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Bundesblatt 114. Jahrgang

Bern, den 18. Mai 1962

Band I

Erscheint wöchentlich. Frei» 33 Franken im Jahr, 18 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 50 Happen die Petitzeile oder deren Kaum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Botschaft .

des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die in der Schweiz befindlichen Vermögen rassisch, religiös oder politisch verfolgter Ausländer oder Staatenloser (Vom 4. Mai 1962) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die in der Schweiz befindlichen Vermögen rassisch, religiös oder politisch verfolgter Ausländer oder Staatenloser zu unterbreiten.

A. Einleitung Am 18. März 1959 wurde vom Nationalrat folgende, von Herrn Nationalrat Huber eingereichte Motion in Form eines Postulates angenommen : ,, In der Schweiz liegen erhebliche Vermögenswerte von Ausländern, die während des Krieges und der Nachkriegswirren im Ausland verschwanden, ohne dass andere berechtigte Personen bekannt wären. Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen, ob nicht den eidgenössischen Räten Bericht und Antrag für Sonderbestimmungen zu unterbreiten seien, durch die eine Meldepflicht, ein vereinfachtes Aufrufs- und Verschollenheitsverfahren und die Zuweisung erblosen Vermögens an einen Fonds zu humanitären Zwecken vorgesehen wird.

Wie der Antragsteller in seiner Begründung ausführte, handelt es sich bei der postulierten Eegelung um ein Problem, das sich anfangs der dreissiger Jahre zu entwickeln begann, als mit dem Aufkommen des " Nationalsozialismus die Emigration rassisch, religiös und politisch verfolgter Personen und ihrer Vermögen aus Deutschland einsetzte. Seit jener Zeit sollen, trotz der damals schon Bundesblatt. 114. Jahrg. Bd. I.

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934 in einer Reihe europäischer Länder bestehenden, in der Folge ständig zunehmenden und sich verschärfenden Devisenbestimmungen - nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus anderen, insbesondere aus den während des zweiten Weltkrieges von den Achsenmächten besetzten und bedrohten Staaten *- bedeutende Kapitalien geflüchtet und schweizerischen Banken, Versicherungsgesellschaften, Treuhändern, Anwälten und Notaren sowie anderen Personen, z.B.

Geschäftsfreunden.anvertrautwordensein.VondenEigentümern dieserVermögen, bei denen es sich vor allem um Juden und andere dem nationalsozialistischen Regime nicht genehme Personen handelte, dürften viele ein Opfer der bekannten Massenverfolgungen oder sonstiger Gewaltakte sowie von kriegerischen Ereignissen, wie Bombenangriffen, geworden sein; über manche von ihnen und über deren allfällige Rechtsnachfolger fehlen heute jegliche Nachrichten, so dass die Vermögensverwalter öfters im Ungewissen sind, wem die ihnen anvertrauten Werte eigentlich gehören. Dieser Situation, welche die Gefahr in sich birgt, dass die fraglichen Vermögenswerte infolge Anspruchsverjährung oder durch Ersitzung endgültig in den Händen der Personen bleiben, die sie verwalten oder bei denen sie sich jetzt befinden, muss ein Ende gemacht werden, wozu - da das geltende Recht nicht ausreicht - neue Vorschriften notwendig sind. Schon bevor die erwähnte Motion eingereicht wurde, hatte deshalb der Bundesrat am 22. Januar 1952 das Justiz- und Polizeidepartement beauftragt, «im Einvernehmen mit dem Politischen Departement einen Entwurf zu einom Bundesgesetz oder zu einem mit der Referendumsklausel versehenen Bundesbeschluss auszuarbeiten, wonach für die erblosen Vermögenswerte eine Sonderregelung getroffen wird». Angeregt wurde dieser Beschluss u.a. durch Eingaben des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes und anderer jüdischer Organisationen, welche die in Betracht fallenden erblosen Vermögen zugunsten der Hinterbliebenen der Opfer des Nationalsozialismus verwendet wissen möchten, ferner des Staates Israel und der Internationalen Flüchtlingsorganisation, die ähnliche Wünsche äusserten und verlangten, dass die Schweiz zwecks Ermittlung der in Rede stehenden Werte das Bankgeheimnis lockere, und schliesslich durch eine am 26. September 1951 von Herrn Nationalrat Philipp Schmid gestellte Kleine
Anfrage, die dahin zielte, dass der Bund die Kreditinstitute verpflichte, «einer eidgenössischen Behörde oder einer von dieser bestellten Stelle alle Konten und Depots von Auslandsgeldern anzumelden, bei denen seit einem bestimmten Zeitpunkt keine Nachrichten von den Kontoinhabern mehr eintreffen».

Dem von den beauftragten Departementen unter Mitwirkung des Finanzund Zolldepartements und des Volkswirtschaftsdepartements ausgearbeiteten Entwurf zum vorliegenden Bundesbeschluss gingen mehrere Vorentwürfe voraus. Im Vernehmlassungsverfahren, das wertvolle Präzisierungen der Sachlage und Anregungen ergab, wurden die Kantone und eine Reihe an der Materie interessierter Vereinigungen zur Stellungnahme eingeladen. Von den Kantonen antworteten alle mit Ausnahme von Freiburg, St. Gallen und Wallis, zehn davon allerdings mit der Erklärung, sie hätten zu dem Projekt keine Bemerkungen

935 anzubringen. Die sich zum unterbreiteten Vorentwurf materiell äussernden Vereinigungen waren: 1. der Schweizerische Israelitische Gemeindebund, 2. die Schweizerische Bankiervereinigung, 3. die Vereinigung Schweizerischer Lebensversicherungsgesellschaften, 4. die Vereinigung für Rechtsstaat und Individualrechte, 5. der Schweizerische Anwaltsverband.

Der Schweizerische Juristen-Verein, der ebenfalls begrüsst wurde, erklärte, sich aus prinzipiellen Gründen der Stellungnahme enthalten zu müssen, während der Schweizerische Notaren-Verband und die Vereinigung schweizerischer Treuhand- und Revisionsgesellschaften sich einer Rückäusserung enthielten.

Von den Kantonen hat keiner die Notwendigkeit, auf dem in Rede stehenden Sachgebiet eine Regelung zu treffen, grundsätzlich bestritten. Einzelne Kantone haben die in Aussicht genommenen gesetzgeberischen Vorkehren ausdrücklich begrüsst, ja sogar bedauert, dass nicht überhaupt alle ausländischen Vermögen, über deren Eigentümer Nachrichten fehlen, in die vorgeschlagene Regelung einbezogen werden.

Auch in der schweizerischen Presse laut gewordene Stimmen haben sich fast ausnahmslos für eine baldige Lösung des vorliegenden Problems ausgesprochen.

B. Die Bedürfnisfrage Der vorgeschlagene Bundesbeschluss soll bewirken: a. dass die in Betracht kommenden Vermögenswerte ermittelt, durch Anordnung von Beistandschaften gesichert und wenn möglich dem Eigentümer oder dessen allfälligen Rechtsnachfolgern zur Verfügung gestellt werden; fc. dass nötigenfalls die Verschollenerklärung des Eigentümers und bezüglich seines betreffenden Vermögens ein Erbschaftsverfahren "durchgeführt wird, und dass c. die sich als vakante Erbschaft erweisenden Vermögenswerte einem Fonds, über dessen Verwendung die Bundesversammlung zu beschliessen hätte, einverleibt werden.

Dass zur Erreichung dieser Ziele ein Sondererlass notwendig sei, ist nicht unbestritten.

In erster Linie wird - besonders von den Banken und den Versicherungsgesellschaften - geltend gemacht, die Vermögenswerte, um die es sich zur Zeit noch handeln könne, seien zu unbedeutend, um gesetzgeberische Massnahmen zu rechtfertigen. Dem gegenüber steht die Ansicht der jüdischen Organisationen, wonach die betreffenden Kapitalien eine grössere Anzahl Millionen Franken ausmachen müssten. Mangels genügenden Tatsachenmaterials lässt sich der wahre Sachverhalt nicht feststellen. Nach dem Ergebnis von Erhebungen, welche die Schweizerische Bankiervereinigung und die Vereinigung Schweize-

936 rischer Lebensversicherungsgesellschaften auf. Wunsch der Bundesbehörden durchführten, würde sich die Gesamtsumme der von ihren Mitgliedern verwalteten, gegebenenfalls unter die Sonderregelung fallenden Werte nicht einmal auf eine Million Franken belaufen. Zu bedenken ist aber, dass nicht alle Bankinstitute der Schweiz der Bankiervereinigung angeschlossen-sind und dass möglicherweise erhebliche Werte, die als Nummern- oder Decknamendepots angelegt wurden oder in bis jetzt nicht geöffneten Tresorfächern ruhen, aber auch Grundstücke und Guthaben, die - wie oben angedeutet - von Treuhändern, Anwälten, Notaren, unter Umständen bereits von Vormundschaftsbehörden verwaltet werden, zu den sogenannten «erblosen Vermögen» gehören. Freilich werden die Fluchtgelder, namentlich als die Schweiz von den Achsenmächten vollständig eingekreist war, zum Teil nach anderen Ländern, insbesondere nach den Vereinigten Staaten von Amerika, weitertransferiert oder nach Kriegsende von den Eigentümern wieder in Besitz genommen, beziehungsweise, ihren Rechtsnachfolgern in aller Stille ausgehändigt worden sein; dennoch kann der Betrag der in der Schweiz befindlichen, infolge Verschwindens der daran Berechtigten behördlicher Massnahmen bedürfenden Vermögen noch recht beträchtlich sein.

Ferner wird erklärt, das geltende Eecht genüge vollauf, um die fraglichen Yermögensverhältnisse zu ordnen. Jedenfalls sei mit einer auf wenige Punkte beschränkten Ergänzung der einschlägigen Gesetzesbestimmungen - z.B. derjenigen über das Verschollenheitsverfahren und über die Vermögensbeistandschaft -, eventuell sogar mit einigen den Vormundschaftsbehörden zu erteilenden Weisungen oder Wegleitungen auszukommen. In diesem Sinne äusserten sich neben der Eegierung des Kantons Genf der Schweizerische Anwaltsverband, die Schweizerische Bankiervereinigung und die Vereinigung Schweizerischer Lebensversicherungsgesellschaften, die zugleich zum Ausdruck brachten-, dass nach ihrer Ansicht in das Bank- und in das Berufsgeheimnis eingreifende Sondernormen dem internationalen Ruf der Schweiz als Hort der Rechtssicherheit und der Rechtsstaatlichkeit abträglich wären. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Schweiz nicht den Verdacht aufkommen lassen darf, sich an den Vermögen der Opfer verabscheuungswürdiger Ereignisse bereichern zu wollen, und dass eine
befriedigende Klärung und Ordnung°der geschilderten Verhältnisse ohne genügende Sondervorschriften, vor allem ohne Statuierung einer Pflicht zur Anmeldung der möglicherweise erblosen Vermögen, nicht denkbar ist.

Zudem besteht keineswegs die Absicht, die Angaben über die von den Banken usw. anzumeldenden Vermögenswerte jedermann zugänglich zu machen. Vielmehr sollen solche Auskünfte nur bestimmten Behörden, für die ebenfalls die Geheimhaltungspflicht besteht, und. Privatpersonen, die ihren rechtlichen Anspruch auf Auskunft einwandfrei nachgewiesen haben, erteilt werden. Überdies sei darauf hingewiesen, dass die vorgesehene Regelung möglichst wenig von der gegenwärtigen Gesetzgebung, insbesondere vom Zivilgesetzbuch, abweicht, also z.B. die Anwendung bereits in Kraft stehender vormundschaftsrechtlicher und erbrechtlicher Bestimmungen vorsieht. Grundsätzliche Neuerungen sind eigentlich nur in bezug auf die Meldepflicht, auf die - übrigens von

937 der Doktrin vielfach postulierte und von den Gerichten bereits teilweise praktizierte - Verschollenerklärung zuletzt im Ausland wohnhaft gewesener Ausländer, auf die Zuständigkeit zur Eröffnung des Erbganges und in bezug auf das Erbrecht des Gemeinwesens an vakanten Verlassenschaften vorgesehen.

C. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen Titel und Ingress Der Titel spricht von rassisch, religiös und politisch verfolgten Ausländern oder Staatenlosen. Eine Begrenzung auf die rassisch oder religiös Verfolgten wäre zu eng, da Personen aus rein politischen Gründen und abgesehen von ihrer Rasse und Konfession verfolgt wurden.

Wie im Kapitel B dargelegt wurde, bezweckt der vorgeschlagene Bundesbeschluss, die in Betracht kommenden Vermögenswerte zu ermitteln und wenn möglich den Eigentümern oder deren Eechtsnachfolgern nach Durchführung des Verschollenerklärungs- oder Erbgangsverfahrens (vgl. Art. 8) zur Verfügung zu stellen, wobei die vakanten Erbschaften einem besondern Fonds einverleibt würden. Alle diese Massnahmen betreffen das Bundeszivilrecht und können somit auf Grund von Artikel 64 BV erlassen werden. Nur die Einführung der Meldepflicht hat einen öffentlichrechtlichen Einschlag. Es steht aber fest, dass der Bund nicht nur Normen des Privatrechts, sondern auch solche des öffentlichen Eechts auf Grund von Artikel 64 BV erlassen kann, wenn sie eng genug mit einer Materie des privaten Eechts zusammenhängen und soweit das private Recht zu seiner Verwirklichung des öffentlichen Eechts bedarf. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Für die Strafbestimmungen dient Artikel 64bls BV als Eechtsgrundlage.

Artikel l Dieser Artikel bestimmt den Kreis der Personen, deren in der Schweiz befindliche Vermögenswerte anmeldepflichtig sind. Er umfasst ausschliesslich Ausländer und Staatenlose, von denen seit dem 9.Mai 1945, d.h. seit dem Tage des Inkrafttretens der das Ende der Feindseligkeiten des zweiten Weltkrieges in Europa bedeutenden Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht, zuverlässige Nachrichten fehlen und von denen man weiss oder vermutet, dass sie Opfer rassischer, religiöser oder politischer Verfolgungen wurden (Abs.l).

Nicht dazu gehören also schweizerische Staatsangehörige, die - namentlich wenn sie im Ausland domiziliert waren - ebenfalls Opfer von Verfolgungen erwähnter Art geworden sein
können, und Personen, deren Verschwinden onit jenen Verfolgungen in keinem Zusammenhang steht, sondern auf andere Ursachen, wie Kriegsdienst, Bombardierung, Auswandeiung usw. zurückzuführen ist. Bei der Anmeldung sind alle seit dem Verschwinden oder der nach-

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richtenlosen Abwesenheit des Eigentümers eingetretenen Veränderungen anzugeben, gegebenenfalls unter Öffnung von Schrankfächern (Abs. 2).

Zur Entgegennahme der Anmeldungen ist eine vom Bundesrat zu bestimmende «Meldestelle» vorgesehen (Abs.l). Praktisch hätte sich als solche die Schweizerische Verrechnungsstelle geeignet. Diese durch Bundesratsbeschluss vom 2.Oktober 1934 (BS 10, 635) zwecks Durchführung und Überwachung des gebundenen Zahlungsverkehrs mit dem Ausland geschaffene und auf Grund des Bundesbeschlusses vom 28. September 1956 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland (AS 1956,1553) heute noch bestehende Institution hat jedoch ihren Betrieb bereits stark abgebaut und soll nun nicht wieder, wie dies früher zum Nachteil ihrer Tätigkeit und ihrer Stellung mehrfach geschah, mit einer ihr wesensfremden Aufgabe betraut werden. Als Meldestelle dürfte deshalb wohl am ehesten eine Dienststelle der Bundes Verwaltung in Betracht kommen ; an die Inanspruchnahme eines privaten Institutes ist wegen der zu erwartenden Kosten und aus Geheimhaltungsgründen kaum zu denken.

Unter Umständen kann der Vermögensverwahrer im Zweifel sein, ob er die ihm anvertrauten Werte anzumelden habe; z.B. wenn er im Ungewissen ist, ob der Eigentümer zu den Verfolgten im Sinne des Beschlusses gehöre oder ob ihm seit dem in Absatz l genannten Datum zugekommene Mitteilungen als sichere Nachrichten zu betrachten seien. Gemäss Absatz 3 sind solche Fälle der Meldestelle zur Prüfung zu unterbreiten. Damit wird vermieden, dass der Entscheid über die Meldepflicht ausschliesslich vom subjektiven Urteil des Vermögensverwahrers abhängt und dass dieser seine Zweifel als Vorwand für die Nichtanmeldung benützen kann.

Fraglich könnte sein, ob auch Forderungen, für welche die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist, angemeldet werden müssen. Nach unserer Auffassung wird diesbezüglich zu unterscheiden sein zwischen Forderungen, die der Gläubiger noch rechtzeitig in der Schweiz hätte geltendinaehen können, und solchen, für welche gernäss Artikel 134 OE der Verjährungsstillstand eingetreten ist. Als anmeldepflichtig sind nur die letzteren zu betrachten.

Sollen auch Bagatellwerte angemeldet werden? Die Frage ist zu bejahen; schon deswegen, weil sich solche Werte - man denke an Guthaben aus kaufmännischem Verkehr - an vielen Orten
befinden und zusammengerechnet doch von Bedeutung sein können. Sache der Meldestelle oder dann der zuständigen Vormundschaftsbehörde wird es sein, in jedem Einzelfall zu erwägen, ob der Gesamtvermögenswert eine Fortsetzung des Verfahrens rechtfertigt oder nicht.

Zu erwarten ist, dass in Grenzfällen zwecks Verminderung der Verfahrenskosten meistens eine Übertragung der Angelegenheit an den in Artikel 4 vorgesehenen Generalbeistand stattfinden wird.

Artikel 2 Anzumelden sind grundsätzlich alle Vermögenswerte, als deren Eigentümer^, Vertreter des in Artikel l umschriebenen Personenkreises bekannt sind. Nach dem Beispiel von Artikel 2 des Bundesratsbeschlusses vom 29.Mai 1945 betref-

939 fend die Meldepflicht für deutsche Vermögenswerte in der Schweiz (B S 10, 738) hat die in Artikel 2 gegebene Enumerierung von Wertarten, die für die Anmeldung in Betracht kommen, keineswegs abschliessenden Charakter, was aus dem Wortlaut des Artikels hervorgeht.

Als anmeldepflichtig werden unter anderem «fällige Versicherungsansprüche» bezeichnet (Buchstabe &). Dies mag auffallen, da im Grunde jeder Versicherungsanspruch, ob fällig oder nicht fällig, einen bestimmten Zeitwert hat. Wegen der Langfristigkeit und der besonderen Natur der Versicherungsverträge können jedoch die Lebensversicherungsgesellschaften die in Betracht kommenden Fälle nur bei Ablauf der Vertragsdauer oder vorher bei Kenntnisnahme vom Tode des Versicherten erfassen. Es wäre ihnen schon technisch nicht möglich, den ganzen, mehrere Millionen Policen umfassenden schweizerischen Versicherungsbestand nach meldepflichtigen Versicherungen zu durchgehen. Auch so wird die Peststellung der meldepflichtigen Policen Schwierigkeiten bieten, weil beispielsweise die rassische, konfessionelle oder politische Zugehörigkeit des Anspruchsberechtigten vielfach unbekannt ist.

Artikel 3 Dieser Artikel bedarf keiner Erläuterung. Immerhin sei zu Absatz l, Buchstabe b, folgendes bemerkt : Wahrscheinlich wurden für einzelne der in Betracht kommenden Vermögenswerte bereits Beistandschaften errichtet, die heute noch bestehen. Selbstverständlich hat in solchen Fällen ebenfalls eine Anmeldung zu erfolgen, und zwar obliegt diese den sich mit den betreffenden Werten befassenden oder wenigstens darüber unterrichteten vormundschaftlichen Organen.

Artikel 4 Gemäss Absatz l ist von der Meldestelle ein Verzeichnis der angemeldeten Vermögenswerte aufzunehmen und sodann zu veranlassen, dass für diese eine Verwaltungsbeistandschaft errichtet wird. Befinden sich die Werte im Zuständigkeitsbereich verschiedener Vormundschaftsbehörden, so hat die Meldestelle zu prüfen, wo der schweizerische Hauptbestandteil des Gesamtvermögens des verschwundenen Eigentümers liegt, und den Antrag zur Beistandbestellung bei der Vormundschaftsbehörde dieses Ortes anzubringen. Diese Regelung steht in Widerspruch zu Artikel 396, Absatz 2 ZGB, nach welcher Vorschrift die Anordnung einer Vermögensverwaltung durch die Vormundschaftsbehörde des Ortes erfolgt, wo das Vermögen in seinem
Hauptbestandteil verwaltet worden oder der zu vertretenden Person zugefallen ist. Bezweckt wird mit der Abweichung, die Bestimmung der räumlichen Zuständigkeit für die Bestellung der in den fraglichen Fällen als kurz dauernde Einrichtung gedachten Beistandschaften möglichst zu vereinfachen.

Im gleichen Absatz ist vorgesehen, dass der Bundesrat den Vormundschaftsbehörden einen Generalbeistand zur Verfügung stellt. Über die Zweckmässigkeit dieser Massnahme herrschen geteilte Meinungen. Die eine, vom Schweize-

940 rischen Anwaltsverband vertretene Ansicht lehnt den Generalbeistand ab, indem sie geltend macht, ein solcher wäre nicht in der Lage, eine grosse Zahl von Beistandschaften selber zu führen. Es müssten deshalb Hilfskräfte angestellt werden, was in kurzer Zeit zur Bildung einer neuen eidgenössischen Amtsstelle und zur Gefahr einer rein schematischen, die Besonderheiten des einzelnen Falles wenig berücksichtigenden Vermögensverwaltung führen würde. Zudem sei zu befürchten, dass der Generalbeistand die Tendenz hätte, die fraglichen Vermögen möglichst bald dem in Artikel 11 vorgesehenen Fonds erbloser Nachlässe zuzuführen, also der wichtigen Aufgabe, die Vermögenswerte wenn immer möglich den daran Berechtigten zu erhalten, zu wenig Aufmerksamkeit schenken würde. Demgegenüber wird von anderer Seite, insbesondere vom Israelitischen Gemeindebund, darauf hingewiesen, dass die Aufgaben des Beistandes in den zu erwartenden Fällen im wesentlichen anderer Art seien als diejenigen, welche ein Verwaltungsbeistand in der Eegel zu erfüllen habe. Ihm oblägen die Einleitung von Massnahmen zur Feststellung des Aufenthaltes oder des Schicksals des Vermögenseigentümers oder seiner Bechtsnachfolger, die hierzu eventuell erforderliche Veranlassung öffentlicher Bekanntmachungen, die Einholung von Auskünften zur nähern Abklärung der in Betracht fallenden Vermögensverhältnisse, gegebenenfalls auch die Einleitung des Verschollenheitsverfahrens, die Prüfung der Legitimation der Erbansprecher oder der Glaubhaftmachung der Erbansprüche usw., jedenfalls Tätigkeiten, die Vertrautheit mit der Eigenart der Verhältnisse der rassisch, religiös oder politisch Verfolgten und praktische Erfahrung durch Bearbeitung einer grossen Zahl von Fällen erheischten und deshalb am besten von einem einzigen Organ ausgeübt würden. Den Argumenten der Vertreter dieser Auffassung kann man sich nicht verschliessen. Zudem dürften sich die zu regelnden Vermögensverhältnisse vielfach als derart kompliziert erweisen, dass es schwierig sein kann, eine zur Übernahme der Beistandschaft geeignete und willige Person zu finden. In solchen Fällen werden es die zuständigen Vormundschaftsbehörden als Vorteil empfinden, die Behandlung der Angelegenheit einem Generalbeistand übertragen zu können. Dies scheint auch die Ansicht der Kantone zu sein, die keinerlei
Einwände gegen die in Rede stehende Einrichtung erhoben. Auf die Ernennung eines Generalbeistandes könnte übrigens verzichtet werden, wenn die Gesamtsumme der angemeldeten Werte niedrig wäre und z.B. nicht einmal die Millionengrenze erreichen würde.

Durch Absatz 2 wird der Beistand angewiesen, unter Mitwirkung der Meldestelle abzuklären, was bereits zur Feststellung des Aufenthaltes des Vermögenseigentümers sowie seiner Eechtsnachfolger oder Vertreter geschehen ist.

Zu diesem Zweck werden Erkundigungen beim bisherigen Vermögensverwahrer (vgl. Art. 3, Abs. 2), bei in Betracht fallenden Amtsstellen des In- und eventuell des Auslandes sowie bei Verwandten und Bekannten der betreffenden Personen einzuziehen und die Akten des Falles zu prüfen sein. Kommt der Beistand zum Ergebnis, dass weitere Massnahmen am Platze und möglich sind, so hat er solche zu treffen oder zu veranlassen, insbesondere für Bekanntmachungen zu sorgen.

941 Letztere dürfen jedoch keinerlei Angaben über Vermögensverhältnisse enthalten und nur erfolgen, sofern nicht zu befürchten ist, dass den gesuchten Personen dadurch Unannehmlichkeiten entstehen können. Letzteres dürfte vor allem dann der Fall sein, wenn damit gerechnet werden muss, dass sich die Betreffenden in Ländern aufhalten, in denen die Verheimlichung im Ausland befindlichen Vermögens bestraft wird. Ist der Beistand auch nur einigermassen im Zweifel, ob eine Publikation angezeigt oder zulässig sei, so wird er gut tun, sich diesbezüglich von der Vormundschaftsbehörde, die sich nötigenfalls bei anderen Amtsstellen über die fraglichen Verhältnisse erkundigen kann, beraten zu lassen.

Artikel 5 Durch das in der Vorlage vorgesehene Verfahren soll eine möglichst vollständige Eegelung der in der Schweiz erfassbaren Vermögensverhältnisse der in Betracht kommenden Eigentümer erreicht werden. Die Anmeldepflicht allein gibt jedoch nicht Gewähr, dass Meldestelle, Vormundschaftsbehörde und Beistand alle dazu erforderlichen Angaben erhalten. Die erwähnten Stellen werden sich deshalb unter Umständen veranlasst sehen, zu deren Ergänzung oder Präzisierung Erhebungen durchzuführen. Diese lassen jedoch nur dann Erfolg erwarten, wenn alle Personen, die sachdienliche'Auskünfte geben können, verpflichtet sind, solche zu erteilen. Diese Voraussetzung wird durch die Vorschrift des Artikels 5 geschaffen.

Artikel 6 Absatz l : Manche der gegenwärtigen Betreuer der unter Verwaltungsbeistandschaft zu stellenden Vermögenswerte stehen grundsätzlich unter Geheimhaltungspflicht, so vor allem die Banken, Versicherungsgesellschaften, Anwälte und Notare. Abgesehen von gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen ist es ihnen verboten, die Beziehungen zu ihren Kunden Dritten zu offenbaren.

Gemäss Absatz l fällt dieses Verbot, soweit es der Pflicht zur Vermögensanmeldung und der in Artikel 5 statuierten Auskunftspflicht entgegenstünde, dahin. Dies ist unerlässlich; denn eine Beibehaltung der Geheimhaltungspflicht würde die in Aussicht genommene Vermögensregelung illusorisch machen.

Absatz 2 : Bei der Behandlung der Bedürfnisfrage wurde bereits bemerkt, dass nur bestimmte Behörden und solche Privatpersonen, die sich einwandfrei über ihren Anspruch auf Auskunft legitimiert haben, über die angemeldeten Vermögenswerte unterrichtet werden
sollen. Gemäss Absatz 2 besteht aber eine grundsätzliche Schweigepflicht der Meldestelle, der Vormundschaftsbehörden und des Beistandes nicht nur in bezug auf das Vermögen, sondern hinsichtlich aller, d.h. auch der persönlichen Verhältnisse des Eigentümers. Nur Privatpersonen, die als Eechtsnachfolger oder Vertreter des Verschwundenen oder Abwesenden ausgewiesen sind, dürfen diesbezüglich Auskunft erhalten. Entgegen den Befürchtungen, die von jüdischer Seite ausgesprochen wurden, ist jedoch dadurch nicht ausgeschlossen, dass Anfragen von Personen, die vorerst

942 lediglich vernehmen möchten, ob es für sie einen Sinn habe, sich als Erben einer verschwundenen Person anzumelden, schon auf Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses hin beantwortet werden.

Artikel 7 Dieser Artikel befasst sich mit der Verschollenerklärung des Vermögenseigentümers. Bei diesem wird es sich meistens um einen im Ausland wohnhaft gewesenen Ausländer handeln. Ob in der Schweiz Ausländer verschollen erklärt werden können, ist streitig. Ein eindeutiger Bundesgerichtsentscheid hierüber fehlt. Bei den kantonalen Gerichten und in der Doktrin scheint sich jedoch immer mehr die Ansicht durchzusetzen, dass die Massnahme wenigstens dann möglich sei, wenn sie dazu dient, das Schicksal eines in der Schweiz liegenden Vermögens zu regeln (vgl. Berner Kommentar zum ZGB, Tuor-Picenoni, Vorbemerkungen zu den Artikeln 546-550, N. 16). Angesichts dieser unsichern Eechtslage und des Umstandes, dass sich sonst das mit der Vorlage angestrebte Ziel in vielen Fällen nicht erreichen liesse, bleibt nichts anderes übrig, als die Zulässigkeit der fraglichen Verschollenerklärung im Beschluss ausdrücklich zu statuieren.

Das Verschollenheitsverfahren ist zu beantragen, wenn ein Jahr nach der Beistandsbestellung weder der Eigentümer noch dessen Bechtsnachfolger oder Vertreter aufgefunden wurde (Abs.l). Von mehreren Seiten wird erklärt, dies sei zu früh. Bedenkt man aber, dass es sich in allen in Betracht kommenden Fällen um nachrichtenlose Abwesenheiten von nahezu zwanzig Jahren handelt, dass die Verschollenerklärung gemäss Artikel 36, Absatz 3, ZGB frühestens ein Jahr nach der erstmaligen richterlichen Auskündung erfolgen kann und dass, wenn einzelne der gesuchten Personen noch existieren sollten, die meisten von ihnen doch irgendeine Möglichkeit gefunden haben dürften, ein Lebenszeichen von sich zu geben, so wird man die vorgesehene Frist kaum als zu kurz betrachten dürfen.

Zuständig zur Verschollenerklärung wird der Richter des Ortes sein, wo die Beistandschaft errichtet wurde ; war der Eigentümer in der Schweiz wohnhaft, so ist der Richter des letzten schweizerischen Wohnsitzes zuständig (Abs. 2).

Artikel 8 Nach der gegenwärtigen schweizerischen Gesetzgebung wird die Erbschaft eines Ausländers nur dann in der Schweiz eröffnet, wenn der Erblasser daselbst seinen letzten Wohnsitz hatte (vgl. Berner
Kommentar zum ZGB, Tuor-Picenoni, Erbrecht, Art. 538, N.25; Schnitzer, Handbuch des Internationalen Privatrechts, 4. Aufl., S. 505 und 534). In Abweichung von dieser Regel bestimmt nun Artikel 8, Absatz l, dass für die unter den Beschluss fallenden Vermögen eine Erbschaftseröffnung am Ort der Beistandsbestellung stattzufinden habe, wenn der Tod des Eigentümers festgestellt oder dieser von einer zuständigen

943 Behörde verschollen oder tot erklärt wurde. Ob eine der eben erwähnten Voraussetzungen gegeben sei, wird jeweils von der Eröffnungsbehörde unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen des geltenden internationalen Privatrechts zu prüfen sein. Zu diesem Punkte wurde seitens des Israelitischen Gemeindebundes vorgeschlagen, dafür zu sorgen, dass durch die schweizerischen Behörden auch gemäss der UNO-Konvention vom G.April 1950 betreffend die Todeserklärung Verschollener vorgenommene Todeserklärungen anerkannt werden. Eine diesbezügliche Sonderbestimmung erübrigt sich, da nach geltendem schweizerischem internationalem Privatrecht für die Verschollenheit das Heimatrecht des Verschwundenen massgebend ist (vgl. Schnitzer, a.a. 0., S. 298) und folglich die Anerkennung der fraglichen Todeserklärungen zu erfolgen hat, wenn diese gemäss Heimatrecht des Erblassers gültig sind.

Absatz 2 bestimmt, welches materielle Eecht für die Erbfolge massgebend ist. Grundsätzlich richtet sich diese nach dem Eecht des letzten bekannten Wohnsitzes des Erblassers. Ist kein Wohnsitz nachweisbar, so findet das Heimatrecht des Erblassers Anwendung, bei Staatenlosen schweizerisches Eecht. Da sich aus dieser Ordnung Kollisionen mit einzelnen Staatsverträgen ergeben könnten, werden abweichende staatsvertragliche Begelungen ganz allgemein in Artikel 14, Absatz 2, ausdrücklich vorbehalten.

Artikel 9 Über die Aushändigung der Erbschaft an Personen, die ihre Ansprüche mangels sicherer dokumentarischer Beweise lediglich glaubhaft machen können, soll nicht der Beistand, sondern die ihm vorgesetzte Vormundschaftsbehörde entscheiden. Dabei steht es den Kantonen mit zwei vormundschaftlichen Aufsichtsinstanzen frei, den Entscheid der erstinstanzlichen Aufsichtsbehörde zu überlassen; die Möglichkeit des Weiterzugs an die höhere Vormundschaftsbehörde bleibt gewahrt.

Artikel 10 Die Vermögensleistungen des Meldepflichtigen haben für diesen befreiende Wirkung (Abs.l). Für allfällige Schäden, die ihm aus seiner Leistung erwachsen - so etwa im Falle der Abwehr von Ansprüchen Dritter -, haftet der Bund.

Entstehen daraus einem sich noch später meldenden Besserberechtigten Schäden, so übernimmt der Bund auch dafür die Haftung. Zur Deckung solcher Schäden wird indessen zunächst das Fondszehntel herangezogen, das gemäss Artikel 11, Absatz l,
zurückzubehalten ist (Abs.2). Einer nähern Begründung bedarf diese Lösung nicht.

Artikel 11 Es muss damit gerechnet werden, dass der Eigentümer eines angemeldeten Vermögens weder gesetzliche Privaterben - das Gemeinwesen scheidet hier, vorbehaltlich der in Artikel 18, Absatz 2, genannten abweichenden staatsvertraglichen Abmachungen, als Erbe aus - hinterlässt noch eine Verfügung von Todes wegen getroffen hat. In diesen Fällen soll nach Absatz l das Vermögen

944 einem vom Bundesrat zu schaffenden Fonds zugeführt werden, über dessen Verwendung die Bundesversammlung in abschliessender Kompetenz soll befinden können. Allerdings wird sie dabei der Herkunft der Fondsmittel Rechnung zu tragen haben. Auch hat sie darauf Bedacht zu nehmen, dass ein Zehntel des Fonds der Befriedigung allfälliger Rückerstattungsansprüche erhalten bleibt. Solche Ansprüche müssen, unter Ver Wirkungsfolge, innert fünf Jahren seit Überweisung des betreffenden Vermögens an den Fonds geltend gemacht werden (Abs.2).

Artikel 12 und 13 Für Widerhandlungen gegen den Bundesbeschluss sieht Absatz l von Artikel 12 Busse bis zu 10 000 Franken oder Haft vor. Strafbar sind auch Versuch und Gehilfenschaft. Die Strafverfolgung verjährt - in Anlehnung an Artikel 70 StGB - in fünf Jahren (Art. 12, Abs. 2).

Artikel 18 bedarf keiner Erläuterung.

Artikel 14 Absatz 2 dieses Artikels statuiert ganz allgemein einen Vorbehalt zugunsten der Bestimmungen von Staatverträgen.

Artikel 15 Nach dem neuen Geschäftsverkehrsgesetz vom 23.März 1962 sind allgemeinverbindliche Bundesbeschlüsse zu befristen. Namentlich mit Rücksicht auf die Regelung des Artikels 11, Absatz 2, darf die Geltungsdauer nicht zu kurz bemessen werden. Wir schlagen vor, sie auf zehn Jahre zu befristen. Diese Zeit sollte zur Durchführung der beantragten Massnahme ausreichen. Nicht unerwähnt bleibe, dass der Bundesbeschluss auch ohne formelle Befristung gegenstandslos würde, sobald der angestrebte Zweck erreicht ist.

Wir beehren uns, Ihnen den beiliegenden Beschlussesentwurf zur Annahme zu empfehlen. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, das Postulat des Nationalrates Nr.7387 abzuschreiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 4. Mai 1962.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : P. Chaudet Der Bundeskanzler : Ch. Oser

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(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die in der Schweiz befindlichen Vermögen rassisch, religiös oder politisch verfolgter Ausländer oder Staatenloser

Die Bundesversammlung der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 64 und 64Ws der Bundesverfassung,.

nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 4. Mai 1962, beschliesst :

Art. l In der Schweiz befindliche Vermögenswerte irgendwelcher Art, deren letztbekannte Eigentümer ausländische Staatsangehörige oder Staatenlose sind, von denen seit dem 9.Mai 1945 zuverlässige Nachrichten fehlen und von denen man weiss oder vermutet, dass sie Opfer rassischer, religiöser oder politischer Verfolgung wurden, sind innert sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Beschlusses einer vom Bundesrat zu bestimmenden Stelle (Meldestelle) unter Angabe aller seit dem Verschwinden oder der nachrichtenlosen Abwesenheit des Eigentümers eingetretenen Veränderungen anzumelden.

2 Schrankfächer, in denen sich anmeldepflichtige Vermögenswerte oder deren Feststellung dienende Papiere befinden können, sind zu öffnen.

3 Bestehen Zweifel über die Meldepflicht, so ist der Fall der Meldestelle zur Prüfung zu unterbreiten.

Art. 2 Vermögenswerte im Sinne des Artikels l sind insbesondere : a. Guthaben in schweizerischer und ausländischer Währung, Forderungen, Banknoten und andere Zahlungsmittel, Gold und andere Edelmetalle, Wertgegenstände, Wertpapiere, Waren und Warenlager, Fahrhabe, Sammlungen, auch wenn sich die Vermögenswerte in offenen oder geschlossenen Depots oder in Schrankfächern befinden ; 1

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fr. Beteiligungen aller Art, Immobilien, Patentrechte, Markenrechte, Urheberrechte, Konzessionen, Eenten, Pensionen, fällige Versicherungsansprüche usw. sowie irgendwelche Eechte oder wirtschaftliche Interessen an solchen Vermögenswerten oder aus Verträgen über solche Vermögenswerte, wie zum Beispiel Nutzniessungsrechte und sonstige Dienstbarkeiten, Pfandrechte, Vor- und Rückkaufsrechte, Optionen.

Art. 3 1

Zur Anmeldung sind verpflichtet : a. natürliche und juristische Personen, Handelsgesellschaften und Personengemeinschaften,
2

Bei der Anmeldung der Vermögenswerte hat der Meldepflichtige alle ihm bekannten Tatsachen anzugeben, die dazu dienen könnten, die Identität, den Wohnsitz oder Aufenthalt und das Schicksal des Eigentümers sowie seiner Bechtsnachfolger oder Vertreter festzustellen.

Art. 4 1

Die Meldestelle nimmt ein Verzeichnis der angemeldeten Vermögenswerte auf und beantragt für diese bei der Vormundschaftsbehörde des Ortes, wo das Hauptvermögen liegt, die Bestellung eines Verwaltungsbeistandes. Als solcher kann durch die Vormundschaftsbehörde ein vom Bundesrat bestimmter Generalbeistand ernannt werden.

2 Der Beistand untersucht unter Mitwirkung der Meldestelle, was bereits zur Feststellung des Aufenthaltes oder des Schicksals des Vermögenseigentümers sowie seiner Rechtsnachfolger oder Vertreter vorgekehrt wurde, und trifft oder veranlagst nötigenfalls neue Massnahmen, insbesondere Bekanntmachungen. Letztere sind jedoch zu unterlassen, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass dadurch den gesuchten Personen Unannehmlichkeiten entstehen würden. Die Bekanntmachungen dürfen' unter keinen Umständen Angaben irgendwelcher Art über die angemeldeten oder sonstwie festgestellten Vermögenswerte enthalten.

Art. 5 Jedermann ist verpflichtet, der Meldestelle, der Vormundschaftsbehörde und dem Beistand die zur Abklärung der Vermögensverhältnisse des verschwundenen oder abwesenden Eigentümers erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

947 Art. 6 1

Die Pflicht zur Anmeldung bei der Meldestelle und zur Auskunfterteilung geht jeder Geheimhaltungspflicht, insbesondere der Banken, Versicherungsgesellschaften, Treuhandgesellschaften, Eechtsanwälte, Notare, Bechtskonsulenten, vor.

2 Die Meldestelle, der Beistand und die Vormundschaftsbehörden dürfen Auskünfte über die Verhältnisse des Eigentümers nur Privatpersonen und nur dann erteilen, wenn sich diese einwandfrei als Eechtsnachfolger oder als Vertreter des Verschwundenen oder Abwesenden ausgewiesen haben.

Art. 7 1

Sind ein Jahr nach Bestellung des Beistandes weder der Eigentümer noch dessen Eechtsnachfolger oder Vertreter aufgefunden, so ist der Eigentümer mit Wirkung für das in der Schweiz befindliche Vermögen verschollen zu erklären.

Der Antrag hiefür ist von der Vormundschaftsbehörde, die den Beistand bestellte, oder von Personen, die aus dem Tode des Verschwundenen oder Abwesenden Bechte ableiten, beim Eichter des Ortes, wo die Beistandschaft errichtet wurde, zu stellen.

2 War der Eigentümer in der Schweiz wohnhaft, so ist der Antrag zur Verschollenerklärung beim Eichter seines letzten schweizerischen Wohnsitzes zu stellen.

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Steht der Tod des Vermögenseigentümers fest oder wurde dieser von einer zuständigen Behörde verschollen oder tot erklärt, so ist am Ort, wo die Beistandschaft für sein Vermögen errichtet wurde, der Erbgang zu eröffnen. Dieser beschränkt sich auf die in der Schweiz befindlichen Vermögenswerte.

' · 2 Für die Erbfolge sind die erbrechtlichen Sachnormen des letzten bekannten Wohnsitzes des Erblassers massgebend. Ist kein Wohnsitz nachweisbar, so richtet sich die Erbfolge nach dem Heimatrecht des Erblassers, bei Staatenlosen nach schweizerischem Eecht.

Art. 9 Können Ansprecher ihre Erbberechtigung nur glaubhaft machen, weil die zum sichern Beweis erforderlichen Urkunden infolge des Krieges oder von Gewaltakten vernichtet wurden oder verlorengingen oder weil zuverlässige Ausweise infolge politischer Verhältnisse nicht erhältlich sind, so ist die Erbschaft nur auf Grund eines Beschlusses der dem Beistand vorgesetzten Vormundschaftsbehörde oder, wenn ein Kanton mit zwei vormundschaftlichen Aufsichtsinstanzen es so anordnet, nach Beschluss der Aufsichtsbehörde erster Instanz auszuhändigen. Der Beschluss kann an die höheren vormundschaftlichen Behörden weitergezogen werden.

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Art. 10 '·Leistungen gemäss diesem Beschluss erfolgen für den Meldepflichtigen mit befreiender Wirkung.

2 Der Bund haftet dem Meldepflichtigen und einem sich unverschuldet später meldenden Besserberechtigten gegenüber für einen aus diesen Leistungen entstehenden Schaden. Dabei findet zunächst das in Artikel 11, Absatz l, genannte Fondszehntel Verwendung.

Art. 11 1

Hinterlässt der Eigentümer eines angerneideten Vermögens keinen gesetzlichen Privaterben und hat er auch keine Verfügung von Todes wegen getroffen, so fällt seine Erbschaft an einen vom Bundesrat zu schaffenden Fonds. Die Verwendung dieses Fonds wird durch einen der Herkunft der ihm einverleibten Gelder Eechnung tragenden einfachen Bundesbeschluss geregelt. Ein Zehntel des Fonds dient der Befriedigung nachträglicher Rückerstattungsansprüche.

2 Meldet sich der verschollen oder tot Erklärte oder sein Eechtsnachfolger oder Vertreter innert fünf Jahren, nachdem das Vermögen dem Fonds überwiesen wurde, so ist der überwiesene Betrag dem Ansprecher zinslos zurückzuerstatten. Dabei ist Artikel 9 sinngemäss anzuwenden.

Art. 12 1

Wer die nach diesem Erlass bestehende Anmeldepflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt, wer falsche Angaben macht, wer die zur Durchführung dieses Erlasses getroffenen Massnahmen durch Auskunftsverweigerung oder durch Erteilung falscher oder unvollständiger Auskünfte oder sonstwie hindert oder zu hindern versucht, wird mit Busse bis zu 10 000 Pranken oder Haft bestraft.

2 Versuch oder Gehilfenschaft sind strafbar. Die Strafverfolgung verjährt in fünf Jahren.

3 Werden die Widerhandlungen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person, einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder einer Einzelfirma begangen, so finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person, der Gesellschaft oder des Inhabers der Einzelfirma für Busse und Kosten, sofern die verantwortliche Geschäftsleitung nicht nachweist, dass sie alle erforderliche Sorgfalt angewendet hat, um die Einhaltung der Vorschriften durch die genannten Personen zu bewirken.

Art. 13 Die Verfolgung und die Beurteilung der Widerhandlungen gegen diesen Beschluss liegen den kantonalen Behörden ob.

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Art. 14 1

Soweit dieser Bundesbeschluss nichts Abweichendes bestimmt, sind auf den Erbgang und die Verschollenerklärung die Bestimmungen des schweizerischen Zivilgesetzbuches anwendbar.

2 Staatsvertragliche Bestimmungen bleiben vorbehalten.

Art. 15 1

Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

Dieser Beschluss ist gemäss Artikel 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

3 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses, dessen Geltungsdauer auf zehn Jahre befristet ist.

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Bundesblatt. 114. Jahrg. Bd. T.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die in der Schweiz befindlichen Vermögen rassisch, religiös oder politisch verfolgter Ausländer oder Staatenloser (Vom 4. Mai 1962)

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1962

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20

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8469

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18.05.1962

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933-949

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