. Die Veranstalter müssen sich am konzessionsrechtlichen Leistungsauftrag messen lassen, unabhängig davon, ob die Verbreitung auch ausserhalb des Versorgungsgebietes zulässig ist oder nicht. Dessen Erfüllung wird durch eine regelmässige, systematische Programmbeobachtung überprüft. Auch die Verbände der betroffenen Fernsehveranstalter befürworten eine Aufhebung der Verbreitungsbeschränkung.

47 48

BBl 2003 1569 1706 AS 2013 567

5023

2.8

Gebührenanteil für private Radio- und Fernsehveranstalter

2.8.1

Nicht ausschüttbare Gebührenanteile

Mit der Totalrevision des RTVG 2006 wurde die Gebührenunterstützung für lokale und regionale Veranstalter (Gebührensplitting) ausgebaut. Für die berechtigten konzessionierten Privatradio- und Privatfernsehveranstalter sind Gebührenanteile im Umfang von je vier Prozent der Radio- bzw. der Fernsehempfangsgebühren vorgesehen (Art. 40 Abs. 1 RTVG). Für die Gebührenperiode 2007­2010 waren dies jährlich insgesamt 50 Millionen Franken. Pro Versorgungsgebiet wurde der Gebührenanteil festgelegt und mit den Konzessionen 2007 ausgeschrieben, wobei die Summe aller Gebührenanteile den erwähnten 50 Millionen Franken entsprach.

Die Gebührenanteile konnten nie vollständig ausgeschüttet werden, wodurch sich Gelder aus dem Gebührensplitting auf den entsprechenden Bilanzkonten, die im Buchungskreis der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) geführt werden, ansammelten. Dies im Wesentlichen aus folgenden Gründen:

49

­

Das ausgebaute Gebührensplittingsystem trat zusammen mit dem totalrevidierten RTVG am 1. April 2007 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt waren die zusätzlichen Gebührenanteile verfügbar. Die dazu berechtigenden Konzessionen konnten aber erst später nach einem Ausschreibungsverfahren erteilt werden bzw. sind in Einzelfällen aufgrund von Beschwerden bis heute noch nicht vergeben worden. Die anfallenden Gebührenanteile konnten daher vor allem in der ersten Zeit nicht ausgeschüttet werden (vgl. Grafik, schräg schraffierte Fläche), da die Berechtigten nicht feststanden. Gleichzeitig mussten aber auch die entsprechenden durch die Gebührenanteile abgegoltenen Leistungen nicht erbracht werden.

­

Die berechtigten Veranstalter unterliegen einer Eigenfinanzierungsquote.

Der Gebührenanteil durfte ursprünglich nicht mehr als 50 Prozent des jährlichen Betriebsaufwandes ausmachen (ausnahmsweise 70 Prozent für Fernsehveranstalter in Rand- und Bergregionen und für komplementäre, nicht gewinnorientierte Radioveranstalter; Art. 39 Abs. 1 RTVV). Diese Quote verhinderte oftmals, dass den Veranstaltern die vollen Gebührenanteile ausbezahlt werden konnten (vgl. Grafik, senkrecht schraffierte Fläche). In der Zwischenzeit sind die Eigenfinanzierungsvorschriften in der RTVV angepasst worden: Für TV-Veranstalter gilt nun generell, dass der Gebührenanteil 70 Prozent des jährlichen Betriebsaufwandes ausmachen darf.49

Art. 39 Abs. 1 RTVV; AS 2012 3668

5024

Abbildung 2 Entstehung der Überschüsse aus dem Gebührensplitting (Die graue Fläche stellt die nach dem Inkrafttreten des RTVG 2007 langsam ansteigenden Splittingzahlungen dar. Die schräg schraffierte Fläche stellt diejenigen Gelder der sofort verfügbaren, zusätzlichen Gebührenanteile dar, die wegen des erst allmählichen Inkrafttretens der Konzessionen nicht ausgeschüttet werden konnten.

Die senkrecht schraffierte Fläche symbolisiert diejenigen Beträge, die wegen der mangelenden Eigenfinanzierung der Veranstalter nicht ausgerichtet werden können.)

Splitting (Mio. Fr.)

50

25

0 2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

Jahre

Insgesamt häuften sich daher in den ersten vier Jahren seit Inkrafttreten des totalrevidierten RTVG auf dem Gebührensplitting-Konto im Buchungskreis der EFV rund 69 Millionen Franken an. Da von Gesetzes wegen jedes Jahr erneut zwingend vier Prozent des Ertrags der Empfangsgebühren zur Deckung der laufenden Bedürfnisse der konzessionierten Privatradio- und Privatfernsehveranstalter reserviert werden müssen, können die Überschüsse nachträglich nicht mehr verwendet und ihrem eigentlichen Zweck zugeführt werden.

Es ist also notwendig, einerseits eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um die aufgelaufenen Überschüsse anderweitig verwenden zu können. Andererseits soll das Gebührensplitting flexibilisiert werden, damit dafür so viel reserviert wird, wie auch ausbezahlt werden kann.

Die Verwendung der überschüssigen Gelder auf dem Gebührensplitting-Konto ist auch Gegenstand von parlamentarischen Vorstössen: Ein am 16. Dezember 2010 eingereichtes Postulat50 beauftragt den Bundesrat mit der Prüfung, die überschüssigen Gebührenanteile zur Förderung der journalistischen Qualität zu verwenden. Das 50

10.4032, Postulat Bieri ­ Änderung des RTVG. Nicht ausbezahlte Gebührengelder zur Förderung journalistischer Qualität sowie gemeinsamer Initiativen der Branche verwenden.

5025

Postulat wurde am 16. März 2011 vom Ständerat angenommen (vgl. dazu nachfolgend Ziff. 2.8.3). Eine Motion vom 26. September 201151 verlangte vom Bundesrat die Ausarbeitung einer Regelung, damit die überschüssigen Gebührenanteile an die Gebührenzahlenden zurückgegeben werden können. Die Motion wurde auf Empfehlung des Bundesrates vom Nationalrat am 21. Dezember 2011 abgelehnt. Der Bundesrat äusserte sich zwar positiv zur Stossrichtung der Motion. Er wies allerdings darauf hin, dass dafür eine Gesetzesrevision notwendig ist, und stellte einen Lösungsvorschlag im Rahmen dieser Vorlage in Aussicht.

2.8.2 Art. 40 Abs. 1

Vorgeschlagene Regelung Abgabenanteile

Der heute im Gesetz vorgesehene fixe Prozentsatz führt dazu, dass sich Überschüsse beim Gebührensplitting nicht vermeiden und nicht abbauen lassen. Mit einer Flexibilisierung des Systems können einmal angefallene Überschüsse später verwendet werden. Dazu ist aber nötig, dass in den Jahren, in denen früher angefallene Überschüsse ausgegeben werden, vom Gesamtertrag der Abgabe etwas weniger für Abgabenanteile reserviert wird. Für den Abgabenanteil der privaten Veranstalter am Gesamtertrag der Radio- und Fernseh-Abgabe wird deshalb neu eine Bandbreite von drei bis fünf Prozent eingeführt (Art. 40 Abs. 1). Es geht dabei nicht darum, die Zahlungen an die Berechtigten zu schmälern, sondern das zur Verfügung stehende Geld mit der Summe der Ansprüche ins Gleichgewicht zu bringen und Überschüsse zu vermeiden bzw. abzubauen. Nach der Flexibilisierung kann der Bundesrat bei der Festsetzung der Höhe der Radio- und Fernseh-Abgabe und des Prozentsatzes für die Abgabenanteile allenfalls früher angefallenen Überschüssen Rechnung tragen und die Abgabepflichtigen entsprechend entlasten.

Art. 109a

Überschüsse aus den Gebührenanteilen

Um die Überschüsse aus dem Gebührensplitting, die sich seit 2007 angehäuft haben (vgl. oben Ziff. 2.8.1), anderweitig zu verwenden, bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung. Jede nachträgliche anderweitige Verwendung stünde sonst rückwirkend mit der heute geltenden Bestimmung in Widerspruch, wonach vier Prozent des Gebührenertrags für das Gebührensplitting zu reservieren ist.

Artikel 109a sieht vor, dass die Überschüsse im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung ausgeschieden und den Gebührenzahlenden zurückerstattet werden (Abs. 1). Die Rückerstattung erfolgt in Form einer einmaligen Auszahlung an die Gebührenzahlenden. Um die administrativen Kosten in Grenzen zu halten, werden diejenigen Gebührenzahlenden berücksichtigt, die am Tag des Inkrafttretens dieser Bestimmung als solche bei der Gebührenerhebungsstelle gemeldet sind. Es wird zudem nicht unterschieden, ob es sich um einen Haushalt oder Betrieb handelt und ob jemand Radio- und/oder Fernsehempfang gemeldet hat. Allen in diesem Zeit51

11.3839, Motion Rickli ­ Nicht ausbezahlte 67 Millionen Gebührengelder zurück an die Gebührenzahler. Dasselbe Anliegen war bereits Gegenstand der Motion von Nationalrat Amstutz vom 16. Juni 2010 (10.3471, Motion Amstutz ­ 67 herrenlose Billag-Millionen.

Änderung und Ergänzung des RTVG). Diese Motion wurde wegen des Wechsels des Motionärs in den Ständerat mit Beschluss des Nationalrates vom 9. Juni 2011 abgeschrieben.

5026

punkt gemeldeten Gebührenzahlenden wird der gleiche Betrag gutgeschrieben, indem die nächste ordentliche Gebührenrechnung um diesen Betrag reduziert wird (Abs. 3).

Vom Betrag, der sich heute auf dem fraglichen Konto befindet, kann derjenige Anteil an die Gebührenzahlenden zurückerstattet werden, bei dem es sich um echte Überschüsse handelt. Nicht darunter fallen die Liquiditätsreserven, die nötig sind, damit die Gebührenunterstützung reibungslos abgewickelt werden kann. Liquiditätsreserven sind aus verschiedenen Gründen notwendig: ­

Die Gebührenanteile stellen eine Subvention im Sinne des SuG dar. Das Subventionsrecht sieht vor, dass vor der Einreichung der Schlussrechnungen durch die Veranstalter höchstens 80 Prozent der Beträge ausbezahlt werden können (Art. 23 Abs. 2 SuG). Die letzte Rate im Umfang von 20 Prozent wird demnach erst im Folgejahr ausbezahlt und stellt per Jahresende keinen Überschuss dar.

­

Das BAKOM zahlt den Veranstaltern die vier Raten unter dem Jahr jeweils in den ersten Tagen des Quartals als Vorschuss aus. Die entsprechenden Gebühreneinnahmen für das Gebührensplitting werden dagegen jeweils erst am Ende des Quartals überwiesen.

­

Aus der Technologieförderung gemäss RTVG 1991 bestehen noch offene Verbindlichkeiten. Die dafür reservierten Gelder bilden Bestandteil des Gebührensplitting-Kontos bei der EFV, sind jedoch keine Überschüsse aus dem Gebührensplitting.

Insgesamt ist aufgrund dieser Positionen mit Liquiditätsreserven im Umfang von rund 25 Millionen Franken zu rechnen, welche nicht an die Gebührenzahlenden ausgeschüttet werden können. Der Bundesrat bestimmt unter Berücksichtigung der Liquiditätsgarantie den Betrag, der den Gebührenzahlenden zurückerstattet werden soll (Abs. 2).

2.8.3

Postulat Bieri (10.4032)

Die Verwendung der Überschüsse ist auch Gegenstand des Postulats von Herrn Ständerat Bieri (10.4032), welches der Ständerat am 16. März 2011 angenommen hat. Der Bundesrat wird mit der Prüfung beauftragt, die überschüssigen Splittinggelder zur Ausbildung im Medienbereich und für gemeinsame Initiativen der Branche einzusetzen. Zu diesem Zweck soll eine Stiftung oder eine andere Rechtsform geschaffen werden, aus deren Kapitalerträgen die Unterstützungsleistungen finanziert werden. Zur Begründung führt das Postulat aus, dass die überschüssigen Gelder nach Meinung des Gesetzgebers zur Erfüllung des Leistungsauftrags der privaten Radio- und Fernsehveranstalter vorgesehen sind. Mit der vorgeschlagenen Verwendung würden die Überschüsse zumindest indirekt den ursprünglich begünstigten Veranstaltern zugutekommen. Gleichzeitig könne die Qualität der Arbeit der Medienschaffenden erhöht und gesichert werden.

Der Bundesrat hat den Lösungsvorschlag des Postulats einlässlich geprüft, lehnt ihn aber aus verschiedenen Gründen ab. Es spricht zwar angesichts von jüngeren wissenschaftlichen Studien, welche von einer Entprofessionalisierung des Journalismus

5027

sprechen und die Qualität der Medien beklagen, vieles dafür, dass Handlungsbedarf im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Programmschaffenden besteht.52 Die Ausund Weiterbildung im Bereich elektronischer Medien wird jedoch bereits heute aus allgemeinen Bundesgeldern unterstützt. Etablierte Institutionen, welche kontinuierliche Aus- und Weiterbildungen für Programmschaffende anbieten (MAZ ­ Die Schweizer Journalistenschule, Centre romand de formation des journalistes [CRFJ], Corso die Giornalismo, klipp&klang, focal), werden vom BAKOM jährlich mit Beiträgen im Umfang von insgesamt rund 1 Millionen Franken subventioniert (Art. 76 RTVG).

Der Aufwand für die Schaffung und den Betrieb einer Stiftung wäre gemessen am finanziellen Mehrertrag für die Aus- und Weiterbildung ausserdem unverhältnismässig. Bei einem Stiftungskapital von 44 Millionen Franken und einem Zinssatz von 1,5­2 Prozent53 wäre mit jährlichen Kapitalerträgen im Umfang von lediglich 660 000 bis 880 000 Franken zu rechnen.

2.9

Konzessionsvoraussetzung: Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt

Im Rahmen der Totalrevision des RTVG 2006 wurden die Bestimmungen gegen die Medienkonzentration ausgebaut. Der Gesetzgeber wollte aber, dass im Rahmen des Konzessionierungsverfahrens bei mehreren Bewerbungen zunächst geprüft werde, wer den Leistungsauftrag am besten erfüllen kann. Erst wenn mehrere Bewerbungen in dieser Hinsicht gleichwertig seien, solle die Frage der Medienkonzentration eine Rolle spielen (Art. 45 Abs. 3 RTVG). Mit anderen Worten: Die Fähigkeit, die geforderten Leistungen zu erbringen, wurde höher gewichtet als die Fragen nach der Medienkonzentration. Damit sollte den kleinräumigen Gegebenheiten in der Schweiz und der Tatsache Rechnung getragen werden, dass in einzelnen Gebieten aus ökonomischen Gründen nur ein Medienhaus, das gleichzeitig mehrere Medien herausgibt bzw. betreibt, bestehen kann.

Art. 44 Abs. 1 Bst. g

Konzessionsvoraussetzung: Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt

Die Bestimmung in Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe g RTVG, wonach eine Konzession nur erteilt werden kann, wenn dadurch die Meinungs- und Angebotsvielfalt nicht gefährdet wird, steht im Widerspruch zu diesem Regelungskonzept. Ausgestal52

53

Vgl. Medienkonzentration und Meinungsvielfalt, Studie des Forschungsbereichs Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (fög), Schlussbericht zuhanden des BAKOM eingereicht von: Kamber Esther / Imhof Kurt, Zürich 2011; Pluralismus und Vielfalt in Regionalzeitungen, Studie des Swiss Centre for Studies on the Global Information Society der Universität Zürich (SwissGIS), Schlussbericht zuhanden des BAKOM eingereicht von: Meier Werner A., Zürich 2011; Auswirkungen des Internets auf die journalistische Praxis und berufskulturelle Normen, Studie des IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft, Schlussbericht zuhanden des BAKOM eingereicht von: Keel Guido / Wyss Vinzenz, Winterthur 2010.

Alle Studienberichte sind einsehbar unter www.bakom.admin.ch Themen Radio & Fernsehen Bildung, Forschung, Archivierung Beiträge Beiträge und Studien Medienforschung 2010.

Vgl. Verlauf der Rendite von Bundesobligationen der Eidgenossenschaft mit Kassazinssatz bei einer Laufzeit von 10 Jahren, abrufbar unter www.snb.ch/de/iabout/stat/statpub/zidea/id/current_interest_exchange_rates.

5028

tet als Konzessionsvoraussetzung muss sie für jede Bewerbung einzeln geprüft werden und kommt nicht erst beim Vergleich zwischen inhaltlich weitgehend gleichwertigen Bewerbungen zum Tragen. Dies führt zur möglichen Konsequenz, dass insbesondere in kleinen Gebieten mit nur einem Medienhaus keine Konzessionen erteilt werden könnten.

Praktische Erfahrungen mit Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe g RTVG zeigen zudem, dass die Prüfung dieser Konzessionsvoraussetzung sehr zeit- und kostenaufwendig ist. Die lange Verfahrensdauer ist einerseits durch die Konsultation der Wettbewerbskommission WEKO bedingt, welche zuhanden des UVEK das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung prüfen muss (Art. 74 Abs. 2 RTVG). Zeit in Anspruch nimmt andererseits die Wahrung der Mitwirkungsrechte der im Konzessionsverfahren involvierten Parteien. Insgesamt resultiert daraus eine Verzögerung der Konzessionserteilung von ein bis zwei Jahren. Negative Folgen sind die finanzielle Unsicherheit, die für die Gesuchsteller damit einhergeht, und der mögliche Unterbruch des lokal-regionalen Service public im betroffenen Versorgungsgebiet.

Dasselbe gilt auch bei der Übertragung einer Konzession. Das UVEK hat vorgängig zu prüfen, ob die Konzessionsvoraussetzungen mit der neuen Konzessionärin weiterhin erfüllt sind (Art. 48 Abs. 2 RTVG). Der Zeitaufwand für eine solche Prüfung kann unter geltendem Recht dazu führen, dass der Zweck einer Konzessionsübertragung vereitelt wird, wenn es darum geht, ein Rundfunkunternehmen wirtschaftlich zu retten.

Die Erteilung von lokal-regionalen Radio- und Fernsehkonzessionen ist auf ein möglichst koordiniertes und effizientes Verfahren angewiesen. Beide Prämissen lassen sich mit Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe g RTVG nicht umsetzen. Aus diesen Gründen soll die Konzessionsvoraussetzung, dass die Meinungs- und Angebotsvielfalt (Art. 44 Abs. 1 Bst. g) nicht gefährdet ist, aufgehoben werden.

Die Instrumente, die nach der Streichung von Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe g RTVG weiterhin zur Verfügung stehen (Art. 44 Abs. 3, Art. 45 Abs. 3 und Art. 74 f.

RTVG), genügen, um die Angebots- und Meinungsvielfalt zu gewährleisten.

2.10

Beschränkung für den Erwerb von Radio- und Fernsehkonzessionen («2+2-Regel»)

Die Beschränkung des Konzessionserwerbs für Radio- und Fernsehveranstalter bzw.

für die dahinter stehenden Unternehmen auf maximal zwei Fernseh- und zwei Radiokonzessionen wurde im Rahmen der parlamentarischen Debatte zum totalrevidierten RTVG in das Gesetz aufgenommen.54 Der Gesetzgeber bezweckte damit, der Medienkonzentration auch quantitativ beizukommen, nebst dem qualitativen Erfordernis, die Konzession im Falle von gleichwertigen Bewerbungen demjenigen Bewerber zu erteilen, der die Meinungs- und Angebotsvielfalt am meisten bereichert (Art. 45 Abs. 3 RTVG). Im Fokus der Beschränkung stand die Verhinderung einer horizontalen Konzentration. Die wenigen grossen, vorwiegend im Printbereich tätigen Verlagshäuser sollten nicht beliebig viele Radio- und Fernsehstationen aufkaufen und so den Rundfunkmarkt Schweiz unter sich aufteilen können.

54

AB 2006 S 93

5029

Art. 44 Abs. 3

Konzessionsvoraussetzung: Beschränkung des Konzessionserwerbs

Die Regelung entstand vor dem Hintergrund der damals bestehenden Medienlandschaft in der Schweiz und ist daher geprägt von den analogen Verbreitungstechnologien wie UKW. Parallel zu diesen traditionellen Technologien treten neue, zukunftsträchtige, digitale Verbreitungstechnologien hinzu, namentlich im Radiobereich (T-DAB, Terrestrial-Digital Audio Broadcasting). Statt eines einzigen Programms wie bei der analogen UKW-Verbreitung können auf einer digitalen Frequenz heute bis zu 18 Radioprogramme verbreitet werden. Wie bei UKW kann die Programmverbreitung gemäss Artikel 43 Absatz 1 RTVG (teilweise) auf der Basis einer Konzession erfolgen. So kann in einer Sprachregion in den Genuss einer Konzession mit Leistungsauftrag und Zugangsrecht (Art. 43 Abs. 1 Bst. b i.V.m.

Art. 53 Bst. b RTVG) kommen, wer in besonderem Mass zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags beiträgt. Die neuen digitalen Technologien standen allerdings nicht im Zentrum der parlamentarischen Debatte. Gleichwohl müssen die dafür erteilten Konzessionen bei der bestehenden Formulierung von Artikel 44 Absatz 3 RTVG mitberücksichtigt werden. Diese Beschränkung der zulässigen Anzahl Konzessionen wirkt sich hemmend auf die technologische Entwicklung aus. Die Einführung neuer Technologien erweist sich stets als kostenintensiv und ist deshalb auf finanzstarke Marktteilnehmer angewiesen. Die angesprochenen Medienunternehmen können und wollen mit der bestehenden Regelung jedoch faktisch nicht investieren, da sie grösstenteils bereits über zwei Radiostationen verfügen, die über UKW verbreitet und damit bestens etabliert sind.

Um diese Hindernisse zur Einführung neuer Technologien, die vom Gesetzgeber mit der Beschränkung des Konzessionserwerbs nicht beabsichtigt waren, zu entschärfen, wird eine Anpassung von Artikel 44 Absatz 3 RTVG vorgeschlagen. Die Beschränkung des Konzessionserwerbs wird im Grundsatz beibehalten. Der Bundesrat wird jedoch ermächtigt, Ausnahmen für die Einführung neuer Verbreitungstechnologien vorzusehen (Abs. 3).

2.11

Zuständigkeit für die Frequenzverwaltung

Die Konvergenz führt bei den Frequenzen zu einer zunehmenden Konkurrenzsituation zwischen Rundfunk und Telekommunikation. Zum Schutz von Radio und Fernsehen wurden im FMG und RTVG Instrumente für die Frequenzverwaltung und -zuteilung geschaffen, um Frequenzen oder Teile von Frequenzblöcken für den Rundfunk zu reservieren und Programmen, die besonderen medienpolitischen Anliegen genügen, privilegierten Zugang zum Frequenzspektrum zu gewährleisten.

Die Kompetenzen wurden je nach Anliegen dem Bundesrat (medienpolitische Entscheide) oder der ComCom (technische, auf die Infrastruktur bezogene Entscheide) übertragen.

Art. 54

Frequenzen für Programme

Artikel 54 RTVG entspricht in seiner konkreten Ausgestaltung heute nicht ganz dieser Aufgabenteilung und enthält zudem Widersprüche: Der Bundesrat legt die Grundsätze für die Erteilung der von Radio und Fernsehen genutzten Funkkonzessionen fest und genehmigt den nationalen Frequenzzuweisungsplan (Art. 24 5030

Abs. 1bis und 25 FMG). Er legt ausserdem die Grundsätze betreffend die Frequenzzuweisung und die Festlegung der Frequenznutzung zwecks Berücksichtigung der Anliegen und Bedürfnisse des Rundfunks fest (Art. 54 Abs. 4 RTVG). Gleichzeitig übertragen aber Artikel 54 Absatz 1 und 2 RTVG die Sicherstellung von genügend Frequenzen und die Bestimmung der Details für die Verwendung der für den Rundfunk reservierten Frequenzen der ComCom. Bei diesen Aufgaben handelt es sich allerdings um medienpolitische Anliegen. Um eine kohärente Systematik zu gewährleisten, sollen sie dem Bundesrat übertragen werden (Abs. 1). Damit steht die Regelung im Einklang mit dem Entwurf, welcher dem Parlament im Rahmen der Totalrevision des RTVG von 2006 vorgelegt wurde, wonach «die politische Gestaltung der Medienlandschaft in die Hände der politischen Behörden» gehöre,55 was nicht umstritten war. Diese im RTVG nicht ganz kohärente Aufgabenverteilung hängt damit zusammen, dass die vom Bundesrat in der Botschaft von 2002 vorgeschlagene Kommission,56 die als verwaltungsunabhängige Aufsichts- und Konzessionierungsbehörde im Fernmelde- und Rundfunkbereich fungieren sollte, vom Parlament abgelehnt wurde. Folglich mussten die Kompetenzen der Kommission auf die bisherige Behördenorganisation (Bundesrat, UVEK, BAKOM, UBI, ComCom) aufgeteilt werden, was nicht in allen Punkten optimal gelungen ist.

Für die Vorkehrung der erforderlichen Massnahmen für eine ausreichende Rundfunkversorgung der Bevölkerung in ausserordentlichen Lagen ist das UVEK zuständig. Um dies wahrzunehmen, ist die Kompetenz von der ComCom auf das UVEK zu übertragen (Abs. 3).

2.12

Förderung neuer Technologien

Mit der Einführung der Subventionsmöglichkeit für neue Technologien für die drahtlos-terrestrische Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen beabsichtigte der Gesetzgeber, die Digitalisierung voranzutreiben.

In den ersten fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des totalrevidierten RTVG hat sich gezeigt, dass sich die gesetzgeberischen Ziele mit der gegenwärtigen Konzeption der Technologieförderung, wonach Investitionsbeiträge ausschliesslich an konzessionierte Veranstalter entrichtet werden können, nicht im erwünschten Rahmen umsetzen lassen.

Die Problematik der Bestimmung besteht darin, dass sie einerseits nur konzessionierte Veranstalter als Anspruchsberechtigte vorsieht und anderseits nur die Subventionierung von Investitionen bzw. Abschreibungen erlaubt. Die neuen Technologien (z.B. Digital Audio Broadcasting, DAB) ermöglichen es, über die gleiche Frequenz bzw. über das gleiche Sendernetz mehrere Programme von unterschiedlichen (konzessionierten und nicht konzessionierten) Veranstaltern zu verbreiten. Bei dieser Konstellation werden neue Sendernetze oft nicht von konzessionierten Veranstaltern sondern durch Dritte (z.B. Swisscom Broadcast) errichtet. Dies erschwert die zielgerichtete Ausrichtung der Subventionen an die effektiv Investierenden.

55 56

BBl 2003 1569 1651 BBl 2003 1569 1649 ff.

5031

Art. 58

Förderung neuer Technologien

Um eine effektivere Unterstützung neuer terrestrischer Verbreitungstechnologien zu erreichen, werden verschiedene Änderungen vorgeschlagen. So sollen neben den Kosten, die bei der Errichtung des Sendernetzes entstehen (Investitionskosten), neu auch die Kosten für den Betrieb des Sendernetzes (Betriebskosten) während einer befristeten Zeit subventioniert werden können (Abs. 1). Ferner soll der Kreis der Berechtigten nicht bereits im Gesetz, sondern vom Bundesrat bestimmt werden können (Abs. 5). Diese Anpassungen ermöglichen eine gewisse Flexibilität, die einerseits dem Aufbau der Sendernetzinfrastruktur zugutekommen, andererseits auch zugunsten der konzessionierten Veranstalter die Verbreitungsentschädigung reduzieren soll (vgl. Art. 55 Abs. 2 RTVG). Die Attraktivität der subventionierten neuen Verbreitungswege wird dadurch erhöht.

Als Bestandteile des Sendernetzes gelten sämtliche Anlagen, die für die Übertragung des Signals ab dem Produktionsort der einzelnen Teilsignale (Studios) über den Multiplex, über den mehrere Signale simultan laufen, bis hin zur Abstrahlung für den individuellen Empfang erforderlich sind. Der Gegenstand der Finanzierung beschränkt sich folgedessen nicht auf die eigentlichen Verbreitungsinfrastrukturen (Distribution), sondern umfasst Sendernetze insgesamt und damit auch die technischen Einrichtungen für die Aufbereitung (inklusive Zuführung). Der breitere Anknüpfungspunkt rechtfertigt sich durch den Zweck der Finanzierung: Neuen, zukunftsträchtigen Übertragungstechnologien kann nicht zum Durchbruch verholfen werden, wenn der Aufbau der technischen Einrichtungen für die Aufbereitung und die Zuführung des Signals, welche diesen vorgelagert sind und entsprechen müssen, nicht gleichermassen voranschreitet.

Den Kreis der Berechtigten lässt das Gesetz wie erwähnt offen. Der Bundesrat wird die Subventionsempfänger sowie die Kriterien für die Förderleistungen auf Verordnungsstufe bestimmen (Abs. 5). Dies führt zu einer grösseren Flexibilität, um auf technische Entwicklungen rascher reagieren zu können. Dem Legalitätsprinzip ist damit Rechnung getragen. Die Technologieförderung ist als Ermessenssubvention ausgestaltet. Das BAKOM als zuständige Behörde entscheidet im Rahmen seines Ermessens über die Gewährung von Beiträgen. Ein Anspruch auf die Subventionserteilung besteht
nicht. Anders als bei Anspruchssubventionen können der Kreis der Berechtigten und der Bemessungsrahmen bei Ermessenssubventionen in den Ausführungsbestimmungen festgelegt werden.57 Neben der Ausrichtung von Förderleistungen kann das BAKOM die Öffentlichkeit über neue Verbreitungstechnologien für Radio und Fernsehen informieren. Es kann dafür mit Dritten zusammenarbeiten (Abs. 2). Als mögliche Informationsmassnahmen sind Werbe- und Informationskampagnen denkbar, wie sie früher die PTT mit Gebührengeldern z.B. bei der Einführung von UKW gemacht hat. Das Ziel dieser Förderleistung ist die Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit für eine neue digital terrestrische Verbreitungstechnologie für Radio und Fernsehen.

Die Förderleistungen werden weiterhin in erster Linie aus dem Ertrag der Konzessionsabgaben und, soweit dieser nicht ausreicht, aus dem Ertrag der Radio- und Fernseh-Abgabe finanziert (Abs. 3). Aus dem Ertrag der Abgabe darf maximal ein 57

Vgl. Tschannen Pierre / Zimmerli Ulrich / Müller Markus, Allgemeines Verwaltungsrecht, Bern 2009, § 46 Rn. 9 ff.; Jaag Tobias / Lienhard Andreas / Tschannen Pierre, Ausgewählte Gebiete des Bundesverwaltungsrechts, Basel 2009, S. 60.

5032

Prozent dafür verwendet werden. Der Bundesrat bestimmt die Höhe im Rahmen der Festlegung der Abgabe (Abs. 4).

2.13

Prüfung einer Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt: Schnittstelle WEKO-UVEK

Eine Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt liegt dann vor, wenn die marktbeherrschende Stellung in einem medienrelevanten Markt publizistisch missbraucht wird. Für die Frage der marktbeherrschenden Stellung konsultiert das UVEK die Wettbewerbskommission WEKO. Das RTVG lässt offen, wer die medienrelevanten Märkte definiert.

Art. 74 Abs. 2

Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt

Um diese Unklarheit zu beseitigen, wird in Artikel 74 Absatz 2 ausdrücklich geregelt, dass die Prüfung der marktbeherrschenden Stellung nach kartellrechtlichen Prinzipien erfolgt. Künftig wird also die WEKO die Märkte abgrenzen, die ihrer Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung zu Grunde liegen.

Um den unterschiedlichen Tätigkeiten von UVEK und WEKO auch terminologisch Rechnung zu tragen, wird der Begriff «Medienkonzentration» im RTVG vermieden und der Gliederungstitel vor Artikel 74 f. in «Massnahmen gegen die Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt» geändert. Diese terminologische Anpassung bedeutet aber nicht, dass Phänomene der Medienkonzentration bei der Prüfung der Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt nicht zu berücksichtigen wären. Es geht nicht um eine materielle Änderung des heutigen Rechts, sondern um eine terminologische Klärung.

2.14

Organisation der Stiftung für Nutzungsforschung

Die Stiftung für Nutzungsforschung Mediapulse stellt im Auftrag des Bundes Daten zur Verbreitung und Nutzung von Radio- und Fernsehprogrammen in der Schweiz zur Verfügung (Art. 78 RTVG). Die Radio- und Fernsehveranstalter sind auf diese Nutzungsdaten angewiesen, damit sie Werbung akquirieren und auf diese Weise ihre wirtschaftliche Existenz sichern können. Zu diesem Zweck führt die Stiftung Mediapulse zwei Tochtergesellschaften: Die Mediapulse AG ist zuständig für die Datenerhebung, der Vertrieb der Daten erfolgt über die Publica Data AG. Um die gesetzlich übertragene Aufgabe im Sinne aller Veranstalterkategorien erfüllen zu können, sind die SRG und die übrigen Veranstalter bisher paritätisch im Stiftungsrat von Mediapulse und zugleich in den Verwaltungsräten der Tochtergesellschaften vertreten.

Die Pflicht zur paritätischen Zusammensetzung der Verwaltungsräte der beiden Tochtergesellschaften führt zu einer spürbaren Verlangsamung der operativen Entscheidprozesse; rasche unternehmerische Entscheide sind der Mediapulse auf diese Weise in der Regel nicht möglich.

5033

Art. 80 Abs. 2

Organisation der Stiftung für Nutzungsforschung

Um das Alltagsgeschäft der Mediapulse Gruppe zu entlasten, wird vorgeschlagen, bei den Verwaltungsräten der Tochtergesellschaften auf den Zusammensetzungszwang zu verzichten und der Stiftung hier grösseren Spielraum einzuräumen (Abs. 2). Die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe wird dadurch nicht gefährdet. Die Anforderungen an die Zusammensetzung des Stiftungsrates von Mediapulse, welcher die Oberaufsicht über die Tochtergesellschaften ausübt, bleiben weiterhin bestehen. Mit der Genehmigung des Organisationsreglements der Stiftung verfügt das UVEK ausserdem über die Möglichkeit, allfällige Modalitäten der Verwaltungsrats-Wahl mitzubestimmen.

2.15

Sanktionskompetenz der UBI

Mit dem Inkrafttreten des totalrevidierten RTVG erfuhren die Verfügungskompetenzen der UBI eine Erweiterung: Während die UBI früher in ihren Entscheiden die Verletzung von Programmbestimmungen bloss feststellen konnte, ist es ihr seit dem 1. April 2007 möglich, bei wiederholten Verstössen eine Verwaltungssanktion im Umfang von bis zu 10 Prozent des in den letzten drei Geschäftsjahren durchschnittlich in der Schweiz erzielten Jahresumsatzes eines Radio- oder Fernsehveranstalters auszusprechen. Die Sanktionskompetenz ist bislang theoretischer Natur geblieben.

Sie kann aus folgenden Gründen gestrichen werden: Die Anordnung von Verwaltungssanktionen nach Artikel 90 Absatz 1 RTVG durch die UBI ist in rechtlicher Hinsicht problematisch. Das bestrafende Element steht hier klar im Vordergrund, weshalb die Verwaltungssanktion gemäss Lehre und Rechtsprechung unter den Anwendungsbereich der völker- und verfassungsrechtlichen Garantien fairer gerichtlicher Verfahren gemäss Artikel 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie Artikel 29a, 30 Absatz 1 und 32 Absatz 3 BV fällt.58 Will die UBI Strafsanktionen selber verfügen, wird in einem einzigen Verfahren vor derselben Instanz mit demselben Personal der Straffall untersucht, die strafrechtliche Anklage erhoben und die Anklage beurteilt (Funktionskumulation). Da Entscheide der UBI direkt beim Bundesgericht angefochten (einfacher Beschwerdeweg) und daher nur auf die Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht (beschränkte Kognition) überprüft werden, fehlt es an der Kontrolle der unrichtigen oder unvollständigen Sachverhaltsfeststellung und der Unangemessenheit (volle Kognition).

Das Verhängen von Verwaltungssanktionen erscheint im Bereich redaktioneller Inhalte aber auch entbehrlich. Bislang hat es jeweils genügt, dass die UBI eine Rechtsverletzung feststellt und Massnahmen zur Behebung des Mangels sowie zur Vermeidung einer Wiederholung (Art. 89 Abs. 1 Bst. a Ziff. 1 RTVG) verlangt.

Diese Massnahmen müssen sich nicht auf das eigentliche Programm beschränken.

So verlangt die UBI im elektronischen Archiv auf der Website des Veranstalters 58

Vgl. Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], 2. Aufl., Zürich 1999, S. 250 ff. Rn. 393 ff.; Jörg Paul Müller / Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz: Im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNOPakte, 4. Aufl., Bern 2008, S. 907 ff.; Isabelle Häner, Mindestgarantien für Strafverfahren und ihre Bedeutung für verwaltungsrechtliche Sanktionen, in: Häner Isabelle/Waldmann Bernhard (Hrsg.), Verwaltungsstrafrecht und sanktionierendes Verwaltungsrecht, Zürich 2010, S. 19 ff.

5034

regelmässig die Kennzeichnung von Sendungen, welche das Rundfunkrecht verletzt haben. Diese Kennzeichnung kann etwa durch einen Link auf den Entscheid der UBI erfolgen.59 In besonders schweren Fällen kann die UBI zudem nach Artikel 89 Absatz 2 RTVG beim UVEK ein Sendeverbot oder eine Auflage beantragen. Damit verfügt die UBI auch in Zukunft bei theoretisch denkbaren gravierenden Rechtsverletzungen über ein wirkungsvolles Druckmittel. Auf weitere Instrumente kann auch im Sinne der verfassungsrechtlich verankerten Medienfreiheit verzichtet werden. Es ist daher nicht zwingend nötig, dass die UBI künftig beim UVEK einen Antrag auf das Verhängen einer Verwaltungssanktion stellen kann.

Art. 90 Abs. 1 Bst. h

Verwaltungssanktion bei redaktionellen Sendungen

Artikel 90 Absatz 1 Buchstabe h ermöglicht Verwaltungssanktionen für die wiederholte Verletzung bestimmter Pflichten im Bereich redaktioneller Sendungen und bei der rechtswidrigen Verweigerung des Zugangs zum Programm. Wie oben erwähnt, ist diese Bestimmung bisher toter Buchstabe geblieben und kann ersatzlos gestrichen werden.

2.16

Zuständigkeit für den Abschluss internationaler Vereinbarungen

Artikel 104 Absatz 2 RTVG ermächtigte den Bundesrat bislang, die Kompetenz zum Abschluss von internationalen Vereinbarungen technischen oder administrativen Inhalts sowie die Vertretung des Bundes bei internationalen Gremien an das UVEK zu delegieren. In der Praxis nimmt das UVEK seine Kompetenz teilweise nicht selbst wahr, sondern lässt das BAKOM solche Verträge aushandeln und abschliessen. Dabei handelt es sich um Abkommen technisch-administrativer Natur zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten über die Aufteilung von Frequenzen des Rundfunks in den Grenzregionen.

Art. 104 Abs. 2

Internationale Vereinbarungen

Mit der Änderung der Delegationskompetenz des Bundesrates wird dieser tatsächlichen Situation Rechnung getragen und das Handeln des BAKOM legitimiert (Abs. 2). Dass die Möglichkeit, den Vertragsabschluss an das Bundesamt zu delegieren, im Gesetz von 2006 nicht enthalten ist, ist ein Versehen. Die Delegationsmöglichkeit war vorher im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 21. Juni 1991 vorgesehen (vgl. Art. 74 Abs. 2bis) und ist auch in Artikel 64 Absatz 2 FMG enthalten, wo ähnliche Konstellationen wie beim RTVG betroffen sind.

Die Delegationskompetenz im Bereich der Vertretung des Bundes bei internationalen Gremien sowie die Weisungsbefugnis des Bundesrates in diesen Bereichen werden nicht mehr gesondert erwähnt. Beide Kompetenzen sind Ausfluss des allgemeinen Organisationsrechts der Bundesverwaltung und bedürfen daher keiner zusätzlichen gesetzlichen Regelung. Dementsprechend wird auch die Sachüberschrift der Bestimmung angepasst.

59

UBI-Jahresbericht 2011, Ziff. 5.7

5035

2.17

Konzessionsgebühren für Funkkonzessionen

Das heutige Fernmelderecht enthebt die Inhaber von Funkkonzessionen zur Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen generell von der Pflicht zur Zahlung von Konzessionsabgaben. Diese Bevorzugung wird damit begründet, dass der Rundfunk wichtige Leistungen für Kultur und Demokratie erbringt (Service public).60 Um die staatspolitisch bedeutsamen redaktionellen Leistungen von den Rundfunkveranstaltern einfordern zu können, hält das RTVG das Instrument der Konzession bereit. Im Gegenzug für die Erfüllung des publizistischen Leistungsauftrags räumt die Konzession ihrem Inhaber einen erleichterten Zugang zu den Verbreitungsinfrastrukturen und mitunter auch eine finanzielle Unterstützung in Form eines Anteils am Ertrag aus der Abgabe für Radio und Fernsehen ein (Art. 38 Abs. 2 und Art. 43 Abs. 2 RTVG).

Da nach dem Verschwinden der Frequenzknappheit nur noch ausgewählte Veranstalter einen Leistungsauftrag und eine Konzession haben werden, die übrigen ihre Frequenzen aber nach kommerziellen Gesichtspunkten ohne Veranstalterkonzession nutzen können, ist diese generelle Privilegierung zu undifferenziert. Eine generelle Befreiung aller Rundfunkangebote von Gebühren für die Frequenznutzung trägt auch der zunehmenden Konvergenz nicht Rechnung und kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen. So ist beispielsweise nicht begründbar, dass rein kommerzielle Rundfunkangebote besser gestellt werden sollen als andere inhaltliche Angebote, die über die gleiche Frequenz transportiert werden, wegen ihrer Aufmachung aber nicht als Radio und Fernsehen gelten.

Art. 39 Abs. 1, 3 und 3bis

Konzessionsgebühren für Funkkonzessionen

Die Ausnahme von der Gebührenpflicht für Funkkonzessionen ist auf konzessionierte Radio- und Fernsehveranstalter zu beschränken (Abs. 1). Dies heisst aber nicht, dass der Besonderheit von Radio und Fernsehen nicht Rechnung getragen würde: Die Höhe der Funkkonzessionsgebühr bemisst sich nach der zugeteilten Bandbreite, der räumlichen Ausdehnung und der zeitlichen Nutzung sowie dem zugeteilten Frequenzbereich und der Frequenzklasse, namentlich dem Wert der Frequenz (Art. 39 Abs. 2 FMG). Insbesondere aufgrund dieses wirtschaftlichen Kriteriums kann davon ausgegangen werden, dass die Funkkonzessionsgebühr im Rundfunkbereich tiefer ausfallen wird als im Telekommunikationsbereich. Der Bundesrat wird dies in der Ausführungsverordnung61 entsprechend zu berücksichtigen haben.

Bei der Einführung der Gebührenpflicht von Betreibern von Rundfunkdiensten ist allerdings auf gewisse Spezialfälle angemessen Rücksicht zu nehmen (Abs. 3bis). So darf beispielsweise die Pflicht zur Zahlung von Funkkonzessionsgebühren nicht dazu führen, dass die Einführung neuer terrestrischer digitaler Übertragungstechniken (wie die digitale Radio- und Fernsehverbreitung über T-DAB+ oder DVB-T) übermässig erschwert wird. Der Begriff der neuen Technologien bezieht sich auf Artikel 58 RTVG und ist gleich zu verstehen wie der dort statuierte gleichnamige Begriff. Ferner wären Anpassungen der Gebührenpflicht etwa zugunsten der drahtlosen terrestrischen Versorgung der Bevölkerung mit (ausländischen) Rundfunkprogrammen in Berg- und Randregionen denkbar.

60 61

Vgl. BBl 2003 1569 1756 Verordnung vom 7. Dezember 2007 über die Gebühren im Fernmeldebereich (GebV-FMG; SR 784.106).

5036

Die Änderung in Absatz 3 ist auf die Einschränkung des Gebührenbefreiungsprivilegs auf konzessionierte Radio- und Fernsehprogramme zurückzuführen.

2.18

Beschwerde gegen die SRG-Konzession

Die Konzession der SRG wird vom Bundesrat erteilt (Art. 25 Abs. 1 RTVG). Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass es sich bei der SRG-Konzession um einen medienpolitischen Entscheid von höchster Bedeutung handelt, und hat ihn deshalb beim Bundesrat angesiedelt (vgl. Botschaft zur Totalrevision des RTVG62). Entsprechend dieser Rechtslage ergehen Verfügungen im Zusammenhang mit der SRGKonzession in der Praxis seit jeher immer durch den Bundesrat. Diese Praxis bereitete bislang nie Probleme und wurde auch vom Bundesgericht akzeptiert.63 Der Bundesrat ist mit Ausnahme weniger Fälle jedoch keine zulässige Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts (Art. 33 VGG). Seine Verfügungen sind daher der Beschwerde grundsätzlich entzogen. Um den Rechtsweg im Sinne von Artikel 29a BV trotzdem zu garantieren, sieht Artikel 47 Absatz 6 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199764 (RVOG) eine automatische Delegationsnorm vor. Die Befugnis zum Erlass von Verfügungen geht danach von Gesetzes wegen vom Bundesrat auf das in der Sache zuständige Departement über, soweit die Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht nicht ausgeschlossen ist. Artikel 32 VGG definiert die Ausnahmen von der Beschwerdemöglichkeit. Es handelt sich dabei vor allem um Verfügungen in Bereichen, die einen politischen Entscheid erfordern (vgl. z.B. Kernenergie [Bst. e], Konzessionen für Spielbanken [Bst. h]) und deshalb vom Gesetzgeber bewusst in die Zuständigkeit des Bundesrates gelegt wurden. Aufgrund ihrer vorwiegend politischen Natur sind diese Entscheidungen einer richterlichen Überprüfung nicht zugänglich (Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 200165).

Verfügungen des Bundesrates im Zusammenhang mit der SRG-Konzession sind im Ausnahmekatalog von Artikel 32 VGG nicht aufgeführt. Dies suggeriert entgegen der Absicht des Gesetzgebers und der Praxis, dass Artikel 47 Absatz 6 RVOG auf die SRG-Konzession anwendbar ist, mithin die Konzessionsentscheide durch das UVEK gefällt werden und die Beschwerde dagegen beim Bundesverwaltungsgericht zulässig ist.

Art. 32 Abs. 1 Bst. i

Ausnahmen

Zur Vermeidung möglicher Missverständnisse wird deshalb auf Gesetzesstufe (Art. 32 VGG) ausdrücklich festgehalten, dass gegen den bundesrätlichen Entscheid über die SRG-Konzession keine Beschwerdemöglichkeit an ein Gericht besteht (Abs. 1 Bst. i).

62 63 64 65

BBl 2003 1569 1651 und 1689 Vgl. Urteil 2A.369/2003 des Bundesgerichts vom 23. September 2003, E. 1.1 ff.

SR 172.010 BBl 2001 4202, 4388

5037

2.19

Geltungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes

Mit der Bahnreform 2 wurde Artikel 3 Buchstabe e BehiG geändert. Absicht des Gesetzgebers war es, den Begriff «Schweizerische Bundesbahnen SBB» zu ersetzen, weil diese neu auch für ihre Infrastruktur konzessionspflichtig ist.66 Dabei wurde versehentlich der Geltungsbereich eingeschränkt, indem der Begriff «konzessionierten Unternehmen» nicht mehr umfassend verstanden, sondern als «Unternehmen, die eine Infrastrukturkonzession nach Artikel 5 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 oder eine Personenbeförderungskonzession nach Artikel 6 des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 200967 benötigen,» definiert wurde. Dadurch wurden konzessionierte Radio- und Fernsehveranstalter, z.B. die SRG SSR, ungewollt aus dem Geltungsbereich entfernt.

Art. 3 Bst. e

Geltungsbereich

Mit dem vorliegenden Vorschlag wird der Status quo, was die Geltung des BehiG für konzessionierte Unternehmen betrifft, wieder hergestellt (Art. 3 Bst. e).

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Abgabe für Radio und Fernsehen sieht einfache Verfahren vor, die wenig zusätzlichen Aufwand verursachen (vgl. oben Ziff. 1.2.1 Grundzüge des neuen Systems der Abgabe). Sowohl die Abgabe für Haushalte als auch die Abgabe von Unternehmen lassen sich von der zukünftigen Erhebungsstelle für die Haushaltabgabe bzw. von der ESTV aufgrund von Daten erheben, die ohnehin bereits verfügbar sind (Zugang zu den kantonalen und kommunalen Einwohnerregistern über die elektronische Schnittstelle Sedex des Bundes; Umsatzdeklarationen durch Unternehmen gegenüber der ESTV).

Für die Erhebung der Unternehmensabgabe wird die ESTV voraussichtlich 17 zusätzliche Stellen benötigen, wofür jährlich ca. 2,3 Millionen Franken zu veranschlagen sind (vgl. Ziff. 3.1.2) Ausserdem erwachsen der ESTV jährliche Kosten von rund 200 000 Franken für Druck und Versand der Rechnungen und Mahnungen.

Hinzu kommen noch einmalige Kosten von 1,5 bis 2 Millionen Franken für den Aufbau der nötigen Infrastruktur inklusive geeigneter IT-Systeme. Diese Kosten sind aber nicht neu, sondern sie sind Folge des Transfers der Abgabeerhebung bei Unternehmen von der Erhebungsstelle zur ESTV und fallen somit bei der Erhebungsstelle weg. Sie fallen ferner geringer aus, als wenn die Unternehmensabgabe durch die Erhebungsstelle für die Haushaltabgabe erhoben würde (vgl. oben Ziff. 1.2.1 Erhebung der Abgabe durch Erhebungsstelle und ESTV). Die ESTV wird für ihren zusätzlichen Aufwand aus dem Ertrag der Abgabe entschädigt, so wie bereits heute und weiterhin das BAKOM für die Erledigung seiner Aufsichtsaufgaben entschädigt wird.

66 67

Vgl. BBl 2011 911 ff., 955 AS 2012 5619

5038

Für die bisher von der Empfangsgebühr ausgenommene Bundesverwaltung wird die jährliche Mehrbelastung voraussichtlich rund 100 000 Franken ausmachen.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Für die Erhebung der Unternehmensabgabe muss die ESTV die notwendigen organisatorischen und technischen Strukturen aufbauen, um sämtliche Aufgaben wie Einschätzung, Fakturierung, Inkasso, Rechtsmittelverfahren und Erteilen von Auskünften erfüllen zu können. Dafür wird die ESTV voraussichtlich 17 zusätzliche Vollzeitstellen benötigen, was mit Personalkosten von ca. 2,3 Millionen Franken pro Jahr verbunden ist. Diese Kosten werden über den Ertrag der Abgabe gedeckt, die zusätzlichen Stellen sind damit haushaltsneutral. Die Stellen werden nicht unmittelbar nach Inkraftsetzung der revidierten Gesetzesbestimmungen benötigt, da die Erhebung auch der Unternehmensabgabe erst beginnen wird, wenn die neue Erhebungsstelle für die Haushaltabgabe bestimmt und funktionsfähig sein wird (vgl.

Ziff. 5.4).

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Für die spezifischen Investitionen, welche für die Übermittlung der Daten aus den Einwohnerregistern notwendig sind, werden die Kantone und Gemeinden von der Erhebungsstelle und damit indirekt aus dem Abgabeertrag entschädigt.

Im neuen Abgabesystem unterstehen Gemeinwesen grundsätzlich derselben Abgabepflicht wie Unternehmen. Da öffentliche Gemeinwesen aber nur eingeschränkt der Mehrwertsteuer unterliegen, dürfte die finanzielle Belastung von Kantonen und Gemeinden eher geringer ausfallen als heute durch die Empfangsgebühr.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die vorliegende Teilrevision führt zu einem grossen Teil zu Liberalisierungen und Vereinfachungen, die den Radio- und Fernsehveranstaltern (Wegfall der täglichen Werbezeitbeschränkung, effizientere Technologieförderung, Aufhebung der Verbreitungsbeschränkung) und den Konsumentinnen und Konsumenten (Rückzahlung der Gebührenüberschüsse, einheitliche Beschwerdemöglichkeit gegen Programminhalte und Beiträge des üpA der SRG bei der UBI) zugutekommen.

Die Verpflichtung regionaler Fernsehveranstalter zur Untertitelung ihres Programms führt zu einem minimen Mehrbedarf bei der Radio- und Fernsehabgabe (schätzungsweise 2 Millionen Franken pro Jahr). Gleichzeitig wird damit den Anliegen hörbehinderter Menschen entsprochen.

Der Wechsel weg von der Empfangsgebühr hin zu einer geräteunabhängigen Abgabe hat nicht nur für die Erhebungsstelle, sondern auch für die Abgabepflichtigen eine administrative Entlastung zur Folge, da die Meldepflicht wegfällt. Die finanzielle Belastung der Haushaltsangehörigen bzw. Unternehmen wird durch den Systemwechsel im Vergleich zu heute nicht steigen, mit Ausnahme derjenigen 5039

Haushalte und Unternehmen, die heute keine Empfangsgebühr bezahlen, weil sie kein betriebsbereites Radio- bzw. Fernsehempfangsgerät besitzen. Trotz der grösseren Zahl von abgabepflichtigen Haushalten und Unternehmen vermindert der Systemwechsel den Aufwand und die Kosten für die Erhebung der Abgabe. Erhält die Billag AG derzeit jährlich rund 53,6 Millionen Franken (inkl. MWST) für die Erhebung der Empfangsgebühr bei Haushalten und Betrieben, so dürfte die Erhebung der Haushalts- und der Unternehmens-Abgabe durch Erhebungsstelle und ESTV künftig noch rund 40 Millionen Franken pro Jahr kosten. Die Entschädigung von 53,6 Millionen Franken (inkl. MWST) an die Billag AG bezieht sich auf das Jahr 2012.

In jenem Jahr wirkte sich die Kostenverminderung weiter aus, die durch die Einführung der Jahresrechung (anstelle von Quartalsrechnungen) erzielt wird. Im Jahr 2011 hatte die Entschädigung 59,8 Millionen Franken und im Jahr 2010 60,6 Millionen Franken betragen (je inkl. MWST). Ausserdem wird sich der Aufwand des BAKOM gegenüber heute von heute 4 Millionen auf rund 3 Millionen Franken vermindern.

Insgesamt wirkt sich die vorliegende Teilrevision nicht wesentlich auf den Wettbewerb aus. Die Anpassungen bewirken jedoch einen effektiveren und zweckmässigeren Vollzug der bereits bestehenden Regulierungen und tragen den vielfältigen Anliegen im Bereich von Radio und Fernsehen Rechnung.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 201268 zur Legislaturplanung 2011­2015 und im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201269 über die Legislaturplanung 2011­2015 vorgesehen.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 93 BV, der dem Bund die Kompetenz zur Regelung von Radio und Fernsehen sowie anderer Formen der öffentlichen fernmeldetechnischen Verbreitung von Darbietungen und Informationen gibt.

Artikel 93 der Bundesverfassung räumt dem Bund nicht nur eine umfassende Gesetzgebungskompetenz ein, sondern verpflichtet ihn auch dazu, für die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags zu sorgen und dessen Finanzierung zu gewährleisten (Gutachten zur Neuordnung der Rundfunkfinanzierung in der Schweiz aus verfassungsrechtlicher Sicht von Georg Müller und Peter Locher vom 13.11.2009, S. 11 und 16 f.70). Dabei darf der Bund die Unabhängigkeit der Programmveranstalter nicht beeinträchtigen (Art. 93 Abs. 3 BV). Vor diesem Hintergrund wäre eine Finanzierung aus allgemeinen Bundesmitteln problematisch, wie der Bundesrat schon 1981 in seiner Botschaft über den Radio- und Fernsehartikel in der Bundesverfassung festhielt.71 Auch das Parlament hat sich dagegen ausgesprochen (vgl. die Beratung des Ständerats vom 16. Dezember 2010 zur abgelehnten 68 69 70 71

BBl 2012 481, hier 565 und 615 BBl 2012 7155, hier 7161 www.bakom.admin.ch/empfangsgebuehren/03812/03817/ BBl 1981 II 885 937

5040

Parlamentarischen Initiative 09.411 Rickli «Kompetenz für Radio- und Fernsehgebühren beim Parlament»72).

Die juristische Einordnung der vorgesehenen Abgabe in die herkömmlichen Abgabekategorien bereitet Schwierigkeiten, denn es handelt sich weder um eine klassische Steuer noch um eine reine Kausalabgabe. Sie weist neben Elementen einer Zwecksteuer auch Merkmale einer Benutzungsgebühr und eines Beitrags auf. Im Rechtsgutachten Müller/Locher wird sie als Kostenanlastungsabgabe bezeichnet.

Massgebend ist jedenfalls, dass der Bund gestützt auf Artikel 93 BV eine derartige geräteunabhängige Abgabe erheben darf (Gutachten Müller/Locher, S. 20).

Bei der Ausgestaltung der Abgabe hat sich der Gesetzgeber an die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Abgabenerhebung zu halten, was die vorgesehene geräteunabhängige Abgabe tut. Durch Ausnahmeregelungen für bestimmte Kategorien von Haushalten und Unternehmen trägt sie tatsächlichen Unterschieden Rechnung. Dabei findet das Bestreben, unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich zu regeln, eine Grenze am Erfordernis der Praktikabilität (Vollzugstauglichkeit, Verwaltungsökonomie). Dies gilt ganz besonders bei einem Massengeschäft wie der Erhebung einer Abgabe bei Millionen von Zahlungspflichtigen, bei dem schematische Regelungen kaum zu vermeiden sind und vom Bundesgericht auch akzeptiert werden (vgl. etwa des Bundesgerichtsurteil 2C_359/2009 vom 6. Oktober 2009, E. 3.2).

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist vereinbar mit den Pflichten der Schweiz hinsichtlich internationaler Abkommen oder der Mitgliedschaft in internationalen Organisationen. Sie respektiert insbesondere die Vorgaben der für die Schweiz verbindlichen Europäischen Menschenrechtskonvention73 (EMRK) und trägt der Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK) Rechnung. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Pflicht zur Bezahlung von Gebühren für den Empfang von Fernseh- oder Radioprogrammen als konventionskonform erachtet.74 Aus den bilateralen Abkommen der Schweiz mit der EU ergibt sich keine Pflicht, die Finanzierung des Service public in Radio und Fernsehen in einer bestimmten Weise zu organisieren. Dies gilt insbesondere für die Regelungen der EG-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL),75 welche für die Schweiz im Rahmen der MEDIA-Abkommen zumindest teilweise relevant sind.76 Die Richtlinie regelt u.a. die freie Weiterverbreitung der Mediendienste und die sie treffenden Verpflichtungen (Schutz Minderjähriger, Förderung europäischer Werke, Mindest72 73 74 75

76

AB 2010 S 1347 SR 0.101 Vgl. etwa EGMR-Zulässigkeitsentscheid N° 33/04 «Faccio c. Italien» vom 31.3.2009.

Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste; Amtsblatt ABl. L 95 vom 15.4.2010).

Vgl. dazu etwa die Botschaft vom 21. September 2007 zur Genehmigung des Abkommens über die Teilnahme der Schweiz am EG-Programm MEDIA für die Jahre 2007­2013 (BBl 2007 6681, insbesondere Ziff. 2.3) sowie die Zusatzbotschaft (BBl 2008 9105).

5041

vorschriften über audiovisuelle kommerzielle Kommunikation). Sie enthält aber keinerlei Vorschriften über die Zulässigkeit oder den Umfang von Gebühren für die Rundfunkfinanzierung.

Nicht aus der EU-Gesetzgebung über den audiovisuellen Sektor, sondern unmittelbar aus den Vorschriften des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)77 über die Wettbewerbspolitik und über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (Art. 106 bis 108 AEUV) fliessen die Vorgaben der EU-Kommission über staatliche Beihilfen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.78 Diese sind für die Schweiz zwar nicht verpflichtend, werden von ihr aber erfüllt. So gewährt das schweizerische System die im EU-Recht geforderte Transparenz: Der Service public im Rundfunk ist in der Schweiz klar als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse definiert, die betroffenen Programmveranstalter (SRG und andere konzessionierte Veranstalter) werden ausdrücklich mit dem öffentlich-rechtlichen Auftrag betraut, und sie stehen auch unter einer regelmässigen Aufsicht über die Verwendung der öffentlichen Finanzmittel und die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags (Leistungsauftrags).

Die Vorlage beinhaltet keine Bestimmungen, die zu einer Ungleichbehandlung von Angehörigen der Vertragsstaaten führen, und knüpft auch nicht an die Staatsangehörigkeit natürlicher Personen an.

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Rechtsetzungsbefugnisse können durch Bundesgesetz übertragen werden, soweit dies nicht durch die Verfassung ausgeschlossen wird (Art. 164 Abs. 2 BV). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung müssen die Grundzüge der Regelung aber, soweit sie die Rechtsstellung des Einzelnen schwerwiegend berührt, im formellen Gesetz selbst enthalten sein. Für die Einschränkung von Grundrechten bedeutet dies, dass schwerwiegende Einschränkungen im Gesetz selbst vorgesehen sein müssen (Art. 36 Abs. 1 BV). Weniger schwere Eingriffe können auf der Stufe der Verordnung geregelt werden.79 Dem Bundesrat werden Rechtsetzungsbefugnisse in den folgenden Bereichen übertragen:

77 78 79

­

Bestimmung des Umfangs der Verpflichtung zur Aufbereitung der Sendungen für hörbehinderte Menschen (Art. 7 Abs. 4 RTVG);

­

Festlegung der Dauer und des Umfangs der Aufbewahrung von Beiträgen im üpA der SRG (Art. 20 Abs. 1bis RTVG);

­

Ausnahmen von der Beschränkung für den Erwerb von Radio- und Fernsehkonzessionen («2+2-Regel») zwecks Förderung neuer Verbreitungstechnologien (Art. 44 Abs. 3 RTVG);

­

Bestimmung des Kreises der Berechtigten sowie der Kriterien und des Zeitraums für die Förderung von neuen Technologien (Art. 58 Abs. 5 RTVG);

Amtsblatt ABl. C 115 vom 9.5.2008 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (Amtsblatt ABl. C 257 vom 27.10.2009).

Vgl. BGE 128 I 113, E. 3c S. 122.

5042

­

Regelung der Periodizität und der Fälligkeit der Abgabe (Art. 68 Abs. 4 RTVG);

­

Festlegung der Abgabe für Haushalte und Unternehmen (Art. 68a Abs. 1 RTVG);

­

Bestimmung der Daten, welche die Erhebungsstelle für die Erhebung der Haushaltabgabe bezieht (Art. 69g Abs. 6 RTVG);

­

Festlegung des Mindestumsatzes für die Unternehmensabgabe (Art. 70 RTVG);

­

Bestimmung des Umfangs an den Überschüssen aus dem Gebührensplitting, welche an die Gebührenzahlenden zurückerstattet werden (Art. 109a Abs. 2 RTVG);

­

Übergangsbestimmung für die Einführung der Abgabe für Radio und Fernsehen (Art. 109b Abs. 1, 4 und 5);

­

Reduktion der Konzessionsgebühr für Funkkonzessionen für die Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen (Art. 39 Abs. 3bis FMG).

Die Begründung für diese Delegationen liegt im Wesentlichen im raschen Wandel des Rundfunk- und des Fernmeldebereichs und der damit verbundenen Ungewissheit über die künftigen Probleme und den entsprechenden Regelungsbedarf. Die Regelung von Einzelheiten wird an den Bundesrat delegiert, der in der Verordnung zeitgemässe Lösungen festlegen und damit der beträchtlichen Dynamik der technologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung gerecht werden kann.

Nähere Begründungen zu den Delegationen finden sich in den Erläuterungen der einzelnen Bestimmungen (vgl. oben Ziff. 2).

Namentlich die Delegation der Möglichkeit, Ausnahmen von der Gebührenpflicht für Funkkonzessionen für die Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen vorzusehen, stellt vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips keine Probleme dar.

Für die Gebührenzahlenden resultiert daraus keine zusätzliche Belastung, sondern allenfalls eine Begünstigung.

5.4

Übergang zur Radio- und Fernsehabgabe

Das neue System der Abgabe für Radio und Fernsehen benötigt einen gewissen zeitlichen Vorlauf nach dem Inkrafttreten der vorliegenden RTVG-Revision. Denn das Vergabeverfahren, in welchem die neue Erhebungsstelle nach Artikel 69d Absatz 1 bestimmt wird, kann erst nach dem Inkrafttreten der revidierten Gesetzesbestimmungen eröffnet werden. Der Ausschreibungsprozess und die Installierung der Erhebungsstelle werden voraussichtlich mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen. Bis dahin gilt weiterhin das bisherige System der Empfangsgebühren nach den bisherigen Artikeln 68 bis 70 RTVG. Demzufolge wird in der Übergangszeit die bisherige Gebührenerhebungsstelle weiter tätig sein; das UVEK wird den Vertrag mit ihr um den entsprechenden Zeitraum verlängern. Gestützt auf die Delegationsnormen in Artikel 109b und Ziff. III Absatz 2 der Gesetzesänderung wird der Bundesrat die Übergangsphase regeln und den Zeitpunkt festlegen, an welchem das neue Abgabesystem realisiert wird.

5043

Anhang I

Artikel der Revision und die Fundstelle ihrer Erläuterungen in der Botschaft Artikel

Marginalie (angepasst)

Seite in der Botschaft80

Radio und Fernsehgesetz (RTVG) 2

Begriffe

3a

42 46

5a

Mindestanforderungen an das übrige publizistische Angebot der SRG

43

6

Autonomie

43

7

Weitere Anforderungen an das Programm von Fernsehveranstaltern

47

11

Einfügung und Dauer der Werbung

48

17

Auskunftspflicht

49

20

Aufzeichnung und Aufbewahrung der Sendungen 43 sowie der Beiträge im übrigen publizistischen Angebot der SRG

35

Verwendung der finanziellen Mittel

*

38

Grundsatz

50

40

Abgabenanteile

53

41

Pflichten der Programmveranstalter mit Konzession mit Abgabenanteil

*

44

Allgemeine Konzessionsvoraussetzungen

56/57

52

Einschränkungen

50

54

Frequenzen für Programme

58

58

Förderung neuer Verbreitungstechnologien

59

68

Grundsatz

25

68a

Höhe der Abgabe

25/47

69

Allgemeine Bestimmungen

26

69a

Privathaushalte: Abgabepflicht

27

69b

Privathaushalte: Befreiung von der Abgabepflicht

28

69c

Kollektivhaushalte

30

80

Die mit Stern gekennzeichneten Bestimmungen sind einzig aufgrund einer begrifflichen Anpassung im Rahmen des Systemwechsel bei der Rundfunkfinanzierung Gegenstand der Revision und werden in der Botschaft nicht speziell erläutert.

5044

Artikel

Marginalie (angepasst)

Seite in der Botschaft

69d

Erhebung der Haushaltabgabe

30

69e

Aufgaben und Kompetenzen der Erhebungsstelle

31

69f

Datenbearbeitung durch die Erhebungsstelle

32

69g

Bezug der Daten zu Haushalten

33

70

Abgabepflicht der Unternehmen

35

70a

Erhebung der Unternehmensabgabe

37

70b

Fälligkeit und Vollstreckung

37

70c

Berichterstattung durch die ESTV

38

70d

Geheimhaltung und Datenbearbeitung

39

71 74

* Gefährdung der Meinungs- und Angebotsvielfalt

60

80

Organisation

61

83

Aufgaben

44

86

Grundsatz

44

89

Allgemeines

44

90

Verwaltungssanktionen

44/62

91

Ombudsstellen

44

92

Beanstandung

44

94

Beschwerdebefugnis

44

95

Frist und Form der Beschwerde

44

97

Entscheid

44

99

31

101

Widerhandlungen

39

102

Zuständigkeit und Verfahren

*

104

Internationale Vereinbarungen

62

109a

Überschüsse aus den Gebührenanteilen

53

109b

Einführung der Abgabe für Radio und TV

39

Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) 18

Grundsatz

40

25

Steuersätze

40

75

Amtshilfe

41

Fernmeldegesetz (FMG) 39

Konzessionsgebühren für Funkkonzessionen

63 5045

Artikel

Marginalie (angepasst)

Seite in der Botschaft

Verwaltungsgerichtsgesetz (VGG) 32

Ausnahmen

64

Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) 3

5046

Geltungsbereich

65

Anhang II

Verworfene Abgabesysteme Bei der Erarbeitung des vorliegenden Modells einer geräteunabhängigen Abgabe pro Haushalt und Unternehmen hat der Bundesrat verschiedene andere Alternativen zum heutigen System der Empfangsgebühr geprüft. Abgesehen davon, dass der Auftrag des Parlaments durch die Motion 10.3014 ausdrücklich die Ausarbeitung eines solchen Modells verlangt, erwiesen sich die geprüften anderen Systeme als weniger geeignet. In der folgenden Übersicht sind verschiedene Alternativen und die Gründe für ihre Ablehnung aufgeführt.

1. Finanzierung aus dem Bundeshaushalt über eine erhöhte Mehrwertsteuer Die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes (um ca. 0,5 Prozentpunkte) würde eine entsprechende Änderung der Verfassung erfordern. Ein neues Abgabesystem wäre deshalb wegen der langen Dauer des Rechtsetzungsprozesses, inklusive des obligatorischen Referendums, nicht innert sachdienlicher Frist zu realisieren. Die Finanzierung über den Ertrag der Mehrwertsteuer hätte ferner zur Konsequenz, dass der Rundfunk aus dem Bundeshaushalt finanziert würde. Dies ist aus Gründen der Staatsunabhängigkeit von Radio und Fernsehen nicht unbedenklich, da über die Budgetdebatten letztlich indirekt auf die Inhalte der finanzierten Programme Einfluss genommen werden könnte. Schliesslich ist auch aus finanzpolitischer Sicht eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht opportun. Diese Nachteile überwiegen die Vorteile dieses Finanzierungsmodus, die darin bestehen, dass auf ein eigenes Inkassoverfahren verzichtet werden kann.

2. Finanzierung aus dem Bundeshaushalt über eine Erhöhung der direkten Bundessteuer Trotz des faktisch geringen Aufwands kostet dieses System wegen der Verfassungsbestimmung, dass 17 Prozent des Ertrags als Abgeltung für den Aufwand bei den Kantonen verbleiben, erheblich mehr als das bisherige (heute 4,5 Prozent des Ertrags). Wegen der Eigenheiten der direkten Bundessteuer (Befreiung von kleinen Einkommen, faktische Befreiung von hohen Einkommen durch maximalen Steuersatz) lastet dieses System auf einem weitaus geringeren Kreis von Haushalten bzw.

natürlichen Personen als andere betrachtete Systeme, inkl. das heutige. Nachteilig ist in diesem System zudem, dass die juristischen Personen nicht belastet werden können, da der verfassungsmässige Höchststeuersatz hier bereits Anwendung findet.

Der Ertrag aus der
Abgabe erscheint in diesem System in der Staatsrechnung des Bundes, so wie dies auch bei einer Finanzierung durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (vgl. oben) der Fall wäre. Dies hätte den Nachteil, dass über das Budget jeweils indirekt auf die aus der Abgabe finanzierten Programme politisch Einfluss genommen werden könnte, was im Lichte der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen problematisch wäre.

3. Abgabe pro Kopf und Betrieb, mit direkter Bundessteuer erhoben Zusammen mit der direkten Bundessteuer wird zusätzlich ein bestimmter absoluter Betrag als separate Abgabe bei jenen erwachsenen Personen und Betrieben erhoben und eingezogen, welche im betreffenden Jahr durch die direkte Bundessteuer belastet werden. Dieses Abgabesystem brächte einen Wechsel beim Ansatzpunkt für 5047

die Abgabepflicht von natürlichen Personen mit sich: Statt wie bisher pro Haushalt würde die Abgabe pro (steuerzahlende) erwachsene Person erhoben. In diesem System lastet die Abgabe auf einem erheblich kleineren Kreis von Personen als im heutigen System: abgabepflichtig wären rund 70 Prozent der natürlichen Personen und rund 45 Prozent der Betriebe. Haushalte mit mehreren erwachsenen Personen würden gegenüber heute mehr Abgaben bezahlen als heute. Der wesentliche Nachteil dieses Modells ist der grosse zusätzliche Aufwand für Erhebung und Inkasso der Abgabe, der verursacht wird durch die stark föderalistische und uneinheitliche Organisation der Kantone bei der Erhebung der direkten Bundessteuer. Dieser Mehraufwand entstünde, obwohl er durch die Anlehnung an die Prozesse der direkten Bundessteuer auf den ersten Blick eigentlich gering ausfallen müsste. Die Angliederung einer separaten Abgabe an das Steuersystem verursacht jedoch zahlreiche Unverträglichkeiten, deren Beseitigung sowohl einen grossen Umstellungsaufwand in allen Kantonen und vielen Gemeinden als auch einen dauerhaften Mehraufwand bei der Durchführung nach sich zieht. Zusätzlich wachsen würde der Aufwand durch spezifische Möglichkeiten zur Befreiung von der Abgabe. Die nötige Sachkenntnis müsste in jeder betroffenen kantonalen oder kommunalen Behörde aufgebaut werden. Ausserdem bestünde die Gefahr, dass Steuerpflichtige ungleich behandelt werden, wenn jeder Kanton und viele Gemeinden eine eigene, möglicherweise unterschiedliche Praxis zu diesen Befreiungstatbeständen entwickeln würde. Es ist anzunehmen, dass die Entschädigung der Kantone je nach Ausgestaltung dieses Systems dieselbe Höhe erreichen könnte wie eine Finanzierung über eine Erhöhung der direkten Bundessteuer (bei welcher den Kantonen 17 Prozent des Ertrags zukommt; vgl. oben).

4. Abgabe pro Haushalt und Betrieb, mit Abmeldemöglichkeit In diesem System ist a priori jeder Haushalt und jeder Betrieb abgabepflichtig, es sei denn er belegt, dass keine Empfangsgeräte vorhanden sind. Die Abmeldung bestünde darin, dass ein Haushalt bzw. ein Betrieb schriftlich erklärt, dass er an einem bestimmten Stichtag über kein Radio- oder Fernsehgerät verfügt. Diese Erklärung könnte von der zuständigen Instanz auf ihre Plausibilität überprüft werden. Der hauptsächliche Nachteil dieses Systems
ist, dass die Empfangsgeräte Anknüpfungspunkt bleiben für die Gebührenpflicht. Die geschilderten Abgrenzungsprobleme bei multifunktionalen Geräten ­ welche der Anlass für den Systemwechsel waren ­ stellen sich somit auch in diesem System. Ebenfalls müssten in diesem System die Kontrollen der Empfangsgeräte-Situation in den Haushalten und Betrieben weiterhin durchgeführt werden. Hinzu kommt ein weiterer Nachteil aus praktischer Sicht: Wenn sich jemand abmeldet und erklärt, dass er über keine Geräte verfügt, ist dies immer eine Momentaufnahme. Schon am nächsten Tag kann sich die betreffende Person Geräte beschaffen oder ausser Betrieb genommene wieder in Betrieb setzen, d.h. man müsste wohl für solche Fälle parallel eine Art Meldepflicht einführen, was den Effizienzgewinn gegenüber dem heutigen System letztlich schmälert. Praktisch wären die Vorteile gegenüber dem heute geltenden System somit nicht enorm.

5. Abgabe auf Empfangsgeräten Der Gesamtertrag aus einer Abgabe auf jedem verkauften Empfangsgerät wäre kaum im Voraus berechenbar und würde von Jahr zu Jahr schwanken. Die Frage, auf welchen Geräten eine Abgabe erhoben würde, wäre angesichts der technologischen Entwicklung nur schwierig zu beantworten. Ausserdem würde die Abgabe die

5048

Geräte im Inland massiv - um fast 50 Prozent - verteuern, wodurch Kundinnen und Kunden zu Händlern im Ausland ausweichen würden.

6. Nutzungsabhängige Abgabe (Pay per view) Eine Abgabe, welche sich nach dem zeitlichen Konsum von Radio- und Fernsehprogrammen richtet, erfordert einen unverhältnismässig grossen technischen und administrativen Aufwand, um jede Nutzungsart zu erfassen (insbesondere Autoradio, mobiler Empfang über Smartphones oder Laptop). Werden nur die einfacher zu überprüfenden Nutzungen (stationärer Empfang) erfasst, hätte dies unerwünschte Nutzungsverlagerungen in nicht erfasste Nutzungsarten zur Folge. Würde nur die Nutzung der aus der Abgabe finanzierten Service public-Programme erfasst, würde der ebenso unerwünschte Anreiz geschaffen, diese Programme tendenziell zu vermeiden. Damit verbunden wäre eine dramatische Wettbewerbsverzerrung zulasten der Service public-Programme im Wettbewerb mit den ausländischen Sendern, da der Konsum solcher Programme mit einer Abgabe belastet würde, während die Konkurrenz im Ausland nicht mit dieser Abgabe belastet würde. In allen Fällen aber wäre der Gesamtertrag der Abgabe nicht vorhersehbar und würde jährlichen Schwankungen unterliegen. Nicht zu unterschätzen ist schliesslich die Datenschutzproblematik, die einem solchen System anhaftet.

5049

Anhang III

Auswirkungen des Systemwechsels auf die einzelnen Gebühren- bzw. Abgabenanteile Gemessen an den Zahlen (in Mio. Franken) im Jahr 20111

5050