13.008 Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2012 und Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen sowie Bericht über zolltarifarische Massnahmen im Jahr 2012 vom 9. Januar 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Gestützt auf Artikel 10 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen («Aussenwirtschaftsgesetz», SR 946.201) erstatten wir Ihnen Bericht über die Aussenwirtschaftspolitik 2012. Wir beantragen Ihnen, von diesem Bericht samt seinen Beilagen (Ziff. 10.1.1­10.1.2) Kenntnis zu nehmen (Art. 10 Abs. 1 des Aussenwirtschaftsgesetzes).

Gleichzeitig unterbreiten wir Ihnen, gestützt auf Artikel 10 Absatz 3 des Aussenwirtschaftsgesetzes, zwei Botschaften sowie Entwürfe von Bundesbeschlüssen über die Genehmigung von internationalen Wirtschaftsvereinbarungen. Wir beantragen Ihnen, die folgenden zwei Vereinbarungen zu genehmigen: ­

die Änderung des Übereinkommens vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) (Landwirtschaft) durch den Beschluss Nr. 2/2012 des Rates vom 21. Juni 2012 (Ziff. 10.2.1);

­

das Abkommen vom 16. Oktober 2012 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Tunesischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (Ziff. 10.2.2).

Zudem unterbreiten wir Ihnen den Bericht und den Entwurf des Bundesbeschlusses über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen im Jahr 2012 (Ziff. 10.3), in Anwendung von Artikel 10 Absatz 4 des Aussenwirtschaftsgesetzes sowie gestützt auf Artikel 13 Absätze 1 und 2 des Zolltarifgesetzes vom 9. Oktober 1986 (SR 632.10), auf Artikel 6a des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten (SR 632.111.72) und auf Artikel 4 Absatz 2 des Zollpräferenzengesetzes vom 9. Oktober 1981 (SR 632.91). Wir beantragen Ihnen, die zolltarifarischen Massnahmen zu genehmigen.

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Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

9. Januar 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Gesamtübersicht Zielsetzung des Bundesrates für das Jahr 2012 Der Bundesrat hat sich in seinen Zielen für das Berichtsjahr insbesondere auf eine Stärkung der schweizerischen Wirtschaft durch bestmögliche Rahmenbedingungen und ein anhaltendes Wachstum konzentriert (vgl. Ziele des Bundesrates 2012, Ziel 2). Dazu hat er auf innenpolitischer Ebene namentlich die Revision des Landesversorgungsgesetzes zur Vernehmlassung unterbreitet und die Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik verabschiedet. Er legte ebenfalls Wert auf die Konsolidierung der Beziehungen zur EU.

Besonders intensiv waren im Berichtsjahr die auf die Marktöffnung gerichteten aussenwirtschaftlichen Aktivitäten. Die Verhandlungen über die EFTA-Freihandelsabkommen mit Bosnien und Herzegowina stehen vor dem Abschluss und jene mit gewissen zentralamerikanischen Staaten (Costa Rica, Guatemala, Honduras, Panama) sind weit fortgeschritten. Die Verhandlungen mit Indien, Indonesien, Russland (zusammen mit Belarus und Kasachstan), Vietnam und China (im bilateralen Rahmen) wurden weitergeführt. Im Rahmen der WTO haben die Mitglieder Themen identifiziert und verhandelt, für die im Hinblick auf das im Jahr 2013 bevorstehende neunte Ministertreffen eine Einigung möglich erscheint. Mit Blick auf eine nachhaltige Sicherung des bilateralen Weges hat der Bundesrat der EU zudem Vorschläge zur Lösung der von der EU thematisierten institutionellen Fragen unterbreitet.

Dabei hat er seinen gesamtheitlichen und koordinierten Ansatz weiterverfolgt.

Über diese und weitere für die schweizerische Aussenwirtschaftspolitik bedeutende Geschäfte gibt der vorliegende Bericht detailliert Auskunft.

Der Bundesrat wird in seinem jährlichen Geschäftsbericht ausführlich über den Stand der Arbeiten in Bezug auf seine Ziele für 2012 berichten. Die vorläufigen Ergebnisse der Aussenwirtschaftspolitik deuten darauf hin, dass die Ziele für das Berichtsjahr erreicht wurden. Dies gilt insbesondere für die Freihandelsabkommen, selbst wenn diese Verhandlungen immer anspruchsvoller werden (vgl. Ziff. 4). Auch bei anderen Geschäften ist Ausdauer gefragt und dementsprechend gilt es, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzuverfolgen.

Das wirtschaftliche Umfeld im Berichtsjahr Fünf Jahre nach der grossen Finanz- und Wirtschaftskrise bleibt die Weltwirtschaft geschwächt. Die Arbeitslosigkeit hat in zahlreichen Ländern ein historisch sehr hohes Niveau erreicht. Dies könnte zu sozialen Spannungen führen, was auf einige europäische Länder bereits zutrifft. Die grösste Unsicherheit besteht auch Ende des Berichtsjahrs vor allem im Zusammenhang mit der Eurozone, wo sich mehrere Staaten in einer ­ teilweise starken ­ Rezession befinden. Diese deutliche Konjunkturabkühlung in einigen Ländern ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen: Auswirkungen der gebremsten weltweiten Nachfrage, geringe preisliche Wettbe-

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werbsfähigkeit mehrerer südeuropäischer Länder, Konsequenzen der Schuldenkrise und der langfristig ausgerichteten strukturellen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte.

Auch in Deutschland, dessen Wirtschaft sich bis 2012 sehr dynamisch entwickelte, waren in den letzten Monaten zunehmend Anzeichen einer Verlangsamung zu erkennen. In den USA bereitete die sogenannte fiskalische Klippe («fiscal cliff»), das heisst die Folgen verschiedener Anfang 2013 in Kraft tretender Änderungen bei den Steuerausnahmen und Subventionen, im Berichtsjahr nach wie vor grosse Sorgen. In Europa lässt der Griechenland für die Erreichung seiner Sparziele gewährte Aufschub inzwischen an der Finanzierbarkeit der griechischen Verschuldung zweifeln.

Die Lage in mehreren anderen Regionen der Welt ist zwar bestimmt besser als in den USA und in Europa, Risiken bestehen jedoch auch dort. Im Berichtsjahr bekam sogar Asien, die weltweit dynamischste Region, die europäische Krise zu spüren, da sie sowohl in finanzieller als auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehr eng mit Europa verbunden ist. Der fiskalpolitische Handlungsspielraum der meisten asiatischen Länder ist allerdings relativ gross.

Die Konjunkturprognosen für das Jahr 2013 hängen weitgehend von der Entwicklung der Schuldenkrise in der Eurozone und von den Auswirkungen der getroffenen Massnahmen ab. Das Risiko einer Verschärfung der europäischen Schuldenkrise scheint im Gegensatz zum ersten Halbjahr des Berichtsjahres geringer. Zu verdanken ist dies den im September von der Europäischen Zentralbank getroffenen Beschlüssen und den Vorschlägen der Europäischen Kommission, welche einen ersten Schritt in Richtung Aufbau einer Bankenunion darstellen. Es kann jedoch noch nicht Entwarnung gegeben werden. Solange die krisengebeutelten Länder in ihrem Reformprozess nicht spürbare Fortschritte hin zu solideren Staatsfinanzen und einer stärkeren Wettbewerbsfähigkeit erzielen, ist die Krise nicht überstanden und das Risiko eines erneuten Vertrauensverlusts und wiederaufflammender Spannungen an den Finanzmärkten nicht gebannt.

Ein weiteres Risiko besteht in der zuletzt beobachteten Ausdehnung der Konjunkturschwäche auf andere Regionen der Welt. Diese Entwicklung könnte den Welthandel deutlich stärker bremsen als erwartet, weil aufgrund des Handels und der international ausgerichteten
Produktionsprozesse enge Verbindungen bestehen. Erfahrungsgemäss dürfte eine ausgeprägte Verlangsamung auf verschiedene ­ vorwiegend exportorientierte ­ asiatische Länder spürbar werden. Sollte ganz Asien nicht nur eine vorübergehende Schwäche erleiden, sondern anhaltend an Momentum verlieren, würde dies die Exportbranchen in Europa und der Schweiz noch stärker belasten.

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Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2012 Schwerpunktkapitel (vgl. Ziff. 1) Das Schwerpunktkapitel widmet sich den Wirtschaftsbeziehungen mit unseren Nachbarstaaten und insbesondere in den Grenzregionen, welche für die Schweizer Wirtschaft von hoher Bedeutung sind. Aus Sicht der Standortförderung und der Aussenwirtschaftspolitik sind die Handelsbeziehungen mit unseren direkten Nachbarn und namentlich den Wirtschaftsmotoren Bayern, Baden-Württemberg, RhôneAlpes und Lombardei am intensivsten. Diese Regionen sind bezüglich Innovation, Integration und Komplementarität der Wertschöpfungsketten aus wirtschaftlicher Sicht sehr eng mit den Grenzregionen der Schweiz verflochten. Somit geht es nicht nur bei der Stärkung der Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit, bei der Aussenwirtschaft und beim Arbeitsmarkt, sondern auch bei der Infrastruktur, der Bildung, der Forschung und Innovation sowie der Raumplanung darum, ein angemessenes politisches Vorgehen zu wählen. Angesichts dessen will der Bundesrat die Beziehungen mit den Nachbarstaaten weiter pflegen und vertiefen ­ auch im Hinblick auf die Beziehungen der Schweiz mit der EU.

Multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit (vgl. Ziff. 2) Dank den bestehenden Regeln und Verpflichtungen der WTO (Ziff. 2.1) widerstanden die Regierungen bisher trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds einer grossflächigen Einführung protektionistischer Massnahmen. Die Untersuchung des WTO-Organs zur Überprüfung der Handelspolitik hat jedoch gezeigt, dass in den letzten Jahren vermehrt handelsverzerrende Massnahmen ergriffen wurden. Dieser Kontext erschwert die Suche nach gemeinsamen Lösungen im Rahmen der DohaRunde, welche weiterhin blockiert ist. Um einen Weg aus der Sackgasse zu finden, sind die WTO-Mitglieder bestrebt, spezifische Themenbereiche zu bearbeiten, in denen Fortschritte erzielt werden können. Dazu gehören beispielsweise Handelserleichterungen und im plurilateralen Rahmen die Ausdehnung des Abkommens über die Liberalisierung von Informationstechnologien. Als kleine und offene Volkswirtschaft ist die Schweiz auf einen freien Zugang zu den internationalen Märkten besonders angewiesen.

Abgesehen vom Steuerdossier und den diesbezüglichen grossen Differenzen (Ziff. 2.2) war die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der OECD sehr ergiebig, trug sie doch dazu bei,
unsere Politik der wirtschaftlichen Öffnung zu stärken und wissenschaftliche Analysen sowie gemeinsame wirtschaftliche Leitlinien und Standards zu verbreiten. Dabei unterstützt die Schweiz die Politik der privilegierten Partnerschaft der OECD mit den neuen und wichtigsten aufstrebenden Volkswirtschaften, wie Brasilien, China, Indien, Indonesien oder Südafrika.

Im Berichtsjahr bestätigte die 13. Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD; Ziff. 2.3) das Mandat dieser Organisation für die nächsten vier Jahre. Dieses umfasst insbesondere Politikanalysen, die Konsensbildung und die technische Kooperation im Bereich Handel und Entwicklung. Im Berichtsjahr profilierte sich die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO; Ziff. 2.4) durch verschiedene hochrangige Initiativen, vor allem im

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Bereich der effizienten industriellen Rohstoff- und Energienutzung in Entwicklungsländern. Die Schweiz unterstützt diese Initiativen aktiv.

In Bezug auf die Arbeiten der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO; Ziff. 2.5) hat die Schweiz eine Strategie verabschiedet, welche die Grundlage für ein konkretes, glaubwürdiges und effizientes Engagement in der IAO bildet. Die Strategie verfolgt drei Stossrichtungen: das Engagement zur Stärkung der IAO, die glaubwürdige Anwendung und Förderung der IAO-Normen und -Prinzipien in der Schweiz sowie die Förderung menschenwürdiger Arbeit überall auf der Welt. Das Berichtsjahr war geprägt durch die Blockade des Normenkontrollsystems. Erstmals in der Geschichte der IAO war der Normenkontrollausschuss nicht in der Lage, sich mit den Verletzungen der Kernübereinkommen der IAO auseinanderzusetzen.

Während die Entscheidungen der G20 (Ziff. 2.6) im Jahr 2009 die Weltwirtschaft deutlich beeinflusst hatten, kam es in den darauffolgenden Jahren einerseits zu einer Ausweitung der behandelten Themen, andererseits tat sich die G20 wegen der immer komplexeren Agenda zunehmend schwer, angemessene Entscheidungen für die aktuellen wirtschaftlichen Probleme zu treffen. Die Schweiz arbeitet weiterhin mit den internationalen Organisationen zusammen, welche von der G20 Mandate erhalten haben, und beteiligt sich gezielt an ausgewählten Arbeiten der G20.

Europäische Wirtschaftsintegration (vgl. Ziff. 3) Die wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Probleme, mit denen die EU seit Frühling 2010 konfrontiert ist, sowie die schwierige Suche nach Lösungen gehen nicht spurlos an der Schweizer Wirtschaft vorbei. Jede Verschärfung der Lage in der EU kann für die Schweiz Folgen haben. Zum einen verstärkt sich im Rahmen des Steuerdossiers der Druck auf die Schweiz, zum anderen wird die Bereitschaft der EU geringer, Ressourcen für die Gestaltung der Beziehungen mit der Schweiz bereitzustellen. Zudem knüpft die EU die Fortführung des bilateralen Weges an die Bedingung einer substanziellen Stärkung der institutionellen Mechanismen. In diesem Zusammenhang sind auch die laufenden Verhandlungen über das Elektrizitätsabkommen zu erwähnen. Diese sollen ebenfalls dazu dienen, eine institutionelle Lösung zu finden, was auch bei anderen Dossiers Fortschritte ermöglichen würde, beispielsweise in den
Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Produktsicherheit, öffentliche Gesundheit oder Chemikaliensicherheit.

Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb der EU und der EFTA (vgl. Ziff. 4) Angesichts der komplexen Weltwirtschaftslage, des starken Frankens und der ausbleibenden Fortschritte der Doha-Runde ist der Bundesrat weiterhin bestrebt, die Marktöffnung durch das Aushandeln von Freihandelsabkommen voranzutreiben.

Da die Zahl solcher Abkommen weltweit zunimmt, engagiert sich die Schweiz kontinuierlich für den Abschluss solcher Abkommen, um tatsächliche oder potenzielle Diskriminierungen zu verhindern. Im Berichtsjahr sind die Freihandelsabkommen mit Hongkong, der Ukraine und Montenegro in Kraft getreten. Gleichzeitig wurden die Verhandlungen mit Bosnien und Herzegowina, China, Indien, Indonesien, den zentralamerikanischen Staaten und der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan

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fortgeführt. Neu aufgenommen wurden Verhandlungen mit Vietnam, und jene mit Malaysia wurden offiziell lanciert. Die laufenden Verhandlungen mit den neuen Partnern zeigen neue Herausforderungen auf. Immer öfter sieht sich die Schweiz mit Forderungen konfrontiert, welche mit ihrer nationalen Politik nicht ohne Weiteres vereinbar sind, zum Beispiel im Bereich der Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen oder des Marktzugangs für Landwirtschaftsprodukte. Schliesslich wird es auch immer schwieriger, die Kohärenz zwischen den Zielen der Wirtschafts-, Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtspolitik zu gewährleisten.

Sektorielle Politiken (vgl. Ziff. 5) Die Entwicklungen in den sektoriellen Politiken (Ziff. 5.1 bis 5.8) sind ausschlaggebend für die gesamte schweizerische Aussenwirtschaftspolitik und alle Wirtschaftsabkommen. Im Berichtsjahr betraf dies neben den Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen beispielsweise die Verhandlungen über die Aktualisierung von mehreren in bestehenden Freihandelsabkommen und im EFTA-Übereinkommen enthaltenen Landwirtschaftsabkommen, das Regionale Übereinkommen betreffend die Paneuropa-Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln (Ziff. 5.1), die Erweiterung des Geltungsbereichs des bilateralen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA Schweiz­EU) auf Sprengstoffe für zivile Zwecke (Ziff. 5.2), die Arbeiten zur allfälligen Aufnahme von plurilateralen Verhandlungen über den Handel mit Dienstleistungen (Ziff. 5.3) und die Überprüfung der Struktur und Arbeitsweise des Nationalen Kontaktpunktes zur Umsetzung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (Ziff. 5.4). Im Wissen um die Herausforderungen der Rohstoffversorgung (Ziff. 5.5.1) setzt sich die Schweiz für die Risikominderung ein, indem sie Initiativen für mehr Transparenz im Rohstoffhandel unterstützt und ihre Beziehungen zu den rohstoffexportierenden Ländern ausbaut. Zudem unterstützt die Schweiz Nachhaltigkeitsinitiativen im Rohstoffbereich. Die Konferenz Rio+20 (Ziff. 5.5.2) hat die grüne Wirtschaft erstmals weltweit als ein Instrument anerkannt, welches massgeblich zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt. Die Schweiz hat sich ausserdem verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent zu senken. Erwähnenswert sind auch die abgeschlossenen
Verhandlungen über ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb mit der EU (Ziff. 5.6) und die laufende Revision der Gesetzgebung von Bund und Kantonen infolge des revidierten plurilateralen WTOÜbereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Ziff. 5.7).

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit (vgl. Ziff. 6) Die Schweiz beteiligt sich mit bilateralen Unterstützungsmassnahmen und Beiträgen an die multilateralen Entwicklungsorganisationen an der internationalen wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Das Berichtsjahr war geprägt durch die Verabschiedung der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit der Schweiz 2013­2016. Die Botschaft definiert die strategische Ausrichtung und die finanzielle Grundlage für diese Aktivitäten bis 2016. Zum ersten Mal umfasst diese Botschaft die gesamte internationale Zusammenarbeit der Schweiz, nämlich die humanitäre Hilfe (DEZA), die technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe (DEZA), die wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusam-

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menarbeit (SECO) und die Transitionshilfe für die GUS- und die osteuropäischen Staaten (SECO/DEZA). Durch die Verabschiedung dieser Botschaft hat das Parlament seinen Entscheid vom Februar 2011 bekräftigt, die Mittel für die internationale Zusammenarbeit bis 2015 schrittweise auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Die Massnahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit orientieren sich an den Kernkompetenzen des SECO. Gleichzeitig unterstützen sie die Aussenwirtschaftsstrategie der Schweiz. Die multilaterale Zusammenarbeit ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler in diesem Tätigkeitsbereich. Im Berichtsjahr lag der Fokus der multilateralen Entwicklungsbanken auf einer weiteren Stärkung der Resultatorientierung, der konkreten Umsetzung der Beschlüsse des globalen Nachhaltigkeitsgipfels und der Energieagenda, einem nachhaltigen und integrativen Wachstum, der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie dem Engagement in fragilen Staaten. An der Konferenz Rio+20 wurden zudem die Herausforderungen und Chancen einer grünen Wirtschaft für die Entwicklungsländer hervorgehoben. Dies bestätigt auch die Bedeutung der Schweizer Bemühungen bei der Umsetzung von Projekten, welche dazu beitragen, dass Wirtschaftswachstum und nachhaltiges Ressourcenmanagement nicht im Widerspruch zueinander stehen.

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen (vgl. Ziff. 7) Die wichtigsten Wirtschaftspartnerländer der Schweiz sind mit einem geringen Wachstum konfrontiert, manche sogar mit einer Rezession. Die Schweiz hat der Abkühlung der Wirtschaft bisher weitgehend widerstanden, auch wenn sich die Krise einiger EU-Mitgliedstaaten direkt auf die Schweizer Unternehmen auswirkte.

In diesem Kontext sind die Stärkung der Beziehungen mit den Nachbarländern der Schweiz (Ziff. 1) sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen von besonderer Bedeutung. In den USA setzt sich die langsame Erholung der Wirtschaft fort, was für die Schweiz wichtig ist, da die USA für sie der zweitgrösste Exportmarkt hinter Deutschland ist. Im Berichtsjahr war Asien die dynamischste Region der Welt. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement1 eine Aussenhandelsstrategie für Asien erarbeitet. Die Ereignisse in den Ländern des «Arabischen Frühlings» schliesslich führen zu Transitionsprozessen, welche für die
Schweiz zum einen aufgrund ihrer geografischen Nähe, zum anderen vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen Beziehungen zu diesen Ländern relevant sind. Die Schweiz hat diesbezüglich in verschiedenen Sektoren ihr Engagement verstärkt.

Exportkontroll- und Embargomassnahmen (vgl. Ziff. 8) Im Berichtsjahr fand in New York eine diplomatische Konferenz zur Aushandlung des «Arms Trade Treaty» (ATT) statt. Die Vertragsstaaten konnten sich nicht auf einen Vertragstext einigen. Trotz des Scheiterns dieser Konferenz wird sich die Schweiz weiterhin aktiv für einen umfassenden und starken ATT einsetzen. Im Rahmen der Gruppe der Nuklearlieferländer (NSG) findet bis 2013 eine komplette Überarbeitung der Kontrolllisten statt. Im Bereich der Embargomassnahmen stand 1

Ab 1. Januar 2013: «Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)».

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die weitere Verschärfung der Sanktionen gegenüber Iran und Syrien im Vordergrund. Die restriktiven Massnahmen gegenüber Myanmar (Burma) wurden hingegen grösstenteils aufgehoben. Neue Sanktionen gegenüber Guinea-Bissau traten in Kraft.

Standortförderung (vgl. Ziff. 9) Im Berichtsjahr war die Schweizer Wirtschaft weiterhin mit der Frankenstärke konfrontiert.

Die Osec setzte ihr gezieltes Unterstützungsangebot für die Exportunternehmen fort.

Der internationale Handel ist mit immer komplexeren Herausforderungen verbunden, insbesondere was die Integration der Schweizer KMU in die internationalen Wertschöpfungsketten betrifft. Deshalb ist es wichtig, dass die Osec flexibel bleibt und sich den neuen Bedürfnissen der KMU anpasst.

Dank der Produkte, welche die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) seit 2009 anbietet, konnten die wichtigsten Liquiditätsbedürfnisse der unter der Frankenstärke leidenden Unternehmen abgedeckt werden. Die Prüfung der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit der versicherten Geschäfte geniesst bei der SERV einen hohen Stellenwert. Die im Berichtsjahr überarbeitete Empfehlung der OECD über eine gemeinsame Vorgehensweise bezüglich der Sorgfaltspflicht im Umweltund Sozialbereich ist diesbezüglich massgebend.

Was die Aktivitäten der Standortförderung im Ausland betrifft, haben Bund und Kantone neue Leistungsvereinbarungen mit der Osec abgeschlossen. Diese sind Anfang des Berichtsjahres in Kraft getreten und bilden eine solide Grundlage für künftige Herausforderungen.

Ausblick auf das kommende Jahr Trotz einer leichten Verbesserung der Wirtschaftslage besteht in der Schweiz und im Ausland weiterhin das Risiko einer Wachstumsverlangsamung. Der Bundesrat wird der Wirtschaftspolitik auch 2013 grosse Aufmerksamkeit schenken. In der Aussenwirtschaftspolitik wird er darauf achten, den durch die bestehenden Abkommen gewährleisteten Marktzugang weiter auszubauen. Er wird sich auch für die Bekämpfung protektionistischer Tendenzen und Massnahmen einsetzen. Ausserdem sollen weitere Freihandelsabkommen sowie neue Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz der Investitionen verhandelt werden.

Die Verhandlungen über ein EFTA-Freihandelsabkommen mit Bosnien und Herzegowina, mit Indien sowie mit den zentralamerikanischen Staaten und die bilateralen Verhandlungen zwischen der Schweiz und China sollen 2013 abgeschlossen werden.

Die Verhandlungen zwischen der EFTA und den Mitgliedern der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan sowie jene mit Indonesien und mit Vietnam werden weitergeführt. Zudem werden im Rahmen der EFTA neue Verhandlungen mit Malaysia aufgenommen und die EFTA setzt ihre Anstrengungen zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Thailand und Algerien fort. Die exploratorischen Kontakte mit den Mercosur-Staaten und den Philippinen laufen weiter. Die Aktualisie-

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rung und Vertiefung bestehender Freihandelsabkommen, insbesondere mit Chile, Mexiko und Singapur, werden fortgesetzt. Bei den Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz der Investitionen werden die laufenden Verhandlungen mit Indonesien, Russland und Georgien weitergeführt.

Das Wirtschaftswachstum der Industrieländer dürfte weiterhin durch ein geschwächtes Finanzsystem und den Konsolidierungsprozess der Staatsschulden gebremst werden. Das geringe Wachstum in den Industrieländern sowie die allgemeine Verunsicherung wirken sich auch negativ auf die aufstrebenden Märkte aus.

Die Entwicklungen in der Eurozone werden auch in Zukunft einen entscheidenden Einfluss auf die Schweizer Wirtschaft haben. Daher werden der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) und die Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) die Beziehungen zu den Nachbarländern der Schweiz besonders pflegen. Ausserdem werden bilaterale Wirtschaftsmissionen dazu beitragen, die Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz mit aufstrebenden Schwellenländern zu vertiefen. Die erste Mission des Vorstehers des WBF als Wirtschafts- und Bildungsminister führt ihn - begleitet von einer Delegation von Vertretern der Privatwirtschaft und von Wissenschaftlern - nach Südafrika. Auch die dynamischen Märkte Lateinamerikas werden Aufmerksamkeit erfordern. Eine gemischte Wirtschaftsmission des Vorstehers des WBF nach Mexiko ist bereits geplant.

Im Rahmen der WTO streben die Mitglieder Fortschritte auf dem Gebiet der Handelserleichterungen sowie beim Abkommen über die Liberalisierung von Informationstechnologien an. Im Dezember 2013 findet auf Bali die neunte Ministerkonferenz statt.

Auch in anderen multilateralen Wirtschaftsgremien sind zahlreiche Arbeiten im Gang. Die Umsetzung der horizontalen Strategien der OECD (Innovation, grünes Wachstum, Kompetenzen und globale Entwicklung) geht weiter. Die im Berichtsjahr lancierten Initiativen bezüglich neuer Ansätze angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen beziehungsweise bezüglich neuer Wachstumsquellen gestützt auf immaterielle Güter sollen an der Ministerkonferenz 2013 erörtert werden. Zudem werden die Gespräche über den Beitrittsprozess Russlands zur OECD bis mindestens 2014 andauern. Russland, welches 2013 die Präsidentschaft des
G20 übernimmt, wird die von den früheren Präsidentschaften lancierten Arbeiten fortsetzen, strebt aber gleichzeitig eine Wiederaufnahme wirtschaftlicher und finanzieller Fragen an. Bei der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) stehen die Entscheide zu den internen Reformvorschlägen des neuen Generaldirektors sowie die Anstrengungen zur Überwindung der Blockade im Normenkontrollausschuss im Mittelpunkt des Interesses. Für die Schweiz sind ausserdem das Inkrafttreten des Internationalen Seearbeitsübereinkommens im August 2013 sowie die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 122 über die Beschäftigungspolitik von Bedeutung.

Hinsichtlich der Entwicklungen der Europapolitik im Jahr 2013 erachtet der Bundesrat die Konsolidierung des bilateralen Weges als vorrangig. Diesbezüglich sollen durch die Vertiefung der Gespräche zu den institutionellen Fragen die blockierten Verhandlungen wieder in Gang gebracht werden. Gleichzeitig könnte eine Lösung für die Differenzen zur Unternehmensbesteuerung gefunden werden. Ausserdem

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dürften Verhandlungen zur Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf Kroatien aufgenommen werden. Das Kooperationsabkommen Schweiz­EU im Wettbewerbsbereich könnte 2013 unterzeichnet werden. Dieses Abkommen wird zu einer effizienteren Bekämpfung grenzüberschreitender wettbewerbswidriger Praktiken beitragen. Die Arbeiten im Hinblick auf die Ratifizierung des revidierten Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen werden 2013 weitergeführt.

Im Bereich der sektoriellen Politiken ist insbesondere zu erwähnen, dass die Schweiz unter bestimmten Voraussetzungen an Verhandlungen über ein plurilaterales Abkommen zum Dienstleistungshandel zwischen interessierten Ländern teilnehmen wird. Eine Aufgabe des Nationalen Kontaktpunktes (NKP) ist es, die Unternehmen bei der Umsetzung die aktualisierten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu unterstützen. Der NKP wird dabei eng mit den betroffenen Interessengruppen zusammenarbeiten. Im Zusammenhang mit den Rohstofffragen wird der Bundesrat die Rohstoffstrategie des WBF aktualisieren. Die Arbeiten zur Konkretisierung eines umfassenden Klimaregimes bis 2020 werden fortgesetzt. Die Schweiz und die anderen Länder, welche sich für eine zweite Periode des Kyoto-Protokolls verpflichtet haben, werden die Ratifizierung ihrer Verpflichtungen auf nationaler Ebene vorantreiben. Schliesslich engagiert sich die Schweiz in den internationalen Organisationen und in den Freihandelsverhandlungen auch weiterhin für einen besseren und angemessenen Schutz des geistigen Eigentums und setzt sich auf plurilateraler und bilateraler Ebene für einen besseren Schutz geografischer Angaben ein.

Im Jahr 2013 wird die Umsetzung der neuen Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit im Vordergrund stehen. Die Verhandlungen zur Wiederauffüllung der Fonds der multilateralen Entwicklungsbanken (IDA der Weltbankgruppe und Afrikanischer Entwicklungsfonds der Afrikanischen Entwicklungsbank) werden weitere Schwerpunkte bilden. Zudem wird der Entwicklungshilfeausschuss der OECD die Entwicklungshilfe (SECO/DEZA) einer «peer review» unterziehen und Empfehlungen zu den Modalitäten und zur Wirksamkeit der Entwicklungshilfemassnahmen abgeben. Schliesslich beginnen die Vorbereitungen für eine Verlängerung des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas.

Im März
2013 findet eine Abschlusskonferenz zu den Verhandlungen über den «Arms Trade Treaty» in New York statt. Die Schweiz setzt sich weiterhin für eine Regelung des Waffenhandels ein, welche zu mehr Verantwortung und Transparenz in diesem Bereich und zu einer wirkungsvollen Bekämpfung des illegalen Waffenhandels führen soll.

Die Exportförderung und die Angebote der Exportrisikoversicherung dürften auch 2013 bei den KMU sehr gefragt sein. Eine möglichst effektive Abdeckung der Bedürfnisse der Exportindustrie und insbesondere eine bessere Einbindung in die weltweiten Wertschöpfungsketten müssen in Zukunft gewährleistet werden. Gegebenenfalls gilt es dazu neue Dienstleistungen zu entwickeln.

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Inhaltsverzeichnis Gesamtübersicht

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Abkürzungsverzeichnis

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1 Die Bedeutung der Grenzregionen der Schweiz aus der Sicht der Standortförderungspolitik und der Aussenwirtschaftspolitik 1.1 Ausgangslage 1.2 Thematische Einbettung 1.2.1 Besonderheiten von Grenzregionen 1.2.2 Wirtschaftliche Bedeutung der Nachbarstaaten und Grenzgebiete für die Schweiz 1.2.3 Stellenwert der Grenzregionen im Rahmen ausgewählter Bundespolitiken 1.3 Zentrale Handlungsfelder des Bundes 1.3.1 Stärkung der Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit 1.3.2 Arbeitsmarkt 1.3.3 Aussenwirtschaft 1.3.4 Infrastruktur 1.3.5 Bildung, Forschung und Innovation 1.4 Fazit 2 WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit 2.1 Welthandelsorganisation (WTO) 2.1.1 Prioritäten der Schweiz in der WTO 2.2 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2.2.1 Die Bedeutung der OECD für die Schweiz 2.2.2 Öffnungspolitik der OECD 2.3 Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) 2.4 Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) 2.5 Internationale Arbeitsorganisation (IAO) 2.6 Die Gruppe der 20 (G20) 2.6.1 Entwicklung der G20-Gipfeltreffen 2.6.2 Die Haltung der Schweiz zur G20 3 Europäische Wirtschaftsintegration EU 3.1 Aktuelle Herausforderungen der EU 3.2 Erneuerung des bilateralen Wegs: Grundsätze für institutionelle Lösungen 3.3 Konsolidierung und Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen 3.3.1 Konsolidierung 3.3.2 Ausbau 3.4 Steuerfragen Schweiz­EU 3.5 Erweiterungsbeitrag 1268

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4 Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb der EU und der EFTA 4.1 Weltweite Tendenzen bezüglich präferenzieller Handelsabkommen 4.2 Aktivitäten der Schweiz 4.2.1 Laufende Verhandlungen und Explorationen 4.2.2 Aktivitäten unter bestehenden Freihandelsabkommen 4.3 Herausforderungen für die Schweizer Freihandelspolitik 5 Sektorielle Politiken 5.1 Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft 5.1.1 Aussenhandelsstatistik 5.1.2 Ursprungsregeln 5.1.3 Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte 5.2 Technische Handelshemmnisse 5.2.1 Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen Schweiz­EU 5.2.2 Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse ­ Umsetzung des «Cassis de Dijon»-Prinzips 5.3 Dienstleistungen 5.4 Investitionen und multinationale Unternehmen 5.4.1 Investitionen 5.4.2 Korruptionsbekämpfung 5.4.3 OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen 5.5 Rohstoffe und Umwelt 5.5.1 Rohstoffe 5.5.2 Umwelt- und Klimapolitik 5.6 Wettbewerbsrecht 5.7 Öffentliches Beschaffungswesen 5.8 Schutz des geistigen Eigentums 5.8.1 Schutz des geistigen Eigentums in internationalen Organisationen 5.8.2 Schutz des geistigen Eigentums auf bilateraler Ebene 6 Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit 6.1 Wirtschaftliche Aspekte gewinnen in der internationalen Zusammenarbeit weiter an Bedeutung 6.2 Die Zusammenarbeit der Schweiz mit den multilateralen Entwicklungsbanken 6.3 Grüne Wirtschaft in Entwicklungsländern 6.3.1 Grüne Wirtschaft als Chance für Entwicklungsländer 6.3.2 Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz 6.4 Steuern und Entwicklung 6.4.1 Herausforderungen für die Entwicklungsländer 6.4.2 Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz 6.5 Arbeitsplätze ­ ein Hebel der Entwicklung 6.5.1 Beschäftigung im Fokus der Entwicklungspolitik

1314 1315 1316 1317 1318 1318 1320 1320 1320 1321 1322 1323 1323 1324 1325 1326 1326 1327 1328 1329 1329 1331 1333 1334 1335 1335 1336 1338 1338 1339 1340 1340 1341 1343 1343 1344 1345 1345 1269

6.5.2 Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz 7 Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen 7.1 Europa: Auswirkungen der Krise der Eurozone auf den Aussenhandel der Schweiz 7.1.1 Das Beispiel Italien 7.2 USA: Stärkung der Schweizer Stellung trotz schwieriger Wirtschaftslage 7.3 Asien: Positionierung der Schweiz im neuen Wachstumspol 7.4 Arabischer Raum: Auswirkungen der Umwälzungen auf die Schweizer Wirtschaftsinteressen 7.5 Wichtigste Wirtschaftsmissionen und weitere bilaterale Arbeitstreffen

1345 1347 1347 1348 1349 1351 1353 1355

8 Exportkontroll- und Embargomassnahmen 8.1 Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen sowie von konventionellen Waffen 8.1.1 Politische Entwicklungen international und national 8.1.2 Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes 8.2 Embargomassnahmen 8.2.1 Embargomassnahmen der UNO und der wichtigsten Handelspartner 8.2.2 Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

1356

9 Standortförderung 9.1 Exportförderung und Exportrisikoversicherung 9.1.1 Exportförderung 9.1.2 Exportrisikoversicherung 9.1.3 Nachhaltigkeitsprüfung der SERV-Geschäfte 9.2 Standortpromotion 9.3 Tourismus 9.3.1 Wahl ins Büro des Tourismusausschusses der OECD 9.3.2 Fokussierung der Zusammenarbeit mit der UNWTO 9.3.3 Prüfung eines verstärkten tourismuspolitischen Austauschs mit der EU 9.3.4 Aktivitäten im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit und der Förderung eines nachhaltigen Tourismus

1363 1363 1363 1364 1365 1366 1368 1368 1369

10 Beilagen 10.1 Beilagen 10.1.1­10.1.2 10.1.1 Finanzielles Engagement der Schweiz 2012 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken 10.1.2 Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten 10.2 Beilagen 10.2.1­10.2.2

1371 1371

1270

1357 1357 1358 1360 1360 1362

1369 1370

1372 1374 1376

10.2.1

10.2.2

10.3 Beilage 10.3

Botschaft zur Genehmigung der Änderung des EFTAÜbereinkommens bezüglich Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Ursprungsregeln Bundesbeschluss über die Genehmigung der Änderung des EFTA-Übereinkommens bezüglich Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Ursprungsregeln (Entwurf) Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ­ Änderung durch Beschluss Nr. 2/2012 des Rates vom 21. Juni 2012 zur Änderung des EFTAÜbereinkommens (Landwirtschaft) Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Tunesien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Tunesien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (Entwurf) Abkommen zwischen der Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Tunesischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen

1377 1387

1389

1393

1403

1405 1413

Bericht über die zolltarifarischen Massnahmen im Jahr 2012 Bundesbeschluss über die Genehmigung zolltarifarischer Massnahmen (Entwurf)

1415 1423

1271

Abkürzungsverzeichnis EFTA

European Free Trade Association Europäische Freihandelsassoziation

FHA

Freihandelsabkommen

G20

Gruppe der Zwanzig Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, EU, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Republik Korea, Russland, Saudi Arabien, Südafrika, Türkei, USA.

IWF

Internationaler Währungsfonds

KMU

Kleine und mittlere Unternehmen

OECD

Organisation for Economic Cooperation and Development Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Osec

Osec Business Network Switzerland

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung

UNIDO

United Nations Industrial Development Organization Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung

UNO

United Nations Organization Organisation der Vereinten Nationen

WTO

World Trade Organization Welthandelsorganisation

1272

Bericht 1

Die Bedeutung der Grenzregionen der Schweiz aus der Sicht der Standortförderungspolitik und der Aussenwirtschaftspolitik Die Grenzregionen sind für die Schweizer Wirtschaft von hoher Wichtigkeit, denn die intensivsten Handelsbeziehungen werden mit den Grenzräumen der Nachbarstaaten gepflegt. Da sich unter diesen Grenzräumen einige der wichtigsten Motoren der europäischen Wirtschaft befinden, ist ein über den Aussenhandel hinausgehendes gutes Verhältnis mit diesen Nachbarstaaten zentral. Für Probleme an der Landesgrenze müssen daher rasche und einvernehmliche Lösungen gefunden werden. Dafür setzt sich die Schweiz gezielt ein.

Das Schwerpunktkapitel beleuchtet die Besonderheiten von Grenzregionen sowie die wirtschaftliche Bedeutung der Nachbarstaaten und Grenzgebiete. Aufgezeigt wird auch der Stellenwert dieser Räume für ausgewählte Bundespolitiken. Der Hauptteil der Erörterungen widmet sich den Handlungsfeldern des Bundes, welche für die wirtschaftliche Entwicklung der Grenzregionen zentral sind: Stärkung der Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsmarkt, Aussenwirtschaft, Infrastruktur sowie Bildung, Forschung und Innovation. Die Entwicklung in diesen Bereichen beeinflusst massgeblich, wie sich die Beziehungen in den grenznahen Räumen, mit unseren Nachbarstaaten sowie mit der EU insgesamt gestalten. Dabei sind räumlich differenzierte Vorgehensstrategien zu verfolgen, wie es beispielsweise das Raumkonzept Schweiz aufzeigt.

Föderalistische Kompetenzaufteilung und gute Zusammenarbeit des Bundes mit den Grossregionen und Kantonen erleichtern die Bemühungen zur Förderung der regionalen Aussenwirtschaft.

Vorbemerkung Als Grenzregionen werden im Folgenden die an die Landesgrenze stossenden Schweizer Teilgebiete (z.B. Nordwestschweiz, einzelne Grenzkantone), beziehungsweise deren ausländische Pendants gemäss dem Perimeter der EU-Förderprogramme INTERREG IV A2 bezeichnet. Mit grenzüberschreitenden Regionen sind die grenzüberschreitenden Fördergebiete gemäss INTERREG IV A angesprochen. (Das Fördergebiet Oberrhein erstreckt sich z.B. über die vier Gebiete Nordwestschweiz, Elsass, westlicher Teil von Baden-Württemberg und Südpfalz.) Unter Grenzgebieten schliesslich werden grossräumigere Gebiete der Nachbarländer mit Grenzanstoss an die Schweiz verstanden (z. B. deutsche Bundesländer, französische Regionen).

2

Vgl. www.regiosuisse.ch.> ETZ/INTERREG > INTERREG > INTERREG IV A.

1273

1.1

Ausgangslage

Die Schweiz als kleines Land ist gewissermassen ein Land der Grenzregionen.

15 von 26 Kantonen stossen an ein Nachbarland. Entsprechend eng sind die politischen, die kulturellen und insbesondere die wirtschaftlichen Beziehungen.

75 Prozent des nominalen Bruttoinlandprodukts der Schweiz wurden 2010 in diesen Kantonen generiert. Grenzregion ist allerdings nicht gleich Grenzregion: Die Bandbreite reicht von Metropolitanräumen bis hin zu alpinen Zonen.

Besonders ausgeprägt sind die Handelsbeziehungen mit den Grenzgebieten Bayern, Baden-Württemberg, Rhône-Alpes und der Lombardei, da sie zu den wichtigsten Motoren der europäischen Wirtschaft gehören. Zum wirtschaftlichen Wohlergehen der Schweiz leistet diese regionale aussenwirtschaftliche Integration einen grossen Beitrag.

In den Grenzregionen bieten sich gute Chancen zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, welche beidseits der Grenze Nutzen erzeugt und Wirkung über diese Räume hinaus entfaltet. Gleichzeitig können in diesen Regionen spezifische Herausforderungen entstehen oder allgemeine Herausforderungen sich besonders akzentuieren und das Verhältnis zu unseren Nachbarstaaten oder zur EU beeinträchtigen.

Geeignete institutionelle Rahmenbedingungen sind für den wirtschaftlichen Erfolg von Regionen von zentraler Bedeutung. Regionen sind nicht gegebene räumliche Einheiten, sondern Räume, die sich durch gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Austausch entwickeln. Häufig werden dabei die Grenzen von Gemeinden und Kantonen überschritten. Daraus ergeben sich insbesondere für grenznahe Gebiete Chancen und Herausforderungen, da sich diese Prozesse dort zudem auch über nationale Grenzen abwickeln.

Der hohe Stellenwert der regionalen grenzüberschreitenden Wirtschaftsintegration wird im Folgenden zum einen aus dem Blickwinkel der Standortförderungspolitik beleuchtet. Richtschnur ist dabei die Erkenntnis, dass Wirtschaftsentwicklung auch raumabhängig ist. Die Stärkung der Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz macht räumlich differenzierte Vorgehensstrategien notwendig (vgl. Ziff. 1.3.1). Die Förderung von Alleinstellungsmerkmalen von Standorten, das heisst von Qualitäten, die diese Standorte von der Konkurrenz abheben, rückt in den Vordergrund. Zudem setzt hier die Schweiz vermehrt auf den Föderalismus, indem nicht nur der Bund,
sondern auch Grossregionen und Kantone (subnationale Ebenen) einen Beitrag zur Stärkung der regionalen Wirtschaftsintegration leisten.

Zum andern werden aus einer überwiegend (aussen-)wirtschaftlichen Optik weitere, in Bezug auf die Grenzregionen relevante Schlüsselthemen angesprochen (vgl. Ziff. 1.3.2­1.3.5). Hier erfolgt die Betrachtung primär aus Bundessicht. Die Auswahl dieser Handlungsfelder orientiert sich an den bilateralen Abkommen mit der EU; diese sind die zentrale Grundlage für den Ausbau der Beziehungen mit den Grenzregionen. Betreffend Steuer- und Finanzfragen3 konzentrieren sich die Ausführungen auf die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger.

3

Für vertieftere Informationen vgl. Bericht des Eidgenössischen Finanzdepartements über internationale Finanz- und Steuerfragen 2013 (www.efd.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Broschüren > Bericht über internationale Finanz-und Steuerfragen 2013).

1274

1.2

Thematische Einbettung

1.2.1

Besonderheiten von Grenzregionen

Politisch-institutionelle Dimension Wie die fünf Nachbarländer ist die Schweiz Mitglied des Europäischen Rahmenübereinkommens vom 21. Mai 19804 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden (Madrider Übereinkommen von 1980). Dieses gibt den rechtlichen Rahmen vor für die Zusammenarbeit auf Ebene der Kantone und Gemeinden. Der Bundesrat unterzeichnete zudem stellvertretend für mehrere Grenzkantone mit Deutschland, Frankreich und Luxemburg das Karlsruher Übereinkommen von 19965. Es enthält Bestimmungen über den Abschluss von Zusammenarbeitsverträgen sowie über die Schaffung von grenzüberschreitenden Organisationen (Zweckverbände). Entlang der Schweizer Grenze besteht eine Vielzahl derartiger Organisationen, welche den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in den grenzüberschreitenden Regionen sicherstellen und verbessern.

An der Nord- und Ostgrenze übernehmen diese Funktion zum Beispiel die trinationale Oberrheinkonferenz, die Internationale Bodenseekonferenz sowie die Hochrheinkommission. An der Grenze zu Frankreich sind das Comité régional francogenevois (CRFG) oder die Conférence TransJurassienne (CTJ) zu nennen, im schweizerisch­italienischen Grenzraum die Regio Insubrica.6 Die Grenzregionen der Schweiz sind überdies vom Schengen-Assoziierungsabkommen vom 26. Oktober 20047 und vom Dublin-Assoziierungsabkommen vom 26. Oktober 20048 besonders tangiert. Damit werden an den Landesgrenzen keine systematischen Personenkontrollen mehr vorgenommen, was den grenzüberschreitenden Personenverkehr verflüssigt. Das Schweizer Grenzwachtkorps führt aber weiterhin Warenkontrollen durch, da die Schweiz nicht Mitglied der EU-Zollunion ist.

Wirtschaftliche Dimension Ökonomisch betrachtet sind Grenzen in erster Linie Barrieren, die Kosten verursachen. Sie beeinträchtigen den Fluss von Waren und Dienstleistungen, aber auch der Produktionsfaktoren und erschweren es Unternehmen, Spezialisierungs- und Grössenvorteile zu nutzen.9 Die regionale Integration kann dadurch in einem Masse eingeschränkt werden, dass die Regionen diesseits oder jenseits der Grenze riskieren, eigentliche Randregionen zu werden. Als wirtschaftliche Nachteile seien hier zum Beispiel genannt: Unterbrüche der Netzinfrastruktur, Hemmnisse für Arbeits-,

4 5

6 7 8 9

SR 0.131.1 Das Übereinkommen wird in der AS nicht veröffentlicht. Es kann beim Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unter www.eda.admin.ch > Themen > Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Schweiz > Rechtsgrundlagen > Karlsruher Übereinkommen abgerufen werden.

Vgl. www.oberrheinkonferenz.org; www.bodenseekonferenz.org; www.hochrhein.org; www.crfginfo.org; www.conference-transjurassienne.org; www.regioinsubrica.org.

SR 0.362.31 SR 0.142.392.68 Vgl. van Houtum, Henk: An Overview of European Geographical Research on Borders and Border Regions, Journal of Borderland Studies, Vol. XV, No. 1, Spring 2000; Frey, René L.: Kooperation in Grenzregionen: am Beispiel der Basler Dreiländerregion; Referat 30. Mai 2012.

1275

Handels- und Kapitalströme, unterschiedliche Verwaltungssysteme oder räumliche Segmentierung von Arbeits-, Güter- und Immobilienmärkten.

Die räumliche Nähe zu Nachbarländern kann aber auch ein Wettbewerbsvorteil sein (Kontaktfunktion), indem Grenzregionen zum Ausgangspunkt von grenzüberschreitenden Netzwerken werden oder spezifische Funktionen übernehmen, zum Beispiel als Transport-Drehkreuze oder Umschlagplätze (sogenannte gateways). Im Zusammenhang mit Grenzen ergeben sich zudem auch sogenannte Arbitragemöglichkeiten: Wirtschaftliche Akteure in solchen Räumen können die unterschiedlichen Bedingungen diesseits und jenseits der Grenze nutzen, zum Beispiel Preis-, Steuer-, Lohn- und Arbeitskostenunterschiede und unterschiedliche technologische Kompetenzen. Das dies auch konfliktträchtig sein kann, zeigt das Beispiel des Kaufs von Agrarland durch Schaffhauser Bauern im unmittelbar angrenzenden süddeutschen Raum. Diese Erscheinung wird auf deutscher Seite kritisch aufgenommen.

Sozio-kulturelle Dimension In Grenzregionen begegnen sich unterschiedliche Nationalitäten mit ihren Gemeinsamkeiten und Eigenheiten. Ihr Verhältnis hängt stark vom Willen ab, sich gegenüber dem Nachbarn zu öffnen. Dabei spielen Fragen wie gemeinsame Identität und Zusammengehörigkeitsgefühl eine wesentliche Rolle. Manchenorts hat sich ein «Wir-Gefühl»10 über die Grenzen hinweg entwickelt (z.B. Bodenseeregion, Oberrhein). Da und dort sind indessen auch unterschiedliche Sichtweisen oder Abschottungstendenzen auszumachen. Indizien sind die aktuelle Grenzgängerdebatte im Tessin und in Genf sowie der Luftverkehr in der Nordschweiz.

Charakteristisch für Grenzregionen ist eine gewisse Ambivalenz. Einerseits eröffnen Grenzen Entwicklungspotenziale, andererseits können sie auch Hindernisse darstellen. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sollten Grenzen die Entwicklung möglichst wenig hemmen.

1.2.2

Wirtschaftliche Bedeutung der Nachbarstaaten und Grenzgebiete für die Schweiz

Die EU spielt für die Aussenwirtschaftsbeziehungen der Schweiz weiterhin die wichtigste Rolle. 2011 wurden in die EU Exporte im Umfang von 118 Milliarden Schweizerfranken getätigt (57 % der Exporte der Schweiz). Dem standen Importe in der Höhe von 136 Milliarden Schweizerfranken gegenüber (74 % der Importe der Schweiz).11 Die Schweiz ist der viertwichtigste Handelspartner der EU, hinter den USA, China und Russland.

Sehr bedeutsam sind die Handelsbeziehungen zu unseren direkten Nachbarstaaten (vgl. Abbildung). 2011 betrugen sie 45,2 Prozent des schweizerischen Aussenhandelsvolumens, das heisst der Summe der Exporte und Importe der Schweiz. Zum

10 11

Newrly, Petra: Transnationaler Regionalismus, LIT-Verlag, Münster­Hamburg­London, 2002, S. 41.

Aussenhandelsstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) vom 23. Oktober 2012 auf der Grundlage des Ursprungslandprinzips (nicht publiziert).

1276

Vergleich: Die Handelsbeziehungen der Schweiz zur gesamten EU betrugen 2011 65,1 Prozent des schweizerischen Aussenhandelsvolumens.

55,4 42,0

D F 6,6 14,9 15,1

7,8

A

CH 16,3 18,6

Exporte Importe

I

Aussenhandel der Schweiz mit den Nachbarstaaten 2011 (Mrd. CHF)

Deutschland ist mit 97,4 Milliarden Schweizerfranken Handelsvolumen der wichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz, gefolgt von Italien (34,9 Mrd. CHF) und Frankreich (30,0 Mrd. CHF). Österreich gehört mit 14,4 Milliarden Schweizerfranken ebenfalls zu unseren wichtigeren Handelspartnern.

2010 entfielen 44,5 Prozent des schweizerischen Aussenhandels auf die vier Nachbarstaaten Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich (65,5 % auf die gesamte EU).

2009 betrug dieser Anteil 45,8 Prozent (66,3 % auf die gesamte EU).

Trotz rezessiver Tendenzen in der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten, entwickelten sich die Handelsbeziehungen zwischen der Schweiz und den Nachbarstaaten, mit Ausnahme Frankreichs, 2011 im Vergleich zum Vorjahr positiv (Deutschland +4,3 %, Italien +2,2 % und Österreich +10,6 %, Frankreich ­1,6 %), während sie mit zahlreichen anderen europäischen Staaten eher rückläufig waren.

Beleg für die intensive wirtschaftliche Vernetzung zwischen der Schweiz und ihren Nachbarländern ist auch der Umfang der gegenseitigen Direktinvestitionen (Stand Ende 2010). Aggregiert erreichten die schweizerischen Investitionen in den vier Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich 113 Milliarden Schweizerfranken, der Umfang der Investitionen dieser Länder in der Schweiz über 150 Milliarden Schweizerfranken. Schweizer Firmen beschäftigen in den besagten Ländern rund 540 000 Personen. Dem steht ein Beschäftigungseffekt infolge der Direktinvestitionen der Nachbarländer in der Schweiz in der Grössenordnung von 175 000 Personen gegenüber.

Die aussenwirtschaftliche Bedeutung der Grenzgebiete ist dabei enorm. Rund 45 Prozent der Exporte nach Deutschland und 40 Prozent der Importe aus Deutschland wickelten sich 2011 mit den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern ab.12 Das Handelsvolumen der Schweiz mit Baden-Württemberg ist beinahe gleich gross wie dasjenige mit den USA (31,4 Mrd. CHF im Jahr 2010). Gleichzeitig ist das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Bayern mit demjenigen zwischen der Schweiz und Spanien (2010: 11,4 Mrd. CHF) oder Japan (2010: 11,1 Mrd. CHF) vergleichbar. Von den Exporten nach Frankreich entfiel 2009 rund ein Drittel auf die direkt angrenzenden Regionen Elsass, Franche-Comté und Rhône-Alpes, bei den Importen war es rund ein Viertel.13 Im Falle Italiens wurden 49 Prozent der Aus12 13

Eigene Berechnung auf der Grundlage der Zahlen der statistischen Ämter der betreffenden Bundesländer.

Eigene Berechnung auf der Grundlage von Zahlen des französischen Instituts national de la statistique et des études économiques (INSEE), nur für 2009 verfügbar.

1277

fuhren und 53 Prozent der Einfuhren mit den Grenzregionen Piemont, Lombardei, Aostatal und Trentino-Alto Adige abgewickelt.14 Im Handel mit Österreich sind die Grenzregionen Vorarlberg und Tirol für die Schweiz die wichtigsten Partner.

Die Nachbarländer und insbesondere die grenznahen Gebiete sind für die Schweiz äusserst bedeutsame Wirtschaftspartner, sowohl mit Blick auf die Handelsbeziehungen als auch die Direktinvestitionen. Dem Bundesrat ist es wichtig, die verschiedenen Politikbereiche auf die Erschliessung dieser Potenziale auszurichten.

1.2.3

Stellenwert der Grenzregionen im Rahmen ausgewählter Bundespolitiken

Aus Sicht der Standortförderungspolitik Die spezifischen Qualitäten eines Raumes beziehungsweise Standortes spielen für dessen wirtschaftliche Entwicklung eine grosse Rolle. Förderungsmassnahmen sind abgestimmt auf die räumlichen Eigenheiten von Metropolitanräumen, Industrieregionen, Tourismusdestinationen oder auch Grenzregionen auszugestalten. Die Standortförderungspolitik, welche der Bundesrat in seiner Botschaft vom 23. Februar 201115 über die Standortförderung 2012­2015 dargelegt hat, hat zum Ziel, die Standortattraktivität dieser Räume zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der KMU-geprägten Volkswirtschaft zu steigern. Die meisten Bereiche (vorab Regional- und Tourismuspolitik) werden deshalb räumlich differenziert umgesetzt.

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Grenzregionen wurde lange Zeit überwiegend durch die Kantone wahrgenommen. Im Zuge des verschärften globalen Standortwettbewerbs nimmt jedoch die Zahl der im internationalen Massstab konkurrenzfähigen Standorte tendenziell ab. Aus Bundessicht ist deshalb vermehrt ein Handeln in grossräumigen Zusammenhängen angezeigt, um die nötige kritische Masse zu erlangen (z.B. Zusammenarbeit der Kantone im Jurabogen). Vorteilhaft sind dabei die föderalistischen Strukturen der Schweiz, die es dem Bund erlauben, sich bei der Stärkung der regionalen Aussenwirtschaft auch auf die Grossregionen und Kantone zu stützen.

Aus Sicht der Aussenwirtschaftsstrategie Mit seiner Aussenwirtschaftsstrategie von 2004 zeigte der Bundesrat auf, dass die internationale Arbeitsteilung das Fundament des wirtschaftlichen Erfolgs der Schweiz darstellt (vgl. Bericht des Bundesrates vom 12. Januar 200516 zur Aussenwirtschaftspolitik 2004 sowie Botschaften zu Wirtschaftsvereinbarungen). Verbesserung des Marktzugangs für Schweizer Unternehmen im Ausland und wettbewerbsfreundliche Binnenmarktpolitik sind zwei Kernelemente der Strategie. Dem Bundesrat ist dabei eine Aussage wesentlich: Verbesserter Marktzugang ist keine «Einbahnstrasse». Er muss mit Liberalisierungsmassnahmen in der Schweiz einher14 15 16

Zahlen des nationalen Instituts für Statistik von Italien (Istituto nazionale di statistica; ISTAT).

BBl 2011 2337 BBl 2005 1089

1278

gehen. Da die Aussenwirtschaftsstrategie keine räumliche Differenzierung vornimmt, finden die Grenzregionen nicht explizit Erwähnung. Gleichwohl wird in diesen Räumen das Zusammenspiel von Binnenmarkt- und Aussenwirtschaftspolitik besonders augenscheinlich, bekommt hier doch die Binnenwirtschaft (Baugewerbe, Detailhandel usw.) den strukturellen Anpassungsdruck infolge der Marktöffnung am unmittelbarsten zu spüren (vgl. Ziff. 1.3.2 und 1.3.3).

Aus Sicht der aussenpolitischen Strategie Auch im Rahmen der aussenpolitischen Strategie für die Jahre 2012­2015 setzt der Bundesrat vermehrt auf die Grenzregionen (vgl. Aussenpolitische Strategie 2012­2015. Bericht des Bundesrates vom März 201217 über die aussenpolitischen Schwerpunkte der Legislatur). Der strategische Schwerpunkt 1 ist der Pflege und dem Ausbau der Beziehungen der Schweiz zu den Nachbarstaaten gewidmet, wobei ein besonderes Augenmerk den Grenzregionen und einer raschen Beilegung von allfälligen Meinungsverschiedenheiten gilt. Harmonische, ausgewogene Beziehungen zu den Nachbarstaaten sind aus Sicht der Landesregierung besonders wichtig, da ein gutes Einvernehmen mit ihnen positiv auf das Verhältnis der Schweiz zur EU ausstrahlt. Nachbarschaftliche Herausforderungen sind anzugehen, bevor sie weitere Kreise ziehen. Beispielsweise hat die Rückerstattung der Quellensteuer der Grenzgängerinnen und Grenzgänger an Italien das Klima der Zusammenarbeit mit diesem Land merklich verbessert (vgl. Ziff. 1.3.2).

Aus Sicht der Raumordnungspolitik Mit dem heutigen Grad an Vernetzung und Mobilität decken sich die Wirtschaftsund Lebensräume, sogenannte Funktionalräume, oft nicht mehr mit den politischinstitutionell verankerten Gebieten. Der Bundesrat trug diesem Umstand mit der Verabschiedung des neuen Raumkonzepts Schweiz, das vom Bund, von der Konferenz der Kantonsregierungen sowie dem Städteverband und dem Gemeindeverband tripartit erarbeitet wurde, Rechnung. Dieses Konzept schlägt ein Planen und Handeln in zwölf kantonsübergreifenden Handlungsräumen vor, wobei die Mehrzahl davon grenznahe ausländische Gebiete einschliesst. Die Herausbildung solcher grenzüberschreitender Funktionalräume ist vor allem eine Chance für die grenzüberschreitenden Metropolitanräume und urbanen Zentren (Basel, Genf, Lugano) und kann ebenso eine Chance für den ländlichen Raum
und das Berggebiet sein. Die besagten Zentren können auf diese Weise die nötige kritische Masse erlangen und sich im internationalen Standortwettbewerb besser positionieren. Für periphere Grenzregionen ergeben sich Vorteile dank der Anbindung an ein Zentrum jenseits der Landesgrenze (z. B. übernimmt Chiavenna diese Funktion für das bündnerische Bergell).

17

Der Bericht kann beim EDA unter www.eda.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Die schweizerische Aussenpolitik > Aussenpolitische Strategie 2012­2015 abgerufen werden.

1279

Der Bundesrat misst den Grenzregionen für das Verhältnis zu den Nachbarländern und zur EU sowie für die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz einen hohen Stellenwert bei. Die porträtierten Bundespolitiken tragen diesem Anliegen mit räumlich differenzierten und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ausgerichteten Lösungen Rechnung.

1.3

Zentrale Handlungsfelder des Bundes

1.3.1

Stärkung der Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit

Neue Regionalpolitik und INTERREG Im Rahmen der Neuen Regionalpolitik (NRP)18, wie sie im Bundesgesetz vom 6. Oktober 200619 über Regionalpolitik verankert und per 1. Januar 2008 in Kraft gesetzt worden ist, stärkt der Bund die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Regionen und hilft deren Wertschöpfung zu erhöhen. Die Grenzregionen sind neben dem Berggebiet und dem weiteren ländlichen Raum explizite Zielgebiete der Regionalpolitik. Mittels geeigneter Projekte werden in den Förderregionen wirtschaftliche Impulse ausgelöst und Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten. Beispielsweise hat das Holzkompetenzzentrum Valposchiavo 2011 mit der Unterstützung des Bundes einen grenzüberschreitenden Pilotlehrgang mit sechzehn Studierenden aufgenommen. Die Zusammenarbeit der Region mit Italien wird dadurch intensiviert und gleichzeitig Graubünden als Ausbildungsstandort gestärkt. Die NRP ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Kantonen. Die kantonsspezifischen Ziele werden in vierjährigen Programmvereinbarungen definiert. Auswahl, Aufbau und Umsetzung der Projekte liegen in der Kompetenz der Kantone. Mit Bundesmitteln von durchschnittlich 40 Millionen Schweizerfranken à fonds perdu und 50 Millionen Schweizerfranken Darlehen pro Jahr wird mit diesem «bottom-up»-Ansatz ein wesentlicher Beitrag zur regionalen Wirtschaftsförderung geleistet (vgl. Botschaft vom 28. Februar 200720 zum Mehrjahresprogramm des Bundes 2008­2015 zur Umsetzung der Neuen Regionalpolitik [NRP] und dessen Finanzierung). Die erste Programmphase wird zurzeit evaluiert. Parallel erarbeitet der Bund in Abstimmung mit den Kantonen die Strategie für eine zweite Programmphase ab 2016.

Von besonderem Belang für die Grenzregionen sind die INTERREG-Programme der EU21, an denen die Schweiz im Rahmen der NRP teilnimmt. Diese sind Teil der EU-Kohäsionspolitik und erlauben es, regionale Initiativen der Mitgliedstaaten zu unterstützen. Auch die EU-Regionalpolitik besitzt einen wirtschaftlichen Fokus.

Obwohl NRP und EU-Kohäsionspolitik voneinander abweichende Förderschwerpunkte, -perioden, und -mittel aufweisen, wurden in den letzten zwanzig Jahren zahlreiche Projekte lanciert und unterstützt, die direkt oder indirekt zur Standort18

19 20 21

Die Dokumentation zur NRP kann beim Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) unter www.wbf.admin.ch > Themen > Wirtschaft > Neue Regionalpolitik (NRP) und bei regiosuisse unter www.regiosuisse.ch > NRP abgerufen werden.

SR 901.0 BBl 2007 2445 Vgl. www.regiosuisse.ch > ETZ/INTERREG.

1280

attraktivität der Schweizer Grenzregionen beitragen. Genannt seien hier das Kompetenznetzwerk für Mikrotechnik «Minnovarc» im Jurabogen, das Projekt «Enerbuild», welches KMU des Bausektors im Alpenraum hilft, dank energiesparender Gebäude wettbewerbsfähig zu bleiben sowie die italienisch­schweizerische Zusammenarbeitsplattform im Bereich regionaler Produktionssysteme «SPL Insubria».

Tourismus in Grenzregionen Der Tourismus ist für viele Grenzregionen der Schweiz, wie auch für einige Grenzregionen der Nachbarländer, ein bedeutender Wirtschaftszweig und trägt wesentlich zur regionalen Wirtschaftsleistung bei. Die Grenzregionen erwirtschaften auch einen wichtigen Anteil der gesamtschweizerischen touristischen Wertschöpfung. Die Lage an der Grenze ist beispielsweise aufgrund der Nähe zu grossen ausländischen Agglomerationen wie Mailand oder München eine Chance. Gleichzeitig sind die benachbarten Grenzregionen jedoch in erster Linie Konkurrenten, was sich im Zusammenhang mit dem gestiegenen Aussenwert des Schweizerfrankens noch akzentuiert hat. So zeigt ein Vergleich zwischen dem Kanton Graubünden und dem österreichischen Bundesland Vorarlberg, dass die Anzahl Gäste aus dem direkt anliegenden Ausland stark unterschiedlich ist. Im Kanton Graubünden generierten Gäste aus Österreich im Jahr 2011 rund 1 Prozent aller Logiernächte, Gäste aus der Schweiz und aus Liechtenstein in Vorarlberg hingegen über 10 Prozent. Ein grundsätzlich homogenes Produkt wird als Folge der Grenzen also zu gänzlich unterschiedlichen Konditionen angeboten.

Für den Tourismus in den Grenzregionen sind die Eröffnung des GotthardBasistunnels im Rahmen der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) sowie die Weltausstellung Milano 2015 wesentliche Meilensteine. Die Erfahrung mit dem Lötschberg-Basistunnel zeigt, dass verkürzte Reisezeiten Impulse im Tourismus auslösen können. Der Gotthard-Basistunnel dürfte insbesondere für den Tourismus im Kanton Tessin eine Chance darstellen. Die Weltausstellung 2015 bietet allen Regionen des Alpenraums grosse Möglichkeiten, sich als attraktive Tourismusdestinationen global zu positionieren.

Grenzüberschreitende Agglomerationsprogramme Mit den Agglomerationsprogrammen leistet der Bund einen wichtigen Beitrag zur Standortattraktivität städtischer Gebiete. Im Infrastrukturfonds sind bis 2025 insgesamt
sechs Milliarden Schweizerfranken für die Abstimmung zwischen Verkehr und Siedlung in städtischen Gebieten vorgesehen (vgl. Bundesbeschluss vom 4. Oktober 200622 über den Gesamtkredit für den Infrastrukturfonds).

Mit Zürich, Genf­Lausanne und Basel weisen drei der vier grossstädtisch geprägten Handlungsräume der Schweiz grenzüberschreitende Perimeter auf. Ihre Wirtschaftskraft hängt von Pendler- und Warenflüssen über die Grenzen ab. Standortentwicklung muss hier, wie auch in kleineren grenznahen Städten (z.B. Schaffhausen) grenzüberschreitend erfolgen. In der ersten Generation der Agglomerationsprogramme wurden seit 2008 Bundesbeiträge im Umfang von knapp einer Milliarde Schweizerfranken an Verkehrsinfrastrukturen in grenzüberschreitenden Agglomerationen investiert. Mitfinanziert werden auch dringliche Massnahmen wie die S-Bahn-Linie Cornavin­Eaux-Vives­Annemasse (CEVA)23 in der Agglomeration 22 23

BBl 2007 8553 www.ceva.ch

1281

Genf (550 Mio CHF). CEVA verbindet das schweizerische und das französische Bahnnetz und bildet dadurch das neue Rückgrat des regionalen Verkehrsnetzes. Die Bahnverbindung stellt eine Alternative zum Individualverkehr dar und hilft so, die Verkehrsprobleme im Raum Genf zu mindern. Mit CEVA werden der Personenfluss vereinfacht und die wirtschaftliche Attraktivität der Region erhöht.

Die NRP und INTERREG können auch künftig wichtige wirtschaftliche Impulse in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit setzen. Gerade in den grenzüberschreitenden Regionen ermöglichen räumlich differenzierte Instrumente, auf die spezifischen Bedürfnisse einzugehen. Da die Gelder des Infrastrukturfonds auch für Massnahmen im grenznahen Ausland ausgerichtet werden können, ist der für 2014 geplante Entscheid des Parlaments darüber, welche Agglomerationsprogramme zweiter Generation mit welchen Massnahmen gefördert werden sollen (Umsetzung ab 2015), für die Grenzregionen ebenfalls sehr bedeutsam.

1.3.2

Arbeitsmarkt

Personenfreizügigkeit und flankierende Massnahmen Im Jahr 2002 trat das Abkommen vom 21. Juni 199924 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen; FZA) in Kraft. Der Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt wurde in der Folge schrittweise liberalisiert. Schweizer Staatsangehörige erhielten ihrerseits das Recht, ihren Arbeitsplatz beziehungsweise ihren Aufenthaltsort innerhalb der Staatsgebiete der Vertragsparteien frei zu wählen. Die Kontingente für die Einwanderung von Arbeitskräften aus dem EU/EFTA-Raum wurden kontinuierlich aufgehoben. Die vorgängigen Kontrollen der Arbeitsverhältnisse und das sogenannte Prinzip des Inländervorrangs (Schweizer Firmen mussten bei Stellenbesetzungen zuerst im Inland suchen, ehe sie eine ausländische Arbeitskraft einstellen konnten) als Voraussetzung für die Erteilung einer Arbeitsbewilligung entfielen 2004 für Staatsangehörige der EU-1725 und 2011 für Staatsangehörige der EU-826. Seit dem Inkrafttreten des FZA sind mittlerweile knapp 370 000 Personen (netto) aus den EU/EFTAStaaten in die Schweiz zugewandert. Im gleichen Zeitraum sind (netto) rund 60 000 Schweizerinnen und Schweizer ausgewandert. Die Nettoauswanderung lag in den Jahren seit dem Inkrafttreten des FZA somit leicht über dem Durchschnitt der Jahre vor dessen Inkrafttreten. Inwieweit das FZA zu dieser leichten Erhöhung der Nettoauswanderung beigetragen hat, ist schwierig zu beurteilen, weil die Zielländer der Schweizer Auswandererinnen und Auswanderer nicht statistisch erfasst werden.

24 25

26

SR 0.142.112.681 EU-15: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Vereinigtes Königreich, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Luxemburg, Portugal, Schweden, Spanien. Malta und Zypern, die der EU 2004 beitraten, werden gleich behandelt wie die EU-15. Für die EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen gelten dieselben Regelungen.

EU-8: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn.

1282

Gemäss Auslandschweizerstatistik27 befinden sich rund 60 Prozent aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in EU/EFTA-Staaten.

Ausserdem können entsandte Arbeitnehmende und Selbständigerwerbende seit 2002 bis zu neunzig Tage pro Kalenderjahr bewilligungsfrei in der Schweiz ihre Dienstleistungen erbringen. Sie unterliegen einer einfachen Meldepflicht. Die Anzahl der meldepflichtigen Dienstleistungserbringer ist seit dem Inkrafttreten des FZA jährlich gestiegen und hat im Jahr 2011 mit knapp 90 000 Personen einen neuen Höchststand erreicht.

Dank der gestiegenen Zuwanderung aus den EU/EFTA-Staaten wurde die hohe Nachfrage des Schweizer Arbeitsmarkts nach zusätzlichen (qualifizierten) Arbeitskräften weitgehend gedeckt. Negative Auswirkungen auf die ansässige Erwerbsbevölkerung blieben eng begrenzt. Dazu haben unter anderem die flankierenden Massnahmen (FlaM) zum Schutz der Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Schweiz beigetragen. Diese sehen unter anderem die nachträgliche Überprüfung der Lohnund Arbeitsbedingungen bei Schweizer Arbeitgebern und bei ausländischen Dienstleistungserbringern vor. Die Kontrolltätigkeit im Zusammenhang mit den FlaM wurde in den letzten Jahren stetig gesteigert und jüngst auf hohem Niveau konsolidiert.

Die bisherigen Erfahrungen mit den FlaM haben gezeigt, dass in der Gesetzgebung einige Lücken bestehen. Um diese Lücken zu schliessen, hat der Bundesrat die vom Parlament in der Sommersession 2012 verabschiedete Anpassung der FlaM (vgl. Botschaft vom 2. März 201228 zum Bundesgesetz über die Anpassung der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit) auf Anfang 2013 in Kraft gesetzt. Insbesondere das Phänomen der Scheinselbständigkeit ausländischer Dienstleistungserbringer wird mit den neuen Instrumenten wirksamer bekämpft werden können. Ausserdem arbeitet das SECO zusammen mit den Vollzugsorganen daran, die Effizienz der FlaM durch Verbesserungen im Vollzug weiter zu erhöhen (vgl.

Evaluation der Aufsicht über die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit und deren Wirkungen. Stellungnahme des Bundesrates vom 18. Januar 201229 zum Bericht vom 21. Oktober 2011 der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates und Stellungnahme des Bundesrates vom 4. Juli 201230 zur Stellungnahme vom 8. Mai 2012 der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates).
Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt Die Personenfreizügigkeit hat die Rekrutierungsmöglichkeiten für Schweizer Unternehmen verbessert und damit das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in den letzten zehn Jahren begünstigt. Die Auswirkungen des FZA auf den Schweizer Arbeitsmarkt sind im 8. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz­EU vom 25. Mai 201231 «Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt» detailliert beschrieben. Die Zuwanderung folgte der Nachfrage der Unternehmen und variierte entsprechend mit der Konjunktur. Sie erfolgte 27

28 29 30 31

Die Auslandschweizerstatistik kann beim EDA unter www.eda.admin.ch > Dokumentation > Publikationen > Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer > Auslandschweizerstatistik abgerufen werden.

BBl 2012 3397 BBl 2012 1255 BBl 2012 7353 Der Bericht kann beim SECO unter www.seco.admin.ch > Themen > Arbeit > Freier Personenverkehr CH-EU und flankierende Massnahmen abgerufen werden.

1283

mehrheitlich in Berufsgruppen mit hohen Qualifikationsanforderungen, in denen auch ansässige Arbeitskräfte zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten fanden.

Die Reallöhne sind auch nach Einführung der Personenfreizügigkeit weiter gestiegen, und die Lohnstruktur in der Schweiz ist stabil geblieben. Verschiedene Studien32 kommen zum Schluss, dass die erhöhte Zuwanderung die Reallohnentwicklung etwas gedämpft hat, weil die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften leichter gedeckt und kostspielige Engpässe bei den Unternehmen vermieden wurden.

Ein möglicher Druck auf die Lohnentwicklung wurde zum Teil bei Berufsgruppen mit hohen Qualifikationsanforderungen festgestellt, bei Erwerbstätigen mit tiefen und mittleren Qualifikationen jedoch mehrheitlich nicht, was auf die Wirksamkeit der FlaM insbesondere im Bereich der tiefen Löhne hinweist.

Die Zuwanderung von Fachkräften dürfte auch zu einem Anstieg der Produktivität im Schweizer Arbeitsmarkt geführt haben. Die Auswirkungen der Zuwanderung im Zusammenhang mit dem FZA auf die Produktivität und die Schweizer Volkswirtschaft und insbesondere auf die Löhne werden zurzeit wissenschaftlich vertieft analysiert.

Auswirkungen in Grenzregionen Mit dem Wegfall des Inländervorrangs und der präventiven Lohnkontrollen am 1. Juni 2004 wurde auch die Anstellung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern administrativ erleichtert. Die Beschränkung der Rekrutierung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern auf bestimmte Regionen wurde aufgehoben (Kontingente hatte es nie gegeben). Ausserdem wurde es den Betroffenen ermöglicht, als Wochenaufenthalter in der Schweiz zu arbeiten. Damit hat auch die Grenzgängerbeschäftigung an Attraktivität gewonnen.

Seit dem Inkrafttreten des FZA ist die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger deutlich gestiegen (+84 000; +4.8 % pro Jahr). 2011 waren es insgesamt 245 000 Personen. Während der Grenzgängeranteil in der Nordwest- und in der Ostschweiz moderat zunahm, gewann dieser in der Genferseeregion, im Jurabogen sowie in der Südschweiz stark an Bedeutung. Im Vergleich zu den zugewanderten Arbeitskräften aus dem EU-Raum, welche über ein überdurchschnittliches Qualifikationsniveau verfügen, gibt es bei den Grenzgängerinnen und Grenzgängern und bei den meldepflichtigen Kurzaufenthalterinnen und Kurzaufenthaltern auch relativ viele
Hilfsarbeitskräfte. Entsprechend werden in den betroffenen Grenzregionen die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit kontrovers diskutiert.

Die Beschäftigungsentwicklung zeigt, dass Regionen mit stark wachsenden Grenzgängeranteilen auch insgesamt ein überdurchschnittliches Beschäftigungswachstum verzeichneten (vgl. 5. Kapitel im 7. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz­EU vom 26. Mai 201133 «Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf den Schweizer Arbeitsmarkt»). Eine aktuelle Studie34 kommt aller32

33 34

Vgl. z.B. Stalder, Peter (2010): Free migration between the EU and Switzerland: Impacts on the Swiss Economy and Implications for Monetary Policy. Swiss National Bank (SNB), Zurich. Gerfin, Michael und Kaiser, Boris (2010): The Effects of Immigration on Wages: An Application of the Structural Skill-Cell Approach. Discussion Paper, Faculty of Economics and Social Sciences, Universität Bern.

Der Bericht kann beim SECO unter www.seco.admin.ch > Themen > Arbeit > Freier Personenverkehr CH-EU und flankierende Massnahmen abgerufen werden.

Losa, Fabio B. et. al. (2012), Libera circolazione: gioie o dolori?, Ufficio di statistica Cantone Ticino. Genauer untersucht wurde die Beschäftigungsentwicklung 2001­2005.

1284

dings zum Schluss, dass ein Teil des Grenzgängerzuwachses in den ersten Jahren seit dem Inkrafttreten des FZA (bis 2005) auf Kosten der inländischen Beschäftigung ging. Auch der Observatoriumsbericht stellte fest, dass der Jurabogen und die Südschweiz in den Jahren 2001­2008 insgesamt ein überdurchschnittliches, bei der ansässigen Bevölkerung jedoch ein unterdurchschnittliches Beschäftigungswachstum aufwiesen. Allerdings verzeichneten beide Regionen auch ein unterschiedliches Wachstum der Bevölkerung im Erwerbsalter, womit die Erwerbstätigenquote der ansässigen Bevölkerung gleichwohl anstieg. Indessen wurden die Erwerbstätigenquoten auch in Regionen mit wachsender Grenzgängerbeschäftigung gesteigert. Dort wurde das einheimische Arbeitskräftepotenzial somit zunehmend genutzt. Die Arbeitslosigkeit stieg in der Genferseeregion, in der Nordwestschweiz und im Jurabogen relativ zu Nicht-Grenzregionen leicht an. Insgesamt sind die Befunde über die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf Grenzregionen bis heute gemischt. Da allfällige Verdrängungseffekte nicht ganz ausgeschlossen werden können, wird die Frage zurzeit in einer Studie im Auftrag des Bundes vertieft analysiert.

Die Befürchtung erhöhten Lohndrucks in grenznahen Regionen der Schweiz ist unbegründet. Auch hier muss die Entwicklung aber weiter beobachtet werden, denn mit der starken Aufwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro gewinnt die Frage an Brisanz. Für ausländische Grenzgängerinnen und Grenzgänger war mit der Aufwertung des Schweizerfrankens eine starke Reallohnerhöhung (in Euro) verbunden. Die Attraktivität der Grenzgängerbeschäftigung wie auch das Risiko einer Unterbietung der üblichen Lohnbedingungen in der Schweiz könnten dadurch angestiegen sein.

Besteuerung der Grenzgänger Die Grenzgängerinnen und Grenzgänger leisten einen ansehnlichen finanziellen Beitrag an die Schweiz. Gemäss einer Schätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung verblieben Bund, Kantonen und Gemeinden von den erhobenen Quellensteuern im Jahre 2010 netto rund 3,6 Milliarden Schweizerfranken, wovon allein dem Bund 461 Millionen Schweizerfranken.35 Die Frage der Grenzgängerbesteuerung ist zum Teil politisch sensibel, wie sich vorab im Verhältnis der Schweiz mit Italien zeigt. Die betreffende Vereinbarung der beiden Länder stammt aus dem Jahre 1974 und
gilt für die Kantone Graubünden, Tessin und Wallis. Sie hält fest, dass rund vierzig Prozent der Quellensteuer auf Grenzgängereinkommen an Italien weiterzuleiten sind. Um den Druck für eine Revision der Vereinbarung bei den Behörden beider Länder zu erhöhen, beschloss der Kanton Tessin im Juni 2011, nur noch die Hälfte der vereinbarten Ausgleichszahlungen an Italien auszuzahlen und die andere Hälfte auf ein Sperrkonto zu überweisen. Im Mai 2012 ist dieser Betrag (28 Mio. CHF) nun freigegeben worden. Am 9. Mai haben die Schweiz und Italien die Schaffung einer gemeinsamen Steuerungsgruppe vereinbart, die an der Lösung der offenen Finanz- und Steuerfragen arbeiten soll, unter anderem an der Revision der Grenzgängervereinbarung.

Grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung Zu den grenzüberschreitenden Dienstleistungen von Schweizer Unternehmen im EU/EFTA-Raum fehlen statistische Daten. Das SECO hat deshalb vor zwei Jahren 35

Schätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung, auf der Basis der Abrechnungen der Kantone.

1285

anhand der ausgestellten E-101-Formulare eine Schätzung vorgenommen. Die Daten des Formular E-101 werden vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf nationaler Ebene erfasst. Diese Daten sind allerdings lediglich als Indikator für die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung bis zu 90 Tagen zu betrachten, da im Formular E-101 alle Entsendungen in einen EU-Mitgliedsstaat bis zu einem Jahr enthalten sind, somit auch Entsendungen über 90 Tage. Der Vergleich der Anzahl grenzüberschreitender Dienstleistungserbringungen (bzw. ausgestellter E-101-Formulare) aus der Schweiz in den EU/EFTA-Raum und in umgekehrter Richtung ergibt für 2009 ein Verhältnis von rund eins zu drei.

Mit der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung gehen Chancen, aber auch Schwierigkeiten einher. Während für Schweizer Unternehmen im Bereich der spezialisierten Dienstleistungen die EU ein potentieller Absatzmarkt darstellt, besteht beispielsweise im Baugewerbe im benachbarten Ausland eine grosse (ausländische) Konkurrenz. Ausserdem stossen Dienstleistungserbringer in diesem Bereich im benachbarten Ausland zum Teil auf gewisse Hindernisse. So müssen beispielsweise Betriebe, die Baudienstleistungen in Deutschland erbringen wollen, den deutschen Urlaubskassen (ULAK) Vorleistungen für Ferienentschädigungen der entsandten Arbeitnehmenden entrichten, auch wenn die Ferien für den Zeitraum der Entsendung bereits nach Schweizer Recht entschädigt werden. Eine ähnliche Regelung für die Entrichtung von Ferienentschädigungen und des 13. Monatslohns existiert im Baugewerbe in Italien (casse edili). Daraus entstehen Schweizer Unternehmen zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit Dienstleistungserbringungen in Deutschland oder Italien. Betriebe, die in Frankreich gewisse Baudienstleistungen erbringen wollen, sind verpflichtet eine Versicherung zur Abdeckung zehnjähriger Gewährleistungsansprüche (garantie décennale) abzuschliessen. Für Schweizer Betriebe war der Abschluss einer solchen Versicherung allerdings bis vor kurzem bei keiner französischen oder schweizerischen Versicherungsgesellschaft möglich.

Diese Hindernisse für Schweizer Unternehmen wurden im Rahmen verschiedener zwischenstaatlicher Gremien mit unseren Nachbarländern thematisiert, um pragmatische Lösungen zu finden. Auch im Gemischten Ausschuss zum FZA und im Rahmen
einer technischen Expertengruppe mit den zuständigen Behörden wurden diese Probleme eingebracht. Zahlreiche Fragen wurden dank dieser Gremien bereits gelöst oder zumindest einer Lösung näher gebracht. So unterstützt das SECO beispielsweise die Schweizer Sozialpartner, eine Lösung mit den deutschen Sozialpartnern im Bereich der ULAK und den italienischen Pendants in Bezug auf die casse edili zu finden. Für die garantie décennale wurde durch Vermittlung des Sekretariats der Oberrheinkonferenz eine Lösung auf der Ebene der privaten Unternehmungen erarbeitet. Seit Ende 2010 gibt es entsprechende Anlaufstellen von Versicherungsgesellschaften in Genf und Basel, die Schweizer Unternehmen bei der Beantragung einer garantie décennale behilflich sind.

Aber auch ausländische Firmen, die in der Schweiz eine Dienstleistung erbringen, kritisieren gewisse Massnahmen als Hindernisse, wie das Beispiel Liechtenstein zeigt. Hier hat die Einführung von Kautionspflichten in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen durch die Schweiz zu Kritik geführt. Im Maler- und Gipsergewerbe haben die schweizerischen und liechtensteinischen Sozialpartner allerdings im Herbst 2012 eine Lösung gefunden, indem sie die Kaution für liechtensteinische Betriebe übernehmen. Ein ähnliches Vorgehen wird auch in anderen Branchen angestrebt.

1286

Die Zuwanderung und die Grenzgängerbeschäftigung haben die Wirtschaftsund Beschäftigungsentwicklung der Schweiz in den letzten zehn Jahren begünstigt. Unternehmen in Grenznähe profitierten besonders von den Erleichterungen bei der Rekrutierung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern. Während für Grenzregionen in der Schweiz als Folge des FZA kein besonderer Lohndruck identifiziert werden konnte, wird die Frage nach einer möglichen Verdrängung von einheimischen Arbeitskräften durch Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie zugewanderte Arbeitskräfte noch genauer untersucht. Auch aufgrund der starken Aufwertung des Schweizerfrankens gegenüber dem Euro sind die Entwicklungen in Grenzregionen im Auge zu behalten. Im Übrigen sollen die FlaM weiterhin konsequent angewendet und deren Vollzug optimiert werden.

1.3.3

Aussenwirtschaft

Die schweizerische Wirtschaftspolitik will günstige Rahmenbedingungen für den Warenhandel mit der EU bewahren. Mit dem Abkommen vom 22. Juli 197236 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Freihandelsabkommen mit der EU), der autonomen Anpassung des rechtlichen Rahmens an die europäischen Vorschriften sowie den bilateralen Marktzugangsabkommen werden verschiedene für die wirtschaftliche Integration der Grenzregionen bestehende Hindernisse abgebaut, die durch rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen sowie Zollverfahren verursacht werden. Damit wirkt sich diese Politik auch auf den Handel mit den grenznahen ausländischen Regionen aus. Trotz dieser grundsätzlich günstigen strukturellen Ausgangslage bieten Abkommen und ähnliche Vereinbarungen noch keine Gewähr, um Schwierigkeiten im Warenhandel mit benachbarten Regionen zu vermeiden. Neben diesen punktuellen Schwierigkeiten bereitet die Aufwertung des Schweizerfrankens zunehmend Sorge. Sie hat spürbare Auswirkungen auf die bestehenden Handelsströme, worunter insbesondere der Schweizer Detailhandel leidet (Stichwort Einkaufstourismus).

Zollverfahren Die Schweiz und Liechtenstein bilden eine Zollunion. Alle weiteren Nachbarländer gehören der Europäischen Zollunion an. Trotz des Freihandelsabkommens mit der EU durchlaufen alle grenzüberschreitenden Waren zwischen den beiden Zollunionen eine doppelte Zollabfertigung: sowohl bei der Ausfuhr aus dem einen als auch bei der Einfuhr in das andere Zollgebiet. Dieses doppelte Zollverfahren verursacht Kosten für Exporteure und Importeure und verteuert auch den Handel in Grenzregionen. Im Auftrag des Bundesrats werden die Kosten dieser Regelung, darunter die Kosten der Verzollung von Waren bei der Ein- und Ausfuhr, infolge der Postulate Fournier (10.3429 «Erhebung der Regulierungskosten») und Zuppiger (10.3592 «Messung der Regulierungskosten») bis 2013 erhoben.

36

SR 0.632.401

1287

Die Schweiz und die EU haben ein Interesse, die Zollverfahren im bilateralen Handelsverkehr zu vereinfachen. So wurde das Abkommen vom 25. Juni 200937 über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen abgeschlossen, welches die Zusatzbelastung der neu eingeführten Sicherheitskontrollen für Waren an der Grenze reduzierte. Die nicht unerheblichen Grenzabfertigungskosten für Importeure und Exporteure beider Seiten könnten durch direkte Interaktion zwischen dem schweizerischen Verzollungssystem und jenem der EU-Mitgliedstaaten sowie einer besseren Abstimmung der Prozeduren weiter gesenkt werden. Ziel ist, dass eine einzige Registrierung für die Ausfuhr aus der einen Zollunion und die Einfuhr in die andere genügt. Von einer solchen Lösung würden die Grenzregionen mit ihrem intensiven Warenaustausch besonders profitieren. Im Sinne einer schrittweisen Verbesserung sind die Schweiz und die EU daran, im Rahmen der Weltzollorganisation zwei Module zum Austausch der Identitäten zugelassener Wirtschaftsbeteiligter beziehungsweise von Sicherheitsdaten auszuarbeiten.

Produktevorschriften Die Unterschiede bei technischen Vorschriften für Produkte stellen auch für Regionen dies- und jenseits der Grenzen Handelshemmnisse dar. Mit verschiedenen bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU sind für wichtige Sektoren die Voraussetzungen für einen erleichterten Zugang zum europäischen Markt ­ analog demjenigen zwischen EU-Mitgliedsländern ­ verbessert worden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Abkommen vom 21. Juni 199938 über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, das 2002 in Kraft getreten ist und einen Grossteil der Industrieproduktevorschriften abdeckt.

Durch die gegenseitige Anerkennung von Produktevorschriften und Konformitätsbewertungen wird die Nutzung grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten vereinfacht. Für die Uhrenindustrie, die für den gesamten Jurabogen beidseits der Grenze von grosser Bedeutung ist, besteht seit 1967 ein spezielles Abkommen (Abkommen vom 30. Juni 196739 betreffend die Erzeugnisse der Uhrenindustrie). Für die gegenseitige Anerkennung der Vorschriften von bestimmten landwirtschaftlichen Erzeugnissen und im Veterinärbereich wurde 1999 das Agrarabkommen (Abkommen vom 21. Juni
199940 über den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen) abgeschlossen. Es ist 2002 in Kraft getreten und wird laufend weiterentwickelt.

Zudem verfolgt die Schweiz seit 1992 eine Politik der Vermeidung unnötiger Abweichungen der Schweizer Vorschriften (insbesondere Herstellungs- und Produktevorschriften) von jenen unserer wichtigsten Handelspartner. Die einschlägigen Regeln und Kriterien sind im Bundesgesetz vom 6. Oktober 199541 über die technischen Handelshemmnisse festgelegt, das 1996 in Kraft gesetzt und 2010 revidiert worden ist. Die Einfuhr bestimmter Produkte, die nicht unter die erwähnten Abkommen fallen und die in der EU rechtmässig in Verkehr sind, hat die Schweiz autonom erleichtert, ohne dadurch Schweizer Produzenten zu diskriminieren.

37 38 39 40 41

SR 0.631.242.05 SR 0.946.526.81 SR 0.632.290.13 SR 0.916.026.81 SR 946.51

1288

Der gegenseitige Zugang zu den grenznahen Märkten wurde in den letzten Jahren also laufend erleichtert. Diese Verbesserungen der Rahmenbedingungen können aber nicht verhindern, dass: ­

die Umsetzung der geltenden Abkommen zu Problemen führen kann; so zeigt eine vom Integrationsbüro EDA/EVD42 2010 durchgeführte Umfrage zur Anwendung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU43, dass es in Einzelfällen Verletzungen der genannten Abkommen gibt, in den meisten Fällen jedoch Lösungen gefunden wurden;

­

die Abkommen nicht alle relevanten Produkte und nicht die Gesamtheit des Handels abdecken.

Ein Beispiel für letzteren Aspekt ist die seit 2011 von Italien geforderte radiometrische Kontrolle bei nicht aus der EU kommenden metallischen Vorprodukten. Betroffen sind Schweizer Unternehmen, die mit ihren Produkten die Metallindustrie in der Lombardei und im Piemont beliefern. Das Verfahren ist schwerfällig und verteuert die Importe aus der Schweiz, was die schweizerischen Hersteller gegenüber der Konkurrenz aus der EU benachteiligt. Die Schweiz hat nachgewiesen, dass ihre Vorschriften und die geografische Lage eine Verunreinigung unwahrscheinlich machen. Ohne ein spezielles Abkommen ist es schwierig, eine Anpassung dieser Regeln durch Italien zu erwirken. In einem ersten Schritt wird darum eine Vereinfachung des Verfahrens angestrebt.

Ein weiteres Beispiel, welches nicht von bestehenden Abkommen abgedeckt wird, ist das baldige in Kraft treten der Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen (Verbot des Inverkehrbringens von Holz und Holzerzeugnissen aus illegalem Einschlag). Diese Verordnung wird insbesondere Schweizer Exporteure von Möbeln, Papier, Rohholz, Bauelementen betreffen. Die Vermeidung möglicher Handelshemmnisse infolge der neuen EU-Regelungen setzt eine Vereinbarung mit der EU voraus. Die Verwaltung ist mit den betroffenen Kreisen in der Schweiz sowie mit den zuständigen Stellen der europäischen Kommission im Kontakt.

Frankenstärke Der exportgewichtete reale Wechselkurs des Schweizerfrankens hat sich seit 2009 stark aufgewertet. Eine Spitze wurde anfangs August 2011 erreicht, als der Schweizerfranken gegenüber dem Euro fast auf pari stieg. Die Festlegung der Untergrenze von 1.20 Schweizerfranken gegenüber dem Euro durch die Schweizerische Nationalbank hat den Unternehmen Planungssicherheit vermittelt. Trotzdem bleibt gemessen am realen Wechselkursindex die Höherbewertung gegenüber dem Euro mit rund 20 Prozent überdurchschnittlich stark.

Bis Mitte 2012 hat sich die Schweizer Industrie gut behauptet. Im letzten Quartal 2011 lag der Produktionsindex für die Industrie und das verarbeitende Gewerbe auf dem Stand des Vorjahresquartals. Die bis Mitte 2012 gute Auslastung der Schweizer Industrie erklärt sich durch die langen Durchlaufzeiten der Aufträge, 42 43

Ab dem 1. Januar 2013: «Direktions für europäische Angelegenheiten».

Die Umfrage kann bei der Direktion für europäische Angelegenheiten unter www.eda.admin.ch/europa > Dokumentation > Berichte > Evaluation Bilaterale Abkommen abgerufen werden.

1289

welche dazu führen, dass Produktion und Umsatz verzögert auf Veränderungen der preislichen Wettbewerbsfähigkeit reagieren. Weiter ist zu beachten, dass gewisse Lieferverträge nicht kurzfristig kündbar sind. Beide Faktoren führen dazu, dass die negativen Auswirkungen der Frankenstärke sich erst mit einer gewissen Verzögerung in den Exportzahlen niederschlagen. Die negativen Auswirkungen des Frankenkurses auf die Industrie wurden zu einem wichtigen Teil durch die günstige konjunkturelle Entwicklung in Deutschland gemildert ­ dem wichtigsten Absatzmarkt für die Schweizer Industrie. Die letzte Aufwertungsphase des Schweizerfrankens hat zudem gezeigt, dass es etliche Branchen und Betriebe in der Schweiz gibt, die aufgrund ihrer starken Stellung auf dem Weltmarkt, Preiserhöhungen ohne grosse Umsatzeinbussen durchsetzten (z.B. Uhren, Chemie/Pharma).

Durch die hohe Intensität der Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen in der Schweiz und den angrenzenden Regionen sind Grenzregionen von der Höherbewertung des Schweizerfrankens überdurchschnittlich stark tangiert. Neben der klassischen Exportindustrie sind in Grenznähe zudem auch Detailhändler oder gewerbliche Betriebe etwa im Gast- oder im Baugewerbe von der Frankenstärke betroffen.

Einkaufstourismus Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten erschliesst sich auf der anderen Seite der Grenze die Möglichkeit, gleiche oder ähnliche Artikel günstiger einzukaufen.

Die ökonomischen Anreize für den Einkaufstourismus unterliegen ­ nebst den strukturell bedingten, vor allem bei Agrarprodukten erheblichen Preisunterschieden ­ den Schwankungen des Franken-Euro-Kurses. Die Grenze trennt Währungsgebiete und kann auf Detailhandelsstufe Anlass für Wettbewerbsverzerrungen sein.

Unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsfähigkeit ist diese Situation einer frankenkursabhängigen Importkonkurrenz vor allem für die Handelsstufe ungünstig.

Dies gilt verstärkt, wenn die Handelsstufe im Inland nicht beim gleichen Grosshändler einkaufen kann wie der ausländische Konkurrent.

Bezogen auf den Gesamtkonsum sind die für 2011 geschätzten 3­5 Milliarden Schweizerfranken Konsumausgaben jenseits der Grenze relativ gering. Bei Betrachtung ausgewählter Produktkategorien ist der Einkaufstourismus aber durchaus bedeutend und dann oft auch Ausdruck einer wirtschaftlich abgeschotteten Schweiz.
Einen besonderen Stellenwert hat dabei das Fleisch, da die Preisunterschiede bei dieser Konsumgüterkategorie wegen des schweizerischen Agrarschutzes am ausgeprägtesten sind. Gemäss Berechnungen des statistischen Amts der EU EUROSTAT zu den Kaufkraftparitäten liegt das Preisniveau beim Fleisch in der Schweiz rund doppelt so hoch wie im Mittel der 27 EU-Mitgliedstaaten. Da hier die Preisdifferenz am grössten ist, stellt das Fleisch die eigentliche Triebfeder des Einkaufstourismus dar. Dies zeigt sich auch an dessen Anteil an den Gesamtausgaben für den Einkaufstourismus. 2011 dürfte es sich aufgrund verschiedener Schätzungen allein beim Fleisch, das jenseits der Grenze eingekauft wurde, um einen Umsatz von rund 1 Milliarde Schweizerfranken gehandelt haben. Dies wäre ein Anstieg um einen Drittel im Vergleich zu 2009 bei einem entsprechend schwächeren Schweizerfranken. Dazu kommt, dass der Fleischeinkauf jenseits der Grenze die Gelegenheit ist, auch andere Erzeugnisse einzukaufen, obwohl bei diesen die Preisdifferenz die Fahrt über die Grenze allein nicht lohnend machen würde. Aufgrund der Preisdifferenz bedarf die Situation insbesondere beim Fleisch einer Überprüfung. Es bleibt das Ziel des Bundesrates, den wechselseitigen Marktzugang mit der EU im Agrar- und

1290

Lebensmittelbereich durch geeignete Massnahmen und Vereinbarungen zu verbessern.

Neben dem Agrarschutz besteht eine zweite wirtschaftspolitische Herausforderung kartellrechtlicher Natur, die vor allem auch für die Grenzregionen von Bedeutung ist. Es geht um die bessere Durchsetzung des rechtlichen Anspruchs auf Querlieferungen innerhalb von Händlernetzen. Ein Hersteller soll nicht unterbinden können, dass der Fachhändler in der Schweiz durch den Grosshandel im Ausland beliefert wird. Die eingeleitete Revision des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 199544 sowie das vor der Unterzeichnung stehende Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden (vgl. Ziff. 5.6) versprechen in dieser Hinsicht Verbesserungen. Unabhängig davon ist es Aufgabe des Privatsektors, neue Lieferketten aufzubauen und konkurrierende Marken zu fördern, um Preisdiskriminierungen zulasten des hiesigen Handels und der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten entgegenzutreten.

Die intensiven Wirtschaftsbeziehungen mit der EU und insbesondere mit den Nachbarregionen bewogen die Schweiz dazu, den bilateralen Weg zu vertiefen und laufend weiterzuentwickeln. Dennoch kann ein solcher Rahmen nicht sämtliche Beeinträchtigungen des Handels verhindern, da die Abkommen nicht alle Sektoren abdecken und deren Umsetzung zu Problemen führen kann. Die günstigen vertraglichen Rahmenbedingungen können zudem weder verhindern, dass der Handel empfindlich auf Wechselkursveränderungen reagiert noch dass dieser durch wettbewerbsbeschränkende private Praktiken behindert wird. Hier ist unter anderem die Wettbewerbspolitik und die Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden gefordert.

1.3.4

Infrastruktur

Um die langfristige Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit im Infrastrukturbereich sicherzustellen, nahm der Bundesrat 2010 mit seiner Infrastrukturstrategie (vgl. Bericht des Bundesrates vom 17. September 201045 «Die Zukunft der nationalen Infrastrukturnetze in der Schweiz») erstmals eine Gesamtschau der in die Zuständigkeit des Bundes fallenden Infrastrukturnetze vor. Lücken und Herausforderungen bei der Netzqualität bestehen vorab bei den auch mit Blick auf die Grenzregionen prioritären Netzen Strasse, Schiene, Luftfahrt und Strom.

Das Schweizer Nationalstrassennetz ist insgesamt gut mit dem transeuropäischen Strassennetz verknüpft. Lediglich in der Nordostschweiz besteht eine Lücke. So ist Österreich nicht direkt über die Autobahn erreichbar, wobei auf Schweizer Seite das Netz fertiggestellt ist. Bisherige Projektierungen auf österreichischer Seite wurden infolge ökologischer Bedenken nicht weiterverfolgt. Eine überregionale Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundeslandes Vorarlberg, in der auch die Schweiz vertreten ist, entwickelt derzeit neue Varianten. Grösste Herausforderung in Bezug auf das Infrastrukturnetz Strasse ist die in den nächsten Jahrzehnten erwartete weitere erheb44 45

SR 251 BBl 2010 8665

1291

liche Verkehrszunahme. Die Kapazitätsengpässe auf Nationalstrassen werden primär in und zwischen den Agglomerationen massiv zunehmen, wo sich Fern-, Transitund Lokalverkehr überlagern. Davon sind auch grenznahe Gebiete betroffen (Genferseegebiet, Nordwestschweiz, in geringerem Ausmass das Tessin), wenn auch nicht in erster Linie. Bauliche Massnahmen zur Beseitigung der systemkritischen Engpässe sind unumgänglich, teils mit hoher Dringlichkeit.

Bezüglich Erreichbarkeit auf der Schiene liegen die grossen Schweizer Städte lediglich im europäischen Mittelfeld. Zur besseren Anbindung an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz in West­Ost-Richtung sind bis Ende 2020 Bundesinvestitionen in der Höhe von rund 1,1 Milliarden Schweizerfranken in das Eisenbahnnetz vorgesehen. Dabei beschreitet der Bund auch unkonventionelle Wege, indem er relevante Bahnausbauten im grenznahen Ausland mit- oder vorfinanziert (z.B.

Genf­Bourg-en-Bresse, TGV Rhin-Rhône, Lindau-München). Bis 2019 sollen die beiden Basistunnels am Gotthard und Ceneri betriebsbereit sein. Zusätzlich werden grössere Projekte in den Agglomerationen realisiert (z.B. Verbindungen Genf­ Annemasse und Mendrisio­Varese). Beim Güterverkehr schafft der GotthardBasistunnel zwar neue Kapazitäten, was die Bereitstellung der Zufahrtslinien diesseits und jenseits der Landesgrenze betrifft, werden jedoch noch beträchtliche Anstrengungen erforderlich sein.

Die Luftfahrt ist für die globale Erreichbarkeit des Landes von herausragender Bedeutung. Wegen ihrer Grenzlage ziehen die drei Landesflughäfen auch in grossem Masse Passagiere aus dem benachbarten Ausland an. Die Kapazität der Flughäfen Genf und Zürich stösst an Grenzen, die im Falle von Zürich durch die restriktiven Sperrzeiten für die Nutzung des deutschen Luftraums noch zusätzlich eingeengt werden. Vom Staatsvertrag mit Deutschland, der am 4. September 2012 unterzeichnet wurde, erwartet der Bundesrat eine Lösung des Fluglärmkonflikts mit Deutschland und Rechtssicherheit für den Flughafen Zürich. Zukünftig ist im Luftverkehr mit einer weiter stark steigenden Verkehrsnachfrage zu rechnen, die insbesondere im Fall von Zürich selbst bei maximaler Ausrichtung auf Effizienz nicht zu bewältigen sein wird. Längerfristig ist deshalb beispielsweise denkbar, dass Fluggesellschaften auf andere nahe gelegene hubs im
Ausland ausweichen (Mailand, München usw.).

Was die Stromnetze betrifft, ist zwar die kapazitätsmässige Anbindung der Schweiz an die Nachbarländer wegen ihrer Funktion als Strom-Transitland vergleichsweise gut, doch genügt die Netzstruktur den Anforderungen an einen integrierten europäischen Stromverbund nur bedingt. Das Schwergewicht der grenznahen Engpässe befindet sich im Genferseeraum, im Wallis, im Tessin sowie im Raum Zürich/Aargau. Vor dem Hintergrund der vom Bundesrat eingeleiteten Energiewende nimmt die Dringlichkeit der besseren Anbindung des nationalen HochspannungsÜbertragungsnetzes an das europäische Verbundnetz zu. Die neu eingesetzte Energieplattform der Alpenkonvention ist in dieser Hinsicht eine Möglichkeit zum Austausch über gemeinsame Herausforderungen der Alpenländer beim Ausbau von Energieinfrastrukturen.

1292

Generell entspricht die infrastrukturelle Anbindung der Schweiz an das umliegende Ausland in etwa dem Grad der wechselseitigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vernetzung. In Fragen, bei denen die Bedürfnisse und Prioritäten nicht immer gleich gelagert sind, muss unser Land mit den Nachbarstaaten eng zusammenarbeiten, um einvernehmliche Lösungen zu finden. Dies ist im Interesse der Schweiz und insbesondere auch im Interesse der besonders exponierten Grenzregionen.

1.3.5

Bildung, Forschung und Innovation

Beträchtliche politische Resonanz im Bildungsbereich erfährt das Thema der sogenannten Bildungsausländerinnen und -ausländer, das heisst ausländischer Personen, die in der Schweiz eine akademische Ausbildung machen. Zwar handelt es sich dabei nicht um ein «grenzspezifisches» Phänomen, doch ist in Grenznähe von einer deutlicheren Ausprägung auszugehen. Aus Sicht des Bundes ist die Präsenz von Bildungsausländerinnen und -ausländern, wie Internationalität generell, im akademischen Bereich positiv. Problematisch kann sie werden, wenn sie dazu beiträgt, die Kapazitätsgrenzen der Bildungseinrichtungen zu sprengen und damit die Ausbildungsqualität zu senken. Ein weiterer negativer Aspekt ist, dass Bildungsausländerinnen und -ausländer nur durch die Studiengebühren zu ihren Ausbildungskosten beitragen, während bei ausserkantonalen Studierenden der Heimatkanton den grössten Teil der Kosten übernimmt. Die Hochschulen reagieren unterschiedlich auf diese Entwicklung. St. Gallen kennt seit Jahren eine Quote von 25 Prozent, und die betreffenden Studienplätze werden auf der Grundlage einer Prüfung vergeben. In Basel muss ein Studienplatznachweis im Herkunftsland beigebracht werden, sofern in jenem Land das gewählte Fach mit einem Numerus Clausus belegt ist. Im Tessin sind Bildungsausländerinnen und -ausländer indessen Teil der universitären Wachstumsstrategie.

Zur Stärkung regionaler Innovationssysteme übernehmen internationale und nationale Instrumente, welche insbesondere der Forschungsförderung und der forschungsbasierten Innovation verpflichtet sind, Verantwortung und Initiativen. Zu nennen sind die von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) lancierten nationalen thematischen Netzwerke. Wesentlicher Bestandteil der Netzwerke, die von der KTI bewilligt wurden, ist die Sicherstellung des Wissens- und Technologietranfers zwischen den nationalen Akteuren des jeweiligen Innovationsthemas und den europäischen Partnern im Rahmen der am besten geeigneten EU-Förderprogramme oder über bilaterale Transferprozesse. Als Beispiel kann das nationale thematische Netzwerk «Carbo Composites» angeführt werden, das der Schweizer Zulieferindustrie im Bereich der Kohlefaserverbundstoffe den Zugang zu Forschungskooperationen mit ihren deutschen Vertragspartnern in der Automobilbranche ermöglicht.

Auch Regionen werden
im Innovationsbereich zunehmend aktiv. Beispiele mit grenzüberschreitender Ausrichtung sind das Kompetenzzentrum für Verpackungstechnologie «International Packaging Institute» in Schaffhausen oder das gemeinsame NRP-Umsetzungsprogramm der Westschweizer Kantone zum Thema Innovation und Unternehmertum. Der Erfolg regionaler Massnahmen der Innovations1293

förderung hängt wesentlich von einer ausreichenden Nähe zu den Innovationsakteuren ­ allen voran Unternehmen ­ und einer Mindestgrösse des Einzugsgebietes ab. Letzteres bedeutet bezogen auf die Schweiz, dass eine kantonale Ausrichtung oftmals zu kurz greift und vermehrt ein Denken in grösseren funktionalen Räumen angezeigt ist.

In vielen schweizerischen Grenzregionen bietet sich in diesem Zusammenhang eine Kooperation in grenzüberschreitenden Grossregionen an. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Innovationsdynamik der Schweiz sind stark vom internationalen und dabei insbesondere vom grenznahen Austausch getrieben. Produkte und Dienstleistungen überqueren im Laufe eines Produktzyklus teilweise mehrfach die Grenze.

Massgebliche Forschungs- und Innovationsanstrengungen erfolgen in den Grenzregionen. Dabei stehen die Schweizer Grenzregionen nicht in einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis zum umliegenden Ausland. Deren Impulse sind für die wirtschaftliche Entwicklung der Regionen jenseits der Grenze von mindestens so grosser Relevanz. Bezüglich Aufwendungen werden die Forschungs- und Innovationsprojekte von Themen rund um den Life Science-Sektor (Pharma, Chemie, Biotechnologie) dominiert.

Zur Illustration seien die Anstrengungen der «Metropolregion Oberrhein» hervorgehoben. Deren Ziel ist es, die Akteure und Innovations-Netzwerke in dieser trinationalen Region zu grenzübergreifenden sogenannten Clustern weiterzuentwickeln.

Cluster sind Netzwerke, die Unternehmen, Bildungs- und Forschungsinstitutionen sowie öffentliche Institutionen mit einschliessen. Thematischer Schwerpunkt ist naturgemäss die Branche der Life Sciences. In diese Kategorie fällt zum Beispiel das vom Bund unterstützte Projekt BioValley46. Mit dem Aufbau grenzübergreifender Cluster soll die Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen und die Standortqualität der Grenzregion im internationalen Massstab weiter erhöht werden. Zu nennen ist auch das Schülerforschungsnetzwerk phænovum47, das durch ein praxisnahes Bildungsangebot qualifizierten regionalen Nachwuchs fördern will.

Bildung, Forschung und Innovation sind ein eher langfristig ausgerichtetes Politikfeld. Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg in den Bereichen Berufsbildung, Weiterbildung, Mobilität der Lehrpersonen und Lernenden, interkulturelle Kommunikation sowie der Aufbau
gemeinsamer Cluster stärken die Grenzregionen im internationalen Standortwettbewerb. Sie fördern zudem das Zusammengehörigkeitsgefühl und haben das Potenzial, positiv auf das Verhältnis zu den Nachbarstaaten insgesamt auszustrahlen.

1.4

Fazit

Für das wirtschaftliche Wohlergehen der Schweiz sind nicht nur die grossräumigen internationalen Handelsbeziehungen im Zuge der Globalisierung von Bedeutung.

Ebenso wichtig ist die Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Grenzregionen und -gebiete. Dabei sind räumlich differenzierte Vorgehensstrategien 46 47

Vgl. www.biovalley.com.

Vgl. www.phaenovum.de.

1294

angezeigt. Föderalistische Kompetenzaufteilung und gute Zusammenarbeit des Bundes mit den Grossregionen und Kantonen erleichtern die Bemühungen zur Förderung der regionalen Aussenwirtschaft.

Auf regionaler Stufe stehen die schweizerischen Grenzregionen und die grenznahen Gebiete der Nachbarstaaten zwar zum Teil in einer Konkurrenzsituation. Im Wettbewerb mit anderen europäischen und aussereuropäischen Wachstumsräumen sind diese Gebiete aber gleichzeitig Partner. Je mehr Hindernisse in den Grenzregionen abgebaut werden, desto wettbewerbsfähiger werden diese Wirtschaftsräume in einem europäischen oder globalen Massstab. In diesem Zusammenhang gilt es die im Raumkonzept vorgesehenen grenzüberschreitenden Handlungsräume zu stärken.48 Aus Sicht des Bundes sind fünf Themenfelder besonders hervorzuheben: Stärkung der Standortqualität und der Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsmarkt, Aussenwirtschaft, Infrastruktur sowie Bildung, Forschung und Innovation. Die Entwicklung in diesen Bereichen beeinflusst wesentlich, wie sich das Verhältnis in den grenznahen Räumen und mit unseren Nachbarstaaten insgesamt gestaltet. Projekten, die «Win-WinSituationen» für die Partner schaffen und einen hohen Bürgernutzen auslösen, ist Priorität einzuräumen.

Grenzüberschreitenden Organisationen kommt dabei eine zentrale Rolle als Mediatoren und Impulsgeber zu. Zum einen ist die Ausgestaltung des Engagements der Schweiz im Rahmen der INTERREG-Programme zu überprüfen. Das Parlament wird sich voraussichtlich im Jahr 2015 mit allen inhaltlichen und finanziellen Aspekten der Regionalpolitik befassen, das heisst auch mit der Art und Weise einer allfälligen künftigen Beteiligung des Bundes an den INTERREG-Programmen der EU. Zum andern könnte die Nutzung von Instrumenten im Stile der Europäischen Verbünde für territoriale Zusammenarbeit geprüft werden. Diese Verbünde haben zum Ziel, die Zusammenarbeit ihrer Mitglieder juristisch zu erleichtern und zu fördern.

Die Vernetzung der Lebens- und Wirtschaftsräume reicht teils weit über die Landesgrenzen hinaus, zum Nutzen der Räume beidseits der Grenze. Der Geltungsbereich vieler Förderinstrumente des Bundes bleibt indessen auf das Inland beschränkt. Die von der KTI lancierten nationalen thematischen Netzwerke geben hier in der Innovationsförderung erstmals Gegensteuer. Ähnlich wie dies bei
der Standortförderung und der Agglomerationspolitik geschieht, werden auch in der wissenschaftsbasierten Innovationsförderung des Bundes die Bestrebungen intensiviert, grenzüberschreitende Instrumente im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten zu konzipieren.

Die Grenzregionen sind aus Sicht des Bundesrates ein wichtiger Schlüssel zu einem harmonischen Verhältnis mit unseren Nachbarstaaten und der EU. Darüber hinaus leisten sie auch einen grossen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Die Schweiz muss sich nach Kräften dafür engagieren, dass die kleinräumige grenzüberschreitende Integration ihre Wirkung voll entfalten kann.

48

Vgl. www.are.admin.ch > Themen > Raumordnung und Raumplanung > Raumkonzept Schweiz.

1295

2

WTO und weitere multilaterale Wirtschaftszusammenarbeit

2.1

Welthandelsorganisation (WTO)

Die WTO trägt mit ihrem für die Mitglieder verbindlichen Regelsystem massgeblich zur Eindämmung des Protektionismus bei. Instrumente zur Förderung der Transparenz der nationalen Handelspolitiken beugen zudem Streitfällen vor.

Wichtig im Hinblick auf die globale Anwendung der Welthandelsregeln ist der Beitritt neuer Mitglieder (im Berichtsjahr Montenegro, Samoa, Russland und Vanuatu). Die Weiterentwicklung des WTO-Regelwerkes ist im heutigen Umfeld allerdings schwierig. Aus Schweizer Sicht ist dennoch mittels innovativen Ansätzen eine weitere Liberalisierung des Handelssystems anzustreben.

2.1.1

Prioritäten der Schweiz in der WTO

Die WTO als rechtliches und institutionelles Fundament des multilateralen Handelssystems ist die einzige internationale Organisation, welche die grenzüberschreitenden Handelsbeziehungen auf globaler Ebene regelt. Die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der WTO gemäss den globalwirtschaftlichen Entwicklungen ist deshalb unerlässlich.

Aufrechterhaltung des Systems Die Schweiz ist auf einen möglichst hindernisfreien Zugang zu den internationalen Märkten angewiesen. Die Regeln und Verpflichtungen des Welthandelssystems werden von den WTO-Mitgliedern akzeptiert und grundsätzlich befolgt. Die Handelspolitiken der Mitglieder werden im Rahmen der Welthandelsordnung ausgestaltet, wobei die Marktzugangsverpflichtungen weitgehend eingehalten werden.

Das Durchsetzen der WTO-Regeln wird unter anderem durch den Streitbeilegungsmechanismus sichergestellt. Diese Möglichkeit ist besonders für kleine Staaten wie die Schweiz wichtig, weil bei einem Streitschlichtungsverfahren nicht das Recht des Stärkeren zählt. Seit 1995 wurden insgesamt über 450 Streitbeilegungsverfahren initiiert, wovon ein Drittel durch ein Schiedsgericht entschieden wurden. In zwei Dritteln dieser Fälle wurden die Entscheide an die Berufungsinstanz weitergezogen.

Gemäss WTO-Statistik blieb die Häufigkeit der Verfahren über die letzten Jahre stabil. Diese Zahlen belegen eine rege Nutzung dieses Instruments. Die bis auf sehr wenige Ausnahmen erfolgende Umsetzung der Urteile durch die Mitglieder beweist die Akzeptanz und das gute Funktionieren des Systems.

Die Regeln und Verpflichtungen der WTO sowie der Streitbeilegungsmechanismus zur Durchsetzung der Regeln führten dazu, dass die Regierungen trotz der Finanzund Wirtschaftskrise der Einführung von protektionistischen Massnahmen bislang weitgehend widerstanden. Trotzdem zeigte die im Rahmen des WTO-Organs für die Handelspolitiküberprüfung durchgeführte Untersuchung, dass in den letzten Jahren vermehrt handelsverzerrende Massnahmen eingeführt wurden. Manche dieser Massnahmen können im Rahmen des Handlungsspielraums der Mitglieder angewendet werden und stehen somit dem Welthandelsrecht nicht entgegen. Deshalb setzt sich

1296

die Schweiz auf bi- und multilateraler Ebene gegen eine weitere Ausdehnung dieser Aktivitäten ein.

Das Instrument der Handelspolitiküberprüfung der WTO unterstützt die Umsetzung der WTO-Abkommen durch die Förderung der Transparenz, indem das Handelsregime der WTO-Mitglieder sowie deren Auswirkung auf das multilaterale Handelssystem in Form von peer reviews regelmässig beurteilt werden. Die Überprüfung der Handelspolitik von China im Berichtsjahr bot beispielsweise Gelegenheit, Bilanz über die Umsetzung der von China mit dem WTO-Beitritt eingegangenen Verpflichtungen zu ziehen. Die Mitglieder begrüssten, dass China die Integration der Entwicklungsdimension in der WTO förderte, kritisierten aber einige Aspekte der chinesischen Handelspolitik und forderten zusätzliche Reformen.

Auch der Beitritt neuer Mitglieder spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung des multilateralen Handelssystems und die damit verbundenen Vorteile für die Schweiz.

Die Schweiz setzt sich für die Integration der am wenigsten entwickelten Staaten in das Welthandelssystem ein, indem sie diese im Rahmen der technischen Zusammenarbeit beim WTO-Beitrittsprozess unterstützt. Mit dem Beitritt von Montenegro, Samoa, Russland und Vanuatu im Berichtsjahr zählt die WTO 157 Mitglieder.

Weitere 26 Länder49 stehen im Beitrittsprozess.

Russland ist das wichtigste Neumitglied. Nach Beitrittsverhandlungen, welche über achtzehn Jahre dauerten, ist auch das letzte BRIC-Land der WTO beigetreten, womit nun alle bedeutenden Volkswirtschaften Mitglied der WTO sind. Aus systemischer Sicht ist der Beitritt Russlands ein wichtiger Schritt für das multilaterale Handelsystem, da die Welthandelsregeln somit annähernd weltweit gelten. Russland gehört weniger aus handelsstatistischen, als aus geopolitischen Gründen zu den strategisch wichtigen Mitgliedern der WTO und dürfte somit in Zukunft eine bedeutende Rolle im multilateralen Handelssystem spielen. Allerdings wird nur eine wirksame Umsetzung der Beitrittsverpflichtungen Russlands auch die erhofften Auswirkungen auf den Handel bringen.

Für die Schweiz bedeutet der WTO-Beitritt Russlands einen besseren Marktzugang zum russischen Wirtschaftsraum sowie ein verbessertes und transparenteres Geschäfts- und Investitionsklima. Russland ist verpflichtet, internationale Produktestandards und WTO-Regeln in
Bereichen wie Zollverfahren, Importlizenzvergaben und Schutz des geistigen Eigentums zu übernehmen sowie seine Importzölle zu senken. Des Weiteren hat die Schweiz im Kontext des WTO-Beitritts mit Russland ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von amtlichen Stempeln bei Edelmetalluhren unterzeichnet (Hallmarkingabkommen), welches von der Schweiz im Februar ratifiziert wurde, während die Ratifizierung von Russland noch ausstehend ist. Die gegenseitige Anerkennung von amtlichen Stempeln bei Edelmetalluhren ist für die Schweizer Uhrenindustrie von grosser Bedeutung.

Weiterentwicklung des Regelwerkes für den internationalen Handel und Erweiterung des Marktzugangs Die globale Wirtschaftskrise führte dazu, dass manche Mitglieder einer zusätzlichen Liberalisierung des Welthandels skeptisch gegenüberstehen. Das Verständnis für 49

Afghanistan, Algerien, Andorra, Äquatorialguinea, Aserbaidschan, Äthiopien, Bahamas, Belarus, Bhutan, Bosnien und Herzegowina, Irak, Iran, Jemen, Kasachstan, Komoren, Laos, Libanon, Liberia, Libyen, Sâo Tomé und Príncipe, Serbien, Seychellen, Sudan, Syrien, Tadschikistan und Usbekistan.

1297

langfristige Wohlstandsgewinne durch eine Handelsliberalisierung wird durch die kurzfristige protektionistische Sichtweise getrübt. Dies trägt dazu bei, dass der politische Wille für eine multilaterale Liberalisierung zunehmend fehlt.

Die Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung des internationalen Handelssystems haben sich seit Beginn dieses Jahrhunderts verändert. Die Weltordnung ist heute eine andere und eine gemeinsame Lösung zu finden, wird immer schwieriger.

Die Spannungen zwischen den grossen Handelsblöcken nimmt zu und die globale Wirtschaftskrise fördert die Zurückhaltung gegenüber einer weiteren Liberalisierung des internationalen Handels. Auch aus diesen Gründen erwies sich die Doha-Runde als breites Verhandlungsgefäss als nicht zielführend. Trotz diesen Entwicklungen wird die WTO auch in Zukunft die relevante Plattform für den Ausbau des Handelssystems darstellen, weil hierfür multilaterale Regeln unerlässlich sind. Dabei werden sich die Themen auf eine engere Auswahl beschränken.

Gegenwärtig finden in der WTO Verhandlungen vor allem im Bereich der Handelserleichterung statt. Die Schweiz engagiert sich bei diesen Verhandlungen für die Vereinfachung und Harmonisierung der Handels- und Zollformalitäten und somit für die Senkung der Transaktionskosten im internationalen Handel. Die Entwicklungsländer verlangen zur Umsetzung eines solchen Abkommens zusätzliche finanzielle Unterstützung und Wissenstransfer und knüpfen ihre Zustimmung zu einem Abkommen an Zugeständnisse in anderen Verhandlungsthemen. Die Verhandlungen zu Handelserleichterungen wurden im Laufe des Berichtsjahrs auf Expertenebene kontinuierlich fortgesetzt und der Text für ein mögliches Abkommen wurde Schritt für Schritt weiterentwickelt.

Parallel zu den multilateralen Verhandlungen wird vermehrt die Aushandlung von Abkommen im plurilateralen Rahmen zwischen Staaten diskutiert, welche sich zu einer weiteren Handelsliberalisierung in ausgewählten Bereichen bekennen. Damit soll das Blockieren der Verhandlungen durch Staaten mit fehlenden Ambitionen vermieden werden. Beim plurilateralen Ansatz wird zwischen zwei Arten von Abkommen unterschieden: ­

Die im Rahmen eines plurilateralen Abkommens eingegangenen Verpflichtungen gelten gegenüber allen WTO-Mitgliedern ­ auch gegenüber den Mitgliedern, welche sich am Abkommen nicht beteiligen. Ein Beispiel für ein plurilaterales Abkommen dieser Art ist das WTO-Abkommen über die Liberalisierung von Informationstechnologien (ITA). Erste Gespräche zur Ausdehnung des ITA haben begonnen, wobei vorerst über die Produkteabdeckung und mögliche neue Mitglieder diskutiert wird.

­

Die im Abkommen ausgehandelten Präferenzen müssen lediglich gegenüber den Mitgliedern des Abkommens gewährt werden. Im Bereich der Dienstleistungen wird aufgrund der stockenden Doha-Verhandlungen in Genf gegenwärtig darüber diskutiert, wie solche plurilaterale Verhandlungen für die weitere Liberalisierung von Dienstleistungen auszugestalten wären (vgl.

Ziff. 5.3).

Die Schweiz nimmt aktiv an Verhandlungen zur Weiterentwicklung des Regelwerkes und zur Erweiterung des Marktzuganges teil. Beim plurilateralen Ansatz ist für sie allerdings in allen Bereichen zentral, dass eine kritische Masse an Mitgliedern erreicht wird oder genügend Anreize bestehen, damit aussenstehende Länder zu einem späteren Zeitpunkt einem solchen Abkommen beitreten werden und dieses

1298

somit «multilateralisiert» werden kann. Plurilaterale Abkommen müssen deshalb möglichst offen ausgestaltet werden.

2.2

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

Vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen, setzte sich die OECD das Ziel, die grossen aufstrebenden Volkswirtschaften in ihre Arbeit miteinzubeziehen. Nur so kann sie gewährleisten, dass ihre Analysen und Empfehlungen relevant bleiben. Diese Öffnungspolitik wird seit 2007 konkret umgesetzt, als entschieden wurde, Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika systematisch in die Aktivitäten der Organisation einzubinden. Russland hat den Wunsch geäussert, der OECD beizutreten. Der Beitrittsprozess wird allerdings kaum vor 2014 abgeschlossen sein. Die Schweiz, welche stark in die Weltwirtschaft integriert ist, begrüsst diese Öffnungspolitik der OECD und beteiligt sich aktiv an den diesbezüglichen Arbeiten.

2.2.1

Die Bedeutung der OECD für die Schweiz

Ihren Gründungsprinzipien entsprechend hilft die OECD ihren Mitgliedern seit rund fünfzig Jahren, eine Politik der wirtschaftlichen Öffnung zu verfolgen, indem sie wissenschaftliche Analysen sowie gemeinsame wirtschaftliche Leitlinien und Standards ausarbeitet und veröffentlicht. Einzigartig ist die OECD vor allem aufgrund ihrer Arbeitsmethode, welche sich auf Dialog und peer reviews stützt. Daraus entstehen mehr oder weniger bindende Instrumente. Den Kern des Systems bilden die Sitzungen der Komitees am Hauptsitz in Paris, bei denen die aus den Hauptstädten entsandten Fachleute über wirtschaftspolitische Massnahmen debattieren und anhand guter Praxisbeispiele Empfehlungen erarbeiten. Unter den Publikationen der OECD sind die PISA-Studien mit ihren Bewertungen der Schülerkenntnisse wohl am bekanntesten. Diese Studien haben die Politik in verschiedenen Ländern auf nationaler Ebene beeinflusst, auch in der Schweiz, wo sie einen Wettbewerb zwischen den Kantonen auslösten. In anderen Bereichen hatten die MilleniumsEntwicklungsziele, das Verursacherprinzip oder die Leitsätze für multinationale Unternehmen (vgl. Ziff. 5.4.3) ebenfalls Einfluss auf die Entscheidungen der öffentlichen und privaten Akteure.

Mit ihrem auf Marktöffnung ausgerichteten Ansatz, ihren Konsensentscheidungen, dem wissenschaftlichen Charakter ihrer Arbeiten und ihren gut begründeten Empfehlungen entsprach die OECD in fast allen Bereichen der Haltung der Schweiz. Die Schweiz übernahm eine aktive Rolle bei der Ausarbeitung zahlreicher Kodizes und Standards der OECD. Die fruchtbare Beziehung zwischen der Schweiz und der OECD wurde in den letzten Jahren wegen des Steuerdossiers allerdings auf die Probe gestellt. Dennoch engagiert sich die Schweiz weiterhin mit grosser Überzeugung für die innovativen Arbeiten der Organisation. So beteiligt sie sich aktiv an den im Juni von den OECD-Ministern beschlossenen neuen horizontalen Initiativen beispielsweise bezüglich neuer Ansätze angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen (Stichwort sozialverträgliches Wachstum) und neuer Wachstumsquellen 1299

gestützt auf immaterielle Güter. Zudem unterstützt die Schweiz das neue Projekt zur Bewertung des Welthandels auf Basis der Wertschöpfung und setzte sich zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten für die OECD-Entwicklungsstrategie ein. Diese soll sicherstellen, dass die Arbeiten der Organisation in diesem Bereich gestärkt werden und dem raschen Wandel der internationalen Gegebenheiten entsprechen, unter denen Länder in verschiedenen Entwicklungsstadien weltweit zu einem nachhaltigen Wachstum beitragen können.

2.2.2

Öffnungspolitik der OECD

Die OECD erkannte rasch, dass das fulminante Wirtschaftswachstum der aufstrebenden Länder zu einer neuen Kräfteverteilung in der Weltwirtschaft führen wird. In diesem Zusammenhang beschloss die Schweiz gemeinsam mit den anderen OECDMinistern bereits 2007, die fünf wichtigsten aufstrebenden Volkswirtschaften ­ Brasilien, China, Indien, Indonesien und Südafrika ­ im Rahmen der OECD-Politik des Enhanced Engagement systematisch in die Aktivitäten der Organisation miteinzubeziehen. Damit leitete die OECD einen Paradigmenwechsel ein: Bisher war es an den interessierten Ländern, ein Beitrittsgesuch zu stellen. Die neuen Schwellenländer, welche sich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bewusst sind, zeigten jedoch wenig Interesse an einer Annäherung an die OECD. Entsprechend musste sie ihre Haltung gegenüber diesen Ländern überdenken. Die Zusammenarbeit mit diesen fünf Schlüsselpartnern gründet auf einem individuellen Ansatz und läuft ausschliesslich über die technischen Ausschüsse. Um diese Partner bei Diskussionen jeweils gleichberechtigt zu behandeln, verfügt die OECD über Instrumente wie das Weltforum. Dieses Format kann erweitert und institutionalisiert werden, wie dies erstmals 2009 für das Weltforum zu Transparenz und Informationsaustausch für steuerliche Zwecke50 geschah, bei dem es um für die Schweiz äusserst wichtige Themen ging.

Dieses Vorgehen bietet den Vorteil, dass sich für jedes Thema alle grossen Akteure auch über die Grenzen der OECD hinweg an einen Tisch setzen. Die Schlüsselpartnerländer können zudem eingeladen werden, an technischen Ausschüssen teilzunehmen und sich auf freiwilliger Basis den verschiedenen Empfehlungen der Ausschüsse anzuschliessen. Sollte die OECD diesen Weg weiterverfolgen, wird sie zu einer Organisation mit «variabler Geometrie» werden. Im Rahmen ihrer Öffnungspolitik nimmt die OECD auch die Anliegen der G20 auf. Sie beteiligt sich auf verschiedenen Ebenen (Sherpas, Arbeitsgruppen) aktiv an den Arbeiten der G20 und ist dadurch zu einer zuverlässigen Informationsquelle über die Aktivitäten dieser informellen Gruppe geworden.

Obwohl sich die Schweiz bewusst war, dass ein Beitritt Russlands zur OECD nicht abschliessend absehbare, spürbare Folgen haben würde, gehörte sie 2007 zu den ersten Ländern, welche das Beitrittsgesuch Russlands unterstützten. Da sich über die
Anforderungen der OECD bezüglich der Anpassung der russischen Vorschriften und Standards nicht verhandeln lässt, kommt der Beitrittsprozess nur schleppend voran.

Inzwischen haben die russischen Behörden allerdings ein besseres Verständnis dieses Prozesses erlangt. Der kürzlich erfolgte Beitritt Russlands zur WTO und zur Nuclear Energy Agency sowie dessen Ratifizierung der OECD-Antikorruptionskonvention sind wichtige Schritte und werden als ermutigendes Zeichen gedeutet.

50

Das Weltforum zu Transparenz und Informationsaustausch für steuerliche Zwecke umfasst zurzeit 116 Mitglieder (Länder und Steuergebiete).

1300

Mehrere Dossiers erfordern jedoch umfangreiche Anpassungen der russischen Gesetzgebung. Zudem bleibt abgesehen von den rein technischen Aspekten die Frage der Achtung der Rechtsstaatlichkeit, einem Grundprinzip der OECD-Länder bestehen. Ursprünglich war der Beitritt für Herbst 2013 vorgesehen. Die häufigen Verzögerungen und die Schwierigkeiten, mit denen die russischen Partner konfrontiert waren, haben unterdessen zu einem verstärkten Problembewusstsein auf russischer Seite geführt. Der Beitritt wird wohl kaum vor Ende 2014 erfolgen.

2.3

Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD)

Die 13. UNCTAD-Ministerkonferenz in Doha, Katar, verabschiedete im April unter aktiver Mitwirkung der Schweiz das Doha-Mandat, welches die Arbeitsgrundlage der Organisation für die kommenden vier Jahre darstellt. Ferner erfolgte im Berichtsjahr die Überprüfung des Managements der UNCTAD. Ein Bericht des internen Inspektorats der UNO stellte beträchtliche Führungsmängel fest. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass der Bericht diskutiert und korrigierende Massnahmen in die Wege geleitet werden.

Die UNCTAD mit Sitz in Genf hat zum Ziel, die Entwicklungsländer über eine Stärkung des Handels in die Weltwirtschaft zu integrieren. Sie trägt innerhalb des UNO-Systems die Hauptverantwortung für das Themenfeld Handel und Entwicklung.

Im April fand in Doha, Katar, die 13. UNCTAD-Ministerkonferenz zum Thema «Entwicklungsorientierte Globalisierung: Für inklusives und nachhaltiges Wachstum und Entwicklung» statt. Als höchstes Entscheidungsgremium der UNCTAD verabschiedete die Konferenz das Doha-Mandat, welches die Prioritäten und Aktionsprinzipien der Organisation für die kommenden vier Jahre festlegt. Das Mandat bekräftigt die Kernaufgaben der Organisation (Politikanalyse, Konsensbildung sowie technische Kooperation im Bereich Handel und Entwicklung), ist gegenüber dem vorherigen aber fokussierter und anerkennt die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren. Die Schweiz hat sich als Sprecherin der Gruppe der nicht der EU angehörenden Industrieländer in den Verhandlungen für ein konzises Mandat und die Nutzung von Synergien mit anderen Akteuren eingesetzt. Am Rande der Konferenz organisierte die Schweiz verschiedene Veranstaltungen mit ihren UNCTAD-Partnern, darunter die Lancierung des UN Forum on Sustainability Standards.

Im Vorfeld der Ministerkonferenz wurde auf Druck der Industrieländer ein Bericht des internen Inspektorats der UNO51 veröffentlicht. Dieser deckte erhebliche Mängel im Management der Organisation auf. Obschon die Ministerkonferenz dem Handels- und Entwicklungsrat einen klaren Auftrag zur Umsetzung der Empfehlungen des Berichtes erteilte, gestalten sich die Arbeiten seither schwierig. Der Reformwille im Sekretariat ist gering und unter den Mitgliedern herrscht wenig 51

Review of Management and administration in the United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), Joint Inspection Unit (JIU), Geneva, 2012.

1301

Einigkeit über einzuleitende Schritte. Die Schweiz als Sitzstaat der UNCTAD und wichtiger bilateraler Partner im Bereich der technischen Kooperation hat ein grosses Interesse an einer glaubwürdigen, effizienten und auf Resultate ausgerichteten Organisation. Entsprechend setzt sie sich aktiv für eine Stärkung der Führung und der Verwaltung ein. Diese Herausforderung dürfte auch die Nachfolge von UNCTAD-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi beschäftigen, welcher im September 2013 abtreten wird.

2.4

Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO)

Die UNIDO profilierte sich im Berichtsjahr in verschiedenen hochrangigen Initiativen im Bereich effizienter industrieller Rohstoff- und Energienutzung in Entwicklungsländern. Die mit massgeblicher Unterstützung der Schweiz ausgearbeiteten Ansätze helfen, die dynamische Industrieentwicklung in den Partnerländern nachhaltiger und klimafreundlicher zu gestalten.

Die UNIDO ist eine Spezialagentur der UNO mit dem Ziel, nachhaltiges industrielles Wachstum in Entwicklungs- und Transitionsländern zu fördern, um die Lebensbedingungen in den ärmsten Ländern der Welt zu verbessern.

Die Schweiz hatte im Berichtsjahr zusammen mit Costa Rica den Vorsitz der informellen Arbeitsgruppe zur Zukunft der UNIDO inne. Dies erlaubt es der Schweiz, wichtige Reformen der UNIDO direkt zu thematisieren. Die Arbeitsgruppe erstellte mit Hilfe der Mitgliedsländer eine Stärken-Schwächen-Analyse der Institution, welche als Basis für die zukünftige Fokussierung und Effizienzsteigerung der UNIDO dient.

Die Industrie der Entwicklungsländer bleibt angesichts anhaltend hoher Rohstoffpreise international nur wettbewerbsfähig, wenn sie ihren Energie- und Rohstoffverbrauch stetig optimiert. Das von der Schweiz seit über zehn Jahren mit der UNIDO entwickelte Netzwerk der Cleaner Production Centers leistet hier wichtige Beratung für Unternehmen und Regierungen und zeigt Lösungen auf. Die Schweiz ist der bedeutendste Geber des Resource Efficient and Cleaner Production Program, wobei im Berichtsjahr das Programm neu auch in Tunesien lanciert wurde. Dank den wertvollen Felderfahrungen dieses Programms konnte die UNIDO in folgenden globalen Initiativen eine Schlüsselrolle einnehmen: ­

Die UNIDO errichtete im Berichtsjahr die Green Industry Platform, eine Arbeitsplattform zwischen Regierungen und Privatsektor, um vielversprechende Konzepte zur Umsetzung einer grünen Industrie auszutauschen.

Dabei sollen auch öffentlich-private Partnerschaften gefördert werden. Die Schweiz nimmt seit Beginn an der neuen Plattform teil.

­

Die vom UNO-Generalsekretär ebenfalls im Berichtsjahr initiierte Initiative Sustainable Energy for All bezweckt unter anderem den Zugang der armen Länder und Bevölkerungsgruppen zu nachhaltiger Energie. Sie strebt vor allem eine Koordination und Stärkung der Synergien zwischen dem UNOSystem und den multilateralen Entwicklungsbanken an. Diese neue Initiative

1302

soll von einem rund 30-köpfigen Sekretariat in Wien geleitet werden, zu dessen Leiter der gegenwärtige UNIDO-Generaldirektor Kandeh Yumkella designiert wurde.

­

Im Rahmen der UNO-Klimaverhandlungen wurde an der Vertragsparteienkonferenz Ende 2011 in Durban beschlossen, den Klimatechnologietransfer durch ein weltweit operierendes Klimatechnologiezentrum und -netzwerk zu intensivieren. Die UNIDO hat sich im Konsortium mit UNEP und weiteren Partnern als Trägerinstitution dafür beworben, welches die beste Bewertung erhielt. Die Wahl wurde von der Vertragsparteienkonferenz im Dezember 2012 in Doha bestätigt.

Die exzellente Zusammenarbeit im Bereich der genannten Initiativen sowie die gemeinsamen Interessen der Schweiz und der UNIDO wurden am Treffen des UNIDO-Generaldirektors mit der Direktorin des SECO im Mai 2012 in Bern bestätigt.

2.5

Internationale Arbeitsorganisation (IAO)

Mit der Verabschiedung einer Strategie schafft die Schweiz die Grundlage für ein konkretes, glaubwürdiges und effizientes Engagement in der IAO. In der IAO selbst entstand im Berichtsjahr eine Blockade des Normenkontrollsystems, welche Effektivität und Glaubwürdigkeit der Organisation gefährdet.

Im Berichtsjahr hat die tripartite eidgenössische Kommission für IAO-Angelegenheiten die vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement52 erarbeitete Strategie «Für soziale Gerechtigkeit: Das Engagement der Schweiz in der Internationalen Arbeitsorganisation» verabschiedet. Diese soll die Grundlage für ein konkretes, glaubwürdiges und effizientes Engagement der Schweiz in der IAO bilden. Die Strategie verfolgt drei Stossrichtungen: das Engagement zur Stärkung der IAO, die glaubwürdige Anwendung und Förderung der IAO-Normen und -Prinzipien in der Schweiz sowie die Förderung menschenwürdiger Arbeit überall auf der Welt. Die Arbeiten zur Umsetzung der Strategie wurden mehrheitlich bereits begonnen, im Jahr 2013 sollen diese Arbeiten konsolidiert und die Operationalisierung der Strategie abgeschlossen werden.

Wie aktuell die Strategie und insbesondere die darin vorgesehenen Bemühungen zur Stärkung des Normenkontrollsystems der IAO sind, zeigte sich an den Entwicklungen in der IAO im Berichtsjahr. Zum ersten Mal seit der Gründung der IAO konnten sich die Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter im Normenkontrollausschuss der Internationalen Arbeitskonferenz nicht auf eine Liste von zu behandelnden Fällen einigen. Der Ausschuss konnte so seine Hauptaufgabe nicht erfüllen und war nicht in der Lage, sich mit den schwersten Fällen von Verletzungen der Kernübereinkommen der IAO auseinanderzusetzen. An der Quelle dieses Zerwürfnisses liegen unterschiedliche Auffassungen über die Rolle der verschiedenen Akteure des Normenkontrollsystems und insbesondere des unabhängigen Expertenausschusses. Aus 52

Ab dem 1. Januar 2013: «Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)».

1303

Sicht der Schweiz ist diese Entwicklung höchst bedauerlich und eine Gefahr für die Glaubwürdigkeit der Organisation, bilden doch der Normenapparat und die glaubwürdige Kontrolle der Umsetzung der Normen durch die Mitgliedstaaten das Herz der IAO. Der Verwaltungsrat der IAO hat seinen Präsidenten damit beauftragt, informelle Konsultationen zu führen, um diese Blockade zu überwinden.

Im Berichtsjahr wurde zudem der neue Generaldirektor der IAO, Guy Ryder, gewählt. Er wird im März 2013 seine Vorschläge für das Programm und das Budget der IAO 2014­2015 vorlegen und diese gezielter auf das Mandat der IAO, d. h. die Förderung der sozialen Gerechtigkeit und der menschenwürdigen Arbeit ausrichten.

Er kündigte an, zusammen mit seinen Budgetvorschlägen eine Reihe von Reformen einzuleiten, welche auf eine Verbesserung des internen Managements der Organisation abzielen. Es wird an den Organen der IAO ­ dem Verwaltungsrat sowie der Internationalen Arbeitskonferenz ­ liegen, über die Vorschläge des neuen Generaldirektors zu befinden. Die Schweiz wird sich aktiv in diese Diskussionen einbringen.

Direkte wirtschaftliche Auswirkungen auf die Schweiz wird das Inkrafttreten des Internationalen Seearbeitsübereinkommens (Maritime Labour Convention, MLC, BBl 2009 9011) im August 2013 haben, nachdem dieses im Berichtsjahr von der erforderlichen Anzahl Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Die MLC definiert Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen in der Seeschiffahrt und stärkt so die Arbeitnehmerrechte für weltweit 1,2 Millionen Seeleute. Die Schweiz ist dem Übereinkommen im Februar 2011 beigetreten. Mit der Ratifikation der MLC stützt die Schweiz ihre Wirtschaft, erleichtert den freien Fluss von Import- und Exportgütern und sichert die wirtschaftliche Landesversorgung der Schweiz. Das Übereinkommen sieht vor, dass Schiffe, welche den Hafen eines Staates anlaufen, welcher das Übereinkommen ratifiziert hat, an den Anforderungen des Übereinkommens gemessen werden. Schiffe unter der Flagge eines Nichtmitglieds des Übereinkommens werden in diesen Häfen eingehender geprüft als solche von Mitgliedstaaten, was bei der Löschung und beim Laden der Fracht zu Verzögerungen und damit zu Einbussen für die Reeder führen kann.

Ende September 2012 hat das Parlament den Bundesrat autorisiert, das Übereinkommen Nr. 122 der IAO über
die Beschäftigungspolitik (BBl 2012 4239) zu ratifizieren. Der Bundesrat wird die Ratifikation zu Beginn des Jahres 2013 vornehmen.

Das Übereinkommen zielt auf die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zur Förderung der produktiven Vollbeschäftigung und der frei gewählten Erwerbstätigkeit ab und misst den Konsultationen zwischen den von der Beschäftigungspolitik betroffenen Parteien grosse Bedeutung zu. Die Wirtschaftspolitik und die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik der Schweiz sowie das Schweizer System der Sozialpartnerschaft erfüllen die Anforderungen des Übereinkommens vollumfänglich.

Gestützt auf die Arbeiten zur Parlamentarischen Initiative 07.455 Maury-Pasquier ermächtigte das Parlament den Bundesrat im Dezember zur Ratifikation des Übereinkommens Nr. 183 der IAO über den Mutterschutz (BBl 2012 1815). Das Übereinkommen gewährleistet den Schutz aller Arbeitnehmerinnen, einschliesslich jener in atypischen Arbeitsverhältnissen und legt die Dauer des Mutterschaftsurlaubs auf 14 Wochen fest. Das schweizerische Recht entspricht den Anforderungen des Übereinkommens beinahe ausnahmslos. Einzig die Frage der Entlöhnung von Stillpausen ist heute nicht eindeutig geregelt. Das Parlament folgte in diesem Punkt dem Vorschlag des Bundesrates, welcher diese Lücke durch die Anpassung einer Bestimmung der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (SR 822.111) schliessen will. Der Bun1304

desrat wird nach Ablauf der Referendumsfrist in dieser Sache an die Eidgenössische Arbeitskommission gelangen, gestützt auf diese Diskussionen die Änderung der ArGV 1 beschliessen und die Ratifikationsurkunde für das Übereinkommen Nr. 183 beim Generaldirektor der IAO hinterlegen.

2.6

Die Gruppe der 20 (G20)

In den ersten Jahren nach der Schaffung der G2053 anlässlich des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs in Washington im Jahr 2008 hat die G20 bewiesen, dass sie dringliche Entscheide in der Wirtschafts- und Finanzkrise effizient und rasch treffen kann. Nun wird die Gruppe zunehmend mit langfristigen Herausforderungen konfrontiert und hat Mühe, ihrer selbst zugewiesenen Rolle als Forum der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit gerecht zu werden. Die Schweiz ist nicht Mitglied der G20, verteidigt aber weiterhin aktiv ihre wirtschaftlichen und finanziellen Interessen gegenüber der Gruppe und trägt zur Lösung internationaler Probleme bei.

Unter mexikanischer Präsidentschaft beschäftigte sich die G20 weiterhin hauptsächlich mit den «traditionellen» Themen der Gruppe, die vor allem im Bereich des starken und ausgewogenen Wachstums und der Konsolidierung des Finanzsystems sowie der internationalen Finanzarchitektur anzusiedeln sind. Die Diskussionen am Gipfeltreffen im Juni in Los Cabos wurden durch die Verschärfung der Staatsschuldenkrise in der EU aber stark abgelenkt. Russland, welches 2013 die Präsidentschaft übernimmt, wird die von den früheren Präsidentschaften lancierten Arbeiten fortsetzen, strebt aber gleichzeitig eine Wiederaufnahme wirtschaftlicher und finanzieller Fragen an.

2.6.1

Entwicklung der G20-Gipfeltreffen

An den Gipfeltreffen in London und Pittsburgh 2009 traf die G20 ihre ersten fiskalpolitischen und regulatorischen Beschlüsse. Durch die Schnelligkeit der Entscheidungen und auch einen gewissen Überraschungseffekt beeinflusste sie die Weltwirtschaft massgeblich. Dies äusserte sich vor allem in der Definition von neuen Regelungen und einer Angleichung nationaler Politiken an die von der G20 definierten Grundsätze und Orientierungen. Beispiele in diesem Zusammenhang sind die Gründung des Financial Stability Board, eine Aufstockung der Finanzmittel des IWF und der multilateralen Entwicklungsbanken, die Verfassung der schwarzen Liste unkooperativer Steuerhäfen sowie die Verabschiedung des Basel-III-Reformpakets. Unter koreanischer Präsidentschaft fand im Jahr 2010 ein Wandel in den Anliegen der G20 statt. Sie bewegten sich von rein ökonomischen Herausforderun53

Die G20 umfasst 19 Staaten (Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Republik Korea, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, die Türkei und die USA) sowie die EU, welche durch die Präsidentschaft des Rates und ihrer Zentralbank vertreten ist.Der IWF und die Weltbank haben Beobachterstatus. Spezialisierte internationale Organisationen (OECD, IAO, WTO) und die UNO werden ad-hoc eingeladen.

1305

gen vermehrt zu einem ganzheitlichen Problemverständnis, in dem auch neue Themen (Klimawandel, Entwicklungszusammenarbeit) angesprochen werden. Diese Tendenz zur Diversifikation verstärkte sich unter den französischen und mexikanischen Präsidentschaften in den darauffolgenden Jahren weiter.

Die Resultate des Gipfeltreffens von Los Cabos lassen erkennen, dass die G20 zurzeit Schwierigkeiten hat, geeignete Lösungen zu den dringenden wirtschaftlichen Problemen zu finden. Zwar zeichnen sich Fortschritte im Bereich der Stärkung des Finanzsystems und der Förderung dessen Transparenz ab; gemeinsame Lösungen zur Stimulierung des Weltwirtschaftswachstums und zur globalen Handelsliberalisierung wurden aber nicht gefunden. Vor dem Hintergrund einer immer komplexeren und volleren Agenda, zu der sich nun auch die europäische Schuldenkrise gesellt, fällt es der G20 immer schwerer, ihren Aufgaben nachzugehen. Dazu kommt, dass den G20-Staaten gewisse geteilte Werte und vor allem eine gemeinsame Vision fehlen, was die Entscheidungsprozesse in der Gruppe erschwert.

Russland, welches 2013 die G20 präsidiert, wird die Umsetzung der in Los Cabos getroffenen Entscheidungen zum Rahmenwerk für starkes und ausgewogenes Wachstum weiter vorantreiben. Es möchte auch die Arbeiten zu einer Reform der internationalen Finanzarchitektur (IMF), einer Stärkung der Finanzregulierung sowie einer Verbesserung des multilateralen Handelssystem und der Entwicklungshilfe fortführen. Des Weiteren wird Russland zwei neue Initiativen zu Investitionsfinanzierung und Schuldenmanagement lancieren.

2.6.2

Die Haltung der Schweiz zur G20

Die Schweiz arbeitet weiterhin aktiv in den internationalen Organisationen mit, die von der G20 regelmässig Mandate und Umsetzungsaufträge erhalten. Sie entschied sich gegenüber der G20 für eine pragmatische Haltung, welche es ihr erlaubt, ihre wirtschaftlichen und finanziellen Hauptinteressen am besten zu verteidigen. Wie andere Nichtmitgliedsländer der G20 setzt sich die Schweiz für eine «variable Geometrie» der Beziehungen ein, die es den einzelnen Nichtmitgliedern erlauben soll, punktuell und je nach Thema an den Arbeiten der G20 mitzuwirken. So engagiert sich die Schweiz speziell im Finanzbereich im Rahmen des FSB, des IWF und sektorspezifischer Initiativen wie der Organisation von Konferenzen (z.B. über verbesserten Zugang für Entwicklungsländer zu Finanzdienstleistungen oder das internationale Währungssystem). Die Schweiz unterstützt auch aktiv die prioritären Arbeiten der mexikanischen G20-Präsidentschaft, indem sie etwa Positionspapiere zu Themen wie der Verschuldung, der Bekämpfung von Korruption oder den Handel zu Handen der G20-Troïka (Frankreich, Mexiko, Russland) entwickelt, welche klar das Interesse der Schweiz an den Arbeiten der G20 und ihren Willen zur Mitwirkung zeigen. Die Schweiz arbeitet zusammen mit anderen Nichtmitgliedsstaaten an der Verbesserung der Transparenz und des Informationsaustauschs zwischen der G20 und den internationalen Organisationen. Im Rahmen der UNO fordert die Schweiz mit der Global Governance Group (3G)54 eine transparentere Vorgehensweise von der G20.

54

Die 3G umfasst 27 UNO-Mitgliedsländer, u.a. auch die Schweiz. Ihr Ziel ist die stärkere Beteiligung der UNO an den Entscheidungsprozessen der G20.

1306

Die Schweiz wird ausserdem ihre aktive Politik gegenüber den G20-Präsidentschaften weiterführen. Es wurden schon Kontakte mit der russischen G20-Präsidentschaft geknüpft (Teilnahme an Seminaren, Dialogen etc.), um die Schweizer Ansichten zu den prioritären Anliegen der G20 bekanntzumachen.

3

Europäische Wirtschaftsintegration EU Die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten der EU dauerten auch im Berichtsjahr an. Die abnehmende wirtschaftliche Dynamik des wichtigsten Handelspartners der Schweiz wirkt sich tendenziell negativ auf die Schweizer Wirtschaft aus. Der Schweizerfranken bleibt unter starkem Aufwertungsdruck.

Dies bewirkt einen Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit einzelner Sektoren, insbesondere der Exportindustrie. Um diese negativen Effekte zu verringern, unterstützt die Schweiz die Anstrengungen der EU zur Überwindung der Schuldenkrise im Rahmen ihrer Beteiligung am IWF.

Ausserhalb dieses schwierigen Kontexts stand in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU die Übermittlung von schweizerischen Vorschlägen zur Lösung der institutionellen Fragen vom Juni im Vordergrund. Konkrete institutionelle Lösungen sollen vorerst im Rahmen des Elektrizitäts-Dossiers gesucht werden. Damit wird auch eine Deblockierung bei den weiteren offenen Dossiers und der Abschluss künftiger Marktzugangsabkommen mit der EU angestrebt.

Der Dialog zur Unternehmensbesteuerung wurde aufgenommen. Zudem ist die EU mit einem Verhandlungsbegehren zur Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens auf Kroatien an die Schweiz gelangt.

3.1

Aktuelle Herausforderungen der EU

Seit dem Frühjahr 2010 steht die EU im Bann einer staatlichen Schuldenkrise, die sich zu einer Krise der Währungsunion ausgeweitet hat. Die Märkte verweigern zusehends die Refinanzierung der fällig werdenden Staatsanleihen von zahlreichen Mitgliedern des Eurosystems. Die dadurch steigenden Zinsen belasten den Schuldendienst und stellen die Tragfähigkeit der Verschuldung auch derjenigen Staaten in Frage, welche über ein wirtschaftliches Wachstumspotenzial verfügen.

Die schlechte Haushaltssituation in vielen Mitgliedstaaten des Eurosystems stellt nur eine Seite des grundlegenden Problems der Währungsunion dar, die es bis anhin nicht geschafft hat, heterogene Volkswirtschaften im Sinne eines optimalen Währungsraums einander wirtschafts- und finanzpolitisch anzunähern. Die Europäische Zentralbank steht vor der Herausforderung, für die gesamte Eurozone eine einheitliche Geldpolitik festzulegen. Die Euro-Krise hat die Notwendigkeit für eine bessere Koordinierung sowohl der Wirtschafts- als auch der Finanzpolitik in der EU in Erinnerung gerufen. Anzeichen einer solchen Annäherung sind auch im Berichtsjahr zu Tage getreten. Mit dem Vorschlag der EU-Kommission zur einheitlichen Bankenaufsicht macht die EU einen bedeutenden Schritt in Richtung einer Bankenunion.

Im Hinblick auf die engen Verflechtungen zwischen der Schweiz und der EU erzeugen wirtschaftliche Schwierigkeiten in der EU negative Wirkungen für die Schwei1307

zer Volkswirtschaft. Jede Verschärfung der Schuldenkrise dürfte die Schweiz durch den Rückgang der wirtschaftlichen Nachfrage in der EU treffen sowie den Aufwertungsdruck auf den Franken verstärken. Die Schweiz hat daher ein besonderes Interesse an einer geordneten Lösung der Krise. In diesem Zusammenhang beteiligt sich die Schweiz an den internationalen Stabilisierungsmechanismen (v.a. im Rahmen des IWF).

Weil die EU von der Schuldenkrise in der Euro-Zone stark beansprucht wird, ergeben sich auch konkrete Herausforderungen für das bilaterale Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU. Zum einen verstärkt die Finanznot in der Eurozone den Druck auf die Schweiz in den Fiskaldossiers (vgl. Ziff. 3.4). Zum anderen erscheint die EU weniger bereit, Ressourcen für die Gestaltung der Beziehungen mit dem Drittland Schweiz bereit zu stellen. Die Schweiz muss jedoch auch in Zukunft die Beziehungen zu ihrer weitaus wichtigsten Wirtschaftspartnerin nachhaltig pflegen.

So stellt die Erneuerung und Vertiefung des bilateralen Weges zur Sicherstellung des sektoriellen Zugangs zum Binnenmarkt einen zentralen Eckpfeiler der Ausrichtung der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik dar.

3.2

Erneuerung des bilateralen Wegs: Grundsätze für institutionelle Lösungen

Insgesamt funktioniert die Umsetzung der bilateralen Verträge gut. Angesichts der Intensität der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU kommt es dennoch vor, dass unterschiedliche Auslegungen zu Tage treten. Die sichtbarsten Unstimmigkeiten zeigen sich im Bereich der Personenfreizügigkeit (flankierende Massnahmen, Aufrufung der Ventilklausel). Reibungspotential besteht auch im Rahmen des freien Warenverkehrs (z.B. mit Italien; vgl. Ziff. 7.1.1). Diese Fragen werden in den jeweiligen zuständigen Gemischten Ausschüssen und weiteren bilateralen Gremien diskutiert, nicht immer mit befriedigenden Resultaten. Im Übrigen nahm die Bereitschaft der EU zur pragmatischen Lösungsfindung mittels der in den Abkommen vorgesehenen Instrumente in den letzten Jahren ab.

Der sektorielle bilaterale Weg, der in der Vergangenheit ermöglichte, in zahlreichen Bereichen von gemeinsamem Interesse Abkommen mit der EU abzuschliessen, wird von der EU vermehrt in Frage gestellt.55 So setzt sie für die Fortführung dieses Ansatzes eine substanzielle Anpassung der institutionellen Vereinbarungen voraus.

Dazu gehören die Weiterentwicklungen des Rechtsbestandes der Abkommen, die einheitliche Auslegung der Abkommen, Mechanismen zur Überwachung und Durchsetzung sowie die Streitbeilegung. Der Abschluss neuer Marktzugangsabkommen (Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Produktsicherheit und öffentliche Gesundheit [FHAL&GesA]; Chemikaliensicherheit [REACH]; und Elektrizität) bedinge neue institutionelle Mechanismen.

Im Bewusstsein dieser Rahmenbedingungen beschloss die Schweiz 2011, die Konsolidierung sowie den Ausbau des bilateralen Weges im Rahmen eines koordinierten und gesamtheitlichen Ansatzes voranzutreiben. Dieser beinhaltet offene Dossiers zwischen der Schweiz und der EU und soll parallel in allen Bereichen Fortschritte erzielen. Um diesen Ansatz zu konkretisieren, vereinbarten die Schweiz und die EU 55

Vgl. namentlich die Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den EFTA-Ländern vom 14. Dezember 2010.

1308

am 20. März, Lösungen zu den institutionellen Vorschlägen basierend auf Schweizer Vorschlägen zu diskutieren. Nach einer breiten internen Vernehmlassung übermittelte der Bundesrat diese Vorschläge am 18. Juni an die EU. Nach Überzeugung des Bundesrats stellt die Verabschiedung dieser Grundsätze einen substanziellen Schritt dar. Sie setzen die Grundlage, um Fortschritte in den aktuellen Dossiers zu erreichen. Die Vorschläge zielen darauf ab, eine einheitliche Auslegung der künftigen Marktzugangsabkommen sicherzustellen und tragen somit zu einer Vermeidung allfälliger Marktzugangshindernisse oder diskriminierender Massnahmen für Schweizer Wirtschaftsteilnehmer auch im Sinne von Rechtssicherheit bei. Mit einem Anteil von 57 Prozent der Schweizer Exporte und 74 Prozent der Importe in die Schweiz bleibt die EU weitaus der wichtigste Wirtschafts- und Handelspartner der Schweiz.56 Somit sind vertragliche Instrumente, welche eine weitere Vereinfachung und Intensivierung des Handels zwischen den beiden Partnern ermöglichen, von grosser Bedeutung.

Die Position der EU zu diesen Vorschlägen widerspiegelt sich in den Schlussfolgerungen des Rates zu den Beziehungen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten der EFTA von Ende Dezember. Während der Rat darin die Intensität und Wichtigkeit dieser Beziehungen unterstreicht, welche er in vielen Bereichen fortsetzen, konsolidieren und ausbauen möchte, so hält er dennoch fest, dass neue Marktzutrittsabkommen von einer horizontalen Regelung der institutionellen Fragen abhängen.

Gleichzeitig hebt der Rat die Anstrengungen der Schweiz mit Bezug auf die institutionellen Vorschläge hervor, kritisiert gewisse Punkte und deutet auf seine Bereitschaft hin, die laufenden Gespräche auf dieser Basis fortzuführen.

3.3

Konsolidierung und Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen

3.3.1

Konsolidierung

Die Sicherstellung der bestehenden Anbindung der Schweiz an den Binnenmarkt der EU basierend auf den «Bilateralen I57 und II58» von 1999 beziehungsweise 2004 bedingt die Pflege sowie regelmässige Aktualisierung und Weiterentwicklung der bestehenden Abkommen. Herzstück des Marktzugangs im Warenhandel stellt das Freihandelsabkommen von 197259 (FHA) dar. Im jährlich stattfindenden Gemischten Ausschuss zu diesem Abkommen können konkrete Marktzugangsfragen im Geltungsbereich des Abkommens besprochen werden. Es ist ein Anliegen des 56 57

58

59

Vgl. Aussenhandelsstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung auf Grundlage des Ursprungslandprinzips, 23. Oktober 2012, vgl. Ziff. 5.1.1.

Abkommen über die Personenfreizügigkeit (SR 0.142.112.681), Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (SR 0.172.052.68), Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (SR 0.946.526.81), Agrarabkommen (SR 0.916.026.81), Luftverkehrsabkommen (SR 0.748.127.192.68), Landverkehrsabkommen (SR 0.740.72), Forschungsabkommen (SR 0.420.513.1).

Abkommen über die Assoziierung an Schengen/Dublin (SR 0.362.31), Zinsbesteuerungsabkommen (SR 0.641.926.81), Betrugsbekämpfungsabkommen (SR 0.351.926.81), Abkommen über landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse (SR 0.632.401.23), Umweltabkommen (SR 0.814.092.681), Statistikabkommen (SR 0.431.026.81), Abkommen über die Beteiligung am Programm MEDIA 2007 (SR 0.784.405.226.8), Bildungsabkommen (SR 0.402.268.1), Ruhegehälter (SR 0.672.926.81).

SR 0.632.401

1309

Bundesrats, die bestehenden Marktzugangsprobleme in gewissen EU-Mitgliedsstaaten in den zuständigen Gremien aufzunehmen und einer Lösung zuzuführen (vgl. Ziff. 7.1.1). Flankiert wird das FHA durch das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, welches technische Handelshemmnisse für die meisten Industrieprodukte abbaut. Eine regelmässige Aktualisierung des Abkommens ist ein Eckpfeiler zur Sicherstellung eines hindernisfreien Industriewarenhandels mit der EU (vgl. Ziff. 5.2).

Ein reibungsloser Warenverkehr kann zudem nur dank effizienten und benutzerfreundlichen Zollverfahren erfolgen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass das Abkommen vom 25. Juni 200960 über die Erleichterung der Kontrollen und Formalitäten im Güterverkehr und über zollrechtliche Sicherheitsmassnahmen korrekt angewendet wird. Basierend auf diesem Abkommen und im Rahmen des Projektes Globally Networked Customs der Weltzollorganisation prüften die Schweiz und die EU die Möglichkeiten elektronischer Zollabfertigungssysteme.

Die schrittweise Einführung des freien Personenverkehrs mit den EU-Mitgliedstaaten und Aspekte der Dienstleistungsfreiheit werden im FZA geregelt. Am 4. Juli zeigte der Bundesrat mit einem umfassenden Bericht die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit und der Zuwanderung in die Schweiz auf. Er kommt zum Schluss, dass sich die Personenfreizügigkeit positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz auswirkt und den Wohlstand fördert. Der Bundesrat verfügt jedoch weiterhin über Instrumente zur Steuerung der Zuwanderung. Hinsichtlich der Anwendung des Abkommens traten auch am diesjährigen Gemischten Ausschuss Auslegungsdifferenzen mit der EU mit Bezug auf die flankierenden Massnahmen zu Tage. Im Rahmen von regelmässigen Kontakten mit den Nachbarstaaten werden Lösungen zu spezifischen Anwendungsproblemen gesucht. Mit dem für den 1. Juli 2013 geplanten EU-Beitritt Kroatiens stellt sich die Frage der Ausdehnung des FZA auf Kroatien. Dies geschieht nicht automatisch, sondern bedingt die Aushandlung eines neuen Protokolls zum FZA. Die EU gelangte im Oktober mit dem entsprechenden Verhandlungsbegehren an die Schweiz. Der Bundesrat hat am 7. Dezember ­ unter Vorbehalt der Konsultation der Aussenpolitischen Kommissionen, der Konferenz der Kantonsregierungen sowie der Sozialpartner ­ ein Verhandlungsmandat bestimmt.

Weitere ausgewählte Ereignisse in Bezug auf bilaterale Abkommen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Abkommen

Ereignisse im Berichtsjahr

Gegenseitige Anerkennung Beschluss 1/2012 des Gemischten Ausschusses von Konformitätsbewertungen vom 17. Dezember zur Aufnahme eines Kapitels über Sprengstoffe für zivile Zwecke und der (SR 0.946.526.81) Anpassung des Kapitels über Spielzeuge.

Landverkehr (SR 0.740.72)

60

SR 0.631.242.05

1310

Beschluss 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 16. Mai zur Gewährung eines Rabatts auf die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe für Fahrzeuge der Emissionsklasse EURO VI.

Abkommen

Ereignisse im Berichtsjahr

Landwirtschaft (SR 0.916.026.81)

Beschluss 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 3. Mai zur Anpassung von Anhang 7 (Weinbauerzeugnisse).

Beschluss 2/2012 des Gemischten Ausschusses vom 3. Mai zur Anpassung von Anhang 8 (Spirituosen).

Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68)

Beschluss 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 10. Mai zur Anpassung des Anhangs des Abkommens.

Beschluss 2/2012 des Gemischten Ausschusses vom 30. November zur Ersetzung des Anhangs des Abkommens.

Personenfreizügigkeit (SR 0.142.112.681)

Beschluss 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 31. März zur Anpassung von Anhang II des Abkommens, Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.

Protokoll Nr. 2 zum FHA (Handel mit landwirtsch.

Verarbeitungsprodukten) (SR 0.632.401.2)

Mit Beschluss 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 15. März zum FHA Schweiz­EG wurden die Referenzpreise für die dem Preisausgleichsmechanismus gemäss Protokoll Nr. 2 unterstehenden Produkte per 1. April 2012 angepasst.

Statistik (SR 0.431.026.81)

Beschluss 1/2012 vom 26. März zur Verabschiedung des statistischen Jahresprogramms 2011.

Beschluss 2/2012 vom 7. September zur Verabschiedung des statistischen Jahresprogramms 2012.

Zollerleichterungen und Zollsicherheit (SR 0.631.242.05)

3.3.2

Beschluss 1/2012 des Gemischten Ausschusses vom 11. September zur Verabschiedung der Geschäftsordnung und zur Einsetzung einer Arbeitsgruppe.

Ausbau

Neben der Konsolidierung des bestehenden Vertragswerkes erachtet der Bundesrat auch den Abschluss neuer Abkommen in ausgewählten Bereichen des Marktzugangs mit der EU als prioritär. Im Berichtsjahr standen die Verhandlungen für ein Elektrizitätsabkommen im Vordergrund. Wie zwischen Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf und Kommissionspräsident José Manuel Barroso am 20. März vereinbart, sollen diese Verhandlungen dazu dienen, Lösungen für die institutionellen Fragen (vgl. Ziff. 3.2) zu finden. Im Rahmen der seit 2007 laufenden Verhandlungen fanden im Berichtsjahr mehrere Treffen auf technischer Ebene statt. Auf politischer Ebene bekräftigten die Vorsteherin des Eidgenössisches Departement für Umwelt, 1311

Verkehr, Energie und Kommunikation Doris Leuthard und der EU-Energiekommissar Günther Oettinger im Rahmen eines Treffens am Rande des World Economic Forum in Davos im Januar das beidseitige Interesse an einem raschen Verhandlungsabschluss.

Das Elektrizitätsabkommen soll die wichtige Rolle der Schweiz im grenzüberschreitenden Elektrizitätshandel in Europa absichern, sowie die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Schweiz den europäischen Energiemarkt der Zukunft mitgestalten kann. Dazu gehört neben der Ausgestaltung der Engpassverfahren an den Grenzen auch die Möglichkeit einer Mitsprache in den neuen EU-Gremien der Regulatoren (Agency for the Cooperation of Energy Regulators) und der Übertragungsnetzbetreiber (European Network of Transmission System Operators for Electricity).

Aufgrund des geplanten schrittweisen Ausstiegs aus der Kernenergie kommt der ungehinderten Teilnahme am EU-Elektrizitätsbinnenmarkt eine noch wichtigere Rolle zu. Langfristig könnte das künftige Abkommen durch den Einbezug weiterer Themen (z.B. Energieeffizienz, Energieinfrastruktur, Krisenmechanismen im Gasbereich) zu einem eigentlichen Energieabkommen ausgebaut werden. Die im Rahmen der Elektrizitätsverhandlungen zu findende Lösung im institutionellen Bereich soll auch die Voraussetzung schaffen, in weiteren wichtigen Marktzugangsbereichen die Gespräche mit der EU fortzusetzen (FHAL&GesA, REACH).

Im Bereich FHAL&GesA standen im Berichtsjahr diverse Vorstösse auf der Tagesordnung des Parlaments.61 Der Bundesrat wird zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung der verschiedenen Positionen und Meinungen eine Lagebeurteilung zum weiteren Vorgehen vornehmen und mögliche Optionen mit Bezug auf die Marktöffnung prüfen. Grundsätzlich ist der Bundesrat weiterhin überzeugt, dass zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft neben den mit der Agrarpolitik 2014­2017 angestrebten Reformschritten auch eine schrittweise gegenseitige Grenzöffnung mit unserem wichtigsten Absatzmarkt erfolgen muss.

Eine stärkere Vernetzung der Agrarmärkte der Schweiz und der EU bringt der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft Vorteile. Der Einkaufstourismus wird sich bei den bestehenden Preisdifferenzen nicht vermindern. Weiter ist der Preisausgleichsmechanismus beim Export von verarbeiteten Landwirtschaftsprodukten
eine unvollständige Lösung (vgl. Ziff. 5.1.3). Die Aufrechterhaltung der Standortattraktivität der Schweiz für die Nahrungsmittelindustrie sowie eine produzierende Schweizer Landwirtschaft bedingen eine Verminderung der Rohstoffpreisdifferenzen zwischen der Schweiz und dem Ausland, insbesondere der EU. Eine Marktöffnung gegenüber der EU stellt hierfür eine Grundvoraussetzung dar.

Eine Zusammenarbeit mit der EU im Bereich der Chemikaliensicherheit (REACH) würde den Marktzugang für Schweizer Unternehmen vereinfachen, welche chemische Produkte in die EU exportieren. Die EU hat auch im Berichtsjahr die Position

61

Der Ständerat hat nachfolgend auf den Nationalrat am 7. März die Motion Darbellay (Mo. 10.3818), welche einen Verhandlungsstopp verlangt, solange die WTO Doha-Runde nicht abgeschlossen ist, angenommen und an den Bundesrat überwiesen. Hingegen wurde der definitive Verhandlungsabbruch vom Ständerat abgelehnt. Der Nationalrat hat am 26. September eine Motion des Ständerates (Mo. WAK-S 12.3014) abgelehnt, welche vom Bundesrat verlangt, eine Standortbestimmung über die Agrarverhandlungen mit der EU vorzunehmen und mögliche Alternativen zum bisherigen Verhandlungsansatz im Sinne einer kontrollierten Öffnung aufzuzeigen. Zeitgleich hat das Parlament einen Vorstoss gutgeheissen, der den Bundesrat beauftragt, eine gegenseitige Marktöffnung mit der EU für alle Milchprodukte zu prüfen.

1312

beibehalten, wonach eine Aufnahme von Verhandlungen im Chemikalienbereich eine Lösung der institutionellen Fragen voraussetzt.

Neben den Marktzugangsdossiers standen im Berichtsjahr auch Gespräche mit der EU zur engeren Kooperation in Bereichen von gemeinsamem Interesse im Vordergrund. Hervorzuheben ist die geplante vertraglich geregelte Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden (vgl. Ziff. 5.6). Hierzu wurde im Berichtsjahr auf Verhandlungsebene eine Einigung erzielt. Das weitere Vorgehen hängt von allgemeinen europapolitischen Entwicklungen ab.

3.4

Steuerfragen Schweiz­EU

Im Berichtsjahr fanden Diskussionen zur sogenannten Steuerkontroverse statt, welche die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU seit 2005 belastet. Die EU wirft der Schweiz vor, mittels gewisser kantonaler Steuerregimes einen schädlichen Steuerwettbewerb zu praktizieren, welcher der EU Steuersubstrat entziehe und eine Verletzung des FHA darstelle. Die Schweiz unterstreicht in diesem Zusammenhang mit Nachdruck, dass keine vertragliche Regelung zwischen der Schweiz und der EU unser Land dazu verpflichtet, ihre Unternehmensbesteuerung an jene der EU-Mitgliedstaaten anzugleichen.

Die auf Basis eines Dialogs zwischen der Schweiz und der EU im 2009 entwickelte Kompromisslösung scheiterte am Widerstand einzelner EU-Mitgliedstaaten. Die EU forderte 2010 die Schweiz auf, ihren EU-internen Verhaltenskodex über die Unternehmensbesteuerung zu übernehmen. Eine Übernahme steht für die Schweiz ausser Frage. Nach einem exploratorischen «Dialog über einen Dialog» und Konsultationen mit den zuständigen parlamentarischen Kommissionen und den Kantonen erteilte der Bundesrat am 4. Juli 2012 das Mandat für den Dialog mit der EU über Fragen der Unternehmensbesteuerung. Im Zentrum dieser Gespräche steht das sogenannte ring-fencing, das eine unterschiedliche Besteuerung von in- und ausländischen Erträgen beinhaltet. Im Gegenzug werden Steuermassnahmen von EU-Mitgliedstaaten analysiert, welche für die Schweiz nachteilig sind. Ziel des Dialogs ist aus Sicht der Schweiz, eine Lösung mit der EU zu finden, die international akzeptiert ist sowie gleichzeitig den Unternehmensstandort Schweiz stärkt und die Finanzhaushalte von Kantonen und Bund im Lot behält.

Die Schweiz setzt sich international dafür ein, dass eine korrekte Besteuerung, etwa von Kapitalerträgen auch im grenzüberschreitenden Kontext sichergestellt wird. Sie hat kein Interesse daran, als Fluchtort für unversteuerte Gelder aus dem Ausland zu dienen. In diesem Zusammenhang stellt das Zinsbesteuerungsabkommen mit dem vereinbarten Steuerrückbehalt eine zweckmässige und effiziente Lösung dar, welche sowohl das Interesse der Kunden am Schutz ihrer Privatsphäre als auch den Anspruch der Staaten auf die Besteuerung ihrer Steuerpflichtigen in Einklang bringt.

Den automatischen Informationsaustausch lehnt die Schweiz ab, einerseits wegen der Aufhebung des Schutzes
der Privatsphäre der Steuerpflichtigen, andererseits wegen der grossen Datenmengen, die ausgetauscht werden, und der damit verbundenen administrativen Schwierigkeiten. Die von der Schweiz mit Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Österreich ausgehandelten Quellensteuerabkommen stellen eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes dar.

1313

Seit 2008 revidiert die EU, ihre Zinsbesteuerungsrichtlinie, welche die Grundlage für das Zinsbesteuerungsabkommen vom 26. Oktober 200462 zwischen der Schweiz und der EU bildet. Neben der Schliessung von Schlupflöchern richtet sich das aktuelle Ansinnen der EU-Kommission und einer Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten auf die Beendigung der Übergangszeit in den EU-Staaten für den anonymen Steuerrückbehalt in der EU. Die EU-Kommission hat noch kein Mandat erhalten, um das Zinsbesteuerungsabkommen mit der Schweiz anzupassen.

3.5

Erweiterungsbeitrag

Seit 2007 beteiligt sich die Schweiz mit einer Milliarde Schweizerfranken an verschiedenen Projekten zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU. Im Berichtsjahr wurde der Betrag zu Gunsten der zehn im Jahr 2004 der EU beigetretenen Staaten (Zentral- und Osteuropa, die baltischen Staaten, Zypern sowie Malta) am 14. Juni abschliessend verpflichtet. Die Schweiz wird diese Staaten in den kommenden fünf Jahren bei der Umsetzung der 210 ausgewählten Projekte begleiten.

Im Jahr 2009 begann die Selektionsphase von Projekten in Rumänien und Bulgarien, welche bis Ende 2014 andauert. Die Genehmigung der Projekte intensivierte sich im Berichtsjahr (vgl. Ziff. 6.1).

Durch die Umsetzung wird der Schweizer Erweiterungsbeitrag konkreter und sichtbarer. Diese Etappe ist sehr wichtig im Hinblick auf die Konsolidierung der bilateralen Beziehungen mit den Empfängerstaaten und der gesamten EU.

4

Freihandelsabkommen mit Drittstaaten ausserhalb der EU und der EFTA Im Berichtsjahr traten die EFTA-Freihandelsabkommen mit der Ukraine, Montenegro sowie Hongkong in Kraft. Damit verfügt die Schweiz über ein Netz von 26 Freihandelsabkommen.

In insgesamt siebzehn Verhandlungsrunden und zahlreichen weiteren Treffen wurden die Verhandlungen mit Bosnien und Herzegowina, China, Indien, Indonesien, den zentralamerikanischen Staaten und der Zollunion Russland­ Belarus­Kasachstan fortgeführt.

Neu aufgenommen wurden Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Vietnam und Malaysia.

In einem von Turbulenzen in den internationalen Finanzmärkten und dem starken Schweizerfranken geprägten wirtschaftlichen Umfeld sind im Rahmen der langfristig ausgerichteten Wachstumspolitik des Bundesrates Massnahmen zur weiteren Öffnung der Exportmärkte von zentraler Bedeutung. Freihandelsabkommen (FHA) spielen in diesem Zusammenhang weiterhin eine Schlüsselrolle.

62

SR 0.641.926.81

1314

Ein offenes globales Handelssystem mit klaren und fairen Regeln ist das Fundament für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand der Schweiz. Ziel der Freihandelspolitik des Bundesrates ist es, den Schweizer Unternehmen sowie deren Produkten und Dienstleistungen den Zugang zu ausländischen Märkten zu verbessern und zugleich den Import von Waren, einschliesslich Rohmaterialen und Zwischenprodukten, für Schweizer Konsumenten und Produzenten zu erleichtern. Dies ist für die Standortattraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit eines zugleich exportabhängigen und rohstoffarmen Landes wie der Schweiz besonders wichtig.

Zölle oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse, welche den Marktzugang für Schweizer Unternehmen im Ausland behindern und den Warenfluss von Importen in die Schweiz verteuern, mindern die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen, erhöhen die Preise für die Konsumenten und verringern die Produkteauswahl.

Schweizer Unternehmen erleiden Diskriminierungen in Ländern, mit denen die Schweiz über kein Präferenzabkommen verfügt, welche jedoch solche mit wichtigen Konkurrenten der Schweiz (z.B. der EU, den USA oder Japan) abgeschlossen haben.

Dies hat zur Folge, dass Konkurrenzunternehmen dieser Länder gegenüber Schweizer Unternehmen über vorteilhaftere Marktzugangsbedingungen verfügen. Die Schweizer Unternehmen werden dadurch benachteiligt und verlieren mittel- bis langfristig Wettbewerbsfähigkeit und Marktanteile.

4.1

Weltweite Tendenzen bezüglich präferenzieller Handelsabkommen

Weltweit ist seit den 1990er-Jahren eine stetige Zunahme von Präferenzabkommen zu verzeichnen. Mitglieder der WTO notifizieren entsprechende Abkommen bei der WTO. Bislang wurden über 500 regionale und überregionale Präferenzabkommen bei der WTO beziehungsweise unter deren Vorgänger, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) notifiziert, wovon derzeit 319 in Kraft sind.63 Der Zunahme der Präferenzabkommen steht eine Stagnation der multilateralen WTO-Gesprächen gegenüber (vgl. Ziff. 2.1.1). Ein weiterer Grund für die Zunahme ist, dass vor allem asiatische Staaten und andere Schwellen- und Entwicklungsländer vermehrt auch überregionale FHA aushandeln, nachdem sie zuvor eher regionale Abkommen (z. B. ASEAN64) abgeschlossen haben. Auch die EU, die USA und Japan dehnen ihre ursprünglich regionalen Netze von FHA immer stärker Regionen übergreifend aus. Ein Beispiel sind die umfassenden Verhandlungen zum Transpazifischen Partnerschafts-Abkommen (vgl. Ziff. 7.3).

Für die Schweiz ergibt sich aus dieser Entwicklung zunehmend die Gefahr der Benachteiligung auf wichtigen ausländischen Märkten. Um diese Diskriminierungen zu vermeiden und der Erosion der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Wirtschaftsstandorts entgegenzuwirken, ist der weitere Ausbau des Netzes von FHA unabdingbar. Allgemein leisten FHA einen Beitrag zur Diversifikation und Dynamisierung der Aussenwirtschaftsbeziehungen, sowie zur Verbesserung und rechtlichen Absicherung der Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit.

63 64

Vgl. www.wto.org/english/tratop_e/region_e/region_e.htm Association of Southeast Asian Nations: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam.

1315

4.2

Aktivitäten der Schweiz

Die Kriterien der Aussenwirtschaftsstrategie des Bundesrates bei der Auswahl möglicher Freihandelspartner sind (i) die aktuelle und potentielle wirtschaftliche Bedeutung des Partners, (ii) das Ausmass bestehender sowie potentieller Diskriminierungen, die sich aus Freihandelsabkommen des Partners mit wichtigen Konkurrenten der Schweiz ergeben, (iii) die Verhandlungsbereitschaft des Partners und die entsprechenden Erfolgsaussichten, sowie (iv) die Übereinstimmung mit den Zielen der schweizerischen Aussenpolitik (z.B. der zu erwartende Beitrag eines FHA zur wirtschaftlichen Stabilisierung und Entwicklung eines möglichen Partners).65 Die Schweiz unterhält neben dem EFTA-Übereinkommen66 und dem FHA mit der EU derzeit ein Netz von 26 FHA67 mit 35 Partnern. Bei der Mehrzahl dieser Abkommen handelt es sich um Abkommen, welche im Rahmen der EFTA ausgehandelt und abgeschlossen wurden. Ausnahmen bilden die Abkommen mit Japan und mit den Färöer-Inseln, welche die Schweiz bilateral abgeschlossen hat.

Untersuchungen zeigen, dass sich der Handel mit Freihandelspartnern dynamischer entwickelt als mit anderen Staaten.68 Während der weltweite Aussenhandel (Summe der Exporte und der Importe) der Schweiz von 1988 bis 2008 pro Jahr durchschnittlich um 5,7 Prozent zunahm, wuchs der Handel der Schweiz mit Freihandelspartnern im Durchschnitt der ersten vier Jahre nach Inkrafttreten des jeweiligen FHA um über 10 Prozent pro Jahr. Auch die Auswirkungen auf Schweizer Direktinvestitionen sind vorteilhaft. Während der Kapitalbestand der Schweizer Direktinvestitionen im Ausland in den Jahren 1988­2007 durchschnittlich um 12,6 Prozent pro Jahr anstieg, belief sich der Kapitalzuwachs in den Partnerländern der FHA im Durchschnitt in den ersten vier Jahre nach Inkrafttreten des jeweiligen Abkommens auf jährlich 18 Prozent. Sind Zahlen nicht verfügbar, wie beispielsweise in den Bereichen Handel mit Dienstleistungen (vgl. Ziff. 5.3), Schutz des geistigen Eigentums (vgl.

65 66 67

68

Aussenwirtschaftsstrategie des Bundesrates, Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2004, BBl 2005 1089.

Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), SR 0.632.31.

EFTA-Freihandelsabkommen: Mazedonien (in Kraft am 1. Mai 2002) SR 0.632.315.201.1); Kroatien (1. September 2002) SR 0.632.312.911; Serbien (1. Oktober 2010) SR 0.632.316.821; Albanien (1. November 2010) SR 0.632.311.231; Ukraine (1. Juni 2012) SR 0.632.317.671; Montenegro (1. September 2012) SR 0.632.315.731; Türkei (1. April 1992) SR 0.632.317.631; Israel (1. Juli .1993) SR 0.632.314.491; Palästinensische Behörde (1. Juli 1999) SR 0.632.316.251; Marokko (1. Dezember 1999) SR 0.632.315.491; Jordanien (1. September 2002) SR 0.632.314.671; Tunesien (1. Juni 2006; provisorische Anwendung seit 1. Juni 2005) SR 0.632.317.581; Libanon (1. Januar 2007) SR 0.632.314.891; Ägypten (1. September 2008; provisorische Anwendung seit 1. August 2007) SR 0.632.313.211; Mexiko (1. Juli 2001) SR 0.632.315.631.1; Singapur (1. Januar 2003) SR 0.632.316.891.1; Korea (1. September 2006) SR 0.632.312.811; Kanada (1. Juli 2009) SR 0.632.312.32; Chile (1. Dezember 2004) SR 0.032.312.451; SACU (Südafrikanische Zollunion: Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland) (1. Mai 2008) SR 0.632.311.181; Kolumbien (1. Juli 2011) SR 0.632.312.631; Peru (1. Juli 2011) SR 0.632.316.411; Hongkong (1. Oktober 2012) SR 0.632.314.161; GCC (GolfKooperationsrat: Bahrein, Katar, Kuweit, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate) unterzeichnet am 22. Juni 2009; bilaterale Freihandelsabkommen der Schweiz: Färöer Inseln (1. März 1995) SR 0.632.313.141; Japan (1. September 2009) SR 0.946.294.632.

Marianne Abt (2009), Bedeutung von Freihandelsabkommen mit Partnern ausserhalb der EU, SECO Studie: www.seco.admin.ch/themen/00513/00515/01330/index.html?lang=de.

1316

Ziff. 5.8.2) oder im öffentlichen Beschaffungswesen, kann eine qualitative Beurteilung vorgenommen werden. FHA verbessern gerade in diesen Bereichen die regulatorischen Rahmenbedingungen, helfen Diskriminierungen abzubauen und verschaffen den schweizerischen Wirtschaftsakteuren einen stabileren, vorhersehbareren, rechtlich abgesicherten Zugang zu ausländischen Märkten.

4.2.1

Laufende Verhandlungen und Explorationen

Im Berichtsjahr wurden im Rahmen der EFTA Verhandlungen über FHA mit Bosnien und Herzegowina, Indien, Indonesien sowie der Zollunion Russland­Belarus­ Kasachstan weitergeführt. Zügig verlief der Verhandlungsprozess der EFTA mit den zentralamerikanischen Staaten. Die Verhandlungen wurden im Februar aufgenommen und waren im Dezember nach fünf Verhandlungsrunden weit fortgeschritten.

Auf bilateraler Ebene wurden die Verhandlungen mit China wesentlich vorangebracht.

Die EFTA-Staaten lancierten im Juli Verhandlungen über FHA mit Vietnam und im November mit Malaysia. Mit Thailand wurden die Kontakte im Hinblick auf eine mögliche Wiederaufnahme der seit 2006 unterbrochenen Verhandlungen über ein FHA weiter gepflegt.

Im Berichtsjahr wurden zudem EFTA-Zusammenarbeitserklärungen mit Georgien und Pakistan unterzeichnet. Auf dieser Grundlage können die Möglichkeiten einer Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen gemeinsam geprüft werden. Auch die bereits bestehenden Kontakte mit den Philippinen sollen in derselben Absicht weitergeführt werden.

2013 wird der Schwerpunkt der Freihandelspolitik somit weiterhin in Asien liegen.

Mit China wird auf einen baldigen Abschluss der Verhandlungen hingearbeitet. Eine weitere Priorität bilden die EFTA-Verhandlungen mit Indien, mit Indonesien sowie mit der Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan. Ziel ist es, die Verhandlungen mit Indien anfangs 2013 abzuschliessen. Dies hängt indessen auch vom Verlauf der parallel laufenden Freihandelsverhandlungen zwischen Indien und der EU ab, welche Indien gleichzeitig abschliessen will.

Auf Grundlage der EFTA-Zusammenarbeitserklärung mit dem MERCOSUR von 2000 wird sich die Schweiz weiter für die Aufnahme exploratorischer Gespräche mit den MERCOSUR-Staaten einsetzen. Ausserdem ist vorgesehen, dass die EFTAStaaten im 2013 ein FHA mit Bosnien und Herzegowina unterzeichnen. Die entsprechenden Verhandlungen stehen kurz vor dem Abschluss. Die Schweiz wird sich auch 2013 dafür einsetzen, dass die EFTA-Verhandlungen mit Algerien wieder aufgenommen werden, sobald das Land dazu bereit ist.

1317

4.2.2

Aktivitäten unter bestehenden Freihandelsabkommen

Im Berichtsjahr traten FHA zwischen den EFTA-Staaten und der Ukraine (1. Juni), Montenegro (1. September) und Hongkong (1. Oktober) in Kraft.

Die Weiterentwicklung der abgeschlossenen und in Kraft stehenden Abkommen wird von der Schweiz im Rahmen der regelmässig stattfindenden Treffen der Gemischten Ausschüsse verfolgt. Im Berichtsjahr haben sich die Gemischten Ausschüsse folgender Abkommen getroffen: EFTA­Korea (3. Treffen), EFTA­Ägypten sowie EFTA­Kanada (jeweils 2. Treffen), EFTA­Türkei (10. Treffen), EFTA­ Palästinensische Behörde (4. Treffen) sowie EFTA­Serbien (1. Treffen). Die Anpassung bestehender Abkommen an neue Entwicklungen ist wichtig, insbesondere im Falle des Abschlusses von neuen FHA unserer Vertragspartner mit anderen Ländern, um allfällig daraus entstehende Diskriminierungen der schweizerischen Wirtschaft zu vermeiden. So wird die Weiterentwicklung verschiedener Abkommen geprüft oder ist in Arbeit: Mit Jordanien, Mexiko, Peru und Singapur in Bezug auf den Dienstleistungshandel (vgl. Ziff. 5.3), mit Ägypten, Israel, der Palästinensischen Behörde, der SACU und der Türkei in Bezug auf die Landwirtschaftsprodukte. Mit Kanada, welches mit der EU ein umfassendes FHA aushandelt, sowie mit der Republik Korea, welche mit der EU69 und mit den USA70 umfassende FHA abgeschlossen hat, streben die EFTA-Staaten ebenfalls eine Ausweitung beziehungsweise Vertiefung ihrer bestehenden Abkommen an.

4.3

Herausforderungen für die Schweizer Freihandelspolitik

Die Priorität der Schweizer Freihandelspolitik bleibt bei Verhandlungen mit wachstumsstarken Schwellenländern, vor allem in Asien und Lateinamerika, sowie auf der Vertiefung von bestehenden FHA mit wichtigen Partnerländern.

Die EFTA-Staaten begannen Anfang der 1990er-Jahre, parallel zur EU FHA mit Transitionsländern in Zentral- und Osteuropa auszuhandeln. Ab Mitte der 1990erJahre wurde das Netz allmählich auf die Mittelmeerregion ausgedehnt. Seit der Jahrtausendwende werden weltweit Abkommen ausgehandelt. Die Politik der Schweiz zur Förderung des weltweiten wirtschaftlichen Austausches steht im Einklang mit ihrem Ziel, die Partnerländer wirtschaftlich zu unterstützen und zu deren Wohlstand und Entwicklung beizutragen.

Die derzeit laufenden Verhandlungen stellen für die Schweiz eine neue Herausforderung dar, da sie sich wesentlich von den in der Vergangenheit geführten Verhandlungen unterscheiden. Die Partnerstaaten sind in den meisten Fällen sich dynamisch entwickelnde mittelgrosse bis grosse Volkswirtschaften, die selbstbewusst auftreten und ihre Forderungen mit Nachdruck vorbringen. Die offensiven wie defensiven Interessen dieser Länder unterscheiden sich zum Teil erheblich von denen der Schweiz. Durch ihre grossen Binnenmärkte sind diese Länder zudem weniger auf ausländische Absatzmärkte angewiesen. Diese Interessen bedeuten für die Schweiz,

69 70

Das FHA EU­Republik Korea ist am 1. Juli 2011 in Kraft getreten.

Das FHA USA­Republik Korea ist am 15. März 2012 in Kraft getreten.

1318

dass verstärkte Anstrengungen nötig sind und neue Herausforderungen angegangen werden müssen.

Den Interessen der Schweiz in den Bereichen Industriegüter (z.B. Maschinen, Uhren, Chemie und Pharma), Dienstleistungen (z.B. Finanzdienstleistungen, Logistikdienstleistungen; vgl. Ziff. 5.3), Schutz des geistigen Eigentums (vgl. Ziff. 5.8), öffentliches Beschaffungswesen sowie Handel und Nachhaltigkeit (insbesondere Umwelt- und Arbeitsstandards) stehen teilweise defensiven Interessen der Partner gegenüber. Umgekehrt werden von Verhandlungspartnern wie China, Indien, Indonesien und Vietnam Forderungen an die Schweiz beziehungsweise die EFTAStaaten herangetragen, welche mit deren nationalen Politik nicht ohne weiteres vereinbar sind. Dies betrifft namentlich die Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen und den Marktzugang für Landwirtschaftsprodukte.

Eine weitere Herausforderung für die Schweiz stellt die Kohärenz zwischen den verschiedenen Politikbereichen dar. Da die Wirtschafts-, Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtspolitik Elemente einer umfassenden Politik der nachhaltigen Entwicklung darstellen, setzt sich die Schweiz eine kohärente Umsetzung auf den verschiedenen Handlungsebenen zum Ziel (vgl. Schwerpunktkapitel des Berichts zur Aussenwirtschaft 2009, BBl 2010 479). So setzt sich die Schweiz bei der Aushandlung von FHA für handelsrelevante Bestimmungen zur nachhaltigen Entwicklung ein, insbesondere zu Umweltschutz und Arbeitsstandards. Die Schweiz hat ein Interesse, dass auch andere Länder hohe Umwelt- und Arbeitsstandards durchsetzen.

Allerdings besteht in Bezug auf die Frage, ob Umwelt-, Menschenrechts- und Arbeitsstandards überhaupt handelsrelevant sind, und wie sie allenfalls in Handelsabkommen zu berücksichtigen sind, international kein Konsens. Ausserdem vermuten Schwellen- und Entwicklungsländer hinter solchen Bestimmungen protektionistische Absichten und stehen entsprechenden Vorschlägen zumeist kritisch gegenüber. Daher wird mit jedem Verhandlungspartner individuell nach zielführenden Lösungen gesucht.

Trotz all dieser Herausforderungen bleibt es das Ziel der schweizerischen Freihandelspolitik, den Marktzugang für ihre Exportwirtschaft zu verbessern und Benachteiligungen gegenüber wichtigen Konkurrenten auf den Weltmärkten zu vermeiden.

1319

5

Sektorielle Politiken

5.1

Warenverkehr Industrie/Landwirtschaft

Seit dem 1. Januar 2012 wird in der Handelsstatistik gemäss der totalrevidierten Verordnung vom 12. Oktober 201171 über die Statistik des Aussenhandels die geografische Herkunft der Importe nach veränderten Kriterien erfasst. Das «Erzeugungsland» wird durch das «Ursprungsland» ersetzt, was teilweise erhebliche Auswirkungen auf die Ergebnisse der schweizerischen Aussenhandelsstatistik hat.

Das Paneuropa­Mittelmeer-Übereinkommen wurde für die Schweiz am 1. Januar rechtskräftig. Für Schweizer Unternehmen wird diese Neuerung eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen.

Die Schweiz weist für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte weiterhin eine positive Handelsbilanz auf. Das Wachstum ist bei Freihandelserzeugnissen besonders ausgeprägt.

5.1.1

Aussenhandelsstatistik

Am 1. Januar 2012 setzte der Bundesrat die totalrevidierte Verordnung über die Statistik des Aussenhandels in Kraft. Eine wesentliche Änderung betrifft die Definition des Herkunftslandes bei der Erfassung der Warenimporte. Für die Statistik gilt als solches nun das «Ursprungsland», in welchem die betreffende Ware vollständig gewonnen oder hergestellt wurde oder in dem sie ihre letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung erfuhr. Bisher wurde die Herkunft der Importe dem sogenannten «Erzeugungsland» zugeordnet, das heisst jenem Land, in welchem sich die Ware letztmals im freien inländischen Verkehr befand, unabhängig davon, ob und in welchem Ausmass die Ware dort be- oder verarbeitet wurde. Diese Messmethode, mit deren Übernahme die Schweiz ihre Grundlagen im Rahmen der statistischen Zusammenarbeit in Europa (EUROSTAT) mit denjenigen der EU harmonisiert, gibt die wirtschaftliche Realität der internationalen Wertschöpfungsketten besser wieder als die bisherige.

Mit dem Wechsel zum Ursprungsland verändern sich die Verhältnisse in der Aussenhandelsbilanz mit verschiedenen Ländern zum Teil in wesentlichem Umfang. So erhöht sich beispielsweise das erfasste Einfuhrvolumen aus China im Jahr 2011 von 6,3 auf 9,6 Milliarden Schweizerfranken (+3,3 Mrd. CHF), womit der gemessene Anteil Chinas an den Gesamtimporten der Schweiz von 3,4 auf 5,2 Prozent zunimmt. Die Handelsbilanz mit China weist nach der neuen Erhebungsmethode für das Jahr 2011 nicht mehr einen Überschuss von 2,5 Milliarden Schweizerfranken aus, sondern einen Fehlbetrag von 0,9 Milliarden Schweizerfranken. Das Handelsbilanzdefizit mit China dürfte sich auch im Berichtsjahr in einem ähnlichen Rahmen bewegen. Die nach neuer Methode erhobenen Daten reflektieren die gewachsene Bedeutung Chinas und anderer asiatischer Staaten wie Indien, Indonesien und

71

SR 632.14

1320

Vietnam, aber auch der USA, Japans und der Türkei als Beschaffungsmärkte für die Schweizer Wirtschaft besser als bisher.

Demgegenüber vermindert sich der erfasste Importwert aus verschiedenen EUStaaten, da für die Schweiz bestimmte Waren aus Drittstaaten oft über EU-Seehäfen disponiert werden und aus logistischen Gründen in der EU in den freien inländischen Verkehr gelangen, bevor sie in die Schweiz weitergeliefert werden (sog.

Rotterdam-Effekt). Diese Importe wurden nach der bisherigen Erhebungsmethode als Importe aus dem betreffenden EU-Staat erfasst. Bezogen auf das Jahr 2011 vermindert sich der Wert der Einfuhren aus der EU gestützt auf das Ursprungslandprinzip von 142,6 auf 134,8 Milliarden Schweizerfranken (­7,8 Mrd. CHF), was einem von 77 auf 73 Prozent verminderten Anteil an den Gesamtimporten der Schweiz entspricht. Daraus ergibt sich ein verringertes Handelsbilanzdefizit gegenüber der EU von 25,9 auf 18,1 Milliarden Schweizerfranken.

5.1.2

Ursprungsregeln

Das Regionale Übereinkommen vom 15. Juni 201172 über die Paneuropa­Mittelmeer-Präferenzursprungsregeln, welches die diagonale Kumulation der ursprungsbegründenden Produktionsschritte zwischen den Vertragsparteien ermöglicht, ist für Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz am 1. Januar 2012 und für die EU und Island am 1. Mai 2012 in Kraft getreten. Anfang November wurde die Konvention auch für Albanien, Mazedonien, Kroatien und Montenegro rechtsverbindlich.

Das Übereinkommen wird die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der Schweiz und der anderen Vertragsstaaten gegenüber jenen aus Drittstaaten verbessern. Allerdings werden die schweizerischen Unternehmen die diagonale Ursprungskumulierung im Rahmen des Übereinkommens erst dann vollumfänglich nutzen können, wenn alle vierzehn Vertragsparteien, darunter die Türkei, Ägypten, Marokko und Tunesien, die Ratifizierungsverfahren abgeschlossen haben und deren Freihandelsabkommen untereinander an das Übereinkommen angepasst worden sind. Gegenwärtig erlaubt einzig das Freihandelsabkommen EFTA­Montenegro die Anwendung der Konvention.

Das Übereinkommen erleichtert durch die Ermöglichung der diagonalen Ursprungskumulation die Nutzung der Freihandelsabkommen zwischen den Vertragsstaaten, welche die bestehenden Euro­Med-Ursprungsregeln beinhalten, ohne letztere zu modifizieren. Die Unterzeichnerstaaten des Übereinkommens setzen sich für eine möglichst baldige Vereinfachung und Modernisierung der zum Teil veralteten Euro­ Med-Ursprungsregeln ein.

72

SR 0.946.31

1321

5.1.3

Landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte

In den letzten Jahren verzeichneten die landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte ein starkes Exportwachstum, das im letzten Jahr durch den starken Franken etwas gebremst wurde. Dennoch weist die Schweiz für das Jahr 2011 eine weiterhin deutlich positive Handelsbilanz für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte auf. Diese Entwicklung dürfte auf eine stärkere Orientierung an neuen Absatzmöglichkeiten im Ausland und auf gestiegene Exportchancen von qualitativ hochwertigen und innovativen Produkten zurückzuführen sein.

Die landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukte nehmen in der Schweizer Handelspolitik eine Sonderstellung zwischen Freihandel und Agrarschutz ein. Während für einen Grossteil landwirtschaftlicher Verarbeitungsprodukte (z.B. Schokolade, Biskuits, Teigwaren) das Rohstoffpreishandicap (inländische Agrarrohstoffe sind in der Regel wesentlich teurer als jene auf den Exportmärkten) weiterhin durch den Preisausgleichsmechanismus des sogenannten Schoggigesetzes vom 13. Dezember 197473 ausgeglichen wird, ist der Handel für andere Verarbeitungsprodukte (z.B.

Kaffee, nicht-alkoholische Getränke) in den meisten FHA der Schweiz vollständig liberalisiert. Augenfällig ist, dass das Exportwachstum der vergangenen Jahre insbesondere bei den Freihandelsprodukten zugenommen hat. Um das Potenzial der exportierenden Nahrungsmittelindustrie für den Standort Schweiz weiterhin bestmöglich zu nutzen und langfristig zu sichern, ist diesen Produkten in Freihandelsabkommen insbesondere mit Partnern mit grossem, zukunftsträchtigem Marktpotenzial besondere Beachtung zu schenken.

Die Weiterführung des Preisausgleichsmechanismus beim Export von landwirtschaftlichen Verarbeitungsprodukten kann mittel- bis längerfristig nicht als gesichert angenommen werden. Im Rahmen der Doha-Runde hatten die Minister im Jahre 2005 vereinbart, die Exportsubventionen bis Ende 2013 aufzuheben, die Bestätigung dieses Datums jedoch an die Verabschiedung der Modalitäten der Agrarverhandlungen geknüpft. Solche Modalitäten sind bisher nicht verabschiedet worden. Dennoch ist nicht auszuschliessen, dass sich die WTO-Mitglieder auf ein umfassendes Verbot von Exportsubventionen einigen werden. Falls es in absehbarer Zeit zu keiner Einigung kommt, könnten andere WTO-Mitglieder die Exportsubventionen im Landwirtschaftsbereich zum Gegenstand
von Streitbeilegungsverfahren machen. Die Möglichkeit der Beschaffung von Rohstoffen zu international konkurrenzfähigen Preisen durch die Schweizer Nahrungsmittelindustrie bleibt eine wichtige Aufgabe der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik.

73

SR 632.11.71

1322

5.2

Technische Handelshemmnisse

Der Bundesrat verfolgt bei der Beseitigung von technischen Handelshemmnissen eine Langzeitstrategie bestehend aus mehreren Teilen. Mit den diesjährigen Arbeiten in diesem Bereich wurde der Zugang von Schweizer Produkten zu ausländischen Märkten weiter verbessert, insbesondere durch die Erweiterung des Geltungsbereichs des bilateralen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen74 (MRA Schweiz­EU) auf Sprengstoffe für zivile Zwecke.

Bei der Umsetzung des «Cassis-de-Dijon»-Prinzips wurden seit dessen Einführung Mitte 2010 129 Bewilligungsgesuche gemäss der für Lebensmittel geltenden Sonderregelung eingereicht, von denen 42 genehmigt wurden (Stand Ende November 2012). Erkenntnisse zu den Auswirkungen der Einführung des Prinzips auf die Preis- und Marktentwicklung müssen mittels Preis- und Produkterhebungen ermittelt werden. Das SECO ist daran, eine entsprechende Evaluation durchzuführen.

Nicht-tarifarische Massnahmen ­ bei denen technische Handelshemmnisse eine wichtige Rolle spielen ­ erweisen sich zunehmend als Problem für Exporteure. So widmete die WTO ihren «Bericht zum Welthandel 2012»75 diesem Thema. Die von der Schweiz verfolgte Langzeitstrategie bei der Beseitigung von technischen Handelshemmnissen ist im Bundesgesetz vom 6. Oktober 199576 über die technischen Handelshemmnisse (THG) verankert. Dieses Gesetz wiederspiegelt die Grundsätze des Übereinkommens über technische Handelshemmnisse der WTO77 (TBT-Abkommen). Die Strategie stützt sich auf drei Instrumente: die autonome Harmonisierung von schweizerischen technischen Vorschriften mit denjenigen der EU, den Abschluss staatsvertraglicher Vereinbarungen über den gegenseitigen Marktzugang und die autonome Anwendung des im THG geregelten «Cassis-deDijon»-Prinzips.

5.2.1

Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen Schweiz­EU

Das vor mehr als zehn Jahren im Rahmen der Bilateralen I mit der EU abgeschlossene Abkommen über die Anerkennung von Konformitätsbewertungen bildet im Verhältnis Schweiz­EU das zentrale Instrument zum Abbau technischer Handelshemmnisse für Industrieprodukte. Das Abkommen sieht die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (Berichte, Bescheinigungen, Zulassungen und Konformitätskennzeichen sowie Konformitätserklärungen) vor, womit für Produkte aus der Schweiz und aus der EU, die unter seinen Anwendungsbereich fallen, der freie gegenseitige Marktzugang ermöglicht wird. Der Geltungsbereich dieses laufend weiterentwickelten Abkommens zählt mit dem in diesem Jahr auf74 75 76 77

SR 0.946.526.81 Vgl. www.wto.org/english/res_e/publications_e/wtr12_e.htm.

SR 946.51 SR 0.632.20 Anhang 1A.6

1323

genommenen Kapitel über Sprengstoffe für zivile Zwecke zwanzig Sektoren. Zudem wurde das Kapitel über Spielzeug umfassend aktualisiert.

Gestützt auf das neue Kapitel über Sprengstoffe für zivile Zwecke werden den Schweizer Herstellern für die Kennzeichnung ihrer Produkte Identifikationsnummern zugeteilt, die im ganzen EU-Raum anerkannt werden. Damit wird einerseits die Wettbewerbsposition der Schweizer Hersteller verbessert. Anderseits ermöglicht die spezielle einheitliche Kennzeichnung der Sprengmittel eine einfachere und effizientere Rückverfolgung bei Missbrauch und damit einen erhöhten Schutz der Bevölkerung. Nebst der Kennzeichnung und der Code-Zuteilung wird die Verpflichtung aufgenommen, dass beim Transport von Explosivstoffen innerhalb von Europa eine Begleitdokumentation zu erstellen und mitzuführen ist.

Das Kapitel betreffend Spielzeuge wurde aufgrund der Anpassung der Schweizer Spielzeuggesetzgebung an die komplett überarbeitete EU-Spielzeugrichtlinie revidiert. Mit der Aufrechterhaltung der Gleichwertigkeit der Vorschriften der Schweiz und der EU wird gewährleistet, dass das Inverkehrbringen von Spielzeugen zwischen der EU und der Schweiz weiterhin erleichtert ist. Die Revision ermöglicht zudem eine effektivere Marktüberwachung durch eine engere Zusammenarbeit der zuständigen Behörden, was den Verbraucherschutz verbessert.

Um dieses Abkommen, welches den Interessen der Schweizer Wirtschaft in zahlreichen Sektoren dient, auch künftig nutzen zu können, ist es von grosser Bedeutung, dass die dem Abkommen zugrundeliegende Gleichwertigkeit der Gesetzgebungen der Schweiz und der EU aufrechterhalten wird. Die rasche Entwicklung der EU-Gesetzgebung in jüngster Zeit erfordert eine kontinuierliche Anpassung des Abkommens. Herausforderung im nächsten Jahr wird insbesondere die Revision der Kapitel über die Bauprodukte und über die Biozide sein.

5.2.2

Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse ­ Umsetzung des «Cassis de Dijon»-Prinzips

Gemäss der für Lebensmittel geltenden Sonderregelung bei der Anwendung des «Cassis de Dijon»-Prinzips bedürfen Lebensmittel, die nach den technischen Vorschriften der EU oder ­ bei unvollständiger oder fehlender Harmonisierung des EURechts ­ nach den technischen Vorschriften eines EU- oder EWR-Mitgliedstaats hergestellt wurden und dort rechtmässig in Verkehr sind, für den Zugang zum Schweizer Markt einer vom Bundesamt für Gesundheit in Form einer Allgemeinverfügung erteilten Bewilligung. Die seit Inkrafttreten der THG-Revision (1. Juli 2010) bis Ende November 2012 eingereichten 129 Bewilligungsgesuche lassen sich aufgrund der betroffenen Abweichungen von den Schweizer Lebensmittelvorschriften einteilen in Gesuche betreffend a) Zusammensetzung, b) Kennzeichnung, c) Inhaltsstoffe und d) unterschiedliche Gesundheitsvorschriften. Fast die Hälfte der Gesuche betreffen unterschiedliche Gesundheitsvorschriften, ein Drittel die Kennzeichnung. Von den 129 Gesuchen wurden 42 gutgeheissen (34 erteilte Allgemeinverfügungen, da verschiedene Allgemeinverfügungen mehrere Gesuche abdecken), hiervon betreffen über 50 Prozent hauptsächlich die Kennzeichnung, rund 25 Prozent die Zusammensetzung, rund 15 Prozent Inhaltsstoffe und knapp 5 Prozent unterschiedliche Gesundheitsvorschriften. 78 Gesuche wurden nicht bewilligt, 9 sind noch in Bearbeitung. Gegen fünf der erlassenen Allgemeinverfügungen wurden 1324

beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerden eingereicht, auf die dieses aufgrund fehlender Beschwerdeberechtigung nicht eingetreten ist. Drei Fälle wurden ans Bundesgericht weitergezogen, welches in allen Fällen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts bestätigte.

Da die Anwendung des «Cassis de Dijon»-Prinzips in den übrigen Produktbereichen (z.B. Kosmetika) keine Bewilligungsverfahren vorsieht, ist es schwierig, die Auswirkungen des Prinzips zu beurteilen. Das SECO ist daran, eine Reihe von Erhebungen vorzunehmen, um zu versuchen, die Auswirkungen des Prinzips auf die Preisentwicklung ausgewählter Produkte zu ermitteln.

5.3

Dienstleistungen

Betreffend Marktzugang für Dienstleistungen setzte die Schweiz ihre Verhandlungen im Rahmen neuer FHA und von Arbeiten zur Aktualisierung in Kraft stehender FHA fort. Die internationale Tendenz zu verstärkter Regulierung der Dienstleistungen, insbesondere der Finanzdienstleistungen, welche für die Schweiz prioritär sind, stellt die Schweiz bei der Verhandlung des angestrebten, hohen Ambitionsniveaus vor neue Herausforderungen. Angesichts der stockenden Doha-Verhandlungen nahm eine Gruppe von Ländern, darunter die Schweiz, Diskussionen über die Grundzüge möglicher plurilateraler Verhandlungen auf, mit der Absicht den Handel mit Dienstleistungen zwischen interessierten Ländern weiter zu liberalisieren.

Mit ihren FHA zielt die Schweiz unter anderem darauf ab, den Marktzugang für Dienstleistungen rechtlich abzusichern, soweit möglich zu verbessern sowie klare und effiziente Regeln für Bewilligungsverfahren zu vereinbaren. Eine Priorität ist der Sektor der Finanzdienstleistungen, stellt dieser doch nahezu einen Viertel der Schweizer Dienstleistungsexporte dar. Auch bei den laufenden Verhandlungen mit China, sowie in den Verhandlungen im Rahmen der EFTA mit bestimmten Ländern Zentralamerikas, Indien und Indonesien strebt die Schweiz diesbezüglich ambitiöse Ziele an. Sie tat dies bereits in der Vergangenheit mit anderen Freihandelspartnern und beabsichtigt dies auch im Zusammenhang mit der Aktualisierung bestehender Abkommen, zum Beispiel mit Jordanien, Mexiko, Peru und Singapur (vgl. Ziff. 4.2).

Die Auswirkungen des Zusammenbruchs von Lehman Brothers und der subprimeKrise sind bis heute spürbar und gehen über die Finanzwelt hinaus. Die insbesondere von der G20 ausgehenden und auf Schwellenländer übergreifenden Bestrebungen, das aus dem Gleichgewicht geratene Finanzsystem zu stabilisieren, lösten national wie international Gesetzesreformen aus, so beispielsweise im Bereich der OTCDerivate und bei nicht von Bankinstituten durchgeführten Finanzaktivitäten (shadow banking). Gleichzeitig wurden Banken vieler bedeutender Finanzplätze von ihren Regierungen in der Hoffnung subventioniert, die Finanzkrise einzudämmen. Dies führt dazu, dass diese Staaten bei der Öffnung ihrer Finanzmärkte wesentlich vorsichtiger werden, insbesondere bezüglich der grenzüberschreitenden Erbringung von Finanzdienstleistungen.

Infolgedessen wird es im Rahmen von FHA schwieriger, insbesondere die Schwellenländer zu überzeugen, Handelsverpflichtungen im Finanzdienstleistungssektor 1325

einzugehen, selbst wenn diese keine systemischen Auswirkungen auf den Finanzplatz haben. Dieselben Partner verfolgen ihrerseits offensive Interessen im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen durch natürliche Personen, welche über den von der Schweiz offerierten Rahmen hinausgehen. Diese Partner erwarten von der Schweiz zum Beispiel Zugeständnisse bezüglich der vorübergehenden Zulassung von selbständigen Dienstleistungserbringern oder der Dienstleistungserbringung durch natürliche Personen mit geringerem Qualifikationsniveau oder auf niedrigerer Hierarchiestufe.

Angesichts der stockenden Doha-Verhandlungen (vgl. Ziff. 2.1.1) wird im Kreis einiger interessierter Länder78 in Genf über die Grundzüge eines plurilateralen Abkommens bezüglich die weitere Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen diskutiert. Die Schweiz setzt sich im Rahmen dieser Gespräche dafür ein, dass diese in Vorbereitung stehenden Verhandlungen als Basis das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)79 verwenden, namentlich bezüglich Definitionen, Regeln für den Marktzugang, Inländerbehandlung und Ausnahmen.

Sie setzt sich darüber hinaus für zusätzliche Disziplinen, etwa im Bereich der Innerstaatlichen Regelungen, ein.

5.4

Investitionen und multinationale Unternehmen

Auch im Bereich internationaler Investitionen und multinational tätiger Unternehmen werden zunehmend Nachhaltigkeitsfragen diskutiert und entsprechende Instrumente entwickelt. Dies gilt für die bilateralen Investitionsschutzabkommen der Schweiz ebenso wie für die Arbeiten in der OECD. In der Schweiz sind unter anderem Arbeiten zur Umsetzung der im Jahr 2011 aktualisierten OECDLeitsätze für multinationale Unternehmen in Gang, welche ihrerseits auf die UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte Bezug nehmen. Im Vordergrund steht die Reorganisation des Nationalen Kontaktpunkts.

5.4.1

Investitionen

Im Berichtsjahr wurde ein bilaterales Investitionsschutzabkommen (ISA) mit Tunesien unterzeichnet, welches von 2009 bis 2010 ausgehandelt worden war. Es wird das seit 1964 zwischen der Schweiz und Tunesien geltende ISA ersetzen. Die Botschaft mit Antrag zur Genehmigung des neu unterzeichneten Abkommens findet sich in der Beilage des vorliegenden Berichts (vgl. Ziff. 10.2.2).

Im Zusammenhang mit der Konkretisierung einer nachhaltigen Aussenwirtschaftspolitik stellt sich die Frage, wie dem Aspekt der Nachhaltigkeit auch in künftig auszuhandelnden ISA Rechnung getragen werden kann. Das SECO prüfte im Berichtsjahr gemeinsam mit anderen interessierten Bundesstellen die ISA-Vertrags78

79

Gegenwärtig beteiligen sich folgende Partner an den Gesprächen: Australien, Chile, Costa Rica, EU, Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Mexiko, Neuseeland, Pakistan, Panama, Peru, Schweiz, chinesisches Taipei, Türkei und die USA.

SR 0.632.20 Anhang 1.B

1326

praxis der Schweiz, verglich diese mit den Abkommen anderer Staaten und nahm eine Analyse der einschlägigen Rechtsprechung internationaler Schiedsgerichte vor.

Zudem wurden die laufenden Arbeiten und Expertendiskussionen in verschiedenen internationalen Organisationen, insbesondere OECD, UNCTAD sowie UNO-Nachhaltigkeitskonferenz (Rio+20) einbezogen. Als Ergebnis dieser Arbeiten wurden verschiedene neue Bestimmungen ausgearbeitet, welche von der Schweiz in zukünftige ISA-Verhandlungen eingebracht werden sollen. Mit den neuen Bestimmungen soll die Notwendigkeit einer kohärenten Auslegung und Anwendung der ISA, in Übereinstimmung mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz und ihrer Vertragspartner, zur Verfolgung öffentlicher Interessen (z. B. Umwelt, Arbeitsstandards) verstärkt zum Ausdruck gebracht werden.

Die Schweiz wird die Entwicklung der Vertragspraxis anderer Staaten auch in Zukunft aufmerksam verfolgen, wobei insbesondere den Entwicklungen in der EU Bedeutung zukommt. Mit dem Vertrag von Lissabon ist die Kompetenz zum Abschluss von Investitionsschutzabkommen von den Mitgliedstaaten auf die EU übergegangen, wobei noch unklar ist, wie der Inhalt neuer, von der EU ausgehandelter Abkommen im Detail aussehen wird.

5.4.2

Korruptionsbekämpfung

Die OECD hat im Januar ihren Bericht zum Länderexamen der Schweiz über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr veröffentlicht.80 Der Bericht anerkennt, dass die Schweiz, welche im Rahmen der regelmässigen Überprüfungen der OECD letztmals im Jahr 2004 examiniert wurde, eine aktive Strafverfolgung betreibt und auf internationaler Ebene bei der Gewährung von Rechtshilfe sowie der Sperrung, Einziehung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte eine wichtige Rolle spielt.

Begrüsst werden zudem die Sensibilisierungs- und Ausbildungsmassnahmen zur Korruptionsbekämpfung sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor.

Für die Schweiz hat die Fortführung der Bemühungen zur Sensibilisierung der Unternehmen für die Korruptionsrisiken im Auslandsgeschäft 2013 eine hohe Priorität. Während die grossen multinationalen Unternehmen heute über Präventionsmassnahmen und interne Kontrollen zur Vermeidung von Korruptionsfällen verfügen, besteht vor allem bei KMU weiterer Informationsbedarf. Insbesondere KMU, welche neue ausländische Märkte mit erhöhtem Korruptionsrisiko erschliessen, müssen sich über Risiken und Massnahmen zur Korruptionsprävention informieren und entsprechende Vorkehren treffen.

Seit der Unterzeichnung der OECD-Konvention vor fünfzehn Jahren wurden weitere internationale Übereinkommen zur Korruptionsbekämpfung abgeschlossen, welche in geographischer oder inhaltlicher Hinsicht teilweise weiter gefasst sind als das OECD-Übereinkommen. So ist die Schweiz seit 2006 Mitglied der Strafrechtskonvention81 und der Staatengruppe des Europarates gegen die Korruption (GRECO) 80

81

Das Übereinkommen vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (SR 0.311.21) wurde von den 34 OECD-Mitgliedern und fünf weiteren Staaten (Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Russland und Südafrika) unterzeichnet.

SR 0.311.55

1327

und ratifizierte 2009 die Antikorruptionskonvention der UNO82. Dennoch kommt der OECD-Konvention aus Sicht der Schweiz aufgrund des umfassenden Überprüfungsmechanismus und der institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten beispielsweise bei der Strafverfolgung und der internationalen Rechtshilfe bis heute eine zentrale Bedeutung zu. Die Schweiz erachtet es als eine zentrale Aufgabe der OECD, für eine einheitliche und rigorose Umsetzung der Konvention zu sorgen. Obschon in den letzten Jahren Strafverfahren und Verurteilungen insgesamt deutlich zugenommen haben, weisen die Länderexamen auf grosse Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten hin. Nur mit einer konsequenten Umsetzung kann sichergestellt werden, dass die Unternehmen in allen Unterzeichnerstaaten unter denselben Bedingungen am internationalen Wettbewerb teilnehmen können (level playing field). Aus denselben Überlegungen muss die OECD ihre Bemühungen fortsetzen, den Teilnehmerkreis des Übereinkommens zu erweitern.

Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung misst die Schweiz dabei den G20Staaten, welche der OECD-Konvention bisher noch nicht beigetreten sind (China, Indien, Indonesien und Saudi-Arabien), in dieser Hinsicht eine klare Priorität bei.

5.4.3

OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen

Durch eine verantwortungsvolle Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility) leisten die Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Weltwirtschaft. Mit den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen83, welche Empfehlungen der 44 Teilnehmerstaaten84 an ihre international tätigen Unternehmen enthalten, besteht ein umfassendes Instrument zur Förderung und Konkretisierung des Konzepts der verantwortungsvollen Unternehmensführung.

Eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Leitsätze spielen die Nationalen Kontaktpunkte (NKP). Diese tragen zur Bekanntmachung der Leitsätze auf nationaler Ebene bei, nehmen bei konkreten Anwendungsproblemen Eingaben entgegen, und stehen als Dialogplattform und informelle Schlichtungsstelle zur Verfügung.

Die Schweiz hat die Aktualisierung der OECD-Leitsätze von 2011 zum Anlass genommen, um im Berichtsjahr die Struktur und Arbeitsweise ihres NKP zu überprüfen und, soweit erforderlich, anzupassen. Das Ziel dieser Anpassung ist die breitere Verankerung des NKP innerhalb der Bundesverwaltung und bei den Interessengruppen sowie eine Stärkung des NKP bei der Bearbeitung von Eingaben. Es ist geplant, als Teil der Neuorganisation des NKP einen Beirat einzusetzen, in welchem die betroffenen Interessengruppen vertreten sind. Dieser multistakeholder-Beirat, welcher eine beratende Funktion hat, wird die Arbeit des NKP begleiten. Daneben wird der NKP für die Bearbeitung von Eingaben pro Fall eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe (ad-hoc-Gruppe) mit der notwendigen fachlichen Abstützung einberufen, in welcher die von der Thematik betroffenen Bundesstellen vertreten sind. Für die Durchführung der Vermittlungsgespräche zwischen den Parteien sollen sodann vermehrt externe Mediatoren beigezogen werden.

82 83

84

SR 0.311.56 Vgl. www.oecd.org > A propos > Départements > Direction des affaires financières et des entreprises > Investissement international > Principes directeurs pour les entreprises multinationales.

Neben den 34 OECD-Staaten sind dies Ägypten, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, Lettland, Litauen, Marokko, Peru, Rumänien und Tunesien.

1328

Die Aktualisierung der OECD-Leitsätze hat zu einer bedeutenden inhaltlichen Erweiterung geführt. Insbesondere mit dem neuen Kapitel zu den Menschenrechten wurde ­ gestützt auf die UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte ­ ein neuer internationaler Standard geschaffen. Für die Unternehmen als Adressaten der OECD-Leitsätze stellt sich in erster Linie die Frage, welche konkreten Massnahmen sie treffen müssen, um ihrer Sorgfaltspflicht zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen gerecht zu werden. Die erste Priorität der OECD und der Unterzeichnerstaaten wird es daher 2013 sein, Unternehmen bei spezifischen Fragestellungen zu unterstützen und weitere Hilfsmittel wie beispielsweise sektorspezifische Richtlinien zur Umsetzung der Leitsätze zu erarbeiten. Die OECD hat in einem ersten Schritt einen Leitfaden erarbeitet, der konkrete Vorschläge enthält, wie diese Sorgfaltspflicht beim Abbau von Edelmetallen in Konfliktgebieten ausgestaltet werden kann.

5.5

Rohstoffe und Umwelt

5.5.1

Rohstoffe

Im Berichtsjahr setzte der Bund seine Bemühungen fort, die Vorkehren im Interesse der Rohstoffversorgung der Schweiz im Rahmen der Aussenwirtschaftspolitik zu verbessern. Im bilateralen Rahmen ist es allerdings für die Schweiz schwierig, die Rohstoffthematik formell einzubringen. Deshalb werden auch Handlungsmöglichkeiten ausserhalb von Staatsverträgen ausgelotet.

Bei der Rohstoffversorgungsfrage in ihrer globalen Dimension wirkt die Schweiz aktiv an Initiativen unter anderem in der OECD mit. Im Berichtsjahr leistete sie einen substanziellen finanziellen Beitrag zur Umsetzung der «OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from ConflictAffected and High-Risk Areas» und unterstützte Arbeiten, welche die Transparenz bei Exportrestriktionen erhöhen soll. In der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit achtet der Bundesrat darauf, in Entwicklungsländern Strukturen zu stärken, um die Regierungsführung in den betreffenden Ländern zu verbessern, damit die Einnahmen aus der Rohstoffgewinnung wirksamer für die Staatsaufgaben eingesetzt werden. Der Bund unterstützt die Extractive Industries Transparency Initiative, welche zum Ziel hat, mehr Transparenz in die Zahlungsflüsse aus der Rohstoffgewinnung zu bringen.

Die Frage der kurz- und langfristigen Verfügbarkeit von Rohstoffen beschäftigt die Politik seit geraumer Zeit. Welche Vorkehren im Interesse der Versorgungssicherheit im Rahmen der Aussenwirtschaftspolitik getroffen werden können, war Gegenstand des Schwerpunktkapitels des Berichts vom 14. Januar 2009 zur Aussenwirtschaft 200885. Bei seltenen Metallen (z.B. Indium, Tantal) könnte die Versorgungssituation für die Schweiz aus drei Gründen kritisch werden: Erstens spielen diese Materialien für einen erheblichen Teil der Industrie eine bedeutende Rolle.

Zweitens trägt die Schweiz wie ganz Europa ein hohes Versorgungsrisiko. Dies liegt daran, dass die Importabhängigkeit des Kontinents hoch und die Zahl der Lieferlän85

BBl 2009 727

1329

der klein ist. Drittens stehen Ersatzstoffe derzeit in vielen Anwendungen kaum zur Verfügung. Für Zeiten eingeschränkten Zugangs zu Ressourcen müssen die wirtschaftlichen Akteure deshalb Strategien entwickeln, um den Zugang zu kritischen Rohstoffen möglichst gut zu sichern. Grundsätzlich ist die Sicherstellung der Versorgung mit Metallen und mineralischen Rohstoffe, deren Ausfall keine Breitenwirkung auf die Gesamtwirtschaft entfalten würde, eine Aufgabe der Privatwirtschaft.

Bei kritischen Versorgungsgütern von gesamtwirtschaftlicher Tragweite wie bespielsweise Öl, kann die Regierung Pflichtlager bewirtschaften. Die Regierung kann zudem versuchen, die Zugriffsmöglichkeiten der Privatwirtschaft mit Staatsverträgen abzusichern. Allerdings sind die Möglichkeiten der Schweiz in diesem strategischen und machtpolitischen Feld begrenzt. Zudem enthalten Staatsverträge oftmals Schutzklauseln, welche in Krisensituationen den Rückgriff auf Exportrestriktionen ermöglichen.

Es hat sich gezeigt, dass es für die Schweiz schwierig ist, die Rohstoffthematik formell im bilateralen Rahmen einzubringen. Das Wegbedingen von Exportrestriktionen setzt nämlich die Bereitschaft des Partnerlandes voraus, seine eigenen Handlungsmöglichkeiten einzuschränken. In Freihandelsabkommen mit Rohstoff exportierenden Ländern wie Kolumbien, Peru oder der Ukraine, welche im Laufe der Jahre 2011 und 2012 in Kraft getreten sind, konnten sowohl Exportzölle wie Ausfuhrbeschränkungen für den gesamten Warenhandel wegbedungen werden. Dagegen konnten in Freihandelsabkommen mit grossen Rohstoffexporteuren wie Kanada oder Südafrika keine Vereinbarungen getroffen werden, die über die WTO-Bestimmungen zu Ein- und Ausfuhrbeschränkungen (Art. XI GATT 1994) hinausgehen.

Die Schweiz setzt sich gerade aus diesem Grund insbesondere auf multilateraler Ebene für die Einhaltung internationaler Verpflichtungen ein. Im Rahmen der OECD unterstützte die Schweiz im Berichtsjahr einen zweitätigen OECD-Workshop Transparency in trade of raw materials. Dieser machte die Arbeiten der OECD für mehr Transparenz bei Exportrestriktionen bei Rohstoffen und besseren Politiken in diesem Bereich einem breiten Publikum zugänglich.

Um Handlungsmöglichkeiten ausserhalb von Staatsverträgen auszuloten, sollen die bestehenden Länderstrategien der Länderdienste des SECO mit
einem Abschnitt zu Rohstoffen ergänzt werden. Gerade in einer Krisensituation ist das Bestehen eines institutionalisierten Kontakts oft gleich viel Wert wie das Bestehen eines formellen Vertrags. In der neuen Länderstrategie des SECO zu Asien (vgl. Ziff. 7.3) wurde deshalb im Berichtsjahr ein Anhang zu Rohstoffen publiziert. In einem zweiten Schritt soll in Analogie zur Energieaussenpolitik mit den Ressourcen- oder Transitländern falls angezeigt bilaterale Instrumente unterhalb der Schwelle formeller Abkommen geprüft werden. Beispielsweise könnte ein Memorandum of Understanding in Bezug auf den Zugang zu knappen Rohstoffkategorien oder ein institutionalisierter Rohstoff-Dialog im Rahmen gemischter Ausschüsse angestrebt werden. Bei verschiedenen Ländern werden dahingehende Möglichkeiten vom zuständigen Länderdienst des SECO ausgelotet. Gewisse Länder wollen aber bei der Gestaltung ihrer Ressourcenpolitik frei von internationalen Verpflichtungen sein.

Da die Schweiz wegen ihrer Stellung als weltweit bedeutender Handelsplatz für Rohstoffe zunehmend exponiert ist, setzte der Bundesrat eine interdepartementale Plattform ein, um dieser Problematik die notwendige Beachtung zu schenken.

Aus der Perspektive der nachhaltigen Entwicklung legt die Schweiz im Rahmen internationaler Organisationen und in ihrer wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit Wert darauf, dass die Erdölförderung und der Abbau mineralischer Roh1330

stoffe auch zum Nutzen der rohstoffreichen Länder und deren Bevölkerung erfolgen.

Rund 59 Prozent der Metalle und Erze, 63 Prozent der Kohle und 64 Prozent des Erdöls stammen aus Entwicklungsländern. Rohstoffvorkommen können für diese Länder vorteilhaft sein, wenn das daraus entstehende Einkommens- und Wachstumspotenzial nachhaltig genutzt wird und die Armut verringert werden kann. Die Abhängigkeit von Rohstoffen kann aber auch zu einer Entwicklungsbremse (resource curse) werden, wenn es nicht gelingt, den Rohstoffsektor wirksam zu regulieren und zu überwachen sowie die Einnahmen aus dem Geschäft mit Rohstoffen zu Gunsten des öffentlichen Interesses einzusetzen, um damit nachhaltiges Wachstum zu generieren und die Armut zu reduzieren. Ursachen hierfür können Regierungen mit schwachen Institutionen und mangelnder Rechenschaftspflicht sein. Daneben können ungenügende Standards bei den Geschäftspraktiken von im Rohstoffabbau tätigen Unternehmen zu den Problemen beitragen.

Der Bund unterstützt die internationalen Bemühungen, um hier Abhilfe zu schaffen.

Die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) ist dabei die wohl am breitesten abgestützte Plattform, welche zum Ziel hat, mittels eines freiwilligen Standards mehr Transparenz in die Zahlungsflüsse aus der Rohstoffgewinnung zu bringen. Die Schweiz wirkt bei EITI aktiv mit. Im Rahmen der OECD leistete die Schweiz im Berichtsjahr zudem einen substanziellen finanziellen Beitrag zur Umsetzung der OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas. Multilaterale, vom SECO unterstützte Programme mit dem IWF und der Weltbank befähigen rohstoffreiche Länder in der Gestaltung der Rahmenbedingungen im Rohstoffbereich, in der Verhandlung fairer Gewinnungsverträge oder bei der Verbesserung der öffentlichen Finanzen. Das SECO arbeitet auch bilateral eng mit Ländern wie Burkina Faso, Ghana und Mosambik zusammen.

5.5.2

Umwelt- und Klimapolitik

Im Juni fand in Rio de Janeiro die Konferenz der UNO über nachhaltige Entwicklung Rio+20 statt. Im Fokus standen die Entwicklung einer grünen Wirtschaft im Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung und der Armutsreduktion sowie die dafür notwendigen institutionellen Rahmenbedingungen.

An der Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonferenz im Dezember verpflichtete sich die Schweiz international zur CO2-Emissionsreduktion unter einer zweiten Periode des Kyoto-Protokolls.

Hinsichtlich der grünen Wirtschaft86, welche eine effiziente Ressourcennutzung zum Ziel hat, verliefen die Verhandlungen an der Rio+20-Konferenz schwierig. Insbesondere die Entwicklungsländer, aber auch die USA und Kanada zeigten eine ablehnende Haltung. Die G7787 befürchtete unter anderem einen grünen Protektio86 87

Für weitere Themen und Ergebnisse der Konferenz vgl. Aussenpolitischer Bericht 2012, BBl 2013 977 Die G77 ist ein Zusammenschluss innerhalb der Vereinten Nationen von aktuell 132 Staaten, die überwiegend zu den Entwicklungsländern gezählt werden.

1331

nismus. Das Abschlussdokument der Konferenz enthält denn auch keine bindenden Beschlüsse, anerkennt aber erstmals auf globaler Ebene die grüne Wirtschaft als Instrument, welches einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten kann. Damit kann die Rio+20-Konferenz längerfristig Impulse für eine Stärkung der nachhaltigen Entwicklung geben. Die Schweiz hat bereits konkrete Schritte unternommen: Der Bundesrat sprach sich mit seinem Beschluss zur grünen Wirtschaft vom Oktober 2010 für eine nachhaltige Ressourcennutzung aus. In sechs definierten Handlungsfeldern wurden in verschiedenen Departementen Arbeiten aufgenommen und Ende des Berichtsjahres soll dem Bundesrat über deren Entwicklung Bericht erstattet werden. Die grüne Wirtschaft bildet auch einen Schwerpunkt der Strategie nachhaltige Entwicklung 2012-2015.

Vor zwanzig Jahren war in Rio auch die Klimarahmenkonvention ins Leben gerufen worden. Anlässlich der diesjährigen 18. Vertragsparteienkonferenz in Doha, Katar, wurden die Weiterführung des Kyoto-Protokolls und die Zustimmung zu einer zweiten Verpflichtungsperiode beschlossen. Für diese zweite Verpflichtungsperiode, welche von 2013 bis 2020 dauern wird, sind die EU, Australien, Norwegen, die Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Kroatien und Island quantitative Verpflichtungen zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen eingegangen. Diese Länder verursachen unter 15 Prozent der globalen Emissionen, nachdem die USA und neu auch Kanada, Japan und Neuseeland dem Kyoto-Protokoll fernbleiben und die Emissionen der Schwellenländer stark steigen. Die Schweiz verpflichtete sich zu einer weiteren Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen um 20 Prozent bis 2020 (gegenüber 1990). Die Vertragsparteien bekräftigten zudem die Absicht, ein neues, umfassendes Klimaregime auszuarbeiten, welches 2015 verabschiedet werden und 2020 in Kraft treten soll. In Doha wurde auch der Stand der Anschubfinanzierung von Klimamassnahmen in Entwicklungsländern in den Jahren 2010 bis 2012 präsentiert.

Der Schweizer Beitrag beträgt 140 Millionen Franken. Ausserdem fiel der Entscheid, dass das Sekretariat des Green Climate Fund in Südkorea beheimatet sein wird. Die Kandidatur der Stadt Genf wurde leider nicht berücksichtigt.

Multilaterale Fortschritte sind gerade bei grenzüberschreitenden oder globalen Umweltproblemen von
grösster Wichtigkeit: Die Anstrengungen der Schweiz entfalten insbesondere dann eine grosse Wirkung, wenn möglichst viele Staaten sich zur nachhaltigen Entwicklung respektive zum Teilaspekt grüne Wirtschaft oder zum Klimaschutz bekennen. In den Klimaverhandlungen in Doha ist insbesondere die Festigung der Allianz zwischen ambitionierten Industrieländern und vom Klimawandel besonders negativ betroffenen, ärmeren Entwicklungsländern positiv zu bewerten. Die Schweiz wird auch weiterhin eine wichtige Rolle in der internationalen Umweltpolitik spielen können, indem sie ihre Erfahrungen in die relevanten internationalen Gremien und in der Entwicklungszusammenarbeit einbringt.

1332

5.6

Wettbewerbsrecht

Die internationale Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb trägt zu einer effizienteren Bekämpfung grenzüberschreitender wettbewerbswidriger Verhaltensweisen bei, welche mit der wachsenden Integration der Weltwirtschaft zunehmen. Die Verbesserung der Zusammenarbeit ist für eine Wirtschaft, die in den internationalen Austausch eingebunden ist wie jene der Schweiz, unabdingbar.

Eine Verstärkung dieser Zusammenarbeit ist vom Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb mit der EU zu erwarten, dessen Verhandlungen im Laufe des Berichtsjahres zu Ende geführt wurden. Fragen der internationalen Zusammenarbeit standen im Übrigen auch im Zentrum der Diskussionen des OECD-Wettbewerbsausschusses und der Intergovernmental Group of Experts on Competition Law and Policy der UNCTAD.

Die wachsende Integration der Weltwirtschaft führt zu häufigeren grenzüberschreitenden wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen. Die Wettbewerbsbehörden haben Schwierigkeiten, solche Verhaltensweisen zu bekämpfen, weil sie nur im Inland tätig werden können. Die internationale Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbsbehörden ist daher ein wichtiger Weg, um solchen Verhaltensweisen besser begegnen zu können. Die Schweiz, welche stark in die internationale Wirtschaft integriert ist, hat ein besonderes Interesse, sich im Rahmen ihrer Wettbewerbspolitik für eine Verbesserung der Zusammenarbeit zu engagieren.

Die Schweiz und die EU sind im Begriff, sich mittels eines bilateralen Abkommens über die Zusammenarbeit im Bereich Wettbewerb, dessen Verhandlungen im Laufe des Berichtsjahres zu Ende geführt wurden, eine rechtliche Grundlage für eine verbesserte Zusammenarbeit zu geben, um gegen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen vorzugehen, welche beide Wirtschaften betreffen. Diese Zusammenarbeit besteht insbesondere aus dem Austausch vertraulicher Informationen zwischen den Wettbewerbsbehörden (zu genau festgelegten Bedingungen) und aus anderen Massnahmen wie Konsultationen sowie positive comity und negative comity88. Die Wettbewerbsbehörden der Parteien werden zudem den Zeitpunkt ihrer Hausdurchsuchungen koordinieren können.

Gegenwärtig laufen die internen Prozeduren im Hinblick auf die Unterzeichnung des Abkommens in der Schweiz und in der EU. Die Verhandlung des Abkommens wurde namentlich durch die Tatsache möglich, dass die Rechtssysteme
der Parteien auf gleichen Grundsätzen beruhen und vergleichbare Vorschriften enthalten. Dieser Faktor wurde während der Diskussionen, die im Berichtsjahr im Bereich Wettbewerb der OECD und der UNCTAD geführt wurden, als kooperationsfördernd erkannt. Für die Schweiz könnte dieses Kooperationsabkommen als Modell für mögliche künftige Abkommen dienen, insbesondere mit ihren Nachbarländern, mit denen ein wesentlicher Teil der Aussenwirtschaftsbeziehungen stattfindet (vgl.

Ziff. 1).

88

Unter positive comity versteht man die Möglichkeit, das Eingreifen der Wettbewerbsbehörden der anderen Seite in einem bestimmten Fall anzuregen, und unter negative comity versteht man die Berücksichtigung der Interessen des Vertragspartners bei der Umsetzung des Wettbewerbsrechts.

1333

Die Schweiz hat im Übrigen an den Diskussionen des OECD-Wettbewerbsausschusses aktiv teilgenommen, welcher im Februar ein breit angelegtes Projekt anstiess, um die Schwierigkeiten der Wettbewerbsbehörden zu diskutieren, mit dem Ziel, die bestehenden Instrumente und Praktiken im Bereich der Zusammenarbeit zu verbessern. In dieser Hinsicht stand die Frage des Austausches vertraulicher Informationen, beispielsweise über die von Unternehmen in den Verfahren erteilten Auskünfte, im Zentrum der Diskussionen. Die Intergovernmental Group of Experts on Competition Law and Policy der UNCTAD widmete im Rahmen ihrer Tagung im Juli den wettbewerbswidrigen grenzüberschreitenden Praktiken ebenfalls einen Rundtisch.

5.7

Öffentliches Beschaffungswesen

Das revidierte WTO-Übereinkommen vom 15. April 199489 über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) wurde am 30. März formell verabschiedet. Der erweiterte Marktzugang wird vom WTO-Sekretariat auf etwa 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Mitgliedstaaten des Abkommens konzentrieren sich fortan auf dessen Umsetzung in das nationale Recht und auf die Beitritte von neuen Mitgliedern, wie beispielsweise China.

Am 30. März verabschiedeten die Parteien des GPA das revidierte GPA (RevGPA) formell. Das RevGPA tritt in Kraft, sobald es von zwei Dritteln der Unterzeichnerstaaten ratifiziert worden ist. Es ist möglich, dass dieses Quorum Mitte 2013 erreicht sein wird. Die Bundes- und Kantonsbehörden erarbeiteten ein Konzept für die Anpassung des geltenden Rechtes an die neuen Bestimmungen des RevGPA.

Gleichzeitig soll die Gelegenheit für eine weitergehende Harmonisierung der Gesetzgebungen des Bundes und der Kantone genutzt werden. Der für den Ablauf der Arbeiten vorgesehene Zeitplan soll es der Schweiz ermöglichen, das Übereinkommen 2015 ratifizieren zu können.

Das RevGPA stellt einen modernisierten und geklärten internationalen rechtlichen Rahmen dar. Es stärkt die guten Praktiken in der Handhabung der öffentlichen Beschaffungen, indem es namentlich den Einsatz der elektronischen Verfahren fördert und den Kampf gegen die Bestechung unterstützt. Zusätzlich erweitert das RevGPA den Umfang der Märkte, zu welchen die internationalen Anbieter Zugang haben. Zur Illustration sei erwähnt, dass der Geltungsbereich des Übereinkommens rund hundert neue Vergabestellen, die Einkäufe der Vergabestellen in den kanadischen Provinzen, zusätzliche Dienstleistungen (Satellitentelekommunikation) und bis anhin nicht unterstellte Baudienstleistungen erfasst. Einschränkungen beim Zugang zu Märkten des stadtnahen Verkehrs wurden eliminiert. Die Revision dürfte den 42 am Abkommen teilnehmenden WTO-Mitgliedern ein erweitertes Marktzugangsvolumen erschliessen, dessen Umfang das WTO-Sekretariat auf rund 80­100 Milliarden US-Dollar pro Jahr schätzt.

Die Schweiz kann sich somit für die Anpassung und die weitere Harmonisierung der Beschaffungsgesetzgebungen auf Bundes- und Kantonsebene auf einen ausgebauten 89

SR 0.632.231.422

1334

internationalen Rechtsrahmen stützen. Zudem verfügen Schweizer Anbieter über einen deutlich verbesserten Zugang zu den Beschaffungsmärkten unserer wichtigsten Handelspartner. Die bis anhin realisierten Erfahrungen zeigen, dass es Schweizer Unternehmen gelungen ist, im Ausland bedeutende Zuschläge für öffentliche Beschaffungen zu erhalten (Elektrizitätsinfrastruktur, stadtnaher Verkehr usw.). Das RevGPA erlaubt es den Behörden, bei öffentlichen Beschaffungen unter Einhaltung der Nichtdiskriminierungsverpflichtungen und der Inländerbehandlung Zuschlagskriterien zu berücksichtigen, welche der Nachhaltigkeit Rechnung tragen.

Die Vorteile des RevGPA haben das Interesse von Nichtmitgliedstaaten geweckt.

Vor diesem Hintergrund seien die stetigen Fortschritte in den Beitrittsprozessen von China und der Ukraine erwähnt.

Angesichts seines grossen Erfolgs und seiner Vorteile könnte sich das RevGPA im Laufe der Zeit zum globalen Regulierungsinstrument für die Vergabe von öffentlichen Beschaffungsaufträgen entwickeln.

5.8

Schutz des geistigen Eigentums

Mit dem Beijing-Abkommen über audiovisuelle Darbietungen schlossen die Mitglieder der Weltorganisation für geistiges Eigentum erstmals seit 1996 wieder ein materielles Schutzabkommen auf internationaler Ebene ab.

Ein Schwerpunkt der internationalen Arbeiten zum Schutz des geistigen Eigentums lag auf der bilateralen Ebene, mit einem Fokus auf den Schwellenländern des asiatischen Wirtschaftsraums. Neben Verhandlungen über FHA mit mehreren Partnern dieser Region führte die Schweiz den bilateralen Dialog zum Schutz des geistigen Eigentums mit China weiter. Im Rahmen der technischen Zusammenarbeit engagierte sie sich in einer Reihe von Entwicklungsländern bei der Umsetzung von verschiedenen Projekten auf dem Gebiet des geistigen Eigentums.

5.8.1

Schutz des geistigen Eigentums in internationalen Organisationen

Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) stellte dieses Jahr ihre Fähigkeit unter Beweis, multilaterale Lösungen bei seit Jahren festgefahrenen Themen zu finden. Es gelang ihr, einen konstruktiveren Dialog zwischen Industrie- und Entwicklungsländern für die Suche nach gegenseitig vorteilhaften Lösungen in Gang zu setzen. So wurde mit dem Abschluss des Beijing-Abkommens über audiovisuelle Darbietungen ein bedeutendes Ergebnis erzielt. Das Abkommen garantiert den ausübenden Künstlern den internationalen Schutz ihrer Vermögens- und Urheberpersönlichkeitsrechte im digitalen Umfeld. Die Schweiz gehört zu den 48 Ländern, welche den Vertrag am Ende der diplomatischen Konferenz in Peking am 26. Juni unterzeichneten. Dank dieser positiveren Dynamik machte die Arbeit auch in anderen Bereichen Fortschritte, beispielsweise die Verhandlungen über ein internationales Instrument zur Förderung des Zugangs zu Druckerzeugnissen für Sehbehinderte und andere Menschen mit Leseschwierigkeiten. Zu diesem Thema soll 2013 eine 1335

diplomatische Konferenz einberufen werden. Der Abschluss neuer Verträge wird in naher Zukunft auch bei den Verhandlungen zum Design-Recht, zum Schutz von Rundfunkveranstaltern (z. B. Schutz der Rundfunksignale)90 sowie zum Schutz von genetischen Ressourcen, traditionellem Wissen und traditionellen kulturellen Ausdrucksformen91 erwartet. Die Schweiz arbeitet bei all diesen Themen weiterhin aktiv an der Suche nach tragfähigen, nachhaltigen Lösungen.

Im Berichtsjahr setzte sich die Schweiz, parallel zu den Arbeiten in Verhandlungen über bilaterale Abkommen (vgl. Ziff. 5.8.2), auch im Rahmen der WTO mit Nachdruck für einen besseren Schutz geografischer Angaben ein. Im Rat über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS-Rat) beteiligte sie sich aktiv an den regulären Umsetzungsarbeiten des TRIPS-Abkommens92.

An der 65. Weltgesundheitsversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die konsultative Expertengruppe für die Koordination und Finanzierung der Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln für sogenannte neglected diseases (Krankheiten, die v.a. ärmste Länder betreffen) ihren Bericht93 vorgelegt. Eine der Empfehlungen an die Mitgliedstaaten ist, ein verpflichtendes, globales Forschungsund Entwicklungsabkommen (R&D Treaty) auszuhandeln. Die Weltgesundheitsversammlung beauftragte die Generaldirektorin der WHO, ein open-ended meeting der Mitgliedstaaten zur vertieften Analyse des Berichts und der Machbarkeit der darin enthaltenen Empfehlungen durchzuführen. Die Schweiz unterstützt die Bestrebungen, die Investitionen in Forschung und Entwicklung zu neglected diseases zu erhöhen und befürwortet eine Untersuchung zur Machbarkeit der Empfehlungen und ihrer Auswirkungen insbesondere in finanzieller Hinsicht.

5.8.2

Schutz des geistigen Eigentums auf bilateraler Ebene

Der Schutz des Geistigen Eigentums ist ein zentrales Element der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik zur Förderung von Handel, Investitionen und Technologietransfer. Im Global Innovation Index 201294 und im Innovation Union Scoreboard 201195 belegt die Schweiz wie bereits im Vorjahr den ersten Platz. Entsprechend legt sie in den laufenden Verhandlungen für Freihandelsabkommen (vgl. Ziff. 4.2) besonderen Wert auf substanzielle und durchsetzbare Bestimmungen zum Schutz von Innovationen und kreativen Leistungen. Der Einschluss eines Kapitels zum Immaterialgüterrecht in bilateralen und EFTA-Freihandelsabkommen ist Teil der Gesamtstrategie des Bundesrats zur schweizerischen Aussenhandelspolitik.96 Die 90 91

92 93 94

95 96

Für Hintergrundinformationen zu den WIPO-Verhandlungen zum Schutz der Rundfunkveranstalter vgl. www.wipo.int/pressroom/en/briefs/broadcasting.html.

Für Hintergrundinformationen zu den Arbeiten der WIPO zum Schutz von genetischen Ressourcen, traditionellem Wissen und traditionellen kulturellen Ausdrucksformen vgl.

www.wipo.int/pressroom/en/briefs/tk_ip.html.

WTO-Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum, SR 0.632.20.

Vgl. www.who.int/phi/CEWG_Report_5_April_2012.pdf.

The Global Innovation Index 2012, publiziert von der Business School INSEAD und der WIPO: www.globalinnovationindex.org/gii/main/fullreport/files/ Global%20Innovation%20Index%202012.pdf.

Innovation Union Scoreboard 2011, Research und Innovation Scoreboard der EU: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/innovation/files/ius-2011_en.pdf.

Aussenwirtschaftsstrategie des Bundesrates, Bericht vom 12. Januar 2005 zur Aussenwirtschaftspolitik 2004, BBl 2005 1089.

1336

Regelungen zum geistigen Eigentum bauen insbesondere auf den Regeln der WTO und der WIPO auf und ergänzen das bestehende multilaterale Schutzsystem in für die Export- und Forschungsinteressen wichtigen Bereichen. Sie sollen zu einem handels- und investitionsfreundlichen Klima beitragen.

Herausforderungen beim Schutz des geistigen Eigentums bestehen für die schweizerische exportorientierte Industrie insbesondere in Schwellenländern des asiatischen Wirtschaftsraums. Die Unternehmen sind unter anderem mit der weit verbreiteten Fälschung und Piraterie ihrer Produkte und mit Rechtsunsicherheiten bei der Registrierung von Schutzrechten konfrontiert. Die Schweiz diskutiert mit den Partnerländern Lösungsoptionen, um den bilateralen Handelsaustausch optimal zu unterstützen. Dabei werden die besondere Situation und der Entwicklungsstand des Drittlandpartners berücksichtigt.

Mit China unterhält das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) einen institutionalisierten Dialog zum geistigen Eigentum. Die Durchsetzung der Immaterialgüterrechte von Schweizer Unternehmen, welche in China tätig sind, stellt oft eine besondere Herausforderung dar. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass China inzwischen der aktivste Nutzer des weltweiten PCT Systems97 ist und Patentanmeldungen beim chinesischen Patentamt (SIPO) durch Unternehmen aus der Schweiz bereits den siebten Rang belegen. Das IGE führt deshalb den bilateralen Dialog mit dem chinesischen Handelsministerium unter Einbezug der diversen spezialisierten Ämter sowie Vertretern der Schweizer Industrie weiter, um systemische immaterialgüterrechtliche Probleme zu diskutieren und Lösungen dafür zu finden. Im Herbst haben das IGE und das SIPO auf Vorschlag des letzteren ein Memorandum of Understanding auf Amtsebene unterzeichnet, welches die bereits bestehende Zusammenarbeit zwischen dem IGE und dem SIPO in Patentfragen weiter stärken wird.

Gemäss gesetzlichem Auftrag beteiligt sich das IGE zudem an der technischen Zusammenarbeit98 auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums (Art. 2 Abs. 1 Bst. f des Bundesgesetzes vom 24. März 199599 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum). Seit 2001 führt es im Auftrag des SECO mehrere technische Kooperationsprojekte auf dem Gebiet des geistigen Eigentums durch. Aktuell laufen Projekte
mit Bangladesch, Ghana, Indonesien, Laos und Serbien. Die Projekte mit Ghana und Serbien wurden am Ende des Berichtsjahrs abgeschlossen. Potenzielle Projekte mit Kolumbien, Tadschikistan und Ägypten sowie eine allfällige Verlängerung der Projekte in Ghana und Serbien sind derzeit in Diskussion. Durch Aktivitäten im Bereich der technischen Zusammenarbeit leistet die Schweiz einen Beitrag zur Verbesserung der Situation in den Partnerstaaten, namentlich durch Reformen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums. Dabei soll in den Partnerstaaten das Investitionsklima gefördert und diesen der Zugang zu neuen Sektoren und Märkten mit höherem Innovationsniveau erleichtert werden.

97 98

99

Das System der internationalen Patentanmeldung unter dem Patent Cooperation Treaty der WIPO.

Für eine Übersicht zu den Zielen und Arbeitsgrundsätzen der technischen Zusammenarbeit bzw. internationalen Kooperation vgl.

www.ige.ch/juristische-infos/internationale-kooperation.html.

SR 172.010.31

1337

6

Wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit Das prägendste Ereignis für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz im Berichtsjahr war die Verabschiedung der Botschaft vom 15. Februar 2012100 über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016. Damit wird die strategische Ausrichtung und die finanzielle Grundlage für die Aktivitäten der Internationalen Zusammenarbeit in den kommenden vier Jahren gelegt sowie die Wichtigkeit der wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen in Entwicklungsländern und der Ostzusammenarbeit bestätigt.

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz erfolgt durch bilaterale Projekte sowie in enger Zusammenarbeit mit den multilateralen Entwicklungsbanken. Drei Themen hatten im Berichtsjahr eine herausragende Bedeutung und bleiben auch in den kommenden Jahren für die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit aktuell: grüne Wirtschaft, Steuern und Entwicklung sowie Schaffung von Arbeitsplätzen.

6.1

Wirtschaftliche Aspekte gewinnen in der internationalen Zusammenarbeit weiter an Bedeutung

Im Berichtsjahr endete die Verpflichtungsperiode der Rahmenkredite über die wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (2009­2012) sowie über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas und der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (2006­2012). Dabei verpflichtete das SECO insgesamt 1,27 Milliarden Schweizerfranken für neue Programme. Die Projektevaluationen zeigen trotz einem politisch, ökonomisch und sozial zum Teil sehr instabilen Umfeld in den Empfängerländern bei 78 Prozent der Projekte gute bis sehr gute Resultate.101 Kürzlich abgeschlossene Evaluationen bestätigen zudem, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit in einer Zeit globaler Umwälzungen mehr denn je relevant ist. In der globalen Finanzkrise beispielsweise wurden dadurch die Empfängerländer unterstützt, gezielter und früher auf externe wirtschaftliche Einflüsse zu reagieren. Zusätzliche Anstrengungen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeit der Interventionen sind notwendig.

Aufgrund der insgesamt positiven Erfahrungen mit den bearbeiteten Themen und den Instrumenten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit richtete das SECO seine Süd- und Ostzusammenarbeit 2013­16 in enger Anlehnung an die bisherige Arbeit aus. Die SECO-Tätigkeit ist erstmals Teil einer gemeinsam mit der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) erarbeiteten Botschaft, welche die humanitäre Hilfe (DEZA), die technische Zusammenarbeit und Finanzhilfe (DEZA), die wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (SECO) und die Ostzusammenarbeit (DEZA/SECO) sowie eine Strategie umfasst. Die Botschaft vom 15. Februar 2012 über die interna100 101

BBl 2012 2485 265 zwischen 2005 und 2011 evaluierte Projekte. Für mehr Informationen zur Wirksamkeit der SECO-Projekte 2006­2011 vgl.

www.seco-cooperation.admin.ch/shop/-00010/03008/index.html?lang=de.

1338

tionale Zusammenarbeit 2013­2016 wurde von den eidgenössischen Räten am 11. September verabschiedet. Sie bestätigt den Parlamentsentscheid vom Februar 2011, die Mittel für die internationale Zusammenarbeit bis 2015 schrittweise auf 0,5 Prozent des BNE zu erhöhen. Sie ermöglicht Verpflichtungen von 11,4 Milliarden Schweizerfranken (SECO: 1,28 Mrd. im Süden; 375 Mio. im Osten). Die Massnahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit lehnen sich thematisch eng an die Aktivitäten und Kernkompetenzen des gesamten SECO an. Sie unterstützen die Schweizer Aussenwirtschaftsstrategie, indem Entwicklungs- und Transitionsländer (Osteuropa und Gemeinschaft unabhängiger Staaten) besser in die Weltwirtschaft integriert werden und nachhaltiges Wirtschaftswachstum gefördert wird. Im Fokus stehen Unterstützungsmassnahmen für fortgeschrittenere Entwicklungsländer (Middle Income Countries, MIC) und Transitionsländer, welche sich einem ernsthaften und ergebnisorientierten Reformprozess verpflichtet haben. Neue und durch Innovation gestützte Programmschwerpunkte werden in den Bereichen Urbanisierung und Arbeitsmärkte aufgebaut. Damit sollen entwicklungspolitische und wirtschaftliche Ziele optimal verknüpft und die Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen unterstützt werden. Dies erlaubt, noch stärker auf die Herausforderungen in den MIC zu reagieren, wo ein Grossteil der weltweit Armen in Städten lebt. Dank vernetzter Planung, Zugang zu Infrastruktur und Ausbildung sowie Beschäftigung sollen die Lebensbedingungen und das wirtschaftliche Umfeld der Menschen verbessert werden.

Die Instrumente der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit werden auch im Rahmen des Erweiterungsbeitrags an die neuen EU-Mitgliedsländer genutzt. Dieser ist ein wichtiges Instrument der Schweizer Europapolitik (vgl. Ziff. 3.5). Fünf Jahre nach Inkrafttreten des Bundesbeschlusses für die neuen EU-10 Länder wurden alle vorgesehenen Mittel verpflichtet (1 Mrd. CHF, je 50 % SECO und DEZA). In den kommenden fünf Jahren wird die Umsetzung der 210 bewilligten Projekte im Vordergrund stehen. Seit 2009 unterstützt die Schweiz auch Rumänien und Bulgarien (2007 der EU beigetreten) mit insgesamt 257 Millionen Schweizerfranken. Die Verpflichtungsperiode hierfür dauert bis Ende 2014.

6.2

Die Zusammenarbeit der Schweiz mit den multilateralen Entwicklungsbanken

Die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit und die bilaterale Unterstützung sind komplementär. Hauptpartner des SECO sind die Weltbankgruppe, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sowie die Afrikanische, die Asiatische und die Interamerikanische Entwicklungsbank.102 Die Auswirkungen der Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise auf Schwellen- und Entwicklungsländer, die Herausforderungen in Zusammenhang mit dem «Arabischen Frühling» sowie dem Klimawandel waren im multilateralen Kontext die zentralen Themen im Berichtsjahr. Dies führte in den Entwicklungsbanken zu einer Überprüfung der bestehenden Instrumente. Inhaltlich galt der Fokus der multilateralen Entwicklungsbanken vor allem einer weiteren Stärkung der Resultatorientierung, der konkreten Umsetzung der Beschlüsse des globalen Nachhaltigkeitsgipfels 102

Vgl. Ziff. 10.1.1 «Finanzielles Engagement der Schweiz 2012 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken».

1339

Rio+20 (vgl. Ziff. 5.5.2) und der Energieagenda, einem nachhaltigen und integrativen Wachstum, der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie dem Engagement in fragilen Staaten.

Weltbankgruppe Die Mitgliedschaft in der Weltbankgruppe und der Einsitz im Exekutivrat der Bank sowie die Mitgliedschaft im Entwicklungsausschuss, dem ministeriellen Ausschuss für Entwicklungsfragen, sind für die Schweiz von unverändert hoher Bedeutung. In diesen Gremien kann sie die globalen Ansätze für eine effektivere Armutsbekämpfung und Entwicklung aktiv mitgestalten. Vor diesem Hintergrund misst die Schweiz der gemischten Stimmrechtsgruppe, bei der sie den Vorsitz hat, eine hohe Bedeutung bei. Mit gezielten bilateralen und regionalen Programmen (z. B. im Bereich der Gouvernanz und im Wasser-/Energiesektor in Zentralasien) in den Mitgliedsländern der Stimmrechtsgruppe soll ein gezielter Beitrag zu deren Entwicklung geleistet werden. Im Berichtsjahr feierte die Stimmrechtsgruppe ihr zwanzigjähriges Bestehen.

Regionale Entwicklungsbanken In den einzelnen Regionen haben die Regionalbanken aufgrund ihrer Nähe zu den Partnerländern eine besondere Rolle wahrzunehmen. Im Berichtsjahr wurden die Verhandlungen zur Wiederauffüllung des Asiatischen Entwicklungsfonds, das konzessionelle Fenster der Asiatischen Entwicklungsbank, trotz Budgetrestriktionen (v.a. seitens der europäischen Geber) mit 12,4 Milliarden US-Dollar (2013­2016) erfolgreich abgeschlossen. Die Schweiz beabsichtigt, sich mit 48 Millionen Schweizerfranken daran zu beteiligen (rund 0,9 %). Die EBRD führte im Berichtsjahr die Arbeiten zur Ausdehnung ihres Einsatzgebiets auf den Mittelmeerraum weiter.

Langfristig zeichnen sich auf institutioneller Ebene Anpassungen in der Entwicklungsarchitektur ab, indem aufstrebende Entwicklungs- und Schwellenländer gegenüber traditionellen Mitgliedsländern vermehrt Einfluss gewinnen wollen. Dies wird Fragen zur Sicherstellung der nachhaltigen langfristigen Finanzierung, der thematischen Ausrichtung sowie der Umsetzungs- und Finanzierungsmodalitäten der Entwicklungsbanken einschliessen.

6.3

Grüne Wirtschaft in Entwicklungsländern

6.3.1

Grüne Wirtschaft als Chance für Entwicklungsländer

Green Economy zielt auf ein ökologisch nachhaltiges Wirtschaftswachstum in Industrie- und Entwicklungsländern. Das Konzept verbindet Umweltanliegen wie Klimaschutz, Biodiversität, Ressourcen und Wassernutzung mit dem Prozess der wirtschaftlichen Entwicklung und Globalisierung, indem eine Effizienzsteigerung der wirtschaftlichen Prozesse angestrebt wird.

Grüne Wirtschaft bietet gerade auch den Entwicklungsländern neue Chancen. Sie erlaubt es, Armutsreduktion mit der Lösung dringender Umweltprobleme zu verbinden und somit einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten. Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit unterstützt diesen Wandel auf vielseitige Weise durch Beteiligung an internationalen Klimafonds, durch Verbesserung der staatlich gesetz1340

ten Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern (z. B. Recyclingsektor) oder durch konkreten Klima- und Umwelttechnologietransfer unter Einbezug aller wichtigen Akteure (Industrie, Infrastrukturbetreiber, Produzenten nachwachsender Rohstoffe, Bergbauunternehmen, Finanzsektor und Politik).

Viele Entwicklungsländer befürchten, dass grüne Wirtschaft für sie eine Wachstumsbremse und neue Handelshemmnisse bedeuten könnte. Dieses Spannungsfeld wurde gerade bei der Rio+20-Konferenz im Berichtsjahr offensichtlich (vgl.

Ziff. 5.5.2). Die Erfahrungen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz zeigen jedoch, dass Wirtschaftswachstum und nachhaltiges Ressourcenmanagement nicht im Widerspruch stehen. Effizientere Produktionsprozesse erlauben auch in Entwicklungsländern eine bessere Wirtschaftlichkeit von Unternehmen, was Arbeitsplätze schafft, und fördern den wirtschaftlichen Fortschritt. Gleichzeitig werden Risiken wie etwa die Folgen des Klimawandels, zunehmende Wasserknappheit oder der Verlust von Biodiversität verringert. Grüne Wirtschaft fördert Effizienzsteigerungen und kann somit die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft nachhaltig stärken. An der Rio+20-Konferenz zeigte sich, dass die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz zur Förderung der Green Economy ausgezeichnet positioniert ist. Sie organisierte mit Partnern wie UNIDO, Weltbank und Zivilgesellschaft Fachanlässe zu nachhaltiger öffentlicher Beschaffung, ressourceneffizienter Industrieproduktion, freiwilligen Nachhaltigkeitsstandards und -reporting sowie biodiversitätsbasiertem Handel.

6.3.2

Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz

Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft ist mit einem erheblichen Finanzierungsaufwand verbunden, welcher die Kapazitäten der meisten Entwicklungsländer übersteigt. Auch mangelt es diesen Ländern an geeigneten Rahmenbedingungen, Zugang zu relevanten Technologien sowie institutionellem und technischem Wissen, um die Reformbemühungen konsequent umzusetzen und internationale Vorgaben der Umweltkonventionen zu erfüllen. Der institutionellen Verankerung in Entwicklungsländern sowie der finanziellen und technischen Unterstützung kommt beim Übergang zu grüner Wirtschaft eine zentrale Bedeutung zu. Die Entwicklungszusammenarbeit spielt somit eine wichtige Rolle als Katalysator bei der Transition zu einer grünen Wirtschaft. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz konzentriert sich auf Gebiete, wo Anreize für private Initiativen geschaffen werden können, etwa zur Steigerung des Handels und der Investitionen. Für ein klimafreundliches Wachstum fördert sie: (i) Energieeffizienz und erneuerbare Energien; (ii) die nachhaltige Bewirtschaftung der Naturressourcen und Biodiversität; (iii) die Stärkung von Markt- und Finanzierungsmechanismen im Klimaschutz.

Grüne Wirtschaft bedingt die Bereitstellung einer Netzwerkinfrastruktur (z.B. Energie, Wasser, Verkehr), welche umweltfreundliche Technologien einsetzt. Für Entwicklungsländer deren Infrastrukturnetzwerk noch im Aufbau ist, ergibt sich die Chance, von Anfang an umweltfreundliche Technologien zu verwenden. Die Schweiz arbeitet hierzu vor allem mit Gross- und Mittelstädten in Entwicklungsländern zusammen. Dabei kommen von der Schweiz entwickelte Ansätze wie das Energiestadtmodell zum Einsatz. Auch der Industriesektor der Entwicklungsländer benötigt Umwelt- und Klimatechnologien, damit er ressourceneffizienter, umwelt1341

freundlicher und kostengünstiger produzieren kann. Zudem verlangen internationale Kunden immer häufiger Produkte mit niedrigem CO2-Ausstoss und Wasserverbrauch. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz unterstützt deshalb Beratungsstellen in Entwicklungsländern, welche den KMU Einsparpotenziale durch Effizienzsteigerungen aufzeigen sowie die Umstellung auf umweltfreundliche Produktionsprozesse und zweckmässiges Recycling erleichtern (vgl.

Ziff. 2.4).

Für die nachhaltige Bewirtschaftung der Naturressourcen hat die Schweiz insbesondere bei jenen Rohstoffen Einflussmöglichkeiten, für die sie im internationalen Handel eine führende Stellung einnimmt. Dies gilt einerseits für nachwachsende Rohstoffe (z.B. Baumwolle, Kaffee, Kakao). In diesem Zusammenhang unterstützt die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz sogenannte Rundtische, wo die zentralen Akteure (Produzenten, Händler, Konsumenten, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen) gemeinsam Nachhaltigkeitsstandards für solche Rohstoffe entwickeln, welche danach flächendeckend angewandt werden sollen. So hat die Schweiz im Berichtsjahr im Zeichen der Nachhaltigkeit stehende Jahreskonferenz des internationalen Baumwollrats in Interlaken durchgeführt. Anderseits beschäftigt sich die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz auch mit dem Sektor der mineralischen und fossilen Rohstoffe (vgl. Ziff. 5.5.1). Zudem hat der Bundesrat im Berichtsjahr eine interdepartementale Plattform unter der Leitung von EFD/EDA/EVD103 eingesetzt, um das in der Bundesverwaltung vorhandene Wissen zu verschiedenen Aspekten der Rohstoffbranche zusammenzutragen und entsprechende Grundlagen zu erarbeiten.

Durch Klimaschutzprogramme mit Entwicklungsländern sollen Treibhausgasemissionen möglichst wirksam und kostengünstig vermindert werden. Ein Weg hierzu ist die Stärkung des CO2-Zertifikathandels. Die Klimakonvention der UNO und ihr 2005 in Kraft getretenes Kyoto-Protokoll haben beim Aufbau der Carbon-Märkte Pionierarbeit geleistet. Die vorgesehen flexiblen Finanzierungsmechanismen leiden jedoch unter strukturellen Schwächen, wie etwa dem Preiszerfall der Zertifikate (aufgrund von Rezession und fehlenden CO2-Reduktionszielen nach 2012), der angebotsseitigen Marktdominanz Chinas sowie der teuren und zeitaufwändigen Zertifizierung. Diese
Schwächen sollen durch «neue Marktmechanismen» überwunden werden. Die Schweiz unterstützt deren Entwicklung und Erprobung, unter anderem durch die Beteiligung im Berichtsjahr an der Renewable Energy and Energy Efficiency Partnership mit mehreren OECD-Ländern. Ziel sind erhebliche CO2-Reduktionen in Schlüsselsektoren wie Schwerindustrie, Strassenverkehr oder Bausektor. Für Entwicklungsländer ergeben sich daraus auch ökonomische Vorteile wie Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, verbesserter öffentlicher Verkehr, energieeffizientere Gebäude und Konsumgüter.

103

Ab dem 1. Januar 2013: «Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)».

1342

6.4

Steuern und Entwicklung

6.4.1

Herausforderungen für die Entwicklungsländer

Aufgrund der einseitigen Abstützung der Steuersysteme vieler Entwicklungsländer auf Importzölle führte die Liberalisierung des Handels seit den 1980er-Jahren dort zu einem starken Rückgang der Steuereinnahmen. Die ärmsten Länder büssten dadurch seit Beginn dieser Entwicklung schätzungsweise siebzig Prozent ihrer Steuereinnahmen ein. Unter diesen Voraussetzungen ist es beispielsweise unmöglich, die für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung erforderlichen Infrastrukturen und Dienstleistungen zu finanzieren.

Diese wenig diversifizierten Steuersysteme sind unter anderem ein Grund, weshalb heute viele der ärmsten Länder stark von der Entwicklungszusammenarbeit abhängig sind. Diese Abhängigkeit birgt grosse Risiken und ist nicht nachhaltig. Zudem ergreifen einige Geberländer als Konsequenz der aktuellen Wirtschaftskrise zum Teil drastische Sparmassnahmen ­ auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. So haben im Berichtsjahr einige Geber eine Abnahme ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe verzeichnet. Umso wichtiger wird die Einrichtung eines effizienten Steuersystems in den Entwicklungsländern, damit diese die notwendigen Mittel für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen und die Finanzierung der Infrastruktur selber generieren.

Das Engagement der Schweiz wurde im Berichtsjahr an der Jahreskonferenz zur Entwicklungszusammenarbeit von DEZA und SECO am Beispiel eines Projekts in Ghana vorgestellt. Zusammen mit Deutschland unterstützt das SECO die ghanaischen Behörden bei der Umsetzung einer umfassenden Reform des Steuerwesens.

Dabei wurden die für die Festsetzung und Erhebung der Steuern zuständigen Instanzen zu einer einzigen Einrichtung fusioniert. Zudem wurde im Finanzministerium eine Spezialabteilung geschaffen, welche der Regierung eine strategische Ausrichtung für die Umsetzung ihrer Steuer- und Haushaltspolitik geben soll.

Das Steuerwesen ist ein wesentliches Element in der Förderung einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und der wirksamen Bekämpfung der Armut. Ein ungeeignetes Steuersystem oder eine für die Unternehmen zu schwerfällige Verwaltung können alle Bemühungen zur Stärkung des Privatsektors zunichte machen. Die Situation in den Entwicklungsländern ist diesbezüglich oft besorgniserregend.

Undurchsichtige, zu komplexe oder unausgewogene Steuersysteme, verbunden
mit einer geschwächten und häufig durch Korruption und Klientelismus geprägten Verwaltung, behindern die Umsetzung einer Strategie zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Auch der ausgedehnte informelle Sektor in den Entwicklungsländern ist weitgehend auf ein inadäquates Steuersystem zurückzuführen.

Neben den finanziellen Aspekten spielt die Steuerpolitik eine entscheidende Rolle bei der Staatsbildung und der Stärkung der staatlichen Institutionen. Über die Steuerpolitik legt ein Staat die Rechte und Pflichten des Einzelnen in Bezug auf dessen Beitrag zum Gemeinwohl fest. Damit schafft der Staat die Solidaritätsmechanismen, welche zur Stärkung des Zusammenhalts unerlässlich sind. Eine gute Steuerpolitik trägt somit zur politischen Stabilität bei und kann helfen, die Demokratisierung eines Staates zu festigen und die Legitimität seiner Institutionen zu stärken.

Anderseits kann ein unfaires Steuersystem soziale Spannungen verschärfen. Die Reform des Steuerwesens ist also wirtschaftlich, aber auch politisch prioritär.

1343

Die Stärkung der internationalen Kooperation in Steuerfragen hat in den vergangenen Jahren in zahlreichen internationalen Gremien (OECD, G20) an Bedeutung gewonnen. Angesichts der Steuerflucht aus Entwicklungsländern sind wichtige internationale Finanzplätze wie die Schweiz zur Zusammenarbeit aufgefordert, beispielsweise durch den Abschluss von Steuerinformationsabkommen. Seitens der internationalen Gemeinschaft ist die Unterstützung der Entwicklungsländer im Bereich des Aufbaus von Steuersystemen wünschenswert. Internationale Abkommen oder neue Gesetze werden eher konkrete Auswirkungen auf die Mobilisierung von Steuereinnahmen haben, wenn sie von einer Stärkung der zuständigen Steuerbehörden in Entwicklungsländern begleitet werden. Es sind deshalb beträchtliche Investitionen notwendig, sowohl in personeller Hinsicht als auch bezüglich Infrastruktur (insbesondere Informatik), damit eine verstärkte internationale Kooperation in Steuerfragen für die Entwicklungsländer von Nutzen ist. Aus diesem Grunde sind technische Unterstützung und die Ausbildung des Personals der Steuerverwaltungen Grundpfeiler der Programme der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz.

6.4.2

Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz

Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz unterstützt Entwicklungsländer bei der Umsetzung einer gerechten und wachstumsfördernden Steuerpolitik.

Die Schweiz arbeitet auf zwei Ebenen, um das Ziel einer gesunden Wirtschaftspolitik und nachhaltiger Staatsfinanzen zu erreichen. Einerseits unterstützt sie die Partnerstaaten bei der Stärkung ihrer Steuerpolitik und -verwaltungen, um die internen Einkünfte zu erhöhen. Im Berichtsjahr beteiligte sich die Schweiz beispielsweise an einem Programm des IWF zur Unterstützung der Steuerverwaltungen im Balkan.

Zudem unterstützt sie den Tax Policy and Administration Topical Trust Fund des IWF, welcher technische Unterstützung bei der Abfassung oder Anpassung der Gesetzgebung, institutionellen Reorganisationen oder der Optimierung von Besteuerungs- und Steuererhebungssystemen und -verfahren bietet. Sie fördert zudem die Vereinfachung der administrativen Verfahren, insbesondere für KMU, sowie den Abbau von sachlich nicht gerechtfertigten Vorzugsbehandlungen und Steuererleichterungen, welche zu Marktverzerrungen führen.

Anderseits unterstützt die Schweiz die Ausgabenseite, das heisst die für die Haushaltspolitik zuständigen Einrichtungen, damit die Mittel wirksam eingesetzt werden.

Das Ziel ist, dass die Mobilisierung von Steuereinnahmen der Entwicklung des Landes und der Armutsbekämpfung dient. Ein Schwerpunkt der schweizerischen Unterstützung liegt deshalb auf der Förderung einer kohärenteren Budgetplanung, einer grösseren Kostentransparenz und einer wirksameren Ausgabenkontrolle. So begann die Schweiz im Berichtsjahr ein bilaterales Unterstützungsprojekt im Bereich der öffentlichen Finanzen mit Peru.

Steuerreformen sind oft schwierig umzusetzen, weil Interessengruppen erheblichen Druck auf die Politik ausüben (z.B. für Steuererleichterungen). Um dem entgegenzuwirken, knüpft die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz die Gewährung von Budgethilfe an Fortschritte im Bereich der Steuerreform. So lässt

1344

sich ein gewisser Druck auf die Regierungen ausüben. Im Berichtsjahr bewilligte die Schweiz eine neue Phase der Budgethilfe an Ghana.

6.5

Arbeitsplätze ­ ein Hebel der Entwicklung

6.5.1

Beschäftigung im Fokus der Entwicklungspolitik

Fast 1,1 Milliarden Menschen im arbeitsfähigen Alter haben weltweit derzeit keine Arbeit oder verdienen so wenig, dass sie unterhalb der Armutsschwelle leben.104 Demzufolge braucht es in den kommenden zehn Jahren zusätzlich zu jenen Arbeitsplätzen, welche für die wachsende Weltbevölkerung bereitgestellt werden müssen, 600 Millionen neue Arbeitsplätze, um die vorhandene Arbeitslosigkeit abzubauen.

Deshalb wurde die Schaffung von Arbeitsplätzen mit fairer Entlöhnung und angemessenen Sozialleistungen und -standards zu einem wichtigen entwicklungspolitischen Anliegen auf nationaler und internationaler Ebene. Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist wesentlich, damit breite Bevölkerungsschichten in Entwicklungsund Schwellenländern vom Wachstum profitieren und die Armut nachhaltig gemindert werden kann. Menschenwürdige und fair bezahlte Arbeitsplätze ermöglichen ein Leben ohne Armut, stärken den Selbstwert des Einzelnen und den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. Beschäftigung bildet die Grundlage für einen höheren Lebensstandard, Produktivitätsgewinne und somit auch für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes.

6.5.2

Beitrag der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz

Die Schweiz misst übergeordneten Grundlagenanalysen grosse Bedeutung bei, weshalb sie auch regelmässig und gezielt internationale Studien finanziert. Im Berichtsjahr finanzierte sie zwei vielbeachtete Studien der Weltbankgruppe zum Thema Beschäftigung mit, darunter den richtungsweisenden «Weltentwicklungsbericht 2013»105, welcher Anfang November in Bern präsentiert wurde. Darin wird gezeigt, wie eine gezielte Kombination herkömmlicher und innovativer Politikansätze, angepasst an die jeweils vorherrschenden Rahmenbedingungen eines Landes, nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen erzeugen kann. Die Erkenntnisse aus diesen Berichten erlauben es, die Aktivitäten der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz in den folgenden vier Aktionsfeldern gezielter den Bedürfnissen der Entwicklungsländer anzupassen.

Zur Analyse und Steuerung der Wirtschaftspolitik braucht es statistische Grundlagen zur Aussenwirtschaft und Binnenwirtschaft, insbesondere solche zur Beschäftigung.

Dennoch gibt es kaum verlässliche Daten zur Beschäftigungslage in Entwicklungsländern. Die Schweiz fördert daher gezielt Arbeitsmarktanalysen, damit die Beschäftigungspolitik der Entwicklungsländer auf reale Bedürfnisse abgestimmt wird. In diesem Zusammenhang unterstützt die Schweiz ein gemeinsames Projekt der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und der Weltbank, welches die Massnahmen 104 105

IAO (2012) Globale Beschäftigungstrends 2012, Genf.

The World Bank (2012) World Development Report 2013, Washington DC.

1345

von 77 Ländern zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit in einer Datenbank erfasst. Diese erlaubt es, verschiedene Massnahmen zu vergleichen sowie angesichts der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise wirksame Ansätze zu identifizieren und zu verbreiten.

Die institutionellen und regulatorischen Rahmenbedingungen eines Landes beeinflussen das Arbeitsangebot und die Arbeitsnachfrage. Die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz setzt sich daher für deren effiziente Ausgestaltung ein. Der wirtschaftliche Strukturwandel soll sozial verträglich sein und auch den Ärmsten zu Gute kommen. Durch Regulierung sollen besser funktionierende Arbeitsmärkte geschaffen werden, welche die Schaffung von Unternehmen und Arbeitsplätzen erleichtern und die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmenden verbessern. Dazu zählen die Korrektur von Marktversagen, indem Wettbewerbsbeschränkungen behoben werden, sowie das Engagement für die weltweite Umsetzung der Arbeitsnormen der IAO. In Nordafrika und im Nahen Osten unterstützt die Schweiz eine wegweisende Initiative der Internationalen Finanz-Korporation (IFC): Das neue Programm Education for Employment hat zum Ziel, das Geschäftsumfeld für private Anbieter von postsekundärer Aus- und Weiterbildung zu verbessern. Damit soll der Wettbewerb gefördert und bestehende Unterschiede Abweichungen der Kenntnisse und Fähigkeiten der Universitätsabgänger von den Anforderungen des Arbeitsmarktes verringert werden.

In vielen Entwicklungsländern herrscht trotz hoher Arbeitslosigkeit in vielen Wirtschaftssektoren ein Arbeitskräftemangel: Die Arbeitsnachfrage ist oft gross, aber es mangelt an spezifischen Fachkräften. Solche Ungleichgewichte hemmen die wirtschaftliche Entwicklung und die für ein nachhaltiges Wachstum wichtige sektorielle Diversifizierung. Die Schweiz fördert daher gezielte Fähigkeiten und Kenntnisse von Arbeitnehmenden. Diese sind für die Produktivität ausschlaggebend und bringen den Unternehmern wie auch den Angestellten und ihren Familien Wohlstand und Sicherheit. In Vietnam unterstützt die Schweiz den Finanzsektor mit Schulungsprogrammen für leitende Bankangestellte mit dem Ziel, die fachliche Kompetenz des Bankpersonals durch eine praxisbezogene Ausbildung zu verbessern. Das seit 2009 laufende erfolgreiche Programm wurde im Berichtsjahr
bis 2016 verlängert.

Um die Nachfrage nach Arbeitskräften in Entwicklungsländern zu stärken, unterstützt die Schweiz Projekte, welche KMU administrative Erleichterungen bringen oder den Zugang zu Kapital und neuen Absatzmärkten verbessern. Die KMUFörderung schafft Arbeitsplätze und verhilft Angestellten und ihren Familien, der Armut zu entkommen. Im Berichtsjahr stand dieses Thema auch im Mittelpunkt der Jahreskonferenz von SECO und DEZA zur Schweizer Ostzusammenarbeit. Ein Beispiel der Schweizer Unterstützung ist der Start-up Fund des SECO. Der Fonds kann von Schweizer KMU für die Mitfinanzierung von Investitionsvorhaben in Entwicklungs- und Transitionsländern in Anspruch genommen werden, beispielsweise in den Sektoren Feinmechanik und Möbelherstellung. Weiter können Bauern und Unternehmen dank handelsfördernder Massnahmen neue Absatzmärkte erschliessen, ihr Angebot diversifizieren, ihre Produktion ausweiten und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.

1346

7

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen Die wichtigsten Wirtschaftspartnerländer der Schweiz sind mit geringem Wachstum, manche mit einer Rezession konfrontiert. In den meisten EU-Mitgliedstaaten ist das wirtschaftliche Umfeld schwierig und die Wachstumsaussichten für 2013 sind bescheiden, für einige Mitgliedstaaten sogar negativ.106 Die Schweiz hat der Abkühlung der Wirtschaft in ihren Nachbarländern bisher weitgehend widerstanden. Dies ist insbesondere auf eine gesunde Wirtschafts- und Finanzpolitik (Schuldenbremse, flexibler Arbeitsmarkt, anhaltende Binnennachfrage) sowie eine breite Diversifikation ihrer Wirtschaft und Exporte zurückzuführen. Die Geldpolitik (Festlegung des Mindestkurses gegenüber dem Euro) hat die unkontrollierte Wertsteigerung des Schweizerfrankens aufgehalten und ihn gegenüber dem Euro stabilisiert.

Dank global diversifizierten Partnerländern profitieren Schweizer Unternehmen zunehmend von aufstrebenden Wachstumsmärkten. Betrugen die schweizerischen Exporte in den heutigen EU-/EFTA-Raum im 2002 noch 62,7 Prozent der schweizerischen Gesamtexporte, verkleinerte sich dieser Anteil im Jahr 2011 auf 57,3 Prozent. Gleichzeitig nahmen die Exporte der Schweiz in Schwellenländer107 von 14,2 Prozent der schweizerischen Gesamtexporte auf 20,8 Prozent zu.

Die schweizerischen Exporte in solche Wachstumsmärkte stiegen in der erwähnten Zeitperiode drei Mal so stark (+113 %) wie in den EU-/EFTA-Raum (+33,2 %).108 Diese Tendenz dürfte sich weiter akzentuieren. Trotzdem werden die europäischen Nachbarstaaten, allen voran Deutschland, auch in den kommenden Jahren unsere wichtigsten Handelspartner bleiben.

7.1

Europa: Auswirkungen der Krise der Eurozone auf den Aussenhandel der Schweiz

Seit Beginn der Krise der Eurozone ging der Anteil des EU/EFTA-Raums am Schweizer Aussenhandel nur geringfügig zurück, von 69 Prozent (2009) auf 67 Prozent (2011). Dies erklärt sich durch die Bedeutung der Importe, deren Anteil von 78 Prozent stabil geblieben ist, während der Anteil der Schweizer Exporte in den EU/EFTA-Raum von 60 Prozent (2009) auf 57 Prozent (2011) sank. Die Schweizer Wirtschaft bleibt weitgehend von jener ihrer Nachbarn (Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich) abhängig, welche zusammen mehr als die Hälfte des 106

Griechenland (­4 %), Italien (­0,7 %), Portugal (­1 %), Spanien (­1,3 %) und Zypern (­1 %). Quelle: www.imf.org/.

107 Für diese Ländergruppe wurden einfachheitshalber diejenigen Länder benutzt, mit welchen die Schweiz ein FHA abgeschlossen hat, im Begriff ist, ein solches zu verhandeln, oder zumindest exploratorische Gespräche gestartet hat (ausgenommen werden die Länder Europas und der OECD): Ägypten, Algerien, China, Golfkooperationsrat (Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate), Hongkong, Indien, Indonesien, Jordanien, Kolumbien, Libanon, Malaysia, Marokko, MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay), Palästinensische Behörde, Peru, SACU (Botsuana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland), Singapur, Thailand, Tunesien, Türkei, Vietnam, zentralamerikanische Staaten (Costa Rica, Guatemala, Honduras, Panama), Zollunion Russland­Belarus­Kasachstan.

108 Zwischen 2002 und 2011 nahmen die Exporte der Schweiz weltweit um 45,7 % zu.

1347

Handelsvolumens der Schweiz ausmachen (182 Mrd. CHF von insgesamt 393 Mrd.

CHF).

Allerdings hatte die Krise einiger EU-Mitgliedstaaten direkte Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen. In Griechenland, Portugal und Spanien weist der Gesundheitssektor ein gravierendes Defizit auf, was dazu führt, dass die Krankenhäuser ihre Rechnungen zum Beispiel für Medikamente nicht mehr begleichen können und Zahlungsrückstände von manchmal mehr als einem Jahr anhäufen. Auch in Italien wurden Zahlungsrückstände gemeldet. In Spanien betrifft dieses Problem nicht nur die Schweiz, sondern alle Lieferanten des Pharmasektors. In Griechenland verschärfte sich das Problem des Zahlungsverzugs im Pharmabereich ­ das schon mehrere Jahre anhält ­ mit der Krise, so dass mehrere Unternehmen Arzneimittel nur noch gegen Barzahlung liefern. In Griechenland sind mit ein paar wenigen Ausnahmen alle Schweizer Unternehmen von der Krise betroffen. Die schwierige Lage in Griechenland, Portugal und Spanien widerspiegelt sich auch in den Schweizer Exporten in diese Länder, welche 2011109 und 2012110 stark zurückgingen.

In diesem schwierigen Wirtschaftsumfeld sind die Stärkung der Beziehungen mit den Nachbarländern der Schweiz sowie die Verbesserung der Rahmenbedingungen von besonderer Bedeutung. Die Nichtmitgliedschaft der Schweiz in der EU führt dazu, dass sie ihre Beziehungen mit ihren europäischen Partnern nie als gegeben betrachten kann und stets neue Anstrengungen unternehmen muss, um ihren Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten. Der Erhalt des Industriestandorts Schweiz, der in zunehmendem Wettbewerb mit aufstrebenden Schwellenländer steht, erfordert insbesondere eine intensivere Zusammenarbeit mit den Nachbarländern im Bereich Forschung und Innovation.

7.1.1

Das Beispiel Italien

Seit mehreren Jahren ist die Schweiz mit neuen italienischen Regulierungen konfrontiert (Zollkontrollen, italienische Dekrete), welche den Handel beeinträchtigen (vgl. Ziff. 1.3.2 und 1.3.3). In der Regel handelt es sich dabei nicht um spezifisch gegen die Schweiz gerichtete Hindernisse, sondern um Massnahmen gegenüber allen Drittländern. Durch bilaterale Kontakte und Vorstösse erinnert die Schweiz Italien regelmässig daran, dass diese Diskriminierungen gegen den Geist der bilateralen Abkommen Schweiz­EU verstossen (vgl. Ziff. 3.2).

Um diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen hat die Schweiz ihre bilateralen Kontakte mit Italien (Wirtschaftsdialog, Ministertreffen) sowie ihre Interventionen auf europäischer Ebene intensiviert. Das Ziel der Schweiz ist, die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu stärken sowie einen günstigen Rahmen für den Handel und die gegenseitigen Investitionen zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, Lösungen für die offenen Steuerfragen zu finden. Ein wichtiger Schritt erfolgte mit der Wiederaufnahme der Steuer- und Finanzverhandlungen (Regulierung von Vermögenswerten nichtansässiger Steuerpflichtiger in der Schweiz und Einführung einer Quellensteuer auf künftigen Kapitalerträgen, Zugang zu den Finanzmärkten, schwarze Listen, Revision des Doppelbesteuerungsabkommens, Vereinbarung über die Grenzgängerbesteuerung; vgl. Ziff. 1.3.2) im Mai. Zudem werden Initiativen 109 110

Griechenland (­14,6 %), Portugal (­13,6 %), Spanien (­9,0 %).

Griechenland (­13,4 %), Portugal (­8,4 %), Spanien (­5,3 %).

1348

umgesetzt, welche den bestehenden Wirtschaftsbeziehungen eine neue Dynamik verleihen sollen (Expo 2015 in Mailand, Zusammenarbeit im Energiesektor, Agrardialog, Projekt zur Zusammenarbeit zwischen Universitäten der Schweiz und Italiens).

Trotz den erwähnten diskriminierenden Massnahmen und dem von einer Rezession geprägten Wirtschaftsumfeld hat Italien auch im Jahr 2011 seinen Rang als zweitwichtigster Wirtschaftspartner der Schweiz seit 2004 beibehalten. Mit einem Anteil am Schweizer Aussenhandel von 9 Prozent liegt es hinter Deutschland (25,8 %) und vor Frankreich (7,8 %).

7.2

USA: Stärkung der Schweizer Stellung trotz schwieriger Wirtschaftslage

Vier Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise und dem Platzen der Immobilienblase setzt die US-Wirtschaft ihre langsame Erholung fort. Der Konsum als traditioneller Wachstumsmotor wird weiterhin durch Hypothekarschulden, welche den Wert der Liegenschaften übersteigen, und durch das Bestreben der Haushalte, durch Ersparnisse neu Vermögen zu bilden, gebremst. Trotz starker Lockerung der Geldpolitik, einem hohen Haushaltsdefizit und dem tiefen Zinsniveau bleibt die Arbeitslosigkeit hoch und das Wachstum gering. Das grosse Handelsdefizit weist ausserdem auf eine grosse Abhängigkeit von importierten Waren hin.

Dennoch bleiben die USA die grösste Volkswirtschaft der Welt und sind der zweitgrösste Exportmarkt für die Schweiz hinter Deutschland, mit einem Wachstum von rund zehn Prozent im Berichtsjahr. Hinsichtlich der Investitionen ist die Schweiz in den USA ausgezeichnet positioniert (212 Mrd. US-Dollar; über 430 000 Arbeitsplätze; pro Jahr 57 Mrd. US-Dollar Wertschöpfung und 9,1 Mrd. US-Dollar Ausgaben für Forschung und Entwicklung).111 Zur Stärkung ihrer politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit den USA verfügt die Schweiz über mehrere Instrumente, unter anderem eine bilaterale Wirtschaftskommission (SECO/State Department), eine Arbeitsgruppe für eine intensivere Kooperation (EDA/State Department), ein Kooperationsforum für Handel und Investitionen (SECO/USTR) sowie einen Business Hub. Während sich die bilaterale Wirtschaftskommission vorwiegend mit finanziellen und wirtschaftlichen Fragen von globaler und regionaler Tragweite beschäftigt, hat das Forum das Ziel, die technischen Handelsschranken abzubauen und den Abschluss von Vereinbarungen in gemeinsamen Interessenbereichen zu fördern. Die USA sind meistens einverstanden, die mit der EU ­ im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsdialogs ­ eingeführten Systeme auch auf die Schweiz auszudehnen, soweit sie davon betroffen ist. Im Datenschutzbereich ist in dieser Hinsicht auf die Einrichtung eines Systems für den erleichterten Datenaustausch zwischen in der Schweiz und in den USA niedergelassenen Unternehmen hinzuweisen. Verhandlungen laufen zurzeit über ein Abkommen über Amtshilfe in Zollsachen. Verhandlungen sind auch im Bereich der Handelssicherheit geplant, mit dem Ziel der gegenseitigen Anerkennung des Status der zugelassenen Wirtschaftsakteure, sowie für die gegenseitige Anerkennung

111

Ausländische Direktinvestitionen der Schweiz in den USA, Bericht 2012, Schweizer Botschaft, Washington, gestützt auf Zahlen des US-Handelsdepartements.

1349

biologischer Produkte. Auch eine gemeinsame Erklärung zu Grundsätzen des Handels mit Kommunikations- und Informationsdienstleistungen wird diskutiert.

In den letzten Jahren waren die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit den USA starkem Druck ausgesetzt. Nach der Beilegung des UBS-Falles gerieten andere Schweizer Banken mit Kunden in den USA ins Visier des US-Justizdepartements und müssen sich in einem Justizverfahren verantworten. Die Schweiz strebt eine globale Lösung für den gesamten Finanzplatz an. Ausserdem sprach sich die Schweiz für die Umsetzung des Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA)112 mittels eines Staatsvertrags aus, welcher am 3. Dezember 2012 in Washington paraphiert wurde. Auf dem Gebiet des geistigen Eigentums werden Gespräche über den Schutz des Urheberrechts im Internet und über die Beteiligung der Schweiz am Abkommen gegen Fälschung und Produktpiraterie (Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA) geführt. Der Congressional International Anti-Piracy Caucus hat die Schweiz zum ersten Mal auf seine watch list gesetzt, da ein ungenügender Schutz der Urheberrechte bestehe. Die Schweiz nahm dazu Stellung und erläuterte die Grundsätze des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992113. Sie verwies auf die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Suche nach Möglichkeiten, wie das Urheberrecht an die technologischen Entwicklungen angepasst und ein Gleichgewicht zwischen den Inhabern von Urheberrechten und den Internetnutzern gefunden werden kann. Ferner regte sie eine Diskussionsrunde im Rahmen des Kooperationsforums für Handel und Investitionen an, welche sich insbesondere mit Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem Logistep-Urteil des Bundesgerichts von 2010114 auseinandersetzen soll. Schliesslich erforderte der Verbleib der Schweiz im Visabefreiungsprogramm der USA die Verhandlung von zwei Abkommen über den Austausch von Polizeidaten.

In nächster Zeit könnte die geplante Annäherung zwischen den USA und der EU eine grosse Herausforderung für die Schweiz darstellen, insbesondere im Fall eines transatlantischen Freihandelsabkommens. Die Schweiz wird die Situation analysieren, sobald die Ergebnisse der laufenden vertieften Gespräche zwischen den USA und der EU bekannt sind. Es ist für die EU von grösster Bedeutung, die Beziehungen mit ihrem wichtigsten Wirtschaftspartner ständig zu
verbessern, während jener seine Beziehungen mit der Pazifikregion vertieft. Die Schweiz ist sowohl in Europa als auch gegenüber den USA und dem Pazifik stark engagiert und wird in den kom112

Der FATCA (Inkrafttreten am 1.1.2013) soll den US-Steuerbehörden ermöglichen, Einblick in alle Vermögenswerte auf Konten oder Depots von US-Steuerpflichtigen bei allen Banken weltweit zu erhalten. Für die Durchsetzung des FATCA führen die USA eine neue zusätzliche Quellensteuer von 30 % auf allen ausbezahlten Erträgen von US-Wertpapieren ein. Dazu gehören die Zinsen auf US-Obligationen und die Dividenden auf US-Aktien, aber auch der Verkaufsertrag solcher Wertpapiere. Die Erhebung der Quellensteuer für die betroffenen Personen kann von einer Bank nur vermieden werden, wenn sie mit der US-Steuerbehörde (Internal Revenue Service, IRS) einen Vertrag abgeschlossen hat, in welchem sie sich verpflichtet, periodisch alle US-Personen und US-Konten zu melden. Mit dieser Quellensteuer setzt der FATCA eine weltweite Transparenz hinsichtlich der Vermögenswerte auf Konten und Depots aller in den USA steuerpflichtigen US-Personen durch.

113 SR 231.1 114 Mit seinem Urteil vom 8. September 2010 (Bundesgerichtsentscheid 136 II 508) entschied das Bundesgericht, dass die Firma Logistep, welche gewerbsmässig IP-Adressen mutmasslicher Urheberrechtsverletzer gesammelt und an die Rechteinhaber verkauft hatte, mit ihrem Vorgehen gegen das Datenschutzgesetz verstossen hat. Dies führte dazu, dass verschiedene Strafverfahren wegen Urheberrechtsvergehen im Internet eingestellt wurden.

1350

menden Jahren weiterhin Brücken in alle Richtungen bauen müssen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

7.3

Asien: Positionierung der Schweiz im neuen Wachstumspol

Vor dem Hintergrund der weltweiten Wirtschaftsflaute erscheint Asien als die dynamischste Region und weist für das Berichtsjahr laut IWF115 eine durchschnittliche Wachstumsrate von geschätzten +5,5 Prozent auf (gegenüber +3,3 % im weltweiten Durchschnitt). Allerdings hängt das Wirtschaftswachstum vieler Länder dieser Region teilweise von ihrer Fähigkeit ab, Waren in die USA und in die heute in Schwierigkeiten befindlichen Volkswirtschaften Europas zu exportieren. Angesichts ihrer internen Herausforderungen setzten die USA in strategischer und wirtschaftlicher Hinsicht einen Schwerpunkt auf ihre Beziehungen mit dem Pazifikraum.

Dies zeigte sich namentlich im wachsenden Interesse Washingtons an der regionalen Integration Asiens im Allgemeinen (siehe unten) und besonders in den Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP).

Regionale Integration im Raum Asien­Pazifik Die ersten Projekte für eine regionale Integration in Asien gehen bis in die 1960erJahre zurück, doch der Trend beschleunigte sich seit dem Ende des kalten Krieges und der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft. Sehr schematisch lassen sich in diesem Regionalisierungsprozess zwei Tendenzen erkennen: ASEAN Der Verband Südostasiatischer Nationen (Association of South East Asian Nations, ASEAN) wurde 1967 von fünf südostasiatischen Nationen gegründet. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich die ASEAN erweitert. Ihr langfristiges Ziel ist die Bildung eines integrierten Binnenmarktes. Die ASEAN zählt heute zehn Mitgliedstaaten: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Seit den 1990er-Jahren hat sich eine ganze Architektur um die ASEAN herum gebildet, mit internationalen Treffen im Format ASEAN+3 (ASEAN und China, Japan, Republik Korea), ASEAN+8 beziehungsweise East Asia Summit (ASEAN+3 und Australien, Indien, Neuseeland, Russland, USA).

APEC Die 1989 gegründete Asiatisch-pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit (AsiaPacific Economic Cooperation, APEC) vereinigt verschiedene asiatische, amerikanische und ozeanische Anrainerstaaten des pazifischen Ozeans. Die APEC zählt heute 21 Mitglieder, darunter China, Japan, Russland und die USA. Gemeinsam erzeugen die APEC-Mitglieder 53 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts (BIP). In diesem Rahmen wurde 2002 eine
Initiative gestartet, welche das Stadium der nicht zwingenden zwischenstaatlichen Zusammenarbeit überschreiten und in Richtung einer vertraglichen wirtschaftlichen Integration gehen will: die TPP. Diese hat zum Ziel, eine grosse Freihandelszone im Raum Asien­Pazifik zu schaffen, auf 115

IWF, World Economic Outlook October 2012, vgl.

www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2012/02/pdf/text.pdf.

1351

der Grundlage eines ambitiösen Abkommens von grosser Tragweite. Die Verhandlungen umfassen neben dem Warenverkehr und dem Handel mit Dienstleistungen insbesondere auch Investitionen, den Schutz des geistigen Eigentums, das öffentliche Beschaffungswesen sowie Arbeits- und Umweltstandards. Die TPP umfasst Brunei, Chile, Neuseeland und Singapur.116 Die folgenden Länder haben Beitrittsverhandlungen aufgenommen: Australien, Kanada, Malaysia, Mexiko, Peru, die USA und Vietnam. Japan prüft zurzeit, dem Verhandlungsprozess beizutreten.

Seit einigen Jahren sind sich die Experten einig, dass Asien als einer der drei Pole der weltweiten Wirtschaftstätigkeit zu betrachten ist. Laut IWF trug Asien 1990 rund 13 Prozent zum weltweiten BIP bei, 2011 betrug der Anteil über 27,5 Prozent.

Angesichts der wachsenden Bedeutung Asiens für die Weltwirtschaft sowie des zunehmenden Engagements der Länder des amerikanischen Kontinents im Pazifikraum und der aktuellen Schwierigkeiten der europäischen Volkswirtschaften muss die Schweiz ihre Positionierung in der sich wandelnden Weltwirtschaft laufend anpassen.

Die Schweiz unterhält intensive Wirtschaftsbeziehungen mit Asien.117 Während 2002 der Handel der Schweiz mit Asien118 9,8 Prozent des gesamten Aussenhandels betrug, erreichte er 2011 über 14,1 Prozent und wächst weiterhin schneller als der Schweizer Aussenhandel mit der übrigen Welt. Allerdings dürften die spektakulären Wachstumsraten der letzten rund fünfzehn Jahre in einigen asiatischen Ländern nicht auf diesem hohen Niveau verharren, da sie durch die globale Abkühlung der Wirtschaft, aber auch durch interne strukturelle Schwierigkeiten (Verzögerungen bei der Umsetzung von Wirtschaftsreformen, Umweltverschmutzung, soziale Ungleichheiten, demografische Alterung) beeinträchtigt werden. Auch die Schweiz würde die Auswirkungen eines Rückgangs der asiatischen Nachfrage zu spüren bekommen.

Um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen, verabschiedete das EVD119 im Februar eine aussenwirtschaftspolitische Strategie zu Asien. Diese zieht eine Bilanz der Beziehungen der Schweiz mit dieser Region und identifiziert Ziele, welche die Schweiz verfolgen sollte, um ihre Interessen in Asien bestmöglich zu vertreten: 1) die Bundesbehörden müssen ihre Aktivität auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsbeziehungen
konzentrieren, insbesondere auf den Abschluss von Wirtschaftsabkommen, und zur Entwicklung einer guten wirtschaftlichen Gouvernanz in Asien beitragen; 2) Es ist wichtig, das Aussennetz der Schweiz in Asien sowie die Kompetenzen zu erweitern, dank denen wir die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen in dieser Region besser erkennen können; und 3) unsere heutigen Wirtschaftsbeziehungen sind relativ stark auf eine beschränkte Zahl von Partnern konzentriert (China, Japan und Singapur), somit profitiert die Schweiz nicht voll vom wirtschaftlichen Aufschwung in Asien. Die 116

Das TPP basiert auf dem Trans-Pacific Strategic Economic Partnership (auch SEP oder P4 genannt). Dieses FHA zwischen Brunei, Chile, Neuseeland und Singapur war am 1. Januar 2006 in Kraft getreten. Die Beitrittsklausel des SEP gibt anderen Staaten die Möglichkeit, dem Abkommen beizutreten.

117 OECD Economic Surveys: Switzerland 2011, OECD Publishing, S. 11.

118 Im Verständnis der aussenwirtschaftspolitischen Strategie des EVD gegenüber Asien umfasst Asien die folgenden Länder: Bangladesch, Brunei, China (mit Hongkong, Macao und chinesischem Taipei), Indien, Indonesien, Japan, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Pakistan, die Philippinen, Republik Korea, Singapur, Sri Lanka, Thailand und Vietnam.

119 Ab dem 1. Januar 2013: «Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF)».

1352

Bundesbehörden sollten sich daher für die Verbesserung der Rahmenbedingungen mit den aufstrebenden Partnern der Region einsetzen, um Anreize für den Privatsektor zu schaffen, seine Beziehungen in Asien zu diversifizieren.

Aus struktureller Sicht ist darauf hinzuweisen, dass verschiedene Delokalisierungen nach Asien Ängste hervorriefen, die Schweiz könnte sich entindustrialisieren und dabei einen Teil ihres Know-hows verlieren. Während die Delokalisierungen eine zunehmende internationale Arbeitsteilung widerspiegeln, von welcher die Schweiz insgesamt profitiert, könnten sie auch die Abhängigkeit der Schweizer Wirtschaft von aus Asien importierten Halbfabrikaten erhöhen. Neben den Risiken im Zusammenhang mit Ereignissen, welche die Produktionsstätten in Asien beeinträchtigen (z.B. die nukleare Katastrophe vom 11. März 2011 in Japan oder die Überschwemmungen in Thailand) ist auch die Anfälligkeit der Versorgungslinien der Schweiz nicht zu unterschätzen. Ein Grossteil der von der Schweiz importierten Waren wird über den Seeweg transportiert. Anhaltende Unruhen im Südchinesischen Meer, ein Konflikt im persischen Golf oder ein neues Erstarken des Piratentums entlang der somalischen Küste können gravierende Auswirkungen auf unsere Versorgung haben. Das WBF wird sich in den kommenden Monaten mit gewissen Aspekten einer möglichen Abhängigkeit des Wirtschaftsstandortes Schweiz von Asien befassen.

7.4

Arabischer Raum: Auswirkungen der Umwälzungen auf die Schweizer Wirtschaftsinteressen

Wie schon im Vorjahr standen die Länder des Mittleren Ostens und Nordafrikas (MENA) auch im Berichtsjahr im Zeichen der politischen Umwälzungen des «Arabischen Frühlings». Diese haben die MENA-Region seit deren Beginn im Jahr 2010 stark geprägt und es muss davon ausgegangen werden, dass die politische Transition in den betroffenen Ländern einen länger dauernden Prozess darstellt. Die Schweiz hat ­ nicht zuletzt aufgrund ihrer geografischen Nähe ­ ein grosses Interesse an stabilen demokratischen Verhältnissen in dieser Nachbarregion Europas, auch vor dem Hintergrund ihrer wirtschaftlichen, sicherheits- und migrationspolitischen Beziehungen. Um den Übergangsprozess aktiv zu begleiten und zu unterstützen, hat die Schweiz ihr Engagement in verschiedenen Schlüsselbereichen verstärkt, unter anderem auch im Bereich der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Im arabischen Raum war das Berichtsjahr geprägt von Regierungsbildungsprozessen. So auch in Libyen, wo nach 42 Jahren Regentschaft des früheren Staatsoberhaupts Muammar Gaddafi und einem mehrere Monate andauernden bewaffneten Konflikt der politische Wandel eingeleitet wurde. Das Wirtschafts- und Handelsembargo gegenüber der Schweiz, welches das Gaddafi-Regime aufgrund der damaligen diplomatischen Spannungen im Dezember 2008 verhängt hatte, wurde im Januar offiziell aufgehoben. Somit normalisierten sich im Berichtsjahr die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen mit Libyen wieder. Es zeigt sich, dass die schweizerischen Exporte nach Libyen im Berichtsjahr zwar wieder zulegten, sich aber noch auf einem tieferen Niveau als im Jahr 2008 befinden.120 Die Importe aus Libyen verzeichneten dagegen einen Zuwachs von über 700 Prozent, weil Libyen wieder zum 120

2012 (Januar­Oktober): 175,1 Mio. CHF; 2008: 282,4 Mio. CHF.

1353

wichtigsten Erdöllieferanten der Schweiz (57 % der gesamten Rohölimporte) aufgestiegen ist. Abgesehen von den Rohölimporten121 bleibt das Gesamthandelsvolumen mit Libyen jedoch bescheiden.

Bei den Exporten der Schweiz in die nordafrikanische Region zeigt sich im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr ein Einbruch von 7,1 Prozent auf 1,7 Milliarden Schweizerfranken. In den ersten neun Monaten des Berichtsjahres verzeichneten die Schweizer Exporte im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode aber bereits wieder eine Zunahme von 10,5 Prozent. Solche Schwankungen der Exporte in die nordafrikanische Region sind jedoch nicht unüblich, weshalb bei Rückschlüssen aus der politischen Umwälzung im arabischen Raum auf das bilaterale Handelsvolumen Vorsicht geboten ist. Sind beispielsweise die Exporte nach Ägypten, dem grössten Handelspartner der Schweiz in Nordafrika, von 2010 bis 2011 um 15,9 Prozent zurückgegangen, verzeichneten jene nach Tunesien in der gleichen Zeitperiode einen Zuwachs von 17,5 Prozent. Im Berichtsjahr wuchsen die Exporte nach Ägypten aber bereits wieder, während diejenigen nach Tunesien sanken. Über die letzten zehn Jahre blieb der Anteil des Handelsvolumens mit den nordafrikanischen Staaten am schweizerischen Gesamthandelsvolumen mit 0,7 Prozent auf relativ geringem Niveau konstant. Schweizer Wirtschaftsakteure verfolgen zurzeit die weiteren Entwicklungen in Bezug auf Chancen und Risiken, welche sich durch die Bildung von neuen Regierungen und sozioökonomische Veränderungen in der Region ergeben.

In den reichen Ländern des Kooperationsrats der Arabischen Golfstaaten (GCC)122 zeichnet sich ein ganz anderes Bild ab. Mit Ausnahme von Bahrain hatte der «Arabische Frühling» relativ geringe Auswirkungen auf diese Ländergruppe. Diese profitierte im Berichtsjahr von hohen Erdölpreisen und trieb damit grosse Investitionsprojekte voran. Im Berichtsjahr entwickelte sich diese Region gemäss IWF mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 6 Prozent weltweit gesehen überdurchschnittlich. Dass auch die Schweizer Unternehmen von dieser Wachstumsregion profitieren, zeigt sich an den Handelszahlen, wobei die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabien den weitaus grössten Anteil am Volumen der Schweizer Exporte in die GCC-Region haben. Von 2002 bis 2011 haben sich die Exporte der
Schweiz in die VAE von rund 1,1 Milliarden auf fast 2,8 Milliarden Schweizerfranken mehr als verdoppelt, während die Exporte nach Saudi-Arabien von 1,3 Milliarden auf 1,6 Milliarden Schweizerfranken gestiegen sind. Die Schweiz verzeichnete dabei im Jahr 2011 gegenüber den VAE einen Handelsbilanzüberschuss von fast 2,4 Milliarden und gegenüber Saudi-Arabien von 1,5 Milliarden Schweizerfranken. Diese Tendenz setzte sich im Berichtsjahr fort.

121 122

2012 (Januar­Oktober) betrugen die Rohölimporte aus Libyen über 1 Mrd. CHF.

Golf Cooperation Council: Bahrein, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate.

1354

7.5

Wichtigste Wirtschaftsmissionen und weitere bilaterale Arbeitstreffen

Land

Europa Deutschland

Arbeitsbesuch des EVD-Vorstehers Johann N.

Schneider-Ammann beim Bundesminister Philipp Rösler, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (20. Januar).

Deutschland

Arbeitsbesuch des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer beim EVD-Vorsteher (13. Februar).

Polen

Wirtschaftsmission des EVD-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung (15.­17. Februar).

Türkei

Wirtschaftsmission des EVD-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung (21.­23. März).

Deutschland

Arbeitsbesuch des baden-württenbergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann beim EVD-Vorsteher (30. April ).

Frankreich

Arbeitsbesuch des EVD-Vorstehers beim Arbeitsminister Michel Sapin (23./24. Mai).

Russland

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch mit Privatsektorbeteiligung (29. Mai­2. Juni ).

Deutschland, Österreich

Jährliches Dreiertreffen der Wirtschaftsminister (22./23. Juni).

Deutschland

Arbeitsbesuch von Staatssekretär Stefan Kapferer, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, bei der SECO-Staatssekretärin (16. August).

Italien

Arbeitsbesuch des EVD-Vorstehers beim Minister für wirtschaftliche Entwicklung Corrado Passera (30. November).

1355

Land

Weltweit China

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (26.­31. März).

Südafrika

Arbeitsbesuch des Handels- und Industrieministers Rob Davies beim EVD-Vorsteher (21. Juni).

China

Wirtschaftsmission des EVD-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung (9.­13. Juli).

Vietnam

Arbeitsbesuch des Vize-Premierministers Nguyen Thien Nhan (30. August).

Katar

Wirtschaftsmission der SECO-Staatssekretärin mit Privatsektorbeteiligung (9./10. Oktober).

Vereinigte Arabische Emirate

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (11./12. Oktober).

Japan

Arbeitsbesuch des EVD-Vorstehers (11. Oktober).

Hongkong

Arbeitsbesuch der SECO-Staatssekretärin (15. Oktober).

Singapur, Malaysia

Wirtschaftsmission des EVD-Vorstehers mit Privatsektorbeteiligung (1.­5. November).

8

Exportkontroll- und Embargomassnahmen Seit mehreren Jahren arbeitet die internationale Gemeinschaft im Rahmen der UNO auf den Abschluss eines internationalen Waffenhandelsvertrags hin. Die Schweiz setzt sich weiterhin für das baldige Zustandekommen eines umfassenden und wirkungsvollen Waffenhandelsvertrages ein.

Im Rahmen der Gruppe der Nuklearlieferländer findet bis Mitte 2013 eine komplette Überarbeitung der Kontrolllisten für Nukleargüter und nuklear relevante doppelt verwendbare Güter statt. Eine Reihe revidierter Kontrolltexte wurde bereits verabschiedet. Die Schweiz reichte einen eigenen Vorschlag für eine Neuausrichtung der Kontrollen von Werkzeugmaschinen ein.

Im Bereich der Embargomassnahmen stand die weitere Verschärfung der internationalen Sanktionen gegenüber Iran und Syrien im Vordergrund. Die restriktiven Massnahmen gegenüber Myanmar (Burma) wurden nach zwölf Jahren grösstenteils aufgehoben.

1356

8.1

Massnahmen zur Nichtweiterverbreitung von Gütern zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen und deren Trägersystemen sowie von konventionellen Waffen

8.1.1

Politische Entwicklungen international und national

Verhandlungen über einen internationalen Waffenhandelsvertrag Seit mehreren Jahren arbeitet die internationale Gemeinschaft im Rahmen der UNO auf den Abschluss eines internationalen Waffenhandelsvertrags (Arms Trade Treaty, ATT) hin. Ziel dieses Vertrags ist die rechtsverbindliche Regelung des grenzüberschreitenden Handels mit konventionellen Rüstungsgütern, welche zu mehr Verantwortung und Transparenz im internationalen Waffenhandel und zur Bekämpfung des illegalen Waffenhandels führen soll.

Im Juli fand eine diplomatische Konferenz zur Aushandlung des ATT am Hauptsitz der UNO in New York statt. Die Vertragsstaaten konnten sich jedoch nicht auf die Verabschiedung eines Vertragstextes einigen, weshalb die Konferenz scheiterte.

Grund dafür dürften die zum Teil gegensätzlichen Interessen der Staaten im Bereich des internationalen Waffenhandels sein. Von Rüstungsimporten abhängige Staaten befürchten unter anderem, dass ein ATT sie bei der Beschaffung von notwendigen Rüstungsgütern zur Selbstverteidigung und für die Aufrechterhaltung der Sicherheit einschränken könnte. Gewisse wichtige Waffen-exportierende Staaten scheinen aber ebenso kein Interesse daran zu haben, ihre Exportpraxis einer strengen internationalen Regelung zu unterwerfen.

Die aus dem unkontrollierten internationalen Waffenhandel resultierenden Probleme können nur auf globaler Ebene wirkungsvoll gelöst werden. Dementsprechend setzt sich die Schweiz seit Beginn des Prozesses sowie anlässlich der ATT-Verhandlungskonferenz aktiv für einen umfassenden und starken ATT ein. Die Schweiz wird ihr Engagement fortführen und aktiv zu den Bemühungen für das baldige Zustandekommen des ATT beitragen. Aufgrund ihrer humanitären Tradition, ihrer Sicherheits- und Friedenspolitik sowie ihrer strengen Gesetzgebung und Bewilligungspraxis betreffend Rüstungsausfuhren ist sie ein glaubwürdiger Verhandlungspartner.

Überarbeitung der Kontrolllisten durch die Gruppe der Nuklearlieferländer Im Rahmen der Gruppe der Nuklearlieferländer (Nuclear Suppliers Group, NSG)123 ­ das internationale Exportkontrollregime für Nukleargüter und nuklear relevante doppelt verwendbare Güter (Dual-use-Güter) ­ findet von 2010 bis 2013 eine komplette Überarbeitung der bestehenden Kontrolllisten statt. Ziel ist es, diese Listen dem aktuellen Stand der Technik anzupassen und somit
ihre fortlaufende Relevanz sicher zu stellen. Die Schweiz gehört weltweit zu den vier grössten Exporteuren von kontrollierten Dual-use-Gütern und hat somit ein grosses Interesse, diese international harmonisierten Kontrollen aktiv mitzugestalten.

Anlässlich dieser Totalrevision wurden im Berichtsjahr revidierte Kontrollen für 26 Einträge verabschiedet, darunter auch für Druckmessgeräte. Diese kommen für 123

Die NSG umfasst 47 Teilnehmerstaaten: Alle 27 EU-Mitgliedstaaten, Argentinien, Australien, Belarus, Brasilien, China, Island, Japan, Kanada, Kasachstan, Kroatien, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Republik Korea, Russland, Schweiz, Südafrika, Türkei, Ukraine, USA.

1357

zahlreiche unproblematische Zwecke zum Einsatz, können aber auch in einer Gaszentrifuge für die Urananreicherung im Rahmen eines Atomwaffenprogramms verwendet werden. In der Vergangenheit wurden Schweizer Druckmessgeräte, welche nicht von den Kontrollen erfasst waren, über Drittstaaten in den Iran weitergeleitet. Mit der erwähnten Revision wurden die Kontrollen den neusten technischen Entwicklungen angepasst und insbesondere weiteren relevanten Materialien Rechnung getragen.

Die Schweiz reichte im Rahmen der Listenüberarbeitung einen Vorschlag betreffend Kontrollen von Werkzeugmaschinen ein. Ziel ist es, die Kontrollen qualitativ zu verbessern und gleichzeitig auf jene Güter zu konzentrieren, welche nicht auch ausserhalb der NSG verfügbar sind. Indem die Schweiz fundiertes technisches Wissen einbringt, kann sie die Diskussionen massgeblich mitgestalten. Zurzeit ist offen, ob die von der Schweiz vorgeschlagene Neuausrichtung der Kontrollen auf Unterstützung der anderen NSG-Teilnehmer stossen wird.

8.1.2

Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes

Die Kontrolle von Dual-use-Gütern und besonderen militärischen Gütern wird im Rahmen des Güterkontrollgesetzes vom 13. Dezember 1996124 umgesetzt. Vom 1. Oktober 2011 bis 30. September 2012 wurden Bewilligungen im Gesamtwert von rund 2 999,8 Millionen Schweizerfranken ausgestellt. Da jene Güter, welche mit einer Generalausfuhrbewilligung exportiert wurden, nicht in dieser Summe enthalten sind, liegt der Gesamtwert aller mit einer Bewilligung ausgeführten Güter um ein Vielfaches höher. Ablehnungen von bewilligungspflichtigen Gütern wurden keine erfasst. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Exporteure in der Regel in kritischen Fällen und nach Absprache mit dem SECO auf das Einreichen eines offiziellen Ausfuhrantrages verzichten. Nachfolgend die wichtigsten Zahlen zu den Ausfuhren im Rahmen des Güterkontrollgesetzes in der erwähnten Zeitperiode im Überblick: Einzelbewilligungen1 ­ Nuklearbereich (NSG): ­ eigentliche Nukleargüter ­ doppelt verwendbare Güter ­ doppelt verwendbare Güter im Chemie- und Biologiewaffenbereich (AG) ­ doppelt verwendbare Güter im Raketenbereich (MTCR) ­ Bereich konventionelle Waffen (WA): ­ doppelt verwendbare Güter ­ besondere militärische Güter (ohne Kriegsmaterial)

124

SR 946.202

1358

Anzahl

Wert in Mio. CHF

61 604

27,8 290,8

200

34,7

41

16,8

849 190

334 2 266

Einzelbewilligungen1 ­ Waffen (nach Anhang 5 GKV)2

Anzahl

Wert in Mio. CHF

125

2,1

­ Sprengstoff (nach Anhang 5 GKV)3

21

6,1

­ bewilligte Güter nach ChKV

14

0,09

2 152

2 999,8

Anzahl

Wert in CHF

­ ­ ­ ­ 2

­ ­ ­ ­ 26 322

2

26 322

Anzahl

Wert in Mio. CHF

1 009

511,5

Total Abgelehnte Ausfuhren ­ ­ ­ ­ ­

im Rahmen der NSG im Rahmen der AG im Rahmen des MTCR im Rahmen des WA im Rahmen der «Catch-all»-Regelung

Total

Meldungen nach Art. 4 GKV (Catch-all)

Anzahl Generalausfuhrbewilligungen4 ­ Ordentliche Generalausfuhrbewilligungen (OGB nach GKV) ­ Ausserordentliche Generalausfuhrbewilligungen (AGB nach GKV) ­ Generalausfuhrbewilligungen (nach ChKV)

122 28 9

Total

159

Einfuhrzertifikate

547

1 2 3 4

Gewisse Bewilligungen können doppelt aufgeführt sein, da sie von zwei Exportkontrollregimen erfasst werden.

Waffen, deren Ausfuhr nur national (Waffengesetz vom 20. Juni 1997; SR 514.54), nicht aber international kontrolliert ist.

Sprengstoff, dessen Ausfuhr nur national (Sprengstoffgesetz vom 25. März 1977; SR 941.41), nicht aber international kontrolliert ist.

Es handelt sich um sämtliche gültigen Generalausfuhrbewilligungen. Diese haben eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren.

1359

8.2

Embargomassnahmen

8.2.1

Embargomassnahmen der UNO und der wichtigsten Handelspartner

Im Bereich der wirtschaftlichen Embargomassnahmen ist die Schweiz verpflichtet, die völkerrechtlich verbindlichen Sanktionsbeschlüsse des UNO-Sicherheitsrates umzusetzen. Darüber hinaus hat die Schweiz seit 1998 praktisch alle wichtigen Sanktionsbeschlüsse der EU, des wichtigsten Handelspartners der Schweiz, mitvollzogen. Der Entscheid, ob und inwieweit sich die Schweiz derartigen EU-Massnahmen anschliesst, wird vom Bundesrat im Einzelfall geprüft und aufgrund einer umfassenden Interessensabwägung getroffen. Ein Abseitsstehen der Schweiz birgt die Gefahr, dass die von der EU beschlossenen Handels- und Finanzrestriktionen über die Schweiz unterlaufen werden.

Im Berichtsjahr stand die weitere Verschärfung der Sanktionen gegenüber Iran und Syrien im Zentrum. Während die restriktiven Massnahmen gegenüber Myanmar (Burma) grösstenteils aufgehoben wurden, traten neue Sanktionen gegenüber Guinea-Bissau in Kraft.

Die mangelnde Kooperation Irans im Hinblick auf die Schaffung von Transparenz zu seinem umstrittenen Nuklearprogramm hatte eine weitere Verschärfung der Sanktionsmassnahmen der USA, der EU und weiterer Staaten zur Folge. Der UNOSicherheitsrat ergriff hingegen keine weiteren Massnahmen gegenüber Teheran. Die von der EU im Januar beziehungsweise März beschlossenen zusätzlichen Sanktionsmassnahmen wurden von der Schweiz grösstenteils übernommen.125 Sie betreffen ein Lieferverbot für Ausrüstungsgüter für die iranische petrochemische Industrie sowie Finanzierungsverbote in diesem Bereich, ein Verbot des Kaufs und Verkaufs von Edelmetallen und Diamanten an beziehungsweise von staatlichen iranischen Stellen, ein Verbot der Lieferung von Ausrüstungen, welche zur Überwachung des Internets oder zum Abhören des Telefonverkehrs benützt werden können sowie die Ausweitung der bewilligungspflichtigen Geldtransfers auf Bargeldzahlungen. Die bereits bestehenden Listen von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, deren Export in den Iran verboten oder bewilligungspflichtig ist, wurden angepasst. Die Listen von sanktionierten natürlichen und juristischen Personen wurden in Anlehnung an die EU ebenfalls ausgeweitet. Insbesondere aus aussenpolitischen Gründen (Ausübung des Schutzmachtmandates für die USA in Iran) wurden die von der EU verhängten Sanktionen jedoch nicht vollständig übernommen. So wurde die iranische
Zentralbank vom Bundesrat nicht mit Sanktionen belegt. Aus denselben Gründen wurden Geschäfte mit iranischem Erdöl und petrochemischen Produkten nicht wie in der EU verboten, sondern einer Meldepflicht an das SECO unterstellt. Die Schweiz importiert seit 2006 kein Rohöl aus Iran. Insbesondere die sukzessive Ausweitung der US-Sanktionen gegenüber Iran führte dazu, dass das internationale Bankensystem bezüglich Finanztransfers von und nach Iran eine äusserst grosse Zurückhaltung zeigte. Direkte Zahlungen über das Schweizer Bankensystem kamen praktisch zum Erliegen, was eine Reihe von Exporteuren, beispielsweise die Pharmabranche, vor grosse Probleme stellte. Auch die Rückzahlung von SERVversicherten Exportkrediten geriet ins Stocken. Das SECO unterstützt die betroffenen Unternehmen soweit möglich bei der Suche nach alternativen Zahlungswegen.

125

AS 2012 1945 2883 3869 4559

1360

Es muss verhindert werden, dass die Lieferung von Nahrungsmitteln und Medikamenten wegen Sanktionsmassnahmen beeinträchtigt wird.

Angesichts der gewaltsamen Auseinandersetzungen und des kompromisslosen und blutigen Vorgehens des syrischen Regimes gegen die Zivilbevölkerung hatte die Schweiz bereits am 18. Mai 2011 Sanktionsmassnahmen gegenüber Syrien ergriffen und diese kontinuierlich verschärft. Der UNO-Sicherheitsrat konnte sich auch im Berichtsjahr nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen und überliess damit das Feld der Initiative einzelner Mitgliedstaaten. Die EU, wie auch andere Staaten, erliessen schärfere Massnahmen gegenüber Damaskus. Damit soll der Druck auf das Regime von Präsident Bashar al-Assad erhöht werden, damit dieses die Gewalt einstellt und die Missachtung der Menschenrechte beendet. Der Bundesrat orientierte sich wie bereits im Vorjahr an den von Brüssel beschlossenen Sanktionsmassnahmen und verschärfte die Schweizer Sanktionen in mehreren Schritten, wozu die bisher gültige Verordnung einer Totalrevision unterzogen wurde.126 Neu wurde die Ausfuhr von wichtigen Ausrüstungsgütern für die Erdöl- und Erdgasindustrie, für die Erstellung neuer Kraftwerke sowie zur Überwachung des Internets und des Telefonverkehrs untersagt. Die Erbringung von Dienstleistungen und die Gewährung von Finanzmitteln in diesem Zusammenhang wurden ebenfalls verboten. Die Lieferung und der Kauf von Edelmetallen und Diamanten an den bzw. vom syrischen Staat wurden untersagt, ebenso Frachtflüge syrischer Luftverkehrsgesellschaften aus der beziehungsweise in die Schweiz. Im Finanzbereich wurde neu die syrische Zentralbank den Sanktionen unterstellt und somit ihre Gelder in der Schweiz eingefroren. Der Handel mit neu ausgegebenen staatlichen syrischen Anleihen wurde untersagt. In der Schweiz tätige Finanzinstitute dürfen keine neuen Geschäftsbeziehungen mit syrischen Banken eingehen, und der Abschluss neuer Versicherungen und Rückversicherungen mit dem syrischen Staat wurde verboten.

Im Gegensatz zu Iran hat der Bundesrat gegenüber Syrien ab dem 24. September 2011 das EU-Erdölembargo übernommen. Aufgrund der Finanzsanktionen wurden in der Schweiz syrische Vermögenswerte im Umfang von rund 130 Millionen Schweizerfranken blockiert. Eine Reihe von syrischen natürlichen und juristischen Personen ergriffen dagegen
Rechtsmittel und strengten vor dem Bundesverwaltungsgericht Rekurse an. In zwei Fällen wurden die abschlägig ausgefallenen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts an das Bundesgericht weitergezogen.

Die seit Oktober 2000 in Kraft stehenden und in der Zwischenzeit mehrmals verschärften Sanktionen gegenüber Myanmar (Burma) wurden am 9. Mai grösstenteils aufgehoben.127 Der Bundesrat reagierte damit auf den unter Präsident Thein Sein verzeichneten Demokratisierungsprozess und die Fortschritte im Bereich der Menschenrechte. Lediglich das Embargo für Rüstungs- und Repressionsgüter wurde, in Übereinstimmung mit der Sanktionspolitik anderer Staaten, vorläufig beibehalten.

Sollte sich die politische Situation in Myanmar wieder wesentlich verschlechtern, ist der Bundesrat bereit, die Zwangsmassnahmen im Einklang mit den wichtigsten Handelspartnern wieder zu verschärfen.

126 127

AS 2012 1209 2339 3257 3489 4061 4375 4615) AS 2012 2885

1361

Gegenüber der Putschregierung von Guinea-Bissau erliess der Bundesrat am 1. Juni Finanz- und Reisesanktionen.128 Damit setzte er die vom UNO-Sicherheitsrat mit der Resolution 2048 ergriffenen Massnahmen sowie die von der EU zusätzlich beschlossenen Restriktionen um.

Die übrigen Sanktionsverordnungen wurden weitergeführt und wo nötig angepasst.

8.2.2

Massnahmen gegen Konfliktdiamanten

Um zu verhindern, dass Rohdiamanten aus Konfliktgebieten in den legalen Handel gelangen, beteiligt sich die Schweiz seit 2003 am internationalen Zertifizierungssystem für Rohdiamanten des Kimberley Prozesses. Die entsprechenden Massnahmen wurden auch im vergangenen Jahr weitergeführt.

Unter der Präsidentschaft der USA steuerte der Kimberley-Prozess auf sein zehnjähriges Bestehen zu. Im Jubiläumsjahr 2013 wird erneut Südafrika, welches die Verhandlungen zur Etablierung des Zertifizierungssystems lanciert hatte, den Prozess leiten. Der Kimberley Prozess zählt mittlerweile 80 Teilnehmerstaaten.

Dank deutlicher Fortschritte bei der Implementierung des Kimberley-Prozesses in Simbabwe wurde die Spezialordnung, welcher Harare seit 2009 unterstellt war, aufgehoben. Der Kimberley Prozess hatte die Diamantenexporte aus Simbabwe mit besonderen Kontrollen belegt, nachdem bekannt geworden war, dass es beim Abbau der Diamantenvorkommen im Marange-Gebiet zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Armee gekommen war.

Nach mehrjährigen Verhandlungen einigten sich die Teilnehmerstaaten zudem auf die Einrichtung einer administrativen Unterstützung für den Prozess, mit dem Ziel, die alljährlich rotierende Präsidentschaft administrativ zu entlasten. Die entsprechenden Dienstleistungen sollen unentgeltlich vom Weltdiamantenrat erbracht werden.

Weiterhin unterstützt die Schweiz mit einem geringen finanziellen Beitrag Projekte in afrikanischen Produktionsländern zur Verhinderung und Bekämpfung von Schmuggel, zur Gewaltprävention im Diamantenbereich und zur Erhöhung des direkten Nutzens für die lokalen Diamantenschürfer.

Die Schweiz stellte zwischen dem 1. Oktober 2011 und dem 30. September 2012 insgesamt 674 Zertifikate für Rohdiamanten aus. In dieser Zeitperiode wurden Rohdiamanten im Wert von 1,9 Milliarden US-Dollar (7,3 Millionen Karat) importiert bzw. eingelagert und solche im Wert von 2,1 Milliarden US-Dollar (7,3 Millionen Karat) exportiert bzw. ausgelagert. Der Rohdiamantenhandel findet fast ausschliesslich über das Zollfreilager Genf-Flughafen statt.

128

AS 2012 3251 3589

1362

9

Standortförderung

9.1

Exportförderung und Exportrisikoversicherung

Im Bereich der Exportförderung und der Exportrisikoversicherung gewährleisten die Osec und die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) primär auf KMU ausgerichtete Beratungs- und Unterstützungsangebote. Beide Organisationen stellten ihre Innovationskraft und Flexibilität unter Beweis, indem sie beispielsweise spezifische Massnahmen und Produkte zur Linderung von negativen Effekten der Frankenstärke entwickelten und umsetzten. Ihre Dienstleistungen wurden im Berichtsjahr erneut rege nachgefragt. Die Umsetzung von Exportprojekten erforderte teils grössere Anstrengungen als bisher, weil die Lage für viele Schweizer Exporteure schwieriger geworden ist. In Hongkong und Mexiko-Stadt eröffnete die Osec neue Vertretungen.

Die Bedürfnisse und Problemstellungen der exportorientierten KMU werden sich über die kommenden Jahre weiter entwickeln. Im Sinne der nachhaltigen Eröffnung von neuen Geschäftsmöglichkeiten im Ausland und der Sicherung von Arbeitsplätzen in der Schweiz ist weiterhin eine möglichst zeitnahe und effektive Abdeckung der wichtigsten neuen Bedürfnisse der Exportwirtschaft anzustreben.

In Bezug auf die längerfristige Ausrichtung der Osec und der SERV ergeben sich dadurch vielfältige Herausforderungen.

9.1.1

Exportförderung

Die Exportförderungsorganisation Osec verzeichnete im Berichtsjahr wiederum eine starke Nachfrage nach Erstberatung. Die Umsetzung von darauf aufbauenden, konkreten Exportprojekten erforderte vor allem in fernen Märkten einen grösseren Aufwand als bisher. Das spiegelt die Tatsache, dass die Situation für Schweizer Exporteure aufgrund der weltweiten Konjunktur und der Frankenstärke schwieriger geworden ist. Dank interner Umlagerungen und Optimierungen konnte die Osec im Berichtsjahr in Hongkong einen Swiss Business Hub eröffnen und in Mexiko-Stadt ein Büro einrichten. Gleichzeitig wurde am Hauptsitz das Beratungsteam für ferne Wachstumsmärkte verstärkt.

Der klassische Export bleibt für Schweizer Firmen von grosser Wichtigkeit. Mit der fortschreitenden Globalisierung steigt jedoch die wirtschaftliche Bedeutung internationaler Wertschöpfungsketten. Immer mehr Unternehmen nehmen die Chance wahr, sich ­ oft als Nischenanbieter ­ in grenzüberschreitende Produktionsprozesse einzubinden. Dazu gehört beispielsweise, dass international tätige KMU vermehrt auch über den Einkauf von Vorleistungen, via grenzüberschreitende Zusammenarbeit oder über Auslandinvestitionen nach Wegen suchen, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Die Schweizer Unternehmen internationalisieren sich so zusehends.

In Abgrenzung zur traditionellen Exportförderung ergeben sich daraus vermehrt auch neue, umfassendere Unterstützungsbedürfnisse. Einen entsprechenden Trend stellten das SECO und die Osec bereits vor einigen Jahren fest. Zahlreiche ausländische Exportförderagenturen beobachteten dieselben Entwicklungen und begannen, 1363

den KMU in ihren Ländern eine umfassendere Internationalisierungsunterstützung zu bieten. Die Osec baute in einer ersten Phase insbesondere ihr Netzwerk von privaten Beratern aus, an welche Aufträge weitergegeben werden. Heute vermittelt die Osec rund zwei Drittel ihrer Mandate an spezialisierte externe Experten und Beratungsfirmen. Im Rahmen des dritten Pakets der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen wurden zudem verschiedene Exportplattformen aufgebaut. Damit wird branchenspezifisches Wissen für die Exportförderung besser nutzbar gemacht.

Die Frankenstärke führte dazu, dass die Nachfrage der KMU nach Hilfestellungen in den Bereichen Auslandbeschaffung (sourcing) und Investitionen im Ausland rascher zunahm als vor wenigen Jahren erwartet. Verglichen mit dem gesamten Volumen von Anfragen an die Osec bleibt diese Nachfrage aber immer noch auf einem tiefen Niveau. Neben einer stärkeren Fokussierung ihrer traditionellen Exportfördermassnahmen auf Märkte ausserhalb der Eurozone stellt sich für die Osec dennoch die Frage, ob und in welcher Form künftig auch neue Unterstützungsformen entwickelt und angeboten werden sollen. Zudem müsste sich die Osec beispielsweise auf Massnahmen beschränken, welche letztlich die Basis der KMU in der Schweiz stärken und hierzulande Arbeitsplätze sichern. Für allfällige neue Dienstleistungen der Osec gilt weiterhin auch das Prinzip der Subsidiarität.

Letztlich müssen die Chancen und die Risiken einer verstärkten Internationalisierungsförderung gegeneinander abgewogen werden. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist weiterhin eine möglichst zeitnahe und effektive Abdeckung der wichtigsten Bedürfnisse der Exportwirtschaft anzustreben. Der Nettoeffekt von neuen Unterstützungsmassnahmen dürfte positiv ausfallen. Dies weil wettbewerbsfähigere Exportfirmen in der Regel wachsen, dadurch mehr investieren und Arbeitsplätze schaffen ­ auch in der Schweiz.

9.1.2

Exportrisikoversicherung

Wie die Osec stellte auch die SERV in den letzten Jahren ihre Innovationskraft und ihre Flexibilität unter Beweis. 2009 wurde das Produktportfolio der SERV beispielsweise im Zusammenhang mit dem zweiten Paket der konjunkturellen Stabilisierungsmassnahmen um drei neue Produkte erweitert: Die damals entwickelte Bondgarantie, die Refinanzierungsgarantie und die Fabrikationskreditversicherung decken weiterhin wichtige Bedürfnisse ab, insbesondere auch in Bezug auf die aufgrund der Frankenstärke vielfach zusätzlich angespannte Liquiditätssituation von Exportfirmen. Diese Produkte werden auch nach wie vor rege nachgefragt und haben der SERV neue Kundensegmente erschlossen. Der bereits früher festgestellte Trend zu kleineren Geschäften setzte sich bei der SERV im Berichtsjahr fort.

Im internationalen Vergleich ist zu beobachten, dass die oben erwähnten Produkte vermehrt zum Standardangebot der staatlichen Exportkreditversicherungen werden.

So wird beispielsweise die Fabrikationskreditversicherung in Deutschland, Finnland, Frankreich, Norwegen und Schweden bereits als Standardprodukt angeboten. Mit Blick auf die zukünftige Ausrichtung der SERV wird sich mittelfristig die Frage stellen, welche Instrumente nötig sind, um den schweizerischen Exporteuren im internationalen Wettbewerb gleich lange Spiesse zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung von Schweizer Unternehmen (vgl.

Ziff. 9.1.1) stellen sich weitere Herausforderungen in der künftigen Ausrichtung der SERV. So hat beispielsweise eine unabhängige Evaluation der SERV im Jahr 2010 1364

aufgezeigt, dass sie mit ihren Versicherungsdienstleistungen zwischen 2007 und 2009 einen Beitrag zur Bruttowertschöpfung in der Schweiz von insgesamt 7,5 Milliarden Schweizerfranken leistete.129 Pro Jahr sicherte die SERV rund 16 000 Arbeitsplätze (Personenjahre). Die genannte Evaluation wies aber auch darauf hin, dass die Bindung der Versicherungsmöglichkeit an einen angemessenen schweizerischen Wertschöpfungsanteil (in der Regel 50 %) aufgrund der zunehmenden internationalen Verflechtung der Schweizer Wirtschaft für die Zukunft eine Herausforderung darstellen könnte. Es dürfte Schweizer Unternehmen immer schwieriger fallen, diese Vorgabe zu erfüllen.

Die künftigen Massnahmen der SERV sind weiterhin so auszurichten, dass sie dem hohen Grad der Integration unserer Wirtschaft in die internationale Arbeitsteilung bestmöglich Rechnung tragen. Die im Jahr 2015 anstehende Sammelbotschaft «Standortförderung» soll genutzt werden, um die zukünftige Ausrichtung der SERV zu präzisieren. Dass die SERV auch weiterhin eine wichtige Stütze der Exportwirtschaft darstellt, ist unbestritten. 2011 musste sie wegen erhöhter Schadenrückstellungen und -zahlungen erstmals einen Verlust ausweisen. Das überraschte aufgrund der aktuellen Lage der Exportindustrie und der Weltkonjunktur nicht. Dank guter Kapitalausstattung ist die SERV jedoch langfristig in ihrer Stabilität nicht gefährdet.

9.1.3

Nachhaltigkeitsprüfung der SERV-Geschäfte

Die Prüfung der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit der versicherten Geschäfte geniesst bei der SERV einen hohen Stellenwert. Sie orientiert sich dabei an nationalen und internationalen Vorgaben. Bei der Beurteilung der Geschäftsanträge berücksichtigt die SERV die übergeordneten Grundsätze der schweizerischen Aussenpolitik gemäss Artikel 6 Absatz 2 des Exportrisikoversicherungsgesetzes vom 16. Dezember 2005130. Häufig ist bei der Beurteilung von Geschäften eine Güter- und Interessenabwägung notwendig. Zu diesem Zweck findet zusätzlich zur Risikobeurteilung eine Prüfung der Themen Umwelt, Soziales und Menschenrechte, Korruptionsprävention, Entwicklung und nachhaltige Schuldenentwicklung von einkommensschwachen Ländern (sustainable lending) statt.

Als Grundlage für die Prüfung im Bereich Umwelt, Soziales und Menschenrechte gelten die betreffenden Standards des Ziellandes eines Geschäfts, sowie die im Berichtsjahr neu überarbeiteten OECD-Leitlinien (Common Approaches for Officially Supported Export Credits and Environmental and Social Due Diligence), welche sich auf die World Bank Safeguard Policies und auf die IFC Performance Standards beziehen. Diese Standards enthalten Vorgaben zu ökologischen, sozialen und projektbezogenen menschenrechtsrelevanten Aspekten. Die Anträge durchlaufen je nach Kreditlaufzeit, Höhe des Auftragswertes sowie Standort und Sektor entweder ein vereinfachtes oder ein von den OECD-Leitlinien vorgegebenes vertieftes Prüfverfahren. Im Berichtsjahr wurden sowohl die Standards der OECD als auch jene der Internationalen Finanz-Korporation (IFC) überarbeitet und verstärkt. Neuerungen, welche auch die SERV ab 2013 berücksichtigen wird, betreffen vor allem die vertiefte Prüfung von sozialen Risiken und Abklärungen zu Treibhausgasemissionen 129

Schlussbericht Evaluation Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV, Ernst & Young, Mai 2010: www.seco.admin.ch/themen/00513/00595/00596/index.html?lang=de.

130 SR 946.10

1365

der von den Exporten betroffenen Projekte. Im Bereich der Prüfung der sozialen Risiken bedeutet dies zum Beispiel, dass in den überarbeiteten OECD-Leitlinien die projektbezogenen Auswirkungen im Bereich der Menschenrechte geprüft werden müssen. Bezüglich Treibhausgasemissionen sind Projekte mit einem Ausstoss von über 25 000 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr OECD-intern zu notifizieren.

Auf ihrer Internetseite publiziert die SERV mit Einverständnis der Versicherungsnehmer Projekte mit einem Lieferwert ab zehn Millionen Schweizerfranken. Gemäss OECD-Leitlinien der höchsten Risikokategorie zugeteilte Projekte werden spätestens dreissig Tage vor der Ausstellung einer Versicherungspolice publiziert. Für solche Projekt sind Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgesehen.

Die SERV befindet sich in Bezug auf die Nachhaltigkeit in einem kontinuierlichen Dialog mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen aus dem Umwelt- und Entwicklungsbereich. Im Rahmen des Engagements innerhalb der Export Credit Group der OECD wird sichergestellt, dass sich die verschiedenen Exportkreditversicherungen in der Anwendung der Methoden zur Beurteilung der Umwelt- und Sozialrisiken möglichst gleich verhalten, damit ein level playing field sichergestellt ist.

9.2

Standortpromotion

Die nationale Standortpromotion bezweckt die nachhaltige Ansiedlung ausländischer Unternehmen. Sie soll eine effiziente und wirkungsvolle Grundlage für die Tätigkeit von regionalen, kantonalen und kommunalen Wirtschaftsförderern darstellen. Die Wertschöpfungseffekte einer Ansiedlung sind in der Regel auch über den Standortkanton hinaus bedeutend. Mit den Anfang des Berichtsjahres in Kraft getretenen neuen Leistungsvereinbarungen aller Kantone und des Bundes mit der Osec wurde eine wichtige Grundlage für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen gelegt.

Im Unterschied zur Exportförderung und zur Exportrisikoversicherung (vgl.

Ziff. 9.1.1 und 9.1.2) dürften sich die Herausforderungen und Bedürfnisse bei der Ansiedlung ausländischer Unternehmen in der Schweiz (Standortpromotion) in den kommenden Jahren nicht wesentlich ändern. International verschärft sich der Wettbewerb unter den Unternehmensstandorten weiter. Asiatische Standorte wie Singapur und Hongkong werden zunehmend ebenfalls zu Konkurrenten für die Schweiz. Die Konjunkturschwäche im Euroraum und der starke Schweizerfranken sind Faktoren, welche die Expansionspläne ausländischer Unternehmen in Richtung Schweiz hemmen dürften. Dennoch stellen Ansiedlungsprojekte insbesondere von Produktionsbetrieben, welche derzeit trotz des starken Schweizerfrankens weiterverfolgt werden, grundsätzlich eine gute Basis für nachhaltige Investitionen dar.

Eine grundlegende Herausforderung für die nationale Standortpromotion besteht weiterhin darin, dass die Schweiz als Unternehmensstandort in vielen Märkten zu wenig bekannt ist. Daraus ergibt sich ein Bedürfnis nach einer gezielten Vermarktung und nach einem möglichst einheitlichen und starken Auftritt der Schweiz im Ausland. Dies gilt insbesondere für ferne Märkte, wo zum Teil das Wissen und das Verständnis für den schweizerischen Föderalismus fehlt. Darüber hinaus geht es in 1366

der nationalen Standortpromotion darum, direkter als bisher ausländische Firmen mit überduchschnittlicher Innovationskraft und Produktivität zu identifizieren und zu kontaktieren, beispielsweise in wertschöpfungs- und wissensintensiven Branchen wie Bio- und Medtech. Zur Stärkung des Wissens über den hiesigen Unternehmensstandort wie auch zur Identifikation von potenziellen Investoren sind Kenntnisse der lokalen Verhältnisse besonders wichtig. Letztere bringt die Osec über die vor Ort bei den Schweizer Botschaften angesiedelten Swiss Business Hubs ein.

Mit den Leistungsvereinbarungen, welche alle 26 Kantone und der Bund mit der Osec für 2012­2015 abgeschlossen haben, wurden die Grundlagen für die Bewältigung solcher Herausforderungen sowie für eine weitere Festigung der Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure gelegt. Im Berichtsjahr wurde die gezielte Identifikation und Ansprache von ausländischen Firmen mit überdurchschnittlicher Produktivität gestärkt. Grosse Promotionsveranstaltungen wurden durch kleinere Formate ersetzt, welche sich direkt an ausgesuchte Entscheidträger von Firmen richten. Die Schwerpunktmärkte für die nationale Standortpromotion bilden weiterhin China, Deutschland, Frankreich, Indien, Japan, Russland und die USA.

Die konkreten Leistungen und Erfolge der nationalen Standortpromotion werden weiterhin schwierig in Zahlen auszudrücken sein. Eine Studie im Auftrag des SECO untersuchte im Berichtsjahr die kantonalen und ausserkantonalen Auswirkungen von Firmenansiedlungen anhand von Fallbeispielen. Daraus ergibt sich, dass der Gesamteffekt einer Firmenansiedlung in der Regel höher ist als der unmittelbare wirtschaftliche Impuls, welcher meist nur mit den im Ansiedlungsjahr geschaffenen Arbeitsplätzen ausgewiesen wird. Weiter unterstreichen die Resultate dieser Studie, dass die Wertschöpfungseffekte einer Ansiedlung in der Regel auch über den Standortkanton hinaus bedeutend sind.131 Als Basis für die Weiterentwicklung der nationalen Standortpromotion vereinbarten die Kantone, die Osec und der Bund, dass noch in der laufenden Legislatur eine Evaluation des Systems der Standortpromotion durchgeführt werden soll.

131

Institut für Betriebs- und Regionalökonomie der Hochschule Luzern. «Studie zu den kantonalen und ausserkantonalen Auswirkungen von Firmenansiedlungen.» Luzern, Juli 2012: www.seco.admin.ch/themen/00476/00477/index.html?lang=de.

1367

9.3

Tourismus

Die Zahl der Logiernächte in der Hotellerie war im Verlauf des Berichtsjahres rückläufig. Insbesondere bei den Gästen aus den europäischen Nahmärkten fiel der Rückgang markant aus. Für Lichtblicke sorgten die Logiernachtzahlen aus verschiedenen asiatischen Ländern wie China und Indien.

Die Schweiz intensivierte im Berichtsjahr ihr Engagement in der multilateralen tourismuspolitischen Zusammenarbeit. Neben der Wahl ins Büro des OECDTourismusausschusses fand auch ein Arbeitsbesuch bei der Welttourismusorganisation statt. Dank dieser aktiveren Rolle können die Interessen der Schweiz als Tourismusstandort besser vertreten werden, weil die Schweiz die Agenda der multilateralen Organisationen stärker mitbestimmen kann und zeitnah über wichtige Ereignisse, welche den internationalen Tourismus betreffen, informiert wird. Diese Informationen sind für das tourismuspolitische Strategische Issue Management der Schweiz überaus bedeutsam, erlauben ein frühzeitiges Handeln und werden den Schweizer Tourismusakteuren laufend zur Verfügung gestellt.

Die Zahl der Logiernächte in der Hotellerie ging in der Schweiz zwischen Januar und September 2012 im Vorjahresvergleich um 3,5 Prozent zurück. Dies betraf erneut insbesondere die Gäste aus den europäischen Nahmärkten Deutschland, Frankreich und Italien (­11,4 %). Daneben verbrachten aber auch die Schweizer ihre Ferien weniger in der Schweiz (­1,2 %). Ungebrochener Beliebtheit erfreut sich die Schweiz bei den asiatischen Gästen (+11,1 %).

Die Globalisierung des Tourismus bedingt eine Verstärkung der tourismuspolitischen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Dabei werden die Interessen der Schweiz als Tourismusstandort vertreten. Die Schweiz erhöhte ihr diesbezügliches Engagement im Berichtsjahr und konzentriert ihre Anstrengungen dabei auf der multilateralen Ebene. Sie ist Mitglied des Tourismusausschusses der OECD und der Welttourismusorganisation (UNWTO). Bilaterale Formen der Zusammenarbeit sind für die Schweiz die Ausnahme. Solche pflegt die Schweiz bis anhin primär mit den Nachbarländern. Neu wird eine Verstärkung des tourismuspolitischen Austauschs mit der EU geprüft. Die Schweiz setzt sich auf internationaler Ebene primär für eine ungehinderte Reisetätigkeit ein. Diesbezügliche Aktivitäten gab es im Berichtsjahr insbesondere bei der Thematik erleichterter
Visavergaben für Reisende. Die Schweiz unterstützt zudem den Wissensaustausch auf internationaler Ebene, wobei vermehrt Fragen zur Nachhaltigkeit des Tourismus im Fokus stehen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden der Schweizer Tourismuswirtschaft laufend zur Verfügung gestellt.

9.3.1

Wahl ins Büro des Tourismusausschusses der OECD

Die Schweiz kandidierte im Berichtsjahr für einen Sitz im Büro des Tourismusausschusses der OECD. Im Rahmen der Teilnahme an der OECD-Tourismuskonferenz in der Republik Korea im September wurde diese Kandidatur erfolgreich abgeschlossen. Die Schweiz ist damit neben sieben weiteren stellvertretenden Vorsitzenden und einer Vorsitzenden Mitglied des leitenden Organs des Tourismusausschus1368

ses. Dank diesem Engagement kann die Schweiz künftig ihre tourismuspolitischen Interessen stärker in die Arbeit des OECD-Tourismusausschusses einbringen und die Weiterentwicklung der tourismuspolitischen Analysen der OECD massgeblich mitbestimmen.

Im Berichtsjahr erarbeitete der OECD-Tourismusausschuss ein neues zweijähriges Arbeitsprogramm für die Periode 2013­2014. Hier brachte die Schweiz ihre tourismuspolitischen Interessen im Rahmen der ordentlichen Mitgliedschaft im Tourismusausschuss ein. Weiter trug die Schweiz im Berichtsjahr beim Projekt Tourism Trends and Policies 2012 einen Beschrieb der Schweizer Tourismuspolitik bei und war bei Green Innovation in Tourism in der Steuerungsgruppe vertreten. Die erstgenannte, bereits publizierte Studie vermittelt einen Überblick über die verschiedenen Tourismuspolitiken der OECD-Länder und ist für die Weiterentwicklung der Schweizer Tourismuspolitik von Bedeutung. Sie behandelt unter anderem die Thematik der Evaluation tourismuspolitischer Massnahmen und liefert somit wichtige Inputs für die im Jahr 2014 geplante Standortbestimmung zum Schweizer Tourismus. Die Studie Green Innovation in Tourism wird einen wesentlichen Beitrag zum Wissensaufbau und zur Wissensdiffusion im Bereich der nachhaltigen Entwicklung liefern, welcher in der Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz als Schwerpunkt identifiziert wurde.

9.3.2

Fokussierung der Zusammenarbeit mit der UNWTO

Im Berichtsjahr fand ein Arbeitsbesuch bei der UNWTO in Madrid statt. Bei diesem Besuch wurden konkrete mögliche Kooperationsfelder Schweiz­UNWTO identifiziert. Einerseits sollen Langzeitperspektiven für den Tourismusstandort Schweiz entwickelt werden. Diese könnten als Grundlage für die Entwicklung künftiger tourismuspolitischer Schwerpunkte dienen. In diesem Zusammenhang soll 2013 ein technisches Seminar stattfinden. Zudem fand ein Austausch über die Bemühungen der UNWTO zur Vereinfachung des weltweiten Reisens statt. Ein weiteres angedachtes Kooperationsfeld ist die Schaffung von Wissensgrundlagen über den Klimawandel im Alpenraum.

9.3.3

Prüfung eines verstärkten tourismuspolitischen Austauschs mit der EU

Mit dem Vertrag von Lissabon von 2009 gewann der Tourismus in der EU-Politik zunehmende Beachtung. Dies ist für die Tourismuspolitik des Bundes aus verschiedenen Gründen relevant. Erstens stammt nach wie vor der grösste Teil der ausländischen übernachtenden Touristen aus der EU. Insgesamt entfielen im Jahr 2011 in der Schweiz 37 Prozent aller Logiernächte in der Hotellerie auf Gäste aus der EU.

Zweitens ist die Schweiz gerade bei asiatischen Gästen oft Teil einer Europareise.

Änderungen in der EU-Tourismuspolitik oder anderen den Tourismus tangierenden Politikfeldern wirken sich folglich sehr direkt auf den Schweizer Tourismus aus.

Aufgrund der grossen Bedeutung für die Schweiz und im Rahmen des Umsetzungsprogramms 2012­2015 zur Wachstumsstrategie für den Tourismusstandort Schweiz werden die tourismuspolitischen Aktivitäten der EU laufend verfolgt und auf ihre Auswirkungen auf das Tourismusland Schweiz analysiert.

1369

Dazu wurden im Berichtsjahr mit Hilfe der Mission der Schweiz bei der EU Informationen über die seitens der EU geplanten tourismuspolitischen Massnahmen zusammengetragen. Weiter nahm die Schweiz im September zum ersten Mal am Europäischen Tourismustag in Brüssel teil. Dank diesen Aktivitäten ist die Schweiz über den Tourismus betreffende Entwicklungen innerhalb der EU auf dem Laufenden und kann gegebenenfalls rasch reagieren. Da der Tourismus in der EU teilweise denselben Herausforderungen gegenübersteht wie der Schweizer Tourismus, ist ein tourismuspolitischer Austausch mit der EU im Interesse der Schweiz. Diesbezüglich ist für das Jahr 2013 ein Treffen auf technischer Ebene vorgesehen.

9.3.4

Aktivitäten im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit und der Förderung eines nachhaltigen Tourismus

Auf Wunsch der begünstigten Länder unterstützt die Schweiz im Rahmen der durch das SECO durchgeführten wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit deren nachhaltige touristische Entwicklung. Im Berichtsjahr verzeichnete das Projekt zur Förderung von Tourismus-Destinationen in Indonesien einen grossen Erfolg, indem die Schweiz gebeten wurde, ihre Tätigkeit auf weitere Tourismusorte auszudehnen.

Neue Projekte zur Förderung der Nachhaltigkeit im Tourismus wurden im Berichtsjahr mit Fair Trade in Tourism South Africa und dem Tourism Child Protection Code zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung im Tourismus lanciert.

Weiter engagierte sich die Schweiz im Rahmen des UNESCO-Welterbe-Programms zur Förderung des nachhaltigen Tourismus.

1370

10

Beilagen

10.1

Beilagen 10.1.1­10.1.2 Teil I:

Beilagen nach Artikel 10 Absatz 1 des Aussenwirtschaftsgesetzes (zur Kenntnisnahme)

1371

10.1.1

Finanzielles Engagement der Schweiz 2012 gegenüber den multilateralen Entwicklungsbanken

Zahlungen der Schweiz an die Weltbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen IBRD-Kapitalanteil IFC-Kapitalanteil MIGA-Kapitalanteil IDA-Beiträge IDA-MDRI Spezielle Initiativen Global Environment Facility1 Konsulentenfonds und Secondments1 Gesamtzahlungen der Schweiz 1

2009

2010

2011

2012

206,3 0,0 0,0 0,0 192,2 14,1

225,9 0,0 0,0 0,0 209,8 16,1

256,0 0,0 0,0 0,0 237,7 18,3

282,0 0,0 0,0 0,0 259,0 23,0

30,2 29,5 0,7

30,3 29,5 0,8

29,4 29,2 0,2

28,9 28,5 0,4

236,5

256,2

285,4

310,9

Fonds werden von der Weltbank verwaltet (ab 2008 inkl. Young Professional Program)

Zahlungen der Schweiz an die Afrikanische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen AfDB Kapitalanteil AfDF Beiträge AfDF-MDRI Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

1372

2009

2010

2011

2012

87,4 0,0 83,0 4,4

86,4 0,0 81,8 4,6

71,1 6,0 58,3 6,8

72,5 6,0 59,8 6,7

0,0 0,0

0,0 0,0

0,2 0,2

0,5 0,5

87,4

86,4

71,3

73,0

Zahlungen der Schweiz an die Asiatische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

Institutionelle Verpflichtungen ADB Kapitalanteil ADF Beiträge Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments Gesamtzahlungen der Schweiz

2009

2010

2011

2012

14,2 0,0 14,2

13,7 0,0 13,7

14,6* 1,3 13,4

8,2 1,4 6,8

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

14,2

13,7

14,6

8,2

* Abweichung ist rundungsbedingt.

Zahlungen der Schweiz an die Interamerikanische Entwicklungsbank (in Mio. Fr.)

2009

2010

2011

2012

Institutionelle Verpflichtungen IDB Kapitalanteil IIC Kapitalanteil FSO Beiträge

0,0 0,0 0,0 0,0

0,0 0,0 0,0 0,0

4,0 1,4 0,0 2,6

1,2 1,2 0,0 0,0

Spezielle Initiativen Beiträge an den MIF Konsulentenfonds und Secondments

0,3 0,3 0,0

0,6 0,6 0,0

0,9 0,7 0,2

1,5 1,0 0,5

Gesamtzahlungen der Schweiz

0,3

0,6

4,9

2,7

Zahlungen der Schweiz an die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (in Mio. Fr.)

2009

2010

2011

2012

Institutionelle Verpflichtungen EBRD Kapitalanteil

1,2 1,2

0,0 0,0

0,0 0,0

0,0 0,0

Spezielle Initiativen Konsulentenfonds und Secondments

0,3 0,3

0,5 0,5

0,0 0,0

2,1 2,1

Gesamtzahlungen der Schweiz

1,5

0,5

0,0

2,1

1373

10.1.2

Bewilligungen für Versandkontrollen im Auftrag ausländischer Staaten

Die im Zusammenhang mit dem WTO-Übereinkommen über Kontrollen vor dem Versand132 erlassene Verordnung vom 17. Mai 1995133 über die Durchführung von Versandkontrollen regelt die Zulassung, Durchführung und Überwachung solcher Kontrollen (v.a. Überprüfung der Qualität, der Menge und des Preises) im Auftrag ausländischer Staaten durch spezialisierte Versandkontrollgesellschaften in der Schweiz. Solche Gesellschaften benötigen pro Auftragsland eine Bewilligung des WBF.

Nach Artikel 15 der Verordnung ist jährlich eine Liste zu veröffentlichen, in welcher die Versandkontrollstellen, die über eine Bewilligung zur Vornahme von Versandkontrollen in der Schweiz verfügen, sowie die Länder, auf die sich die Bewilligung bezieht, aufgeführt sind.

Zurzeit verfügen fünf Kontrollgesellschaften über solche Bewilligungen. Es sind Bureau Veritas Switzerland AG in Weiningen (Veritas), Cotecna Inspection SA in Genf (Cotecna), Inspectorate (Suisse) SA in Prilly (Inspectorate), Intertek Testing Services Switzerland Ltd SA in Monnaz (Intertek) et SGS Société Générale de Surveillance SA in Genève (SGS). Die entsprechenden Bewilligungen beziehen sich auf 29 Staaten, von denen fünf nicht der WTO angehören. Nachfolgend sind die betreffenden Staaten und Versandkontrollstellen in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet134; das Stichdatum ist der 1. Dezember 2012135.

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Angola

Veritas Cotecna SGS Cotecna Intertek Veritas Cotecna SGS Veritas SGS Veritas SGS SGS Veritas

28.02.2002 25.10.2006 31.10.2006 27.05.2008 07.06.2000 21.06.2000 10.08.2004 01.09.1996 15.03.2000 01.09.1996 30.05.2008 12.09.2003 09.04.2003 13.12.2011

Äquatorialguinea (*) Bangladesch Benin Burkina Faso Burundi Côte d'Ivoire Ecuador Guinea Haiti Indonesien

132 133 134

SR 0.632.20 Anhang 1A.10 SR 946.202.8 Auf der Liste können auch Bewilligungen aufgeführt sein für Kontrollmandate, die sistiert, aber nicht beendet sind, und somit wieder operabel werden können.

135 Diese Liste findet sich auch auf Internetseite: www.seco.admin.ch/themen/00513/00514/index.html?lang=de.

1374

Land und WTO-Status (*) = Nichtmitglied

Kontrollstelle(n)

Bewilligung gültig seit:

Iran (*)

SGS Veritas Cotecna Inspectorate SGS Cotecna Veritas Veritas Veritas SGS Intertek Cotecna SGS Veritas Intertek Cotecna Intertek Veritas SGS Veritas Intertek SGS Veritas Veritas

01.03.2000 06.03.2001 10.02.2009 30.11.2010 01.09.1996 22.08.2006 24.03.2006 08.12.1997 20.02.2007 01.09.1996 27.03.2001 08.12.1997 01.09.1999 13.12.2011 21.03.2012 22.08.2001 14.02.2007 26.04.2010 01.04.1999 02.01.2004 07.06.2000 10.04.2001 13.12.2011 02.01.2004

Kamerun Kongo (Brazzaville) Kongo (Kinshasa) Liberia (*) Mali Mauretanien Mosambik Niger Nigeria Philippinen Senegal Sierra Leone Somalia (*) Tansania (nur Sansibar) Tschad Usbekistan (*)

Zentralafrikanische Republik

1375

10.2

Beilagen 10.2.1­10.2.2 Teil II:

1376

Beilagen nach Artikel 10 Absätze 2 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über aussenwirtschaftliche Massnahmen (zur Genehmigung)