13.049 Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Vorsorgeausgleich bei Scheidung) vom 29. Mai 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf einer Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Vorsorgeausgleich bei Scheidung) mit dem Antrag auf Zustimmung. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2006

M 05.3713

Scheidungsrecht. Überprüfung der Regelung betreffend Vorsorgeausgleich und Kinderbelange (N 15.3.06, Kommission für Rechtsfragen N 04.405; S 18.12.06)

2010

M 08.3821

Auszahlung von Altersleistungen (N 20.3.09, Amacker; S 3.3.10)

2010

M 08.3956

Berufliche Vorsorge. Gerechte Teilung der Austrittsleistung bei Ehescheidung (N 20.3.09, Humbel; S 2.12.10)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. Mai 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-0019

4887

Übersicht Die Bestimmungen über den Ausgleich der beruflichen Vorsorge bei Scheidung sind seit ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2000 Gegenstand verbreiteter Kritik.

Während einige die Regeln für zu starr halten und den Scheidungswilligen mehr Flexibilität gewähren wollen, sind andere der Meinung, dass nicht erwerbstätige Ehefrauen und Ehemänner nach wie vor mehr oder weniger systematisch benachteiligt würden. Verbreitet ist auch der Vorwurf mangelnder Praktikabilität und Rechtssicherheit.

Der vorliegende Entwurf sieht neu einen Ausgleich der während der Ehe erworbenen Vorsorgeansprüche auch dann vor, wenn bei Einleitung des Scheidungsverfahrens der Ehemann oder die Ehefrau eine Alters- oder Invalidenrente bezieht.

Der Entwurf lockert im Übrigen die Voraussetzungen dafür, dass die Eheleute oder das Gericht vom Grundsatz der hälftigen Teilung der während der Ehe geäufneten Vorsorgeguthaben abweichen dürfen.

Die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen werden verpflichtet, ihren Versichertenbestand jährlich der Zentralstelle 2. Säule zu melden. Damit wird es für die Scheidungsgerichte leichter, beim Vorsorgeausgleich alle vorhandenen Vorsorgeguthaben zu berücksichtigen.

Ferner wird festgehalten, wie mit dem Kapitalabfluss und dem Zinsverlust zu verfahren ist, wenn Vorsorgemittel in Wohneigentum investiert worden sind.

Der Entwurf stellt sicher, dass Vorsorgemittel, die im Rahmen der Scheidung übertragen werden, ihren bisherigen Charakter behalten. Guthaben, die bisher Teil der obligatorischen beruflichen Vorsorge waren, sollen es auch bleiben. Der Sicherung der Vorsorge dient ebenfalls die vorgeschlagene Regelung, dass eine Vorsorgeeinrichtung eine Kapitalabfindung auch im Rahmen der weiter gehenden Vorsorge nur dann ausrichten darf, wenn der Ehegatte der versicherten Person zustimmt. Die Rechtslage entspricht damit jener bei einer Barauszahlung.

Die Auffangeinrichtung wird verpflichtet, Vorsorgemittel, die eine geschiedene Person im Rahmen des Vorsorgeausgleichs erhält, entgegenzunehmen und auf Verlangen dieser Person in eine Rente umzuwandeln.

Im internationalen Privatrecht wird festgehalten, dass die schweizerischen Gerichte für den Vorsorgeausgleich und die Teilung von Guthaben bei schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen ausschliesslich zuständig sind.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

4888

1 Grundzüge der Vorlage 4891 1.1 Ausgangslage 4891 1.2 Revisionsarbeiten 4892 1.3 Die Kritik am geltenden Recht 4892 1.3.1 Überblick 4892 1.3.2 Ermittlung des relevanten Vorsorgevermögens 4893 1.3.3 Ausnahmen vom Grundsatz der hälftigen Teilung 4893 1.3.4 Die prekäre Situation des geschiedenen Ehegatten nach dem Tod seines früheren Ehegatten 4894 1.3.5 Sicherung der Vorsorge 4895 1.3.6 Internationales Privatrecht 4896 1.4 Standpunkte und Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren 4898 1.5 Grundzüge der beantragten Neuregelung 4899 1.5.1 Festhalten am Status quo 4899 1.5.2 Teilung der Vorsorgeansprüche auch nach Eintritt des Vorsorgefalls4899 1.5.3 Ausnahmen von der hälftigen Teilung 4901 1.5.4 Weitere Revisionsvorschläge 4902 1.5.5 Erledigung parlamentarischer Vorstösse 4904 2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Zivilgesetzbuch 2.2 Obligationenrecht 2.3 Zivilprozessordnung 2.4 Bundesgesetz über das internationale Privatrecht 2.5 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge 2.6 Freizügigkeitsgesetz

4904 4904 4924 4925 4926

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Vorsorgeeinrichtungen

4951 4951 4952 4952

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

4953

5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

4953 4953 4953 4954

4931 4941

4889

Anhänge 1 Schätzung des ehelichen Teils einer Altersrente, in Prozent 2 Ablauf beim Vorsorgeausgleich

4955 4957

Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Vorsorgeausgleich bei Scheidung) (Entwurf)

4959

4890

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Bei einer Scheidung stellen Ansprüche gegenüber den Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen) einen wichtigen und manchmal sogar den einzigen Vermögenswert dar, über den die Eheleute verfügen. Entsprechend wichtig ist die Frage, wie dieser Vermögenswert geteilt wird.

Am 1. Januar 1995 trat das Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 19931 (FZG) in Kraft. Es machte den Weg frei, für die Abgeltung scheidungsrechtlicher Ansprüche auch auf die im Rahmen der beruflichen Vorsorge (2. Säule) angesparten Mittel zuzugreifen. Einen Schritt weiter ging das am 1. Januar 2000 in Kraft getretene revidierte Scheidungsrecht, indem es einen vom Unterhalts- und Güterrecht unabhängigen Anspruch auf Vorsorgeausgleich statuiert (Art. 122124 ZGB2). Seither ist die während der Ehe erworbene Austrittsleistung grundsätzlich hälftig zu teilen. Ist dies nicht möglich, so ist eine angemessene Entschädigung geschuldet.

Sinn und Notwendigkeit des Vorsorgeausgleichs werden heute von keiner Seite bestritten. Kritisiert wird aber, dass das Gesetz viele wichtige Fragen offenlässt oder in wenig praktikabler Art und Weise beantwortet. Entsprechend gross scheint denn auch die Rechtsunsicherheit zu sein3. Auch wird den Gerichten vorgeworfen, sie würden gesetzeswidrige Scheidungskonventionen genehmigen und auf diese Weise ihre Pflicht verletzen, dem Vorsorgeausgleich von Amtes wegen zum Durchbruch zu verhelfen (Art. 280 Abs. 3 ZPO4). Darunter hätten vor allem die Frauen zu leiden, die während der Ehe Betreuungsaufgaben wahrgenommen haben und die deshalb über keine ausreichende eigene berufliche Vorsorge verfügten5. Gleichzeitig ertönt aber auch der Ruf nach mehr Flexibilität, gerade wenn sich die Scheidungswilligen in Bezug auf die Regelung des Vorsorgeausgleichs einig sind6.

Vor diesem Hintergrund reichte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats am 10. November 2005 die Motion 05.3713 «Scheidungsrecht. Überprüfung der Regelung betreffend Vorsorgeausgleich und Kinderbelange» ein. Die vom Bundesrat zur Annahme beantragte Motion wurde am 15. März 2006 vom Nationalrat und am 19. Dezember 2006 vom Ständerat überwiesen. Im Gegenzug entschied der Nationalrat am 15. März 2006, den parlamentarischen Initiativen 04.405 Thanei «Scheidungen. Vorsorgeausgleich» und 04.409 Sommaruga Carlo «Scheidung.

Effektive Gleichbehandlung der Frau bei den BVG-Austrittsleistungen» keine Folge zu geben.

1 2 3 4 5

6

SR 831.42 Schweizerisches Zivilgesetzbuch, SR 210.

Vgl. Bundesamt für Justiz (BJ), Bericht über die Umfrage zum Scheidungsrecht bei Richter/innen und Anwält/innen sowie Mediatoren/Mediatorinnen, Mai 2005, S. 9 ff.

Schweizerische Zivilprozessordnung, SR 272.

Vgl. Katerina Baumann/Margareta Lauterburg, Nationales Forschungsprogramm 45/Probleme des Sozialstaats, Forschungsprojekt «Evaluation Vorsorgeausgleich» (4045­64783), S. 4 f.

Vgl. Bundesamt für Justiz (BJ), a.a.O. (FN 3), S. 11 f.

4891

1.2

Revisionsarbeiten

Im Jahr 2007 setzte das Bundesamt für Justiz eine Expertenkommission mit dem Auftrag ein, den gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Bereich des Vorsorgeausgleichs abzuklären und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

Der Expertenkommission gehörten an: Dr. iur. Ruth Reusser (Vorsitz bis Dezember 2007), Prof. Dr. Dr. h.c. Monique Jametti (Vorsitz ab Januar 2008), Fürsprecherin Armida Bianchi Lerch, Prof. Dr. iur. Thomas Geiser, Prof. Dr. iur. Alex Keel, lic.

iur. Beatrix Schönholzer Diot, Dr. iur. Marta Trigo Trinidade Laurin, Prof. Dr. iur.

Jacques-André Schneider und Dr. iur. Roger Weber.

Die Expertenkommission traf sich zu 15 Sitzungen und schloss ihre Arbeiten im Mai 2009 ab7. Am 3. Juli 2009 nahm die Eidgenössische Kommission für die berufliche Vorsorge (BVG-Kommission) zum Entwurf der Expertenkommission Stellung8.

Der Vorentwurf wurde vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement ausgearbeitet. Über diesen eröffnete der Bundesrat im Dezember 2009 das Vernehmlassungsverfahren. Am 20. Oktober 2010 nahm der Bundesrat vom Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens Kenntnis. Gestützt darauf beauftragte er die BVGKommission, die Berechnungsgrundlagen des Vorentwurfs zu überprüfen. Diese schloss ihre Arbeiten im November 2011 ab.

Der vorliegende Entwurf baut auf den Vorschlägen der Expertenkommission und der BVG-Kommission auf und trägt dem Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens Rechnung (siehe hierzu Ziff. 1.4). Am 21. März 2013 wurde der Entwurf der BVGKommission präsentiert. Diese hat sich mit den Revisionspunkten einverstanden erklärt.

1.3

Die Kritik am geltenden Recht

1.3.1

Überblick

Die Kritik am geltenden Recht ist, was den Vorsorgeausgleich betrifft, vielfältig und lässt sich auf keinen gemeinsamen Nenner bringen (vgl. Ziff. 1.1). Sie reicht vom Vorwurf mangelnder Klarheit und Praktikabilität bis zur Behauptung einer mehr oder weniger systematischen Benachteiligung nicht berufstätiger Frauen. Mitunter zeigen sich auch gegensätzliche Einschätzungen. Während einige den heutigen Vorsorgeausgleich als zu rigide empfinden und sich in Anlehnung an das Güterrecht mehr Flexibilität wünschen, fordern andere zusätzliche Leitplanken, an die sich die Gerichte und die Scheidungswilligen halten müssten.

Stark relativiert wird die Kritik am geltenden Recht dadurch, dass sie häufig auf Einschätzungen zurückgeht, die kurz nach dem Inkrafttreten des revidierten Scheidungsrechts abgegeben worden sind. In der Zwischenzeit erhielt das Bundesgericht Gelegenheit, diverse anfänglich umstrittene Punkte zu klären. Dies betrifft namentlich die Auslegung von Artikel 124 ZGB9 und seine Abgrenzung gegenüber den 7

8 9

Der Entwurf (deutsch und französisch) sowie der Bericht der Expertenkommission stehen unter der folgenden Internetadresse zur Verfügung: www.bj.admin.ch/bj/de/home/themen/gesellschaft/gesetzgebung.html Die Stellungnahme der BVG-Kommission ist nicht veröffentlicht.

BGer 5A_623/2007 vom 4. Februar 2008.

4892

Artikeln 122 und 123 ZGB10. Umgekehrt darf aber auch nicht übersehen werden, dass sich gewisse Probleme in der Zwischenzeit verschärft haben oder dass man sich ihrer erst nachträglich bewusst geworden ist. Dies betrifft insbesondere das Schicksal der sogenannten geschiedenen Witwen (vgl. Ziff. 1.3.4).

1.3.2

Ermittlung des relevanten Vorsorgevermögens

Der Vorsorgeausgleich kann nur dann korrekt vorgenommen werden, wenn die Beteiligten und insbesondere auch die Gerichte Kenntnis von den während der Ehe geäufneten Ansprüchen gegenüber den Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen haben. In zwei Richtungen bestehen diesbezüglich Probleme: Zum einen ist es möglich, dass ein Ehegatte solche Ansprüche bewusst verschweigt oder dass ein solcher Anspruch schlicht vergessen geht. Anders als in der 1. Säule gibt es in der 2. Säule kein zentrales Register, das Aufschluss darüber gibt, wo jemand im Rahmen der 2. Säule wie viel Vorsorgeguthaben angespart hat.

Zum andern stellt Artikel 122 Absatz 1 ZGB zur Ermittlung des zu teilenden Vorsorgevermögens auf die Dauer der Ehe ab. Die Ehe endet aber erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Weder das Gericht noch die Parteien kennen diesen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt. Theoretisch ist es deshalb gar nicht möglich, sich im Zeitpunkt des Scheidungsurteils zum relevanten Vorsorgevermögen zu äussern11.

In der Praxis zeigt man sich zwar pragmatisch, das heisst die Gerichte akzeptieren, dass sich die Ehegatten im Rahmen einer Konvention oder Prozessvereinbarung auf einen Zeitpunkt verständigen, auf den dann die involvierten Einrichtungen der beruflichen Vorsorge die relevanten Austrittsleistungen berechnen. Dennoch führt diese Unsicherheit in der Praxis häufig zu Berechnungsfehlern12.

Probleme, das relevante Vorsorgeguthaben zu ermitteln, bestehen auch dann, wenn Vorsorgemittel in den Erwerb von Wohneigentum investiert worden sind. Zwar hält Artikel 30c Absatz 6 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 198213 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) explizit fest, dass ein während der Ehe getätigter Vorbezug im Zeitpunkt der Scheidung wie die während der Ehe erworbene Austrittsleistung zu teilen ist. Das Gesetz schweigt sich aber darüber aus, wer den damit verbundenen Zinsverlust und einen allfälligen Kapitalabfluss zu tragen hat14.

1.3.3

Ausnahmen vom Grundsatz der hälftigen Teilung

Das geltende Recht baut auf dem Grundsatz auf, dass die während der Ehe erworbene Austrittsleistung hälftig zu teilen ist (Art. 122 Abs. 1 ZGB). Unter besonderen Voraussetzungen kann der berechtigte Ehegatte auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichten (Art. 123 Abs. 1 ZGB) oder das Gericht den Anspruch verwei10 11 12 13 14

BGE 134 V 384 ff. und 132 III 401 ff.

BGE 132 V 236 ff.

Vgl. Katerina Baumann/Margareta Lauterburg, Teilen? Teilen!, FamPra.ch 2003, S. 756.

SR 831.40 Ausführlich Andrea Bäder Federspiel, Wohneigentumsförderung und Scheidung, Vorbezüge für Wohneigentum in der güterrechtlichen Auseinandersetzung und im Vorsorgeausgleich, Zürich/Basel/Genf 2008, Rz. 550 ff.

4893

gern (Art. 123 Abs. 2 ZGB). Bei einem Verzicht muss das Gericht von Amtes wegen prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (Art. 280 Abs. 3 ZPO). Damit ist der Vorsorgeausgleich der Dispositionsfreiheit der Ehegatten weitgehend entzogen. Er unterscheidet sich damit grundlegend von den Ansprüchen aus dem Güterrecht, über die die Ehegatten zumindest im Scheidungszeitpunkt frei verfügen können.

Die Kritik am geltenden Recht betrifft zum einen die unbestimmte Umschreibung der Ausnahmen vom Grundsatz der hälftigen Teilung. Zum andern wird die Rigidität des Gesetzes kritisiert, die in bestimmten Fällen sinnvolle Lösungen verhindere.

Dies gelte namentlich dann, wenn Ehemann und Ehefrau erwerbstätig seien und über eine gute, wenn auch nicht über eine identische berufliche Vorsorge verfügten.

Kritisiert wird ferner, dass der Vorsorgeausgleich selbst in Fällen vorzunehmen sei, in denen nacheheliche Unterhaltsansprüche versagt oder gekürzt werden könnten (Art. 125 Abs. 3 ZGB)15.

1.3.4

Die prekäre Situation des geschiedenen Ehegatten nach dem Tod seines früheren Ehegatten

Eine Teilung der während der Ehe erworbenen Austrittsleistung kommt nach geltendem Recht nur dann in Frage, wenn noch bei keinem der Ehegatten ein Vorsorgefall eingetreten ist (Art. 122 Abs. 1 ZGB). Ein Zugriff auf Vorsorgemittel nach Eintritt des Vorsorgefalls scheidet aus (Art. 124 ZGB). Der Vorsorgeausgleich kann, wenn der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Scheidung pensioniert oder invalid ist, nur noch durch eine angemessene Entschädigung aus dem übrigen Vermögen vorgenommen werden. Ist kein solches Vermögen vorhanden, so muss sich der berechtigte Ehegatte mit einer Rente begnügen. Finanziert wird diese mit der Invalidenoder Altersrente des verpflichteten Ehegatten.

Für den berechtigten geschiedenen Ehegatten geht diese Lösung in Ordnung, so lange der Ex-Ehegatte lebt. Seine Situation kann sich aber dramatisch verschlechtern, wenn der Ex-Ehegatte stirbt und die Rente damit wegfällt. Der überlebende geschiedene Ehegatte hat zwar unter Umständen Anspruch auf Hinterlassenenleistungen (Art. 20 BVV 216). Es handelt sich aber nur um den gesetzlichen Anspruch.

Wenn Reglemente über diesen Mindestanspruch hinausgehende Hinterlassenenrenten vorsehen, beschränken sie diesen weiter gehenden Anspruch oft auf verheiratete Personen und eingetragene Partnerschaften. Die Vorsorgeeinrichtungen berechnen deshalb die Höhe des Anspruchs des geschiedenen Ehegatten häufig nur auf dem obligatorisch geäufneten und nicht auf dem ganzen Vorsorgeguthaben (einschliesslich überobligatorische Guthaben)17. Dies führt dazu, dass der geschiedene Ehegatte nach dem Tod des Ex-Ehegatten häufig auf Unterstützung durch die Sozialhilfe angewiesen ist. Die geschiedene Ehefrau oder der geschiedene Ehemann ist daher

15 16 17

BGE 133 III 497 ff.; vgl. Bundesamt für Justiz (BJ), a.a.O. (FN 3), S. 10 f.

Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge, SR 831.441.1.

Vgl. Katerina Baumann/Margareta Lauterburg, Scheidung und Sozialversicherungen, FamPra.ch 2004, S. 879.

4894

oft schlechter gestellt als die Witwe oder der Witwer aus einer zweiten Ehe18; diese können nämlich in der Regel auch Anspruch auf die überobligatorischen Leistungen der Vorsorgeeinrichtung erheben.

Die Situation ist insbesondere deshalb stossend, weil die Vorsorgemittel, von denen die Witwe oder der Witwer jetzt profitiert, häufig zu einer Zeit geäufnet worden sind, während der die oder der Verstorbene noch mit dem Ex-Ehemann oder der Ex-Ehefrau verheiratet war. Das Bundesgericht beurteilte das Vorgehen der Vorsorgeeinrichtungen als zulässig und erachtete die unterschiedliche Behandlung geschiedener und verwitweter Ehegatten als weder gesetzes- noch verfassungswidrig19. Da von dieser unbefriedigenden Situation meistens die Ex-Ehefrauen betroffen sind, wird in diesem Zusammenhang häufig von den «geschiedenen Witwen» gesprochen.

Die Lücke in der Vorsorge des berechtigten Ehegatten, die nicht kompensiert werden kann, wenn ein Vorsorgefall im Zeitpunkt der Scheidung bereits eingetreten ist, und die schlechte Absicherung der geschiedenen Ehefrau nach dem Tod ihres früheren Ehemannes haben zur Einreichung verschiedener parlamentarischer Vorstösse geführt20.

1.3.5

Sicherung der Vorsorge

Im Idealfall führt der Vorsorgeausgleich dazu, dass Vorsorgemittel, die bisher dem einen Ehegatten zur Verfügung standen, in gleicher Qualität neu dem andern Ehegatten zur Verfügung stehen. Häufig lässt sich dieses Ziel allerdings nicht oder nur mit Abstrichen erreichen.

So wird der Vorsorgezweck gefährdet, wenn im Rahmen des Vorsorgeausgleichs nach Artikel 122 ZGB Vorsorgemittel, die aus der obligatorischen beruflichen Vorsorge stammen (Altersguthaben), neu der weiter gehenden Vorsorge zugewiesen werden21. Namentlich entfällt damit die Garantie, dass in einer Vorsorgeeinrichtung 18

19 20

21

Vorsorgeeinrichtungen sehen allerdings auch bei verheirateten Ehepartnern oft differenzierte überobligatorische Hinterlassenenleistungen vor. Wenn zum Beispiel die hinterlassene Person massiv jünger ist oder wenn die Ehe erst nach Beginn der Altersrente geschlossen wurde, entsteht nach Reglement oft ebenfalls nur ein Anspruch auf die gesetzliche Mindestleistung, ausser es seien gemeinsame minderjährige Kinder vorhanden.

B 112/05 vom 22. Dezember 2006, E. 4.2 und 4.3; B 85/04 vom 20. Dezember 2005, E. 3.2 und 3.4.2; B 87/04 vom 21. Dezember 2005, E. 5.5; BGE 134 V 208 E. 3.4.

Interpellation 07.3134 Hubmann Vreni «Geschiedene Witwen in der Armutsfalle?»; Postulat 07.3135 Hubmann Vreni «Lücken im Vorsorgesystem für geschiedene Witwen».

Diese Vorstösse wurden abgeschrieben, weil sie seit mehr als zwei Jahren hängig waren.

Pa. Iv. 07.454 Hubmann Vreni «Änderung der Scheidungsfolgen nach Eintritt eines Vorsorgefalls. Änderung von Artikel 124 ZGB». Dieser Vorstoss wurde im Hinblick auf die vorliegende Revision abgeschrieben.

Vgl. hierzu die Anfrage 04.1028 Rechsteiner Rudolf «BVG-Vorsorgevermögen bei Scheidung. Aufteilung des obligatorischen und des überobligatorischen Anspruchs» und die Motion 04.3331 Rechsteiner Rudolf «Zweite Säule. Urkundliche Ausscheidung von obligatorischen und überobligatorischen Ansprüchen»; der Nationalrat hat die Motion abgelehnt, nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme erklärt hatte, dass das Anliegen sinnvollerweise im Zusammenhang mit der Pa. Iv. 04.409 «Scheidung. Effektive Gleichbehandlung der Frau bei den BVG-Austrittsleistungen» geprüft und koordiniert werde. In der Zwischenzeit wurde zu diesem Thema die Motion 08.3956 Humbel Näf Ruth «Berufliche Vorsorge. Gerechte Teilung der Austrittsleistung bei Ehescheidung» eingereicht.

4895

diese Mittel zum gesetzlichen Mindestzinssatz (Art. 15 BVG) verzinst und im Vorsorgefall zu den gesetzlichen Bedingungen in eine Rente umgewandelt werden22.

Noch prekärer ist es um die Sicherung der Vorsorge bestellt, wenn Vorsorgemittel für die Wohneigentumsförderung eingesetzt werden. Zwar muss der Ehegatte des Vorsorgenehmers diesem Vorgang gleich wie einer Barauszahlung (Art. 5 Abs. 2 FZG) zustimmen (Art. 30c Abs. 5 BVG und Art. 331e Abs. 5 OR23). Nicht verhindert wird damit aber, dass das mit Vorsorgemitteln erworbene Grundstück mit (weiteren) Grundpfandrechten belastet wird. Dies kann bei einer späteren Zwangsverwertung nicht nur zum Verlust des Grundstücks, sondern auch zum Verlust von Teilen der beruflichen Vorsorge führen24.

Problematisch ist die Situation auch bei einmaligen Kapitalabfindungen. Nach Artikel 37 Absatz 2 BVG kann der Versicherte verlangen, dass ihm ein Viertel seines Altersguthabens als einmalige Kapitalabfindung ausgerichtet wird. Ist dies im Reglement vorgesehen, so kann heute sogar das ganze Altersguthaben als Kapitalabfindung bezogen werden (Art. 37 Abs. 4 Bst. a BVG). Während im Rahmen der obligatorischen beruflichen Vorsorge der Ehegatte der Kapitalabfindung zustimmen muss (Art. 37 Abs. 5 BVG), fehlt es an einer solchen Regelung für die weiter gehende berufliche Vorsorge und für Freizügigkeitsguthaben. Das Bundesgericht hat es abgelehnt, darin eine Gesetzeslücke zu erblicken25. Entsprechend liegt es am Gesetzgeber, die Sache zu bereinigen. Als unbefriedigend wird auch kritisiert, dass nicht die Vorsorgeeinrichtung, sondern der übergangene Ehegatte das Risiko einer Barauszahlung tragen soll, die durch das Fälschen seiner Unterschrift erschlichen worden ist26.

1.3.6

Internationales Privatrecht

Das Bundesgericht hat in mehreren Entscheidungen27 festgehalten, dass der Vorsorgeausgleich im Abschnitt «Scheidung und Trennung» (Art. 59­65) des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198728 über das Internationale Privatrecht (IPRG) den allgemeinen Bestimmungen über die Nebenfolgen (Art. 63 IPRG) untersteht und folglich von den für Fragen des Unterhalts und des Güterrechts geltenden Spezialbestimmungen nicht erfasst wird. Die in der Lehre bis dahin umstrittene Frage der Einordnung des Vorsorgeausgleichs im Rahmen des IPRG kann damit als geklärt betrachtet werden: Der Vorsorgeausgleich untersteht demselben Recht wie die Scheidung selbst (Art. 63 Abs. 2 IPRG) und nicht, wie von einzelnen Autoren vertreten, dem auf die Vorsorgeeinrichtung anwendbaren Recht.

22 23 24 25

26

27 28

BGE 132 V 278 ff.

Obligationenrecht, SR 220.

BGE 132 V 332 ff.

BGer 9C_212/2007 vom 8. Mai 2007 E. 4.3; eine diesbezügliche Änderung des geltenden Rechts verlangt auch die Motion 08.3821 Amacker-Amann Kathrin «Auszahlung von Altersleistungen». Der Bundesrat hat dem Parlament am 11. Februar 2009 die Annahme der Motion beantragt.

BGE 133 V 205 ff. E. 2; kritisch Elisabeth Glättli, Die Folgen der Barauszahlung der Austrittsleistung ohne Zustimmung des Ehegatten (Art. 5 Abs. 2 FZG) in den neueren Entscheiden des Eidgenössischen Versicherungsgerichts (EVG), SZS 2005, 184 ff.; Felix Schöbi, Barauszahlung trotz fehlender Zustimmung des Ehegatten, recht 2005, S. 139 ff.

Zum Beispiel BGE 134 III 661 E. 3.1.

SR 291

4896

Eine Scheidung vor einem schweizerischen Gericht untersteht grundsätzlich schweizerischem Recht (Art. 61 Abs. 1 und 4 IPRG). Haben die Ehegatten eine gemeinsame ausländische Staatsangehörigkeit und hat nur einer von ihnen Wohnsitz in der Schweiz, ist hingegen ihr gemeinsames Heimatrecht anzuwenden (Art. 61 Abs. 2 IPRG). Letzteres führt dazu, dass die Auseinandersetzung über ein Guthaben bei einer schweizerischen Vorsorgeeinrichtung ausländischem Recht untersteht. Dass die einschlägigen Regeln des ZGB zum Vorsorgeausgleich trotz ihres zwingenden Charakters hinter das Heimatrecht der Ehegatten zurücktreten müssen, wird heute als Widerspruch zu den ihnen zugrunde liegenden rechtspolitischen Überlegungen empfunden. Zudem lässt sich der Vorsorgeausgleich technisch besser umsetzen, wenn er nach demjenigen nationalen Recht vorgenommen wird, dem auch das betreffende Guthaben selbst untersteht. Nur so kann ein reibungsloses Zusammenspiel zwischen den eherechtlichen Teilungsregeln und den für das Vorsorgeguthaben massgebenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen gewährleistet werden.

Das Bundesgericht hat hier teilweise Abhilfe geschaffen. Es hat die von einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung bestätigt, wonach das zuständige Gericht gestützt auf Artikel 15 IPRG den Vorsorgeausgleich ausnahmsweise nach dem auf die Vorsorgeeinrichtung anwendbaren Recht beurteilen kann29. Dies sei der Fall, wenn es um ein Guthaben geht, das für die Vorsorge der Ehegatten «prägend» war.

Was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, hat das Bundesgericht allerdings nicht näher erläutert. Deshalb besteht hier eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Die Anrufung des als blosse Ausnahmeklausel gedachten Artikels 15 IPRG im vorliegenden Zusammenhang vermag zudem als Lösung nicht zu befriedigen30.

Auch in Bezug auf die Scheidung an sich (Scheidungspunkt) wird die teilweise Anwendbarkeit ausländischen Rechts kritisiert. Die Zahl der in der Schweiz ausgesprochenen Scheidungen hat sich in den letzten 25 Jahren annähernd verdoppelt.

Rund 18 Prozent der Scheidungen betreffen Ehegatten, die beide eine ausländische Staatsbürgerschaft haben31. Scheidungsfälle stellen heute einen gewichtigen Anteil der Geschäftslast erstinstanzlicher Gerichte dar. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Inhalt des anzuwendenden ausländischen
Scheidungsrechts ermittelt werden kann (Art. 16 IPRG), so ist dessen Nachweis für Gerichte und Parteien im Einzelfall doch mit erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen verbunden. Angesichts der wachsenden Mobilität der Gesellschaft muss davon ausgegangen werden, dass der Anteil an Scheidungen mit Auslandbezug weiter zunehmen wird. Nachdem das Scheidungsrecht des ZGB seit dem Erlass des IPRG vor 25 Jahren einfacher und liberaler geworden ist, erscheint es nicht mehr angebracht, den Gerichten im Scheidungspunkt die Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts der Ehegatten aufzubürden.

Selbst dort, wo der Vorsorgeausgleich aus schweizerischer Sicht dem inländischen Recht untersteht, können die zwingenden Bestimmungen des ZGB dadurch ausgehebelt werden, dass die Ehegatten die Zuständigkeit für den Vorsorgeausgleich einem ausländischen Gericht übertragen (Art. 5 IPRG, der für «vermögensrechtliche 29 30

31

BGE 134 III 661 E. 3.1.

Vgl. Andreas Bucher, Prévoyance et divorce dans le contexte international, in: Margareta Baddeley/Bénédict Foëx (Hrsg.), La planification du patrimoine, Genf/Zürich/Basel 2008, S. 194 ff., sowie Daniel Trachsel, Der Vorsorgeausgleich im internationalen Verhältnis, in: Die Praxis des Familienrechts 2/2010, S. 244.

Zahlen gemäss Bundesamt für Statistik, www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/06/blank/key/06/06.html

4897

Ansprüche» Gerichtsstandsvereinbarungen zulässt, gilt nach herrschender Auffassung auch für vermögensrechtliche Belange des Eherechts). Auch dies wird im Schrifttum bemängelt.

Weitere Probleme haben sich bei der Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile ergeben. Lässt das ausländische Urteil das in der Schweiz gelegene Vorsorgeguthaben unerwähnt, stellt sich regelmässig die Frage, ob die Ehegatten vermögensrechtlich vollständig auseinandergesetzt sind oder ob der Vorsorgeausgleich in der Schweiz im Rahmen eines Ergänzungsurteils nachzuholen ist32.

1.4

Standpunkte und Stellungnahmen im Vernehmlassungsverfahren

Die Vernehmlassung über den Vorentwurf für eine Teilrevision des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Vorsorgeausgleich bei Scheidung) dauerte vom 16. Dezember 2009 bis zum 31. März 2010. Zur Teilnahme eingeladen wurden das Schweizerische Bundesgericht, die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien, die juristischen Fakultäten der Schweizerischen Universitäten sowie weitere interessierte Organisationen. Stellung genommen haben 25 Kantone, 5 politische Parteien und 22 Organisationen.

Die Ausdehnung der Teilung des Vorsorgeguthabens in Fällen, in denen der Vorsorgefall bereits eingetreten ist, sowie die anvisierte Besserstellung der geschiedenen Witwen wurden ausdrücklich als positiv erachtet. Mehrere Teilnehmende bemängelten allerdings, dass aus dem Gesetz nicht verständlich werde, wie die Austrittsleistung nach Eintritt einer Invalidität bzw. der Pensionierung zu berechnen sei und verlangten, dass die Berechnungsgrundlagen nochmals genau überprüft würden.

Betreffend die im Vorentwurf vorgeschlagenen Ausnahmen von der hälftigen Teilung waren mehrere Teilnehmende der Ansicht, der Begriff der «offensichtlichen Unbilligkeit» sei zu offen bzw. restriktiv formuliert und deshalb zu definieren. Es wurde im Übrigen geltend gemacht, dass die Rechtsprechung zur Mankoteilung im Unterhaltsrecht nicht auf den Vorsorgeausgleich übertragen werden solle.

Ausdrücklich begrüsst wurde die Änderung hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses bei Errichtung eines Grundpfandrechts auf Grundeigentum, das mit Hilfe eines Vorbezugs für Wohneigentumsförderung erworben wurde. Hingegen gingen die Meinungen betreffend die Festsetzung des massgebenden Zeitpunktes für die Berechnung der zu teilenden Austrittsleistungen auseinander.

Weiter begrüssten die meisten Teilnehmenden die vorgeschlagene proportionale Belastung im Obligatorium und Überobligatorium des ausgleichsverpflichteten Ehegatten, ebenso die entsprechende Gutschrift beim empfangenden Ehegatten.

Positiv aufgenommen wurde auch die Absicht, mit der geplanten Meldepflicht den Ehegatten und dem Scheidungsgericht auf einfache Weise einen Überblick über die vorhandenen Vorsorge- und Freizügigkeitskonti verschaffen zu wollen. Auf der anderen Seite wurde auch geltend gemacht, mit der Meldepflicht sei ein unverhältnismässiger bzw. kaum abschätzbarer Aufwand mit entsprechenden Kostenfolgen für die Vorsorgeeinrichtungen und somit für die aktiv Versicherten verbunden.

32

BGer 5A_835/2010 vom 1. Juni 2011 E. 2.4.2.

4898

Der Entwurf trägt der im Vernehmlassungsverfahren geäusserten Kritik in weitem Umfang Rechnung. Die Auseinandersetzung mit den entsprechenden Bemerkungen erfolgt in Ziffer 1.5 (Grundzüge der beantragten Neuregelung) und in den Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen.

1.5

Grundzüge der beantragten Neuregelung

1.5.1

Festhalten am Status quo

Der Vorsorgeausgleich bildet Teil der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Fall einer Scheidung. Dazu zählt auch das Güterrecht (Art. 181 ff. ZGB). Wer sich ein Urteil über die Revisionsbedürftigkeit des Vorsorgeausgleichs machen will, muss deshalb auch die Frage beantworten, wie es um die Revisionsbedürftigkeit des Güterrechts steht.

Nach Artikel 197 Absatz 2 Ziffer 1 ZGB gehört der Arbeitserwerb eines Ehegatten beim ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung zur Errungenschaft.

Daraus resultierende Ersparnisse sind deshalb bei einer Scheidung hälftig zu teilen (Art. 215 Abs. 1 ZGB). Davon macht das Gesetz eine Ausnahme für den Fall der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Diesbezügliche Ansprüche fallen bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung grundsätzlich ausser Betracht. Der Gesetzgeber hat dies bei der Revision des Eherechts (1984) so gewollt und diesen Entscheid anlässlich der Einführung des Vorsorgeausgleichs im Zusammenhang mit dem neuen Scheidungsrecht (2000) implizit bestätigt. Entsprechend handelt es sich beim Vorsorgeausgleich um einen selbstständigen Anspruch, der trotz seiner inneren Bezüge selbstständig neben dem Güterrecht und dem Unterhaltsrecht steht. Gemeinsam mit einer knappen Mehrheit der Expertenkommission will der Bundesrat an dieser Konzeption festhalten. Der Entwurf beschränkt sich deshalb auf den Vorsorgeausgleich und die in diesem Zusammenhang möglichen Verbesserungen.

Der Bundesrat will auch beim Status quo bleiben, was die Möglichkeit betrifft, einen Vorbezug von Vorsorgemitteln für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum zu verlangen (WEF-Vorbezug). Die Expertenkommission übte in diesem Punkt Kritik, die aus dogmatischer Sicht zwar verständlich ist. Diese Kritik ändert aber nichts an der grossen politischen und praktischen Bedeutung des WEF-Vorbezugs.

So wurden beispielsweise im Jahr 2010 in der Schweiz 33 243 Vorbezüge in der Höhe von insgesamt rund 2,52 Milliarden Franken getätigt33.

1.5.2

Teilung der Vorsorgeansprüche auch nach Eintritt des Vorsorgefalls

Gemäss den am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen Bestimmungen über den Vorsorgeausgleich im Rahmen der Scheidung ist eine Teilung der während der Ehe erwirtschafteten Vorsorgeansprüche nach Eintritt eines Vorsorgefalls (Alter oder 33

BSV, Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2012, S. 69.

4899

Invalidität) nicht möglich. Für solche Fälle ist vorgesehen, dass eine angemessene Entschädigung zu leisten ist (Art. 124 ZGB). Das Gericht kann mangels gesetzlicher Grundlage nicht anordnen, dass diese Leistung in gebundener Form auf die Vorsorgeeinrichtung des anspruchsberechtigten Ehegatten oder auf eine Freizügigkeitseinrichtung übertragen wird34. Soweit die Mittel vorhanden sind, sollte die Entschädigung in Form einer Kapitalleistung erfolgen. Bei der Berechnung hat sich das Gericht am Grundsatz der hälftigen Teilung der während der Ehe erworbenen Vorsorgeansprüche zu orientieren. Wenn die vorhandenen Mittel dafür nicht ausreichen, ist die Form der Rente zu wählen35. In der Praxis wird die Entschädigung häufig in Form einer Rente geleistet. Diese erlischt allerdings mit dem Tod des verpflichteten Ehegatten, was in der Praxis dazu führt, dass die hälftige Teilung der während der Ehe erwirtschafteten Vorsorgeansprüche nach Eintritt eines Vorsorgefalls in der Regel nicht durchgesetzt werden kann.

Insgesamt ist gegenwärtig mit jährlich gut 1000 Scheidungen zu rechnen, bei denen mindestens einer der Ehegatten zum Scheidungszeitpunkt bereits eine Altersrente der beruflichen Vorsorge bezieht. Die Anzahl dieser Fälle nimmt tendenziell zu. In der gleichen Grössenordnung ist mit Scheidungen zu rechnen, bei denen mindestens ein Ehegatte eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge bezieht. Unter geltendem Recht muss in diesen Fällen der Vorsorgeausgleich durch eine angemessene Entschädigung abgegolten werden (Art. 124 ZGB).

Geprüft wurde der Vorschlag, die Vorsorgeeinrichtungen zu verpflichten, die geschiedenen Ehegatten auch im Bereich der weiter gehenden beruflichen Vorsorge gleich wie Witwen oder Witwer zu behandeln. Der Bundesrat lehnte dies allerdings ab, weil damit ein weiterer Eingriff in den Autonomiebereich der Vorsorgeeinrichtungen erfolgen würde (Art. 49 Abs. 1 BVG)36. Damit verbunden wäre nämlich die Gefahr, dass Vorsorgeeinrichtungen in Zukunft ihre Leistungen an Witwen und Witwer von vornherein auf das gesetzliche Minimum reduzierten. Mit einer solchen Lösung wäre niemandem gedient. Die Folgen dieser Entwicklung wären umso gravierender, als die Leistungen an Witwen und Witwer auch in der 1. Säule zunehmend unter Druck geraten37.

Der Bundesrat schlug in seinem Vorentwurf vom Dezember 2009
die Teilung der Vorsorgeansprüche auch nach dem Vorsorgefall (Alter oder Invalidität) vor. Anders als das geltende Recht behandelte der Vorentwurf die Situation einer Scheidung vor und nach Eintritt eines Vorsorgefalls grundsätzlich gleich.

Der Vorschlag des Vorentwurfs, die Teilung der Vorsorgeansprüche auch nach Eintritt eines Vorsorgefalls vorzunehmen, stiess im Vernehmlassungsverfahren auf breite Zustimmung38. Der vorgeschlagene Berechnungsmodus wurde allerdings von mehreren Vernehmlassungsteilnehmenden, darunter insbesondere Vorsorgeeinrich34 35 36

37

38

BGE 132 III 152 ff. E. 4.

BGer 5C.13/2003 vom 30. August 2004 E. 4.3.1.

BGer B 84/03 vom 30. Juni 2005. Im konkreten Fall stellte sich das Bundesgericht hinter eine Vorsorgeeinrichtung, die einem Versicherten keine Kinderrente für seine Stiefkinder ausrichten wollte.

Vgl. Postulat 08.3235 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-NR) «Witwen- und Witwerrenten». Gestützt auf dieses Postulat wurde eine Studie über die Frage erstellt, ob die heutige Regelung der Witwen- und Witwerrenten noch einem sozialen Bedürfnis entspreche. Der Bericht ist am 4. April 2012 erschienen: «La situation économique des veuves et des veufs» (Fundstelle: www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=44034).

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 4.

4900

tungen und Pensionskassen-Fachleuten, als praxisuntauglich und zu kompliziert kritisiert. Verlangt wurde, dass die Berechnungsregeln nochmals überprüft würden39. Gestützt auf diese Kritik beauftragte der Bundesrat am 20. Oktober 2010 die BVG-Kommission, die Berechnungsregeln des Vorentwurfs auf ihre Durchführbarkeit und Praktikabilität hin zu überprüfen. Die Kommission schloss ihre Arbeiten am 28. November 2011 ab. Sie stellte fest, dass die vorgeschlagenen Berechnungsregeln für die Vorsorgeeinrichtungen tatsächlich praxisuntauglich seien, und schlug einen neuen Teilungsmodus vor. Der Entwurf übernimmt diesen Vorschlag: Bezieht ein Ehegatte eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge und erfolgt die Scheidung vor dem reglementarischen Rentenalter, so wird der Vorsorgeausgleich durch Teilung derjenigen Austrittsleistung durchgeführt, auf die der versicherte Ehegatte Anspruch hätte, wenn er wieder ins Erwerbsleben zurückkehren würde (Art. 124 E-ZGB). Der Teilungsmodus entspricht in diesem Fall demjenigen vor dem Vorsorgefall. Bezieht hingegen ein Ehegatte eine Altersrente oder eine Invalidenrente und hat er bei der Scheidung bereits das reglementarische Rentenalter erreicht, so wird der Vorsorgeausgleich neu durch Teilung der laufenden Alters- oder Invalidenrente durchgeführt (Art. 124a E-ZGB). In diesem Fall bekommt der berechtigte Ehegatte einen lebenslänglichen Anspruch auf einen Rentenanteil des verpflichteten Ehegatten. Diese Änderung stellt sicher, dass auch nach Eintritt eines Vorsorgefalls die während der Ehe erwirtschafteten Vorsorgeansprüche geteilt werden.

1.5.3

Ausnahmen von der hälftigen Teilung

In Übereinstimmung mit der Expertenkommission steht der Bundesrat hinter dem Grundsatz der hälftigen Teilung der während der Ehe erworbenen Ansprüche aus beruflicher Vorsorge. Wie bisher soll es auch dabei bleiben, dass die Gerichte den Vorsorgeausgleich von Amtes wegen vornehmen (Art. 280 ZPO). Der Bundesrat sieht keine Möglichkeit, wie der Gesetzgeber noch deutlicher zum Ausdruck bringen könnte, dass der Vorsorgeausgleich nicht eine rein private Angelegenheit ist, weil er wegen des engen Zusammenhangs mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge auch öffentliche Interessen berührt. Der Bundesrat hält es allerdings für unerlässlich, Ausnahmen vom Grundsatz der hälftigen Teilung vorzusehen. Er hält es insbesondere für geboten, den Ehegatten den nötigen Handlungsspielraum zu belassen. Diese kennen ihre wirtschaftliche Situation und ihre Vorsorgebedürfnisse am besten. Sie sollen deshalb auch das Recht haben, sich einvernehmlich auf den Vorsorgeausgleich oder auf den ganzen oder teilweisen Verzicht darauf zu verständigen, wenn dadurch ihre angemessene Vorsorge gewährleistet bleibt (Art. 124b Abs. 1 E-ZGB). Das Gericht hat dabei von Amtes wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Verzicht gegeben sind (Art. 280 Abs. 3 E-ZPO).

Der Vorentwurf sah vor, dass das Gericht die hälftige Teilung nur verweigern kann, wenn diese offensichtlich unbillig wäre. Im Vernehmlassungsverfahren wurde diese Regelung als zu restriktiv und der Begriff der offensichtlichen Unbilligkeit als zu offen kritisiert.40 Der Entwurf orientiert sich nun am Vorschlag der Expertenkommission und sieht vor, dass das Gericht die hälftige Teilung zu verweigern hat, wenn wichtige Gründe vorliegen. Der Begriff der «wichtigen Gründe» wird mit zwei nicht abschliessenden Tatbeständen konkretisiert. Die Teilung ist beispielsweise analog 39 40

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 5.

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 13 f.

4901

zur heutigen Regelung zu verweigern, wenn sie aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung unbillig wäre. Ein wichtiger Grund liegt aber auch vor, wenn zwischen den Ehegatten ein grosser Altersunterschied besteht und sich bei der Berücksichtigung der Vorsorgebedürfnisse deshalb eine hälftige Teilung der Ansprüche als unbillig herausstellt. In diesem Fall kann es nämlich sein, dass die schematische hälftige Teilung den älteren Ehegatten deutlich stärker als den jüngeren treffen würde.

Die Expertenkommission schlug vor, unter eng definierten Voraussetzungen auch eine überhälftige Teilung der während der Ehe erworbenen Austrittsleistung zuzulassen. Der Bundesrat lehnte dies bei der Verabschiedung des Vorentwurfs vom Dezember 2009 ab, um eine Verkomplizierung der Rechtslage zu verhindern. Im Vernehmlassungsverfahren wurde diese Entscheidung allerdings bemängelt mit der Begründung, dass in der Praxis durchaus das Bedürfnis bestehe, auch überhälftige Teilungen anzuordnen41. Der Bundesrat übernimmt aus diesem Grund im Entwurf die Möglichkeit, dem berechtigten Ehegatten mehr als die Hälfte der Austrittsleistung zuzusprechen, wenn qualifizierte Umstände vorliegen (Art. 124b Abs. 3 E-ZGB). Im Übrigen können auch die Parteien eine überhälftige Teilung der Austrittsleistungen vereinbaren (Art. 124b Abs. 1 E-ZGB). Auf diese Weise wird dem Bedürfnis nach grösserer Absicherung der schwächeren Partei Rechnung getragen.

1.5.4

Weitere Revisionsvorschläge

Der Entwurf stellt sicher, dass die Scheidung nicht zu einer Verschiebung von Guthaben vom obligatorischen in den überobligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge führt (Art. 22c E-FZG). Dies gilt auch, wenn Vorsorgemittel für den Erwerb von Wohneigentum eingesetzt und später wieder zurückgeführt werden (Art. 30d Abs. 6 E-BVG). Ferner schliesst der Entwurf Lücken im Schutz des Ehegatten des Versicherten, wenn ein mit Vorsorgemitteln finanziertes Grundstück später mit Grundpfandrechten belastet werden soll (Art. 30c Abs. 5 E-BVG) und wenn der versicherte Ehegatte seine Vorsorge- und Freizügigkeitsmittel nicht als Rente, sondern als Kapitalabfindung bezieht (Art. 37a i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Ziff. 5a E-BVG). Der Sicherung der Vorsorge dient auch der Vorschlag, dass die Auffangeinrichtung verpflichtet wird, eine Austrittsleistung, die ihr im Rahmen einer Scheidung zufliesst, neu in eine Rente umzuwandeln (Art. 60a Abs. 2 E-BVG). Zur Klärung des Vorsorgeausgleichs in internationalen Verhältnissen schlägt der Bundesrat schliesslich eine Revision der Artikel 61, 63 und 64 IPRG sowie eine Änderung von Artikel 283 ZPO vor. Der Vorsorgeausgleich wie auch die Scheidung selbst sollen künftig ausschliesslich dem schweizerischen Recht unterstehen. Für Guthaben bei schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen sollen ausschliesslich die schweizerischen Gerichte zuständig sein. Die Vorschläge zur Sicherung der Vorsorge und die Änderung im internationalen Privatrecht wurden im Vernehmlassungsverfahren begrüsst42.

Der Entwurf regelt im Übrigen, dass der Zinsverlust und ein allfälliger Kapitalabfluss anteilsmässig von der vorehelichen und der ehelichen Austrittsleistung zu 41 42

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 15.

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 17, S. 20 f., 25 f.

4902

tragen sind, wenn während der Ehe ein WEF-Vorbezug vorgenommen wurde (Art. 22a Abs. 3 E-FZG). Einige Teilnehmende schlugen im Vernehmlassungsverfahren vor, in diesem Fall ausschliesslich das eheliche Vorsorgeguthaben zu belasten. Die Mehrheit der Teilnehmenden begrüsste allerdings die Neuregelung43.

Schliesslich werden die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen zur periodischen Meldung ihrer Bestände an eine zentrale Stelle verpflichtet (Art. 24a E-FZG). Damit können sich die Ehegatten und das Scheidungsgericht auf einfache Weise einen Überblick über die vorhandenen Vorsorge- und Freizügigkeitsguthaben verschaffen.

Die Einführung einer solchen Meldepflicht wurde im Vernehmlassungsverfahren begrüsst, obwohl mehrere Teilnehmende befürchteten, dass sie unverhältnismässig hohe Kosten verursachen würde44. Der Bundesrat beauftragte deshalb am 20. Oktober 2010 die BVG-Kommission, eine Schätzung der durch die Meldepflicht verursachten Kosten vorzunehmen. Die Kommission schlug anlässlich ihrer Sitzung vom 28. November 2011 vor, die Meldepflicht auf die bestehenden Vorsorgeguthaben zu beschränken und aus Kostengründen auf die Meldung laufender Rentenzahlungen zu verzichten. Der Bundesrat folgt diesem Vorschlag. Tatsächlich sind es die Guthaben, die am ehesten vergessen oder verheimlicht werden. Dies ist unter anderem der Fall, weil sie vor der Fälligkeit ­ im Gegensatz zu den Rentenzahlungen ­ auch nicht aus Steuererklärungen ersichtlich sind. Die Kommission schätzte die Kosten für die Einführung der Meldepflicht für die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen einmalig auf drei Millionen Franken. Bei der Zentralstelle 2. Säule würden hingegen Mehrkosten von jährlich 400 000 Franken entstehen. Der Bundesrat ist überzeugt davon, dass die Kosten der Meldepflicht in einem vernünftigen Verhältnis zu den beabsichtigten Zielen der Revision stehen. Aus diesem Grund hält er im Entwurf an der Meldepflicht fest. Wie bereits erwähnt, liegt eine korrekte Durchführung des Vorsorgeausgleichs nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Interesse (vgl. Ziff. 1.5.3).

Keinen Regelungsbedarf sieht der Bundesrat hingegen beim Erschleichen einer Barauszahlung mittels gefälschter Unterschrift (vgl. Ziff. 1.3.5). Das Bundesgericht hat in seiner Rechtsprechung nämlich klar festgehalten, dass die Vorsorgeeinrichtungen
verpflichtet sind, alles ihnen Zumutbare zur Verhinderung eines solchen Betrugs vorzukehren45. Faktisch tragen die Vorsorgeeinrichtungen damit das Fälschungsrisiko mit. Entsprechend vorsichtig agieren sie heute. So hat der Ehegatte des Vorsorgenehmers vor einer Barauszahlung meist persönlich vorzusprechen. Ist dies ausnahmsweise nicht möglich, so wird verlangt, dass die Unterschrift von einer Urkundsperson beglaubigt worden ist.

43 44 45

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 11, 17, 20 f.

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 23.

BGE 130 V 103 ff. und 133 V 205 ff.

4903

1.5.5

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der beantragten Neuregelung werden die eingangs erwähnten parlamentarischen Vorstösse46 erledigt.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Zivilgesetzbuch

Art. 89a Abs. 6 Ziff. 3a, 3b und 4a Artikel 89a ZGB regelt, welche Bestimmungen des BVG für die Personalfürsorgestiftungen gelten, die auf dem Gebiet der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge tätig sind. Die heutige Liste ist aufgrund der Artikel 24 Absatz 5 und 37a E-BVG um die neuen Ziffern 3a und 4a zu ergänzen (vgl. Erläuterungen zu diesen Artikeln). Die neue Ziffer 3b entspricht der geltenden Ziffer 3a.

Vorbemerkung zu den Art. 122124e Die Artikel 122124e bilden ein Ganzes und den Kern der Bestimmungen über den Vorsorgeausgleich. Artikel 122 sieht den Grundsatz des Vorsorgeausgleichs vor. Die Artikel 123, 124 und 124a umschreiben, wie der Ausgleich in drei unterschiedlichen Situationen vorzunehmen ist: ­

Wenn noch kein Vorsorgefall eingetreten ist, erfolgt der Vorsorgeausgleich wie bisher mittels hälftiger Teilung der Austrittsleistungen (Art. 123).

­

Wenn ein Ehegatte zwar bereits eine Invalidenrente bezieht, aber das reglementarische Rentenalter noch nicht erreicht hat, wird der Vorsorgeausgleich basierend auf jener hypothetischen Austrittsleistung vorgenommen, auf die der Invalidenrentner bei Wegfall der Invalidenrente Anspruch hätte (Art. 124).

­

Wenn eine Rente bezogen wird und der Rentenberechtigte das reglementarische Rentenalter bereits erreicht hat, wird die Rente geteilt (Art. 124a).

Bei der Aufrechnung und Teilung der ehelich erwirtschafteten Austrittsleistungen sind Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen, um den Ehegatten etwas grössere Flexibilität zu gestatten und dem Gericht eine Möglichkeit zu geben, unbillige Resultate zu korrigieren (Art. 124b Abs. 1 und 2). Unter bestimmten Umständen ist eine überhälftige Teilung der Austrittsleistungen möglich (Art. 124b Abs. 3). Bei der Rententeilung kann der ehelich erwirtschaftete Anteil nicht einfach be- und aufgerechnet werden, und das Gericht muss die konkreten Umstände bei beiden Ehegatten mitberücksichtigen.

In den verbleibenden Fällen, bei denen weiterhin kein Ausgleich über Vorsorgegelder möglich ist, zum Beispiel weil sie in Form einer Kapitalabfindung bereits ausgezahlt worden sind, soll wie im geltenden Recht der Ausgleich über eine angemesse46

Motion 05.3713 Kommission für Rechtsfragen NR «Scheidungsrecht. Überprüfung der Regelung betreffend Vorsorgeausgleich und Kinderbelange; Motion 08.3821 AmackerAmann Kathrin «Auszahlung von Altersleistungen»; Motion 08.3956 Humbel Ruth «Berufliche Vorsorge. Gerechte Teilung der Austrittsleistung bei Ehescheidung».

4904

ne Entschädigung erfolgen (Art. 124e Abs. 1). Eine Sonderlösung ist vorgesehen, wenn der Vorsorgeausgleich aus Vorsorgemitteln zwar möglich ist, bei der gegenseitigen Abwägung der Vorsorgebedürfnisse der beiden Ehegatten aber als nicht zumutbar erscheint. In diesem Fall können für den Vorsorgeausgleich statt Vorsorgemittel andere Mittel verwendet werden (Art. 124d).

Die grosse Neuerung besteht darin, dass die Vorsorgeansprüche neu auch dann zu teilen sind, wenn im Scheidungszeitpunkt der Vorsorgefall Alter oder Invalidität bereits eingetreten ist (Art. 124 und 124a). In diesen Fällen wird somit grundsätzlich keine angemessene Entschädigung mehr ausgerichtet. Die Möglichkeit, auch bei bereits laufenden Renten noch Vorsorgeansprüche zu teilen, macht neben einer Regelung der Teilung auch verschiedene Anpassungen beim Verfahren und bei der Berechnung der Leistungen nach dem Vorsorgeausgleich notwendig. Für Sonderfälle, die voraussichtlich selten auftreten, und für technische Detailregelungen soll der Bundesrat die notwendigen Bestimmungen auf Verordnungsebene erlassen können (Art. 124 Abs. 3 und Art. 124a Abs. 3). Die Bestimmungen über den Vorsorgeausgleich bei Scheidung sind auch auf die gerichtliche Auflösung der eingetragenen Partnerschaft anwendbar (Art. 33 PartG47).

Art. 122

Berufliche Vorsorge. Grundsatz

Die während der Ehe erworbenen Ansprüche aus beruflicher Vorsorge sollen im Scheidungsfall zwischen den Ehegatten ausgeglichen werden. Zu teilen sind dabei die Ansprüche, die auf die obligatorische und auf die überobligatorische berufliche Vorsorge zurückgehen. Als Vorsorgeansprüche gelten die Austrittsleistungen, die laufenden Renten sowie allfälliges Freizügigkeitsguthaben. Ohne Belang ist, ob der verpflichtete Ehegatte unselbstständig erwerbend ist oder ob er sich als Selbstständigerwerbender freiwillig einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge angeschlossen hat (Art. 44 f. BVG). Kein Vorsorgeausgleich erfolgt bei Ansprüchen der 1. und 3.

Säule. Die Regelung der 1. Säule wird ganz dem Sozialversicherungsrecht überlassen48. Dabei werden die Beiträge der Ehegatten bei beiden je zur Hälfte angerechnet (sog. «Splitting»). Die steuerbegünstigte, zweckgebundene «Vorsorge 3a» untersteht hingegen ­ wie die übrige Vorsorge der 3. Säule ­ dem Güterrecht (Art. 120 Abs. 1 i.V.m. Art. 196 ff.). Diese Vorsorgeform ist grundsätzlich bei der Scheidung nach den Grundsätzen des Güterstandes, dem die Ehegatten unterstehen, zu teilen. Es handelt sich dabei nämlich um feste Ansprüche und nicht nur um Anwartschaften49. Ebenfalls kein Vorsorgeausgleich erfolgt bei der gerichtlichen Trennung (Art. 117 f.).

Nach dem geltenden Recht müssen die Austrittsleistungen der Ehegatten auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils berechnet werden. Dies hat zwar den Vorteil, dass der Vorsorgeausgleich auf den während der gesamten Ehedauer erworbenen Austrittsleistungen erfolgt. Nachteilig an der Regelung ist aber, dass sie zum Taktieren verleitet und für den berechtigten Ehegatten einen Anreiz schafft, das Verfahren möglichst in die Länge zu ziehen. Zudem können weder die Parteien noch das Gericht zuverlässig bestimmen, wann das Scheidungsurteil rechtskräftig werden wird. Dies führt dazu, dass ­ zumindest theoretisch ­ mehrfach aktualisierte Bestätigungen der beteiligten Vorsorgeeinrichtungen über die Höhe der massgeblichen 47 48 49

Partnerschaftsgesetz vom 18. Juni 2004, SR 211.231.

BBl 1996 I 101 BBl 1996 I 102

4905

Austrittsleistungen beigebracht werden müssen. Dass eine solche Lösung nicht befriedigt, ist offensichtlich. Die Expertenkommission hatte deshalb vorgeschlagen, es dem Gericht bzw. den Parteien zu erlauben, den Berechnungszeitpunkt zu bestimmen, der aber nicht mehr als sechs Monate vor dem Zeitpunkt liegen darf, in dem das Scheidungsurteil in Rechtskraft erwächst. Der Bundesrat ist der Meinung, dass damit das Problem nicht wirklich gelöst wird. Nach wie vor können die Beteiligten nämlich nicht wissen, wann das Scheidungsurteil rechtskräftig wird. Überzeugen kann daher nur eine Lösung, die einen Zeitpunkt in der Vergangenheit für ausschlaggebend erklärt. Es liegt nahe, dafür auf den gleichen Zeitpunkt wie im Güterrecht abzustellen, d.h. auf den Zeitpunkt, in dem das Scheidungsverfahren eingeleitet wird (Art. 204 Abs. 2)50.

Demnach sieht der Entwurf vor, dass diejenigen Ansprüche ausgeglichen werden, die vom Zeitpunkt der Eheschliessung bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens erworben wurden. Massgebend ist somit neu der Zeitpunkt, in dem ein gemeinsames Scheidungsbegehren oder eine Scheidungsklage eingereicht wird (Art. 274 ZPO).

Prozessual gesprochen handelt es sich dabei um den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit im Sinne von Artikel 62 ZPO. Dass damit die während des Scheidungsverfahrens geäufnete Austrittsleistung nicht hälftig geteilt wird, ist im Interesse einer einfachen Lösung in Kauf zu nehmen.

Art. 123

Ausgleich bei Austrittsleistungen

Absatz 1: Für die Teilung der Ansprüche der beruflichen Vorsorge vor Eintritt des Vorsorgefalls sieht der Entwurf keine materielle Änderung vor. Die während der Ehe erworbene Austrittsleistung beider Ehegatten wird in diesem Fall hälftig zwischen beiden aufgeteilt. Absatz 1 stellt ausdrücklich klar, dass die zu teilende Austrittsleistung auch Altersguthaben umfasst, das sich auf einem Freizügigkeitskonto befindet oder in selbstbewohntes Wohneigentum investiert ist.

Artikel 123 ist anwendbar, wenn bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens kein Vorsorgefall (Alter oder Invalidität) eingetreten ist. Dies gilt auch dann, wenn ein Vorsorgefall noch während des hängigen Scheidungsverfahrens eintritt. Wäre eine hälftige Teilung unbillig, kann allenfalls davon abgewichen werden (vgl. Art. 124b Abs. 2); ist ein Ausgleich mit Mitteln der beruflichen Vorsorge nicht mehr möglich, so gelangt Art. 124e Absatz 1 zur Anwendung.

Ist bei einem der Ehegatten bereits vor Einleitung des Scheidungsverfahrens ein Vorsorgefall eingetreten, bezieht also dieser bereits eine Leistung der beruflichen Vorsorge (Alters- oder Invalidenrente), so wird die Austrittsleistung desjenigen Ehegatten geteilt, der noch keine Leistung erhält. Die Vorsorgeansprüche des leistungsbeziehenden Ehegatten werden hingegen nach den Regeln von Artikel 124 oder 124a geteilt.

Tätigt ein Ehegatte einen WEF-Vorbezug, so bleibt dieses Guthaben für die Altersvorsorge gebunden und wird in die Teilung der Vorsorgeansprüche einbezogen, wenn noch kein Vorsorgefall eingetreten ist.

Ausgenommen von der zu teilenden Austrittsleistung ist wie bereits nach geltendem Recht das aufgezinste Guthaben, das bei der Eheschliessung bereits vorhanden war 50

Gemäss Roland Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Bern 2011, Rz. 529, soll auch das gegenseitige Erbrecht (Art. 120 Abs. 2 ZGB) mit dem Beginn der Rechtshängigkeit untergehen.

4906

(Art. 122 E-ZGB: «die während der Ehe»). Aufgezinste Einmaleinlagen (Einkäufe), die aus Eigengut im Sinne von Artikel 198 ZGB getätigt wurden (Art. 22a Abs. 2 E-FZG), werden nach Absatz 2 ebenfalls nicht geteilt. Von Artikel 198 ZGB abweichende Umschreibungen des Eigenguts, sei dies aufgrund eines vereinbarten Güterstandes oder aufgrund eines Ehevertrags, sollen den Vorsorgeausgleich nicht beeinflussen, denn dieser ist grundsätzlich unabhängig von den Güterständen und der güterrechtlichen Auseinandersetzung vorzunehmen.

Absatz 3: Es wird für die genaue Ermittlung der zu teilenden Vorsorgeansprüche auf die massgebenden Artikel des Freizügigkeitsgesetzes verwiesen.

Art. 124

Ausgleich bei Invalidenrenten vor dem reglementarischen Rentenalter

Artikel 124 regelt, wie der Vorsorgeausgleich vorzunehmen ist, wenn der Rentenberechtigte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge bezieht und das reglementarische Rentenalter noch nicht erreicht hat51.

Absätze 1 und 2: Bis zum Erreichen des Rentenalters ist es möglich, dass bei Wegfall der Invalidität der Anspruch auf die Invalidenrente erlischt (vgl. Art. 26 Abs. 3 BVG) und stattdessen ein Anspruch auf eine Austrittsleistung entsteht. Der Vorsorgeausgleich kann daher bei einer Invalidenrente vor dem Rentenalter weitgehend analog zur Regelung vor dem Eintritt des Vorsorgefalls vorgenommen werden: Gemäss Absatz 1 soll auf jene hypothetische Austrittsleistung abgestellt werden, auf die der Ehegatte bei Erlöschen seines Anspruchs auf die laufende Invalidenrente im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens Anspruch hätte. Eine solche Austrittsleistung, die nach dem Wegfall des Anspruchs auf eine Invalidenrente entsteht und auch den überobligatorischen Teil der Vorsorge umfasst, wird in den geltenden Gesetzesbestimmungen einzig in Artikel 2 Absatz 1ter FZG52 ausdrücklich erwähnt. Aus diesem Grund bezieht sich Absatz 1 auf diesen Artikel des Freizügigkeitsgesetzes. Hatte die Person bei der Heirat bereits Anspruch auf eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Rentenalter, wäre auch im Zeitpunkt der Eheschliessung auf die hypothetische Austrittsleistung abzustellen.

Nachdem die hypothetische Austrittsleistung festgestellt wurde, erfolgt der Vorsorgeausgleich gemäss Absatz 2 analog zum Vorgehen nach Artikel 123. Von einer hälftigen Teilung der hypothetischen Austrittsleistung kann aus wichtigen Gründen abgewichen werden (Art. 124b Abs. 2).

Zu den hypothetischen Austrittsleistungen nach Absatz 1 werden keine WEFVorbezüge mehr hinzugezählt. Diese Mittel sind nämlich bei Eintritt eines Vorsor51

52

Gemäss BVG handelt es sich bei Invalidenrenten der obligatorischen 2. Säule um lebenslängliche Leistungen, d.h. eine Invalidenrente der 2. Säule wird nicht wie diejenige der 1. Säule bei Erreichen des Rentenalters von Gesetzes wegen in eine Altersrente umgewandelt. Viele Reglemente sehen allerdings ein System mit einer temporären Invalidenrente vor, die bei Erreichen des Rentenalters von einer reglementarischen Altersrente abgelöst wird.

Diese Bestimmung wurde in der 6. IV-Revision, erstes Massnahmenpaket, eingeführt und trat auf den 1. Januar 2012 in Kraft. Im zweiten Massnahmenpaket dieser IV-Revision schlägt der Bundesrat ein stufenloses Rentensystem für die 1. und 2. Säule vor. Durch die Abschaffung der Schwelleneffekte wird erhofft, dass in Zukunft vermehrt auch Invalidenrenten wegfallen oder zumindest reduziert werden. Sollte dies zutreffen, werden die Vorsorgeeinrichtungen in Zukunft öfters eine solche Austrittsleistung berechnen müssen.

4907

gefalls endgültig aus der Vorsorge ausgeschieden und werden dementsprechend wie Barauszahlungen behandelt (vgl. Art. 30c Abs. 6 E-BVG und Erläuterungen dazu).

Weitere Besonderheiten des Vorsorgeausgleichs bei einer laufenden Invalidenrente betreffen die Durchführung und die Auswirkungen, wenn für den Vollzug des Vorsorgeausgleichs auf die hypothetische Austrittsleistung zugegriffen werden muss, die bereits zur Finanzierung der Invalidenrente benutzt wurde. Diese Fragen werden unten ausführlicher erläutert (vgl. insbesondere Erläuterungen zu den Art. 124b und 124c E-ZGB sowie zu den Art. 24 und 25 E-BVG).

Man kann sich fragen, aus welchem Grund man bei einer laufenden Invalidenrente vor dem Rentenalter nicht wie bei der Teilung einer Altersleistung oder einer Invalidenleistung nach Erreichen des Rentenalters (vgl. Art. 124a) die Rente teilt. Dies würde zu einem verfälschten Ergebnis führen: Bei der Berechnung einer Invalidenrente wird nämlich davon ausgegangen, dass die versicherte Person ihre Vorsorge noch bis zum ordentlichen Rentenalter weiter aufgebaut hätte. Bei einer Teilung der Invalidenrente würde also auch jener Teil der Vorsorge hälftig geteilt, der erst nach der Scheidung bis zum ordentlichen Rentenalter aufgebaut worden wäre. Die Ausscheidung des «nachehelichen Teils» würde die Berechnung erheblich komplizieren.

Eine Teilung der Rente vor dem Rentenalter wäre auch im Hinblick auf eine Rentenrevision kaum befriedigend zu handhaben. Man denke zum Beispiel an den Fall, in dem eine ¾-Rente von 1500 Franken bei einer Revision auf eine ½-Rente von 1000 Franken gekürzt würde. Notwendigerweise müsste auch die im Rahmen des Vorsorgeausgleichs getroffene Aufteilung «revidiert» werden, was technisch relativ kompliziert wäre. Es würde aber auch bedeuten, dass die Scheidungsfolgen betreffend berufliche Vorsorge im Scheidungsverfahren nie abschliessend geregelt werden könnten, also ein «clean break» geradezu verhindert würde. Aus diesen Gründen ist es notwendig und sachlich richtig, auf die hypothetische Austrittsleistung abzustellen, auf die der Rentenberechtigte beim Wegfall der Invalidität im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens Anspruch hätte.

Im Gegensatz zur Rententeilung führt das Abstellen auf die hypothetische Austrittsleistung auch zu einer relativ einfachen Lösung bei
Teilinvalidität. Beim Anspruch auf eine Teil-Invalidenrente besteht vor dem Rentenalter ein Anspruch auf eine Austrittsleistung für den aktiven Teil der Vorsorge. Für den Vorsorgeausgleich wird für den anderen Teil, der von der Invalidität betroffen ist, eine hypothetische Austrittsleistung berechnet. Beide Teile werden zusammengezählt und gemäss der Regelung in Artikel 123 geteilt. Ist eine teilinvalide versicherte Person ausgleichsbelastet, sollten die Mittel für den Vorsorgeausgleich möglichst aus der vorhandenen Austrittsleistung entnommen werden und nicht aus der hypothetischen Austrittsleistung, die ihr nur bei Wegfall der Invalidität zustünde. Damit kann vermieden werden, dass die bereits laufende Teil-Invalidenrente reduziert werden muss53. Gleichzeitig erhält die versicherte Person so auch die Möglichkeit, die durch den Vorsorgeausgleich entstandene Lücke durch neue Einzahlungen wieder aufzufüllen (vgl. Art. 22d E-FZG). Hat ein Bezüger einer Invalidenrente noch Guthaben in einer Freizügigkeitseinrichtung, ist es ebenfalls sinnvoll, für den Vorsorgeausgleich auf

53

Diese Aussage bezieht sich auf BVG-Invalidenrenten, die auch im Rentenalter ausgerichtet werden. Bei reglementarischen Lösungen mit einer temporären Invalidenrente (vgl.

übernächsten Textabschnitt) wird sich die Leistungsreduktion meist erst nach dem Rentenalter auswirken, dafür umso stärker.

4908

diese Mittel zuzugreifen, um die Reduktion der laufenden Invalidenrente zu vermeiden.

Ist die invalide Person ausgleichsberechtigt, stellt sich kein besonderes Problem: Die Mittel, die ihr im Rahmen des Vorsorgeausgleichs zustehen, führen zwar nicht nachträglich zu einer Erhöhung ihrer Invalidenrente. Wenn es sich nicht um eine Teilinvalidität handelt oder aus anderen Gründen keine Einkaufsmöglichkeit in eine Vorsorgeeinrichtung besteht, können diese Mittel aber auf eine Freizügigkeitseinrichtung übertragen werden. Wenn die Person eine volle Invalidenrente bezieht, kann sie auch die Auszahlung der Leistung verlangen (vgl. Art. 16 Abs. 2 FZV54).

Es ist wichtig, dass das Vorgehen beim Vorsorgeausgleich möglichst gut mit reglementarischen Lösungen vereinbar ist, die weit verbreitet sind55. Viele Vorsorgeeinrichtungen sehen bei den Invalidenrenten ein System vor, bei dem die reglementarische Invalidenrente nur bis zum ordentlichen Rentenalter ausgerichtet wird.

Während dieser temporären Invalidenrente wird das reglementarische Altersguthaben beitragsbefreit, also über Solidarität finanziert, weiter geäufnet und verzinst.

Bei Erreichen des ordentlichen Rentenalters wird dieses Altersguthaben in eine Altersrente umgewandelt. Vorsorgeeinrichtungen mit solchen Systemen dürfte es besonders leicht fallen, die hypothetische Austrittsleistung bei Einleitung des Scheidungsverfahrens zu bestimmen. Diese stimmt nämlich meist mit dem beitragsbefreit weitergeführten Altersguthaben überein, das auch die überobligatorische Vorsorge dieser Einrichtung mit einschliesst56.

Absatz 3: Invalidenleistungen der beruflichen Vorsorge werden zum Teil wegen Überentschädigungen gekürzt, das heisst sie werden nur zum Teil oder gar nicht ausgezahlt, weil die versicherte Person andere Leistungen erhält, die den Verdienst bereits ausgleichen, der ihr wegen der Invalidität entgeht. Würde die Vorsorgeeinrichtung ihre Leistung ohne diese Koordination auszahlen, hätte die versicherte Person aufgrund der Invalidität mehr Einkommen als ohne die Invalidität (= Überentschädigung). Eine solche Korrektur ist zum Beispiel oft notwendig, wenn drei oder mehr Kinderrenten zur Invalidenrente hinzukommen oder wenn neben der Invalidenversicherung auch die Unfallversicherung eine Rente bezahlt. In diesen Fällen braucht es eine differenzierte
Regelung, um zu verhindern, dass durch die Scheidung bleibend mehr Vorsorgegelder an die versicherte Person und ihren Ehegatten fliessen, als sie ohne Scheidung hätten beanspruchen können. Letzteres wäre stossend gegenüber den anderen Versicherten, die diese Leistungen mitfinanzieren müssen. Hingegen soll der Vorsorgeausgleich nicht zu oft verunmöglicht beziehungsweise durch eine angemessene Entschädigung (vgl. Art. 124e Abs. 1) ersetzt werden. Da es sich dabei um Sonderfälle handelt, die eine technisch differenzierte Regelung benötigen, soll der Bundesrat entsprechende Ausführungsbestimmungen erlassen. Er wird dabei das Ziel dieser Vorlage beachten, in möglichst vielen Fällen auch nach dem Vorsorgefall eine Teilung der Vorsorgeansprüche zu ermöglichen.

54 55

56

Freizügigkeitsverordnung vom 3. Oktober 1994, SR 831.425.

Die Gesetzesbestimmungen definieren nämlich nur die obligatorischen Leistungen, und die Vorsorgeeinrichtungen sind frei, die Leistungen reglementarisch anders zu definieren.

Diese reglementarischen Leistungen müssen jedoch mindestens gleich hoch sein wie die obligatorischen Leistungen wären, die aufgrund der Gesetzesbestimmungen berechnet werden.

Ausnahmen werden insbesondere im Leistungsprimat anzutreffen sein.

4909

Art. 124a

Ausgleich bei Invalidenrenten nach dem reglementarischen Rentenalter und bei Altersrenten

Absatz 1: Die Bestimmung regelt die Teilung der Vorsorgeansprüche, falls im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens einer der Ehegatten eine Altersrente oder eine Invalidenrente nach Erreichen des ordentlichen reglementarischen Rentenalters bezieht. In diesem Fall ist es anders als bei einer invaliden Person vor Erreichen des Rentenalters ­ nicht mehr möglich, eine Austrittsleistung zu berechnen. Bei Erreichen des Rentenalters tritt der Vorsorgefall definitiv ein: Das Altersguthaben des bis dahin aktiven Versicherten wird in eine Rente umgewandelt, und für Invalidenrentner ist ab diesem Zeitpunkt keine Wiedereingliederung mehr vorgesehen, die Anspruch auf eine Austrittsleistung auslösen würde (vgl. Erläuterungen zu Art. 124). Die Vorsorgeansprüche, die zuvor in Form von Austrittsleistungen vorhanden waren, sind damit definitiv zu Renteneinkommen geworden. Neu soll der Vorsorgeausgleich in solchen Fällen durch eine Teilung desjenigen Vorsorgeanspruchs vorgenommen werden, der in diesem Zeitpunkt tatsächlich vorhanden ist, nämlich der Rente. Mit der Teilung des Renteneinkommens ist diese Lösung wesentlich näher am heutigen Vorgehen bei einer Scheidung nach Erreichen des Rentenalters als der Vernehmlassungsvorschlag, welcher die Teilung des reglementarischen Rentenbarwerts vorsah. Die vorgeschlagene Lösung hat den grossen Vorteil, dass sie dem ausgleichsberechtigten Ehegatten einen lebenslänglichen Anspruch auf einen Rentenanteil aus der beruflichen Vorsorge des Ex-Ehegatten verschafft.

Dieser lebenslängliche Anspruch besteht unabhängig vom späteren Tod dieses ausgleichsverpflichteten Ehegatten oder einer Wiederverheiratung der berechtigten Person (Abs. 3 Ziff. 1 «lebenslängliche Rente», vgl. unten). Bei dieser Ausgleichsvariante werden wie bei der Teilung der Austrittsleistung (Art. 123) sowohl der obligatorische als auch ein allfälliger überobligatorischer Teil der Rente erfasst (vgl.

Art. 22c E-FZG).

Die Bestimmung des Teils der Vorsorge, der während der Ehe erworben wurde (vgl.

Art. 122), wird durch den Eintritt des Vorsorgefalls Alter erheblich komplizierter, da mit dem Beginn der Altersrente das angesparte Kapital zur Finanzierung der Rente herangezogen wird und daher in gewissem Sinn wieder abnimmt. Wenn die Ehegatten unterschiedlich alt sind, der eine Ehegatte eventuell sogar noch
in der Ansparphase ist, käme es zu starken Verzerrungen, wenn so berechnete «ehelich erworbene Anteile» an der Vorsorge der beiden Ehegatten miteinander verglichen würden.

Unter Umständen würden dabei recht unterschiedlich lange Perioden des Aufbaus des Vorsorgeguthabens miteinander verglichen. In extremen Fällen könnte die Berechnung sogar dazu führen, dass ein jüngerer Ehegatte mit einer tieferen Rente dem älteren Ehegatten mit einer höheren Rente noch zusätzlich einen Teil seiner Vorsorgeansprüche abtreten müsste. Je länger der Vorsorgefall zurückliegt, desto schwieriger ist es zudem, die notwendigen Daten für eine Berechnung zu beschaffen. Ausserdem kann der ausgleichsbelastete Ehegatte die Lücke in seiner Vorsorge, die durch den Vorsorgeausgleich entsteht, nach dem Eintritt des Vorsorgefalls nicht mehr durch Wiedereinzahlungen auffüllen oder seine Vorsorge anderweitig weiter aufbauen. Die äusserst unterschiedlichen Lebensumstände, die bei einer Scheidung nach dem Rentenalter bestehen können, verlangen deshalb ein weniger schematisches Vorgehen als vor dem Vorsorgefall. Anders als der Vorsorgeausgleich nach Artikel 123 kann das Vorgehen nicht auf einer einzigen, mathematisch korrekten Lösung beruhen. Das Gericht muss daher den Anteil der Rente, der dem ausgleichs-

4910

berechtigten Ehegatten zugesprochen werden soll, nach den konkreten Umständen und gestützt auf sein Ermessen bestimmen.

Wegweisend für das Gericht sollte stets der Grundsatz der hälftigen Teilung des während der Ehe erwirtschafteten Vorsorgeguthabens bleiben. Aufgrund der oben beschriebenen spezifischen Situation nach dem Rentenalter wird nun mit der Beachtung der Dauer der Ehe der Tatsache Rechnung getragen, dass nicht immer die ganze Vorsorge zu teilen ist. Bei einer langjährigen Ehe, die einen starken Einfluss auf die Erwerbssituation hatte und während der der grösste Teil der Vorsorge aufgebaut wurde, dürfte in der Regel eine hälftige Teilung der ganzen Rente angemessen sein. Hingegen wäre bei einer kürzeren Ehe, die ein paar Jahre vor dem Rentenalter geschlossen wurde, eine Teilung der ganzen Rente unter dem Titel des Vorsorgeausgleichs kaum angemessen. In diesem Fall wird das Gericht nur einen Teil der Rente teilen. Als Orientierungshilfe enthält der Anhang 1 eine Tabelle, die darüber Auskunft gibt, in welchem Alter bei einem stark modellierten Aufbau der Altersvorsorge welcher Anteil der gesamten Vorsorge als «ehelich erworben» betrachtet werden könnte. Auch Ehejahre nach dem Rentenalter werden dabei beachtet.

Da nach Erreichen des Rentenalters die berufliche Vorsorge in der Regel nicht mehr weiter aufgebaut wird und Lücken auch nicht mehr aufgefüllt werden können, sind die Vorsorgebedürfnisse beider Ehegatten der zweite wichtige Faktor, der beim Entscheid über die Rententeilung beachtet werden muss. Dabei darf nicht nur das Vorsorgebedürfnis eines Ehegatten allein betrachtet werden, sondern sie müssen stets gegeneinander abgewogen werden. Es darf also nicht allein aufgrund der Tatsache, dass der ausgleichsverpflichtete Ehegatte nur eine kleine Altersrente erhält, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten ein sehr geringer oder gar kein Anteil an dieser Rente zugesprochen werden.

Eine besondere Beachtung der Vorsorgebedürfnisse der beiden Ehegatten ist dann notwendig, wenn einer der beiden Ehegatten das Rentenalter vor der Scheidung erreicht hat, den Aufbauprozess also beendet hat, während der andere, wesentlich jüngere Ehegatte, in dieser Zeit seine Vorsorge erst noch aufbauen musste und allenfalls auch nach der Scheidung weiter aufbauen wird. Die voraussichtliche Altersleistung, die dieser
Ehegatte im ordentlichen Rentenalter erwarten darf und die meist im Versicherungsausweis aufgeführt wird, kann ein nützlicher Indikator für die Bestimmung der Vorsorgebedürfnisse dieser Person sein. Dies insbesondere, da die voraussichtliche Altersleistung einen Vergleich mit der Altersleistung zulässt, die der andere Ehegatte bereits bezieht.

Ohne Einigung der Ehegatten können die zu teilende Rente und die ehelich erworbene Austrittsleistung nicht miteinander verrechnet werden. Bei der Teilung der Austrittsleistung wird in einer solchen Situation geprüft werden müssen, ob ein Grund zur Abweichung von einer hälftigen Teilung vorliegt (vgl. Erläuterungen zu Art. 124b E-ZGB).

Was die Reihenfolge der Regelung der Scheidungsfolgen betrifft, so erfolgt wie unter geltendem Recht zuerst die güterrechtliche Auseinandersetzung, danach der Vorsorgeausgleich und zuletzt die Festsetzung des Unterhaltsbeitrages57. Diese Reihenfolge ist auch anzuwenden, wenn der Vorsorgeausgleich durch Teilung der Rente erfolgt. Güter- und unterhaltsrechtliche Aspekte dürfen und müssen bei einem

57

BGE 130 III 537 E. 4.

4911

Ermessensentscheid über die Rententeilung insofern mit einbezogen werden, als dies notwendig ist, um einen unbilligen Entscheid über die Rententeilung zu vermeiden.

Da die Altersvorsorge die wirtschaftliche Situation im Rentenalter absichern soll, sind bei Rentenbezügern nach dem reglementarischen Rentenalter die Vorsorgebedürfnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse weitgehend miteinander identisch.

Es wäre daher kaum praktikabel, zunächst einen Ermessensentscheid über die Aufteilung der Rente zu fällen und diesen danach, zum Beispiel aufgrund der wirtschaftlichen Situation nach der Scheidung, wegen Unbilligkeit (Art. 124b Abs. 2 E-ZGB) zu korrigieren. Die Aufzählung der konkreten Umstände, die das Gericht bei seinem Ermessensentscheid beachtet, ist nicht abschliessend. Sollen neben der Dauer der Ehe und den Vorsorgebedürfnissen der beiden Ehegatten andere Umstände beachtet werden, muss dies offengelegt werden, damit der Entscheid nachvollziehbar ist. In Frage kommen insbesondere die Umstände, die als Grund zu einer Abweichung von der hälftigen Teilung der Austrittsleistung genügen (vgl. Art. 124b), und vergleichbar schwerwiegende Gründe.

Absatz 2 und Absatz 3 Ziffer 1: Der zugesprochene Rententeil muss in einen lebenslänglichen Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehegatten umgerechnet werden.

Die Rente wurde nämlich für die versicherte Person berechnet und entsprechend finanziert. Sie wäre beim Tod der versicherten Person durch eine oft wesentlich tiefere Hinterlassenenrente abgelöst worden. Neu soll der berechtigte Ehegatte jedoch einen Anspruch haben, der vom Tod des versicherten, ausgleichsverpflichteten Ehegatten nicht beeinflusst wird und der auch den überobligatorischen Teil der Rente mit einschliesst. Die Vorsorgeeinrichtung teilt dem Gericht oder den Parteien auf Anfrage die Höhe des für den anderen Ehegatten umgerechneten Rentenanteils mit. Der Bundesrat wird die technischen Ausführungsbestimmungen zu dieser Umrechnung und den Informationsflüssen zwischen den Vorsorgeeinrichtungen, dem Gericht und den Ehegatten erlassen (vgl. Art. 24 Abs. 3 und 4 E-FZG).

Beispiel für die Umrechnung: Ein 70-jähriger Mann erhält eine Altersrente von 2000 Franken pro Monat, und das Reglement der zuständigen Vorsorgeeinrichtung legt die Höhe der Hinterlassenenrente bei 60 Prozent der laufenden
Altersrente fest. Die Frau ist 5 Jahre jünger als der Mann und hat keine eigene 2. Säule.

Situation 1: Die Ehe hat lange gedauert und die Altersvorsorge des Mannes wurde grösstenteils in den gemeinsamen Ehejahren aufgebaut. Das Gericht entscheidet daher, dass die ganzen Vorsorgeansprüche (in Form der laufenden Altersrente) hälftig geteilt werden sollen. Der Mann behält somit 1000 Franken pro Monat. Die Frau erhält eine lebenslängliche Rente, die wertmässig der Hälfte der laufenden

4912

Altersrente des Mannes entspricht und sich in diesem Fall auf 930 Franken pro Monat beläuft58.

Situation 2: Die Ehe wurde geschlossen, als der Mann 41 Jahre alt war. Dieser hat somit einen beträchtlichen Teil des Vorsorgeguthabens vor der Eheschliessung erworben. Das Gericht entscheidet daher, dass nicht die gesamten Vorsorgeansprüche geteilt werden sollen, sondern nur 80 Prozent davon (= 1600 Franken). Dieser Teil der Vorsorgeansprüche wird hälftig geteilt (= je 800 Franken). Beim Mann verbleibt ein Rentenanspruch von 1200 Franken (400 Franken + 800 Franken). Der Teil, welcher der Frau zugesprochen wird (800 Franken), muss in einen lebenslänglichen Anspruch umgerechnet werden. Sie erhält dementsprechend 744 Franken pro Monat.

Wäre die Ehefrau nicht 5 Jahre jünger, sondern 5 Jahre älter als ihr Ehegatte, so würden bei der Umrechnung höhere Werte resultieren: In der Situation 1 würde sie monatlich 1320 Franken von der Vorsorgeeinrichtung erhalten und in der Situation 2 1056 Franken. Der Anteil des Mannes bliebe hingegen gleich wie oben beschrieben.

Auch beim Ausgleich nach Artikel 124a sollen die Mittel, die ein ausgleichsberechtigter Ehegatte erhält, der noch nicht selbst Leistungen der beruflichen Vorsorge bezieht, grundsätzlich der Vorsorge erhalten bleiben und nicht vorzeitig verbraucht werden. Falls der ausgleichsberechtigte Ehegatte das Rentenalter noch nicht erreicht hat, wird ihm sein Anspruch an der Rente des anderen Ehegatten daher nicht direkt ausgerichtet, sondern diese Mittel werden an seine Vorsorgeeinrichtung überwiesen.

Hat er keine Vorsorgeeinrichtung oder hat er dort keine Einkaufsmöglichkeiten mehr, so wird die Vorsorgeeinrichtung des ausgleichsverpflichteten Ehegatten gerichtlich angewiesen, die lebenslängliche Rente direkt an die Freizügigkeitseinrichtung seiner Wahl oder an die Auffangeinrichtung zu überweisen. Die genauen Modalitäten dazu sind in Artikel 22c E-FZG geregelt. Artikel 22e E-FZG legt fest, unter welchen Voraussetzungen die direkte Ausrichtung der lebenslänglichen Rente verlangt werden kann (vgl. Erläuterungen zu den Art. 22c und 22e E-FZG).

Absatz 3 Ziffer 2 räumt dem Bundesrat die Kompetenz ein, Ausführungsbestimmungen zu erlassen, wenn der Anspruch aus beruflicher Vorsorge aufgeschoben (Altersleistung) oder wegen Überentschädigung (Invalidität) gekürzt wird: ­

58

Wird eine Altersrente aufgeschoben, so entsteht im Prinzip kein Anspruch auf eine Austrittsleistung, die einfach nach Artikel 123 geteilt werden könnte. Indes besteht auch noch kein Rentenanspruch, der nach Artikel 124a geteilt werden könnte. Da es sich um Sonderfälle handelt, ist es sinnvoll, die Regelung auf Verordnungsebene zu treffen. Der Bundesrat wird dabei bestDieser Wert ist kleiner als die Hälfte der laufenden Altersrente des Mannes (1000 Franken pro Monat). Dies deshalb, weil die Vorsorgeeinrichtung nur die laufende Altersrente bis zum (statistischen) Todeszeitpunkt des Mannes und die Anwartschaft auf Hinterlassenenrente finanziert hat. Da aber in diesem Beispiel die Frau jünger als der Mann ist und ausserdem statistisch eine höhere Lebenserwartung hat, muss die lebenslängliche Rente an die Frau voraussichtlich über einen längeren Zeitraum bezahlt werden, als ursprünglich bei der Berechnung der Altersrente des Mannes angenommen wurde. Die Vorsorgeeinrichtungen berechnen diesen Wert unter Anwendung der vom Bundesamt für Sozialversicherungen gestützt auf versicherungsmathematische Grössen definierten Parameter.

Diese Parameter berücksichtigen neben dem Alter der versicherten Person und ihres Ehegatten auch die Höhe der Ehegattenrente, die das Reglement für diesen Ehegatten ohne die Scheidung vorsehen würde. In sehr vielen Reglementen werden dafür 60 % der Altersrente vorgesehen, doch kann dies bei umhüllenden oder ganz überobligatorischen Vorsorgeeinrichtungen auch anders geregelt sein.

4913

möglich auf die verschiedenen reglementarischen Lösungen Rücksicht nehmen.

­

Invalidenrenten der beruflichen Vorsorge sind grundsätzlich lebenslängliche Leistungen, die nicht mit Erreichen des Rentenalters von Gesetzes wegen in eine Altersrente umgewandelt werden. Liegt eine Überentschädigung vor, so erfolgt auch im Rentenalter eine Leistungskürzung (vgl. Art. 24 Abs. 2bis BVV 2). Deshalb braucht es auch eine Regelungskompetenz des Bundesrates, die diese wahrscheinlich relativ seltenen Fälle regeln wird.

Aufgrund der neu eingeführten Rententeilung sollte die Zahl der angeordneten zusätzlichen Unterhaltsbeiträge stark zurückgehen. Denkbar sind sie insbesondere noch in Fällen, in denen eine viel jüngere Ehegattin des rentenbeziehenden ausgleichsverpflichteten Ehegatten nach der Scheidung stark von der Betreuung kleiner Kinder in Anspruch genommen und deshalb während einer bestimmten Zeit nicht oder nur beschränkt erwerbstätig sein wird.

Die Aufteilung der Rente zwischen den Ehegatten hat keinen Einfluss auf Kinderrenten, die im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens bereits laufen (vgl. Erläuterungen zu Art. 17 Abs. 2 E-BVG). Hingegen werden Ansprüche des ausgleichsverpflichteten Ehegatten auf Kinderrenten, die erst nach diesem Zeitpunkt entstehen, nur noch auf seinem Rentenanteil berechnet.

Die Lösung gemäss Artikel 124a hat auch Auswirkungen auf die Höhe der Hinterlassenenleistungen eines künftigen neuen Ehegatten der ausgleichsverpflichteten Person. Der Anspruch des versicherten Ehegatten wird durch die Aufteilung der Rente bleibend reduziert. Der Teil des Rentenanspruchs, welcher dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zugesprochen wurde, wird für den ausgleichsverpflichteten Ehegatten nicht mehr leistungsrelevant, und zwar auch dann nicht, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte stirbt.

Beim ausgleichsberechtigten Ehegatten hängt die Möglichkeit zukünftiger weiterer Vorsorgeleistungen davon ab, ob diese Vorsorgegelder noch in seine eigene Vorsorgeeinrichtung eingebracht werden konnten. Nur in diesem Fall werden sie bei allfälligen zukünftigen Kinder- oder Hinterlassenenleistungen wirksam.

Der Rentenanteil des ausgleichsberechtigten Ehegatten wird wie der Rententeil des ausgleichsverpflichteten Ehegatten an die Teuerung angepasst und von allfälligen Sanierungsmassnahmen erfasst. Der Anteil der Rente ist ­ anders als eine Unterhaltsrente ­ unabänderbar. Eine Veränderung der Verhältnisse nach Rechtskraft des Scheidungsurteils ist unbeachtlich, weil der Vorsorgeausgleich nicht auf dem Grundsatz der nachehelichen Solidarität basiert, sondern zum Ziel hat, während der Ehe erworbene Ansprüche aus beruflicher Vorsorge zu teilen.

Wurde die Altersleistung ganz oder teilweise in Kapitalform ausgezahlt (Art. 37 BVG), haben diese Mittel den Vorsorgekreislauf verlassen. Die Auseinandersetzung
über Vorsorgekapitalien erfolgt in diesem Fall zwiefältig: zum einen unter dem Titel des Güterrechts, zum anderen unter demjenigen des Vorsorgeausgleichs.

Güterrechtlich kommen die Spezialbestimmungen zur Anwendung, die sich auf Leistungen von Vorsorgeeinrichtungen beziehen: Grundsätzlich fallen alle Vorsorgeleistungen als Ersatzeinkommen in die Errungenschaft (Art. 197 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB für die Errungenschaftsbeteiligung) bzw. in das Gesamtgut (Art. 222 Abs. 2 ZGB für die Gütergemeinschaft). Nun gilt es aber, den Bezug von Altersleistungen in Form eines Kapitals mit demjenigen in Form einer Rente gleichzustellen: Ein 4914

Kapitalbezug fiele, da vor Auflösung des Güterstandes ausgerichtet, integral in die zu teilende Masse, obwohl mit der Kapitalabfindung eine Rente ersetzt wird, die auch nach der Auflösung des Güterstandes ausgerichtet und insofern güterrechtlich nicht geteilt würde. Damit wäre die Kapital- gegenüber der Rentenbezügerin benachteiligt. Derjenige Teil, welcher ihrem künftigen Lebensunterhalt vorbehalten ist, muss deshalb von der güterrechtlichen Auseinandersetzung ausgenommen werden.

Entsprechend halten Artikel 207 Absatz 2 ZGB (für die Errungenschaftsbeteiligung) beziehungsweise Artikel 237 ZGB (für die Gütergemeinschaft) fest: Die Kapitalleistung, die ein Ehegatte von einer Vorsorgeeinrichtung erhalten hat, wird im Betrag des Kapitalwertes der Rente, die dem Ehegatten bei Auflösung des Güterstandes zustünde, dem Eigengut zugerechnet. Dieser Betrag wird von der güterrechtlichen Auseinandersetzung ausgenommen, unabhängig davon, ob er tatsächlich noch vorhanden ist oder nicht.

Nach dieser güterrechtlichen folgt die vorsorgerechtliche Auseinandersetzung. Das Kapital, welches von der Einrichtung der beruflichen Vorsorge ausbezahlt worden ist, hat den Vorsorgekreislauf verlassen. Ein Vorsorgeausgleich mit Mitteln der beruflichen Vorsorge ist somit nicht mehr möglich und der verpflichtete Ehegatte hat dem berechtigten Ehegatten für den Betrag, der von der güterrechtlichen Auseinandersetzung ausgenommen wurde, eine angemessene Entschädigung gemäss Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB zu leisten59.

Art. 124b

Ausnahmen

Artikel 124b regelt, unter welchen Voraussetzungen das Gericht oder die Ehegatten vom Grundsatz der hälftigen Teilung abweichen können. Wie im geltenden Recht wird zwischen dem Fall unterschieden, dass sich die Ehegatten auf eine Ausnahme verständigen (Absatz 1), und dem Fall, dass das Gericht eine Ausnahme vom Grundsatz der hälftigen Teilung verfügt (Absatz 2). Neu ist die Verankerung der Möglichkeit, eine überhälftige Teilung zu vereinbaren oder anzuordnen (Abs. 1 und 3).

Absatz 1: Die Ehegatten können wie unter geltendem Recht in einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen auf die Teilung der Vorsorgeansprüche ganz oder teilweise verzichten. Die Hürden für den Verzicht werden gemäss dem Entwurf allerdings herabgesetzt: Während der geltende Artikel 123 Absatz 1 für den Verzicht voraussetzt, dass die Vorsorge des verzichtenden Ehegatten auf andere Weise gewährleistet ist, verlangt der neue Artikel 124b, dass eine angemessene Alters- und Invalidenvorsorge gewährleistet bleibt. Diese Regelung ist unabhängig davon anwendbar, ob im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens bereits ein Vorsorgefall eingetreten ist oder nicht.

Nach geltendem Recht könnte das Gericht den Verzicht auf die Teilung nur unter der Voraussetzung bewilligen, dass ein gleichwertiges Vorsorgesurrogat bei der verzichtenden Partei vorhanden ist. Das Surrogat muss in quantitativer Hinsicht dem entsprechen, worauf verzichtet wird. So kann beispielsweise die Partei, die einen Ausgleichsanspruch von 40 000 Franken hat und über eine güterrechtlich nicht teilungspflichtige Säule 3a im Wert von 30 000 Franken verfügt, auf 30 000 Franken 59

Ausführlich Myriam Grütter, Beispiele zum Vorsorgeausgleich gemäss Vorentwurf Dezember 2009, in: Andrea Büchler, Ingeborg Schwenzer (Hrsg.), Fünfte Schweizer Familienrecht§Tage, Bern 2010, S. 216 ff.

4915

verzichten. Beträgt das Vorsorgekapital aus der 3. Säule 40 000 Franken oder mehr, kann sie auf den ganzen Ausgleichsanspruch verzichten. Der Entwurf erlaubt auch in weiteren Fällen einen Verzicht auf die Teilung, namentlich wenn es im konkreten Fall danach aussieht, dass der verzichtende Ehegatte auch ohne Vorsorgeausgleich über eine angemessene Alters- und Invalidenvorsorge verfügt. Gedacht wird insbesondere an den Fall, in dem beide Ehegatten ihre Berufstätigkeit während der Ehe nicht eingeschränkt haben und deshalb keine ehebedingten Nachteile auszugleichen sind. Voraussetzung für den Verzicht auf die Teilung bleibt allerdings auch in diesem Fall, dass beide Ehegatten damit einverstanden sind. Ist ein Ehegatte mit dem Verzicht auf die Teilung nicht einverstanden, so hat das Gericht die hälftige Teilung der Ansprüche anzuordnen, unabhängig davon, ob die Ehegatten während der Ehe ihre Erwerbstätigkeit eingeschränkt haben oder nicht.

Die Flexibilisierung der aktuellen Verzichtsregelung wurde im Vernehmlassungsverfahren grundsätzlich begrüsst. Mehrere Teilnehmende fürchteten allerdings, dass die neue Regelung den Ehegatten zu viel Autonomie gewähre60. Die Lockerung der Verzichtsvoraussetzungen ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die Parteien neu über die Teilung ihrer Vorsorge frei disponieren könnten. Die verzichtende Partei hat nach wie vor dem Gericht zu erklären, warum sie auf die Teilung verzichtet und inwieweit ihre Vorsorge sichergestellt bleibt. Das Gericht hat anschliessend von Amtes wegen zu prüfen, ob die verzichtende Partei trotz Verzichts über eine angemessene Vorsorge verfügt (Art. 280 Abs. 3 E-ZPO). Ein Verzicht auf die Teilung darf insbesondere später zu keiner Überwälzung von Lasten auf die öffentliche Hand führen.

Der Entwurf sieht im Übrigen analog zur gerichtlichen Möglichkeit (Art. 124b Abs. 3) vor, dass die Ehegatten eine überhälftige Teilung festlegen können. Dies stets unter der Voraussetzung, dass dem Ehegatten, der mehr als die Hälfte seiner Ansprüche überträgt, eine angemessene Vorsorge gewährleistet bleibt. Zwischen den Ehegatten kann eine solche Teilung auch dann vereinbart werden, wenn der berechtigte Ehegatte nach der Scheidung keine Betreuungsaufgaben (Art. 124b Abs. 3) wahrnimmt.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Vorsorge sind die persönlichen
Verhältnisse der Partei, die auf die Teilung verzichtet oder eine überhälftige Leistung überträgt, und insbesondere deren Alter zu berücksichtigen. Verfügt diese Partei im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens lediglich über eine bescheidene berufliche Vorsorge, so hat das Gericht zu prüfen, ob sie nach der Scheidung konkret die Möglichkeit haben wird, eine adäquate Vorsorge aufzubauen. Damit sich das Gericht ein umfassendes Bild von der vorsorgerechtlichen Lage der Parteien machen kann, hat es sämtliche ­ auch voreheliche ­ Guthaben zu berücksichtigen.

Bei kurzen und kinderlosen Ehen sollte in der Regel ein Verzicht auf die Teilung möglich sein. Ein Verzicht ist auch aus den Gründen möglich, die den gerichtlichen Ausschluss der Teilung nach Absatz 2 rechtfertigen.

Der Vorsorgeausgleich bleibt ein selbstständiges, vom Güter- und Unterhaltsrecht unabhängiges Rechtsinstitut. Eine unangemessene Vorsorge darf deshalb nicht mit höheren Unterhaltsbeiträgen oder einer grosszügigeren Teilung des Güterrechts kompensiert werden. Als Vorsorgekapital können wie heute auch gebundene 3. Säulen, Lebensversicherungen mit Erlebensfallkapital, Liegenschaften, ein per60

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 14 f.

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sönliches Wohnrecht oder eine unbefristete Nutzniessung in Betracht fallen. Keine angemessene Vorsorge ist hingegen durch frei verfügbares Vermögen gewährleistet.

Der Entwurf ändert nichts daran, dass ein Verzicht auf die Teilung oder eine überhälftige Teilung der Vorsorgeansprüche nur dann gültig ist, wenn sie im Rahmen einer Scheidungskonvention vereinbart wurden. Auch in Zukunft wird es damit nicht möglich sein, in einem Ehevertrag (Art. 181 ZGB) auf den Vorsorgeausgleich ganz oder teilweise zu verzichten oder eine überhälftige Teilung der während der Ehe erwirtschafteten Vorsorgeansprüche vorzusehen61.

Absatz 2: Der Entwurf lockert die Voraussetzungen dafür, dass das Gericht auch gegen den Willen der Parteien den Vorsorgeausgleich ganz oder teilweise ausschliesst. Der Vorentwurf sah vor, dass das Gericht die hälftige Teilung ganz oder teilweise verweigern muss, wenn sie offensichtlich unbillig wäre (Art. 122 Abs. 2 VE-ZGB). Der Begriff der «offensichtlichen Unbilligkeit» wurde im Vernehmlassungsverfahren als zu unbestimmt und restriktiv kritisiert. Gewünscht wurde eine Formulierung, die der Praxis mehr Spielraum gewährt62. Der überarbeitete Entwurf sieht neu eine weniger restriktive Lösung vor, die sich am Vorschlag der Expertenkommission von Mai 2009 orientiert: Das Abweichen vom Grundsatz der hälftigen Teilung ist geboten, wenn wichtige Gründe vorliegen. Diese Möglichkeit sieht das Gesetz lediglich im Falle der Teilung der Austrittsleistungen vor, also wenn der betreffende Ehegatte das reglementarische Rentenalter noch nicht erreicht hat. Hat nämlich der Ehegatte das reglementarische Rentenalter erreicht, verfügt das Gericht bereits gemäss Artikel 124a Absatz 1 über den nötigen Ermessensspielraum, bei der Teilung der Vorsorgeansprüche die Bedürfnisse des Einzelfalls genügend zu beachten. Die Gründe, die zu einer Verweigerung der Teilung führen können, müssen beim Vorsorgeausgleich nach dem Rentenalter gemäss Artikel 124a Absatz 1 bereits beim Teilungsentscheid beachtet werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 124a). Bei dieser Teilung braucht es daher keine zusätzliche Ausnahmemöglichkeit. Artikel 124b bietet allerdings eine notwendige Korrekturmöglichkeit für die Situation, in der bei einem Ehegatten gemäss Artikel 124a die Rente geteilt wird, während beim anderen die ehelich erworbene
Austrittsleistung hälftig zu teilen ist. Es ist dann besonders wichtig, dass auch bei der Teilung der Austrittsleistung eine Korrekturmöglichkeit besteht, um ein unbilliges Resultat zu vermeiden.

Im Entwurf werden nicht abschliessend zwei Anwendungsfälle genannt: ­

61 62 63

Nach Ziffer 1 liegt ein wichtiger Grund vor, wenn die hälftige Teilung aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung oder der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Scheidung unbillig erscheint. Dieser Tatbestand deckt praktisch sämtliche Fälle ab, die bereits nach geltendem Recht den Ausschluss der Teilung rechtfertigen. Die Unbilligkeit ist zum Beispiel zu bejahen, wenn die erwerbstätige Ehefrau ihrem Ehemann die Ausbildung finanziert hat und dieser vor der Aufnahme der Erwerbstätigkeit steht, was ihm ermöglichen wird, eine bessere Altersvorsorge als die Ehefrau aufzubauen63.

Das Gleiche gilt, wenn ein Ehegatte als Angestellter arbeitet, über ein bescheidenes Einkommen und eine 2. Säule verfügt, während der andere Ausführlich Carmen Ladina Widmer, Gestaltungsmöglichkeiten von Eheverträgen und Scheidungskonventionen, ZBJV 2009, S. 419 ff.

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens vom Oktober 2010, S. 13 f.

BGer 5A_79/2009 vom 28. Mai 2009 E. 2.1.

4917

Ehegatte als selbstständig Erwerbender über keine 2. Säule verfügt, wirtschaftlich allerdings viel besser dasteht. Die Teilung der Vorsorgeansprüche ist also unbillig, wenn die dadurch entstehende vorsorgerechtliche Situation des einen Ehegatten im Vergleich zu jener des anderen stossend wäre.

­

Unter Ziffer 2 werden die Vorsorgebedürfnisse als möglicher Grund für eine Abweichung von der hälftigen Teilung genannt. Im weiteren Sinn gehören die Vorsorgebedürfnisse zu den wirtschaftlichen Verhältnissen und könnten unter Ziffer 1 subsumiert werden. Durch die Einführung der Teilung der Vorsorgeansprüche auch nach dem Vorsorgefall könnten jedoch ­ speziell unter dem Aspekt der Vorsorgebedürfnisse ­ bei einer ausnahmslosen hälftigen Teilung vermehrt unbillige Resultate auftreten. Daher scheint es gerechtfertigt, ausdrücklich auf die Vorsorgebedürfnisse hinzuweisen. Auch hier liegt die Unbilligkeit vor, wenn die durch die Teilung entstandene vorsorgerechtliche Situation des einen Ehegatten im Vergleich zu jener des anderen stossend ist.

Das Gericht muss bei einer Scheidung die Tatsache beachten, dass der invalide Ehegatte die entstandene Lücke nicht mehr durch Wiedereinzahlungen auffüllen kann (vgl. Erläuterungen zu Art. 124). Dies führt nicht automatisch zu einem unbilligen Resultat: Allein die Tatsache, dass ein Ehegatte im Zeitpunkt der Scheidung bereits über eine Invalidenrente verfügt, die gerade sein Existenzminimum deckt, stellt an sich noch keinen Grund dar, von einer hälftigen Teilung der Vorsorgeansprüche abzuweichen. Erst im Vergleich zu den Vorsorgebedürfnissen des anderen Ehegatten kann die Unbilligkeit verneint oder bejaht werden.

Im Übrigen kann es auch in Situationen, in denen beide Ehegatten mit vergleichbaren Einkommensverhältnissen und vergleichbaren zukünftigen Altersleistungen aufgrund eines grossen Altersunterschieds während der Ehe stark unterschiedliche Guthaben aufgebaut haben, gerechtfertigt sein, von der hälftigen Teilung abzuweichen. Daher wird der Altersunterschied ausdrücklich erwähnt.

Die wichtigen Gründe, die zum Abweichen bzw. zum Ausschluss von der hälftigen Teilung führen, sind in Absatz 2 wie schon erwähnt nicht abschliessend aufgeführt.

Es sind weitere Umstände denkbar: so beispielsweise der Fall, dass der potenziell berechtigte Ehegatte seine Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat. Es wäre unbefriedigend, wenn der Ehegatte in diesem Fall die hälftige Teilung der Austrittsleistung trotzdem einfordern könnte64.

Bei der Anwendung von Absatz 2 ist darauf zu achten, dass der Grundsatz der hälftigen Teilung der Vorsorgeguthaben, die während der Ehe aufgebaut wurden, nicht ausgehöhlt wird. Allein unterschiedliche Vermögensverhältnisse und Erwerbsaussichten genügen grundsätzlich nicht, vom Grundsatz der hälftigen Teilung abzuweichen65. Der Vorsorgeausgleich hat zum Ziel, während der Ehe geäufnete Ansprüche zu teilen. Die Leistungsfähigkeit der Ehegatten ist daher grundsätzlich

64 65

BGE 133 III 497 ff.

BGer 5A_79/2009 vom 28. Mai 2009 E. 2.1.

4918

beim Vorsorgeausgleich nicht zu berücksichtigen66, und nicht jede Ungleichheit, die nach einer hälftigen Teilung der Vorsorge entsteht oder weiter bestehen bleibt, ist ein wichtiger Grund im Sinn dieses Absatzes. Der Vorsorgeausgleich soll aber auch nicht zu geradezu unbilligen Verhältnissen führen.

Absatz 3: Das Gericht kann neu auch eine überhälftige Teilung der Austrittsleistungen anordnen. In der Lehre ist heute umstritten, ob eine solche zulässig ist67. Mit einer überhälftigen Teilung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der berechtigte Ehegatte aufgrund der Betreuung gemeinsamer Kinder nach der Scheidung daran gehindert ist, eine volle Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. eine bestehende auszubauen, und deshalb auch keine oder nur eine bescheidene Vorsorge bilden kann. Mit einer überhälftigen Teilung soll die erst nach der Scheidung entstehende Vorsorgelücke ausgeglichen werden. Dies unter der Voraussetzung, dass der belastete Ehegatte trotz überhälftiger Teilung weiterhin über eine angemessene Alters- und Invalidenvorsorge verfügt. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Vorsorge des verpflichteten Ehegatten hat das Gericht die gleichen Grundsätze zu beachten wie bei der Überprüfung nach Absatz 1. Obwohl die überhälftige Teilung nicht ausdrücklich bei der Rententeilung nach Artikel 124a genannt wird, können die Gründe, die eine überhälftige Teilung rechtfertigen, bereits bei der Ausübung des richterlichen Ermessens berücksichtigt werden. Daher kann auch bei der Rententeilung mehr als die Hälfte der Rente zugesprochen werden.

Für die Berechnung der überhälftigen Teilung sollen die gleichen Grundsätze wie für die Festsetzung des Vorsorgeunterhalts nach Artikel 125 gelten68. Die überhälftige Teilung der Vorsorgeansprüche hat gegenüber der Leistung von Vorsorgeunterhalt den Vorteil, dass die übertragenen Mittel dem Zweck der Vorsorge gebunden bleiben und dass eine Abänderung des Entscheides betreffend die Teilung der Vorsorge im Gegensatz zur Regelung des Unterhaltsrechts (Art. 129 Abs. 1) nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils ausgeschlossen ist.

Art. 124c

Verrechnung gegenseitiger Ansprüche

Absatz 1: Die neue Regelung schreibt vor, wie zu verfahren ist, wenn den Ehegatten gegenseitige Ansprüche zustehen. Müssen beide Ehegatten ihre Austrittsleistungen teilen, werden diese verrechnet: Dieser Vorgang entspricht im Ergebnis dem Artikel 122 Absatz 2 geltenden Rechts, wonach der Differenzbetrag der Ansprüche zu teilen ist.

Auch wenn es darum geht, zwei Altersrenten oder Invalidenrenten (nach dem Rentenalter) zu teilen, sind die Rentenansprüche zu verrechnen. Das Gericht spricht 66

67

68

Vgl. Alexandra Rumo-Jungo, Berufliche Vorsorge bei Scheidung, in: Pascal Pichonnaz/ Alexandra Rumo-Jungo (Hrsg.), Berufliche und freiwillige Vorsorge in der Scheidung, 5. Symposium zum Familienrecht 2009, Universität Freiburg, Zürich 2010, S. 28 f.; Myriam Grütter, Vorsorgeausgleich durch Entschädigung im Alter und bei Invalidität, in: Pascal Pichonnaz/Alexandra Rumo-Jungo (Hrsg.), Berufliche und freiwillige Vorsorge in der Scheidung, 5. Symposium zum Familienrecht 2009, Universität Freiburg, Zürich 2010, S. 195 ff.

Dafür Roland Fankhauser, Einverständliche Scheidung nach neuem Scheidungsrecht, Basel/Genf/München 1999, S. 98 ff.; dagegen Thomas Geiser, in: Heinz Hausheer (Hrsg.), Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, Bern 1999, N 2.83.

Ausführlich Daniel Summermatter, Zur Berechnung des Vorsorgeunterhalts, FamPra.ch 2011, S. 665 ff.; Thomas Geiser, Aufbau einer angemessener Altersvorsorge und Dauer des nachehelichen Unterhalts, in: FamPra.ch 2012, S. 356 ff.

4919

wie bei der Verrechnung von Ansprüchen auf Austrittsleistungen nur den Differenzbetrag zu. Dieser zugesprochene Differenzbetrag wird anschliessend nach Artikel 124a Absatz 2 in einen lebenslänglichen Anspruch für den ausgleichsberechtigten Ehegatten umgerechnet.

Auch in den Fällen, in denen zwei Rentenansprüche verrechnet werden, handelt es sich beim Vorsorgeausgleich um einen «clean break»: Der spätere Tod des einen geschiedenen Ehegatten ändert nichts mehr am Anspruch des anderen geschiedenen Ehegatten.

Absatz 2: Bezieht nur ein Ehegatte eine Altersrente oder eine Invalidenrente im Rentenalter, während dem anderen Ehegatten noch ein Anspruch auf eine (hypothetische) Austrittsleistung zusteht, so wird der Vorsorgeausgleich im Prinzip bei einem Ehegatten durch Teilung der Rente, beim anderen hingegen durch Teilung der Austrittsleistung vorgenommen. Eine Verrechnung ist in diesen Fällen nur möglich, wenn die Vorsorgeeinrichtung des rentenbeziehenden Ehegatten eine Übertragung zugunsten des Ausgleichsberechtigten in Kapitalform vorsieht und wenn beide Ehegatten diesem Vorgehen zustimmen69. Dies ist sinnvoll, da der rentenbeziehende Ehegatte die Lücke, die durch den Vorsorgeausgleich entsteht, nicht mehr durch Wiedereinzahlungen auffüllen kann und er auch den Teil der Austrittsleistung, auf den er durch den Vorsorgeausgleich Anspruch erhält, nicht mehr in seine Vorsorgeeinrichtung einbringen kann. Auch die Vorsorgeeinrichtung des ausgleichsverpflichteten Ehegatten hat ein Interesse, die Überweisung in Kapitalform anzubieten, wenn mit der Verrechnung der Vorsorgeausgleich für sie abgeschlossen werden kann und keine lebenslängliche Rentenzahlung resultiert. Allerdings kann auch ein Ehegatte, der noch aktiv versichert ist und beim Vorsorgeausgleich einen Anteil an der Rente erwirbt, aus Vorsorgegründen ein verständliches Interesse daran haben, an einer Überweisung in Rentenform festzuhalten. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn dieser Ehegatte voraussichtlich bis zum Rentenalter den Ausgleichsbetrag in Kapitalform nicht mehr in seine Vorsorgeeinrichtung einbringen kann. Seinen Vorsorgebedürfnissen dürfte es dann wesentlich besser entsprechen, wenn er nach Erreichen des Rentenalters seine lebenslängliche Rente aus dem Vorsorgeausgleich direkt als Renteneinkommen beziehen kann70.

Art. 124d

Unzumutbarkeit

Die neue Regelung erlaubt es in bestimmten Fällen, dass der Vorsorgeausgleich nicht mit Mitteln der beruflichen Vorsorge erfolgt, selbst wenn dies möglich wäre.

Sie schafft damit eine zusätzliche Flexibilität. In diversen Fällen, insbesondere bei den neu geschaffenen Möglichkeiten, auf Vorsorgemittel zu greifen (Art. 124 und 124a), kann es nämlich sein, dass sich eine andere Lösung aufdrängt. Dabei müssen stets die Vorsorgebedürfnisse beider Ehegatten erhoben und gegeneinander abgewogen werden. Es handelt sich um eine Ausnahme vom Prinzip, dass der Vorsorge69

70

Aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung verzichtet der Bundesrat darauf, zwingend die Umwandlung eines Anteils an einer Altersrente oder an einer Invalidenrente nach dem Rentenalter in ein Kapital vorzusehen. Die Vorsorgeeinrichtungen können dies aber anbieten (vgl. Art. 22c Abs. 3 E-FZG).

Neu wird zwar die Möglichkeit vorgesehen, ein Guthaben aus einem Vorsorgeausgleich durch die Auffangeinrichtung in eine Rente umwandeln zu lassen (Art. 60a E-BVG).

Bei dieser Umwandlung kann aber kein verhältnismässiger Anteil am BVGUmwandlungssatz beachtet werden, da sonst in der Auffangeinrichtung eine Quersubventionierung durch die anderen Versicherten dieser Einrichtung notwendig wäre.

4920

ausgleich aus Vorsorgemitteln vollzogen werden soll. Nur wenn sich der Zugriff auf die Vorsorgemittel des ausgleichsverpflichteten Ehegatten bei der Abwägung der Vorsorgebedürfnisse beider Ehegatten als nicht zumutbar erweist, sollen andere Mittel für den Vorsorgeausgleich verwendet werden können. Eine Lösung gestützt auf Artikel 124d ist damit nur möglich, wenn genügend freies Kapital zur Verfügung steht.

In gewissen Fällen ist es vorstellbar, dass der berechtigte Ehegatte kein Interesse an einer Übertragung von Vorsorgemitteln hat. Dies ist meist der Fall, wenn er seinen Anspruch unmittelbar nach dem Vorsorgeausgleich in Kapitalform beziehen will, beispielsweise wenn er beabsichtigt auszuwandern und sein Guthaben aus beruflicher Vorsorge beziehen will (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. a FZG). In einem solchen Fall spielt es für ihn aus Vorsorgeüberlegungen keine Rolle, ob der verpflichtete Ehegatte ihm den Ausgleich durch Mittel der beruflichen Vorsorge oder durch ungebundene Mittel leistet. Bewirkt die Übertragung von Vorsorgemitteln beim ausgleichsverpflichteten Ehegatten einen ernsthaften Nachteil ­ zum Beispiel weil bei ihm der Vorsorgefall bereits eingetreten ist und er die Lücke deshalb nicht mehr durch Wiedereinkäufe ausgleichen kann ­ und sind genügend andere Mittel vorhanden, um den Vorsorgeausgleich abzugelten, so ist dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten eine Übertragung von Vorsorgemitteln nicht zuzumuten.

In anderen Fällen besteht zwar ein gewisses Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an Vorsorgemitteln, das aber im Vergleich zu den Vorsorgebedürfnissen des Ausgleichsverpflichteten wesentlich kleiner ist. Als Beispiel kann die Situation eines Bezügers einer ganzen Invalidenrente vor dem Rentenalter dienen, dessen berechtigter Ehegatte in seiner Vorsorgeeinrichtung keine Einkaufsmöglichkeiten mehr hat und wahrscheinlich bis zum Rentenalter auch nicht mehr haben wird. Bei der Übertragung eines Teils der hypothetischen Austrittsleistung des Invalidenrentners müsste dessen Rente bleibend herabgesetzt werden, was seine Vorsorgebedürfnisse stark beeinträchtigen würde. Für die Vorsorgebedürfnisse des berechtigten Ehegatten ist die Übertragung aus Vorsorgemitteln nur insoweit wichtig, als er dadurch einen Anteil am obligatorischen Teil des Vorsorgeguthabens erhält. Dieses Argument spielt
allerdings keine Rolle, wenn das Guthaben nicht mehr in seine Vorsorgeeinrichtung eingebracht werden kann. Je kleiner die Wahrscheinlichkeit ist, dass dies noch möglich ist, desto weniger wichtig ist eine Übertragung aus Vorsorgemitteln für seine Vorsorgebedürfnisse. Dies umso mehr, als durch die neu geschaffene gesetzliche Grundlage in Artikel 22f Absatz 3 E-FZG nun auch die Abfindung nach den Artikeln 124d und 124e Absatz 1 E-ZGB in die Vorsorge des ausgleichsberechtigten Ehegatten eingebracht und so für seine Vorsorge gebunden werden kann.

Eine Zahlung aus freien Mitteln zum Zweck des Vorsorgeausgleichs kann nur in Form eines Kapitals geleistet werden. Die Leistung in Rentenform ist nicht möglich, sonst würden dabei auch die bisherigen Probleme nach dem Tod des verpflichteten Ehegatten wieder auftreten (Problematik der «geschiedenen Witwen»). Bei einer Einigung der Ehegatten kann davon ausgegangen werden, dass sie ihre Vorsorgebedürfnisse und die Zumutbarkeit in ihrer konkreten Situation gut beurteilen können.

Dies entbindet das Gericht jedoch nicht davon zu prüfen, ob der Grund der Ausnahme die Berücksichtigung der Vorsorgebedürfnisse ist, denn unter dieser Voraussetzung ist Artikel 124d anwendbar. Andere Gründe, zum Beispiel steuerliche Motive, genügen dagegen nicht, um vom Prinzip des Vorsorgeausgleichs mit Vorsorgemitteln abzuweichen.

4921

Art. 124e

Unmöglichkeit

Absatz 1: Der neue Artikel 124e regelt die Situation, in der es nicht möglich ist, für den Vorsorgeausgleich auf Mittel der schweizerischen 2. Säule zu greifen: wenn keine Austrittsleistung vorhanden ist, kein hypothetischer Anspruch auf eine Austrittsleistung besteht (Invalidität) oder wegen Überentschädigungskürzung nicht darauf gegriffen werden kann und auch kein Rentenanspruch nach Artikel 124a geteilt werden kann. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einer Ruhegehaltsordnung71 oder wenn sich das massgebende Vorsorgeguthaben im Ausland befindet. Die Leistung einer angemessenen Entschädigung in Form einer Kapitalabfindung oder allenfalls einer Rente kann auch angeordnet werden, wenn wie nach geltendem Recht während der Ehe entweder eine Bar- oder Kapitalauszahlung stattgefunden hat oder ein WEF-Vorbezug getätigt wurde und in der Zwischenzeit der Vorsorgefall Alter oder Invalidität eingetreten ist, sofern in diesen Fällen das Guthaben güterrechtlich nicht berücksichtigt werden kann.

Im Gegensatz zur Unterhaltsrente nach Artikel 125 ZGB erlischt die Rente nach Artikel 124e Absatz 1 bei Wiederverheiratung des berechtigten Ehegatten nicht und sie ist unabänderlich72. Stirbt der Schuldner von Rentenzahlungen nach Artikel 124e Absatz 1, so hat sein Ex-Ehegatte ­ sofern die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind ­ Anspruch auf Hinterlassenenleistungen nach Artikel 20 Absatz 1 BVV 2.

Solche Hinterlassenenleistungen der beruflichen Vorsorge fallen jedoch bei einer Wiederverheiratung dahin.

Absatz 2: Artikel 124e erfasst auch Situationen, in denen Vorsorgeansprüche im Ausland von einem schweizerischen Gericht nicht wirksam geteilt werden können.

Auch hier soll ein Ausgleich über eine Rente oder eine Kapitalabfindung möglich sein. Ergeht nach dem schweizerischen Urteil eine ausländische Entscheidung über den Ausgleich des betreffenden Guthabens und wird diese rechtskräftig, so werden die vom schweizerischen Gericht angeordneten Ersatzmassnahmen ganz oder teilweise gegenstandslos. In einer solchen Situation muss das Gericht die Möglichkeit haben, die betreffenden Anordnungen auf Begehren des verpflichteten Ehegatten aufzuheben oder anzupassen. Absatz 2 schafft die rechtliche Grundlage dafür. Eine direkte Teilung des ausländischen Guthabens ist einer Ersatzlösung in Form einer vom ausgleichsbelasteten
Ehegatten auszurichtenden Rente vorzuziehen. Im Fall einer nach Absatz 1 zugesprochenen Rente ist daher ein nachträgliches ausländisches Urteil, das eine direkte Teilung vorsieht, durchaus erwünscht. Eine nach Absatz 2 zu berücksichtigende Entscheidung wird in der Regel in dem Staat ergehen, in dem die betroffenen Vorsorgeansprüche bestehen. Sie kann jedoch auch aus einem Drittstaat stammen, dessen Entscheidungen im vorgenannten Staat anerkannt werden. Ausschlaggebend ist, ob die Entscheidung für die Stelle, gegen welche die Ansprüche bestehen (den Vorsorgeschuldner), verbindlich ist und die Teilung der Ansprüche somit tatsächlich umgesetzt wird.

71

72

Ruhegehaltsordnungen: Eine derartige Vorsorge sehen der Bund, einzelne Kantone und verschiedene Gemeinden für bestimmte Personengruppen vor, so etwa für Magistratspersonen, Richterinnen und Richter sowie Professorinnen und Professoren.

Vgl. Myriam Grütter, Vorsorgeausgleich durch Entschädigung im Alter und bei Invalidität, a.a.O. (FN 66), S. 182 ff., FN 61.

4922

Art. 7d SchlT Berufliche Vorsorge Für das Übergangsrecht gelten inhaltlich die gleichen Grundsätze wie bei der Einführung des neuen Scheidungsrechts vom 26. Juni 199873 (Art. 7a f. SchlT ZGB). So werden beispielsweise gleich wie bei Artikel 7b Abs. 1 SchlT ZGB auch Scheidungsprozesse erfasst, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens vor einer oberen kantonalen Instanz rechtshängig sind. Die Rechtshängigkeit wird durch Einreichung der Scheidungsklage oder des gemeinsamen Scheidungsbegehrens begründet (Art. 62 und 198 Bst. c ZPO).

Art. 7e SchlT

Umwandlung bestehender Renten

Absatz 1: Hat ein geschiedener Ehegatte bei der Scheidung gestützt auf den bisherigen Artikel 124 ZGB eine angemessene Entschädigung in Form einer Rente zugesprochen erhalten, so kann er diese unter Umständen für die Zukunft an das neue Recht anpassen, das heisst sie in einen lebenslänglichen Rentenanspruch gegenüber der Vorsorgeeinrichtung des Ex-Ehegatten umwandeln lassen. Dadurch wird die Rechtsnatur der Rente geändert: Aus einer zivilrechtlichen Rente wird eine Rente, die dem Recht der beruflichen Vorsorge unterliegt. Diese wird nicht mehr durch den Ex-Ehegatten, sondern durch dessen Vorsorgeeinrichtung geleistet, und zwar direkt an die ausgleichsberechtigte Person, falls diese invalid ist oder das Rentenalter erreicht hat (Art. 22e E-FZG), andernfalls an deren Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung (Art. 22c E-FZG).

Für die Umwandlung müssen allerdings verschiedene materielle Voraussetzungen gegeben sein: Die Entschädigung muss im Scheidungsurteil in Form einer zeitlich nicht limitierten Rente («Rente ..., die erst mit dem Tod des verpflichteten oder des berechtigten Ehegatten erlischt») ausgesprochen worden sein. Hat die vorsorgeverpflichtete Person die Rente lediglich für eine bestimmte Dauer auszurichten, so ist eine Umwandlung in eine lebenslängliche Rente nicht möglich. In diesem Fall trägt die vorsorgeberechtigte Person gleich wie bei Unterhaltsleistungen das Risiko, dass der Ex-Ehegatte vor Ablauf der im Urteil vorgesehenen Leistungsdauer stirbt.

Weiter kommt die Umwandlung nur in Betracht, wenn die Entschädigung zugesprochen wurde, weil im Zeitpunkt der Scheidung bereits ein Vorsorgefall eingetreten war. Die Umwandlung ist hingegen ausgeschlossen, wenn die Entschädigung angeordnet wurde, weil die Ansprüche aus beruflicher Vorsorge aus anderen Gründen nicht geteilt werden konnten. Dies ist beispielweise der Fall, wenn sich ein Ehegatte während der Ehe die Austrittsleistung bar auszahlen liess (Art. 5 FZG). Ebenfalls nicht möglich ist eine Umwandlung, wenn eine angemessene Entschädigung in Form einer Kapitalleistung vorgesehen wurde. In diesem Fall ist nämlich davon auszugehen, dass der Vorsorgeausgleich durch die Ausrichtung dieser Kapitalleistung vollzogen wurde.

Die Umwandlung setzt weiter voraus, dass die ausgleichsverpflichtete Person im Zeitpunkt, in dem die berechtigte Person
das Begehren auf Umwandlung stellt, eine Invalidenrente nach dem reglementarischen Rentenalter oder eine Altersrente bezieht. In den anderen Fällen, also wenn die ausgleichsverpflichtete Person invalid ist, aber das reglementarische Rentenalter noch nicht erreicht hat, würde auch nach neuem Recht nicht eine lebenslängliche Rente, sondern ­ gestützt auf Artikel 124 ZGB ­ eine Austrittsleistung zugesprochen. Nicht mehr möglich ist im Übrigen eine 73

AS 1999 1118

4923

Umwandlung, wenn die ausgleichsverpflichtete Person bei Einreichung des entsprechenden Gesuchs bereits verstorben ist: Mit dem Tod ist der Anspruch auf die bei der Scheidung zugesprochene zivilrechtliche Rente erloschen; es besteht also kein Rentenanspruch mehr, der umgewandelt werden könnte. Zudem ist in dieser Situation der Vorsorgefall Tod bereits eingetreten; dessen Folgen, beispielsweise Waisenrente oder Rente für den überlebenden Ehegatten, können nicht rückwirkend abgeändert werden.

Das Gesuch um Umwandlung ist innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieser Revision einzureichen. Aus Praktikabilitätsgründen ist das Gesuch beim Gericht einzureichen, das das Scheidungsurteil ausgesprochen bzw. die in Frage stehende Scheidungskonvention genehmigt hat.

Absatz 2: Hat ein ausländisches Gericht die angemessene Entschädigung gemäss Artikel 124 ZGB zugesprochen, so hat der geschiedene berechtigte Ehegatte die Möglichkeit, die Umwandlung in eine lebenslängliche Rente bei einem schweizerischen Gericht nach Artikel 59 oder 60 IPRG zu beantragen.

Absatz 3: Für die Berechnung der Höhe der zukünftig von der Vorsorgeeinrichtung zu leistenden lebenslänglichen Rente nach Artikel 124a E-ZGB wird auf die Höhe der Rentenzahlung abgestellt, die der Ex-Ehegatte bis zur Umwandlung zu bezahlen hat. Dieser Betrag wird dem zugesprochenen Rentenanteil gleichgesetzt und dann versicherungstechnisch umgerechnet. Dabei sind die Verhältnisse, insbesondere das Alter der beiden Ex-Ehegatten, im Zeitpunkt der Umwandlung massgebend und nicht etwa rückblickend das Alter, das sie bei der Scheidung hatten.

2.2

Obligationenrecht

Wie bereits im geltenden Recht ist es notwendig, im Arbeitsvertragsrecht gewisse im BVG enthaltene Grundsätze zu übernehmen, damit diese für die Vorsorgenehmer auch im überobligatorischen Bereich gelten.

Art. 331d Abs. 5 zweiter Satz und Abs. 6 Die vorgeschlagene Änderung dient der Klarstellung: Statt von Gericht ist von Zivilgericht die Rede. Damit wird das Missverständnis ausgeräumt, dass das Sozialversicherungsgericht über die Rechtmässigkeit der Verweigerung der Zustimmung entscheidet.

Die Änderungen in diesem Artikel werden zum Anlass genommen, in Absatz 6 die Verweise zu korrigieren. Diese waren beim Einfügen von Artikel 30f BVG (der frühere Art. 30f wurde zum geltenden Art. 30g BVG74) aufgrund eines redaktionellen Versehens nicht angepasst worden.

Art. 331e Abs. 5, 6 und 8 Zur Begründung der in Absatz 5 vorgeschlagenen Änderung kann auf die Erläuterungen zu Artikel 30c Absatz 5 E-BVG verwiesen werden (vgl. Ziff. 2.6).

74

Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 18. Juni 2004, in Kraft seit 1. Jan. 2005 (AS 2004 4635; BBl 2003 6399).

4924

In Absatz 6 müssen die Verweise an die aktuelle Revision angepasst werden. Der Vorbezug von Vorsorgemitteln für selbstbewohntes Wohneigentum wird auch unter neuem Recht nur so lange als Vorsorgeguthaben in den Vorsorgeausgleich einbezogen, als kein Vorsorgefall eingetreten ist. Bei Eintritt eines Vorsorgefalls wird die Herausnahme dieser Mittel endgültig und sie müssen daher wie ein Barbezug behandelt werden. Bei einer Scheidung nach dem Vorsorgefall müssen diese Vorsorgeansprüche gestützt auf Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB über eine angemessene Entschädigung abgegolten werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 30c E-BVG).

In Absatz 8 werden lediglich die Verweise korrigiert (vgl. Erläuterungen zu Art. 331d OR).

2.3

Zivilprozessordnung

Art. 280 Abs. 1 Einleitungssatz, Bst. a und b sowie Abs. 3 Der vorgeschlagene neue Teilungsmodus für den Fall, dass mindestens ein Ehegatte im Scheidungszeitpunkt bereits das reglementarische Rentenalter erreicht hat (Art. 124a E-ZGB), bedingt eine Ergänzung von Absatz 1 dieser Bestimmung. Die vorgeschlagene neue Verzichtsregelung bzw. die neue Möglichkeit, eine überhälftige Teilung der Vorsorgeansprüche zu vereinbaren (Art. 124b Abs. 1 E-ZGB), führt zudem zu einer Anpassung von Absatz 3. Mit den übrigen Änderungen wird ein redaktionelles Versehen behoben.

Art. 281 Abs. 1 und 3 Einleitungssatz, Bst. c und d Fehlende Einigung über den Vorsorgeausgleich Der vorgeschlagene neue Teilungsmodus für den Fall, dass mindestens ein Ehegatte im Scheidungszeitpunkt bereits das reglementarische Rentenalter erreicht hat (Art. 124a E-ZGB), bedingt eine Ergänzung dieser Bestimmung. Die übrigen Änderungen sind redaktioneller Natur und betreffen die Verweisung auf das ZGB (Art. 122­124a) und auf das FZG (Art. 22­22b).

Art. 283 Abs. 3 Diese Bestimmung betrifft den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen im Ausland.

Kann im konkreten Einzelfall eine Entscheidung des zuständigen Gerichts im betreffenden Staat erwirkt werden, so kann das schweizerische Gericht den Vorsorgeausgleich als Ganzes in ein separates Verfahren verweisen und dieses in Erwartung der ausländischen Entscheidung aussetzen. Dies ist dort sinnvoll, wo das zuständige ausländische Gericht anders als das schweizerische eine eigentliche Teilung des Vorsorgeguthabens vornehmen kann und einer der Ehegatten bereit ist, ein entsprechendes Verfahren einzuleiten. Die Gesamtzuständigkeit des schweizerischen Gerichts für den Vorsorgeausgleich wird durch eine entsprechende Anordnung nicht berührt. Auch bleibt der gesamte Vorsorgeausgleich dem schweizerischen Recht (vgl. Art. 63 und 64 IPRG) und dem dort geltenden Grundsatz der hälftigen Teilung unterstellt. Das Ergebnis der ausländischen Entscheidung führt lediglich zu einer Anrechnung der zugesprochenen Leistungen im Rahmen des schweizerischen Verfahrens. Erhält der ausgleichberechtigte Ehegatte aus schweizerischer Sicht zu

4925

wenig, kann das Ergebnis der ausländischen Entscheidung im Rahmen von Artikel 124e E-ZGB ergänzt werden.

Das sistierende Gericht kann bereits den Teilungsschlüssel festlegen, wenn die Möglichkeit besteht, dass das ausländische Gericht eine entsprechende Anordnung anerkennt. In der Schweiz wäre die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung zur Frage des Teilungsverhältnisses bei einem inländischen Vorsorgeguthaben nach dem geltenden Recht (nicht aber nach den neuen Art. 63 und 64 E-IPRG) möglich75.

Artikel 283 Absatz 3 E-ZPO ist eine Kann-Vorschrift. Ob das Gericht davon Gebrauch machen oder stattdessen gestützt auf Artikel 124e E-ZGB eine angemessene Entschädigung zusprechen soll, ist in sein Ermessen gestellt. Es hat seine Entscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu treffen. Zu prüfen sein wird insbesondere, ob sich das Verfahren durch die Miteinbeziehung des ausländischen Gerichts wesentlich verzögern wird und ob den Ehegatten die entstandene Verzögerung zugemutet werden kann. Zu berücksichtigen sind zudem allfällige versicherungstechnische Komplikationen, die sich daraus ergeben, dass aufgrund der Verzögerung noch während des Verfahrens der Vorsorgefall eintreten kann.

Art. 284 Abs. 1 Die vorgesehene Anpassung dieser Bestimmung wird erforderlich, weil mit Artikel 124e Absatz 2 E-ZGB neben den Artikeln 129 und 134 ZGB eine weitere Möglichkeit für die Abänderung eines rechtskräftigen Scheidungsurteils geschaffen wird.

2.4

Bundesgesetz über das internationale Privatrecht

Art. 61

Anwendbares Recht

Artikel 61 IPRG legt fest, nach welchem Recht sich die Voraussetzungen für eine Scheidung76 vor einem schweizerischen Gericht bestimmen. Gemäss Artikel 63 IPRG regelt dieses Recht auch die Nebenfolgen der Scheidung. Hierzu bestehen allerdings verschiedene Ausnahmen. Für die Wirkungen in Bezug auf Namen, Unterhaltspflichten und Güterrecht der Ehegatten gelten Sonderbestimmungen; ebenso für das Verhältnis zu den Kindern. Von der Grundregel des Artikels 63 IPRG erfasst wird hingegen nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Vorsorgeausgleich (vgl. Ziff. 1.3.6).

In seiner aktuellen Fassung unterstellt Artikel 61 IPRG in der Schweiz anhängige Scheidungen grundsätzlich dem schweizerischen Recht. Absatz 2 sieht eine Ausnahme vor für ausländische Ehegatten gleicher Staatsangehörigkeit, von denen nur einer in der Schweiz wohnhaft ist. Die Absätze 3 und 4 schränken diese Ausnahme für gewisse Fälle ein. Durch Streichung der geltenden Absätze 2­4 soll nun Artikel 61 IPRG dahingehend vereinfacht werden, dass ausnahmslos für jede Scheidung in

75 76

BGE 130 III 336 E. 2.5 ff.

Die Regeln des IPRG über Scheidungen gelten auch für gerichtliche Trennungen, welche im Folgenden nicht ausdrücklich erwähnt werden.

4926

der Schweiz schweizerisches Recht gilt. Damit soll den in Ziffer 1.3.6 genannten Anliegen Rechnung getragen werden.

Die vorgeschlagene Änderung in Artikel 61 IPRG hat in erster Linie das auf den Vorsorgeausgleich anwendbare Recht im Auge. Sie betrifft aber auch den Scheidungspunkt. Auch hier wird die ausschliessliche Anwendbarkeit des schweizerischen Rechts als sinnvoll erachtet. Wie in Ziffer 1.3.6 ausgeführt wird, erscheint es heute nicht mehr verhältnismässig, die Gerichte zur Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts der Ehegatten zu verpflichten. Der Gleichlauf von forum und ius trägt zudem der engen Verknüpfung des Scheidungsrechts mit dem Prozessrecht Rechnung.

Im Schrifttum ist mit Hinweis auf die europäische Rom-III-Verordnung77 kritisiert worden, dass mit der (bereits im Vorentwurf vorgeschlagenen) Änderung das gemeinsame Heimatrecht nicht einmal bei einer entsprechenden Rechtswahl durch die Ehegatten zur Anwendung gelangen kann. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass in den Fällen einer einvernehmlichen Scheidung die Ehegatten keinerlei reelles Interesse an einer Anwendung eines anderen Rechts haben können, legt ihnen doch das ZGB keine nennenswerten Hindernisse in den Weg. Von praktischer Bedeutung ist eine Rechtswahlmöglichkeit dagegen im Hinblick auf die Nebenfolgen, für die aber wie gesagt ohnehin weitgehend Spezialregeln gelten. Beim Vorsorgeausgleich erscheint eine Rechtswahlmöglichkeit nicht angebracht.

Bei der nicht einvernehmlichen Scheidung hat jeweils immer nur ein Ehegatte ein Interesse an der Anwendung des gemeinsamen Heimatrechts: der klagende Ehegatte, wenn das betreffende Recht liberaler ist als das schweizerische (Fehlen einer Wartefrist), und der beklagte Ehegatte, wenn es restriktiver ist. Aus der Interessenlage der Ehegatten lässt sich somit nichts zuungunsten der vorgeschlagenen Lösung ableiten.

Art. 63 Abs. 1bis und 2 erster Satz Nach dem geltenden Artikel 63 Absatz 1 IPRG regelt das für die Scheidung zuständige schweizerische Gericht auch deren Nebenfolgen. Damit ist das betreffende Gericht auch für den Vorsorgeausgleich zuständig (vgl. Ziff. 1.3.6).

Absatz 1bis: Neu wird bestimmt, dass diese Zuständigkeit ausschliesslich ist, soweit es um Guthaben bei einer schweizerischen Vorsorgeeinrichtung geht. Der Ausgleich solcher Ansprüche muss damit zwingend vor einem
schweizerischen Gericht erfolgen. Das hat primär zwei Folgen: Erstens können die Ehegatten in diesen Fällen keinen anderen Gerichtsstand vereinbaren. Zweitens werden ausländische Entscheidungen über die Teilung von Guthaben bei schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen nicht anerkannt. Damit bezweckt der Entwurf, dass bei schweizerischen Guthaben durchwegs schweizerisches Recht zur Anwendung kommt und die zwingend konzipierte Regelung des ZGB nicht durch ein Verfahren im Ausland ausgehebelt werden kann (vgl. Ziff. 1.3.6). In Bezug auf Vorsorgeansprüche im Ausland bleibt es den Ehegatten unbenommen, einen anderen Gerichtsstand zu vereinbaren. Der Vernehmlassungsentwurf hatte hier den Status quo belassen (nicht ausschliessliche Zustän-

77

Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, ABl. L 343 vom 29.12.2010, S. 10.

4927

digkeit der schweizerischen Gerichte), was im Vernehmlassungsverfahren zum Teil beanstandet wurde.

Die Zuständigkeit nach Artikel 63 IPRG steht unter dem Vorbehalt des LuganoÜbereinkommens78 (Art. 1 Abs. 2 IPRG). Dessen sachlicher Anwendungsbereich erfasst auch zivilrechtliche Scheidungsnebenfolgen, insbesondere «Unterhaltssachen» (Art. 5 Ziff. 2 LugÜ), nicht aber Fragen des «Personenstandes» und der «ehelichen Güterstände» (Art. 1 LugÜ). Eine auf den Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB gestützte Rente dürfte im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)79 wegen ihrer Nähe zum Ehegüterrecht vom sachlichen Geltungsbereich des Übereinkommens ausgenommen sein. Dies gilt erst recht für die eigentliche Teilung von Austrittsleistungen oder Renten im Sinne der Artikel 122 ff. E-ZGB. Im deutschen Schrifttum wird der mit dem schweizerischen Vorsorgeausgleich vergleichbare «Versorgungsausgleich» vollumfänglich den «ehelichen Güterständen» zugeordnet und damit vom Anwendungsbereich der Brüssel-I-Verordnung80, dem europäischen Parallelinstrument zum Lugano-Übereinkommen, ausgenommen81.

Absatz 2: Die vorgeschlagene Änderung von Artikel 63 IPRG wurde durch die Neufassung von Artikel 61 IPRG notwendig. Das in Artikel 61 E-IPRG nunmehr ausschliesslich bezeichnete schweizerische Recht ist auch für den Ausgleich von Vorsorgeansprüchen im Ausland massgebend. Die Idee, den Vorsorgeausgleich dem Recht des betreffenden Staats (Vorsorgestatut) zu unterstellen, wurde im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten wegen der Befürchtung verworfen, der Ehegatte der Person, auf die das Guthaben lautet, könne allzu oft leer ausgehen. In der Tat kennt nur eine kleine Zahl von Staaten den scheidungsbedingten Vorsorgeausgleich schweizerischen Zuschnitts. Gewisse Staaten sehen einen gewissen Ausgleich über das Unterhalts- oder Güterrecht vor. Ein Ausgleich in Form einer Rente oder einer Kapitalabfindung kann jedoch auch im Rahmen von Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB vorgenommen werden.

Wo eine nach ZGB vorgenommene Teilung ausländischer Vorsorgeansprüche im betreffenden Staat nicht anerkennungsfähig ist, hat das Gericht gestützt auf Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB einen Ausgleich in Form einer Kapitalzahlung oder einer Rente zu verfügen. Zudem kann dem Ehegatten, der einen Ausgleichsanspruch hätte, gestützt auf Artikel 22f E-FZG zum
Ausgleich ein höherer Anteil an einem allfälligen schweizerischen Vorsorgeguthaben des pflichtigen Ehegatten zugesprochen werden. Erfolgt im Ausland nachträglich eine Teilung des betreffenden Guthabens, so kann ein auf Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB gestütztes Urteil nötigenfalls angepasst werden (Art. 124e Abs. 2 E-ZGB).

78

79

80

81

Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, LugÜ (SR 0.275.12).

Urteil vom 27. März 1979 in der Rechtssache 143/78, Jacques de Cavel gegen Luise de Cavel, Slg. 1979 1055, Randnr. 7, sowie Urteil vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache C-220/95, Antonius van den Boogaard gegen Paula Laumen, Slg. 1997 I-1147, Randnr. 21 f.

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), ABl. L 12 vom 16.1.2001.

Vgl. Peter Mankowski, in: Thomas Rauscher (Hrsg.), Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/EuIPRG, Bearbeitung 2011, München 2011, N 12 zu Art. 1 Brüssel I-VO m. Hinw.; Jan Kropholler/Jan von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Auflage, Frankfurt 2011, N 27 zu Art. 1 EuGVO.

4928

Kann im konkreten Einzelfall eine gerichtliche Entscheidung im betreffenden Staat erwirkt werden, so kann das schweizerische Gericht den Vorsorgeausgleich als Ganzes in ein separates Verfahren verweisen und dieses in Erwartung der ausländischen Entscheidung aussetzen (Art. 283 Abs. 3 E-ZPO). Dies ist dort sinnvoll, wo das zuständige ausländische Gericht anders als das schweizerische Gericht eine eigentliche Teilung des betreffenden ausländischen Vorsorgeguthabens vornehmen kann. Der gesamte Vorsorgeausgleich bleibt aber der schweizerischen Zuständigkeit und dem schweizerischen Recht unterstellt. Das schweizerische Gericht hat dafür zu sorgen, dass das Gesamtergebnis den Grundsätzen des ZGB entspricht. Es kann entweder mit der Sistierung das Teilungsverhältnis festlegen oder nachträglich eine aus schweizerischer Sicht unbillige ausländische Entscheidung durch Massnahmen nach Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB ergänzen.

Die Verweisung auf das schweizerische Recht gilt nur für die zivilrechtlichen Aspekte. Das FZG ist auf Guthaben bei ausländischen Vorsorgeeinrichtungen grundsätzlich nicht anwendbar. Eine eigentliche Teilung solcher Guthaben ist nur möglich, soweit das für die betreffende Vorsorgeeinrichtung massgebende Recht ebenfalls Freizügigkeit oder ­ wie das deutsche Versorgungsausgleichsgesetz (vgl.

dort § 10) ­ die Begründung eines zusätzlichen Guthabens bei der betroffenen Vorsorgeeinrichtung zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten vorsieht.

«Austrittsleistung» ist in Zusammenhang mit ausländischen Guthaben funktional auszulegen. Zu teilen ist die ausländische Entsprechung zur Austrittsleistung gemäss FZG.

Selbst wenn die erwähnten Voraussetzungen für eine Teilung erfüllt sind, ist allerdings fraglich, ob die Teilung eines Guthabens bei einer ausländischen Vorsorgeeinrichtung durch ein schweizerisches Gericht durchführbar ist. Im schweizerischen Schrifttum wird bezweifelt, dass diesbezügliche Anordnungen schweizerischer Gerichte Bindungswirkungen für ausländische Vorsorgeeinrichtungen entfalten können82. Bei ausländischen Guthaben wird daher wohl ganz allgemein auf die erwähnten Artikel 124e E-ZGB und 283 Absatz 3 E-ZPO zurückgegriffen werden müssen. Diese Problematik bliebe auch dann bestehen, wenn man die Teilung ausländischer Guthaben dem Recht des betreffenden Staates unterstellte.
Artikel 63 E-IPRG bietet den Vorteil, dass bei Vorhandensein von Vorsorgeguthaben in mehr als einem Staat dessen Teilung von ein und demselben schweizerischen Gericht vorgenommen werden kann (unter Vorbehalt der Überweisung an das zuständige Sozialversicherungsgericht nach Art. 281 Abs. 3 ZPO) und der ausgleichsberechtigte Ehegatte sich nicht an ein weiteres Gericht wenden muss. Da aber bei ausländischen Guthaben praktisch nur eine indirekte Teilung über Artikel 124e EZGB in Frage kommen dürfte, lässt es der Entwurf dem ausgleichsberechtigten Ehegatten unbenommen, die Teilung des betreffenden Guthabens bei den zuständigen Gerichten des betroffenen Staats zu beantragen (vgl. Art. 124e Abs. 2 E-ZGB).

Wie gesagt kann das schweizerische Gericht hierfür sein eigenes Verfahren aussetzen (Art. 283 Abs. 3 E-ZPO). Auch können die Ehegatten bereits vorgängig die Zuständigkeit für den Ausgleich des besagten Guthabens einem ausländischen Gericht übertragen (Art. 5 IPRG).

82

Siehe u.a. Daniel Trachsel, Der Vorsorgeausgleich im internationalen Verhältnis, a.a.O.

(FN 30), S. 246 f., und Audrey Leuba, Le partage de la prévoyance professionnelle dans un contexte de divorce international, Jusletter 12. Dezember 2011, Rz. 24.

4929

Das Bundesgericht hat wie gesagt festgehalten, dass der Vorsorgeausgleich im Rahmen des IPRG als eigenständige Nebenfolge zu behandeln ist, die nicht unter die Spezialbestimmungen zum Unterhalts- und Güterrecht fällt (vgl. Ziff. 1.3.6). Dies gilt auch dann, wenn das Gericht eine Rente festsetzt83. Auch eine Rente im Sinne von Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB kann demnach gestützt auf das auf die Scheidung anwendbare Recht, sprich das schweizerische Recht, zugesprochen werden.

Art. 64 Abs. 1bis und 2 erster Satz Gemäss dem geltenden Artikel 64 Absatz 1 IPRG sind die schweizerischen Gerichte zur Ergänzung oder Abänderung von Scheidungs- oder Trennungsurteilen zuständig, wenn sie diese selbst ausgesprochen haben oder wenn sie für die Scheidung oder Trennung als Ganzes zuständig wären. Der neue Absatz 1bis erklärt die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte zum Ausgleich von Guthaben bei schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen für ausschliesslich. Es kann diesbezüglich auf die Bemerkungen zu Artikel 63 E-IPRG verwiesen werden, auch was die Änderung in Absatz 2 anbelangt.

Dadurch, dass neu ausländische Entscheidungen über den Ausgleich schweizerischer Vorsorgeguthaben nicht mehr anerkannt werden, erübrigt sich die in der Praxis häufige Frage, ob eine ausländische Entscheidung in Bezug auf solche Guthaben unvollständig und deshalb ergänzungsbedürftig ist84. Die Frage kann sich noch in Bezug auf Guthaben im Ausland stellen, dürfte aber in diesem Zusammenhang weitaus weniger praktische Bedeutung haben. Ist in einer nach den Regeln des IPRG zu anerkennenden Entscheidung über den Ausgleich ausländischer Ansprüche vollumfänglich entschieden worden, so beschränkt sich die schweizerische Zuständigkeit auf die inländischen Guthaben. Das Ergebnis der ausländischen Entscheidung ist in diesen Fällen im Rahmen von Artikel 124b Absatz 2 E-ZGB zu berücksichtigen. Ist eine ausländische Entscheidung nicht anerkennungsfähig, so beurteilt sich die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte nach Artikel 63 E-IPRG. Sie gilt dann grundsätzlich auch für sämtliche Vorsorgeansprüche im Ausland. Die ausländische Entscheidung ist lediglich insoweit zu berücksichtigen, als ihre Anordnungen für eine der betroffenen ausländischen Vorsorgeeinrichtungen verbindlich sind und damit vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Angesichts der
erwähnten bundesgerichtlichen Qualifikation des Vorsorgeausgleichs als Nebenfolge eigener Art (vgl. Ziff. 1.3.6) dürften ausländische Entscheidungen, die periodische Leistungen in der Art einer Rente nach Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB vorsehen, von schweizerischen Gerichten nicht als «Entscheidung über Unterhaltspflichten» im Sinne des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 197385 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen qualifiziert werden. Eine allfällige Anerkennungspflicht stünde jedoch ohnehin unter dem Vorbehalt einer Abänderung des Urteils wegen geänderter Verhältnisse. Ein gestützt auf Artikel 64 IPRG angerufenes schweizerisches Gericht könnte somit im Fall eines schweizerischen Guthabens eine Teilung nach den Artikeln 122 ff. E-ZGB vornehmen und die im Ausland zugesprochene Rente entsprechend anpassen oder aufheben.

83 84 85

Vgl. das Urteil 6A_83/2008 vom 28. April 2008 E. 3.2 Vgl. zu dieser Thematik die Bemerkungen zu Art. 64 Abs. 1bis VE-IPRG im Begleitbericht zum Vorentwurf vom Dezember 2009, Ziff. 2.4 SR 0.211.213.02

4930

Es ist davon auszugehen, dass das Lugano-Übereinkommen auf Renten, die ausschliesslich Vorsorgeausgleichscharakter haben, nicht anwendbar ist (vgl. Erläuterungen zu Art. 63 E-IPRG). Anders verhält es sich jedoch mit Zahlungsverpflichtungen, die nur teilweise einen solchen Ausgleichszweck verfolgen und ansonsten unmittelbar dem Unterhalt der berechtigten Person dienen. So dürfte das Übereinkommen auf die «prestations compensatoires» des französischen Rechts anwendbar sein86. Entscheidungen aus Vertragsstaaten, die sich auf solche Leistungen beziehen, sind daher anzuerkennen, soweit die übrigen Anerkennungsvoraussetzungen des Übereinkommens erfüllt sind. Dasselbe dürfte unter dem Regime des erwähnten Haager Übereinkommens gelten. Das nach Artikel 64 IPRG zuständige schweizerische Ergänzungs-Gericht kann die betreffenden Beiträge im Anwendungsbereich des Lugano-Übereinkommens damit nur anpassen, wenn es über eine Zuständigkeit nach Artikel 2 Absatz 1 oder Artikel 5 Ziffer 2 des Übereinkommens verfügt.

Soweit eine Anpassung nicht möglich ist, hat sich der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Beiträge im Rahmen von Artikel 124b Absatz 2 E-ZGB anrechnen zu lassen.

Der neue Absatz 1bis dürfte einer Anerkennung ausländischer Urteile auch dort nicht entgegenstehen, wo diese einen güterrechtlichen Ausgleich für entgangene Vorsorgeansprüche vorsehen, indem sie dem betreffenden Ehegatten einen grösseren Anteil an den zu teilenden Gütermassen zuweisen. Die Anerkennbarkeit güterrechtlicher Entscheidungen richtet sich grundsätzlich nach Artikel 58 IPRG. Wird eine entsprechende Entscheidung anerkannt, so muss sich der ausgleichsberechtigte Ehegatte die zugewiesenen Vermögenswerte im Rahmen von Artikel 124b Absatz 2 Ziffer 1 E-ZGB anrechnen lassen.

Nachdem für den Ausgleich von Ansprüchen bei einer schweizerischen Vorsorgeeinrichtung neu stets die schweizerischen Gerichte zuständig sein sollen, muss sichergestellt werden, dass im Gesetz auch für sämtliche Fälle ein zuständiges Gericht bezeichnet wird. Der zweite Satz von Absatz 1bis füllt in diesem Sinne eine in Absatz 1 bestehende Lücke. Ist nach Absatz 1 keine schweizerische Zuständigkeit gegeben, so kann ein Ergänzungsbegehren beim zuständigen Gericht am Sitz der Vorsorgeeinrichtung eingereicht werden. Bestehen Guthaben bei mehr als einer schweizerischen
Vorsorgeeinrichtung, so kann die klagende Partei am Sitz jeder dieser Einrichtungen auch auf Teilung der übrigen Guthaben klagen. Dies ergibt sich aus Artikel 8a Absatz 2 IPRG. Wird die Teilung der Guthaben einzeln eingeklagt, so können die später angerufenen Gerichte nach Massgabe von Artikel 127 ZPO die jeweilige Klage an das erstangerufene Gericht überweisen.

2.5

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge

Art. 15 Abs. 1 Bst. c, d und e und Abs. 4 Absatz 1: Nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b BVG gelten «Altersguthaben samt Zinsen, die von vorhergehenden Einrichtungen überwiesen und dem Versicherten gutgeschrieben worden sind», als BVG-Altersguthaben. Ob mit «vorhergehende 86

Vgl. das Urteil des EuGH vom 6. März 1980 in der Rechtssache 120/79, Luise de Cavel gegen Jacques de Cavel, Slg. 1980 731, Randnr. 3 ff.

4931

Einrichtungen» auch die vorhergehende Einrichtung bei der Überweisung im Rahmen des Vorsorgeausgleichs gemeint ist, sagt das Gesetz nicht. Durch die ausdrückliche Aufnahme dieser Beträge in die Aufzählung der Guthaben, die zum BVGAltersguthaben gehören, wird diese Frage nun geklärt: Analog zum Vorgehen nach Buchstabe b soll gemäss Buchstabe d auch bei einer Überweisung infolge des Vorsorgeausgleichs jenes Guthaben, das in der überweisenden Vorsorgeeinrichtung dem BVG-Altersguthaben zugeordnet war, in der neuen Vorsorgeeinrichtung wiederum dem BVG-Altersguthaben zugeordnet werden.

Neu wird ebenfalls ausdrücklich geregelt, dass beim Wiedereinkauf nach der Scheidung jener Teil, der dem übertragenen BVG-Altersguthaben entspricht, wiederum als BVG-Altersguthaben zu gelten hat (Bst. e; vgl. auch Erläuterungen zu Art. 22d E-FZG). Auch bei der Rückzahlung von Mitteln aus einem WEF-Vorbezug muss in Zukunft der Anteil an BVG-Altersguthaben zwingend beachtet werden (Bst. c; vgl.

auch Erläuterungen zu Art. 30d Abs. 6 E-BVG)87. Um die korrekte Zuteilung zum obligatorischen und zum überobligatorischen Guthaben zu ermöglichen, wird diese Information in Zukunft festgehalten und bei der Überweisung der restlichen Austrittsleistung in eine andere Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung weitergeleitet.

Dazu soll Artikel 16 BVV 2 angepasst werden.

Absatz 4: Tritt eine versicherte Person aus einer Vorsorgeeinrichtung aus, so ist die bisherige Vorsorgeeinrichtung verpflichtet, die Information über die Höhe des BVGAltersguthabens an die neue Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung weiterzugeben (Art. 16 BVV 2). Manchmal verfügt eine Vorsorgeeinrichtung allerdings ohne eigene Schuld nicht über diese Information, da sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt nicht weitergegeben wurde. Das kann zu Rechtsunsicherheit bei den Versicherten und bei den Vorsorgeeinrichtungen und zu stossenden Ergebnissen führen, wenn nämlich die Vorsorgeeinrichtung das eingebrachte Guthaben insgesamt dem Überobligatorium zuweist. Der Bundesrat erhält nun die Möglichkeit, für solche Fälle einheitliche Kriterien für die Festlegung des BVG-Anteils festzulegen.

Die Vorsorgeeinrichtungen werden durch diese neue Bestimmung allerdings nicht von der Pflicht entbunden, die Information über die Höhe des BVG-Altersguthabens festzuhalten und
weiterzuleiten. Fehlt die Information, hat die Vorsorgeeinrichtung zunächst selber alle notwendigen und zumutbaren Abklärungen bei früheren Vorsorgeeinrichtungen zu treffen. Erst wenn die Feststellung der tatsächlichen Aufteilung in obligatorisches und überobligatorisches Guthaben nicht mehr möglich ist, sollen diese neu vorgesehenen Regelungen zur Anwendung kommen.

Art. 17 Abs. 2 Neu kann eine laufende Altersrente beim Vorsorgeausgleich zum Teil dem berechtigten Ehegatten zugesprochen werden (Art. 124a E-ZGB). Der neue Artikel 17 Absatz 2 klärt, dass in einem solchen Fall die Kinderrenten, auf die bereits vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens Anspruch bestand, durch die Zusprechung eines Teils der Rente an den Ehegatten der versicherten Person nicht berührt werden.

Da ihre Finanzierung bereits vor der Teilung der Rente erfolgte, ist es nicht notwen87

Bei der Beratung der Motion 04.3331 Rechtsteiner Rudolf «Zweite Säule. Urkundliche Ausscheidung von obligatorischen und überobligatorischen Ansprüchen» hatte der Bundesrat versprochen, die klare Ausscheidung und Erhaltung der Qualität als BVGAltersguthaben in bestimmten Situationen im Rahmen der Arbeiten an der vorliegenden Gesetzesrevision zu prüfen und allenfalls umzusetzen.

4932

dig, diese Kinderrenten herabzusetzen. Dies ist ohne Weiteres vereinbar mit dem Grundsatz, dass auf eine laufende Rente jene Regelungen und Berechnungsgrundlagen anzuwenden sind, die bei Entstehen des Anspruchs galten. Vorbehalten bleiben ausdrückliche anderslautende Bestimmungen.

Entsteht ein Anspruch auf eine Kinderrente erst nach der Einleitung des Scheidungsverfahrens, so wird sie auf jenem Teil des Rentenanspruchs berechnet, der der versicherten Person nach dem Vorsorgeausgleich noch zusteht. Der andere Teil wurde durch den Vorsorgeausgleich definitiv dem anderen Ehegatten zugesprochen, und es entstehen keine neuen Ansprüche auf Kinder- oder Hinterlassenenrenten darauf.

In seltenen Fällen können Ansprüche auf Alters- und Kinderrenten entstehen, nachdem ein Scheidungsverfahren eingeleitet worden ist, aber bevor über den Vorsorgeausgleich ein rechtskräftiges Urteil gefällt wird. In diesen Fällen kann nicht abgewartet werden, bis das Zivilgericht oder das Sozialversicherungsgericht (vgl.

Art. 280 und 281 ZPO) über den Vorsorgeausgleich entschieden hat. Die Rentenansprüche werden zunächst als ungeteilte Ansprüche berechnet und an die versicherte Person ausgezahlt. Ab dem Eintritt der Rechtskraft des Entscheids über den Vorsorgeausgleich wird die Höhe der Kinderrenten an den Anspruch der versicherten Person angepasst, der ihr nach dem Vorsorgeausgleich zusteht.

Art. 21 Abs. 3 und 4 Absatz 3: Artikel 21 regelt die Höhe der BVG-Hinterlassenenleistungen. Beim Tod einer Person, die eine Alters- oder Invalidenrente bezogen hat, bildet diese Rente die Basis für die Berechnung der Hinterlassenenrente. Der neue Absatz 3 stellt klar, dass ­ falls ein Teil der Alters- oder Invalidenrente im Rahmen von Artikel 124a E-ZGB an den ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen wird ­ dieser Teil für die Berechnung der Hinterlassenenrenten nicht mehr berücksichtigt wird. Der im Rahmen des Vorsorgeausgleichs übertragene Rentenanteil kann somit beim ausgleichsverpflichteten Ehegatten nicht noch einmal neue Rentenansprüche begründen (vgl.

Erläuterungen zu Art. 124a E-ZGB).

Absatz 4: Nach geltendem Recht sind die Ansprüche auf Kinderrenten und die darauf folgenden Waisenrenten regelmässig gleich hoch. Dieses Prinzip soll auch in Zukunft gelten. Eine solche Regelung ist mit der Finanzierung dieser Renten
kohärent. Allerdings wird es in Zukunft beim Tod einer versicherten Person unter Umständen unterschiedlich hohe BVG-Waisenrenten geben, da durch die Einführung des Vorsorgeausgleichs nach dem Vorsorgefall dem Versicherten vor dem Tod unterschiedlich hohe Kinderrentenansprüche zustanden, je nachdem, ob die Ansprüche vor oder nach der Einleitung des Scheidungsverfahrens entstanden sind (vgl.

Erläuterungen zu Abs. 3).

Art. 24 Abs. 5 Neu ist es auch nach dem Eintritt des Vorsorgefalls Invalidität noch möglich, einen Vorsorgeausgleich durchzuführen. Wenn die invalide Person das Rentenalter noch nicht erreicht hat, werden die Vorsorgeansprüche gemäss Artikel 124 E-ZGB geteilt.

Ist dabei die invalide Person ausgleichsverpflichtet und stehen keine Austrittsleistungen mehr zur Verfügung, so wird für den Vorsorgeausgleich auf jene hypothetische Austrittsleistung gegriffen, die dieser Person bei Wegfall der Invalidität zuste4933

hen würde. Dieses Guthaben wurde aber bereits für die Berechnung und Finanzierung der laufenden Invalidenrente benutzt. Daher wird die Invalidenrente ab der Rechtskraft des Entscheids über den Vorsorgeausgleich an die Tatsache angepasst, dass ein Teil der Vorsorgemittel für den Vorsorgeausgleich entnommen wurde. Die Reduktion der Invalidenrente beschränkt sich auf die Anpassung aufgrund des Vorsorgeausgleichs, wobei die Rente nicht durch die Anwendung neuer Grundlagen zusätzlich reduziert werden soll. Insbesondere soll der Rentenanspruch nach dem gleichen Umwandlungssatz berechnet werden, der ohne den Vorsorgeausgleich für diese Rente massgebend war. Der Bundesrat regelt die technischen Einzelheiten der Anpassung auf Verordnungsstufe. Da der Vorsorgeausgleich die obligatorische und die überobligatorische Vorsorge umfasst, soll auch diese Folge des Vorsorgeausgleichs für die gesamte Vorsorge gelten. Es wäre äusserst stossend, bei dieser Revision dem berechtigten Ehegatten bei einer Scheidung nach dem Vorsorgefall einen Anteil an den überobligatorischen Vorsorgeansprüchen zu verschaffen und gleichzeitig zuzulassen, dass dabei die überobligatorischen Ansprüche der versicherten Person übermässig reduziert werden. Diese Regelungen sollen daher auch für die überobligatorische Vorsorge gelten (vgl. Art. 89a Abs. 6 Ziff. 3a E-ZGB und Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3a E-BVG).

Viele Einrichtungen sehen in ihren Reglementen Invalidenleistungen vor, die proportional zum versicherten Lohn berechnet und nur bis zum Rentenalter ausgerichtet werden. Danach werden sie von einer Altersleistung abgelöst, die aufgrund eines hypothetisch weitergeführten Altersguthabens berechnet wird. Bei solchen Leistungen wird sich die Anpassung nach erfolgtem Vorsorgeausgleich im Allgemeinen erst nach dem Rentenalter, dafür etwas stärker auswirken. Der Bundesrat wird bei der Regelung auf Verordnungsstufe Rücksicht auf die reglementarischen Regelungen nehmen.

Art. 25 Abs. 2 Wird im Rahmen des Vorsorgeausgleichs bei einer Invalidenrentnerin oder einem Invalidenrentner vor dem Rentenalter ein Teil der hypothetischen Austrittsleistung an den anderen Ehegatten übertragen, so wird die Rente angepasst (vgl. Art. 24 Abs. 5 E-BVG). Kinderrenten, auf die bereits vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens Anspruch bestand, werden davon allerdings
nicht berührt.

Entsteht erst nach der Einleitung des Scheidungsverfahrens ein Anspruch auf eine Kinderrente, so wird diese hingegen unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen berechnet. Der andere Teil wurde durch den Vorsorgeausgleich nach Artikel 124 E-ZGB definitiv dem anderen Ehegatten zugesprochen und es entstehen keine neuen Ansprüche auf Kinderrenten darauf. Entsteht der Anspruch auf eine Kinderrente, nachdem das Scheidungsverfahren eingeleitet wurde, aber bevor über den Vorsorgeausgleich ein rechtskräftiges Urteil gefällt wird, so ist die Situation vergleichbar mit derjenigen bei Kinderrenten eines Altersrentners (vgl. Erläuterungen zu Art. 17 Abs. 2, letzter Abschnitt E-BVG). Die Kinderrente wird zunächst auf der bisherigen, noch nicht durch den Vorsorgeausgleich geschmälerten Invalidenrente berechnet und erst später, gleichzeitig mit der Invalidenrente (vgl. Erläuterungen zu Art. 24 Abs. 5 E-BVG), an die Situation nach dem Vorsorgeausgleich angepasst.

Ein Vorsorgeausgleich bei einer laufenden Invalidenrente nach dem Rentenalter wird nach Artikel 124a E-ZGB durchgeführt. Für die Auswirkungen auf laufende

4934

und zukünftige Kinderrenten kann daher auf die Erläuterungen zu Artikel 17 Absatz 2 E-BVG verwiesen werden.

Art. 30c Abs. 5 und 6 Absatz 5: Wird Wohneigentum, das mit Mitteln der beruflichen Vorsorge finanziert worden ist, mit Verlust verwertet, so führt dies auch zu Verlusten oder zumindest zu einer Gefährdung der beruflichen Vorsorge. Diese Verlagerung von Risiken auf den Einzelnen hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen88. Da die Reduktion der zukünftigen Vorsorgeleistungen auch den Ehegatten bzw. die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner der versicherten Person betrifft, hat der Gesetzgeber bestimmt, dass ein Vorbezug nur möglich ist, wenn dieser bzw. diese schriftlich zustimmt.

Nach einem Vorbezug kann der Grundeigentümer weitere Grundpfandrechte errichten. Auch dies war ein bewusster Entscheid des Gesetzgebers, um zu ermöglichen, dass ein späterer finanzieller Bedarf ­ zum Beispiel für eine grosse Reparatur am Wohneigentum ­ auf diesem Weg gedeckt werden kann. Allerdings können solche weiteren Grundpfandrechte die Gefährdung der in das Wohneigentum investierten Vorsorgegelder verstärken. Es ist zum Beispiel möglich, dass für den Erwerb von selbstbewohntem Wohneigentum mit einem Wert von 500 000 Franken Vorsorgegelder in der Höhe von 200 000 Franken vorbezogen werden und gleichzeitig ein grundpfandgesichertes Darlehen von 250 000 Franken aufgenommen wird. Später wird ein weiteres Darlehen von 150 000 Franken aufgenommen und dieses mit einem Grundpfand gesichert. Ein solches Darlehen braucht nicht unbedingt bei einer Bank aufgenommen zu werden. Die verschärften Eigenmittelvorschriften der Banken sind daher nicht in allen Fällen wirksam. Da damit die Summe der Grundpfandrechte (400 000 Franken) zusammen mit dem WEF-Vorbezug (200 000 Franken) den Wert des Grundstücks (500 000 Franken) übersteigt, ist bei einem späteren Verkauf des Objekts die Rückführung der investierten Vorsorgegelder in die Vorsorgeeinrichtung nicht mehr gewährleistet.

Künftig muss der Ehegatte bzw. die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner der Begründung eines Grundpfandrechts zustimmen, wenn das belastete Grundstück mit Mitteln der beruflichen Vorsorge finanziert worden ist. Dieses Zustimmungserfordernis rechtfertigt sich deshalb, weil mit der Begründung eines Grundpfandrechts die ins
Grundstück investierten Vorsorgegelder gefährdet sind. Im Gegenzug will der Bundesrat darauf verzichten, die Errichtung von Grundpfandrechten zu einem Vorgang zu erklären, der losgelöst von einem WEF-Vorbezug der Zustimmung des Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners bedarf. Es bleibt damit ­ abgesehen vom WEF-Vorbezug ­ beim heutigen Artikel 169 Absatz 1 ZGB, wonach die Zustimmung des Ehegatten nur bei Veräusserung und bei jedem anderen Rechtsgeschäft nötig ist, durch das die Rechte an der Familienwohnung beschränkt werden.

Kann die Zustimmung nicht eingeholt werden oder wird sie verweigert, so kann ­ wie beim Vorbezug selber ­ das Zivilgericht angerufen werden. Dabei ist es auch in Zukunft möglich, dass das Zivilgericht seinen Entscheid im summarischen Verfahren trifft. Zwar ist im einschlägigen Artikel 271 ZPO diese Möglichkeit nicht mehr explizit erwähnt. Die Aufzählung in dieser Bestimmung hat aber bloss beispielhaften 88

BGE 132 V 332 ff.

4935

Charakter; sie überlässt es damit dem zuständigen Zivilgericht, noch weitere Entscheide im summarischen Verfahren zu fällen.

Dem Grundbuchamt obliegt es zu prüfen, ob bei der Eintragung eines Grundpfandrechts die Zustimmung des anderen Ehepartners bzw. der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners nötig ist und, wenn dies der Fall ist, ob diese vorliegt. Die Vorsorgeeinrichtung hat weder die Möglichkeit noch die Pflicht, eine solche Prüfung vorzunehmen.

Die vorgeschlagene Lösung bringt keine Verbesserung für den Fall, dass die Vorsorgegelder nicht vorbezogen, sondern nur verpfändet worden sind. Bei der Verpfändung von Vorsorgegeldern erfolgt nämlich kein Eintrag ins Grundbuch; ein solcher erfolgt erst bei der Verwertung, die den eigentlichen Vorbezug der Vorsorgegelder bewirkt (Art. 30e Abs. 2 BVG). Wollte man dies ändern, müsste bereits bei der Verpfändung der Vorsorgegelder eine Eintragung im Grundbuch erfolgen. Eine Veräusserungsbeschränkung vor dem eigentlichen Vorbezug von Vorsorgegeldern macht jedoch wenig Sinn, da bei der Veräusserung keine Vorsorgemittel in eine Vorsorgeeinrichtung zurückgeführt werden müssen.

Absatz 6: Es erfolgt lediglich eine redaktionelle Anpassung der Verweise. Die in der aktuellen Gesetzesänderung eingeführte Möglichkeit eines Vorsorgeausgleichs nach dem Vorsorgefall ändert nichts an der Regelung über den Einbezug eines allfälligen WEF-Vorbezugs. Weiterhin werden in Wohneigentum investierte Gelder nur bei einer Scheidung vor einem Vorsorgefall zur Austrittsleistung hinzugezählt, denn nur bis dahin sind sie noch mit der Vorsorge verbunden. Wird das Wohneigentum nach dem Eintritt eines Vorsorgefalls verkauft, so werden diese Mittel nämlich nicht mehr in die Vorsorge zurückgeführt (vgl. Art. 30d Abs. 3 BVG). Das Gleiche gilt, wenn nach einem WEF-Vorbezug eine Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung erfolgt; der Vorbezug wird von der Barauszahlung mit erfasst und muss bei einem späteren Verkauf ebenfalls nicht mehr zurückgezahlt werden (vgl. Art. 30d Abs. 3 Bst. c BVG). Ab dem Vorsorgefall hat der frühere Vorbezug daher den Charakter einer Barauszahlung, und er wird bei einer Scheidung wie andere Kapitalabfindungen aus der beruflichen Vorsorge behandelt, die ein Ehegatte während der Ehedauer erhalten hat89. Unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung
sind diese Mittel der Errungenschaft zuzuordnen (Art. 197 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB), unabhängig davon, ob die für den Vorbezug verwendeten Vorsorgegelder vor oder während der Ehe geäufnet wurden, und auch unabhängig davon, ob der Vorbezug vor oder während der Ehe getätigt wurde. Im Betrag des Kapitalwertes der Rente, die dem Ehegatten bei Auflösung des Güterstandes zustünde, werden sie allerdings dem Eigengut zugerechnet (Art. 207 Abs. 2 ZGB). Für diesen Anteil, der nicht güterrechtlich geteilt wird, ist eine angemessene Entschädigung nach Artikel 124e Absatz 1 E-ZGB geschuldet.

Fallen zum Beispiel bei einem WEF-Vorbezug von 100 000 Franken 1/5 des Kapitalwerts der Rente auf die Zeit zwischen dem Vorsorgefall und der Scheidung und 4/5 auf die Zeit nach der Scheidung, so gelten 20 000 Franken als Errungenschaft und 80 000 Franken als Eigengut. Für die 80 000 Franken, die güterrechtlich nicht geteilt werden, wird allenfalls eine angemessene Entschädigung zugesprochen.

89

Die Auswirkungen und die rechtliche Behandlung bei der Scheidung sind gleich wie beim Bezug der Altersleistung in Kapitalform (vgl. auch Erläuterungen zu Art. 124a E-ZGB).

4936

Art. 30d Abs. 6 Die Bestimmung dient der Klarstellung. Bei einem WEF-Vorbezug werden die Vorsorgemittel nicht vollständig aus der beruflichen Vorsorge herausgelöst. Der WEF-Vorbezug unterscheidet sich dadurch von der Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung nach Artikel 5 FZG. Bei der Rückführung der in das Wohneigentum investierten Vorsorgemittel in eine Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung handelt es sich deshalb auch nicht um einen Einkauf: Wird das Wohneigentum verkauft, müssen die Mittel ­ soweit noch vorhanden ­ zwingend wieder in die Vorsorgeeinrichtung oder die Freizügigkeitseinrichtung zurückgeführt werden.

Weil es sich bei der Rückzahlung des WEF-Vorbezugs nicht um einen Einkauf handelt, darf die zurückgezahlte Summe auch nicht einfach dem überobligatorischen Guthaben gutgeschrieben werden. Wurde beim WEF-Vorbezug der Vorsorgeeinrichtung BVG-Altersguthaben (obligatorischer Teil) entnommen, so müssen diese Mittel auch bei der Rückzahlung wieder im gleichen Verhältnis dem BVG-Altersguthaben zugewiesen werden. Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe c BVG wird ebenfalls entsprechend angepasst, um dies klarzustellen. In Zukunft werden die Vorsorgeeinrichtungen bei einem WEF-Vorbezug dieses Verhältnis festhalten und die Information bei einem Wechsel der Vorsorgeeinrichtung auch weitergeben müssen. Der Bundesrat wird Artikel 16 BVV 2 entsprechend anpassen. Da bisher keine solche Pflicht bestand, ist es möglich, dass diese Information für bereits erfolgte Vorbezüge nicht mehr eruiert werden kann. Für diese Fälle erlässt der Bundesrat Vorschriften auf Verordnungsebene (vgl. Erläuterungen zu Art. 15 E-BVG).

Art. 37 Abs. 5 Siehe die Erläuterungen zu Artikel 37a E-BVG.

Art. 37a

Zustimmung bei Kapitalabfindung

Das geltende Recht sieht vor, dass ein Vorsorgenehmer, der Vorsorgemittel bar beziehen oder in Wohneigentum investieren will, dafür der Zustimmung seines Ehegatten bzw. der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bedarf (Art. 5 Abs. 2 FZG; Art. 30c Abs. 5 BVG sowie Art. 331e Abs. 5 OR). Die gleiche Regel gilt, wenn der Vorsorgenehmer von seinem Recht Gebrauch macht, einen Teil seines Altersguthabens nicht als Rente, sondern in Form einer Kapitalabfindung zu beziehen (Art. 37 Abs. 5 BVG).

Keine solche Zustimmung wird hingegen verlangt, wenn die Kapitalabfindung den überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge betrifft, es sei denn, das Reglement der Vorsorgeeinrichtung verlange eine solche. Eine Zustimmung ist auch dann nicht nötig, wenn Freizügigkeitseinrichtungen Leistungen in Form einer Kapitalabfindung erbringen. Das Bundesgericht hat es trotz Bedenken abgelehnt, im fehlenden Zustimmungserfordernis eine vom Gericht zu schliessende Lücke zu erblicken90. Es hat damit den Ball bewusst dem Gesetzgeber zugespielt.

In Übereinstimmung mit der Expertenkommission ist der Bundesrat der Meinung, dass es nicht befriedigt, wenn der Vorsorgenehmer infolge einer Kapitalabfindung in den Besitz von Vorsorgemitteln gelangt, ohne dass sein Ehegatte etwas dazu sagen kann oder vom Vorgang auch nur erfährt. Die Folgen einer Kapitalabfindung kön90

BGE 134 V 182 ff.

4937

nen nämlich verheerend sein. Verspekuliert sich der Vorsorgenehmer mit der Kapitalabfindung, leidet darunter nicht nur er, sondern auch sein Ehegatte und die ganze Familie.

Das Zustimmungserfordernis soll nach Absatz 1 auch zur Anwendung kommen, wenn der Vorsorgenehmer gar keine Wahl zwischen Rente oder Kapital hat. Auch in diesem Fall muss nämlich sichergestellt werden, dass der Ehegatte bzw. die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner auf das weitere Schicksal der Kapitalabfindung Einfluss nehmen kann. Welche Massnahmen in einem solchen Fall möglich sind, richtet sich nach den Bestimmungen über den Eheschutz (insbes.

Art. 178 ZGB) und dem PartG. Das Zustimmungserfordernis hat den Vorteil, dass der Ehegatte bzw. die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner rechtzeitig von der bevorstehenden Barauszahlung erfährt und auch genügend Zeit hat, gegebenenfalls die notwendigen Schutzmassnahmen beim Gericht zu beantragen.

Da der Regelungsgedanke auch für überobligatorische Ansprüche gültig ist, muss diese Bestimmung in den Katalog der anwendbaren Bestimmungen in Artikel 49 Absatz 2 E-BVG und auch in Artikel 89a Absatz 6 E-ZGB aufgenommen werden.

Der bisherige Artikel 37 Absatz 5 BVG kann dagegen aufgehoben werden.

Zuständig für den Entscheid darüber, ob die Zustimmung rechtens verweigert worden ist, ist das Zivilgericht (vgl. Art. 30c Abs. 5 E-BVG und Art. 5 Abs. 3 E-FZG).

Das Zustimmungserfordernis soll auch für Kapitalleistungen aus Freizügigkeitseinrichtungen gelten. Der Bundesrat wird zu diesem Zweck die Freizügigkeitsverordnung entsprechend anpassen.

Absatz 2 klärt die Frage des Zinses. Danach schuldet die Vorsorgeeinrichtung so lange keinen Zins, als der Vorsorgenehmer die nötige Zustimmung nicht beibringt.

Diese Bestimmung soll die Vorsorgeeinrichtungen in jenen Fällen vor Missbrauch schützen, in denen eine Leistung auf einen bestimmten Zeitpunkt in Kapitalform ohne Weiteres fällig wird. Dies kann zum Beispiel bei rein überobligatorischen Altersleistungen der Fall sein, wenn das Reglement nur Kapitalleistungen vorsieht.

In diesen Fällen könnte eine versicherte Person die Zustimmung des Ehegatten bzw.

der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners absichtlich nicht beibringen und auch keine Schritte für eine gerichtliche Entscheidung unternehmen,
um länger von einer Zinspflicht der Vorsorgeeinrichtung zu profitieren. Es ist Sache der versicherten Person, dafür zu sorgen, dass die Unterschrift auf den Zeitpunkt der Fälligkeit vorhanden ist oder durch einen gerichtlichen Entscheid ersetzt wurde.

Bei Leistungen, bei denen die Rentenform vorgesehen ist und die Kapitalform als Option gewählt werden kann, kann davon ausgegangen werden, dass ohne die Zustimmung des Ehegatten bzw. der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners dieses Wahlrecht nicht (rechtsgenügend) ausgeübt wurde und die Leistung deshalb in Rentenform zu erfolgen hat. Analoges gilt für Barauszahlungsgesuche nach Artikel 5 FZG: ohne die Zustimmung oder einen entsprechenden gerichtlichen Entscheid sind solche Gesuche nicht vollständig. Die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung verfährt daher mit solchen Austrittsleistungen wie mit anderen Guthaben, für die kein (gültiges) Barauszahlungsgesuch gestellt wurde.

Art. 49 Abs. 2 Ziff. 3a, 3b und 5a Siehe dazu die Erläuterungen zu Artikel 24 Absatz 5 und Artikel 37a E-BVG.

4938

Art. 53g Abs. 1 Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung.

Art. 60 Abs. 2 Bst. f

Aufgaben

Der Auffangeinrichtung wird eine neue Aufgabe gemäss Artikel 60a E-BVG übertragen. Daher muss die Aufzählung der Aufgaben in Artikel 60 Absatz 2 E-BVG um einen Buchstaben f ergänzt werden. Siehe die Erläuterungen zu Artikel 60a E-BVG.

Art. 60a

Infolge Scheidung überwiesene Vorsorgemittel

Absatz 1: Artikel 60a dient der Sicherung der Vorsorge. Die Bestimmung macht den Weg dafür frei, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte die bei der Scheidung erhaltene Austrittsleistung in eine Rente umwandeln kann91. Damit es dazu kommt, muss er bei der Scheidung die Austrittsleistung auf die Auffangeinrichtung übertragen.

Die gleiche Möglichkeit steht offen, wenn dem ausgleichsberechtigten Ehegatten ein Rentenanteil zugesprochen wird, den er sich noch nicht auszahlen lassen kann (vgl.

Art. 22e E-FZG).

Die Übertragung der Austrittsleistung auf die Auffangeinrichtung ist subsidiär und freiwillig. Sofern ein Einkauf bei der eigenen Vorsorgeeinrichtung möglich ist, müssen die Austrittsleistung (Art. 123 und 124 E-ZGB) bzw. die Rentenüberweisungen (Art. 124a E-ZGB) dafür verwendet werden. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte nach der Scheidung seinen Beschäftigungsgrad erhöht und dadurch neue Einkaufsmöglichkeiten entstehen.

Können die übertragenen Vorsorgemittel nicht mehr leistungswirksam in die eigene Vorsorgeeinrichtung eingebracht werden, so können sie weiterhin in eine Freizügigkeitseinrichtung eingebracht werden. Bezeichnet der ausgleichsberechtigte Ehegatte keine Freizügigkeitseinrichtung, übernimmt die Auffangeinrichtung diese Funktion.

Die Neuerung besteht darin, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Auffangeinrichtung bewusst im Hinblick auf die Umwandlung des Guthabens in eine Rente wählen kann.

Absatz 2: In Bezug auf die Modalitäten der vorgeschlagenen Lösung sind die folgenden Punkte zu beachten: Das geäufnete Guthaben, das umzuwandeln ist, umfasst auch den darauf geschuldeten Zins (erster Satz). Es wird bewusst darauf verzichtet, der Auffangeinrichtung Vorgaben in Bezug auf die Höhe des Zinses zu machen.

Dieser hängt damit hauptsächlich vom wirtschaftlichen Umfeld bzw. den Anlagemöglichkeiten der Auffangeinrichtung ab. Dabei ist zu beachten, dass die Auffangeinrichtung im Rahmen von Artikel 60a ohne aktive Versicherte und ohne den Sicherheitsfonds im Rücken funktionieren muss; sie verfügt damit nur über eine sehr beschränkte Risikofähigkeit.

Die Umwandlung kann frühestens in dem Alter erfolgen, ab dem gemäss dem Reglement der Auffangeinrichtung Altersleistungen ausgerichtet werden (zweiter Satz).

Die Umwandlung von bereits in
die Auffangeinrichtung übertragenen Mitteln kann nur dann auf einen Zeitpunkt nach dem ordentlichen gesetzlichen Rentenalter verlangt werden, wenn die Erwerbstätigkeit bis dahin weitergeführt wird. Hingegen ist 91

Es wird hier lediglich die Ehescheidung erwähnt. Aufgrund von Art. 33 PartG steht aber auch der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner bei einer gerichtlichen Auflösung dasselbe Recht zu.

4939

keine obere Alterslimite für die Übertragung von Guthaben im Rahmen des Vorsorgeausgleichs vorgesehen, denn diese Situation muss von einem Aufschub bei einer bereits übertragenen Austrittsleistung unterschieden werden. Eine Umwandlung in eine Rente macht nämlich häufig gerade dann Sinn, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bei der Durchführung des Vorsorgeausgleichs bereits das Rentenalter erreicht hat und deshalb keine zusätzlichen Mittel mehr in seine Vorsorgeeinrichtung einbringen kann.

Die Auffangeinrichtung schuldet keine BVG-Altersleistungen, sondern wandelt nur das vorhandene Guthaben in eine Rente um. Hinterbliebene können deshalb beim Tod der rentenberechtigten Person keine Leistungen in Anspruch nehmen (fünfter Satz). Andernfalls würde der Umwandlungssatz tiefer ausfallen. Dies scheint in der besonderen Situation eines im Rahmen einer Scheidung ausgleichsberechtigten Ehegatten eine vertretbare Lösung zu sein. Es ist in der Tat gerechtfertigt, keine Hinterlassenenleistung zugunsten des geschiedenen, ausgleichsverpflichteten Ehegatten vorzusehen. Ebenso ist es nicht zwingend, aus dieser früheren Ehe Hinterlassenenleistungen für einen allfälligen zukünftigen Ehegatten zu finanzieren.

Absatz 3: Für das gute Funktionieren der Auffangeinrichtung ist entscheidend, dass sie ihre eigenen Grundlagen für die Ermittlung der Rente verwenden kann (Reglement). Insbesondere ist sie nicht an den BVG-Umwandlungssatz gebunden und darf auch mit unterschiedlichen Umwandlungssätzen operieren, wenn diese Ausdruck unterschiedlicher Risiken sind.

Die Auffangeinrichtung profitiert von keinen Wettbewerbsvorteilen gegenüber Freizügigkeitseinrichtungen und Anbietern von Freizügigkeitspolicen. Letzteren bleibt es unbenommen, ihre Versicherungslösungen (Freizügigkeitspolicen) nach den gleichen oder eventuell sogar besseren Bedingungen wie die Auffangeinrichtung zu vermarkten. Die bisherige Erfahrung lehrt allerdings, dass in der Praxis Freizügigkeitspolicen mit lebenslänglichen Altersrenten wenig verbreitet sind und Personen, die eine solche Lösung suchen, Probleme haben, überhaupt ein Angebot zu finden.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass an der Möglichkeit, eine Austrittsleistung in eine Rente umzuwandeln, auch ausserhalb der Scheidungssituation bzw. Auflösung der eingetragenen Partnerschaft ein gewisses
Interesse besteht. Dies gilt namentlich für Arbeitslose ohne Aussicht darauf, ihre frühere Austrittsleistung je wieder in eine neue Vorsorgeeinrichtung einbringen zu können. Für die Versicherung von Arbeitslosen muss die Frage der Rente für den überlebenden Ehegatten jedoch speziell geprüft werden, denn die Situation ist in diesem Punkt grundsätzlich anders als bei ausgleichsberechtigten geschiedenen Gatten (vgl. oben). Die Erarbeitung einer solchen Lösung hätte die Vorlage zum Vorsorgeausgleich bei Scheidung überladen.

Aus diesen Gründen hat sich der Bundesrat in dieser Vorlage auf die Scheidungssituation beschränkt.

Vor dem Bezug der Rente oder wenn der ausgleichsberechtigten Ehegatten darauf verzichtet, die Umwandlung der Austrittsleistung in eine Rente zu verlangen, wird die Austrittsleistung wie jede andere Austrittsleistung bei einer Freizügigkeitsstiftung behandelt. Dies gilt beispielsweise für die zu beachtende Begünstigtenordnung (Art. 15 FZV) oder die Möglichkeit, die Barauszahlung zu verlangen, wenn die berechtigte Person Anspruch auf eine ganze Rente der IV hat (Art. 16 Abs. 2 FZV).

Absatz 4: Die Auffangeinrichtung soll auch in dieser Funktion nicht unverhältnismässig kleine Renten ausrichten müssen. Artikel 37 Absatz 3 BVG ist daher sinn4940

gemäss anwendbar. Bei Rentenzahlungen, die tiefer ausfallen würden als 10 Prozent der Mindestaltersrente der AHV, soll die Auffangeinrichtung nicht zu einer Umwandlung verpflichtet werden. Es ist sinnvoll, für diese Frage die gleiche Regelung anzuwenden wie für eine Altersrente.

Art. 62 Abs. 2 Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung.

2.6

Freizügigkeitsgesetz

Art. 5 Abs. 3 Es wird präzisiert, dass für die hier erwähnte Entscheidung das Zivilgericht zuständig ist.

Art. 18a Der neue Artikel 18a deckt sich inhaltlich mit dem bisherigen Artikel 23 FZG. Die neue Systematik soll zur besseren Verständlichkeit beitragen. Seit der Redaktion dieses Gesetzes wurde der Vorsorgeausgleich stark ausgebaut, was den Einschub einer Reihe von Artikeln notwendig machte.

Art. 19 Abs. 2 Aufgrund der Verschiebung des bisherigen Artikels 23 FZG musste der Verweis angepasst werden.

Art. 22

Grundsatz

Artikel 22 beschränkt sich darauf, für die Scheidung92 auf die massgebenden Artikel des ZGB und der ZPO zu verweisen. Ein solcher Artikel ist insofern sinnvoll, als der Begriff der Austrittsleistung im Zusammenhang mit dem neuen Artikel 124 E-ZGB neu auch die hypothetische Austrittsleistung umfasst. Ausserdem werden neu auch Rentenansprüche geteilt.

Art. 22a

Berechnung der zu teilenden Austrittsleistung

Absätze 1 und 2: Absatz 1 wiederholt den Grundsatz von Artikel 122 E-ZGB, wonach für die Berechnung der zu teilenden Austrittsleistungen auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem das Scheidungsverfahren eingeleitet wird. Bei den Austrittsleistungen sind neu auch die hypothetischen Austrittsleistungen bei der Teilung gemäss Artikel 124 E-ZGB inbegriffen. Da auch nach einem Vorsorgefall die Vorsorgeansprüche geteilt werden, werden neu auch die Kapitalabfindungen erwähnt, für die der Vorsorgeausgleich auf andere Weise erfolgen muss, da die Mittel die Vorsorge endgültig verlassen haben. Im Übrigen entspricht Absatz 1 dem bisherigen 92

Im Folgenden wird lediglich die Ehescheidung erwähnt. Gemäss Art. 23 E-FZG sind die nachstehenden Ausführungen auch auf die gerichtliche Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft anwendbar.

4941

Artikel 22 Absatz 2 FZG, während Absatz 2 materiell dem bisherigen Artikel 22 Absatz 3 FZG entspricht.

Absatz 3: Das geltende Recht regelt nicht, welchem Teil der Austrittsleistung, dem vor oder während der Ehe erworbenen, ein WEF-Vorbezug zu entnehmen ist. Diese Frage ist insoweit relevant, als Vorsorgegelder, die in Wohneigentum investiert werden, keinen Zins mehr abwerfen. In diesem Sinne ist es nach geltendem Recht nicht klar, wer den Zinsverlust im Falle von WEF-Vorbezügen zu tragen hat. Einerseits hat derjenige Ehegatte, der Mittel der beruflichen Vorsorge zur Finanzierung von Wohneigentum zur Verfügung stellt, ein Interesse, dass der Wert der in die Ehe eingebrachten Austrittsleistung erhalten bleibt. Andererseits hat der andere Ehegatte ein Interesse, dass er an der zu teilenden Austrittsleistung beteiligt ist93.

Das Bundesgericht äusserte sich bereits zur Frage des Zinsverlusts und vertrat dabei die Meinung, dass für den Vorbezug primär das ehelich geäufnete Vorsorgeguthaben verwendet und das vorehelich geäufnete Kapital so weit wie möglich erhalten werde94.

Der Bundesrat ist hingegen der Meinung, dass der Zinsverlust anteilsmässig (proportional) dem ehelichen und dem vorehelichen Vorsorgevermögen zu belasten und entsprechend aufzuteilen ist. Er verwirft damit die Idee, für den Vorbezug primär die während der Ehe geäufneten Vorsorgemittel heranzuziehen. Einerseits führt der vorbeziehende Ehegatte einen Teil der in die Ehe eingebrachten Austrittsleistung bewusst in einen unverzinslichen Bereich über, sodass es gerechtfertigt erscheint, dass er den Zinsverlust zu einem Teil alleine trägt. Andererseits ist ein Vorbezug während der Ehe nur mit Zustimmung des anderen Ehegatten möglich (Art. 30c Abs. 5 BVG). Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, dass der Entscheid über einen Vorbezug und die damit verbundenen Konsequenzen auch von beiden Ehegatten gemeinsam getragen wird. Im Übrigen sind WEF-Vorbezüge nur zum eigenen Bedarf möglich, sodass sie im Normalfall auch beiden Ehegatten zugutekommen, indem beide vom Wohneigentum bzw. von der damit verbundenen Senkung der Wohnkosten profitieren. Mit dem Vorschlag des Bundesrates belastet somit der Zinsverlust anteilsmässig den Vorsorgenehmer allein und die beiden Ehegatten gemeinsam95.

Wird das mithilfe des Vorbezugs erworbene Wohneigentum mit
Verlust oder ohne Erlös verkauft, gelten die gleichen Grundsätze: Der Kapitalverlust belastet anteilsmässig den vorehelichen und den ehelichen Teil der Austrittsleistung. Erfährt das mittels Vorbezug erworbene Wohneigentum hingegen einen Wertzuwachs, so wird dieser Mehrwert im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung verteilt. Im Veräusserungsfall müsste der Vorsorgeeinrichtung nur der Nominalbetrag des Vorbezugs zurückerstattet werden. Aus diesem Grund wird in den Vorsorgeausgleich nur der Nominalbetrag des Vorbezugs einbezogen (Art. 30d Abs. 5 BVG)96.

93 94 95

96

Vgl. Andrea Bäder Federspiel, Vorbezüge für Wohneigentum ­ Umgang mit Wert- und Zinsverlusten, ZBJV 2010, S. 396.

BGer B 8/06 vom 16. August 2006, auszugsweise publiziert in BGE 132 V 332, E. 4.3.2.

Die vorgeschlagene Lösung geht zurück auf Thomas Koller, Vorbezüge für den Erwerb von Wohneigentum und Vorsorgeausgleich bei der Scheidung: Wer trägt den Zinsverlust?

ZBJV 2001, S. 137 ff. und Andrea Bäder Federspiel, Vorbezüge für Wohneigentum ­ Umgang mit Wert- und Zinsverlusten, a.a.O. (FN 93), S. 396 f.

Vgl. Andrea Bäder Federspiel, Wohneigentumsförderung und Scheidung, a.a.O. (FN 14), Rz. 612.

4942

Hat ein WEF-Vorbezug vor der Eheschliessung stattgefunden, so ist dieser bei der Berechnung des Vorsorgeausgleichs nicht aufzuzinsen. In diesem Fall hat sich nämlich der vorbeziehende Ehegatte ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten bewusst dafür entschieden, Mittel der beruflichen Vorsorge in einen unverzinslichen Bereich zu transferieren97.

Absatz 4: Der Bundesrat wird ermächtigt, Regelungen darüber zu erlassen, wie die Austrittsleistungen zu berechnen sind, wenn während des Scheidungsprozesses eine Invalidenrente läuft, eine Altersrente zu laufen beginnt oder ein Invalidenrentner das Rentenalter erreicht. Der massgebende Zeitpunkt für die Beurteilung, ob die Austrittsleistung (Art. 123 und 124 E-ZGB) oder die Rente (Art. 124a E-ZGB) geteilt wird, ist derjenige der Einleitung des Scheidungsverfahrens (Art. 122 E-ZGB). In diesen Fällen soll aber der Tatsache, dass Renten bereits ausgerichtet wurden, Rechnung getragen werden. Diese sehr technische Frage, die voraussichtlich wenige Fälle betreffen wird, soll vom Bundesrat auf dem Verordnungsweg geregelt werden.

Grundsätzlich sollen dabei allenfalls notwendige Abzüge möglichst gleichmässig beiden Ehegatten auferlegt werden. Dem Bundesrat soll dabei erlaubt sein, in Fällen, bei denen nur geringfügige Abzüge resultieren würden, auf eine Korrektur zu verzichten.

Art. 22b

Berechnung der zu teilenden Austrittsleistung bei Heirat vor dem 1. Januar 1995

Der neue Artikel 22b entspricht dem bisherigen Artikel 22a FZG. Einzig der Verweis in Absatz 1 wurde an die neue Systematik angepasst und die Absätze wurden neu gegliedert. Die neuen Bestimmungen über die Teilung der Vorsorgeansprüche (Art. 122 ZGB ff.) bewirken eine Neuordnung der Artikel 22b ff., die weitgehend dem tatsächlichen Ablauf folgt: Zunächst wird die Teilung geregelt, danach die Übertragung, die Wiedereinzahlung, dann die Auszahlung der lebenslänglichen Rente aufgrund von Alter oder Invalidität und die Verwendung einer Austrittsleistung zur Begleichung eines Anspruchs auf angemessene Entschädigung beziehungsweise die Überführung einer Abfindung in die Vorsorge des ausgleichsberechtigten Ehegatten.

Art. 22c

Übertragung der Austrittsleistung und der lebenslänglichen Rente

Die geltende gesetzliche Regelung sieht bei der Überweisung von Guthaben im Rahmen des Vorsorgeausgleichs keine ausdrücklichen Bestimmungen zu obligatorischen und überobligatorischen Anteilen vor. Viele Vorsorgeeinrichtungen wenden den Grundsatz an, dass sie in diesem Fall die Summe anteilsmässig dem obligatorischen und dem überobligatorischen Guthaben entnehmen. Oft leiten sie dann auch die Information, wie hoch der Anteil am entnommenen BVG-Altersguthaben ist, an die Vorsorgeeinrichtung des ausgleichsberechtigten Ehegatten weiter. Es gibt auch bereits Einrichtungen, die gestützt auf die erhaltenen Informationen dieses Guthaben wie im Freizügigkeitsfall dem BVG-Altersguthaben und dem überobligatorischen Guthaben des berechtigten Versicherten gutschreiben. Dieses Vorgehen hat sich in der Praxis jedoch nicht allgemein durchgesetzt. Besonders stossend ist es, wenn das Guthaben von der Vorsorgeeinrichtung des verpflichteten Ehegatten dem BVG97

Vgl. Andrea Bäder Federspiel, Wohneigentumsförderung und Scheidung, a.a.O. (FN 14), Rz. 537 ff.

4943

Altersguthaben belastet wird und nach der Überweisung in der Vorsorgeeinrichtung des ausgleichsberechtigten Gatten wie ein Einkauf behandelt und die gesamte übertragene Summe nur dem überobligatorischen Guthaben gutgeschrieben wird. Da die Mindestbestimmungen des BVG, insbesondere betreffend Zinssatz und Umwandlungssatz, nicht für die überobligatorischen Ansprüche gelten, kann dieses Vorgehen dazu führen, dass trotz hälftiger Teilung im Vorsorgefall für den ausgleichsberechtigten Gatten beträchtlich tiefere Leistungen resultieren98.

Absatz 1: Um dieses unerwünschte Ergebnis zu verhindern, ist nach Absatz 1 bei der Entnahme die zu überweisende Summe im gleichen Verhältnis aus dem obligatorischen und aus dem überobligatorischen Guthaben zu entnehmen wie das Verhältnis der Anteile dieser Guthaben am gesamten Guthaben der ausgleichsbelasteten Person in dieser Einrichtung.

Beispiel: Eine versicherte Person hat in ihrer Vorsorgeeinrichtung im Zeitpunkt der Scheidung ein Guthaben von 100 000 Franken, wovon 80 000 Franken BVGAltersguthaben und 20 000 Franken überobligatorisches Guthaben sind. Das Verhältnis von BVG-Altersguthaben zu überobligatorischem Guthaben beträgt also 4:1 bzw. das Gesamtguthaben besteht aus 4/5 BVG-Altersguthaben und 1/5 überobligatorischem Guthaben. Wird im Rahmen der hälftigen Teilung festgestellt, dass von diesem Guthaben 40 000 Franken an die Vorsorgeeinrichtung des anderen Partners übertragen werden müssen, so bedeutet dies, dass sich diese Summe aus 32 000 Franken (= 4/5 von 40 000 Franken) BVG-Altersguthaben und 8 000 Franken (= 1/5 von 40 000 Franken) überobligatorischem Guthaben zusammensetzen muss.

Die vorgeschlagene Lösung ist relativ einfach zu handhaben, da sie auf Angaben über den Anteil von BVG-Altersguthaben und überobligatorischem Guthaben abstellt, die bei der betroffenen Vorsorgeeinrichtung vorhanden sind99. Es wurde bewusst darauf verzichtet zu versuchen, spezifisch das Verhältnis des obligatorischen und überobligatorischen Anteils am während der Ehe erworbenen Guthaben zu berechnen. Abgesehen davon, dass dafür eine zusätzliche und oft aufwendige Berechnung notwendig wäre, dürfte oft auch die Information fehlen, wie viel BVGAltersguthaben im Zeitpunkt der Eheschliessung vorhanden war, da diese Information bisher nicht festgehalten werden musste. Sie müsste
daher sehr häufig durch hypothetische Werte ersetzt werden. Auch wurde darauf verzichtet, die BVGAltersguthaben und die überobligatorischen Anteile aller Vorsorgeguthaben eines Ehegatten ­ oder sogar beider Ehegatten ­ mit einzubeziehen. Diese beiden zusätzlichen Aspekte hätten die Vorgänge sehr kompliziert und so für die Praxis untauglich gemacht.

In vielen Fällen hat jeder Ehegatte im Scheidungszeitpunkt sein gesamtes Guthaben bei einer einzigen Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung, und die vorgeschlagene Regelung führt zu einer klaren und akzeptablen Lösung. Hat eine Person, die zu einem Vorsorgeausgleich verpflichtet ist, Vorsorgeguthaben bei mehreren Einrichtungen, entsteht ein gewisser Entscheidungsspielraum: Durch die Bezeichnung der Einrichtung, aus der ein Guthaben überwiesen werden soll, kann die Aufteilung in 98

99

Die überobligatorischen Anteile sind auch bei Teil- und Gesamtliquidationen schlechter geschützt, da versicherungstechnische Fehlbeträge abgezogen werden können (vgl.

Art. 53d Abs. 3 BVG), und die gesetzlichen Anpassungen der Invalidenrenten an die Teuerung beziehen sich ausschliesslich auf obligatorische Leistungen.

Für jene Guthaben, für die diese Informationen nicht mehr eruiert werden können, wird der Bundesrat in Art. 15 Abs. 4 E-BVG beauftragt, eine Regelung zu treffen.

4944

Obligatorium und Überobligatorium beeinflusst werden. Hingegen können die Ehegatten oder das Gericht für den zu übertragenden Anspruch nicht ein anderes Verhältnis am obligatorischen Anteil bestimmen, als es dem vorhandenen Guthaben entspricht.

Besteht eine Scheidungskonvention, so muss die Einrichtung, aus der das Guthaben überwiesen wird, klar bezeichnet werden. Die Vereinbarungen in der Scheidungskonvention, die den Vorsorgeausgleich betreffen, werden vom Gericht überprüft (Art. 280 ZPO). Falls keine Vereinbarung zustande kommt, hat das Gericht die Vorsorgeeinrichtung zu bestimmen, aus der das Guthaben zu entnehmen ist. Gehört der verpflichtete Ehegatte einer BVG- und gleichzeitig einer Kadervorsorge an, kann es möglicherweise sinnvoll sein, den zu überweisenden Betrag auf beide Einrichtungen aufzuteilen. In anderen Fällen kann es so sein, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte gar kein Interesse daran hat, dass ihm BVG-Altersguthaben übertragen wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn er das Rentenalter schon erreicht hat oder die Bedingungen für eine Barauszahlung erfüllt und diese auch verlangen will (vgl.

Art. 124d E-ZGB).

Werden Vorsorgeansprüche nach Artikel 124a E-ZGB in Form einer Rente geteilt und in die Vorsorge der ausgleichsberechtigten Person übertragen, so muss der Anteil an der obligatorischen Vorsorge ebenfalls erhalten bleiben. In vielen Einrichtungen ist dieser Anteil ohne Schwierigkeiten festzustellen. Dies gilt insbesondere für all jene Vorsorgeeinrichtungen, die für Hinterlassenenleistungen an geschiedene Ehegatten BVG-Minimalleistungen vorsehen, also im Todesfall den obligatorischen Teil der Alters- oder Invalidenleistung als Berechnungsgrundlage dieser Hinterlassenenleistungen benutzen. Für Renten, bei denen der BVG-Anteil nicht mehr festgestellt werden kann, schliesst die sinngemässe Anwendung der Regelung für die Übertragung von Austrittsleistungen auch die Bundesratskompetenz nach Artikel 15 Absatz 4 E-BVG mit ein. Logische Folge der anteilsmässigen Übertragung obligatorischer und überobligatorischer Ansprüche beim Vorsorgeausgleich ist, dass auch beim Rentenanspruch des verpflichteten Ehegatten das Verhältnis von obligatorischem zu überobligatorischem Anteil nicht ändert. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle werden die lebenslänglichen Renten nach Artikel 124a
Absatz 2 E-ZGB jedoch voraussichtlich nicht in eine Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung übertragen, sondern an den ausgleichsberechtigten Ehegatten ausgerichtet. In diesen Fällen ist der BVG-Anteil offensichtlich unerheblich.

Absatz 2: Wie in einem Freizügigkeitsfall muss in Zukunft bei der Übertragung im Rahmen des Vorsorgeausgleichs die Information über den obligatorischen Anteil an den Vorsorgeansprüchen an die neue Vorsorgeeinrichtung weitergeleitet werden.

Diese teilt die Mittel entsprechend den Angaben dem obligatorischen und dem überobligatorischen Guthaben der ausgleichsberechtigten Person zu.

Absatz 3: Wird bei einem Vorsorgeausgleich nach Artikel 124a E-ZGB die lebenslängliche Rente in die Vorsorge des ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen, kann die Vorsorgeeinrichtung des verpflichteten Ehegatten in ihrem Reglement vorsehen, dass dem berechtigten Ehegatten eine Wahlmöglichkeit für eine Übertragung in Kapitalform zusteht. Der Vorsorgeausgleich wird dann gleich wie bei einer Scheidung vor dem Vorsorgefall durch eine Überweisung des ganzen Betrags in die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des berechtigten Ehegatten vollzogen.

Dabei muss auch der obligatorische Anteil an diesem Guthaben bezeichnet werden.

Es ist zu wünschen, dass die Vorsorgeeinrichtungen diese Möglichkeit anbieten werden, da insbesondere bei jüngeren ausgleichsberechtigten Personen eine langjäh4945

rige Übertragung in die Vorsorge relativ schwerfällig ist. Die Umrechnung einer bereits laufenden Rente in ein Kapital soll den Einrichtungen jedoch nicht aufgezwungen werden. Ebenso wenig soll diese Umrechnung dem berechtigten Ehegatten aufgezwungen werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 124c Abs. 2 E-ZGB). Für die Fälle, in denen trotz dieser Möglichkeit für eine gewisse Zeit die lebenslängliche Rente in die Vorsorge des ausgleichsberechtigten Ehegatten überwiesen wird, erhält der Bundesrat eine Verordnungskompetenz, um die Details der Überweisungsbedingungen festzulegen (z.B. die Frequenz der Überweisungen und Zinsregelung).

Absatz 4: Die beteiligten Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen müssen bei einer Übertragung von Vorsorgemitteln stets mitteilen, welcher Anteil davon auf das BVG-Altersguthaben entfällt. Dieser Vorgang entspricht in Bezug auf die Bewahrung des BVG-Altersguthabens und die entsprechende Meldepflicht im Grunde genommen der Überweisung des Vorsorgeguthabens eines Versicherten beim Übertritt zwischen solchen Einrichtungen.

Art. 22d

Wiedereinkauf nach Scheidung

Der zum Ausgleich verpflichtete Ehegatte hat nach geltendem Recht die Möglichkeit, den Betrag, den er im Rahmen des Vorsorgeausgleichs überwiesen hat, mit eigenen Mitteln wieder einzuzahlen und so die Reduktion seiner Vorsorge wieder auszugleichen. Diese Möglichkeit zum Schliessen der Lücke wird in Bezug auf das BVG-Altersguthaben verstärkt. Da mit der Revision ein Vorsorgeausgleich auch nach Eintritt eines Vorsorgefalls durchgeführt wird, braucht es neu eine differenzierte Lösung für den Wiedereinkauf, je nachdem, ob im Zeitpunkt der Wiedereinzahlung bereits ein Vorsorgefall eingetreten ist oder nicht.

Absatz 1: Vor Eintritt eines Vorsorgefalls besteht wie nach bisherigem Recht ein Anspruch auf Wiedereinzahlung der übertragenen Austrittsleistung. Zur vollständigen Wiederherstellung des früheren Vorsorgeschutzes ist es notwendig, dass die Lücke im BVG-Altersguthaben wieder gefüllt wird, da die zukünftigen Leistungen andernfalls beträchtlich tiefer ausfallen können. Deshalb wird neu festgehalten, dass der wieder einbezahlte Betrag dem obligatorischen und dem überobligatorischen Guthaben im gleichen Verhältnis zugeordnet werden muss, wie der zum Zweck des Vorsorgeausgleichs übertragene Betrag entnommen wurde. Es sollte kein Problem sein, dieses Verhältnis festzustellen, denn diese Informationen müssen unmittelbar nach dem Vollzug des Vorsorgeausgleichs vorhanden sein (vgl. Erläuterungen zu Art. 22c Abs. 1 E-FZG).

Absatz 2: Kein Anspruch auf Wiedereinzahlung besteht hingegen, wenn eine hypothetische Austrittsleistung eines Invalidenrentners vor dem Rentenalter übertragen wurde (Art. 124 E-ZGB). Der Invalidenrentner ist für diesen Teil seiner Vorsorge nicht mehr aktiv in einer Vorsorgeeinrichtung versichert. Zum Vergleich: Auch eine Rückzahlung des WEF-Vorbezuges ist bei einem Invalidenrentner nicht mehr möglich (vgl. Art. 30d Abs. 3 Bst. b BVG und Erläuterungen zu Art. 30c Abs. 6 E-BVG). Ist eine Person nur teilinvalid und zum anderen Teil noch aktiv versichert, sollte der Ausgleich möglichst aus der tatsächlich vorhandenen Austrittsleistung und nicht aus der hypothetischen Austrittsleistung entnommen werden, denn so bleibt der Wiedereinkauf auf den aktiven Teil weiterhin möglich. Führt eine Vorsorgeeinrichtung bei einer temporären Invalidenrente ein beitragsbefreites Altersguthaben weiter, könnte sie allenfalls in ihrem Reglement eine Wiedereinkaufsmöglichkeit in dieses Altersguthaben vorsehen.

4946

Art. 22e

Auszahlung aufgrund von Alter oder Invalidität

Absatz 1: Hat die ausgleichsberechtigte Person Anspruch auf eine volle Rente der Invalidenversicherung, so ist der Vorsorgefall im Sinn der beruflichen Vorsorge in vollem Umfang eingetreten. In dieser Situation sollten sämtliche Ansprüche, welche diese Person in der beruflichen Vorsorge hat, dazu beitragen, ihren Lebensunterhalt zu decken. Sie kann daher verlangen, dass ihr die lebenslängliche Rente, die ihr beim Vorsorgeausgleich nach Artikel 124a E-ZGB zugesprochen wurde, direkt ausgerichtet wird. Sie könnte in der Regel die Rentenzahlungen gar nicht mehr in eine Vorsorgeeinrichtung einbringen: Selbst wenn sie in kleinem Umfang noch eine Erwerbstätigkeit ausüben kann, wird sie nämlich nicht mehr obligatorisch in der beruflichen Vorsorge versichert (vgl. Art. 1j Abs. 1 Bst. d BVV 2). Verlangt sie die Auszahlung nicht, werden die Rentenzahlungen an eine Freizügigkeitseinrichtung überwiesen.

Ebenso kann der berechtigte Ehegatte bei einem Ausgleich nach Artikel 124a E-ZGB die direkte Ausrichtung der lebenslänglichen Rente an sich verlangen, wenn er bei der Scheidung bereits das gesetzlich frühestmögliche Rentenalter der beruflichen Vorsorge erreicht hat (gegenwärtig: vollendetes 58. Altersjahr, vgl. Art. 1i Abs. 1 BVV 2). Erreicht er dieses Alter in einem späteren Zeitpunkt, kann er frühestens ab diesem Zeitpunkt die direkte Ausrichtung der Rente an ihn verlangen. Diese Regelung berücksichtigt die Tatsache, dass viele Personen, insbesondere Frauen, die sich früher stark der Kindererziehung gewidmet haben, sich später nicht mehr vollständig in das Erwerbsleben integrieren können. Sie haben unter Umständen keine berufliche Vorsorge oder es ist nur ein geringer Lohn darin versichert. In dieser Situation dient es der Altersvorsorge dieser Person mehr, wenn sie den ihr zustehenden Rentenanspruch direkt als Rente beziehen kann. Dies soll aber nicht vor Erreichen des gesetzlich frühestmöglichen Rentenalters geschehen. In anderen Fällen ist es sinnvoller, wenn Lücken in der Vorsorge gefüllt werden, die viele Personen nach einem Wiedereintritt in das Erwerbsleben oder einer Wiedererhöhung ihrer Erwerbstätigkeit haben. Verlangt daher die ausgleichsberechtigte Person nicht ausdrücklich die Ausrichtung der lebenslänglichen Rente, so muss diese in die Vorsorgeeinrichtung oder ­ falls dies nicht möglich ist ­ in
die Freizügigkeitseinrichtung überwiesen werden, bis sie das ordentliche gesetzliche Rentenalter erreicht hat.

Absatz 2: Hat der berechtigte Ehegatte bei einem Ausgleich nach Artikel 124a E-ZGB das ordentliche gesetzliche Rentenalter erreicht (gegenwärtig: vollendetes 64. Altersjahr bei Frauen, vollendetes 65. Altersjahr bei Männern, vgl. Art. 13 BVG), so wird ihm ohne ausdrückliche anderslautende Anweisung die lebenslängliche Rente ausbezahlt. Das Gleiche gilt ab dem Zeitpunkt, in dem er nach dem Ausgleich das ordentliche Rentenalter erreicht hat. Nur wenn es ihm noch möglich ist, Einzahlungen in seine eigene Vorsorgeeinrichtung zu machen, kann der berechtigte Ehegatte verlangen, dass die übertragene Rente über das gesetzliche Rentenalter hinaus in seine Vorsorgeeinrichtung überwiesen wird (zweiter Satz). Solche Einzahlungen können zum Beispiel noch reglementarisch zugelassen sein, wenn das ordentliche reglementarische Rentenalter in dieser Einrichtung noch nicht erreicht ist und noch Einkaufsmöglichkeiten bestehen. Gerade bei Frauen sehen Einrichtungen manchmal ein höheres ordentliches Rentenalter vor, indem sie das Rentenalter für Männer und Frauen auf 65 Jahre festlegen. Es ist auch möglich, dass die Vorsorgeeinrichtung bei der Arbeit über das ordentliche Rentenalter hinaus die Möglichkeit der Weiterversicherung gemäss Artikel 33b BVG anbietet und dabei noch Einkäufe möglich sind.

4947

Art. 22f

Entschädigung

Die Absätze 1 und 2 dieser Bestimmung entsprechen dem heutigen Artikel 22b FZG, wobei der Verweis auf die Bestimmung im ZGB (Art. 124e E-ZGB) in Absatz 1 angepasst werden muss.

Durch die Möglichkeit, auch nach Eintritt eines Vorsorgefalls noch einen Vorsorgeausgleich gemäss den Artikeln 124 und 124a E-ZGB aus Mitteln der beruflichen Vorsorge zu machen, sollten die Fälle der angemessenen Entschädigungen stark zurückgehen. Es wird jedoch weiterhin gewisse Fälle der angemessenen Entschädigung geben, und es ist nicht ausgeschlossen, dass dabei noch eine Austrittsleistung ­ allenfalls auch aus einem länger zurückliegenden Vorsorgeverhältnis ­ existiert.

Diese Möglichkeit ist zum Beispiel auch dann nützlich, wenn Vorsorgeansprüche im Ausland bestehen. Hat der Ehegatte, der zu einer angemessenen Entschädigung verpflichtet wird, ein Vorsorgeguthaben in der Schweiz, so kann es gestützt auf die Bestimmung zur Begleichung dieser Entschädigung herangezogen werden. Es ist daher sinnvoll, die Möglichkeit weiter offenzuhalten, eine angemessene Entschädigung aus den Mitteln einer solchen Austrittsleistung zu begleichen.

Absatz 3: Bei einem Vorsorgeausgleich durch Zahlung einer Kapitalabfindung nach Artikel 124d oder 124e E-ZGB wird neu die Möglichkeit geschaffen, dass diese Mittel auch dann in die Vorsorge des berechtigten Ehegatten eingezahlt werden können, wenn er in diesem Moment keine Vorsorgeeinrichtung oder dort keine Einkaufsmöglichkeiten mehr hat. Das Gericht muss dabei den Betrag und die Einrichtung, auf welche das Guthaben übertragen werden soll, genau bezeichnen. Durch die neue Bestimmung kann sichergestellt werden, dass die übertragenen Mittel der Vorsorge des berechtigten Ehegatten dienen und nicht vorzeitig verbraucht werden können, wenn kein Barauszahlungsgrund vorliegt.

Art. 23 Der bisherige Artikel 23 FZG wird aus systematischen Gründen verschoben und ist inhaltlich unverändert als Artikel 18a FZG zu finden (vgl. dortige Erläuterungen).

Der neue Artikel 23 entspricht dem bisherigen Artikel 22d FZG.

Art. 24 Abs. 3 und 4 Die neuen Regelungen setzen zusätzliche Informationen zwischen dem Scheidungsgericht beziehungsweise den Ehegatten und den Vorsorgeeinrichtungen voraus. Neu ist die Information über das BVG-Altersguthaben notwendig. Insbesondere für den Vorsorgeausgleich nach dem Vorsorgefall
muss das Gericht die Vorsorgebedürfnisse der Ehegatten genauer prüfen, da sie sich nicht mehr wiedereinkaufen können.

Es muss daher auch die Leistungen nach dem Vollzug des Vorsorgeausgleichs abschätzen können. Bei Vorsorgereglementen mit temporären Invalidenrenten gehört auch die voraussichtliche zukünftige Altersleistung zu den wichtigen Informationen, über die das Gericht verfügen muss. Der Bundesrat wird unter Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern der Gerichte und der Vorsorgeeinrichtungen eine praxistaugliche Lösung erarbeiten.

4948

Art. 24a

Meldepflicht der Einrichtungen

Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen haben die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen bei der Meldung vergessener Guthaben die Wahl zwischen zwei Vorgehensweisen: Sie können entweder selektiv nur jene Guthaben, bei denen sie keinen Kontakt mit den Berechtigten mehr herstellen können, an die Zentralstelle 2. Säule melden oder ihren ganzen Versichertenbestand. Diese zweite Möglichkeit wird hauptsächlich von den Freizügigkeitseinrichtungen genutzt.

Oft herrscht in Scheidungsfällen Unsicherheit, ob die Beteiligten tatsächlich alle ihre Vorsorgeguthaben offenlegen. Ehepartner informieren sich oft nicht oder nicht vollständig über ihre jeweiligen Vorsorgeverhältnisse, wobei dies noch dadurch verstärkt werden kann, dass der Scheidung eine längere Trennungszeit vorausgegangen ist. Die Ehepartner haben zwar Mitwirkungspflichten und müssen die Einrichtungen angeben, bei denen sich ihre Vorsorgeguthaben befinden. In der Praxis ist es jedoch schwierig und zuweilen sogar unmöglich, diese Mitwirkungspflichten gegenüber nicht kooperativen oder abwesenden Personen durchzusetzen.

Guthaben von aktiv versicherten Personen bei Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen können auch nicht immer anhand aktueller oder früherer Steuererklärungen aufgefunden werden, da diese Guthaben vor ihrer Fälligkeit nicht steuerrelevant sind und daher weder die Guthaben selbst noch allfällige Übertragungen zwischen Einrichtungen deklariert werden müssen. Die Rekonstruktion der Erwerbsbiografie kann zwar anhand der Informationen der AHV erleichtert werden. Sie bleibt jedoch umständlich und langwierig und ist nur beschränkt zweckmässig. Bei häufigem Stellenwechsel werden die Verhältnisse schnell kompliziert, und frühere Arbeitgeber und deren Vorsorgeeinrichtungen existieren im Zeitpunkt der Scheidung oft nicht mehr. Es genügt auch nicht, die jeweils erworbenen Vorsorgeguthaben in Erfahrung zu bringen. Vielmehr muss für jeden Wechsel festgestellt werden, ob die jeweiligen Austrittsleistungen an die nächste Vorsorgeeinrichtung oder an eine Freizügigkeitseinrichtung überwiesen wurden und ob sie ­ im letzteren Fall ­ eventuell in einem späteren Zeitpunkt mit dem restlichen Vorsorgeguthaben zusammengeführt wurden.

Mit einer generellen Meldung aller Vorsorgeguthaben an die Zentralstelle 2. Säule lassen sich solche Unsicherheiten
beseitigen. Aufgrund der Information der Zentralstelle 2. Säule können die fraglichen Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen kontaktiert und über das Guthaben befragt werden: über seinen Verbleib, falls es in der Zwischenzeit bereits weitergeleitet oder ausgezahlt worden ist, und andernfalls über seine Höhe bzw. die Höhe des ehelichen Anteils und seine Teilbarkeit.

Für die vorgeschlagene Pflicht zur Meldung an die Zentralstelle 2. Säule ist einzig der Bestand eines Guthabens ausschlaggebend. Weder die Höhe des Guthabens noch das Datum, an dem es in die Einrichtung eingebracht wurde, müssen gemeldet werden. Dadurch kann das Meldeverfahren auf ein striktes Minimum beschränkt werden. Die Meldung der Guthaben muss hingegen vollständig sein. Die Meldepflicht betrifft alle aktiven Versicherten, die Anfang Dezember bereits versichert waren oder im Lauf des Monats Dezember eintraten. Sie betrifft aber auch Guthaben, die sich in der Vorsorgeeinrichtung befanden von Personen, die bereits ausgetreten sind oder im Dezember austraten, deren Guthaben jedoch noch nicht oder erst im Lauf des Dezembers an eine andere Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung weitergeleitet wurden. Selbst Guthaben, die irrtümlicherweise in eine Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung übertragen wurden, müssen gemeldet werden. Dadurch wird vermieden, dass Guthaben, die in dieser Zeit übertragen 4949

werden, von keiner Einrichtung gemeldet werden. Wird ein Guthaben von zwei Einrichtungen gemeldet, weil es im Verlauf des Dezembers übertragen wurde, ist das kein Problem, da diese Tatsache bei der Rückfrage durch das Gericht sofort offensichtlich wird. Die Bezüger einer Alters- oder Invalidenrente müssen nicht gemeldet werden, da diese Information leichter zu ermitteln ist und zum Beispiel auch aus der Steuererklärung hervorgeht. Der zusätzliche Aufwand lohnt sich daher nicht.

Die technischen Einzelheiten sind in der Verordnung zu regeln, wie dies bereits heute der Fall ist.

Art. 24b Dadurch, dass neu nicht mehr zwei verschiedene Vorgehensweisen zur Wahl stehen, erübrigt sich Artikel 24b FZG. Der Artikel kann daher aufgehoben werden.

Art. 25a Abs. 1 Die Anpassung des FZG an die Vorschriften zum Scheidungsverfahren in der ZPO, die bisher noch lückenhaft war, soll vervollständigt werden.

Das Versicherungsgericht ist zuständig, wenn die Höhe der Vorsorgeansprüche oder ihre Teilbarkeit nicht feststehen. Letzteres ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Austrittsleistung verpfändet ist oder wenn bei einer wegen Überentschädigung gekürzten Invalidenrente auf die hypothetische Austrittsleistung, die dieser Invalidenrente entspricht, zugegriffen werden müsste. Ein weiterer Anwendungsfall ist denkbar, wenn einer der Ehegatten oder eine Vorsorgeeinrichtung die Höhe der resultierenden Vorsorgeansprüche bestreitet. Dies kann neu auch der Fall sein, wenn die Richtigkeit der Umrechnung in eine lebenslängliche Rente nach Artikel 124a Absatz 3 Ziffer 1 E-ZGB strittig ist. Schliesslich ist das Versicherungsgericht auch zuständig, wenn sich die Vorsorgeeinrichtung weigert, eine Durchführbarkeitserklärung abzugeben.

Bei der Teilung einer Altersrente oder einer Invalidenrente im Rentenalter (Art. 124a E-ZGB) beinhaltet der Teilungsschlüssel den prozentualen Anteil der Alters- oder Invalidenrente, den das Gericht dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zuspricht (vgl. Art. 281 Abs. 3 Bst. e ZPO).

Mit dem zweiten Satz soll eine Gesetzeslücke für diejenigen Fälle gefüllt werden, in denen die Scheidung im Ausland stattgefunden hat100.

Art. 26 Abs. 3 Es wurde lediglich der Verweis an das neue Recht angepasst.

100

BGE 135 V 425 E. 1.2

4950

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Die Vorlage hat keine finanziellen und personellen Auswirkungen auf den Bund.

Auch in Bezug auf das Steueraufkommen führt der vorgeschlagene Vorentwurf zu keinen nennenswerten Änderungen. Durch die Einführung der Teilung der Ansprüche aus beruflicher Vorsorge auch nach Eintritt eines Vorsorgefalls werden seltener freie Mittel für den Vorsorgeausgleich (Art. 124 Abs. 1 ZGB) aufgewendet. Damit verliert die heute umstrittene Frage an Bedeutung, wie diese Mittel steuerrechtlich zu behandeln sind. Eine diesbezüglich etablierte Praxis ist nicht auszumachen. Nach Auskunft der Eidgenössischen Steuerverwaltung ist die angemessene Entschädigung nach Artikel 124 Absatz 1 ZGB als Leibrente zu qualifizieren und in der Folge zu 40 Prozent steuerbar (Art. 22 Abs. 3 DBG101). Demgegenüber stellen sich einzelne kantonale Steuerbehörden auf den Standpunkt, dass es sich dabei um Leistungen handelt, die zu 100 Prozent versteuert beziehungsweise in Abzug gebracht werden können (Art. 23 Bst. f und Art. 33 Abs. 1 Bst. c DBG). Zu dieser zweiten Auffassung neigt auch die Lehre102. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die Aufwendungen für einen Wiedereinkauf in die berufliche Vorsorge im Anschluss an den Vorsorgeausgleich in voller Höhe von den steuerbaren Einkünften abgezogen werden können (Art. 33 Abs. 1 Bst. d DBG und Art. 79b Abs. 4 BVG). In Übereinstimmung mit der Mehrheit der Expertenkommission lehnt es der Bundesrat ab, auf diese für die Akzeptanz des Vorsorgeausgleichs wichtige Bestimmung zurückzukommen. Er sieht umgekehrt aber auch keinen Grund, diese Wiedereinkaufsmöglichkeit auch für den Fall vorzusehen, dass im Zeitpunkt der Scheidung ein Vorsorgefall bereits eingetreten ist. Ein solches Recht stünde dem Versicherungsprinzip diametral entgegen und würde zu Problemen bei der Antiselektion führen.

Steuerrechtlich neutral sind auch die Vorschläge zum Vorsorgeausgleich nach dem Vorsorgefall (Art. 124 und 124a E-ZGB). Soweit diese Mittel anschliessend weiterhin für die Vorsorge bestimmt sind, löst der Vorgang keine Steuerfolgen aus. Dies gilt namentlich auch für den Fall, dass die Austrittsleistung auf die Auffangeinrichtung übertragen wird (Art. 60a E-BVG). Versteuert werden muss in diesem Fall erst die spätere Rente (Art. 22 DBG und Art. 83 BVG). Umgekehrt sind die Steuerfolgen von Leistungen, die der ausgleichsberechtigte
Ehegatte im Fall der Scheidung in bar erhält, davon abhängig, wer diese Leistungen ausrichtet und in welcher Form sie entrichtet werden.

Es ist im Übrigen davon auszugehen, dass die vorgeschlagenen Änderungen beim Bund keine Auswirkungen auf die Informatik haben werden.

101 102

Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer, SR 642.11.

Vgl. Thomas Ramseier, in: FamKommentar Scheidung, Ingeborg Schwenzer (Hrsg.), 2. Auflage, Bern 2011, Anhang Steuerrechtliche Aspekte und Berechnungen, N. 45; ferner Peter Locher, Auswirkungen einer Scheidung/Trennung im Bereich der Steuern, FamPra.ch 2008, S. 463 ff., insbes. 474 f.

4951

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Kantone und Gemeinden dürfen den Vorsorgeausgleich steuerrechtlich nicht anders behandeln als der Bund dies tut (Art. 81 Abs. 2 und 83 BVG). Was die finanziellen und personellen Auswirkungen der Vorlage auf sie betrifft, kann deshalb auf das zum Bund Gesagte verwiesen werden (vgl. Ziff. 3.1).

Ein gewisser Zusatzaufwand entsteht bei den Grundbuchämtern, die zu prüfen haben, ob die für eine spätere Errichtung eines Grundpfandes nötige Zustimmung des Ehegatten vorliegt (Art. 331e E-OR und Art. 30c Abs. 5 E-BVG).

Die neuen Bestimmungen über den Vorsorgeausgleich werden voraussichtlich in einem Punkt die Gerichte etwas stärker beanspruchen: Wenn es nämlich darum geht, den zu teilenden Rentenanteil zu bestimmen, haben die Gerichte neu die Vorsorgebedürfnisse beider Parteien zu berücksichtigen. Dazu werden sie zusätzlich Informationen einholen müssen. Im Übrigen wird die Vorlage ­ sobald sich die Praxis darauf eingestellt hat ­ zu keiner stärkeren Belastung der Gerichte führen. Die Vorlage bringt im Gegenteil diverse Klarstellungen. Entlastend für die erstinstanzlichen Gerichte dürfte ferner auch sein, dass in Zukunft über die Zentralstelle 2. Säule leichter in Erfahrung gebracht werden kann, über welche Vorsorgeguthaben ein Ehegatte im Zeitpunkt der Scheidung verfügt (Art. 24a E-FZG).

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Vorsorgeeinrichtungen

Die vorgeschlagene Revision der Bestimmungen über den Vorsorgeausgleich führt zu keiner systematischen finanziellen Mehr- oder Minderbelastung der Vorsorgeeinrichtungen, der Arbeitgeber oder der versicherten Personen. Die für die Vorsorge vorgesehenen Mittel werden als eine gesetzte Grösse betrachtet, die es im Fall der Scheidung unter den Beteiligten fair zu verteilen gilt. Nicht leugnen lässt sich allerdings, dass dies mit einem gewissen administrativen Mehraufwand für die Vorsorgeeinrichtungen verbunden ist. Dies gilt namentlich für die Pflicht, den Versichertenbestand periodisch der Zentralstelle 2. Säule zu melden (Art. 24a E-FZG). Die Einführung der Meldepflicht wird bei sehr grosszügiger Annahme von Programmieraufwand und Anzahl Kassen zu einmaligen Kosten von schweizweit schätzungsweise 3 Millionen Franken führen. Die jährliche Wiederholung der Meldung wird nur unbedeutende Kosten verursachen. Bei der Zentralstelle 2. Säule werden hingegen Mehrkosten von jährlich rund 400 000 Franken entstehen (IT-Kosten inbegriffen). Dabei wird vorausgesetzt, dass alle Akteure ihren schon heute bestehenden Informations- und Dokumentationspflichten grundsätzlich nachkommen.

Dies gilt insbesondere für die Angabe der Austrittsleistung im Zeitpunkt der Eheschliessung auf dem Versicherungsausweis. Auch die Kontrolle, ob bei einer Kapitalabfindung die notwendige Zustimmung des Ehegatten vorliegt, wird etwas Mehraufwand verursachen, da dieses Zustimmungserfordernis auf zusätzliche Fälle ausgeweitet wurde. Zusätzlicher administrativer Aufwand entsteht auch bei der Ausrichtung der lebenslänglichen Rente nach Artikel 124a Absatz 2 E-ZGB und beim Informationsaustausch zwischen den Vorsorgeeinrichtungen und Gerichten.

4952

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 2012103 zur Legislaturplanung 20112015 angekündigt. Der Bundesrat hat die Verabschiedung der Botschaft zur Änderung des Zivilgesetzbuches (Vorsorgeausgleich bei Scheidung) zudem als Jahresziel 2013 angemeldet104.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Regelung über den Vorsorgeausgleich stützt sich auf die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozessrechts (Art. 122 Abs. 1 BV105); beachtlich ist auch die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der beruflichen Vorsorge (Art. 113 Abs. 1 BV). Damit verbindet sich allerdings kein Freipass für den Gesetzgeber, den Vorsorgeausgleich in beliebiger Art und Weise auszugestalten.

So bleibt namentlich die Forderung nach Gleichstellung von Mann und Frau zu berücksichtigen (Art. 8 Abs. 3 BV). Ferner hat der Vorsorgeausgleich das Leistungsziel zu respektieren, das der 2. Säule im Drei-Säulen Modell zukommt: Die 1. und die 2. Säule sollen zusammen die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise ermöglichen (Art. 113 Abs. 2 Bst. a BV). Die vorgeschlagene Gesetzesänderung hält sich an diese von der Verfassung gesteckten Grenzen.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Schweiz ist keine internationalen Verpflichtungen eingegangen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Ausgestaltung des Vorsorgeausgleichs haben.

Im Übrigen stehen die Vorschläge im Einklang mit den allgemein gültigen Verpflichtungen, wie sie sich für die Schweiz beispielsweise aus dem Internationalen Übereinkommen vom 18. Dezember 1979106 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau oder aus der Konvention vom 4. November 1950107 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergeben (Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens). Kein Problem stellt auch das Abkommen vom 21. Juni 1999108 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit dar. Im Übrigen kann auf die Erläuterungen zu den Änderungen des IPRG verwiesen werden (vgl. Ziff. 2.5).

103 104 105 106 107 108

BBl 2012 481, hier 615 Ziele des Bundesrates im Jahr 2013, Band I, S. 12.

Bundesverfassung, SR 101 SR 0.108 SR 0.101 SR 0.142.112.681

4953

5.3

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Entwurf delegiert in bestimmten Bereichen Rechtsetzungskompetenzen an den Bundesrat. Dieser erhält die Kompetenz, folgende Punkte zu regeln: a.

das Vorgehen, wie der Ausgleich vorzunehmen ist, wenn die Invalidenrente eines Ehegatten vor dem reglementarischen Rentenalter wegen Überentschädigung gekürzt ist (Art. 124 Abs. 3 E-ZGB);

b.

die versicherungstechnische Umrechnung des Rentenanteils, der dem berechtigten Ehegatten zugesprochen wird, wenn mindestens ein Ehegatte im Zeitpunkt der Scheidung das reglementarische Rentenalter bereits erreicht hat, sowie das Vorgehen in Fällen, in denen die Altersleistung aufgeschoben oder die Invalidenrente nach dem reglementarischen Rentenalter wegen Überentschädigung gekürzt ist (Art. 124a Abs. 3 Ziff. 1 und 2 E-ZGB);

c.

die Festlegung des Anteils des BVG-Altersguthabens am gesamten Vorsorgeguthaben in Fällen, in denen dieser Anteil nicht mehr ermittelbar ist (Art. 15 Abs. 4 E-BVG);

d.

die Modalitäten der Anpassung der Invalidenrente, wenn im Rahmen des Vorsorgeausgleichs ein Guthaben analog zu demjenigen in Artikel 2 Absatz 1ter FZG übertragen wird (Art. 24 Abs. 5 E-BVG);

e.

das Vorgehen, wie Austrittsleistungen übertragen oder WEF-Vorbezüge zurückbezahlt werden, wenn nicht mehr feststellbar ist, welcher Teil dieser Beträge dem obligatorischen und welcher dem überobligatorischen Vorsorgeguthaben zuzuordnen ist (Art. 22b Abs. 1 E-FZG und Art. 30d Abs. 6 E-BVG);

f.

die Berechnung der Ansprüche bei laufenden Invalidenrenten und wenn zwischen der Einleitung des Scheidungsverfahrens und dem rechtskräftigen Entscheid über den Vorsorgeausgleich der Vorsorgefall Alter eingetreten ist (Art. 22a Abs. 4 E-FZG);

g.

die Modalitäten der Rentenüberweisung, wenn sich der ausgleichsberechtigte Ehegatte und die Vorsorgeeinrichtung nicht auf die Übertragung einer Kapitalleistung einigen können (Art. 22c Abs. 3 E-FZG);

h.

die zusätzlichen Informationspflichten beim Vorsorgeausgleich, insbesondere jene zur Berücksichtigung der Vorsorgebedürfnisse sowie für den Fall, dass der Vorsorgefall Invalidität oder Alter eingetreten ist (Art. 24 Abs. 3 und 4 E-FZG).

4954

Anhang 1

Schätzung des ehelichen Teils einer Altersrente, in Prozent Alter bei Rentenbeginn Heirat
25
26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69

58

59

60

61

62

63

64

65

66

67

68

69

70

100.0 98.1 96.3 94.4 92.5 90.6 88.8 86.9 85.0 83.2 81.3 78.6 75.9 73.3 70.6 67.9 65.2 62.6 59.9 57.2 54.5 50.5 46.5 42.5 38.5 34.5 30.5 26.5 22.5 18.4 14.4 9.6 4.8

100.0 98.2 96.4 94.6 92.9 91.1 89.3 87.5 85.7 83.9 82.1 79.6 77.0 74.5 71.9 69.4 66.8 64.3 61.7 59.2 56.6 52.8 49.0 45.2 41.3 37.5 33.7 29.8 26.0 22.2 18.4 13.8 9.2 4.6

100.0 98.3 96.6 94.9 93.2 91.5 89.8 88.0 86.3 84.6 82.9 80.5 78.0 75.6 73.2 70.7 68.3 65.9 63.4 61.0 58.5 54.9 51.2 47.6 43.9 40.2 36.6 32.9 29.3 25.6 22.0 17.6 13.2 8.8 4.4

100.0 98.4 96.7 95.1 93.5 91.8 90.2 88.6 86.9 85.3 83.6 81.3 79.0 76.6 74.3 72.0 69.6 67.3 65.0 62.6 60.3 56.8 53.3 49.8 46.3 42.8 39.3 35.7 32.2 28.7 25.2 21.0 16.8 12.6 8.4 4.2

100.0 98.4 96.9 95.3 93.7 92.2 90.6 89.0 87.4 85.9 84.3 82.1 79.8 77.6 75.3 73.1 70.9 68.6 66.4 64.1 61.9 58.5 55.2 51.8 48.4 45.1 41.7 38.3 35.0 31.6 28.3 24.2 20.2 16.1 12.1 8.1 4.0

100.0 98.5 97.0 95.5 94.0 92.5 90.9 89.4 87.9 86.4 84.9 82.8 80.6 78.4 76.3 74.1 72.0 69.8 67.7 65.5 63.4 60.1 56.9 53.7 50.4 47.2 44.0 40.7 37.5 34.3 31.0 27.2 23.3 19.4 15.5 11.6 7.8 3.9

100.0 98.5 97.1 95.6 94.2 92.7 91.3 89.8 88.4 86.9 85.5 83.4 81.3 79.3 77.2 75.1 73.0 71.0 68.9 66.8 64.7 61.6 58.5 55.4 52.3 49.2 46.1 42.9 39.8 36.7 33.6 29.9 26.1 22.4 18.7 14.9 11.2 7.5 3.7

100.0 98.6 97.2 95.8 94.4 93.0 91.6 90.2 88.8 87.4 86.0 84.0 82.0 80.0 78.0 76.0 74.0 72.0 70.0 68.0 66.0 63.0 60.0 57.0 54.0 51.0 48.0 45.0 42.0 39.0 36.0 32.4 28.8 25.2 21.6 18.0 14.4 10.8 7.2 3.6

100.0 98.6 97.3 95.9 94.6 93.2 91.9 90.5 89.2 87.8 86.5 84.6 82.6 80.7 78.8 76.8 74.9 73.0 71.0 69.1 67.2 64.3 61.4 58.5 55.6 52.7 49.8 46.9 44.0 41.1 38.2 34.7 31.3 27.8 24.3 20.8 17.4 13.9 10.4 6.9 3.5

100.0 98.7 97.4 96.1 94.8 93.5 92.2 90.9 89.6 88.2 86.9 85.1 83.2 81.3 79.5 77.6 75.7 73.9 72.0 70.1 68.3 65.5 62.7 59.9 57.1 54.3 51.5 48.7 45.9 43.1 40.3 36.9 33.6 30.2 26.9 23.5 20.1 16.8 13.4 10.1 6.7 3.4

100.0 98.7 97.5 96.2 94.9 93.7 92.4 91.2 89.9 88.6 87.4 85.6 83.8 81.9 80.1 78.3 76.5 74.7 72.9 71.1 69.3 66.6 63.9 61.2 58.5 55.8 53.1 50.4 47.7 44.9 42.2 39.0 35.7 32.5 29.2 26.0 22.7 19.5 16.2 13.0 9.7 6.5 3.2

100.0 98.8 97.6 96.3 95.1 93.9 92.7 91.4 90.2 89.0 87.8 86.0 84.3 82.5 80.8 79.0 77.3 75.5 73.8 72.0 70.3 67.7 65.0 62.4 59.8 57.2 54.5 51.9 49.3 46.7 44.1 40.9 37.8 34.6 31.5 28.3 25.2 22.0 18.9 15.7 12.6 9.4 6.3 3.1

100.0 98.8 97.6 96.4 95.3 94.1 92.9 91.7 90.5 89.3 88.1 86.4 84.7 83.1 81.4 79.7 78.0 76.3 74.6 72.9 71.2 68.6 66.1 63.6 61.0 58.5 55.9 53.4 50.8 48.3 45.8 42.7 39.7 36.6 33.6 30.5 27.5 24.4 21.4 18.3 15.3 12.2 9.2 6.1 3.1

4955

Vorgehen zur Abschätzung des zu teilenden Rententeils (Beispiel zur Teilung nach Art. 124a E-ZGB) Die Tabelle bezieht sich auf das Alter der rentenbeziehenden Person bei der Heirat und beim Rentenbeginn. Sie ist nur als Orientierungshilfe gedacht und stützt sich auf einen stark modellierten Aufbau einer beruflichen Vorsorge.

Je nach den konkreten Umständen, je nachdem, wie stark der Einfluss Ehe auf die Erwerbssituation war, soll für die Jahre nach dem Rentenbeginn bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens ein prozentualer Anteil bestimmt werden. In diesem Beispiel wurde ein Prozentsatz von 2,5 pro Jahr109 als angemessen betrachtet. Die Anzahl Jahre zwischen Rentenbeginn und Einleitung des Scheidungsverfahrens werden daher mit 2,5 multipliziert und das Resultat wird zu jenem Wert hinzugezählt, den man aus vorstehender Tabelle ermittelt hat. (Ein Endergebnis grösser als 100 bedeutet, dass im Prinzip die ganze Rente geteilt wird.)

Beispiel 1: Alter bei Heirat Alter bei Rentenbeginn Alter bei Einleitung des Scheidungsverfahrens

35 60

Wert aus Tabelle Für Jahre nach Rentenbeginn Ergebnis

82,9 10 2,5 = 25 107,9

70

Die Rechnung führt also in diesem Beispiel zum Vorschlag, die ganze Rente zu teilen.

Beispiel 2: Alter bei Heirat Alter bei Rentenbeginn Alter bei Einleitung des Scheidungsverfahrens

45 67

Wert aus Tabelle Für Jahre nach Rentenbeginn Ergebnis

68,3 8 2,5 = 20 88,3

75

Die Rechnung führt also in diesem Beispiel zum Vorschlag, 88,3 Prozent der Rente zu teilen.

109

Der Aufbau der Vorsorge verläuft nach Modell über 40 Jahre. Ein Jahr entspricht also 2,5 % der Gesamtdauer. Ebenso gut könnte aber aufgrund der konkreten Verhältnisse ein anderer Prozentsatz festgelegt werden.

4956

Anhang 2

Ablauf beim Vorsorgeausgleich Dieses Schema veranschaulicht, in welchen Situationen der Vorsorgeausgleich durch Teilung der Austrittsleistung, durch Teilung der Rente oder durch Leistung einer angemessenen Entschädigung vorgenommen wird.

Es liegt keine Vereinbarung der Ehegatten vor

Es liegt eine Vereinbarung der Ehegatten vor.

Der Ehegatte bezieht bei Einleitung des Scheidungsverfahrens keine Rente der beruflichen Vorsorge.

Das Gericht prüft, ob eine angemessene Vorsorge bestehen bleibt

Der Ehegatte bezieht bei Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Rente der beruflichen Vorsorge.

Invalidenrente vor dem reglement.

Rentenalter

Altersrente/ Invalidenrente nach reglement.

Rentenalter

Der Betrag nach Art.

2 Abs. 1ter FZG = Austrittsleistung

Teilung der Austrittsleistung

Sprechen Gründe gegen die hälftige Teilung?

Nein

Teilung der Rente nach Ermessen des Gerichts

Ja Gericht legt anderen Teilungsschlüssel fest

Ist ein Ausgleich mit Vorsorgemitteln möglich?

Nein

Ja

Rentenverrechnung und Umwandlung

Ist ein Ausgleich mit Vorsorgemitteln zumutbar?

Ja

Übertrag der Ausgleichszahlung von VE/FZE des Ausgleichsverplichteten auf VE/FZE des Ausgleichsberechtigten

Nein

Angemessene Entschädigung aus freien Mitteln

VE des Ausgleichsverpflichteten leistet lebenslängliche Rente

4957

4958