Anhang 3

Empfehlung Nr. 202 betreffend den sozialen Basisschutz, 2012

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 30. Mai 2012 zu ihrer einhundertsten Tagung zusammengetreten ist; bekräftigt, dass das Recht auf Soziale Sicherheit ein Menschenrecht ist, erkennt an, dass das Recht auf Soziale Sicherheit neben der Förderung von Beschäftigung eine wirtschaftliche und soziale Notwendigkeit für die Entwicklung und den Fortschritt ist, erkennt an, dass Soziale Sicherheit ein wichtiges Instrument zur Verhinderung und zum Abbau von Armut, Ungleichheit, sozialer Ausgrenzung und sozialer Unsicherheit, zur Förderung der Chancengleichheit, der Gleichstellung der Geschlechter und der Rassengleichheit und zur Unterstützung des Übergangs von der informellen zur formellen Beschäftigung ist, ist der Auffassung, dass Soziale Sicherheit eine Investition in Menschen ist, die sie dazu befähigt, sich an Veränderungen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt anzupassen, und dass Systeme der Sozialen Sicherheit als automatische soziale und wirtschaftliche Stabilisatoren wirken, dazu beitragen, die Gesamtnachfrage in Krisenzeiten und darüber hinaus zu stimulieren, und dazu beitragen, einen Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu unterstützen, ist der Auffassung, dass die Priorisierung von Politiken, die auf nachhaltiges langfristiges Wachstum in Verbindung mit sozialer Teilhabe zielen, dazu beiträgt, extreme Armut zu überwinden, und soziale Ungleichheiten und Unterschiede innerhalb und zwischen Regionen verringert, erkennt an, dass der Übergang zu formeller Beschäftigung und die Einrichtung von nachhaltigen Systemen der Sozialen Sicherheit sich gegenseitig stützen, weist darauf hin, dass die Erklärung von Philadelphia die feierliche Verpflichtung der Internationalen Arbeitsorganisation anerkennt, zur Erreichung des folgenden Ziels beizutragen: «... Ausbau von Massnahmen der Sozialen Sicherheit, um allen, die eines solchen Schutzes bedürfen, ein Mindesteinkommen zu sichern und um umfassende ärztliche Betreuung zu gewährleisten», verweist auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, insbesondere die Artikel 22 und 25, und auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, insbesondere die Artikel 9, 11 und 12, verweist ferner auf die Normen der IAO über Soziale Sicherheit, insbesondere das Übereinkommen (Nr. 102) über Soziale Sicherheit (Mindestnormen), 1952, die

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Empfehlung (Nr. 67) betreffend Sicherung des Lebensunterhaltes, 1944, und die Empfehlung (Nr. 69) betreffend ärztliche Betreuung, 1944, und stellt fest, dass diese Normen nach wie vor relevant sind und weiterhin wichtige Referenzen für die Systeme der Sozialen Sicherheit darstellen, erinnert daran, dass die Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung anerkennt, dass ,,sich die Verpflichtungen und Bemühungen der Mitglieder und der Organisation zur Erfüllung des Verfassungsauftrags der IAO, auch durch die internationalen Arbeitsnormen, und zum Rücken der vollen und produktiven Beschäftigung und der menschenwürdigen Arbeit in den Mittelpunkt der Wirtschafts- und Sozialpolitik auf die ... ii) Entwicklung und Stärkung von Massnahmen des sozialen Schutzes ... die nachhaltig und den innerstaatlichen Umständen angepasst sind, einschliesslich der ... Ausweitung der Sozialen Sicherheit auf alle" stützen sollten, verweist auf die Entschliessung und die Schlussfolgerungen zur wiederkehrenden Diskussion über sozialen Schutz (Soziale Sicherheit), die die Internationale Arbeitskonferenz auf ihrer 100. Tagung (2011) angenommen hat, in denen die Notwendigkeit einer Empfehlung anerkannt wird, die die bestehenden Normen der IAO über Soziale Sicherheit ergänzt und den Mitgliedern Orientierungshilfe zur Einrichtung von Basisniveaus für Sozialschutz bietet, die an innerstaatliche Umstände und Entwicklungsstadien angepasst sind, als Teil von umfassenden Systemen der Sozialen Sicherheit, hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Basisniveaus für Sozialschutz, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 14. Juni 2012, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend den sozialen Basisschutz, 2012, bezeichnet wird.

I. Ziele, Geltungsbereich und Grundsätze 1. Diese Empfehlung bietet den Mitgliedern eine Orientierungshilfe, um a)

je nach Einzelfall Basisniveaus für Sozialschutz als grundlegenden Bestandteil ihrer innerstaatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit einzurichten und aufrechtzuerhalten; und

b)

Basisniveaus für Sozialschutz im Rahmen von Strategien zur Ausweitung der Sozialen Sicherheit zu verwirklichen, die möglichst vielen Menschen schrittweise höhere Niveaus der Sozialen Sicherheit gewährleisten und sich an den Normen der IAO über Soziale Sicherheit orientieren.

2. Im Sinne dieser Empfehlung sind Basisniveaus für Sozialschutz auf innerstaatlicher Ebene festgelegte grundlegende Garantien der Sozialen Sicherheit, durch die ein Schutz sichergestellt wird, der auf die Verhinderung oder Linderung von Armut, Verletzlichkeit und sozialer Ausgrenzung abzielt.

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3. In Anbetracht der Gesamt- und Hauptverantwortung des Staates sollten die Mitglieder bei der Durchführung dieser Empfehlung die folgenden Grundsätze anwenden: a)

Universalität des Schutzes auf der Grundlage sozialer Solidarität;

b)

durch das innerstaatliche Recht vorgeschriebener Leistungsanspruch;

c)

Angemessenheit und Vorhersehbarkeit der Leistungen;

d)

Nichtdiskriminierung, Gleichstellung der Geschlechter und Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse;

e)

soziale Teilhabe, einschliesslich der Personen in der informellen Wirtschaft;

f)

Achtung der Rechte und der Würde der Menschen, die durch die Garantien der Sozialen Sicherheit erfasst werden;

g)

schrittweise Verwirklichung, auch durch die Festlegung von Ziel- und Zeitvorgaben;

h)

solidarische Finanzierung, wobei gleichzeitig angestrebt wird, ein optimales Verhältnis zwischen den Verantwortlichkeiten und Interessen derjenigen zu erreichen, die die Systeme der Sozialen Sicherheit finanzieren und jenen, denen sie zugute kommen;

i)

Berücksichtigung der Vielfalt der Methoden und Ansätze, einschliesslich der Finanzierungsmechanismen und der Systeme zur Leistungserbringung;

j)

transparentes, rechenschaftspflichtiges und solides Finanzmanagement und entsprechende Verwaltung;

k)

finanzielle, fiskalische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit unter gebührender Berücksichtigung von sozialer Gerechtigkeit und Ausgewogenheit;

l)

Kohärenz mit der Sozial-, Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik;

m) Kohärenz zwischen den für die Bereitstellung des sozialen Schutzes verantwortlichen Einrichtungen;

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n)

hochqualitative öffentliche Dienste, die die Wirksamkeit der Systeme der Sozialen Sicherheit verbessern;

o)

Wirksamkeit und Zugänglichkeit von Beschwerde- und Einspruchsverfahren;

p)

regelmässige Überwachung der Durchführung und periodische Evaluierung;

q)

uneingeschränkte Achtung von Kollektivverhandlungen und Vereinigungsfreiheit für alle Arbeitnehmer1; und

r)

dreigliedrige Beteiligung mit repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie Beratung mit anderen in Frage kommenden und repräsentativen Organisationen betroffener Personen.

Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt die gewählte Form für beide Geschlechter.

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II. Innerstaatliche Basisniveaus für Sozialschutz 4. Die Mitglieder sollten entsprechend den innerstaatlichen Gegebenheiten ihre Basisniveaus für Sozialschutz mit grundlegenden Garantien der Sozialen Sicherheit so rasch wie möglich einrichten und diese aufrechterhalten. Durch die Garantien sollte mindestens sichergestellt werden, dass alle Bedürftigen während ihres gesamten Lebens Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung und zu grundlegender Einkommenssicherung haben, die zusammen einen effektiven Zugang zu auf innerstaatlicher Ebene als erforderlich festgelegten Gütern und Dienstleistungen sicherstellen.

5. Die in Absatz 4 genannten Basisniveaus für Sozialschutz sollten mindestens die folgenden grundlegenden Garantien der Sozialen Sicherheit umfassen: a)

Zugang zu einer auf innerstaatlicher Ebene festgelegten Reihe von Gütern und Dienstleistungen als Elemente einer grundlegenden Gesundheitsversorgung, einschliesslich Mutterschaftsbetreuung, die den Kriterien Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Akzeptanz und Qualität genügt;

b)

grundlegende Einkommenssicherung für Kinder, zumindest auf einem auf innerstaatlicher Ebene festgelegten Mindestniveau, die Zugang zu Ernährung, Bildung, Betreuung und allen anderen notwendigen Gütern und Dienstleistungen gewährleistet;

c)

grundlegende Einkommenssicherung, zumindest auf einem auf innerstaatlicher Ebene festgelegten Mindestniveau, für Personen im erwerbsfähigen Alter, die nicht in der Lage sind, ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, insbesondere im Fall von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft und Invalidität;

d)

grundlegende Einkommenssicherung für ältere Menschen, zumindest auf einem auf innerstaatlicher Ebene festgelegten Mindestniveau.

6. Vorbehaltlich ihrer bestehenden internationalen Verpflichtungen sollten die Mitglieder die in dieser Empfehlung genannten grundlegenden Garantien der Sozialen Sicherheit mindestens allen Einwohnern und Kindern im Sinne der innerstaatlichen Rechtsvorschriften gewährleisten.

7. Die grundlegenden Garantien der Sozialen Sicherheit sollten gesetzlich festgelegt werden. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften sollten die Bandbreite, die Anspruchsvoraussetzungen und die Niveaus der Leistungen zur Umsetzung dieser Garantien festlegen. Es sollten auch unparteiische, transparente, wirksame, einfache, rasche, zugängliche und kostengünstige Beschwerde- und Einspruchsverfahren festgelegt werden. Der Zugang zu Beschwerde- und Einspruchsverfahren sollte für die antragstellende Person unentgeltlich sein. Es sollten Systeme vorhanden sein, durch die die Einhaltung der innerstaatlichen Rechtsrahmen verbessert wird.

8. Bei der Festlegung der grundlegenden Garantien der Sozialen Sicherheit sollten die Mitglieder Folgendes gebührend berücksichtigen: a)

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Personen, die gesundheitlicher Betreuung bedürfen, sollten aufgrund der finanziellen Folgen der Inanspruchnahme grundlegender Gesundheitsversorgungsleistungen keinen Härten und keinem erhöhten Armutsrisiko ausge-

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setzt sein. Für besonders schutzbedürftige Personen sollte auch eine unentgeltliche prä- und postnatale ärztliche Betreuung in Erwägung gezogen werden; b)

die grundlegende Einkommenssicherung sollte ein Leben in Würde ermöglichen. Die auf innerstaatlicher Ebene festgelegten Mindesteinkommensniveaus können dem Geldwert eines Bündels von erforderlichen Gütern und Dienstleistungen, innerstaatlichen Armutsgrenzen, Einkommensschwellen für soziale Unterstützungsleistungen oder anderen vergleichbaren Schwellenwerten entsprechen, die durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder Praxis festgelegt worden sind, und sie können regionalen Unterschieden Rechnung tragen;

c)

die Niveaus der grundlegenden Garantien der Sozialen Sicherheit sollten durch ein transparentes Verfahren regelmässig überprüft werden, das, je nach Fall, durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder die innerstaatliche Praxis festgelegt wird; und

d)

hinsichtlich der Festlegung und Überprüfung der Niveaus dieser Garantien sollte eine dreigliedrige Beteiligung mit repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie die Beratung mit anderen in Frage kommenden und repräsentativen Organisationen betroffener Personen sichergestellt werden.

9. (1) Bei der Bereitstellung der grundlegenden Garantien der Sozialen Sicherheit sollten die Mitglieder verschiedene Ansätze in Erwägung ziehen, um die unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gegebenheiten wirksamste und effizienteste Kombination von Leistungen und Systemen zu verwirklichen.

(2) Die Leistungen können Kindergeld und Familienleistungen, Leistungen bei Krankheit und Gesundheitsleistungen, Mutterschaftsleistungen, Leistungen bei Invalidität, Leistungen bei Alter, Leistungen an Hinterbliebene, Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Beschäftigungsgarantien, Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie andere Sozialleistungen in Form von Geld- oder Sachleistungen umfassen.

(3) Die Systeme, die solche Leistungen gewähren, können universelle Leistungssysteme, Sozialversicherungssysteme, Sozialhilfesysteme, negative Einkommensteuersysteme, öffentliche Beschäftigungsprogramme und Beschäftigungsförderungsprogramme umfassen.

10. Bei der Gestaltung und Verwirklichung der innerstaatlichen Basisniveaus für Sozialschutz sollten die Mitglieder: a)

präventive, fördernde und aktive Massnahmen, Leistungen und Sozialdienste miteinander verbinden;

b)

produktive Wirtschaftstätigkeit und formelle Beschäftigung durch die Erwägung von Politiken fördern, die öffentliche Beschaffungen, staatliche Kreditgewährung, Arbeitsaufsicht, Arbeitsmarktpolitiken und Steueranreize einschliessen, und die Bildung, Berufsausbildung, produktive Qualifikationen und die Beschäftigungsfähigkeit fördern;

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c)

die Koordination mit anderen Politiken sicherstellen, die formelle Beschäftigung, Schaffung von Einkommen, Bildung, Alphabetisierung, Berufsausbildung, Qualifikationen und Beschäftigungsfähigkeit verbessern, die Prekarität verringern und sichere Arbeit, Unternehmertum und nachhaltige Unternehmen im Rahmen menschenwürdiger Arbeit fördern.

11. (1) Die Mitglieder sollten verschiedene Methoden zur Aufbringung der erforderlichen Mittel in Erwägung ziehen, um die finanzielle, fiskalische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit der innerstaatlichen Basisniveaus für Sozialschutz sicherzustellen, wobei die Beitragskapazitäten verschiedener Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden sollten. Solche Methoden können, einzeln oder kombiniert, eine bessere Durchsetzung der Steuer- und Beitragspflichten, eine Neupriorisierung der Ausgaben oder eine breitere und ausreichend progressive Einnahmenbasis umfassen.

(2) Bei der Anwendung solcher Methoden sollten die Mitglieder die Notwendigkeit berücksichtigen, Massnahmen durchzuführen, um Betrug, Steuerhinterziehung und die Nichtzahlung von Beiträgen zu verhindern.

12. Die innerstaatlichen Basisniveaus für Sozialschutz sollten aus eigenstaatlichen Mitteln finanziert werden. Mitglieder, deren wirtschaftliche und fiskalische Kapazitäten nicht ausreichen, um die Garantien zu verwirklichen, können sich in Ergänzung ihrer eigenen Anstrengungen um internationale Zusammenarbeit und Unterstützung bemühen.

III. Innerstaatliche Strategien zur Ausweitung der sozialen Sicherheit 13. (1) Die Mitglieder sollten innerstaatliche Strategien zur Ausweitung der Sozialen Sicherheit auf der Grundlage innerstaatlicher Konsultationen durch einen effektiven sozialen Dialog und soziale Teilhabe formulieren und umsetzen.

Die innerstaatlichen Strategien sollten: a) die Verwirklichung innerstaatlicher Basisniveaus für Sozialschutz als Ausgangspunkt für Länder, die nicht über ein Mindestniveau an Garantien der Sozialen Sicherheit verfügen, und als grundlegendes Element ihrer innerstaatlichen Systeme der Sozialen Sicherheit priorisieren; b) bestrebt sein, möglichst vielen Menschen so bald wie möglich höhere Schutzniveaus zu gewährleisten, entsprechend den wirtschaftlichen und fiskalischen Kapazitäten der Mitglieder.

(2) Zu diesem Zweck sollten die Mitglieder schrittweise umfassende und angemessene Systeme der Sozialen Sicherheit, die mit den innerstaatlichen politischen Zielen im Einklang stehen, aufbauen und aufrechterhalten und sich bemühen, die Politiken der Sozialen Sicherheit mit anderen öffentlichen Politiken zu koordinieren.

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14. Bei der Formulierung und Umsetzung der innerstaatlichen Strategien zur Ausweitung der Sozialen Sicherheit sollten die Mitglieder: a)

Ziele setzen, die innerstaatliche Prioritäten widerspiegeln;

b)

Lücken und Hindernisse im Bereich des Schutzes ermitteln;

c)

bestrebt sein, diese Lücken zu schliessen durch geeignete und wirksam koordinierte Systeme, die ganz, teilweise oder nicht beitragsfinanziert sind, einschliesslich der Ausweitung von bestehenden beitragsfinanzierten Systemen auf alle betroffenen Personen mit Beitragskapazität;

d)

die Soziale Sicherheit gegebenenfalls durch aktive Arbeitsmarktpolitiken, einschliesslich Berufsausbildungs- oder anderer Massnahmen, ergänzen;

e)

den Finanzbedarf und die Mittel sowie die Fristen und Etappen für die schrittweise Verwirklichung der Ziele festlegen;

f)

das Bewusstsein für ihre Basisniveaus für Sozialschutz und ihre Ausweitungsstrategien schärfen und Informationsprogramme durchführen, auch im Rahmen des sozialen Dialogs.

15. Die Strategien zur Ausweitung der Sozialen Sicherheit sollten für Personen sowohl in der formellen als auch in der informellen Wirtschaft gelten und das Wachstum der formellen Beschäftigung sowie den Abbau der Informalität unterstützen; sie sollten mit der Umsetzung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklungspläne der Mitglieder im Einklang stehen und diesen förderlich sein.

16. Die Strategien zur Ausweitung der Sozialen Sicherheit sollten Unterstützung für benachteiligte Gruppen und für Menschen mit besonderen Bedürfnissen sicherstellen.

17. Beim Aufbau umfassender Systeme der Sozialen Sicherheit, die innerstaatlichen Zielen und Prioritäten sowie wirtschaftlichen und fiskalischen Kapazitäten Rechnung tragen, sollten die Mitglieder darauf abzielen, den Umfang und die Höhe der Leistungen zu erreichen, die in dem Übereinkommen (Nr. 102) über Soziale Sicherheit (Mindestnormen), 1952, oder in anderen Übereinkommen und Empfehlungen der IAO zur Sozialen Sicherheit mit weitergehenden Normen festgelegt sind.

18. Die Mitglieder sollten die Ratifizierung des Übereinkommens (Nr. 102) über Soziale Sicherheit (Mindestnormen), 1952, in Erwägung ziehen, sobald die innerstaatlichen Gegebenheiten es gestatten. Ausserdem sollten die Mitglieder, je nachdem, die Ratifizierung oder Durchführung anderer Übereinkommen und Empfehlungen der IAO über Soziale Sicherheit, in denen weitergehende Normen festgelegt sind, in Erwägung ziehen.

IV. Überwachung 19. Die Mitglieder sollten die Fortschritte bei der Verwirklichung der Basisniveaus für Sozialschutz und beim Erreichen anderer Ziele der innerstaatlichen Strategien zur Ausweitung der Sozialen Sicherheit durch geeignete, auf innerstaatlicher Ebene festgelegte Mechanismen überwachen, einschliesslich dreigliedriger Beteiligung mit 6991

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repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie Beratung mit anderen in Frage kommenden und repräsentativen Organisationen betroffener Personen.

20. Die Mitglieder sollten regelmässig innerstaatliche Konsultationen einberufen, um Fortschritte zu bewerten und Politiken für die weitere horizontale und vertikale Ausweitung der Sozialen Sicherheit zu erörtern.

21. Für den Zweck von Absatz 19 sollten die Mitglieder regelmässig eine geeignete Reihe von Daten, Statistiken und Indikatoren der Sozialen Sicherheit erheben, zusammenstellen, auswerten und veröffentlichen, die insbesondere nach Geschlecht gegliedert sind.

22. Bei der Entwicklung oder Überarbeitung der Konzepte, Definitionen und Methoden, die bei der Erstellung der Daten, Statistiken und Indikatoren der Sozialen Sicherheit verwendet werden, sollten die Mitglieder die einschlägigen Leitlinien der Internationalen Arbeitsorganisation berücksichtigen, gegebenenfalls insbesondere die von der Neunten Internationalen Konferenz der Arbeitsstatistiker angenommene Entschliessung über die Entwicklung von Statistiken der Sozialen Sicherheit.

23. Die Mitglieder sollten einen Rechtsrahmen festlegen, um private personenbezogene Informationen, die in ihren Systemen für Daten der Sozialen Sicherheit enthalten sind, zu sichern und zu schützen.

24. (1) Den Mitgliedern wird nahegelegt, Informationen, Erfahrungen und Sachwissen über Strategien, Politiken und Praktiken im Bereich der Sozialen Sicherheit untereinander und mit dem Internationalen Arbeitsamt auszutauschen.

(2) Bei der Durchführung dieser Empfehlungen können die Mitglieder die Internationale Arbeitsorganisation und andere in Frage kommende internationale Organisationen entsprechend ihrem jeweiligen Mandat um technische Unterstützung ersuchen.

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