13.017 Botschaft zum Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen vom 23. Januar 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2011 M 10.3639

Bewilligungs- und Kontrollsystem für Sicherheitsfirmen, welche in Krisen- und Kriegsgebieten arbeiten (S 23.9.10, Sicherheitspolitische Kommission SR; N 2.3.11)

2011 M 10.3808

Verbot von Privatarmeen in der Schweiz (N 17.12.10, Lang; S 7.6.11).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. Januar 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-2466

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Übersicht Der Gesetzesentwurf, der Gegenstand dieser Botschaft ist, regelt die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen von der Schweiz aus im Ausland. Das Gesetz soll dazu beitragen, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten, ihre aussenpolitischen Ziele umzusetzen, die schweizerische Neutralität zu wahren und die Einhaltung des Völkerrechts zu garantieren. Zu diesem Zweck soll ein Verbotssystem eingeführt werden, das mit einem Verfahren der vorgängigen Meldung verbunden ist. Der Gesetzesentwurf regelt zudem den Einsatz von Sicherheitsunternehmen durch Bundesbehörden zur Wahrnehmung von Schutzaufgaben im Ausland.

Die internationalen Entwicklungen der letzten Jahre weisen auf eine stark zunehmende Bedeutung privater Dienstleistungen im Militär- und Sicherheitsbereich hin.

Mit weltweit vielen hunderttausend zum Einsatz kommenden Personen ist das Marktpotenzial heute gross. Das weltweite Marktvolumen der nächsten zehn Jahre im Bereich der privaten Sicherheitsdienstleistungen in Kriegsgebieten wird auf rund 100 Milliarden Dollar geschätzt.

Auch auf nationaler Ebene hat die Problematik der von der Schweiz aus im Ausland operierenden Sicherheitsunternehmen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Ende 2010 konnten rund zwanzig in acht Kantonen niedergelassene private Sicherheitsunternehmen ausgemacht werden, die tatsächlich oder möglicherweise in Krisen- oder Konfliktgebieten tätig sind. Es ist davon auszugehen, dass der Markt der privaten Sicherheitsdienstleistungen in Zukunft noch wachsen wird.

Die aktuell für private Sicherheitsunternehmen geltenden gesetzlichen Regelungen weisen Lücken auf. Es handelt sich primär um kantonale Regelungen, die jedoch nicht für im Ausland tätige Sicherheitsunternehmen gelten. Diese üben ihre Tätigkeit somit aus, ohne einem Kontrollsystem zu unterstehen. Der vorliegende Entwurf verfolgt das Ziel, diese Lücke zu schliessen. Dabei soll der Einsatz privater Sicherheitsunternehmen nicht legitimiert oder gefördert, aber auch nicht vollständig verboten werden. Der Entwurf stellt ausserdem eine Weiterentwicklung der namentlich von der Schweiz ergriffenen Initiativen zur Übernahme des MontreuxDokuments vom 17. September 2008 sowie zur Ausarbeitung des internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister vom 9. November
2010 dar. Als Initiatorin und Promotorin des Verfahrens zum Beitritt zu diesen Instrumenten spielt die Schweiz eine Vorreiterrolle gegenüber den anderen Staaten, indem sie in diesem Bereich legiferiert.

Das Gesetz soll für Personen und Unternehmen gelten, die von der Schweiz aus im Ausland private Sicherheitsdienstleistungen erbringen oder die in der Schweiz mit privaten, im Ausland erbrachten Sicherheitsdienstleistungen zusammenhängende Dienstleistungen erbringen. Der Gesetzesentwurf erfasst auch Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die im Ausland tätige Sicherheitsunternehmen kontrollieren. Er verbietet ex lege bestimmte Tätigkeiten, die mit der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten oder mit schweren Menschenrechtsverletzungen zusammenhängen,

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und sieht ein System mit Verboten vor, welche die zuständige Behörde in konkreten Fällen verhängen kann. Zur Kontrolle der im Ausland ausgeübten Tätigkeiten sieht der Entwurf für die Unternehmen eine Meldepflicht gegenüber der zuständigen Behörde vor. Tätigkeiten, die den Zwecken des Gesetzes widersprechen, werden von der Behörde verboten. Der Bundesrat kann in Ausnahmefällen jedoch eine Bewilligung erteilen. Andererseits dürfen die Unternehmen Dienstleistungen im Ausland erbringen, wenn diese nicht mit Problemen behaftet sind. Widerhandlungen gegen das Gesetz werden bestraft.

Der Gesetzesentwurf erfasst zudem Bundesbehörden, die ein Sicherheitsunternehmen zur Wahrnehmung bestimmter Schutzaufgaben im Ausland einsetzen. Er regelt die Voraussetzungen für den Einsatz der Unternehmen. Die einsetzende Behörde muss sich namentlich vergewissern, dass das Sicherheitsunternehmen bestimmte Anforderungen erfüllt und dass das Sicherheitspersonal für die Wahrnehmung der Schutzaufgaben eine angemessene Ausbildung erhalten hat. Das Personal tritt grundsätzlich unbewaffnet auf, ausser wenn es in Notwehr- oder Notstandssituationen handeln können muss. Unter Vorbehalt einer Ausnahmebewilligung des Bundesrates darf es auch keinen polizeilichen Zwang ausüben.

Das Gesetz wird auch auf Tätigkeiten angewendet, die bei dessen Inkrafttreten bereits ausgeübt werden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Gegenwärtige Situation in Bezug auf die im Ausland tätigen Sicherheitsunternehmen 1.1.2 Vorarbeiten 1.2 Für Sicherheitsunternehmen geltende Bundesgesetze 1.2.1 Kriegsmaterialgesetzgebung 1.2.2 Güterkontrollgesetzgebung 1.2.3 Waffengesetzgebung 1.2.4 Embargogesetzgebung 1.2.5 Gesetzgebung über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit 1.2.6 Strafrecht 1.2.7 Militärstrafrecht 1.2.8 Bundesgesetzgebung im Bereich Haftung 1.3 Rechtslage im kantonalen Recht 1.4 Beantragte Neuregelung 1.5 Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.5.1 Untersuchte Lösungsmöglichkeiten 1.5.2 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 1.5.3 Wesentliche Änderungen im Vergleich zum Vorentwurf 1.6 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.7 Vergleich mit dem Recht im Ausland 1.7.1 Deutschland 1.7.2 Österreich 1.7.3 Frankreich 1.7.4 Grossbritannien 1.7.5 Italien 1.7.6 Luxemburg 1.7.7 Schweden 1.7.8 Südafrika 1.7.9 Vereinigte Staaten 1.8 Völkerrecht 1.8.1 Völkerrechtliche Regeln in Bezug auf das Söldnerwesen 1.8.2 Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte auf Sicherheitsunternehmen 1.9 Entwicklungen auf internationaler Ebene 1.9.1 Das Montreux-Dokument 1.9.2 Internationaler Verhaltenskodex vom 9. November 2010 1.9.3 Projekt einer UNO-Konvention 1.9.4 Entwicklungen in der EU 1.10 Umsetzung 1.11 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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2 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Gesetzesentwurfs 2.1 Allgemeine Bestimmungen 2.2 Verbote 2.3 Verfahren 2.4 Kontrolle 2.5 Sanktionen 2.6 Amtshilfe 2.7 Einsatz von Sicherheitsunternehmen durch Bundesbehörden 2.8 Information 2.9 Schlussbestimmungen

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3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.4 Auswirkungen auf die Gesundheit und die Gesellschaft 3.5 Auswirkungen auf die Umwelt 3.6 Andere Auswirkungen

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4 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.1.1 Verfassungsmässigkeit 5.1.2 Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.2.1 Instrumente der Europäischen Union 5.2.2 Weitere internationale Instrumente 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes 5.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen 5.7 Datenschutzkonformität

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Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Gegenwärtige Situation in Bezug auf die im Ausland tätigen Sicherheitsunternehmen

Die jüngsten internationalen Entwicklungen weisen auf eine stark zunehmende Bedeutung privater Dienstleistungen im Militär- und Sicherheitsbereich hin. Mit weltweit vielen hunderttausend zum Einsatz kommenden Personen ist das Marktpotenzial heute gross. Der Fall des Irak manifestiert diese Entwicklung besonders deutlich. Das weltweite Marktvolumen der nächsten zehn Jahre im Bereich der privaten Sicherheitsdienstleistungen in Krisen- oder Konfliktgebieten wird auf rund 100 Milliarden Dollar geschätzt.

Im Militär- und Sicherheitsbereich tätige, international operierende private Unternehmen stellen ihren Auftraggebern nicht nur logistische Unterstützung, Personal und Infrastruktur, sondern gelegentlich auch schwere Kriegsgeräte wie Kampfflugzeuge, Panzer und Artillerie zur Verfügung. Der internationale Bedeutungszuwachs privater Dienstleistungen im Militär- und Sicherheitsbereich hat wesentlich damit zu tun, dass mit dem Ende des Kalten Kriegs in verschiedenen Regionen Machtvakuen entstanden, die den vollständigen oder partiellen Zerfall politisch instabiler Staaten begünstigten. Ausserdem benötigen staatliche Vertretungen sowie die exponierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter supranationaler und internationaler Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGO) in Gebieten mit nur sehr schlecht oder gar nicht funktionierenden staatlichen Ordnungsstrukturen unbestrittenermassen einen besonderen Schutz. Dieser wird von Sicherheitsunternehmen angeboten.1 Auf nationaler Ebene hat der Bericht des Bundesamtes für Justiz vom 30. Dezember 20102 zu einer möglichen Regelung betreffend private Sicherheitsfirmen, die von der Schweiz aus in Krisen- und Konfliktgebieten tätig sind (im Folgenden Bericht des BJ vom 30. Dezember 2010), gezeigt, dass diese Problematik in den letzten Jahren auch in der Schweiz an Bedeutung gewonnen hat. Die Eintragung der AEGIS Group Holdings AG im basel-städtischen Handelsregister im Jahr 2010 hat nämlich gezeigt, dass Sicherheitsunternehmen aus dem Ausland ­ einschliesslich sehr grosser internationaler Unternehmen ­ ein Interesse daran haben können, eine Tochtergesellschaft oder Holding in der Schweiz zu etablieren, da unser Land namentlich aufgrund seiner Stabilität, seiner Infrastruktur und seines Finanzplatzes erhebliche Vorteile aufweist. Es ist zwar nicht möglich, sich
einen umfassenden Überblick über den Markt zu verschaffen. Der Bericht hat aber gezeigt, dass Ende 2010 in den Kantonen Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Genf, Luzern, Schaffhausen, Tessin, Wallis und Zug rund zwanzig private Sicherheitsunternehmen ansässig waren, die in Krisen- und Konfliktgebieten tätig sind oder tätig werden könnten.

1

2

Siehe den Bericht des Bundesrats zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen (in Beantwortung des Postulats Stähelin 04.3267 vom 1. Juni 2004. «Private Sicherheitsfirmen») vom 2. Dezember 2005, BBl 2006 623, Ziff. 3.2.

www.bj.admin.ch > Themen > Sicherheit > Gesetzgebung > Private Sicherheitsfirmen

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Private Sicherheitsunternehmen, die von der Schweiz aus im Ausland tätig sind, sind eine Realität. Die entsprechenden Probleme werden sich in Zukunft noch akzentuieren. Die gesetzlichen Regelungen, die heute für Unternehmen gelten, die private Sicherheitsdienstleistungen erbringen, weisen zudem Lücken auf. Es handelt sich dabei primär um kantonale Regelungen, die nicht für im Ausland tätige Sicherheitsunternehmen gelten (siehe Ziff. 1.3 unten). Diese üben ihre Tätigkeit somit aus, ohne einem Kontrollsystem zu unterstehen. Der vorliegende Entwurf verfolgt das Ziel, diese Lücke zu schliessen. Dabei soll der Einsatz privater Sicherheitsunternehmen nicht legitimiert oder gefördert werden. Er soll aber auch nicht ganz verboten werden. Der Entwurf stellt ausserdem eine Weiterentwicklung der namentlich von der Schweiz ergriffenen Initiativen zur Übernahme des sogenannten MontreuxDokuments vom 17. September 20083 sowie zur Ausarbeitung des internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister vom 9. November 20104 dar (siehe Ziff. 1.9.1 und 1.9.2 unten). Als Initiatorin und Promotorin des Verfahrens zum Beitritt zu diesen Instrumenten spielt die Schweiz eine Vorreiterrolle gegenüber den anderen Staaten, indem sie in diesem Bereich legiferiert.

1.1.2

Vorarbeiten

Der Bundesrat verabschiedete am 2. Dezember 2005 einen ersten Bericht zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen, der in Beantwortung des Postulats Stähelin vom 1. Juni 20045 verfasst wurde. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Berichts beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) unter anderem zu prüfen, ob es sinnvoll sein könnte, Anbieter von Dienstleistungen im Militär- oder Sicherheitsbereich, die von der Schweiz aus in Krisenund Konfliktgebieten tätig sind, einer Bewilligungspflicht oder einem Lizenzsystem zu unterstellen.

In Erfüllung des Auftrags des Bundesrats veröffentlichte das Bundesamt für Justiz (BJ) am 21. Mai 20086 einen Bericht über die Prüfung eines Systems für die obligatorische Registrierung privater Sicherheitsfirmen, die in Konflikt- und Krisengebieten tätig sind. Gestützt auf die Schlussfolgerungen dieses Berichts beschloss der Bundesrat am 21. Mai 2008, vorläufig auf eine Regelung zu verzichten. Er begründete seinen Entscheid mit der geringen Attraktivität des Schweizer Marktes für solche Unternehmen und mit dem für eine wirksame Kontrolle unverhältnismässig hohen Aufwand im Vergleich zur marginalen Bedeutung des Phänomens. Der Bundesrat wollte ausserdem weitere Entwicklungen im internationalen Recht und in der Gesetzgebung anderer Staaten abwarten.

3 4 5 6

www.eda.admin.ch > Themen > Völkerrecht > Humanitäres Völkerrecht > Private Sicherheitsunternehmen > Das Montreux-Dokument www.icoc-psp.org BBl 2006 623 www.bj.admin.ch > Themen > Sicherheit > Gesetzgebung > Private Sicherheitsfirmen

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Im Frühling 2010 kam die Frage infolge der Eintragung der AEGIS Group Holdings AG im basel-städtischen Handelsregister wieder aufs Tapet. In der Folge wurden verschiedene parlamentarische Vorstösse eingereicht.7 Diese sind ein Zeichen für den politischen Willen, eine bundesrechtliche Regelung zu schaffen. Am 6. September 2010 reichte die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates (SiK-S) die Motion «Bewilligungs- und Kontrollsystem für Sicherheitsfirmen, welche in Krisen- und Kriegsgebieten arbeiten» (im Folgenden Motion SiK-S 10.3639) ein. Die eidgenössischen Räte hiessen diese am 23. September 2010 bzw.

am 2. März 2011 gut. Mit diesem Vorstoss wird der Bundesrat beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen für ein Bewilligungs- und Kontrollsystem für Sicherheitsunternehmen vorzulegen, die von der Schweiz aus in Krisen- oder Kriegsgebieten tätig sind. Gemäss der Motion sollen insbesondere die erlaubten Aktivitäten definiert und jene Aktivitäten untersagt werden, welche den aussen-, sicherheits- und neutralitätspolitischen Interessen der Schweiz zuwiderlaufen. Davon betroffen sind namentlich Unternehmen, die ihren Sitz als Holding- oder Betriebsgesellschaft in der Schweiz haben, ihre Tätigkeiten von der Schweiz aus organisieren oder entsprechende Aktivitäten in der Schweiz durchführen (Rekrutierung, Ausbildung usw.).

Am 1. Oktober 2010 reichte Nationalrat Josef Lang die Motion «Verbot von Privatarmeen in der Schweiz» ein (nachstehend: Motion Lang 10.3808). Die eidgenössischen Räte hiessen die Motion am 17. Dezember 2010 bzw. am 7. Juni 2011 gut.

Darin wird der Bundesrat beauftragt, dem Parlament eine gesetzliche Grundlage zu unterbreiten, welche die Registrierungs- und Bewilligungspflicht privater Sicherheitsfirmen vorsieht und insbesondere Privatarmeen, welche in Konflikt- und Krisengebieten im Einsatz stehen, die Stationierung in der Schweiz verbietet.

Der Bundesrat beauftragte das EJPD am 25. August 2010, den Regelungsbedarf zu prüfen.

Am 16. Februar 2011 nahm der Bundesrat die Ergebnisse des Berichts des BJ vom 30. Dezember 2010 zu einer möglichen Regelung betreffend private Sicherheitsfirmen, die von der Schweiz aus in Krisen- und Konfliktgebieten tätig sind, zur Kenntnis und beschloss, das EJPD zu beauftragen, in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD),
dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und den Kantonen einen Vorentwurf einer Gesetzesvorlage auszuarbeiten.

Am 30. März 2011 beschloss der Bundesrat, die Arbeiten zum Gesetzesentwurf über die polizeilichen Aufgaben des Bundes auszusetzen. In der Folge beauftragte er das EJPD, zu prüfen, ob gewisse Bestimmungen der Verordnung vom 31. Oktober 20078 über den Einsatz privater Sicherheitsfirmen (VES) im Entwurf zu einer Regelung betreffend Schweizer Sicherheitsunternehmen, die in Krisen- und Konfliktgebieten tätig sind, übernommen werden können.

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8

Am 22. Dezember 2011 lehnte der Bundesrat folgende Motionen der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates vom 22. Februar 2011 ab: Motion 11.3008 «Keine privaten Armeen auf Schweizer Staatsgebiet», Motion 11.3009 «Regelungen für private Sicherheitsfirmen auf Schweizer Staatsgebiet», Motion 11.3010 «Zulassungssystem für private Sicherheits- und Militärfirmen mit Sitz in der Schweiz», Motion 11.3011 «Systematische Kontrolle privater Militärfirmen in der Schweiz», Motion 11.3012 «Private Armeen in der Schweiz».

SR 124

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Vom 12. Oktober 2011 bis 31. Januar 2012 wurde das Vernehmlassungsverfahren zum Vorentwurf des Gesetzes durchgeführt.

Am 29. August 2012 nahm der Bundesrat die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Kenntnis und beauftragte das EJPD, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten.

1.2

Für Sicherheitsunternehmen geltende Bundesgesetze

1.2.1

Kriegsmaterialgesetzgebung

Das Kriegsmaterialgesetz vom 13. Dezember 19969 (KMG) regelt die Herstellung und den Transfer von Kriegsmaterial und der entsprechenden Technologie. Es sieht ein doppeltes Bewilligungssystem vor. Einerseits braucht jede Person, die Kriegsmaterial herstellen oder damit handeln will, eine Grundbewilligung. Andererseits sind für bestimmte Tätigkeiten wie Vermittlung, Einfuhr, Ausfuhr, Durchfuhr, Übertragung von Immaterialgütern oder Handel mit Kriegsmaterial jeweils zusätzliche Einzelbewilligungen nötig. Für die Erteilung der Bewilligungen zuständig ist das SECO.

1.2.2

Güterkontrollgesetzgebung

Das Güterkontrollgesetz vom 13. Dezember 199610 (GKG) schafft die Grundlage für die Errichtung eines Kontrollsystems für zivil und militärisch verwendbare Güter sowie besondere militärische Güter, die Gegenstand internationaler Abkommen sind. Gestützt auf dieses Gesetz kann der Bundesrat Bewilligungs- und Meldepflichten einführen und Überwachungsmassnahmen zur Durchführung internationaler Abkommen anordnen. Artikel 4 der Güterkontrollverordnung vom 25. Juni 199711 (GKV) statuiert eine Meldepflicht für die Ausfuhr nicht bewilligungspflichtiger Güter, wenn diese mit der Entwicklung von nuklearen, biologischen oder chemischen Waffen in Zusammenhang stehen könnten (Abs. 1). Das SECO verbietet die Ausfuhr, wenn es Grund zur Annahme hat oder weiss, dass die zur Ausfuhr bestimmten Güter für die Entwicklung, die Herstellung oder die Verwendung solcher Waffen bestimmt sind (Abs. 3). Es entscheidet innerhalb von höchstens vierzehn Tagen nach der Meldung über die Ausfuhr. Bei Bedarf kann die Frist verlängert werden. Bis zum Entscheid des SECO ist die Ausfuhr verboten (Abs. 4). Die Verletzung der Meldepflicht oder des Ausfuhrverbots nach den Absätzen 3 und 4 wird bestraft.

9 10 11

SR 514.51 SR 946.202 SR 946.202.1

1753

1.2.3

Waffengesetzgebung

Das Waffengesetz vom 20. Juni 199712 regelt insbesondere den Erwerb, die Ausfuhr, das Tragen, die Herstellung und den Handel mit Waffen. Es sieht unter anderem vor, dass die Aus- und die Durchfuhr, die Vermittlung an Empfänger und Empfängerinnen im Ausland sowie der Handel im Ausland von schweizerischem Territorium aus mit Waffen, Waffenbestandteilen oder Munition unter die Kriegsmaterialgesetzgebung fällt, falls das betreffende Gut auch von dieser erfasst wird. Ist dies nicht der Fall, so gilt für die betreffenden Aktivitäten die Güterkontrollgesetzgebung. Die Bewilligungen für den Erwerb oder den Handel mit Waffen werden von der zuständigen kantonalen Behörde ausgestellt. Jede Person, die Waffen in einen Schengen-Staat ausführen möchte, muss dies der Zentralstelle Waffen melden.

1.2.4

Embargogesetzgebung

Das Embargogesetz vom 22. März 200213 (EmbG) sieht vor, dass der Bund Zwangsmassnahmen erlassen kann, um Sanktionen durchzusetzen, die der Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Respektierung der Menschenrechte, dienen.

Mittels solcher Zwangsmassnahmen kann zum Beispiel der Waren- und Dienstleistungsverkehr beschränkt werden. Möglich sind aber auch Verbote, Bewilligungsund Meldepflichten. Der Bundesrat ist befugt, solche Massnahmen in Form von Verordnungen zu erlassen. Die Verordnung vom 30. März 201114 über Massnahmen gegenüber Libyen verbietet z.B. die Lieferung und Beschaffung von Rüstungsgütern und Gütern zur internen Repression, einschliesslich der Bereitstellung bewaffneter Söldner. Das SECO als zuständiges Kontrollorgan überwacht die Einhaltung von Verboten der Lieferung militärischer Güter oder damit zusammenhängender Waren.

1.2.5

Gesetzgebung über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit

Die Gesetzgebung über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit umfasst eine Reihe von Bestimmungen über den Einsatz von Sicherheitsunternehmen durch Bundesbehörden zur Wahrnehmung von Schutzaufgaben. Artikel 22 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 21. März 199715 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS) ermächtigt die Bundesbehörden, die öffentliche Aufgabe des Schutzes der Behörden, der Personen und der Gebäude des Bundes an private Sicherheitsdienste zu delegieren.

Die Verordnung vom 27. Juni 200116 über das Sicherheitswesen in Bundesverantwortung (VSB) regelt die Aufgaben der in den Artikeln 22­24 BWIS mit dem Schutz der Personen und Gebäude beauftragten Organe (Art. 1 VSB). Gemäss Artikel 3 dieser Verordnung können die zuständigen Behörden zur Überwachung von Bundesbauten «private Schutzdienste» beiziehen, «wenn das eigene Personal 12 13 14 15 16

SR 514.54 SR 946.231 SR 946.231.149.82 SR 120 SR 120.72

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verstärkt werden muss» (Abs. 1). Ein Beizug ist auch möglich «für Anlässe des Bundes, gegebenenfalls zur Verstärkung der Polizei» (Abs. 2).

Die VES bestimmt die Mindestvoraussetzungen für die Vergabe von Aufträgen an private Sicherheitsunternehmen durch den Bund, wenn dieser gesetzlich dazu ermächtigt ist, die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben an Private zu delegieren.

Die Verordnung gilt für alle Bundesbehörden, welche die Wahrnehmung einer Schutzaufgabe in der Schweiz oder im Ausland an ein Sicherheitsunternehmen übertragen. Sie legt insbesondere die Voraussetzungen für den Einsatz eines Unternehmens und bestimmte Anforderungen an die Ausbildung des Sicherheitspersonals fest. Sie umfasst ausserdem Bestimmungen über den Einsatz von Sicherheitsunternehmen zur Wahrnehmung von Schutzaufgaben im Ausland.

1.2.6

Strafrecht

Das Strafgesetzbuch17 (StGB) stellt einzelne Delikte unter Strafe, die Tätigkeiten von Sicherheitsunternehmen betreffen können:

17

­

Artikel 264 ff. StGB (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen): Nach diesen Bestimmungen werden Personen aus der Schweiz oder dem Ausland, die im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrechen begehen, mit einer Freiheitsstrafe bestraft, die lebenslänglich sein kann.

­

Artikel 271 Ziffer 1 StGB (Verbotene Handlungen für einen fremden Staat): Nach dieser Bestimmung werden schweizerische oder ausländische Personen, die auf schweizerischem Gebiet ohne Bewilligung für einen fremden Staat Handlungen vornehmen, die einer Behörde zukommen, oder die solche Handlungen für eine ausländische Partei oder eine andere Organisation des Auslandes vornehmen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

­

Artikel 299 StGB (Verletzung fremder Gebietshoheit): Nach Ziffer 1 wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer die Gebietshoheit eines fremden Staates verletzt, insbesondere durch unerlaubte Vornahme von Amtshandlungen auf dem fremden Staatsgebiet, oder wer in Verletzung des Völkerrechtes auf fremdes Staatsgebiet eindringt. Nach Ziffer 2 wird mit derselben Strafe bestraft, wer versucht, vom Gebiet der Schweiz aus mit Gewalt die staatliche Ordnung eines fremden Staates zu stören. Diese Straftaten werden nur auf Ermächtigung des Bundesrates verfolgt (Art. 302 Abs. 1 StGB).

­

Artikel 300 StGB (Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden oder fremde Truppen): Nach dieser Bestimmung werden schweizerische oder ausländische Personen, die vom neutralen Gebiet der Schweiz aus Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden unternehmen oder unterstützen, mit Freiheitsstrafe von nicht weniger als sechs Monaten und bis zu zwanzig Jahren oder Geldstrafe bestraft. Diese Bestimmung dient dem Schutz der Neutralität der Schweiz. Sie gilt in Friedenszeiten für Zivilpersonen, die nicht dem Militärstrafrecht unterstellt sind. Sie entspricht Artikel 92 des Militärstrafgesetzes SR 311.0

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vom 13. Juni 192718 (MStG). Der Straftatbestand ist erfüllt, wenn die Täterin oder der Täter vom neutralen Gebiet der Schweiz aus Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden unternimmt oder unterstützt. Diese Straftat wird nur auf Ermächtigung des Bundesrates verfolgt (Art. 302 Abs. 1 StGB).

­

Artikel 301 StGB (Nachrichtendienst gegen fremde Staaten): Nach dieser Bestimmung werden schweizerische oder ausländische Personen, die im Gebiet der Schweiz für einen fremden Staat zum Nachteil eines andern fremden Staates militärischen Nachrichtendienst betreiben oder einen solchen Dienst einrichten oder die für solche Dienste anwerben oder ihnen Vorschub leisten, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Diese Bestimmung dient dem Schutz der Neutralität der Schweiz. Sie entspricht Artikel 93 MStG. Diese Straftat wird nur auf Ermächtigung des Bundesrates verfolgt (Art. 302 Abs. 1 StGB).

Begehen die Angestellten eines Sicherheitsunternehmens im Ausland eine Straftat, so sind sie in folgenden Fällen dem Schweizerischen Strafgesetzbuch unterworfen: ­

Artikel 6 StGB: Die Täterin oder der Täter begeht im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen, zu dessen Verfolgung sich die Schweiz durch ein internationales Übereinkommen verpflichtet hat, und die Tat ist auch am Begehungsort strafbar oder der Begehungsort unterliegt keiner Strafgewalt und die Täterin oder der Täter befindet sich in der Schweiz und wird nicht an das Ausland ausgeliefert.

­

Artikel 7 Absatz 1 StGB: Die Schweizerin oder der Schweizer, die oder der im Ausland eine Straftat begeht, ist dem Schweizer Strafrecht grundsätzlich unterworfen, wenn die Tat auch am Begehungsort strafbar ist (Prinzip der doppelten Strafbarkeit). Handelt es sich bei der Täterin oder beim Täter um eine Ausländerin oder einen Ausländer, ist Schweizer Recht unter der zusätzlichen Bedingung anwendbar, dass sich die Täterin oder der Täter in der Schweiz befindet und zum Beispiel wegen drohender Folter nicht ausgeliefert werden kann oder dass das besonders schwere Delikt durch die internationale Staatengemeinschaft geächtet wird.

Die innerstaatliche Strafgerichtsbarkeit wird auf internationaler Ebene nach Artikel 1 des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 199819 durch den Internationalen Strafgerichtshof ergänzt. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs ist auf die schwersten Verbrechen beschränkt, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, d.h. Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression (Art. 5).

Nach Artikel 264m StGB sind die schweizerischen Strafverfolgungsbehörden zuständig, wenn die Täterin oder der Täter Völkermord, Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht an einen andern Staat ausgeliefert oder an ein internationales Strafgericht, dessen Zuständigkeit die Schweiz anerkennt, überstellt wird.

Nach Artikel 102 StGB gilt im Übrigen Folgendes: Wird in einem Unternehmen in Ausübung geschäftlicher Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen und kann diese Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten natürlichen Person zugerechnet 18 19

SR 321.0 SR 0.312.1

1756

werden, so wird das Verbrechen oder Vergehen dem Unternehmen zugerechnet. In diesem Fall wird das Unternehmen mit Busse bis zu fünf Millionen Franken bestraft.

Die Straftat muss in Ausübung geschäftlicher Verrichtung begangen worden sein, also in Ausübung von Tätigkeiten mit einem (indirekten) Bezug zum Verkauf von Gütern oder zur Erbringung von Dienstleistungen mit pekuniären Zielen.

1.2.7

Militärstrafrecht

Gewisse Bestimmungen des MStG können auf das Personal von privaten Sicherheitsunternehmen anwendbar sein, wenn bestimmte persönliche Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 4, 5 und 7). Gegebenenfalls findet das MStG sowohl auf die in der Schweiz wie auch auf die im Ausland begangenen Taten Anwendung (Art. 10 Abs. 1). Es gilt auch für Zivilpersonen, die Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begangen haben, wenn sie sich in der Schweiz befinden und nicht an einen anderen Staat ausgeliefert oder an ein internationales Strafgericht, dessen Zuständigkeit die Schweiz anerkennt, überstellt werden (Art. 10 Abs. 1bis).

Strafbar sind gemäss MStG insbesondere folgende Delikte: Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden oder fremde Truppen (Art. 92), Nachrichtendienst gegen fremde Staaten (Art. 93), fremder Militärdienst (Art. 94), Völkermord (Art. 108), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 109) und Kriegsverbrechen (Art. 110­ 114).

Artikel 59a MStG regelt wie Artikel 102 StGB die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen.

1.2.8

Bundesgesetzgebung im Bereich Haftung

Bei Schäden, die von Sicherheitsunternehmen und ihrem Personal durch ein unerlaubtes Verhalten im Ausland verursacht werden, gilt für die Haftung Schweizer Recht und insbesondere das Obligationenrecht20 (OR), sofern die Voraussetzungen des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 198721 über das Internationale Privatrecht (IPRG) erfüllt sind.

Nimmt ein vom Bund eingesetztes Sicherheitsunternehmen eine unerlaubte Handlung vor, so richtet sich dessen Verantwortlichkeit nach dem Verantwortlichkeitsgesetz vom 14. März 195822 (VG). Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe f VG gilt dieses Gesetz auch für alle anderen Personen, soweit sie unmittelbar mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind.

20 21 22

SR 220 SR 291 SR 170.32

1757

1.3

Rechtslage im kantonalen Recht

Die kantonalen Regelungen hinsichtlich der Sicherheitsunternehmen sind sehr unterschiedlich und gelten nicht für Sicherheitsdienstleistungen im Ausland. Einzelne Deutschschweizer Kantone und der Kanton Tessin haben Regelungen eingeführt, die eine Bewilligungspflicht für Tätigkeiten von Sicherheitsunternehmen vorsehen. Andere Deutschschweizer Kantone wie der Kanton Bern kennen dagegen überhaupt keine Bewilligungspflicht. Alle Westschweizer Kantone sind dem Konkordat vom 18. Oktober 1996 über die Sicherheitsunternehmen (nachstehend «Concordat romand») beigetreten. Dieses legt die gemeinsamen Regeln für die Tätigkeiten der Sicherheitsunternehmen fest und verankert eine Bewilligungspflicht für Tätigkeiten dieser Unternehmen.

Um die erwünschte Harmonisierung voranzubringen, erarbeitete die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) einen nationalen Konkordatsentwurf. Aufgrund der Resultate des Vernehmlassungsverfahrens und des Willens der Westschweizer Kantone, an ihrem Konkordat festzuhalten, musste die KKJPD ihr Projekt anpassen. Am 12. November 2010 verabschiedete sie das Konkordat über private Sicherheitsdienstleistungen im Hinblick auf die Ratifizierung durch die Kantone. Gleichzeitig gab sie eine Empfehlung ab, in der alle Kantone eingeladen wurden, innert zweier Jahre einem der beiden Konkordate beizutreten. Das Konkordat vom 12. November 2010 regelt die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen durch Private bzw. Privatunternehmen. Wie im «Concordat romand» ist ein Bewilligungssystem vorgesehen. Nicht erfasst sind auch hier Aktivitäten im Ausland. Bis zum 29. Oktober 2012 beschlossen sechs Kantone23, diesem Konkordat beizutreten, während acht Kantone24 ihm nicht beitreten wollten.

Fünf dieser Kantone hatten sich bereits zuvor dem «Concordat romand» angeschlossen.

1.4

Beantragte Neuregelung

Der Gesetzesentwurf soll dazu beitragen, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten, die aussenpolitischen Ziele der Schweiz umzusetzen, die schweizerische Neutralität zu wahren und die Einhaltung des Völkerrechts zu garantieren, wenn von der Schweiz aus private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland erbracht werden oder wenn Tätigkeiten in Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen in der Schweiz ausgeübt werden.

Der Gesetzesentwurf erfasst natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften (Unternehmen), die von der Schweiz aus private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland erbringen oder die in der Schweiz bestimmte mit im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen zusammenhängende Dienstleistungen erbringen. Er erfasst auch Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz, die an im Ausland tätigen Unternehmen finanziell beteiligt sind.

Der Entwurf sieht überdies vor, bestimmte Tätigkeiten in Zusammenhang mit der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland zu verbieten. Den Angestellten der Sicherheitsunternehmen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen 23 24

AI, AR, BS, SG, SO, UR.

FR, GE, JU, OW, SZ, VD, VS, ZG.

1758

Aufenthalt in der Schweiz haben, ist es untersagt, unmittelbar an Feindseligkeiten im Ausland teilzunehmen («Söldnerverbot»). Die Unternehmen dürfen in der Schweiz oder von der Schweiz aus auch keine Dienstleistungen erbringen, von denen anzunehmen ist, dass der Empfänger sie im Rahmen der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzt.

Unternehmen, die eine der gesetzlich geregelten Tätigkeiten ausüben wollen, müssen dies der Behörde vorgängig melden. Diese eröffnet ein Prüfverfahren, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Tätigkeit im Widerspruch zu den Zwecken des Gesetzes stehen könnte. Gegebenenfalls erlässt die Behörde ein Verbot. Der Bundesrat kann in eng begrenzten Ausnahmefällen allerdings dennoch eine Bewilligung erteilen. Tätigkeiten, die den Zwecken des Gesetzes nicht widersprechen, dürfen im Ausland ausgeübt werden. Zur Gewährleistung einer wirksamen Umsetzung sieht der Gesetzesentwurf Kontrollmassnahmen vor. Widerhandlungen gegen das Gesetz werden mit Sanktionen bestraft. Das Gesetz wird auch auf Tätigkeiten angewendet, die bei dessen Inkrafttreten bereits ausgeübt werden.

Der Gesetzesentwurf gilt des Weiteren für Bundesbehörden, die einem Sicherheitsunternehmen die Wahrnehmung von Schutzaufgaben im Ausland übertragen oder die ein solches Unternehmen beiziehen. Er regelt die Voraussetzungen für den Einsatz der Unternehmen. Die einsetzende Behörde muss sich namentlich vergewissern, dass das Sicherheitsunternehmen bestimmte Anforderungen erfüllt und dass das Sicherheitspersonal für die Wahrnehmung von Schutzaufgaben ausgebildet ist.

Das Personal tritt grundsätzlich unbewaffnet auf, ausser wenn es in Notwehr- oder Notstandssituationen handeln können muss. Unter Vorbehalt einer Ausnahmebewilligung des Bundesrates darf es auch keinen polizeilichen Zwang ausüben.

1.5

Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.5.1

Untersuchte Lösungsmöglichkeiten

Bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs wurden folgende Lösungen untersucht25:

25

­

Pflicht zur nachträglichen Meldung: Diese Lösung würde darin bestehen, die Unternehmen zu verpflichten, die in Krisen- oder Konfliktgebieten erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen nachträglich der zuständigen Behörde zu melden. Der Vorteil einer solchen Lösung bestünde darin, dass sie kaum interventionistisch wäre; die mit einer gesetzlichen Regelung angestrebten Zielsetzungen liessen sich auf diese Weise jedoch nicht effizient erreichen.

­

Pflicht zur vorgängigen Registrierung und/oder Bewilligung: Dabei ginge es darum, eine Registrierungspflicht für Sicherheitsunternehmen und/oder eine Bewilligungspflicht für bestimmte Aktivitäten solcher Unternehmen einzuführen. Anders als mit einer nachträglichen Meldepflicht liessen sich damit die mit dem Gesetz angestrebten wesentlichen Zielsetzungen erreichen.

Nachteilig bei einem solchen System wäre jedoch der damit verbundene grosse bürokratische und finanzielle Aufwand. Die Behörde müsste namentlich den Ruf des Sicherheitsunternehmens und seines Personals überprüfen.

Zur Feststellung, ob die Bewilligungsauflagen eingehalten werden, müsste Siehe Bericht des BJ vom 30. Dezember 2010.

1759

sie zudem komplizierte Kontrollen am Ort der Ausführung des Vertrags durchführen. Die Erteilung einer Bewilligung könnte im Ausland zudem als Garantie der Schweizer Behörden aufgefasst werden. So könnten neue ausländische Sicherheitsunternehmen daran interessiert sein, sich in der Schweiz niederzulassen, die rein schon aufgrund ihres Rufs, ihrer Neutralität und Stabilität für sie attraktiv ist. Die eventuelle Auffassung ausländischer Staaten, dass die Schweiz für bestimmte Sicherheitsunternehmen garantiert, könnte sich besonders dann als problematisch erweisen, wenn diese bei ihren Tätigkeiten Rechtsverletzungen begehen.

­

Verbot der Teilnahme an Kampfhandlungen oder an der Vorbereitung solcher Handlungen: Dabei würde es darum gehen, ein absolutes Verbot der Teilnahme von Sicherheitsunternehmen an Kampfhandlungen oder an der gezielten Vorbereitung darauf einzuführen. Das Verbot könnte für sich allein eingeführt werden oder in Verbindung mit anderen Massnahmen, insbesondere einer Bewilligungs- und/oder Registrierungspflicht. Diese Lösung hätte den Vorteil, dass die wegen ihrer Inkompatibilität mit bestimmten Interessen der Schweiz zu verbietenden Tätigkeiten klar genannt würden. Als Nachteil eines absoluten Verbots ist zu erwähnen, dass eine Abgrenzung der Begriffe der Kampf- und Vorbereitungshandlungen schon auf der generell-abstrakten Ebene sehr schwierig sein kann.

1.5.2

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Am 12. Oktober 2011 eröffnete der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zum Entwurf des Bundesgesetzes über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen. Die Vernehmlassung dauerte bis zum 31. Januar 2012. Von den 57 eingeladenen Behörden und Organisationen gaben 44 eine Stellungnahme ab.

13 Teilnehmer nahmen auf eigene Initiative an der Vernehmlassung teil.26 44 Vernehmlassungsteilnehmer anerkennen den Gesetzgebungsbedarf im Bereich der privaten Sicherheitsdienstleistungen. 22 Teilnehmer stimmen dem Vorentwurf des Gesetzes generell zu. Eine Partei, ein Dachverband der Wirtschaft, ein Branchenverband im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen und zwei weitere Verbände lehnen den Vorentwurf mit der Begründung ab, das vorgeschlagene System sei ungeeignet und wirkungslos.

25 Kantone anerkennen den Gesetzgebungsbedarf ausdrücklich. 17 Kantone heissen den Vorentwurf generell gut. Fünf Kantone sind mit dem Vorentwurf einverstanden, würden aber ein Bewilligungssystem gemäss dem «Concordat romand» bevorzugen.

Sieben Kantone möchten, dass der Auslandbezug der betreffenden Sicherheitsunternehmen sowie der privaten Sicherheitsdienstleistungen stärker hervorgehoben wird, sechs fordern, dass kantonales Recht vorbehalten bleibt. Ein Kanton erachtet die Delegation von Sicherheitsaufgaben durch den Bund an private Unternehmen als problematisch. Ein anderer ist der Ansicht, dass der Vorentwurf des Gesetzes etwas kompliziert ist. Ein Kanton begrüsst die Absicht, eine Regelung einzuführen, stellt jedoch die Frage, ob es dafür ein neues Gesetz braucht.

26

Die Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens kann eingesehen werden unter www.bj.admin.ch > Themen > Sicherheit > Gesetzgebung > Private Sicherheitsfirmen

1760

Einige Vernehmlassungsteilnehmer befürworten ein Bundesgesetz über die in der Schweiz und im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen sowie die Einführung eines Bewilligungssystems. Gemäss einem Vernehmlassungsteilnehmer sollte der Gesetzesentwurf ausschliesslich auf einem System von Verboten aufbauen. Anderen geht der Gesetzesentwurf zu weit; sie würden den Geltungsbereich auf die privaten Sicherheitsdienstleistungen in Krisen- oder Konfliktgebieten beschränken. Einige Vernehmlassungsteilnehmer möchten die herkömmlichen Tätigkeiten von Sicherheits- und Brandschutzanbietern sowie von Unternehmen, die rein finanziell an einem im Ausland tätigen privaten Sicherheitsunternehmen beteiligt sind, vom Geltungsbereich des Gesetzes ausnehmen.

Das Verbot der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten sowie von Tätigkeiten, die mit schweren Menschenrechtsverletzungen zusammenhängen, wird begrüsst.

Einige Teilnehmer wünschen im Gesetzesentwurf jedoch eine umfassende Definition des Begriffs «unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten» und eine Präzisierung des Bezugs zur Schweiz. Der Begriff der «schweren Menschenrechtsverletzungen» sollte ebenfalls geklärt werden. Einige Vernehmlassungsteilnehmer erachten die strafrechtlichen Sanktionen bei Verstoss gegen die gesetzlichen Verbote als zu mild.

Einige Teilnehmer sind der Ansicht, dass dem von einer Bundesbehörde mit Schutzaufgaben betrauten Sicherheitspersonal die Ausübung polizeilichen Zwangs, die Anwendung polizeilicher Massnahmen sowie der Einsatz von Waffen nicht erlaubt werden sollte.

Gemäss einigen Vernehmlassungsteilnehmern sollte die für den Vollzug zuständige Bundesbehörde im Gesetzesentwurf bestimmt werden.

1.5.3

Wesentliche Änderungen im Vergleich zum Vorentwurf

Aufgrund des Vernehmlassungsverfahrens wurde der Gesetzesentwurf in folgenden Punkten angepasst: ­

Der Geltungsbereich in Artikel 2 des Gesetzesentwurfs wurde schärfer gefasst, indem territoriale und auf die Unternehmen bezogene Anknüpfungskriterien (wie z.B. der Auslandbezug der erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen) präziser definiert wurden.

­

Die Aufzählung der privaten Sicherheitsdienstleistungen in Artikel 4 Buchstabe a wurde gestrafft. Sie ist nicht abschliessend, soll aber doch als aussagekräftige Referenzliste mit Blick auf die Qualität der vom Gesetzesentwurf erfassten Dienstleistungen dienen. Nicht mehr in der Liste enthalten sind namentlich der Schutz von Daten und deren Bearbeitung sowie der Betrieb von Alarm-, Einsatz- und Sicherheitszentralen. Damit wird dem Grundgedanken des Gesetzesentwurfs, sich auf Dienstleistungen zu konzentrieren, die mit Blick auf schweizerische Interessen potenziell problematisch sein könnten, besser Rechnung getragen.

­

Die Definition des Begriffs des «Krisen- und Konfliktgebiets» wurde gestrichen. Da dieser Begriff nur in Artikel 14 des Gesetzesentwurfs vorkommt, reicht eine Erläuterung im Kommentar zum betreffenden Artikel.

1761

­

In Artikel 6 wird neu die Weitervergabe von Sicherheitsdienstleistungen geregelt. Wird die Erbringung solcher Dienstleistungen weitervergeben, dürfen die Erbringer nur innert den Schranken tätig werden, die für das vergebende Unternehmen selber gelten.

­

Artikel 7 sieht neu nicht nur die Pflicht der Einhaltung, sondern auch des Beitrittes der Unternehmen zum internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen vor. Diese gilt auch für im Ausland angesiedelte Unternehmen, die für den Bund tätig sind.

­

Das gesetzliche Verbot der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland in Artikel 8 wurde erheblich umgestaltet und präzisiert. Der Fokus liegt nun ­ im Einklang mit dem Grundgedanken des Gesetzesentwurfs ­ bei den Unternehmen und nicht mehr beim Einzelnen. Gesetzlich verboten ist die Rekrutierung, Ausbildung, Vermittlung und Zurverfügungstellung von Personal zum Zweck einer unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten (Abs. 1 Bst. a und b) sowie die Gründung, die Ansiedelung, der Betrieb, die Führung oder die Kontrolle von Unternehmen, die solches tun (Abs. 1 Bst. c und d). Bei den Einzelpersonen (Abs. 2) spielt die Nationalität keine Rolle mehr, sondern es wird auf den Wohnsitz bzw. Aufenthalt in der Schweiz abgestellt. Damit lassen sich heikle Abgrenzungsfragen vermeiden. Anders als noch im Vorentwurf erfasst das Verbot auch Personen, die im Dienst von Sicherheitsunternehmen stehen. Die Strafbarkeit der Einzelpersonen wird somit an einen doppelten Bezug zur Schweiz geknüpft (Wohnsitz bzw.

Niederlassung in der Schweiz sowie Tätigkeit für ein in der Schweiz niedergelassenes, von hier aus tätiges oder kontrolliertes Sicherheitsunternehmen).

Dahinter steht die Überlegung, dass mit dem Gesetzesentwurf nur Aktivitäten, die einen genügend starken Bezug zur Schweiz aufweisen und diese damit auch empfindlich treffen können, verfolgt werden sollen.

­

Im Vergleich zum Vorentwurf wird in Artikel 9 das Kriterium für die Anknüpfung zwischen der Tätigkeit und der schweren Verletzung von Menschenrechten präzisiert: Verboten sind Sicherheitsdienstleistungen, von denen anzunehmen ist, dass die Empfänger sie im Rahmen der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzen.

­

Artikel 10 präzisiert in Absatz 2, dass Unternehmen, die in der Schweiz nicht operativ tätig sind, aber von hier aus ein Sicherheitsunternehmen kontrollieren («Holding-Gesellschaften»), nicht nur ihre in der Schweiz ausgeübte Tätigkeit, sondern auch die Tätigkeiten des kontrollierten Sicherheitsunternehmens melden müssen. Wenn sich die Verhältnisse seit der ursprünglichen Meldung erheblich geändert haben, müssen die dem Gesetz unterstehenden Unternehmen dies ebenfalls melden (Abs. 3).

­

Artikel 14 (Verbot durch die zuständige Behörde) wurde insofern präzisiert, als die Behörde ein Verbot aussprechen muss, wenn eine Tätigkeit im Widerspruch zu den in Artikel 1 genannten Zwecken steht (Abs. 1). Das behördliche Ermessen beschränkt sich somit nur auf die Beurteilung, ob ein solcher Widerspruch gegeben ist oder nicht. Die nicht abschliessende Liste a­f nennt Situationen, die nicht zu einem gesetzlichen Verbot führen, die jedoch mit Blick auf die zu wahrenden Interessen der Schweiz besonders heikel sind und deshalb von der zuständigen Behörde besonders genau zu prüfen sind. Absatz 2 nennt in den Buchstaben a­c drei Fälle, in denen die

1762

Behörde ohne weitere Prüfung der Gesetzeszwecke immer ein Verbot aussprechen muss. Absatz 3 enthält das Verbot der Weitervergabe einer Tätigkeit, wenn das die Dienstleistung erbringende Unternehmen die ihm obliegenden Schranken missachtet.

­

In Artikel 15 des Gesetzesentwurfs wurde die Regelung präzisiert, die dem Bundesrat im Falle hochrangiger Staatsinteressen ausnahmsweise erlaubt, unter das behördliche Verbot des Artikels 14 fallende Tätigkeiten zu gestatten.

­

Artikel 17 räumt dem Bundesrat die Kompetenz ein, die Erhebung von Gebühren für bestimmte Verfahren und Massnahmen zu regeln, wobei das Kostendeckungsprinzip einzuhalten ist.

­

Aufgrund der Änderung der gesetzlichen Verbote nach Artikel 8 (Unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten) und Artikel 9 (Schwere Verletzung von Menschenrechten) wurde Artikel 21, der bei Widerhandlungen gegen diese Verbote eine Strafe androht, entsprechend angepasst. Die Höhe der angedrohten Strafe wurde im Vergleich zum Vorentwurf indes nicht verändert.

­

In Artikel 25 Absatz 2 wurde eine zusätzliche Strafbestimmung eingefügt, die es erlaubt, bei Verstössen gegen Übertretungstatbestände unter bestimmten Voraussetzungen das Unternehmen mit einer Busse bis zu 20 000 Franken zu belegen.

­

Der Gesetzesentwurf umfasst eine neue Bestimmung unter Artikel 27, wonach die für die Umsetzung des zukünftigen Gesetzes zuständigen Behörden Widerhandlungen, von denen sie bei ihrer dienstlichen Tätigkeit Kenntnis erlangen, bei der Bundesanwaltschaft anzeigen müssen.

­

Artikel 30 beschränkt die privaten Sicherheitsdienstleistungen, die von einer Bundesbehörde auf ein Sicherheitsunternehmen übertragen werden können, auf folgende Schutzaufgaben: den Personenschutz sowie die Bewachung oder Überwachung von Gütern und Liegenschaften. Wie in Artikel 4 Buchstabe a wurden der Schutz von materiellen und immateriellen Werten und von deren Transfer sowie der Schutz von Daten und von deren Bearbeitung aus dem Gesetzesentwurf gestrichen.

­

Wie im Vorentwurf hat sich die Bundesbehörde, die ein Sicherheitsunternehmen zur Wahrnehmung von Schutzaufgaben einsetzt, gemäss dem Gesetzesentwurf unter anderem zu vergewissern, dass das Unternehmen eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat. Artikel 31 Absatz 2 des Gesetzesentwurfs sieht allerdings strengere Bedingungen für die Befreiung der Behörde von dieser Pflicht vor. Diese kann nur ausnahmsweise ein Unternehmen einsetzen, das keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat; dies dann, wenn der Abschluss einer solchen Versicherung für das Unternehmen mit unverhältnismässigen Kosten verbunden wäre und das Risiko einer Haftung sowie die Höhe allfälliger Schadenersatzleistungen des Bundes gering zu veranschlagen sind.

­

Im Vergleich zum Vorentwurf wird in Artikel 32 des Gesetzesentwurfs präzisiert, dass die Ausbildung des Personals eines vom Bund eingesetzten Sicherheitsunternehmens auch den Einsatz körperlicher Gewalt und von Waffen für das Handeln in Notwehr oder in Notstandssituationen umfassen muss.

1763

­

Artikel 33 des Gesetzesentwurfs umfasst eine neue Bestimmung, gemäss welcher das Personal eines vom Bund eingesetzten Sicherheitsunternehmens bei der Ausübung seiner Funktion identifizierbar sein muss.

­

Im Vergleich zum Vorentwurf regelt der Entwurf das Tragen von Waffen durch das Personal eines vom Bund eingesetzten Sicherheitsunternehmens restriktiver. Nach Artikel 34 des Gesetzesentwurfs tritt das Sicherheitspersonal grundsätzlich unbewaffnet auf, ausser wenn die Lage im Ausland es erfordert, dass das Personal Waffen trägt, um in Notwehr- oder Notstandssituationen handeln zu können.

­

Während im Vorentwurf vorgesehen war, dass das Personal eines vom Bund eingesetzten Sicherheitsunternehmens unter bestimmten Voraussetzungen befugt ist, polizeilichen Zwang und polizeiliche Massnahmen anzuwenden, liegt es gemäss Artikel 35 des Gesetzesentwurfs in der Kompetenz des Bundesrates, die Anwendung solcher Massnahmen ausnahmsweise zu bewilligen, wenn die Schutzaufgabe nicht anders erfüllt werden kann.

­

Gemäss der neuen Bestimmung in Artikel 36 des Gesetzesentwurfs darf ein Sicherheitsunternehmen Schutzaufgaben, die ihm von der Bundesbehörde anvertraut wurden, nicht ohne deren vorgängige Zustimmung weitervergeben.

­

Der Gesetzesentwurf präzisiert, dass die zuständige Behörde die Information des Bundesrates und der Öffentlichkeit gewährleistet, indem sie jährlich einen Tätigkeitsbericht verfasst (Art. 37).

1.6

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Der Gesetzesentwurf entspricht dem vom Parlament geäusserten politischen Willen, private Sicherheitsunternehmen, die in der Schweiz oder von der Schweiz aus im Ausland Sicherheitsdienstleistungen erbringen, einer Bundesregelung zu unterstellen.

Gemäss seinen Beschlüssen vom 16. Februar 2012 und vom 29. August 2012 entschied sich der Bundesrat für ein Verbotssystem, das mit einem Verfahren der vorgängigen Meldung verbunden ist. Diese Regelung erlaubt es, problematische Tätigkeiten von Sicherheitsunternehmen ohne bürokratischen Leerlauf möglichst vollständig zu erfassen, den Sachverhalt rasch zu prüfen und allfällige Verbote und andere Einschränkungen wirksam durchzusetzen. So kann der Bund den Markt der von der Schweiz aus im Ausland erbrachten Sicherheitsdienstleistungen kontrollieren und in spezifischen Fällen mit dem Verbot einzelner Tätigkeiten eingreifen, ohne die Erbringung unproblematischer privater Sicherheitsdienstleistungen zu untersagen. Im Bundesrecht gibt es im Bereich der Güterkontrolle bereits ein Meldesystem, das zu einem Verbot durch die Behörde führen kann (siehe Ziff. 1.2.2).

Weil sich dieses Kontrollsystem auf die problematischen Tätigkeiten konzentriert, sind für die Umsetzung des Gesetzesentwurfs auch nur beschränkte Mittel erforderlich (siehe dazu auch Ziff. 3.1). Ein umfassendes Bewilligungs- und/oder Registrierungssystem wäre ­ da mit deutlich mehr personellem und administrativem Aufwand verbunden ­ wesentlich teurer.

1764

1.7

Vergleich mit dem Recht im Ausland

1.7.1

Deutschland

Deutschland kennt bis heute keine spezifische Regelung der Tätigkeit privater Militär- und Sicherheitsunternehmen. Es sind auch keine Bestrebungen erkennbar, in absehbarer Zeit eine solche Regelung zu schaffen. Die Bundesregierung begründet dies damit, dass eine Regulierung das Interesse für neue Tätigkeitsfelder im Sicherheitsbereich gerade erst schaffen könnte. Dies müsse vermieden werden, da die gesellschaftliche Akzeptanz für den Sektor in Deutschland fehle. Private Militärund Sicherheitsunternehmen bewegen sich indes auch in Deutschland nicht im rechtsfreien Raum. Vielmehr müssen sich diese Unternehmen an allgemein gültige Rechtsbestimmungen des nationalen und internationalen Strafrechts, des Waffenrechts und des Aussenwirtschaftsrechts halten. Bei Auslandaktivitäten in bestimmten Ländern sind insbesondere Sanktionsmassnahmen der UNO oder der EU zu beachten. Schliesslich verlangt die Gewerbeordnung für die gewerbsmässige Bewachung von Leben und Eigentum fremder Personen das Einholen einer Erlaubnis der zuständigen Behörden. Dies gilt nicht nur für Einsätze im Inland, sondern auch für entsprechende Auslandaktivitäten deutscher Unternehmen. Der deutsche Staat setzt private Sicherheitsunternehmen für Bewachungs- und logistische Aufgaben im Ausland ein. Militärische Einsätze im Ausland sind aus verfassungsrechtlichen Gründen verboten.

1.7.2

Österreich

Wie in Deutschland existieren auch im österreichischen Recht keine besonderen Regelungen für private Militär- und Sicherheitsunternehmen. Dies gilt namentlich auch für Auslandeinsätze solcher Unternehmen und für Einsätze zugunsten des österreichischen Staates. Obwohl die Regierung das Thema in die Koalitionsvereinbarung für die XXIV. Legislaturperiode aufnahm, hat sie es bis heute nicht weiterverfolgt. Wie in Deutschland finden auch in Österreich allgemeine Regelungen auf private Sicherheitsunternehmen Anwendung. Neben dem Waffengesetz ist dies namentlich die Gewerbeordnung, die eine Bewilligungspflicht für das Bewachungsgewerbe enthält. Von besonderer Bedeutung sind zwei Bestimmungen im österreichischen Strafgesetzbuch. Zum einen wird das unbewilligte Ausheben einer bewaffneten bzw. zur Bewaffnung bestimmten Truppe, deren militärische Ausbildung sowie das Führen einer solchen unter Strafe gestellt. Strafbar sind zum anderen auch verschiedene von Österreich aus geleistete oder organisierte militärische Unterstützungsleistungen für ausländische Parteien, die in einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Krieg oder bewaffneten Konflikt verwickelt sind.

1.7.3

Frankreich

Das Gesetz Nr. 83-629 vom 12. Juli 1983 regelt ausschliesslich die Tätigkeiten privater Sicherheitsunternehmen auf dem Hoheitsgebiet Frankreichs. Die französische Gesetzgebung hat keine extraterritorialen Auswirkungen, sodass die Tätigkeiten französischer Sicherheitsunternehmen im Ausland nicht darunter fallen.

1765

Der Gesetzgeber hat bisher keine gesetzlichen Vorschriften zu den HoldingGesellschaften mit finanziellen Beteiligungen an im Ausland tätigen privaten Sicherheitsunternehmen erlassen.

Das französische Strafrecht sanktioniert die aktive Teilnahme an Tätigkeiten als Söldner mit einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren und einer Busse von 75 000 Euro.

Auch die Führung oder Organisation einer Gruppierung, deren Ziel in der Rekrutierung, Anstellung, Bezahlung, Ausrüstung oder militärischen Ausbildung von Personen besteht, wird mit sieben Jahren Gefängnis und 100 000 Euro Busse bestraft. Die französische Regierung prüfte mehrmals, ob diese Bestimmung auch für im Ausland tätige private Militärunternehmen gilt, ohne jedoch über die Rechtmässigkeit solcher Unternehmen zu befinden. Für juristische Personen sieht das französische Strafrecht folgende Strafen vor: Auflösung, endgültiges oder befristetes Verbot einer Tätigkeit, endgültige oder befristete Schliessung der Niederlassung des Unternehmens, die der Begehung der vorgeworfenen Taten gedient hat, Beschlagnahmung.

Nach französischem Recht kann das Personal eines privaten Militärunternehmens vor den französischen Gerichten wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord verfolgt werden. Diese Verbrechen werden mit einer Freiheitsstrafe zwischen fünfzehn Jahren und lebenslänglich bestraft.

In Frankreich ist die militärische Gewalt ein Monopol des Staates und kann nicht an Private delegiert werden.

Seit 1990 sind in Frankreich private Militärsicherheitsunternehmen entstanden, die sich namentlich auf folgende Aktivitäten spezialisiert haben: Krisenprävention, Unterstützung während einer Krise und Beendigung einer Krise.

1.7.4

Grossbritannien

Obwohl das Land sehr aktiv mitwirkt bei der Identifizierung des einschlägigen Völkerrechts und der Entwicklung internationaler Standards zur Regulierung privater Sicherheitsdienstleister, gibt es in Grossbritannien bis heute keine nationale Gesetzgebung in diesem Bereich. Es fehlt sogar ein umfassender Überblick über die von der Regierung erteilten Aufträge an Anbieter solcher Leistungen. In einem sogenannten «Green Paper» von 2002 befasste sich die britische Regierung mit einer Regelung, verfolgte diesen Ansatz dann aber nicht weiter. Während es für private Anbieter, die ihre Dienstleistungen innerhalb Grossbritanniens erbringen, eine staatliche Kontrollinstanz gibt (Security Industry Authority, gestützt auf den Private Security Industry Act von 2001), fehlt eine solche Instanz für im Ausland erbrachte private Sicherheitsdienstleistungen. Diese Dienstleistungen fallen auch nicht in den Geltungsbereich der Gesetze über den Export von Rüstungsgütern. Grossbritannien setzt demgegenüber stark auf die Selbstregulierung der Industrie und unterstützt solche Massnahmen auch auf der internationalen Ebene.27 Als Branchenorganisation setzt sich die British Association of Private Security Companies (BAPSC) für Qualitätsstandards ein. Die Regierung engagiert nur Sicherheitsunternehmen, die international anerkannte, hohe Standards einhalten.

27

So arbeitet Grossbritannien zusammen mit der Schweiz, den USA und Australien sowie mit Nichtregierungsorganisationen und Branchenvertretern an einem Mechanismus zur Kontrolle der Einhaltung des Internationalen Verhaltenskodexes für private Sicherheitsdienstleister.

1766

1.7.5

Italien

In Italien gibt es ausser den Strafbestimmungen zum Verbot des Söldnerwesens keine gesetzliche Regelung zu den im Ausland tätigen Sicherheitsunternehmen.

Das italienische Recht regelt hingegen den Einsatz privater Wachen durch öffentliche Organe oder durch Private zur Überwachung und Bewachung von beweglichen und unbeweglichen Gütern auf italienischem Hoheitsgebiet. Der Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Personen und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gehören mit einzelnen Ausnahmen grundsätzlich zu den Aufgaben der für die öffentliche Sicherheit zuständigen Behörde sowie der Polizeikräfte. Zur Bekämpfung der Piraterie erlaubt das italienische Recht ausserdem den Einsatz privater Sicherheitsunternehmen auf Handelsschiffen unter italienischer Flagge auf internationalen Gewässern. Es besteht ein Registrierungs- und Bewilligungssystem für die Ausübung privater Tätigkeiten im Bereich der Sicherheit auf italienischem Hoheitsgebiet. Das Tragen von Waffen ist bewilligungspflichtig.

Das italienische Recht kennt keine Bestimmungen zu den Gesellschaften mit finanziellen Beteiligungen an Sicherheitsunternehmen. Es legt ausschliesslich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Lizenz zur Gründung und Leitung eines Sicherheitsunternehmens fest.

Italien hat die Genfer Abkommen vom 12. August 1949, die entsprechenden Zusatzprotokolle sowie die UNO-Konvention vom 4. Dezember 1989 gegen die Rekrutierung, Nutzung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern ratifiziert. In Einklang mit den Anforderungen der UNO-Konvention bestraft das italienische Recht das Söldnertum mit einer Freiheitsstrafe zwischen zwei und sieben Jahren und die Teilnahme an einer Aktion, mit der die verfassungsmässige Ordnung eines ausländischen Staates gestört oder dessen Hoheitsgebiet verletzt wird, mit einer Freiheitsstrafe von drei bis acht Jahren. Dies jedoch unter der Voraussetzung, dass die Handlungen nach italienischem Strafrecht nicht eine noch schwerere Straftat darstellen. Nach italienischem Recht wird ausserdem mit einer Freiheitsstrafe von vier bis vierzehn Jahren bestraft, wer Personen rekrutiert, ausbildet oder finanziert, um die genannten Straftaten zu begehen. Diese Strafbestimmungen gelten für italienische Staatsangehörige, die diese Straftaten im Ausland begehen, ausser sie können ausgeliefert werden. Die
Regeln gelten ebenfalls für Ausländerinnen und Ausländer, die sich auf italienischem Hoheitsgebiet befinden und nicht ausgeliefert werden können.

Die Straftaten sind nicht strafbar, wenn die italienische Regierung sie gestützt auf ihre Verpflichtungen aufgrund internationaler Verträge genehmigt hat.

Das italienische Strafgesetzbuch bestraft feindliche Handlungen gegen fremde Staaten, durch welche Italien der Gefahr eines Krieges ausgesetzt wird. Zudem wird mit einer Freiheitsstrafe von vier bis fünfzehn Jahren bestraft, wer auf italienischem Hoheitsgebiet ohne Genehmigung der italienischen Regierung Staatsangehörige für einen fremden Staat rekrutiert oder bewaffnet. Ein italienisches Gericht befand, dass ein Unternehmen, welches Sicherheitsbeamte beschäftigte und Tätigkeiten in politisch instabilen Gebieten aufnehmen wollte (im konkreten Fall im Irak nach Ende des Krieges) sowie Funktionären und Geschäftsleuten persönlichen Begleitschutz anbot, nicht als ein Unternehmen betrachtet werden könne, das im Sinne des italienischen Strafgesetzbuchs auf die Rekrutierung von Söldnern spezialisiert ist.

1767

Der italienische Staat setzt ausländische private Sicherheitsunternehmen für militärische Missionen im Ausland ein, wenn kein bewaffneter Konflikt vorliegt. Dies geschieht insbesondere zum Schutz italienischer Beamter im Rahmen von friedenserhaltenden Programmen. Die Sicherheitsunternehmen sind an die Weisungen der zuständigen italienischen Behörde und an das am Ort der zu erfüllenden Mission geltende Recht gebunden.

1.7.6

Luxemburg

Das Gesetz über die privaten Bewachungs- und Überwachungstätigkeiten (Loi du 12 novembre 2002 relative aux activités privées de gardiennage et de surveillance) regelt namentlich die Überwachung beweglicher und unbeweglicher Sachen, den Betrieb von Alarmzentralen, den Transport von Geldern und Wertpapieren sowie den Personenschutz. Nach Artikel 1 darf niemand im Grossherzogtum Luxemburg ohne schriftliche Bewilligung des Justizministers für Dritte Bewachungs- oder Überwachungstätigkeiten ausüben. Die Frage der im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen wird im luxemburgischen Recht hingegen nicht geregelt.

Das Gesetz aus dem Jahr 2002 gilt also nicht für private Sicherheitsunternehmen, die im Ausland tätig sind.

Überwachungs- und Bewachungstätigkeiten zählen gemäss dem luxemburgischen Gesetz über die Holding-Gesellschaften nicht zu den Tätigkeiten, die für Holdings verboten sind. Die Holdings können ausserdem Anteile an anderen Kapitalgesellschaften halten, unabhängig davon, ob es sich um luxemburgische oder ausländische Gesellschaften handelt.

In Luxemburg gibt es kein Gesetz zum Söldnerwesen.

Es gibt auch kein Gesetz zum Einsatz privater Sicherheitskräfte durch den luxemburgischen Staat.

1.7.7

Schweden

Das schwedische Gesetz von 1974 über die Sicherheitsunternehmen regelt die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen wie den Schutz von Gütern, Personen oder Werten. Die Frage, ob dieses Gesetz auch für im Ausland erbrachte Sicherheitsdienstleistungen gilt, bleibt offen. Eine gewisse extraterritoriale Wirkung des Gesetzes ist jedoch nicht ausgeschlossen. Nach dem Gesetz müssen die Unternehmen eine Bewilligung der am Ort ihres Sitzes zuständigen Behörde einholen. Es werden keine generellen Bewilligungen ausgestellt, sondern nur solche für spezifische Tätigkeiten. Die Unternehmen im Besitz einer Bewilligung müssen den zuständigen Behörden jedes Jahr über ihre Tätigkeiten Bericht erstatten. Der Verstoss gegen die Auflagen einer Bewilligung kann mit einer Busse oder einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bestraft werden.

Das schwedische Recht enthält keine spezifische Regelung für die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen in Krisen- und Konfliktgebieten. Es können jedoch andere gesetzliche Regelungen wie das Waffenausfuhrrecht und das Strafrecht zur Anwendung kommen. Es sind sehr wenige private Sicherheitsunternehmen mit Sitz in Schweden in Krisen- oder Konfliktgebieten tätig.

1768

Im schwedischen Recht gibt es keine Bestimmungen zu den Gesellschaften mit finanziellen Beteiligungen an Sicherheitsunternehmen, die in Krisen- oder Konfliktgebieten tätig sind.

Gemäss Militärgütergesetz bedarf es für die Ausbildung ausländischer Staatsangehöriger zu militärischen Zwecken auf dem Gebiet Schwedens einer Bewilligung. Die schwedischen Behörden sowie die in Schweden niedergelassenen Personen und Gesellschaften müssen auch eine Bewilligung einholen, wenn sie eine solche Ausbildung im Ausland anbieten. Andererseits kann die militärische Ausbildung schwedischer Staatsangehöriger in Schweden und in einem regierungsunabhängigen Kontext als strafrechtlich verbotene militärische Tätigkeit aufgefasst werden.

Das Söldnerwesen ist nach schwedischem Recht nicht ausdrücklich verboten. Es können indes bestimmte Strafbestimmungen anwendbar sein. Das Strafgesetzbuch bestraft mit einer Busse oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren die organisierte militärische Ausbildung ausserhalb der schwedischen Streitkräfte für Kampfeinsätze oder ähnliche Zwecke. Überdies ist es verboten, Personen ohne Bewilligung der Regierung für den Militärdienst im Ausland zu rekrutieren oder sie dazu zu ermuntern. Bei einem Verstoss ist in Friedenszeiten eine Busse oder eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten vorgesehen.

Der Einsatz von Sicherheitsunternehmen durch den Staat zur Wahrnehmung von Schutzaufgaben im Ausland wird durch das schwedische Recht nicht spezifisch geregelt. In einer Angelegenheit des Jahres 2010 gab der damalige Aussenminister bekannt, dass er ein Sicherheitsunternehmen eingesetzt hatte, um den Schutz des Personals der schwedischen Botschaft in Kabul zu verstärken. Das Personal des Sicherheitsunternehmens arbeitete zu denselben Bedingungen wie die Diplomatinnen und Diplomaten. Es wurde in einem Auswahlverfahren ausgewählt und musste gemäss dem Verhaltenskodex des Sicherheitsunternehmens das schwedische und das afghanische Recht sowie das Völkerrecht einhalten. Der Einsatz von Gewalt war ausschliesslich zur Notwehr erlaubt.

1.7.8

Südafrika

Das einschlägige Recht in Südafrika wird von zwei Gesetzen geprägt. Geltendes Recht ist nach wie vor ein Gesetz aus dem Jahr 1998. Dieses verbietet die Erbringung von Dienstleistungen militärischer Art im Ausland, falls ein bewaffneter Konflikt («armed conflict») vorliegt. Die verwendete Definition des bewaffneten Konflikts ist nicht identisch, aber doch vergleichbar mit dem Begriff der Genfer Konventionen. Als Dienstleistungen militärischer Art werden auch klassische Schutz- und Bewachungsmandate für an einem Konflikt beteiligte Personen verstanden. Nicht als militärische Dienstleistungen gelten dagegen humanitäre Dienstleistungen. Personen oder Unternehmen, die vom Gesetz erfasste militärische Dienstleistungen in bewaffneten Konflikten erbringen wollen, benötigen eine Bewilligung der Verteidigungsministerin oder des Verteidigungsministers. Diese oder dieser trifft den Entscheid auf Empfehlung eines Komitees (National Conventional Arms Control Committee). Keine Bewilligung darf unter anderem dann erteilt werden, wenn eine Aktivität gegen das Völkerrecht verstösst, nationale Interessen Südafrikas beeinträchtigt, wenn sie die Menschenrechte im Zielstaat verletzt, den Frieden dort gefährdet oder wenn sie die regionalen Machtverhältnisse verändert. Gemäss dem Gesetz von 1998 verboten sind überdies Söldneraktivitäten, d.h. die Teilnahme an 1769

einem bewaffneten Konflikt aus Gewinnstreben sowie die Rekrutierung, Ausbildung oder Finanzierung solcher Aktivitäten in Südafrika. Bemerkenswerterweise ist Südafrika allerdings bis heute weder der UNO-Söldnerkonvention von 1989 noch der Konvention der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) zur Eliminierung des Söldnerwesens in Afrika beigetreten.

2006 wurde ein neuer Gesetzesentwurf erarbeitet und 2007 vom damaligen südafrikanischen Präsidenten Mbeki auch unterzeichnet. Der präsidiale Akt der Inkraftsetzung steht aber bis heute aus, da die erforderlichen Ausführungsvorschriften fehlen.

Der Gesetzesentwurf von 2006 soll einige Lücken des Gesetzes von 1998 schliessen.

So wird der Begriff des bewaffneten Konflikts, der zu einer Anwendung des Gesetzes führt, im Gesetzesentwurf breiter gefasst, indem das National Conventional Arms Control Committee dem Staatspräsidenten Länder melden muss, in denen seiner Ansicht nach ein bewaffneter Konflikt ausgebrochen ist oder unmittelbar bevorsteht. Der Staatspräsident kann dann solche Länder als «regulated countries» bezeichnen und dem Gesetz unterstellen. Neu sollen auch humanitär motivierte Sicherheitsdienstleistungen erfasst werden. Sicherheitsdienstleistungen, die in Staaten erbracht werden sollen, in denen ein bewaffneter Konflikt im Gange ist oder die vom Staatspräsidenten als «regulated countries» eingestuft wurden, bedürfen einer vorgängigen Bewilligung des Komitees.

1.7.9

Vereinigte Staaten

Die Rechtslage hinsichtlich privater Sicherheitsunternehmen in den USA ist kompliziert. Das hängt damit zusammen, dass das amerikanische Rechtssystem nicht mit den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen vergleichbar ist. Systematische gesetzliche Regelungen einzelner Bereiche fehlen. Stattdessen spielt die Gerichtspraxis eine grosse Rolle. Die geltenden Regeln im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen sind unübersichtlich und orientieren sich mehrheitlich an den nationalen Interessen der USA. Es gibt zahlreiche Vorschriften auf unterschiedlichen Stufen, die für im Ausland tätige Sicherheitsunternehmen relevant sind. Auf der obersten Stufe stehen vom Kongress verabschiedete Gesetze sowie Ausführungsverordnungen und Richtlinien des Verteidigungsministeriums. Besonders wichtig sind die mit den privaten Dienstleistungserbringern geschlossenen Verträge, die sehr detailliert auf die Voraussetzungen und Schranken eines Einsatzes eingehen und namentlich auch die Ausbildung, den Waffeneinsatz und die Verantwortlichkeit regeln.

Ein wichtiges Gesetz ist der «Arms Export Control Act» (AECA) und dessen Ausführungsbestimmungen (International Traffic in Arms Regulations 2011). Für das Ausland bestimmte Dienstleistungen militärischer Art wie etwa Beratungsdienstleistungen oder Sicherheitstraining werden wie ein Export von Rüstungsgütern behandelt und müssen von den zuständigen Exekutivbehörden bewilligt werden. Reine Bewachungsaufgaben fallen allerdings nicht unter das Gesetz. Unternehmen, die solche Dienstleistungen erbringen oder exportieren, müssen sich bei der amerikanischen Regierung registrieren lassen, und sie benötigen für jeden Vertrag eine Bewilligung (license) des Aussenministeriums. Die Missachtung der Registrierungs- oder Bewilligungspflicht ist strafbar.

1770

Am 12. September 2011 setzte das Verteidigungsministerium eine Regelung in Kraft, die detaillierte Vorschriften für private Erbringer von Sicherheitsdienstleistungen in Situationen bewaffneter Konflikte ausserhalb der USA enthält. Namentlich geht es auch um die Auswahl, die Ausbildung, die Ausrüstung, das Verhalten und die Verantwortlichkeit privater Anbieter. Geregelt wird auch die Gewaltanwendung. Diese ist begrenzt auf «Abwehrmassnahmen gegen feindliche Akte oder manifeste Absichten, feindliche Akte zu begehen» («acting in a defensive manner in response to hostile acts or demonstrated hostile intent»). Die erlaubte Gewaltanwendung geht somit über reine Notwehr- oder Notstandsmassnahmen hinaus. Eine am 15. Juni 2012 veröffentlichte, von verschiedene Verwaltungseinheiten gemeinsam erlassene «Defense Federal Aquisition Regulation» erlaubt den Einsatz tödlicher Gewalt durch Private in Situationen der Notwehr oder wenn solche Gewalt vernünftigerweise notwendig erscheint, um die Aufgabe, Personen oder Güter zu schützen, erfüllen zu können («are only authorized to use deadly force in self-defense or when the use of such force reasonably appears necessary to execute their security mission to protect assets and/or persons»). Private Anbieter müssen auch im Ausland das amerikanische Recht und das Recht des Gaststaates sowie internationale Verträge und Abkommen beachten.

Private Sicherheitsunternehmen, die in Gebieten aktiv sind, in denen ein amerikanischer Militäreinsatz erfolgt, oder die gar für die US-Streitkräfte tätig sind, unterstehen nicht direkt dem militärischen Oberkommando. Deren Angestellte bleiben Zivilisten und werden, wenn sie Aufträge der Streitkräfte wahrnehmen, von einem eigens dafür eingesetzten Kontrolleur (Army Procurement Contracting Officer) überwacht.

Ausländerinnen und Ausländer, die durch amerikanische Anbieter von Sicherheitsdienstleistungen im Ausland zu Schaden gekommen sind, oder gegebenenfalls auch deren Angehörige können in den USA, gestützt auf das «Alien Tort Statute» (ATS), Klage einreichen. Allerdings kann dabei nur die Verletzung eines Staatsvertrags oder von Völkergewohnheitsrecht geltend gemacht werden. Es gibt weitere Rechtsgrundlagen für Zivilklagen, deren erfolgreiche Geltendmachung in der Praxis jedoch auf erhebliche Hindernisse stösst. Schliesslich werden in
den USA gemäss dem «War Crimes Act» von 1996 schwere Verstösse gegen Bestimmungen der Genfer Konventionen wie Kriegsverbrechen mit Busse, Gefängnisstrafe und in besonders schwerwiegenden Fällen mit der Todesstrafe bestraft.

1.8

Völkerrecht

1.8.1

Völkerrechtliche Regeln in Bezug auf das Söldnerwesen

Die Schweiz ist Vertragspartei des Abkommens vom 18. Oktober 190728 betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs. Gemäss Artikel 4 und 5 des Haager Abkommens darf eine neutrale Macht nicht dulden, dass auf ihrem Gebiet zugunsten der Kriegführenden Kombattantenverbände gebildet oder Werbestellen eröffnet werden. Die Schweiz als neutraler Staat ist daher völkerrechtlich verpflichtet, nicht zuzulassen, dass auf Schweizer 28

SR 0.515.21

1771

Boden oder durch Schweizer Unternehmen Kombattanten zwecks unmittelbarer Teilnahme an Feindseligkeiten in internationalen bewaffneten Konflikten rekrutiert werden. Nach Artikel 6 ist eine neutrale Macht jedoch nicht dafür verantwortlich, dass Leute einzeln die Grenze überschreiten, um in den Dienst eines Kriegführenden zu treten. Auch ist eine neutrale Macht nicht verpflichtet, die für Rechnung des einen oder des anderen Kriegführenden erfolgende Ausfuhr oder Durchfuhr von Waffen, Munition und überhaupt von allem, was für ein Heer oder eine Flotte nützlich sein kann, zu verhindern (Art. 7). Wenn ein neutraler Staat den Handel mit solchen Gütern einschränkt, müssen diese Einschränkungen unterschiedslos für beide kriegführenden Lager gelten (Art. 9). Ausserdem bestimmt Artikel 18 des Abkommens, dass die Leistung von polizeilichen oder zivilen Verwaltungsdiensten nicht als Handlungen zugunsten eines Kriegführenden anzusehen ist.

Artikel 47 des Zusatzprotokolls vom 8. Juni 197729 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) verbietet das Söldnerwesen nicht, lässt aber zu, dass Söldnern der privilegierte Status eines Kombattanten oder Kriegsgefangenen verweigert wird. Der Begriff «Söldner» wird in Artikel 47 Absatz 2 definiert, der sechs kumulativ erforderliche Elemente nennt.30 Die Bestimmung hat in der Praxis jedoch kaum Bedeutung erlangt, da sie zu restriktiv formuliert ist. Der Nachweis, dass die verlangten sechs Voraussetzungen in einem Fall erfüllt sind, ist in der Regel nicht möglich, weshalb die Bestimmung auf die Angestellten von Unternehmen, die im Ausland private Sicherheitsdienstleistungen erbringen, kaum je Anwendung findet.

Die UNO-Konvention gegen die Rekrutierung, Nutzung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern vom 4. Dezember 1989 definiert Söldner in sehr ähnlicher Weise wie Artikel 47 des Protokolls I, was zu denselben Umsetzungsschwierigkeiten führt.

Aus Zweifeln an der Wirksamkeit der Konvention haben sie bislang denn auch nur wenige Staaten ratifiziert. Die Schweiz hat die Konvention bis heute nicht ratifiziert.

Am 16. März 2011 reichte Nationalrätin Fässler-Osterwalder die Motion 11.3128 «Beitritt der Schweiz zur Uno-Antisöldnerkonvention» ein. Damit wird der Bundesrat beauftragt, die notwendigen
Schritte für den Beitritt der Schweiz zur genannten Konvention einzuleiten. In seiner Antwort vom 11. Mai 2011 beantragt der Bundesrat die Ablehnung der Motion, weil der Söldnerbegriff für eine Anwendung in der Praxis zu eng gefasst sei. Er weist darauf hin, dass die Konvention nur von 32 Staaten ratifiziert worden ist und somit nicht als von der Staatengemeinschaft universell

29 30

SR 0.518.521 Die Bestimmung sieht Folgendes vor: «Als Söldner gilt, a) wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen, b) wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt, c) wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung, d) wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist, e) wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und f) wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.»

1772

anerkannt gilt. Wie umstritten die Konvention ist, zeigt auch die Tatsache, dass sie erst zwölf Jahre nach ihrer Verabschiedung in Kraft getreten ist.

1.8.2

Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte auf Sicherheitsunternehmen

Der den vier Genfer Abkommen von 194931 gemeinsame Artikel 1 bestimmt, dass die Vertragsstaaten verpflichtet sind, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen. Wie der Bundesrat in seinem Bericht vom 2. Dezember 200532 zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen erläutert, können sich die Staaten ihren Verpflichtungen unter dem humanitären Völkerrecht nicht dadurch entziehen, dass sie bestimmte Aufgaben an private Sicherheitsunternehmen auslagern. Vielmehr haben sie dafür zu sorgen, dass private Sicherheitsunternehmen, die sie in Konfliktsituationen einsetzen, die ihren Gesellschaftssitz im betreffenden Staat haben oder die auf ihrem Territorium agieren, das humanitäre Völkerrecht respektieren. Die Bedeutung von Artikel 1 der vier genannten Abkommen wird auch mit dem Montreux-Dokument unterstrichen (siehe Ziff. 1.9.1 unten). Dieses Dokument ruft den Staaten nicht nur in Erinnerung, dass sie das humanitäre Völkerrecht nicht verletzen dürfen, sondern auch, dass sie im Rahmen ihrer Kompetenzen die erforderlichen Massnahmen zu treffen haben, damit die Sicherheitsunternehmen als von den Staaten unabhängige Körperschaften das Völkerrecht einhalten.

Die Sicherheitsunternehmen als solche sind nicht zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts verpflichtet, da dieses ausschliesslich für die an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Staaten und für Individuen bindend ist und nicht für juristische Personen.33 Eine Einzelperson hingegen ist bei der Ausübung einer Tätigkeit in Verbindung mit einem bewaffneten Konflikt zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts verpflichtet. Die Mitglieder des Personals eines Sicherheitsunternehmens bilden dabei keine Ausnahme. Wie dem genannten Bericht des Bundesrates zu entnehmen ist,34 müssen alle Individuen, die aktiv an Feindseligkeiten teilnehmen ­ unabhängig von ihrer Nationalität ­, das humanitäre Völkerrecht beachten, ob sie nun Mitglieder von Streitkräften oder Angestellte privater Sicherheitsunternehmen sind. Schwere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht (z.B. Angriffe auf Zivilpersonen oder Misshandlung von Gefangenen) werden als Kriegsverbrechen betrachtet und müssen strafrechtlich verfolgt werden.

Traditionellerweise verpflichten die Menschenrechte nur die Staaten gegenüber ihren Staatsangehörigen oder anderen Personen. Ähnlich
wie beim humanitären Völkerrecht gilt hier ebenfalls, dass Staaten sich ihrer menschenrechtlichen Pflichten nicht dadurch entledigen dürfen, dass sie gewisse Aufgaben an Private auslagern. Es ist also die Pflicht der Staaten, dafür zu sorgen, dass die Menschenrechte von den für sie handelnden Akteuren respektiert werden.35

31 32 33 34 35

SR 0.518.12, 0.518.23, 0.518.42, 0.518.51 BBl 2006 623, Ziff. 5.3.3 BBl 2006 623, Ziff. 5.3.1 BBl 2006 623, Ziff. 5.3.2 BBl 2006 623, Ziff. 5.4.1

1773

Es ist hingegen umstritten, ob die Menschenrechte auch auf die Beziehungen zwischen den Angestellten der privaten Sicherheitsunternehmen und anderen Privatpersonen einwirken können, also wenn die Sicherheitsunternehmen von Privatpersonen beauftragt werden und nicht von einem Staat.36 Das Personal eines Sicherheitsunternehmens kann in unmittelbarer Anwendung des internationalen Strafrechts zur Verantwortung gezogen werden, wenn es bestimmte Menschenrechte schwer verletzt. Dieser Punkt wird durch das Römer Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 17. Juli 199837 bestätigt. Nach Artikel 7 dieses Abkommens können auch Privatpersonen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich verfolgt werden.

Auch die Angestellten von Sicherheitsunternehmen werden durch das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte geschützt. Der Umfang des Schutzes variiert je nach Art der Tätigkeiten, an denen sie sich beteiligen. Die meisten von ihnen werden nicht für Kampfeinsätze angestellt, sondern nehmen Unterstützungsaufgaben wahr (Unterhalt der Ausrüstung, Logistikdienste, Bewachung diplomatischer Missionen oder anderer ziviler Einrichtungen, Verpflegungsdienste usw.). Sie gelten in diesem Fall als Zivilisten und sind durch das humanitäre Völkerrecht bei jeder Art von Angriff geschützt. Wenn sie sich jedoch an den Feindseligkeiten unmittelbar beteiligen, verlieren sie diesen Schutz für die Dauer ihrer Beteiligung. In seltenen Fällen sind die Angestellten von Sicherheitsunternehmen in die Streitkräfte eines Staates integriert oder sind Teil von Truppen oder Einheiten unter dem Kommando einer an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Partei. Als solche erfahren sie nicht den Schutz, der Zivilisten gewährt wird.38

1.9

Entwicklungen auf internationaler Ebene

1.9.1

Das Montreux-Dokument

Das Montreux-Dokument vom 17. September 2008 über die einschlägigen völkerrechtlichen Verpflichtungen und die Empfehlungen für Staaten betreffend private Sicherheits- und Militärunternehmen in bewaffneten Konflikten («Montreux-Dokument») ist das Ergebnis einer zu Beginn des Jahres 2006 lancierten gemeinsamen Initiative der Schweiz und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).

Es basiert auf einem praktischen und realistischen Ansatz mit dem erklärten Ziel, eine bessere Respektierung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte zu erreichen. Im Vorwort werden alle Staaten und internationalen Organisationen eingeladen, das EDA zu informieren, wenn sie das Dokument unterstützen wollen.

Gegenwärtig unterstützen eine internationale Organisation (die Europäische Union) und 43 Staaten das Montreux-Dokument, darunter Afghanistan, Südafrika, Deutschland, China, die USA, Frankreich, Irak, Grossbritannien und Italien.39 Die Schweiz bemüht sich derzeit darum, das Montreux-Dokument weiter zu verbreiten. Vom 12.­13. Mai 2011 fand das erste Regionalseminar zur Verbreitung des MontreuxDokuments in Chile statt. Vom 12.­13. Oktober 2011 wurde ein weiteres Regional36 37 38 39

BBl 2006 623, Ziff. 5.4.2 SR 0.312.1 Montreux-Dokument, S. 40 und 41.

Siehe unter www.eda.admin.ch > Themen > Völkerrecht > Humanitäres Völkerrecht > Private Sicherheitsunternehmen > Montreux-Dokument ­ Teilnehmerstaaten

1774

seminar für Nordost- und Zentralasien in der Mongolei durchgeführt.40 Schliesslich fand vom 8.­9. Mai 2012 ein Regionalseminar für den Pazifik in Australien statt.

Am 12. Juni 2012 stellte die Schweiz das Montreux-Dokument sowie den internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister vom 9. November 2010 (siehe Ziff. 1.9.2 unten) an einer Sitzung der Botschafterinnen und Botschafter des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats der NATO vor. Am 8. September 2012 kündigte die Schweiz anlässlich einer internationalen Konferenz zum Thema der privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen am renommierten Internationalen Institut für humanitäres Recht in San Remo an, dass sie in Zusammenarbeit mit dem IKRK Ende 2013 eine Konferenz über das Montreux-Dokument durchführen wird. Diese Konferenz soll ­ fünf Jahre nach der Verabschiedung des Montreux-Dokuments ­ neben einem Rückblick auch zu einem Ausblick über die Herausforderungen der privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen dienen.

Das Montreux-Dokument, das selber keinen rechtlich verbindlichen Charakter hat, hält im ersten Teil das für Sicherheitsunternehmen bzw. deren Aktivitäten im Rahmen bewaffneter Konflikte geltende internationale Recht fest. Es enthält im zweiten Teil eine Reihe von Good Practices, die den Staaten helfen sollen, geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit sie ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen können. Im Folgenden werden die wichtigsten völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten, die Sicherheitsunternehmen verpflichten wollen («Vertragsstaaten»), sowie der Staaten, in denen ein Sicherheitsunternehmen niedergelassen ist oder seinen Sitz hat («Herkunftsstaaten»), genannt. Anschliessend werden die Good Practices für die Sicherheitsunternehmen aufgeführt.

Einschlägige völkerrechtliche Verpflichtungen für Militär- und Sicherheitsunternehmen (erster Teil des Montreux-Dokuments) Das Montreux-Dokument erinnert die Staaten in Erklärungen an folgende völkerrechtliche Verpflichtungen:

40

­

Selbst wenn die Vertragsstaaten für bestimmte Tätigkeiten Sicherheitsunternehmen verpflichten, bleiben sie an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen gebunden (Erklärung 1). Sie dürfen Tätigkeiten, die nach dem humanitären Völkerrecht ausdrücklich staatlichen Beamten oder Behörden vorbehalten sind, nicht Sicherheitsunternehmen übertragen (Erklärung 2).

­

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten sind im Rahmen ihrer Befugnisse gehalten, die von ihnen beauftragten oder auf ihrem Gebiet niedergelassenen Sicherheitsunternehmen zur Beachtung des humanitären Völkerrechts zu verpflichten (Erklärungen 3 und 14).

­

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten sind verantwortlich für die Erfüllung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen und müssen zu diesem Zweck die geeigneten Massnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen der Sicherheitsunternehmen zu verhindern (Erklärungen 4 und 15).

­

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten sind verpflichtet, die Strafverfolgung schwerer Verstösse gegen die Genfer Konventionen oder anderer völkerrechtlicher Verbrechen zu gewährleisten (Erklärungen 5, 6, 16 und 17).

Die Tagungsberichte sind unter folgender Adresse abrufbar: www.dcaf.ch > What we do > Private Security Governance > Raising Awareness oft the Montreux Document on PMSCs (zuletzt besucht am 19.07.2012).

1775

­

Obwohl die Verantwortlichkeit der Vertragsstaaten durch vertragliche Beziehungen mit Sicherheitsunternehmen nicht berührt wird, sind sie verantwortlich für Verstösse der Sicherheitsunternehmen oder des Personals dieser Unternehmen gegen das humanitäre Völkerrecht, die Menschenrechte oder andere völkerrechtliche Vorschriften, wenn die Verstösse nach dem Völkergewohnheitsrecht dem Vertragsstaat anzurechnen sind, insbesondere wenn die Sicherheitsunternehmen vom betreffenden Staat in die regulären Streitkräfte aufgenommen wurden oder auf Weisung des Vertragsstaates tätig sind (Erklärung 7).

­

Die Vertragsstaaten sind zur Wiedergutmachung für Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht und gegen die Menschenrechte verpflichtet, die durch das unrechtmässige Verhalten des Personals eines Sicherheitsunternehmens begangen wurden, wenn dieses Verhalten nach dem Völkergewohnheitsrecht zur Verantwortlichkeit von Staaten dem Vertragsstaat zuzurechnen ist (Erklärung 8).

Das Montreux-Dokument weist auch die Sicherheitsunternehmen und deren Personal auf ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen hin: ­

Die Sicherheitsunternehmen und ihr Personal sind zur Einhaltung der Vorschriften des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte verpflichtet, die sie nach dem geltenden nationalen Recht beachten müssen. Auch die geltende nationale Gesetzgebung müssen sie beachten (Erklärungen 22, 23 und 26 Bst. a).

­

Der Status der Mitglieder des Personals der Sicherheitsunternehmen richtet sich im Einzelfall nach dem humanitären Völkerrecht, insbesondere nach der Art und den Umständen der Funktionen, die sie übernehmen (Erklärungen 24, 25, 26 Bst. b und 26 Bst. c).

­

Sofern sie Vorrechte der öffentlichen Gewalt ausüben, müssen sie die menschenrechtlichen Verpflichtungen des Staates erfüllen (Erklärung 26 Bst. d).

­

Sie können strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie Straftaten begehen, die nach dem anwendbaren nationalen oder internationalen Recht als Verbrechen gelten (Erklärung 26 Bst. e).

­

Die hierarchischen Vorgesetzten des Personals der Sicherheitsunternehmen können für völkerrechtliche Verbrechen, welche diese unter ihrer tatsächlichen Befehlsgewalt und Aufsicht begangen haben, zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie ihre Aufsichtspflicht nicht genügend wahrgenommen haben (Erklärung 27).

Good Practices für private Militär- und Sicherheitsunternehmen (zweiter Teil des Montreux-Dokuments) Das Montreux-Dokument empfiehlt folgende Good Practices: ­

1776

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten bestimmen, welche Dienstleistungen an Sicherheitsunternehmen weitervergeben werden können oder nicht (Good Practices 1 und 53).

­

Die Herkunftsstaaten sehen die Einführung eines Bewilligungssystems vor, z.B. einer befristeten und erneuerbaren Bewilligung für den Betrieb eines Unternehmens, einer Bewilligung für spezifische Dienstleistungen oder anderer Formen von Bewilligungen (Good Practice 54).

­

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten bieten Gewähr für Transparenz, z.B.

indem sie Jahresberichte zuhanden der parlamentarischen Organe veröffentlichen (Good Practices 4 und 59).

­

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten berücksichtigen bei der Erteilung eines Auftrags oder einer Bewilligung folgende Kriterien: Verhalten in der Vergangenheit, Vorliegen der erforderlichen Bewilligungen, Finanzkraft, Ausbildung des Personals, rechtmässiger Erwerb und Einsatz von Waffen, geeignete unternehmensinterne Richtlinien (Good Practices 6­8, 10­12, 60, 61, 63­66). Die Staaten beurteilen ausserdem, ob das Sicherheitsunternehmen in der Lage ist, seine Tätigkeiten in Einklang mit dem nationalen Recht und dem Völkerrecht auszuüben (Good Practices 2 und 57).

­

Die Vertragsstaaten sehen Vertragsklauseln vor, die namentlich die Einhaltung des humanitären Völkerrechts, die zur Erfüllung des Vertrags erforderlichen Waffen, die Weitervergabe von Aufträgen an andere Sicherheitsunternehmen und die Identifizierbarkeit des Sicherheitspersonals regeln (Good Practices 14­16). Die Herkunftsstaaten legen in den Bewilligungen Klauseln fest, mit denen sichergestellt wird, dass das Sicherheitsunternehmen in Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht und nationalen Recht geführt wird und dass sich das Sicherheitspersonal entsprechend verhält (Good Practice 67).

­

Die Vertragsstaaten verpflichten die Sicherheitsunternehmen und ihr Personal zur Einhaltung der Vorschriften zum Einsatz von Gewalt und Schusswaffen. So sind diese ausschliesslich zur Notwehr oder zur Verteidigung von Dritten zu verwenden. In einem solchen Fall sind die zuständigen Behörden unverzüglich zu informieren (Good Practice 18).

­

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten stellen die strafrechtliche Verfolgung von Verbrechen sicher, die von einem Sicherheitsunternehmen und dessen Personal nach dem Völkerrecht oder nationalem Recht begangen wurden, indem gegebenenfalls eine nationale Gerichtsbarkeit geschaffen wird (Good Practices 19 und 71). Die Herkunftsstaaten belegen Sicherheitsunternehmen, die ohne Bewilligung tätig sind oder eine erteilte Bewilligung missachten, überdies mit Strafen wie dem Entzug oder der Suspendierung der Bewilligung, dem Verbot, eine neue Bewilligung zu beantragen, oder zivil- und strafrechtlichen Bussen (Good Practice 69).

­

Die Vertrags- und Herkunftsstaaten sehen Mechanismen für die Kontrolle, die zivilrechtliche Haftung und für Sanktionen vor (Good Practices 20, 21, 68 und 72).

­

Die Herkunftsstaaten gewährleisten die Zusammenarbeit mit den Behörden der Territorialstaaten (Good Practice 73).

Abweichend von der Empfehlung in den Good Practices des Montreux-Dokuments schlägt der Bundesrat kein Bewilligungssystem vor. Er ist jedoch der Ansicht, dass das im Gesetzesentwurf vorgeschlagene System (gesetzliche Verbote kombiniert mit einer umfassenden Meldepflicht und Verboten in Form von Verfügungen) in seiner 1777

Wirkung einem Bewilligungssystem ebenbürtig ist. Das vorgeschlagene System ermöglicht es, alle Aktivitäten von Sicherheitsfirmen, die Schweizer Interessen zuwiderlaufen, zu unterbinden. Die Nachteile des Bewilligungssystems (grosser bürokratischer und finanzieller Aufwand, komplizierte Kontrollen am Ort der Vertragsausführung, Risiko der Deutung einer Bewilligung als staatliche Qualitätsgarantie, vgl. Ziff. 1.5.1) lassen sich dagegen vermeiden.

1.9.2

Internationaler Verhaltenskodex vom 9. November 2010

Der internationale Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister vom 9. November 2010 (nachstehend «Verhaltenskodex») wurde auf Initiative der Schweiz und verschiedener Branchenverbände lanciert. Jedes private Sicherheitsunternehmen kann unabhängig von seiner Rechtsform dem Kodex beitreten. Bis am 1. Oktober 2012 sind 511 Sicherheitsunternehmen dem Verhaltenskodex beigetreten.41 Der Verhaltenskodex verpflichtet die unterzeichneten Unternehmen, bei der Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen in Gebieten, in denen die Rechtsstaatlichkeit gefährdet ist, die Menschenrechte zu achten. Er verlangt auch, dass die Unternehmen alle geltenden Gesetze auf lokaler, regionaler und/oder nationaler Ebene einhalten. Die Unternehmen verpflichten sich ausserdem, mit keinem Staat oder keiner anderen Körperschaft Verträge zu schliessen, die gegen Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen verstossen.

Die Unternehmen verpflichten ihr Personal, alle angemessenen Schritte zu unternehmen, um die Anwendung von Gewalt zu vermeiden. Wird Gewalt angewandt, so hat dies in Einklang mit dem geltenden Recht und mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu geschehen. Die Unternehmen verpflichten ihr Personal zudem, keine Schusswaffen gegen Personen einzusetzen; davon ausgenommen sind Notwehr und Fälle, in denen andere Personen vor unmittelbar drohender Todesgefahr oder der Gefahr schwerer Verletzungen geschützt werden sollen, oder in denen ein besonders schweres Verbrechen, das eine schwerwiegende Bedrohung des Lebens darstellt, verhindert werden soll. Soweit das Personal ausdrücklich ermächtigt ist, die Vollzugsbehörden eines Staates bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen, wird es vom unterzeichneten Unternehmen verpflichtet, sich bei der Anwendung von Gewalt an die innerstaatlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen zu halten.

Der Verhaltenskodex enthält wichtige Bestimmungen über ein Verbot bestimmter Aktivitäten, wie zum Beispiel der Folter, der Diskriminierung und des Menschenhandels. Gleichzeitig werden Managementrichtlinien definiert, die zur Einhaltung des Kodex durch das Personal der unterzeichneten Unternehmen beitragen sollen, sowie Standards für die Rekrutierung und Weiterbildung. Dazu kommen Regeln für die unternehmensinterne Information und für die Kontrollmechanismen.
Der Verhaltenskodex dient auch als Grundlage für die Entwicklung eines unabhängigen Mechanismus zur Steuerung und Überprüfung des Kodex. So sollen messbare Standards und ein Zertifizierungsverfahren eingeführt werden, die sicherstellen, dass die Unternehmen den Verhaltenskodex korrekt umsetzen. Es wurde ein temporärer Steuerungsausschuss gegründet, der den Auftrag hatte, eine Charta mit den Funktio41

www.icoc-psp.org

1778

nen und der Struktur dieses Mechanismus zu entwerfen. Am 16. Januar 2012 veröffentlichte der Steuerungsausschuss einen ersten Entwurf dieser Charta. Mehr als vierzig Teilnehmer (Regierungen, Organisationen, Unternehmen usw.) nahmen in der Vernehmlassung dazu Stellung. Gemäss dem Entwurf soll ein Zertifizierungsverfahren geschaffen werden, mit dem bestimmt wird, ob die Sicherheitsunternehmen die Grundsätze des Verhaltenskodex beachten. Im Entwurf ist auch die Einführung eines Mechanismus zur Überwachung der Tätigkeiten der Sicherheitsunternehmen sowie zur wirksamen Bearbeitung von Beschwerden aufgrund von Verstössen gegen den Verhaltenskodex vorgesehen. Die Charta soll 2013 verabschiedet werden.

Im Verhaltenskodex werden auch die Kriterien für die Auswahl des Sicherheitspersonals und der Unterauftragnehmer festgelegt. Die unterzeichnenden Unternehmen sorgen dafür, dass das Sicherheitspersonal eine angemessene Ausbildung erhält. Sie müssen über die gesetzlich vorgeschriebenen Bewilligungen für den Besitz und die Verwendung von Waffen verfügen. Sie verpflichten sich überdies, den zuständigen Behörden jeden Vorfall zu melden, sofern dies nach nationalem Recht vorgeschrieben ist. Schliesslich stellen die Unternehmen sicher, dass sie jederzeit in der Lage sind, den Verbindlichkeiten aus Schäden, für die sie gegenüber Dritten haften, nachzukommen.

Der Verhaltenskodex gilt heute als Referenz im Bereich der privaten Sicherheitsunternehmen. Es dient zahlreichen Organisationen und Regierungen bei der Einführung nationaler und internationaler Standards. Die Körperschaften, welche die Dienste von Sicherheitsunternehmen beanspruchen, verlangen von diesen oft, dass sie dem Verhaltenskodex beitreten und dessen Grundsätze einhalten.

1.9.3

Projekt einer UNO-Konvention

Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen diskutiert gegenwärtig über die verschiedenen Möglichkeiten einer internationalen Regelung, namentlich über die Möglichkeit der Ausarbeitung eines neuen, rechtlich bindenden Übereinkommens, das die staatlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Aktivitäten privater Militär- und Sicherheitsunternehmen regeln soll. Wie weit diese Arbeiten gedeihen werden, lässt sich gegenwärtig noch nicht sagen, da einzelne Staaten, in denen grosse private Militär- und Sicherheitsunternehmen ihren Sitz haben und die auch die grössten Aufträge an solche Unternehmen vergeben, Vorbehalte gegenüber einer solchen Konvention zum Ausdruck gebracht haben. Die Schweiz beobachtet die Entwicklung dieser Arbeiten.

1.9.4

Entwicklungen in der EU

Am 27. Juli 2012 erklärte die Europäische Union ihre Unterstützung für das Montreux-Dokument. Die Europäische Union will dabei die einschlägigen Regeln einhalten, wenn sie selbst private Militär- und Sicherheitsunternehmen anstellt.

Priv-War ist ein von der EU finanziertes und durch das European University Institute (EUI) koordiniertes Forschungsprojekt, das in Zusammenarbeit mit sieben europäischen Universitäten die Auswirkungen eines verstärkten Einsatzes privater Militär- und Sicherheitsunternehmen in bewaffneten Konflikten untersuchte. Eine 1779

Analyse des bestehenden ordnungspolitischen Rahmens, u. a. unter Bezugnahme auf das Montreux-Dokument und den internationalen Verhaltenskodex, diente als Ausgangspunkt des Projekts. Neben wissenschaftlichen Publikationen42 gingen im März 2011 aus dem Projekt Empfehlungen an die EU hervor, welche mehrere Optionen für regulatorische Massnahmen mit sowohl rechtsverbindlichem als auch rechtlich nicht bindendem Charakter beinhalten. Diese Empfehlungen werden derzeit durch die EU geprüft.

Zu erwähnen ist auch, dass das Europäische Parlament im Rahmen der Entschliessung vom 11. Mai 2011 zur Entwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon der Auffassung ist, dass Regulierungsmassnahmen der EU, einschliesslich eines umfangreichen Systems von Normen für die Gründung, Registrierung, Zulassung, Überwachung und die Berichterstattung über Verstösse gegen die geltenden Rechtsvorschriften durch private Sicherheits- und Militärdienstleister erlassen werden müssen. Es fordert die Kommission und den Rat auf, eine Richtlinie, die auf die Angleichung nationaler Massnahmen zur Regulierung dieser Problematik abzielt, zu entwerfen sowie einen Beschluss über die Ausfuhr von Dienstleistungen dieser Unternehmen in Drittstaaten zu fassen.

1.10

Umsetzung

Aufgrund des zukünftigen Gesetzes müssen die Ausführungsbestimmungen nach Artikel 38 des Gesetzesentwurfs erlassen werden. Ausserdem muss die VES43 angepasst werden.

Mit seinem Beschluss vom 29. August 2012 entschied sich der Bundesrat für eine Verbotsregelung, die mit einem Verfahren der vorgängigen Meldung verbunden ist.

Zuvor hatte er andere Lösungen wie ein System der nachträglichen Meldung, eine Registrierungs- oder Bewilligungspflicht oder ein generelles Verbot der Teilnahme an Kampfhandlungen geprüft. Er kam zum Schluss, dass die nun vorgeschlagene Regelung es ermöglicht, problematische Tätigkeiten möglichst vollständig und ohne bürokratischen Leerlauf zu kontrollieren, den Sachverhalt rasch zu prüfen und allfällige Verbote und andere Einschränkungen wirksam durchzusetzen.

Die Überprüfung der Umsetzung des Gesetzesentwurfs wird zwar nicht ausdrücklich festgehalten. Die Massnahmen sollen aber nach Artikel 170 der Bundesverfassung44 auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Zudem muss die zuständige Behörde gemäss Gesetzesentwurf jährlich einen Tätigkeitsbericht zuhanden des Bundesrats erstellen. Gestützt auf diesen Bericht wird es möglich sein, sich einen Überblick über die Umsetzung der Gesetzesmassnahmen und allfällige Schwierigkeiten der zuständigen Behörde zu verschaffen.

42 43 44

Siehe u. a. F. Francioni und N. Ronzitti (Hrsg.), «War by Contract: Human Rights, Humanitarian Law and Private Contractors», Oxford University Press, 2011.

SR 124 SR 101

1780

1.11

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion 10.3639 SiK-SR kann abgeschrieben werden. Der vorliegende Entwurf trägt der Motion insofern Rechnung, als darin jene Aktivitäten untersagt werden, die den aussen-, sicherheits- und neutralitätspolitischen Interessen der Schweiz zuwiderlaufen. Auch erfasst er die im parlamentarischen Vorstoss bezeichneten Unternehmen. Aus den in den Ziffern 1.5.1 und 1.6 genannten Gründen weicht der Entwurf jedoch vom Vorschlag der Motion, ein Bewilligungssystem einzuführen, ab. Die Gründe decken sich mit den Schlussfolgerungen des Berichts des BJ vom 30. Dezember 2010. Als der Bundesrat die Motion am 17. Dezember 2010 zu Annahme empfahl, hatte er diesen Bericht noch nicht zur Kenntnis genommen.

Aus den gleichen Gründen kann auch die Motion Lang 10.3808 abgeschrieben werden.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Gesetzesentwurfs

2.1

Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Zweck

Das Gesetz soll dazu beitragen, bestimmte Interessen der Schweiz zu schützen. In Artikel 1 werden diese genannt, wobei die Aufzählung nicht in der Reihenfolge ihrer Bedeutung erfolgt. Anders als sonst üblich umschreibt die Zweckbestimmung des Artikels 1 nicht bloss die generellen Zielsetzungen des Gesetzesentwurfs. Die in Artikel 1 genannten Zwecke bilden die Grundlage für die von der zuständigen Behörde auszusprechenden Verbote nach Artikel 14 des Gesetzesentwurfs. Gemäss Artikel 14 Absatz 1 verbietet die zuständige Behörde eine Tätigkeit ganz oder teilweise, wenn und soweit sie im Widerspruch zu den in Artikel 1 genannten Zwecken steht. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot haben strafrechtliche Sanktionen zur Folge (Art. 22).

Nach Buchstabe a trägt der Gesetzesentwurf dazu bei, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten. Die innere Sicherheit besteht nach dem Wortlaut der alten Verfassung hauptsächlich in der «Handhabung von Ruhe und Ordnung», während die äussere Sicherheit den Schutz vor äusseren Gefährdungen umfasst, z.B. vor Angriffen anderer Staaten gegen die Schweiz, Terrorismus, politischem Druck und organisierter Kriminalität.45 Die Begriffe der inneren und äusseren Sicherheit sind indes eng miteinander verbunden. So sieht das BWIS46 vorbeugende Massnahmen gegen Gefährdungen durch Terrorismus, verbotenen Nachrichtendienst oder gewalttätigen Extremismus vor.

Nach Artikel 1 Buchstabe b trägt der Gesetzesentwurf dazu bei, die aussenpolitischen Ziele der Schweiz nach Artikel 54 BV umzusetzen. Letztere Bestimmung verleiht dem Bund eine umfassende Kompetenz, die alle Facetten der «auswärtigen Angelegenheiten» wie den Abschluss von Verträgen, die Anerkennung ausländischer Staaten und die diplomatischen Beziehungen umfasst. Artikel 54 Absatz 2 BV 45 46

Jean-François Aubert und Pascal Mahon, Petit Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Art. 57, S. 481, Zürich, 2003.

SR 120

1781

enthält eine nicht abschliessende Aufzählung der wichtigsten Ziele, für welche sich der Bund aussenpolitisch einsetzen muss. Darunter fallen die Wahrung der Unabhängigkeit und Wohlfahrt der Schweiz, die Achtung der Menschenrechte, die Förderung der Demokratie und das friedliche Zusammenleben der Völker.

Artikel 1 Buchstabe c betrifft die Wahrung der Neutralität der Schweiz. Die Neutralität ist ein Instrument der schweizerischen Aussenpolitik (Art. 173 und 185 BV).

Sie dient der Sicherung der Unabhängigkeit der Schweiz und der Unverletzlichkeit ihres Staatsgebietes. Im Gegenzug verpflichtet sich die Schweiz, nicht an Kriegen zwischen anderen Staaten teilzunehmen. Es ist zwischen Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik zu unterscheiden. Das Neutralitätsrecht ist in den Haager Abkommen von 190747 und im Völkergewohnheitsrecht verbindlich festgelegt (siehe Ziff. 1.8.1). Diese Regeln gelten im Falle eines zwischenstaatlichen Konflikts für Staaten, welche sich neutral erklären. Die Schweiz hat sich für den besonderen Status der dauernden Neutralität entschieden. Heute ist die schweizerische Neutralität global geachtet und bekannt. Aus diesem besonderen Status und dem völkerrechtlichen Vertrauensprinzip ergeben sich bestimmte Rechtspflichten bereits in Friedenszeiten. Ebenso ergibt sich aus dem Status der dauernden Neutralität die Notwendigkeit einer glaubwürdigen Aussenpolitik. Die Neutralitätspolitik beinhaltet dabei alle Massnahmen, die ein neutraler Staat über seine rechtlichen Verpflichtungen hinaus in seinem eigenen Ermessen trifft, um die Glaubwürdigkeit seiner Neutralität zu sichern. Die konkrete Ausgestaltung der Neutralitätspolitik muss den jeweiligen aussen- und sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz Rechnung tragen.

Das Prinzip der Neutralität gemäss Buchstabe c umfasst sowohl das Neutralitätsrecht wie die Neutralitätspolitik. Tätigkeiten im Sinne des Gesetzesentwurfs sind somit auf ihre Vereinbarkeit mit den Rechtspflichten der Schweiz als dauernd neutraler Staat sowie mit der Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der Schweizerischen Neutralität zu prüfen. Grundsätzlich keine Unvereinbarkeit mit der Neutralität besteht im Falle von Tätigkeiten, mit denen die Umsetzung von militärischen Zwangsmassnahmen nach Ziffer VII der UNO-Charta48 ausserhalb der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten
unterstützt wird. Die das UNO-Mandat umsetzenden Länder leisten einen Beitrag zur Wahrung oder Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit. Derartige UNO-Missionen liegen im friedenspolitischen Interesse der Schweiz und deren Unterstützung ist grundsätzlich mit der Neutralität vereinbar.

Schliesslich trägt der Gesetzesentwurf nach Artikel 1 Buchstabe d dazu bei, die Einhaltung des Völkerrechts, insbesondere der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, zu garantieren. Das Völkerrecht regelt die Beziehungen zwischen den Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten. Es umfasst verschiedene Bereiche wie das Verbot von Gewalt zur Beilegung von zwischenstaatlichen Konflikten sowie die Bekämpfung terroristischer und sonstiger schwerwiegender Straftaten. Der Gesetzesentwurf trägt auch dazu bei, die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu garantieren. Die internationalen Verpflichtungen eines Staates können auf verschiedenen Quellen basieren. Von der Menge her stellen die Staats47

48

Abkommen vom 18. Oktober 1907 betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkrieges (SR 0.515.21; 5. Haager Konvention); Abkommen vom 18. Oktober 1907 betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte im Falle eines Seekrieges (SR 0.515.22; 13. Haager Konvention).

SR 0.120

1782

verträge die wichtigste Quelle dar. Bestimmte grundlegende internationale Verpflichtungen gründen hingegen auf dem Völkergewohnheitsrecht oder auf allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Buchstabe d umfasst somit alle internationalen Verpflichtungen, die die Schweiz einhalten muss. Die strikte Einhaltung des VölkerVölkerrechts, darunter namentlich der Menschenrechte sowie des humanitären Völkerrechts, ist ein zentraler Punkt des schweizerischen Selbstverständnisses nach innen und aussen. Als Depositarstaat der Genfer Konventionen und der Zusatzprotokolle49 hat die Schweiz ein herausragendes Interesse daran, nicht in Konfliktsituationen hineingezogen zu werden, die ihre ausgezeichnete Reputation im humanitären Bereich beeinträchtigen könnten.

Art. 2

Geltungsbereich

Einleitungssatz von Abs. 1 Gemäss dem Einleitungssatz von Absatz 1 gilt der Gesetzesentwurf für alle natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften («Unternehmen»), die eine der Tätigkeiten der Buchstaben a­d wahrnehmen. Dabei kann es sich namentlich um Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kollektivgesellschaften, Stiftungen, Einzelunternehmen oder Einzelpersonen handeln. Die dem Gesetzesentwurf unterstehenden Unternehmen können einen wirtschaftlichen Zweck oder andere, nicht wirtschaftliche Zwecke verfolgen.

Unter Absatz 1 werden die durch den Gesetzesentwurf geregelten Tätigkeiten abschliessend aufgezählt. Der Absatz verankert ein doppeltes Anknüpfungskriterium: Die Tätigkeiten müssen einen Bezug zur Schweiz sowie zum Ausland aufweisen. Tätigkeiten, deren Ausübung und Erfolg vollständig in der Schweiz oder vollständig im Ausland stattfindet bzw. eintritt, werden vom Gesetzesentwurf nicht erfasst. Diese unterstehen entweder dem kantonalen Recht (Sicherheitsdienstleistungen, die in der Schweiz erbracht werden) oder ausländischem Recht.

Abs. 1 Bst. a Der Gesetzesentwurf gilt für Unternehmen, die von der Schweiz aus private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland erbringen. Der Begriff der «privaten Sicherheitsdienstleistungen» wird in Artikel 4 Buchstabe a bestimmt.

Eine Dienstleistung wird von der Schweiz aus erbracht, wenn sich der Sitz oder die Niederlassung des Unternehmens in diesem Land befindet, aber auch dann, wenn ein ausländisches Unternehmen die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen im Ausland z.B. über eine Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz von der Schweiz aus organisiert.

Der Begriff «im Ausland» umfasst das Hoheitsgebiet jedes anderen Staates als der Schweiz. Der Umfang des Begriffs wird durch Artikel 3 jedoch eingegrenzt: Dieser Artikel sieht Ausnahmen vom Geltungsbereich des Gesetzes vor für Unternehmen, die von der Schweiz aus auf dem Gebiet, das unter das Abkommen vom 21. Juni 199950 über die Freizügigkeit (FZA) oder unter das Übereinkommen vom 4. Januar 196051 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) (EFTAÜbereinkommen) fällt, bestimmte Tätigkeiten ausüben (siehe Art. 3 unten).

49 50 51

SR 0.518.12, 0.518.23, 0.518.42, 0.518.51 sowie 0.518.521­523 SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

1783

Vorbehaltlich der Ausnahmen nach Artikel 3 umfasst der Begriff «im Ausland» im Sinne des Gesetzesentwurfs auch die Territorialgewässer der ausländischen Uferstaaten sowie die hohe See und den internationalen Luftraum. Der Sicherheitsmarkt hat sich jüngst auf die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen zum Schutz der Hochseeschifffahrt vor Piraterie ausgeweitet.52 Diese Entwicklung ist somit auch bei der Auslegung des Begriffs «im Ausland» zu berücksichtigen.

Gemäss dem Seeschifffahrtsgesetz vom 23. September 195353 (SSG) sind die im Register der schweizerischen Seeschiffe eingetragenen Schiffe schweizerische Seeschiffe (Art. 2 SSG). Artikel 4 SSG sieht ferner vor, dass auf hoher See an Bord schweizerischer Seeschiffe ausschliesslich schweizerisches Bundesrecht gilt; in Territorialgewässern gilt an Bord schweizerischer Seeschiffe schweizerisches Bundesrecht, soweit nicht der Uferstaat sein Recht zwingend für anwendbar erklärt.

Gemäss Lehre und Rechtsprechung gilt die hohe See (Territorialgewässer sind einem Drittstaat zuzurechnen und damit ohnehin Ausland) als Ausland. Ein Schiff unter Schweizer Flagge stellt kein «Stück Schweiz» dar.54 Gemäss dem «Flaggenprinzip» gilt auf einem Schiff unter Schweizer Flagge auf der hohen See aber schweizerisches Recht. Eine Sicherheitsdienstleistung, welche auf hoher See an Bord eines unter Schweizer Flagge fahrenden Schiffs erbracht wird, gilt als im Ausland erbracht und fällt demnach unter den Gesetzesentwurf.

Eine schweizerische Reederei, die Schiffe unter Schweizer Flagge führt, hat normalerweise kein eigenes bewaffnetes Personal zum Schutz gegen Piraten. Sie beauftragt bei Bedarf ein spezialisiertes Unternehmen, das ihr diesen Schutz auf gefährlichen Streckenabschnitten gewährt. In der Regel handelt es sich dabei um eine ausländische Gesellschaft. Hat diese Gesellschaft indes ihren Sitz oder eine Niederlassung in der Schweiz oder wird sie von der Schweiz aus tätig, untersteht sie diesem Gesetzesentwurf.

Artikel 1 des Übereinkommens vom 7. Dezember 194455 über die internationale Zivilluftfahrt bestimmt, dass der Luftraum über dem Territorium eines Staates ebenfalls zu dessen Staatsgebiet zählt. Gemäss Artikel 17 des Übereinkommens besitzen private Luftfahrzeuge die Staatszugehörigkeit desjenigen Staates, in dem sie eingetragen sind. Gleich wie in
der Seeschifffahrt gilt an Bord dieser Flugzeuge das Recht des eintragenden Staates, soweit ein Staat, dessen Gebiet überflogen wird, im Einklang mit dem Völkerrecht nicht sein eigenes Recht zur Anwendung bringen darf. Ebenso wenig wie in der Seeschifffahrt werden aber private Flugzeuge als «beweglicher Teil des Hoheitsgebietes» des eintragenden Staates betrachtet.56 Erbringt ein in der Schweiz niedergelassenes oder dort tätiges Unternehmen private Sicherheitsdienstleistungen an Bord eines in der Schweiz eingetragenen privaten Flugzeuges, so fallen diese Dienstleistungen in den Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs, da Schweizer Recht zur Anwendung kommt, die Dienstleistungen aber im Ausland erbracht werden.

52 53 54

55 56

Bericht des BJ vom 30. Dezember 2010, Ziff. 4.2.1.1.

SR 747.30 Botschaft vom 7. Dezember 2007 betreffend die Ratifikation eines Übereinkommens und der Änderung eines Übereinkommens sowie den Beitritt zu zwei Änderungsprotokollen der UNO zur Bekämpfung terroristischer Handlungen gegen die nukleare und maritime Sicherheit, BBl 2008 1153.

SR 0.748.0 (für die Schweiz in Kraft getreten am 4.4.1947).

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 28. September 1962 über die Änderung des Luftfahrtgesetzes, BBl 1962 II 717.

1784

Abs. 1 Bst. b Der Gesetzesentwurf erfasst auch Unternehmen, die in der Schweiz eine mit einer im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistung zusammenhängende Dienstleistung erbringen, d.h. Sicherheitspersonal für private Sicherheitsdienstleistungen, die im Ausland erbracht werden sollen, rekrutieren oder ausbilden sowie Sicherheitspersonal zugunsten eines Unternehmens, das private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland anbietet, zur Verfügung stellen (vgl. die Definition in Art. 4 Bst. b).

Der Bezug zur Schweiz besteht, falls die mit einer Sicherheitsdienstleistung zusammenhängende Dienstleistung in der Schweiz erbracht wird. Der Zielstaat für künftige private Sicherheitsdienstleistungen des Sicherheitspersonals muss dabei noch nicht feststehen.

Die Rekrutierung erfolgt in der Schweiz, sobald ein wesentlicher Teil dieser Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt wird, z.B. wenn das Unternehmen die Bewerbungsgespräche in der Schweiz durchführt oder die Anstellungsverträge hier abschliesst. Das Unternehmen muss das Ziel verfolgen, spezifisch Sicherheitspersonal für private Sicherheitsdienstleistungen, die im Ausland erbracht werden sollen, zu rekrutieren oder auszubilden. Die Rekrutierung und die Ausbildung von Sicherheitspersonal für private Sicherheitsdienstleistungen in der Schweiz sind davon nicht betroffen. Solche Leistungen unterstehen dem kantonalen Recht.

Die Ausbildung muss in der Schweiz durchgeführt werden, z.B. in einem Ausbildungszentrum oder einem Trainingslager. Gegenstand der Ausbildung können etwa Angriffs- und Verteidigungstechniken für bewaffnete Konflikte, Notwehr- und Überlebenstechniken, Waffengebrauch, die Einsatzplanung und die logistische Unterstützung sowie die Vermittlung von Kenntnissen des Völkerrechts und der Korruptionsbekämpfung sein.

Der Gesetzesentwurf erfasst auch Unternehmen, die zugunsten eines Unternehmens, das private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland anbietet, vermittelnd oder unmittelbar Sicherheitspersonal zur Verfügung stellen. Diese Bestimmung kommt z.B.

dann zur Anwendung, wenn ein Unternehmen in der Schweiz Sicherheitspersonal zur Verfügung stellt, das dann von einem im Ausland tätigen Unternehmen eingesetzt wird.

Abs. 1 Bst. c Der Gesetzesentwurf gilt für Unternehmen, die in der Schweiz ein Unternehmen gründen, ansiedeln, betreiben oder
führen, das private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland erbringt oder damit zusammenhängende Dienstleistungen in der Schweiz oder im Ausland erbringt.

Der Bezug zur Schweiz besteht, sobald diese Tätigkeiten in der Schweiz ausgeübt werden. Dabei kann es sich z.B. um ein Unternehmen handeln, das sich in der Schweiz niedergelassen hat und von hier aus ein Unternehmen führt, das im Ausland zur dortigen Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen gegründet wurde. Der Gesetzesentwurf erfasst somit nicht nur «operative» Fälle, in denen Sicherheitsdienstleistungen von der Schweiz aus im Ausland erbracht werden. So wichtig diese Kategorie sein mag, so sehr schaffen auch die anderen Anknüpfungskriterien Verbindungen zur Schweiz, bei denen diese ein Interesse daran hat, Sicherheits- und Reputationsrisiken zu vermeiden.

1785

Abs. 1 Bst. d Gestützt auf diese Bestimmung gilt der Gesetzesentwurf für Unternehmen, die von der Schweiz aus ein Unternehmen kontrollieren, das private Sicherheitsdienstleistungen oder damit zusammenhängende Dienstleistungen im Sinne von Artikel 4 Buchstabe b erbringt. Selbst wenn die betreffenden Unternehmen rein finanzielle Tätigkeiten ausüben, müssen sie dem Gesetz unterstellt werden. Denn ihr Ruf und die Tätigkeiten der Sicherheitsunternehmen, die sie kontrollieren, können die Interessen der Schweiz gefährden.

Diese Bestimmung erfasst alle Arten von Beteiligungsstrukturen, mit deren Hilfe ein Unternehmen die Kontrolle über ein im Ausland tätiges privates Sicherheitsunternehmen ausübt. Gemeinhin wird in diesem Zusammenhang von Holding-Gesellschaften gesprochen. Artikel 5 legt fest, wann ein Unternehmen ein anderes kontrolliert. Der Bezug zur Schweiz besteht, sobald das Unternehmen, das die Kontrolle ausübt, seinen Sitz oder seine Niederlassung in der Schweiz hat. Ein kontrolliertes Unternehmen kann in der Schweiz oder im Ausland niedergelassen sein.

Abs. 2 Der Gesetzesentwurf ist auch auf Personen anwendbar, die im Dienst von Unternehmen stehen, welche von ihm erfasst werden. Dies ist überall dort wichtig, wo der Gesetzesentwurf Pflichten und Sanktionen für einzelne Personen festlegt, wie etwa bei der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland (vgl. Art. 8 Abs. 2 hiernach). Mit der Formulierung «im Dienst» werden nicht nur eigentliche Arbeitsverhältnisse erfasst. Unter den Gesetzesentwurf fallen alle geschäftlichen oder persönlichen Beziehungen, in denen Personen Weisungen oder Aufträge irgendwelcher Art entgegennehmen. Auf die Rechtsform kommt es dabei nicht an.

Abs. 3 Der Gesetzesentwurf erfasst schliesslich Bundesbehörden, die ein Sicherheitsunternehmen für die Wahrnehmung von Schutzaufgaben im Ausland einsetzen. Der Begriff «Einsatz» bezieht sich nicht nur auf Fälle, in denen eine Bundesbehörde eine Schutzaufgabe delegiert, sondern auch auf jene, in denen sie im Rahmen eines Auftrags auf die Dienste eines Sicherheitsunternehmens zurückgreift (siehe Ziff. 2.7 unten).

Nicht in den Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs fällt der Einsatz von Sicherheitsunternehmen zur Wahrnehmung von Schutzaufgaben in der Schweiz. In solchen Fällen gilt die VES57. Der Gesetzesentwurf gilt auch nicht für Bundesbehörden, die Private hilfsweise als einfache Befehlsempfänger der Behörde ohne Autonomie oder Entscheidungskompetenz beiziehen.58 Art. 3

Ausnahmen vom Geltungsbereich

Mit Artikel 3 werden Ausnahmen vom Geltungsbereich des Gesetzes in Bezug auf bestimmte private Sicherheitsdienstleistungen eingeführt, die von der Schweiz aus auf dem Gebiet, das unter das FZA59 oder unter das EFTA-Übereinkommen60 fällt, erbracht werden. Zu diesem Gebiet gehören die Staatsgebiete der 27 Mitgliedstaaten 57 58 59 60

SR 124 Gesetzgebungsleitfaden des BJ, S. 346.

SR 0.142.112.681 SR 0.632.31

1786

der Europäischen Union, einschliesslich der französischen Departemente in Übersee, der Azoren, Madeiras, der Kanarischen Inseln, Ceutas und Melillas, Gibraltars und der Ålandinseln. Auch das Gebiet der EFTA-Mitgliedstaaten, also Islands, Liechtensteins und Norwegens (vgl. Art. 58 EFTA-Übereinkommen), gehört dazu.

Die Ausnahmen zielen darauf ab, den freien Dienstleistungsverkehr gemäss FZA/EFTA-Übereinkommen zu erhalten. Gemäss diesen Abkommen wird einem Dienstleistungserbringer einschliesslich Gesellschaften das Recht eingeräumt, Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen, deren tatsächliche Dauer neunzig Arbeitstage pro Kalenderjahr nicht überschreitet (Art. 5 Abs. 1 FZA). Gemäss diesen Abkommen sind Beschränkungen grenzüberschreitender Dienstleistungen untersagt (Art. 17 Bst. a Anhang I FZA); davon unberührt bleiben insbesondere die Rechtsvorschriften jeder Vertragspartei, sofern diese aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (Art. 22 Abs. 4 Anhang I FZA). Auch ein Dienstleistungserbringer mit Schweizer Bürgerrecht (oder eine nach Schweizer Recht gegründete Gesellschaft) kann sich gegenüber den Schweizer Behörden auf die Bestimmungen des FZA/EFTA-Übereinkommens über den freien Dienstleistungsverkehr berufen, sofern er ein durch das Abkommen garantiertes Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat.61 Die Zwecke des Gesetzesentwurfs ­ d.h. die Gewährleistung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz, die Umsetzung der aussenpolitischen Ziele der Schweiz, die Wahrung der schweizerischen Neutralität und die Einhaltung des Völkerrechts ­ stellen zweifelsohne zwingende Gründe dar, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen. Damit die von der Schweiz ergriffenen gesetzlichen Massnahmen im Sinne des FZA/EFTA gerechtfertigt sind, müssen sie jedoch auch objektiv in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zwecken stehen.62 Im vorliegenden Fall würde die Pflicht, jede Tätigkeit im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen zu melden, sowie die Pflicht, während mindestens vierzehn Tagen nach der Meldung bzw. bis zu einem Bescheid der zuständigen Behörde keine solche Tätigkeiten auszuüben, bei Sicherheitsdienstleistungen nach Artikel 4 Buchstabe a Ziffern 1­3 des Gesetzesentwurfs offensichtlich eine Beschränkung des freien
Dienstleistungsverkehrs darstellen, die nicht im Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen würde. Da bei solchen Sicherheitsdienstleistungen nur ein geringes Risiko besteht, dass die Sicherheit der Schweiz gestört und ihre Neutralität gefährdet werden, und da auf dem Gebiet der EU-/EFTA-Staaten keine tatsächliche Gefahr für Feindseligkeiten oder schwere Menschenrechtsverletzungen besteht, würden solche Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs über die Erfordernisse zur Erfüllung der Zwecke des Gesetzesentwurfs hinausgehen.

Um dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen, werden dementsprechend Ausnahmen vom Geltungsbereich in den Gesetzesentwurf aufgenommen.

Diese betreffen gemäss Artikel 4 Buchstabe a Ziffern 1­3 folgende Sicherheitsdienstleistungen: den Personenschutz, die Bewachung oder Überwachung von Gütern und Liegenschaften sowie den Ordnungsdienst bei Anlässen. Das mit solchen privaten Sicherheitsdienstleistungen beauftragte Personal kann unter Vorbehalt der am Ort der Ausführung der Dienstleistung geltenden Waffengesetzgebung bewaffnet oder unbewaffnet auftreten.

61 62

BGE 136 II 241 Siehe z.B. BGE 131 V 390 und 131 V 209.

1787

Aus denselben Gründen wurden die Ausnahmen auch auf Personen und Unternehmen ausgeweitet, die in der Schweiz Dienstleistungen erbringen, die mit einer privaten Sicherheitsdienstleistung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 auf dem Gebiet im Geltungsbereich der oben genannten Abkommen zusammenhängen. Die Ausnahmen gelten ebenfalls für Unternehmen, die ein Unternehmen gründen, ansiedeln, betreiben, führen oder kontrollieren, das Dienstleistungen gemäss Artikel 3 Absatz 1 oder Absatz 2 Buchstabe a erbringt.

Handelt es sich bei der auf dem Gebiet der EU-/EFTA-Staaten zu erbringenden privaten Sicherheitsdienstleistung hingegen nicht um eine Dienstleistung nach Artikel 4 Buchstabe a Ziffern 1­3, sieht Artikel 3 keine Ausnahmen vom Geltungsbereich des Gesetzes vor. Denn Dienstleistungen wie Zwangsmassnahmen, die Bewachung von Gefangenen, die operationelle oder logistische Unterstützung von Streitkräften, der Betrieb von Waffensystemen oder Spionage können die Interessen der Schweiz gefährden, insbesondere auch ihre Neutralität. Die Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs ist hier also gerechtfertigt.

Art. 4

Begriffe

Art. 4 Bst. a: «private Sicherheitsdienstleistung» Erfasst werden von einem privaten Unternehmen erbrachte Tätigkeiten. Nicht unter den Gesetzesentwurf fallen Tätigkeiten staatlicher Betriebe. Artikel 4 Buchstabe a enthält eine nicht abschliessende Aufzählung. Dennoch liefern die Ziffern 1­9 konkrete Hinweise über die Art und Intensität der Sicherheitsdienstleistungen, die der Gesetzesentwurf erfassen will. Reine Portier- und Logendienste sowie die Planung, Einrichtung oder Wartung von Alarmsystemen für die Gebäudesicherheit gehören nicht dazu, falls dabei nicht zusätzliche Dienstleistungen erbracht werden, die zur Anwendung von Zwang oder zum Waffeneinsatz führen können.

Die private Sicherheitsdienstleistung im Sinn von Artikel 4 Buchstabe a kann bewaffnet oder unbewaffnet erbracht werden. Der Begriff umfasst insbesondere folgende Tätigkeiten:

63

­

Personenschutz, z.B. Schutz von Magistratspersonen oder Begleitschutz für humanitäre Hilfskonvois;

­

Bewachung von Gütern und Liegenschaften, z.B. bewaffneter Schutz eines Gebäudes (Botschaft) oder eines Grundstücks oder deren Überwachung (Rundgänge);

­

Ordnungsdienst bei Anlässen, z.B. bei Konzerten oder Sportanlässen;

­

Massnahmen gegenüber Personen, d.h. Kontrolle, Festhalten oder Durchsuchung von Personen, Durchsuchung von Räumen oder Behältnissen wie Fahrzeugen (siehe Art. 6 des Zwangsanwendungsgesetzes vom 20. März 200863 [ZAG]);

­

Bewachung, Betreuung und Transport von Gefangenen, Betrieb von Gefängnissen sowie Hilfsleistungen beim Betrieb von Lagern für Kriegsgefangene oder internierte Zivilpersonen;

SR 364

1788

­

operationelle oder logistische Unterstützung von Streit- oder Sicherheitskräften, soweit diese nicht im Rahmen einer unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten nach Artikel 8 erfolgt. Die operationelle oder logistische Unterstützung im Rahmen der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten wird ausgeklammert, weil diese Tätigkeiten nach der Systematik des Gesetzesentwurfs gar nicht als Sicherheitsdienstleistungen behandelt werden. Diese Aktivitäten sind vollständig verboten (vgl. Art. 8 hiernach). Bei den Sicherheitskräften im Sinn von Artikel 4 Buchstabe a Ziffer 6 kann es sich um die Polizeikräfte eines Staates handeln. Die Unterstützung kann bei inneren Unruhen, Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder anderen ähnlichen Handlungen erfolgen (siehe Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls II vom 8. Juni 197764 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte [Protokoll II]).

Die Dienstleistung muss einen Bezug zu den Aufgaben im Zuständigkeitsbereich der Streit- oder Sicherheitskräfte aufweisen. Unter operationeller Unterstützung ist z.B. die Bereitstellung von bewaffnetem Sicherheitspersonal für einen ausländischen Staat zu verstehen, der sich mit Demonstrationen der Bevölkerung oder anderen inneren Unruhen konfrontiert sieht. Unter die logistische Unterstützung fallen z.B. der Aufbau oder der Betrieb einer Infrastruktur in einer Notlage (Ankunft einer grossen Zahl von Flüchtlingen in einem ausländischen Staat), der Unterhalt des Kriegsmaterials eines Staates, der Betrieb seines Kommunikationssystems ausserhalb eines bewaffneten Konflikts oder die Ausbildung der Angehörigen der Streit- oder Sicherheitskräfte. Die Führung der Wäscherei der Streitkräfte stellt dagegen keine logistische Unterstützung im Sinne des Gesetzesentwurfs dar, da sie keinen ausreichenden Bezug zu den Aufgaben der Streitkräfte aufweist;

­

Betrieb und Wartung von Waffensystemen, z.B. eines Systems zur Verteidigung vor Luftangriffen;

­

Beratung oder Ausbildung von Angehörigen der Streit- oder Sicherheitskräfte;

­

nachrichtendienstliche Tätigkeiten, Spionage und Spionageabwehr.

Art. 4 Bst. b: «mit einer privaten Sicherheitsdienstleistung zusammenhängende Dienstleistung» Der Begriff «mit einer privaten Sicherheitsdienstleistung zusammenhängende Dienstleistung» umfasst die Rekrutierung oder Ausbildung von Sicherheitspersonal für private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland (Ziff. 1) sowie die Vermittlung oder Zurverfügungstellung von Sicherheitspersonal zugunsten eines Unternehmens, das Sicherheitsdienstleistungen im Ausland anbietet (Ziff. 2). Diese Begriffsbestimmung ist abschliessend. Wie in den Erläuterungen zu Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b erwähnt, muss das Sicherheitspersonal spezifisch für private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland rekrutiert und ausgebildet werden. Von dieser Bestimmung nicht erfasst wird hingegen die Rekrutierung von Personal zur Erfüllung ausschliesslich administrativer Aufgaben in der Schweiz für ein dem Gesetz unterstehendes Sicherheitsunternehmen.

64

SR 0.518.522

1789

Art. 4 Bst. c: «unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten» Unter «unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten» ist eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Ausland im Sinne der Genfer Abkommen65 und der Protokolle I und II zu verstehen. Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf wird vorgeschlagen, den Begriff im Sinne dieser Rechtsinstrumente auszulegen. Auf eine genauere Definition wird verzichtet, weil der Begriff im Völkerrecht allgemein bekannt ist und es eine detaillierte völkerrechtliche Praxis dazu gibt.

Gemäss den Genfer Abkommen und den Protokollen I und II bezieht sich der Begriff der «unmittelbaren Teilnahme» an Feindseligkeiten auf die persönliche Verwicklung einer Person in solche Feindseligkeiten. Der Begriff umfasst spezifische Handlungen einer Person im Rahmen der Austragung von Feindseligkeiten zwischen den an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien. Er ist Gegenstand einer Auslegungshilfe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK)66, in der die Frage geklärt werden soll, wann eine Person unmittelbar an Feindseligkeiten beteiligt ist und damit nicht mehr den Schutz des humanitären Völkerrechts vor direkten Angriffen geniesst. Um als unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten zu gelten, muss ein bestimmter Akt gemäss dem IKRK folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllen: a.

Die Handlung muss geeignet sein, den militärischen Operationen oder der militärischen Kapazität einer an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Partei schaden zu können, oder sie muss solcher Art sein, dass sie den Verlust von Menschenleben bzw. Verwundungen oder Zerstörungen bei Personen oder Objekten, die vor direkten Angriffen geschützt sind, verursacht (Schädigungsgrad).

b.

Es muss ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Handlung und der Schadenswirkung bestehen, die sich aus der Handlung oder einer koordinierten militärischen Operation ergibt, in deren Rahmen die Handlung erfolgt (direkte Kausalität).

c.

Die Handlung muss spezifisch darauf ausgerichtet sein, direkte Schadenswirkungen, die den erforderlichen Schädigungsgrad erreichen, zugunsten einer Konfliktpartei und zulasten einer anderen Konfliktpartei herbeizuführen (Bezug zur Kriegsführung).

Der Bundesrat schlägt vor, den Begriff «Söldnerwesen» nicht zu verwenden. Dieser Ausdruck verweist auf das Protokoll I und auf die UNO-Konvention vom 4. Dezember 1989 gegen die Rekrutierung, Nutzung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern, die, wie unter Ziffer 1.8.1 erläutert, für die Angestellten eines Unternehmens, das im Ausland private Sicherheitsdienstleistungen erbringt, kaum gelten.

Die Übernahme der Terminologie der UNO-Konvention, die bisher nur wenige, mit Blick auf das Angebot oder die Nachfrage privater Sicherheitsdienstleistungen nicht sonderlich bedeutende Staaten ratifizierten, würde in der Praxis keine Vorteile

65 66

SR 0.518.12; 0.518.23; 0.518.42; 0.518.51 Siehe den «Guide interprétatif du CICR sur la notion de participation directe aux hostilités en droit international humanitaire» des IKRK, abrufbar unter www.icrc.org > Ressources > Recherche > «Guide interprétatif du CICR sur la notion de participation directe aux hostilités en droit international humanitaire».

1790

bringen, sondern Unklarheiten schaffen, die es aus Gründen der Rechtssicherheit zu vermeiden gilt.

Art. 5

Kontrolle eines Unternehmens

Artikel 5 legt die Voraussetzungen für die Kontrolle eines Unternehmens fest. Der Begriff «Kontrolle» ist in einem weiten Sinn zu verstehen: Es kann sich auch um eine Tochtergesellschaft handeln, die von einem Unternehmen kontrolliert wird, das seinerseits von der Muttergesellschaft kontrolliert wird.

Die Regelung von Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a­c basiert auf Artikel 963 der Änderung des Obligationenrechts.67 Diese Bestimmung legt im Zusammenhang mit der Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung (konsolidierte Jahresrechnung) fest, wann eine juristische Person ein anderes Unternehmen in rechtsrelevanter Weise kontrolliert. Die geltende Regelung von Artikel 663e OR basiert auf dem Leitungsprinzip, d.h. sie verlangt für die Konsolidierungspflicht die tatsächliche Ausübung der Beherrschung. Diese ist in der Praxis aber kaum nachzuweisen. Daher wurde in Artikel 963 OR (neu) auf dieses Kriterium verzichtet und neu ausschliesslich auf die Möglichkeit der Beherrschung eines Unternehmens abgestellt (Kontrollprinzip). Der vorliegende Gesetzesentwurf soll das Erbringen von Sicherheitsdienstleistungen im Ausland umfassend regeln, der Anwendungsbereich ist weit. Deshalb soll auch hier die Möglichkeit der Kontrolle eines Unternehmens, das Sicherheitsdienstleistungen im Ausland anbietet, ausreichen. Artikel 963 OR (neu) erfasst ausschliesslich juristische Personen (öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Körperschaften und Anstalten) und ist damit zu eng. Daher wurde die Regelung in Artikel 5 mit den natürlichen Personen sowie den Unternehmen im Sinne von Artikel 2 des Gesetzesentwurfs ergänzt. Artikel 2 erfasst auch die Personengesellschaften (einfache Gesellschaften, Kommanditgesellschaften, Kollektivgesellschaften). Auch diese können ein anderes Unternehmen kontrollieren, welches Sicherheitsdienstleistungen im Ausland anbietet.

Die Kontrolle eines Unternehmens liegt namentlich vor, wenn eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft direkt oder indirekt über die Mehrheit der Stimmen im obersten Organ verfügt (bei der AG in der Generalversammlung). Eine Kontrolle ist auch dann gegeben, wenn eine natürliche Person oder ein Unternehmen direkt oder indirekt das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- und Verwaltungsorgans (bei der AG den Verwaltungsrat)
zu bestellen oder abzuberufen. Schliesslich besteht auch dann ein Kontrollverhältnis, wenn aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags (z.B. Aktionärsbindungsvertrag, Personengesellschaft) oder anderer vergleichbarer Instrumente ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann.

Artikel 5 Absatz 2 Buchstaben a­c des Entwurfs ist Artikel 6 Absatz 3 Buchstaben a­c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 198368 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (BewG) nachgebildet. Mit dieser Regelung soll die Beherrschung von Personengesellschaften erfasst werden, welche Sicherheitsdienstleistungen im Ausland erbringen. Bei Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit steht das Gesellschaftsvermögen im Gesamteigentum der 67 68

Botschaft vom 21. Dezember 2007 zur Änderung des Obligationenrechts (BBl 2008 1589; Erläuterungen zu Art. 963 E-OR, BBl 2008 1722 f.); BBl 2012 63.

SR 211.412.41

1791

Gesellschafterinnen und Gesellschafter. Dadurch hat jede Gesellschafterin und jeder Gesellschafter Zugriff auf die Vermögenswerte der Gesellschaft. In Gesellschaften, welche Sicherheitsdienstleistungen erbringen, handelt es sich dabei um die für die Ausübung der Tätigkeit spezifisch notwendigen Betriebsmittel (z.B. Fahrzeuge, Waffen, Schulungsgebäude etc.). Sicherheitsunternehmen, die im Ausland über die genannten Betriebsmittel verfügen, sollen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfs fallen. Die Beherrschung einer Kollektivgesellschaft wird vermutet, wenn eine Person oder mehrere (natürliche) Personen unbeschränkt haftende Gesellschafterinnen oder Gesellschafter sind (Art. 5 Abs. 2 Bst. a). Gemeint ist damit jedes Mitglied einer Kollektivgesellschaft (vgl. Art. 552 Abs. 1 OR) sowie ­ bei den Kommanditgesellschaften ­ jeder Komplementär (Art. 594 Abs. 1 und 2 OR). In diesen Konstellationen liegt eine persönliche und unbeschränkte Haftung für Gesellschaftsschulden vor.

Die Regelung von Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe b des Entwurfs soll den beschränkt haftenden Kommanditär (natürliche oder juristische Person oder Handelsgesellschaft) erfassen. Trotz der beschränkten Haftung des Kommanditärs ist dieser am Gesellschaftsvermögen zu gesamter Hand beteiligt.

Eine beherrschende Stellung des Kommanditärs in der Kommanditgesellschaft ist dann gegeben, wenn er ­ in der Form der Kommanditeinlage ­ der Gesellschaft Mittel zur Verfügung stellt, die einen Drittel der gesamten Eigenmittel der Gesellschaft übersteigen.

Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe c des Entwurfs erfasst jene Fälle, in denen Dritte einer Personengesellschaft, die Sicherheitsdienstleistungen erbringt, oder ihren unbeschränkt haftenden Gesellschafterinnen und Gesellschaftern rückzahlbare Mittel wie z.B. Darlehen zur Verfügung stellen. Damit eine Kontrolle vorliegt, müssen diese Mittel mehr als die Hälfte der Differenz zwischen den gesamten Aktiven der Gesellschaft und ihren Schulden (Fremdkapital) gegenüber Dritten, die keine Sicherheitsdienstleistungen erbringen, ausmachen.

Art. 6

Weitervergabe

Artikel 6 Absatz 1 des Gesetzesentwurfs stellt sicher, dass sich nicht nur Unternehmen, die sich gegenüber einem Auftraggeber zur Erbringung einer Sicherheitsdienstleistung oder einer damit zusammenhängenden Dienstleistung verpflichtet haben, sondern auch Unternehmen, an welche solche Mandate weitervergeben werden, an die rechtlichen Vorgaben halten müssen. Diese gelten für alle Beteiligten im gleichen Umfang.

Bezüglich der Haftung der vergebenden Unternehmen für Schäden, welche die Unternehmen, die die Dienstleistung erbringen, verursacht haben, verweist Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzesentwurfs auf die Bestimmungen des Obligationenrechts. Dies ist sinnvoll, da auf diese Weise die für die spezifischen Vertragstypen entwickelten Haftungsbestimmungen und Exkulpationsklauseln zur Anwendung kommen.

Widerhandlungen gegen Artikel 6 werden bestraft. Nach Artikel 14 Absatz 3 des Gesetzesentwurfs kann die Behörde einem Unternehmen die Weitervergabe einer Dienstleistung verbieten, wenn ein Unternehmen, das die Dienstleistung erbringt, die in Artikel 6 festgelegten Schranken missachtet.

1792

Art. 7

Beitritt zum internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister

Absatz 1 hält die Pflicht von Unternehmen fest, dem internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister in seiner Fassung vom 9. November 2010 (Verhaltenskodex) beizutreten. Die Beitrittspflicht gilt nicht nur für Unternehmen, die in der Schweiz oder aus der Schweiz heraus tätig sind (Art. 2 Abs. 1), sondern auch für Unternehmen, die für den Bund eine Schutzaufgabe im Ausland wahrnehmen (Art. 2 Abs. 3 und Art. 31 Abs. 1 Bst. b). Damit sind z.B. auch lokale, im Ausland domizilierte Anbieter von Sicherheitsdienstleistungen der Beitrittspflicht unterstellt, wenn sie dort für eine Bundesbehörde tätig sind. Die Beitrittspflicht schliesst selbstverständlich auch die Pflicht ein, die Bestimmungen des Verhaltenskodex vollständig zu respektieren.

Die Verletzung der Pflicht nach Artikel 7 wird von der zuständigen Behörde mit einer administrativen Sanktion in Form eines Verbots bestraft (Art. 14 Abs. 2 Bst. c).

Absatz 2 sieht eine Delegationsnorm zugunsten des Departements vor, das der zuständigen Behörde übergeordnet ist. Nach dieser Bestimmung kann das Departement beschliessen, dass eine Änderung des Verhaltenskodex auf vom Gesetzesentwurf geregelte Sachverhalte anwendbar ist, wenn die Änderung dem Gesetzesentwurf nicht widerspricht.

2.2 Art. 8

Verbote Unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten

Artikel 8 ist ein Kernstück des Gesetzesentwurfs. Er umschreibt den verbotenen Bereich der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland. Die erfassten Tätigkeiten sind von Gesetzes wegen absolut verboten. Es geht um die von den Räten einhellig gewünschte Ächtung von «Söldneraktivitäten», wobei der Artikel von einem weiteren Begriff ausgeht als die völkerrechtlichen Instrumente, die das Söldnertum überaus restriktiv definieren (vgl. Ziff. 1.8.1). Mit dem absoluten Verbot solcher Aktivitäten soll verhindert werden, dass die Schweiz indirekt in bewaffnete Konflikte im Ausland hineingezogen wird.

Entsprechend der Definition in Artikel 4 Buchstabe c umfasst das in Artikel 8 statuierte gesetzliche Verbot die unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Ausland im Sinne der Genfer Abkommen und ihrer Protokolle I und II.

Art. 8 Abs. 1 Artikel 8 Absatz 1 verbietet verschiedene Tätigkeiten von Unternehmen, die in eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland münden. Im Fokus stehen hier nicht die Personen, die selber an einem bewaffneten Konflikt teilnehmen, sondern Unternehmen, die solche Teilnahmen von der Schweiz aus organisieren oder in der Schweiz vorbereiten. Absatz 2 erfasst dann die unmittelbare Teilnahme einzelner Personen.

1793

Absatz 1 Buchstabe a verbietet es, in der Schweiz Personal zum Zwecke einer unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland zu rekrutieren oder auszubilden. Die Rekrutierung ist die Anwerbung von Personal auf Schweizer Territorium, wobei der Akt der Anwerbung auch virtuell, zum Beispiel über einen der Schweiz zuzurechnenden Betreiber einer Internetplattform, erfolgen kann. Vom Gesetzesentwurf erfasste Ausbildungen sind etwa Trainingslager für Kampfeinsätze, die Schulung an Waffen, aber auch Unterricht über Einsatzstrategien und -taktiken oder Schulungen in den Bereichen der Logistik, der Übermittlung, der Nachrichtenbeschaffung bzw. der Spionageabwehr. Die gesetzlichen Anforderungen sind nicht erst dann erfüllt, wenn die Teilnahme an einem spezifischen Konflikt angestrebt wird, sondern schon dann, wenn die Rekrutierung oder Ausbildung generell zum Ziel hat, Personal für künftige Kampfeinsätze im Ausland vorzubereiten.

Absatz 1 Buchstabe b erfasst die von der Schweiz aus betriebene Vermittlung oder die Zurverfügungstellung von Personal zum Zwecke einer unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland. Das Personal selber muss sich nicht in der Schweiz aufhalten, und auch die Anwerbung kann im Ausland erfolgen. Die in der Schweiz stattfindenden, vom Verbot erfassten Tätigkeiten führen aber Interessenten mit Anbietern von «Söldneraktivitäten» zusammen.

Absatz 1 Buchstabe c verbietet die Gründung, die Ansiedelung, den Betrieb oder die Führung eines Unternehmens in der Schweiz, das Personal zum Zwecke einer unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland vermittelt oder zur Verfügung stellt. Im Unterschied zu Buchstabe b ist hier der Bezug des Unternehmens zur Schweiz entscheidend, während die für das Verbot relevanten Tätigkeiten im Ausland ausgeübt werden. Dasselbe gilt auch für die «Holding-Klausel» von Buchstabe d.

Art. 8 Abs. 2 Artikel 8 Absatz 2 richtet sich an Personen, die unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen. Es geht hier um das Verbot des individuellen Söldnertums. Unter das Verbot fallen Personen unter der kumulativen Voraussetzung, dass sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben und im Dienst von Personen oder Unternehmen tätig sind, die dem Gesetzesentwurf unterstehen. Ist dagegen nur eine Voraussetzung erfüllt, liegt kein verbotenes
Verhalten vor.

Die Strafbarkeit der Einzelpersonen wird somit an einen doppelten Bezug zur Schweiz geknüpft. Über ihren Schweizer Wohnsitz bzw. ihre Schweizer Niederlassung hinaus müssen sie auch für ein in der Schweiz niedergelassenes, von hier aus tätiges oder aus der Schweiz heraus kontrolliertes Sicherheitsunternehmen tätig sein.

Dahinter steht die Überlegung, dass mit dem Gesetzesentwurf nur Aktivitäten verfolgt werden sollen, die einen genügend starken Bezug zur Schweiz aufweisen und diese damit empfindlich treffen können. Ein beliebiges individuelles «Abenteurertum» bleibt dagegen ­ wenn keine Straftaten dazukommen ­ schon heute weitestgehend straffrei. Dies soll auch künftig so bleiben. Sporadisch vorkommende Einzelaktionen von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern im Ausland fallen für die Schweiz als Staat nicht ins Gewicht. Der vorliegende Gesetzesentwurf soll durch Unternehmen organisierte Söldneraktivitäten unterbinden, die mit unserem Land in Verbindung gebracht werden. Sollten weitergehende individuelle Verbote gewünscht werden, müssten diese losgelöst vom vorliegenden, auf Sicherheitsunternehmen fokussierten Gesetzesentwurf im Rahmen einer Revision verschiedener, den

1794

Schutz des Staates und der Landesverteidigung betreffender Bestimmungen des StGB und des Militärstrafrechts69 diskutiert werden.

Folgende Überlegungen waren ausschlaggebend: Die Schweiz kann Söldnerdienste von Einzelpersonen nicht universell verbieten. Im Sinne der Praktikabilität und der Effizienz muss sich der Gesetzesentwurf auf Tatbestände beschränken, die einen klaren Bezug zur Schweiz aufweisen. In diesen Fällen ist das Risiko einer Verwicklung des Landes in einen bewaffneten Konflikt am grössten. Der primäre Zweck des Gesetzesentwurfs ist es, solche Risiken zu unterbinden.

Das Kriterium des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person knüpft an die entsprechende Formulierung in Artikel 20 Absatz 1 Buchstaben a und b IPRG70 an. Erfasst werden Schweizerinnen und Schweizer sowie Ausländerinnen und Ausländer, die sich nicht bloss vorübergehend in der Schweiz aufhalten.

Personen, die nur auf der Durchreise oder in der Schweiz im Urlaub sind, werden nicht erfasst. Dagegen spielt es keine Rolle, ob eine Person den Kontakt zu Unternehmen, die an Feindseligkeiten teilnehmen, in der Schweiz oder im Ausland knüpft, solange ihr Wohnsitz oder ihr gewöhnlicher Aufenthalt in unserem Land ist.

Kein Anknüpfungskriterium ist dagegen das Schweizer Bürgerrecht. Schweizer Staatsangehörige, die im Ausland niedergelassen sind, fallen somit nicht unter Artikel 8 Absatz 2. Dahinter stehen Überlegungen der Praktikabilität und des Gesetzeszwecks. Der Aufwand zur Sanktionierung einzelner Personen, die fern der Heimat wohnen und an einem bewaffneten Konflikt vor Ort oder in einem Drittstaat teilnehmen, wäre unverhältnismässig hoch. Auch ist es primär die Aufgabe des Wohnsitzstaates, solche Aktivitäten zu verhindern. Schweizer Interessen sind in diesen Fällen weit weniger tangiert als in Situationen, in denen eine Person in der Schweiz lebt.

Bei der inhaltlichen Definition der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten kann auf die Praxis verwiesen werden, die im Zusammenhang mit den Genfer Konventionen und Zusatzprotokollen entwickelt worden ist (vgl. Art. 4 Bst. c). Wie der Auslegungshilfe des IKRK zu entnehmen ist, können folgende Handlungen als unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten betrachtet werden:

69 70

­

Die Wahrnehmung einer Kampffunktion für die Streitkräfte eines am Konflikt beteiligten Staates. Die Wahrnehmung einer Funktion im Sanitäts- oder Seelsorgedienst der Streitkräfte eines an einem Konflikt beteiligten Staates stellt hingegen keine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten dar.

­

Die Wahrnehmung einer Kampffunktion für eine organisierte bewaffnete Gruppierung, die zu einer nichtstaatlichen, an einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt beteiligten Partei gehört.

­

Die Verteidigung des militärischen Personals und militärischer Objekte gegen feindliche Angriffe. Der Schutz militärischen Personals und militärischer Objekte vor kriminellen Akten oder Gewalttaten ohne Zusammenhang mit Feindseligkeiten fällt hingegen in den Bereich der Aufrechterhaltung der Ordnung oder der Notwehr.

Vgl. die Ziffern 1.2.6 und 1.2.7 hiervor.

SR 291

1795

­

Die Beförderung von Munition durch Sicherheitspersonal bis in die Schiesszone an der Front. Die Beförderung von Munition von der Fabrik bis zum Hafen, von dem aus sie verschifft und in ein Lager in einem Krisen- oder Konfliktgebiet gebracht wird, weist hingegen keinen ausreichend engen Bezug zu den laufenden militärischen Operationen auf, um als «unmittelbare» Teilnahme an den Feindseligkeiten zu gelten.

Eine logistische Dienstleistung wie die Organisation der Verpflegung im Kampfgebiet wird ebenfalls als «unmittelbare Teilnahme» gelten müssen, da sie für die Kampfführung unentbehrlich ist. Anders sieht es aus beim Betrieb einer Wäscherei oder einer Soldatenkantine im rückwärtigen Gebiet. Unter Umständen kann eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland auch dann vorliegen, wenn die Aktivität in der Schweiz erfolgt. Dies ist der Fall, wenn die betreffende Person in der Schweiz spezifische Handlungen im Rahmen der Austragung der Feindseligkeiten vornimmt, z.B. indem sie von hier aus das Informatiksystem oder das militärische Kommunikationssystem einer am Konflikt beteiligten Partei angreift, um die Kampfhandlungen einer anderen Konfliktpartei direkt zu unterstützen.

Eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten ist nur verboten, wenn die betreffende Person im Dienst von Personen oder Unternehmen tätig ist, die dem Gesetzesentwurf unterstehen. Dies entspricht der hauptsächlichen, gegen «Söldnerfirmen» zielenden Stossrichtung des Gesetzesentwurfs. Mit Blick auf die Interessen der Schweiz problematisch sind nicht so sehr isolierte Aktionen individueller Abenteurer, so ethisch verwerflich sie im Einzelnen auch sein mögen, sondern organisierte Tätigkeiten von Unternehmen. Mit der Anknüpfung an die Unternehmen lassen sich ausserdem schwierige Abwägungen zwischen staatlichen und privaten Interessen sowie völkerrechtlich heikle Abgrenzungsproblematiken vermeiden. Dies zeigt sich besonders gut bei internen bewaffneten Konflikten. So könnte einem in der Schweiz wohnhaften Ausländer nicht verboten werden, auf der Seite der Regierung seines Heimatstaates an einem internen bewaffneten Konflikt teilzunehmen, es sei denn, er tut dies von Schweizer Gebiet aus. Ein derartiges Verbot wäre mit der Pflicht zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, wie sie Artikel 2 Absatz 7 der UNO-Charta71 sowie das Völkergewohnheitsrecht statuieren, nicht vereinbar. Aus denselben Gründen sowie aus neutralitätspolitischen Erwägungen darf die Schweiz unmittelbare Teilnahmen zugunsten von Aufständischen nicht unterstützen. Nach geltendem Recht ist eine bewaffnete Teilnahme von Ausländerinnen und Ausländern weder auf der Seite der Regierung noch auf der Seite von Aufständischen strafbar, falls sie nicht von Schweizer Gebiet aus erfolgt und auch vom Völkerrecht nicht verboten ist.72 71 72

SR 0.120 Gemäss Artikel 300 StGB (Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden oder fremde Truppen) macht sich strafbar, «wer vom neutralen Gebiete der Schweiz aus Feindseligkeiten gegen einen Kriegführenden unternimmt oder unterstützt». Die Strafbarkeit beschränkt sich in diesem Fall auf von der Schweiz aus unternommene Aktivitäten im Rahmen internationaler Konflikte. Ziffer 1 Absatz 2 von Artikel 299 (Verletzung fremder Gebietshoheit) ist etwas weiter gefasst, indem er das völkerrechtswidrige Eindringen auf fremdes Gebiet sanktioniert. Die Rückkehr eines ausländischen Staatsangehörigen in sein Heimatland mit dem Ziel, auf der Seite von Aufständischen zu kämpfen, dürfte aber zumindest dann nicht unter den Tatbestand fallen, wenn die Einreise nicht bewaffnet erfolgt. Ziff. 2 derselben Bestimmung stellt die gewaltsame Störung der staatlichen Ordnung eines fremden Landes wiederum nur dann unter Strafe, wenn sie von Schweizer Gebiet ausgeht. Schliesslich findet die Bestimmung der Schwächung der Wehrkraft nach Art. 94 MStG (SR 321.0) nur auf Schweizer Bürgerinnen und Bürger Anwendung.

1796

Mit der Anknüpfung des Verbots an der Tätigkeit für eine Person oder ein Unternehmen, das dem Gesetzesentwurf untersteht, werden unergiebige Diskussionen über die Motivation der Handelnden vermieden. Ob jemand aus ideellen Motiven an einem bewaffneten Konflikt teilnimmt oder ob rein finanzielle Erwägungen im Vordergrund stehen, spielt keine Rolle, solange die betreffende Person im Dienst von Personen oder eines Unternehmens steht. In der Regel wird ein Arbeitsverhältnis vorliegen. Erforderlich ist dies aber nicht. Die offene Formulierung ermöglicht es z.B. auch, unentgeltlich geleistete Einsätze zu verbieten. Dies ist sinnvoll, da es sich gezeigt hat, dass die auf der internationalen Ebene verwendeten Söldnerdefinitionen, die unter anderem ein persönliches Gewinnstreben voraussetzen, zu eng und damit nicht praktikabel sind. Ausserdem können Schweizer Interessen auch durch ideell motivierte Teilnahmen an Feindseligkeiten empfindlich beeinträchtigt werden, etwa wenn politische oder ideologische Motive ausschlaggebend sind.

Die in Artikel 8 genannten Verbote bilden die Grundlage für die in Artikel 21 des Gesetzesentwurfs festgelegte Strafsanktion. Ein Verstoss wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.

Darüber hinaus können sämtliche Personen, die dem StGB73 unterstehen, für allfällige von ihnen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts verübte Verbrechen nach den einschlägigen Tatbeständen bestraft werden (vgl. Ziff. 1.2.6).

Mit Artikel 8 werden die Good Practices Nummern 1 und 53 des MontreuxDokuments umgesetzt.

Art. 9

Schwere Verletzung von Menschenrechten

Gegenstand des Verbots von Artikel 9 sind nicht die Menschenrechtsverletzungen selbst. Vielmehr zielt das vorliegende Verbot auf Sicherheitsunternehmen und Sicherheitsdienstleistungen oder damit zusammenhängende Dienstleistungen, die einen erkennbaren Beitrag dazu leisten, dass schwere Menschenrechtsverletzungen verübt werden können («von denen anzunehmen ist, dass der Empfänger oder die Empfänger sie im Rahmen der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzen»). Die Schweiz hat ein Interesse daran zu verhindern, dass von ihrem Gebiet aus Tätigkeiten ausgeübt werden, die schwere Menschenrechtsverletzungen erkennbar begünstigen. Das gesetzliche Verbot in Artikel 9 beschränkt sich auf schwere Verletzungen von Menschenrechten, deren Begehung im Inland als Verbrechen oder Vergehen strafrechtlicher Verfolgung unterliegen würde (siehe dazu auch Art. 21 Abs. 2). Im Sinne eines Auffangtatbestandes kann die zuständige Behörde Sicherheitsdienstleistungen, die zu anderen Menschenrechtsverletzungen führen, gestützt auf Artikel 14 Buchstabe b verbieten (vgl. Kommentar zu Art. 14).

Buchstabe a erfasst Sicherheitsdienstleistungen oder damit zusammenhängende Dienstleistungen. Letztere sind die Rekrutierung, Ausbildung, Vermittlung oder Zurverfügungstellung von Personal für private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland (Art. 4 Bst. b). Um unter das Verbot zu fallen, müssen diese Tätigkeiten von der Schweiz ausgehen. Sie müssen dem Empfänger oder den Empfängern bei der Verübung schwerer Menschenrechtsverletzungen im Ausland nützlich sein.

73

SR 311.0

1797

Nicht abschliessende Beispiele schwerer Menschenrechtsverletzungen sind willkürliche Tötung, Folter, und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Entführung, willkürliche Verhaftungen, Freiheitsberaubungen oder die systematische Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Ähnliche Definitionen kennt auch das StGB74, etwa in Artikel 264c, der schwere Verletzungen der Genfer Konventionen erfasst. Die Einschränkung auf schwere Menschenrechtsverletzungen trägt dem Umstand Rechnung, dass es in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a nicht um die Menschenrechtsverletzung an sich geht, denn diese ist ohnehin immer strafbar. Derjenige, der gegen die Menschenrechte verstösst, ist der Empfänger der Sicherheitsdienstleistung und nicht ihr Erbringer. Absatz 1 Buchstabe a erfasst Aktivitäten, die in einem konkreten Fall schwere Menschenrechtsverletzungen begünstigen, als solche jedoch nicht zu beanstanden wären. Ein Beispiel ist der Betrieb oder die Kontrolle von Gefängnissen durch private Sicherheitsunternehmen.

Wird diese Dienstleistung in einem demokratischen Rechtsstaat erbracht, ist sie nicht zu beanstanden. Anders sieht es dagegen aus, wenn das Gefängnis in einem autoritären Staat liegt, von dem bekannt ist, dass dessen Organe foltern. In diesem Fall trägt der Betrieb oder die Kontrolle des Gefängnisses durch einen privaten Dienstleistungserbringer erheblich dazu bei, dass deren Empfänger schwere Menschenrechtsverletzungen verüben kann. Damit ist auch gesagt, dass nicht ein beliebiger Beitrag genügt, sondern dieser eine gewisse Intensität erreichen muss. Nach dem Gesetzesentwurf sind private Sicherheitsdienstleistungen nur dann verboten, wenn «anzunehmen ist, dass der Empfänger oder die Empfänger sie im Rahmen der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzen». Neben der Intensität des Beitrags kommt es also auch darauf an, dass der Zusammenhang zwischen der Erbringung einer Sicherheitsdienstleistung und der Verübung schwerer Menschenrechtsverletzungen für den Dienstleistungserbringer erkennbar ist. Eine hinreichende Erkennbarkeit ist gegeben, wenn jeder vernünftige Mensch realisieren muss, dass eine bestimmte Sicherheitsdienstleistung für die Verübung schwerer Menschenrechtsverletzungen wesentlich ist.

Die Buchstaben b und c erfassen die Gründung, die Ansiedelung, den Betrieb und
die Führung (Bst. b) bzw. die Kontrolle (Bst. c) von Unternehmen, die private Sicherheitsdienstleistungen oder damit zusammenhängende Dienstleistungen im Sinne von Buchstabe a erbringen. Es entspricht dem Zweck des Gesetzesentwurfs, Sicherheitsunternehmen oder Holding-Gesellschaften, die Sicherheitsunternehmen kontrollieren, in der Schweiz nicht zu dulden, wenn für sie ohne Weiteres erkennbar ist, dass von ihnen selbst bzw. vom kontrollierten Unternehmen erbrachte Dienstleistungen zur Verübung schwerer Menschenrechtsverletzungen beitragen.

Widerhandlungen gegen Artikel 9 werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft (Art. 21 Abs. 2).

Mit dieser Bestimmung werden die Good Practices Nummern 1 und 53 des Montreux-Dokuments umgesetzt.

74

SR 311.0

1798

2.3 Art. 10

Verfahren Meldepflicht

In Absatz 1 wird der Grundsatz festgehalten, wonach ein Unternehmen, das beabsichtigt, eine Tätigkeit nach Artikel 2 Absatz 1 auszuüben, verpflichtet ist, dies der zuständigen Behörde vorgängig zu melden und ihr bestimmte Informationen zur beabsichtigten Tätigkeit, zum Dienstleistungserbringer (auch bei einer Weitervergabe), zum Personal, das die Dienstleistung erbringen soll, zu dessen Ausbildung sowie zu den Tätigkeitsbereichen des Unternehmens mitzuteilen. Das Unternehmen muss ihr auch die Identität der Verantwortlichen mitteilen. Es muss ausserdem den Nachweis des Beitritts zum Verhaltenskodex erbringen.

Absatz 2 hält fest, dass jedes Unternehmen, das ein Sicherheitsunternehmen kontrolliert (Art. 2 Abs. 1 Bst. d und Art. 5 des Gesetzesentwurfs) nicht nur seine Kontrolltätigkeit melden muss, sondern unter Angabe der Informationen nach Absatz 1 auch die vom kontrollierten Unternehmen im Ausland erbrachten Sicherheitsdienstleistungen. Eine in der Schweiz niedergelassene Holding-Gesellschaft kann somit nicht geltend machen, sie könne nur über ihre eigene, beschränkte Tätigkeit Auskunft geben, nicht aber über die Aktivitäten der im Ausland befindlichen operativen Geschäftseinheiten. Diese «Holding-Klausel» entspricht dem Zweck des Gesetzesentwurfs, Schweizer Interessen zu schützen. Denn die Schweiz kann nicht nur mit Sicherheitsunternehmen in Verbindung gebracht werden, die von unserem Land aus im Ausland operativ tätig sind, sondern auch mit Gesellschaften, die solche Unternehmen von hier aus beherrschen.

Das Meldeverfahren muss einfach ausgestaltet werden. Die Meldung kann schriftlich oder elektronisch erfolgen. Die Meldepflicht wird als «Bringschuld» der betreffenden Unternehmen betrachtet. Ihnen obliegt es, der zuständigen Behörde die erforderlichen Informationen zu liefern. Gegebenenfalls kann die zuständige Behörde weitergehende Informationen anfordern. Die Unternehmen sind zur Mitwirkung verpflichtet.

Absatz 3 stellt sicher, dass ein Sicherheitsunternehmen der zuständigen Behörde die erforderlichen Informationen nicht nur vor der Erbringung einer Dienstleistung oder einer anderen vom Gesetzesentwurf erfassten Aktivität zukommen lässt. Die Behörde ist auch unverzüglich zu informieren, wenn sich die Verhältnisse nach der Meldung erheblich ändern oder geändert haben. Damit sind nicht
Vertragsänderungen oder neue Leistungen gemeint, denn solche Fälle sind bereits durch Absatz 1 abgedeckt. Vielmehr geht es hier um externe Faktoren, die das Unternehmen nicht beeinflussen kann, die aber dazu führen können, dass bestimmte Dienstleistungen mit Blick auf die in Artikel 1 des Gesetzesentwurfs definierten Zwecke anders zu beurteilen sind. So kann beispielsweise ein Gebiet, das zunächst sicher war, bei Ausbruch eines internen Konfliktes zu einem Krisen- und Konfliktgebiet werden. In diesen Fällen muss die Behörde Gelegenheit zu einer Neubeurteilung haben, was voraussetzt, dass das Unternehmen ihr die notwendigen Informationen liefert. Die zuständige Behörde ihrerseits hat dann die Pflicht, das Unternehmen umgehend darüber zu informieren, ob dieses die betreffende Tätigkeit weiter ausüben kann.

Möglicherweise kann ein laufender Auftrag nicht ohne Weiteres bzw. nicht ohne negative Folgen für den Dienstleistungserbringer oder für die von ihm zu schützenden Personen unterbrochen werden. Nimmt ein Unternehmen zum Beispiel ein Mandat im Bereich des Personenschutzes wahr und bricht vor Ort ein bewaffneter 1799

Konflikt aus, so kann es unter Umständen geboten sein, das Mandat wenigstens so lange weiterzuführen, bis die zu schützenden Personen in Sicherheit sind. Die zuständige Behörde hat solchen Punkten Rechnung zu tragen.

Widerhandlungen gegen die Meldepflicht werden bestraft (Art. 23).

Eine Übergangsbestimmung regelt die Meldepflicht für Tätigkeiten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits ausgeübt werden (Art. 39 Abs. 1).

Mit Artikel 10 ff. werden die Good Practices Nummern 57­67 des MontreuxDokuments umgesetzt.

Art. 11

Unterlassungspflicht

Gestützt auf diese Pflicht sind die Unternehmen gehalten, die Aufnahme der gemeldeten Tätigkeit zu unterlassen, bis sie von der zuständigen Behörde eine Mitteilung oder einen Entscheid nach den Artikeln 12­14 erhalten haben.

Nach Absatz 2 kann die Behörde die Ausübung einer Tätigkeit für die Dauer des Verfahrens ausnahmsweise zulassen, wenn ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse vorliegt. Ein überwiegendes privates Interesse kann beispielsweise gegeben sein, wenn ein gesetzliches Verbot gar nicht zur Diskussion steht und auch die Verhängung eines behördlichen Verbots höchst unwahrscheinlich erscheint sowie eine gewisse Sicherheitsdienstleistung innert einer vorgegebenen, eng begrenzten Zeitspanne erfolgen muss (z.B. Schutz eines Transportes von A nach B am Tag X).

Widerhandlungen gegen die Unterlassungspflicht werden bestraft (Art. 23).

Art. 12

Mitteilung der Behörde

Diese Bestimmung regelt das Verfahren nach Eingang der Meldung bei der Behörde. Innerhalb von vierzehn Tagen nach Eingang der Meldung muss die Behörde dem Unternehmen mitteilen, ob die gemeldete Tätigkeit im gegenwärtigen Zeitpunkt Anlass zur Einleitung eines Prüfverfahrens gibt.

Stellt die Behörde fest, dass im gegebenen Fall keiner der Gründe nach Artikel 13 zum Tragen kommt, so teilt sie dem Unternehmen mit, dass kein Anlass zur Einleitung eines Prüfverfahrens besteht. Das betreffende Unternehmen kann dann die gemeldete Tätigkeit ausüben. Die Mitteilung stellt jedoch nicht eine Verfügung im Sinne von Artikel 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196875 (VwVG) dar. Es handelt sich also nicht um eine Bewilligung der zuständigen Behörde zuhanden des betreffenden Unternehmens zur Erbringung der privaten Sicherheitsdienstleistung im Ausland. In ihrer Mitteilung gibt die zuständige Behörde an, dass «im gegenwärtigen Zeitpunkt» kein Anlass zur Einleitung eines Prüfverfahrens besteht. Sie kann also später immer noch ein Prüfverfahren einleiten, falls sich die Verhältnisse im gegebenen Fall erheblich ändern sollten (Art. 13 Abs. 1 Bst. b).

Kommt die zuständige Behörde zum Schluss, dass aus einem der Gründe nach Artikel 13 ein Prüfverfahren eingeleitet werden muss, teilt sie dies dem betroffenen Unternehmen mit.

75

SR 172.021

1800

Art. 13

Prüfverfahren

Nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a leitet die zuständige Behörde ein Prüfverfahren ein, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die gemeldete Tätigkeit im Widerspruch zu den Zwecken nach Artikel 1 stehen könnte. Solche Anhaltspunkte können sich unter anderem ergeben aus der Art der Dienstleistung (z.B. Betreuung von Gefangenen und Betrieb eines Gefängnisses), aus dem Ort der Ausführung der Tätigkeit (Gebiet, in dem ein bewaffneter Konflikt herrscht), aus der Identität des Empfängers der Dienstleistung (an einem bewaffneten Konflikt beteiligte Partei oder Diktator) oder aus der Art der vom Sicherheitspersonal zu erbringenden Aufgaben (Unterstützung der Streit- oder Sicherheitskräfte).

Nach Absatz 1 Buchstabe b leitet die zuständige Behörde des Weiteren ein Prüfverfahren ein, wenn sich die Verhältnisse in Bezug auf eine gemeldete Tätigkeit nach der Mitteilung gemäss Artikel 12 erheblich ändern oder schon geändert haben. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die zuständige Behörde von neuen Tatsachen Kenntnis erlangt hat oder wenn sich die Lage im Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird, nach dem Ausbruch eines bewaffneten Konflikts grundlegend geändert hat.

Nach Absatz 1 Buchstabe c wird ausserdem ein Prüfverfahren eingeleitet, wenn die zuständige Behörde von einer nicht gemeldeten Tätigkeit Kenntnis erhält. In diesem Fall informiert die zuständige Behörde das betroffene Unternehmen darüber und gibt ihm Gelegenheit, innerhalb von zehn Tagen Stellung zu nehmen (Abs. 2). Gegebenenfalls kann sie das Unternehmen zur Mitwirkung auffordern und unter bestimmten Voraussetzungen Kontrollen durchführen (Art. 18 und 19). Die Unterlassungspflicht nach Artikel 11 Absatz 1 findet sinngemäss Anwendung.

Absatz 1 Buchstabe d sieht vor, dass die zuständige Behörde auch dann ein Prüfverfahren einleitet, wenn sie von einer Verletzung des schweizerischen Rechts (insbesondere Verletzung der Pflicht zur Einhaltung des Verhaltenskodex) oder des Völkerrechts Kenntnis erhält. Strafbare Handlungen (z.B. Verstösse gegen die Art. 8 oder 9) zeigt sie bei der Bundesanwaltschaft an (Art. 27).

Nach Absatz 3 konsultiert die zuständige Behörde die betroffenen Behörden, einschliesslich der kantonalen Behörden (z.B. kantonale Handelsregisterämter, Betreibungsämter, unter Umständen auch kantonale Sicherheitsorgane).

Nach Absatz
4 teilt die zuständige Behörde dem betroffenen Unternehmen das Resultat des Prüfverfahrens innerhalb von 30 Tagen mit. Hierbei handelt es sich um eine Ordnungsfrist. Die Behörde darf diese Frist bei Bedarf verlängern, was bei komplexen Sachverhalten oder bei Tätigkeiten, die nicht gemeldet wurden, erforderlich sein kann. In jedem Fall gelten die allgemeinen Rechtsvorschriften zur formellen Rechtsverweigerung. Je nachdem, zu welchem Schluss sie gekommen ist, teilt die zuständige Behörde dem Unternehmen mit, dass das Prüfverfahren im gegenwärtigen Zeitpunkt abgeschlossen ist oder dass sie die Handlungen bei der Bundesanwaltschaft angezeigt hat (Verstoss gegen die gesetzlichen Verbote der Art. 8 und 9), oder sie spricht ein Verbot aus (Art. 14).

Für das Prüfverfahren erhebt die zuständige Behörde eine Gebühr gemäss Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a des Gesetzesentwurfs. Der Gebührenentscheid ist ­ im Unterschied zum Ergebnis des Prüfverfahrens ­ beschwerdefähig.

1801

Art. 14

Verbot durch die zuständige Behörde

Bestimmte Tätigkeiten fallen nicht in den Geltungsbereich der gesetzlichen Verbote nach den Artikeln 8 und 9. Sie können im Einzelfall aber im Widerspruch zu den Zwecken nach Artikel 1 stehen. Mit Artikel 14 Absatz 1 wird die zuständige Behörde dementsprechend verpflichtet, eine Tätigkeit ganz oder teilweise zu verbieten, wenn sie im Widerspruch zur Gewährleistung der inneren und äusseren Sicherheit der Schweiz (Art. 1 Bst. a), zur Umsetzung der aussenpolitischen Ziele der Schweiz (Art. 1 Bst. b), zur Wahrung der schweizerischen Neutralität (Art. 1 Bst. c) oder zur Einhaltung des Völkerrechts, namentlich der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts (Art. 1 Bst. d), steht. Je nachdem verbietet die Behörde nur einen Teil der gemeldeten Tätigkeit.

Im Unterschied zu den in den Artikeln 8 und 9 festgehaltenen Konstellationen gilt in den hier genannten Fällen das Verbot nicht von Gesetzes wegen, sondern muss von der zuständigen Behörde im Einzelfall ausgesprochen werden. Das ist sinnvoll, weil eine Beeinträchtigung der von Artikel 1 geschützten, allgemein gefassten Schweizer Interessen für die vom Gesetzesentwurf erfassten Unternehmen im konkreten Fall nicht immer genügend klar erkennbar sein mag. Da Verstösse strafrechtlich geahndet werden (Art. 22 Gesetzesentwurf), muss das verbotene Verhalten präzise benannt werden. Bei den Buchstaben a­c, dagegen weniger bei Buchstabe d von Artikel 1, verfügt die zuständige Behörde über einen gewissen Interpretationsspielraum bei der Beurteilung der Frage, ob eine Aktivität ganz oder teilweise einem der in Artikel 1 genannten Gesetzeszwecke widerspricht. Kommt sie zu diesem Schluss, muss sie allerdings zwingend ein teilweises oder vollständiges Verbot aussprechen.

Die Buchstaben a­f nennen beispielhaft, jedoch nicht abschliessend, Situationen, in denen private Sicherheitsdienstleistungen besonders leicht mit geschützten Interessen gemäss Artikel 1 des Gesetzesentwurfs kollidieren können. Die zuständige Behörde soll demnach diesen Situationen besondere Beachtung schenken. Stellt sie eine Verletzung fest, muss sie ein Verbot aussprechen. Der Gesetzesentwurf nennt folgende Fälle: ­

76

Bst. a: Die private Sicherheitsdienstleistung wird für Personen, Gesellschaften oder ausländische Organe in einem Krisen- oder Konfliktgebiet erbracht.

Unter «Krisen- oder Konfliktgebiet» ist eine Region oder ein Staat zu verstehen, in dem ein bewaffneter Konflikt ausgetragen wird. Der Begriff bezieht sich ausschliesslich auf Regionen oder Staaten, in denen sich der Konflikt abspielt. Treffen in einem Konflikt zwei Staaten aufeinander, wird der Konflikt jedoch nur in einem Staat ausgetragen, so wird ausschliesslich dessen Gebiet als Krisen- oder Konfliktgebiet im Sinne der Bestimmung betrachtet. Der Begriff «Krisen- und Konfliktgebiet» umfasst auch Gebiete, die von inneren Spannungen oder Unruhen betroffen sind, welche die Schwelle eines bewaffneten Konflikts nicht erreichen (siehe Art. 1 Abs. 2 des Protokolls II76). Es kann sich um eine Region oder ein Land handeln, wo separatistische Bewegungen aktiv sind, oder um einen Staat ohne funktionierende staatliche Strukturen oder mit solchen, die schwer beeinträchtigt sind, z.B. wenn die wichtigsten staatlichen Institutionen oder Streit- oder Sicherheitskräfte fehlen bzw. kaum vorhanden sind. Der Begriff «Krisen- oder Konfliktgebiet» erfasst schliesslich auch Regionen oder Staaten, in denen SR 0.518.522

1802

die Menschenrechte systematisch und schwer verletzt werden. Diese doppelte Qualifikation der Menschenrechtsverletzung in quantitativer und qualitativer Hinsicht soll sicherstellen, dass private Sicherheitsdienstleistungen auch in einem schwierigen Umfeld erbracht werden können, solange die Dienstleistungen selbst nicht problematisch sind. Systematisch sind die Menschenrechtsverletzungen, wenn ein Staat auf seinem Gebiet befindliche Personen z.B. regelmässig der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterwirft (Art. 3 der Konvention vom 4. November 195077 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie Art. 7 des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 196678 über bürgerliche und politische Rechte) oder wenn es seine Praxis ist, für geringfügige Straftaten die Todesstrafe zu verhängen. Einzelne Fälle von Menschenrechtsverletzungen genügen somit nicht, um einen Staat als Krisen- oder Konfliktgebiet einzustufen. Unter Buchstabe a wird es die zuständige Behörde z.B. verbieten, private Sicherheitsdienstleistungen für einen Staat, eine Person oder ein Organ zu erbringen, wenn dies gegen Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats verstösst. Von dieser Bestimmung nicht erfasst wird hingegen die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen für das IKRK oder für schweizerische Organe wie die Schweizer Botschaften oder die Schweizer Kooperationsbüros der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA).

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77 78

Bst. b: Die Sicherheitsdienstleistung wird Organen oder Personen gegenüber erbracht, denen sie bei Menschenrechtsverletzungen von Nutzen sein kann.

Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b ergänzt somit das Verbot von Artikel 9.

Artikel 9 verbietet die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen von Gesetzes wegen absolut, wenn der Leistungserbringer erkennen muss, dass sie der Empfänger zur Verübung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzt. Gestützt auf Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b kann die zuständige Behörde darüber hinaus ein Verbot der Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen aussprechen, wenn sie im Rahmen ihrer Prüfung zum Schluss kommt, dass diese Dienstleistungen den Empfängern nützen können, um Menschenrechtsverletzungen zu verüben. Der Anwendungsbereich von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b erstreckt sich auf alle Menschenrechte. Wie bei Artikel 9 ist auch hier der Empfänger und nicht etwa der Erbringer der Sicherheitsdienstleistung derjenige, der eine Menschenrechtsverletzung verübt. Die Behörde kann aber zum Ergebnis kommen, dass eine an sich durchaus legitime Sicherheitsdienstleistung zu verbieten ist, wenn durch sie solche Taten begünstigt werden. Im Unterschied zum gesetzlichen Verbot von Artikel 9, das gravierende Fälle betrifft, bei denen der Dienstleistungserbringer vorgängig ohne Weiteres selbst erkennen kann, dass eine von ihm gewünschte Dienstleistung die Verübung schwerer Menschenrechtsverletzungen begünstigt, setzt das breiter angelegte Verbot in Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b stets eine behördliche Beurteilung voraus. Hier ist die Situation für den Anbieter im Vorfeld nicht immer eindeutig. Die Würdigung der für den behördlichen Entscheid massgeblichen Gesetzeszwecke in Artikel 1 kann mit Blick auf die konkreten Umstände eines Falles zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Während die private Führung oder die Bewachung eines ausländischen Gefängnisses, in dem bekannterweise gefoltert wird, SR 0.101 SR 0.103.2

1803

unzweifelhaft unter Artikel 9 fällt, müsste dieselbe Dienstleistung bei einem Gefängnis, in dem z.B. die Kultusfreiheit oder der Schutz der Privatsphäre verletzt wird, von der zuständigen Behörde gestützt auf Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b beurteilt werden. Bei ihren Entscheiden wird sich die Behörde allerdings eine gewisse Zurückhaltung auferlegen müssen. Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe b soll eine Prüfung über den engen Anwendungsbereich von Artikel 9 hinaus ermöglichen, wenn Schweizer Interessen betroffen sind. Die Bestimmung soll aber nicht dazu dienen, andere Staaten rechtlich zu erziehen und Private von Leistungen abzuhalten, welche die Schweiz als Staat nicht tangieren. Ein Beispiel, das die Bedeutung einer sorgfältigen Interessenabwägung gestützt auf die in Artikel 1 festgelegten Gesetzeszwecke zeigt, ist die private Bewachung einer Schule, an der Mädchen diskriminiert werden, indem sie beispielsweise einen weniger hochstehenden Unterricht als die Knaben erhalten. In der grossen Mehrheit der Fälle müsste eine solche Sicherheitsdienstleistung toleriert werden, auch wenn sie in Einrichtungen erbracht wird, die sich mit unseren Unterrichtsstandards keineswegs vergleichen lassen. Andernfalls könnten Schulen in kriegsversehrten, patriarchalisch-archaisch strukturierten Gebieten kaum mehr sicher betrieben werden.

79

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Bst. c: Die private Sicherheitsdienstleistung besteht in der operationellen oder logistischen Unterstützung ausländischer Streit- oder Sicherheitskräfte.

Unter operationeller Unterstützung ist z.B. die Bereitstellung von bewaffnetem Sicherheitspersonal für ausländische Sicherheitskräfte, die sich mit Demonstrationen der Bevölkerung oder inneren Unruhen konfrontiert sehen, zu verstehen. Unter die logistische Unterstützung fällt z.B. die Unterstützung beim Aufbau einer Infrastruktur in einer Notlage (Ankunft einer grossen Zahl von Flüchtlingen in einem ausländischen Staat) oder der Unterhalt des Kriegsmaterials fremder Streitkräfte ausserhalb eines bewaffneten Konflikts.

Stellt die Dienstleistung eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten dar, so untersteht sie dem gesetzlichen Verbot nach Artikel 8.

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Bst. d: Die Tätigkeit besteht in der Erbringung einer mit einer privaten Sicherheitsdienstleistung zusammenhängenden Dienstleistung im Bereich des militärischen Fachwissens. Das betroffene Unternehmen bietet z.B. eine militärische oder paramilitärische Ausbildung an oder stellt Fachpersonal zur Verfügung, dessen Mitglieder in der Vergangenheit staatlichen Streitkräften angehört hatten. Der Staat, in dem die künftigen Sicherheitsdienstleistungen des Fachpersonals erbracht werden sollen, muss dabei noch nicht feststehen.

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Bst. e: Die Erbringung einer privaten Sicherheitsdienstleistung oder einer damit zusammenhängenden Dienstleistung kann terroristischen Gruppierungen oder kriminellen Organisationen von Nutzen sein.79 In diesem Fall genügt es, dass ein entsprechendes Risiko besteht.

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Bst. f: Ein Unternehmen will ein Unternehmen gründen, ansiedeln, betreiben, führen oder kontrollieren, das die in den Buchstaben a­e genannten Dienstleistungen erbringt.

Vgl. Art. 6 Abs. 1bis GKG.

1804

Nach Absatz 2 muss die Behörde in folgenden drei Fällen ein Verbot erlassen, unabhängig davon, ob die Tätigkeit den Gesetzeszwecken nach Artikel 1 widerspricht. Es geht um Verhaltensweisen, die der Gesetzgeber von vornherein als unzulässig und damit als nicht im Einklang mit den Gesetzeszwecken stehend betrachtet.

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Bst. a: Ein Unternehmen beging in der Vergangenheit schwere Menschenrechtsverletzungen und hat keine genügenden Vorkehrungen getroffen, um sicherzustellen, dass sich solche nicht wiederholen. Der «track record» von Sicherheitsunternehmen mit Bezug auf die Menschenrechte muss eine Rolle spielen. Wer sich früher skrupellos verhalten hat, soll seine Tätigkeit nicht mehr ausüben können, es sei denn, er könne überzeugend aufzeigen, dass sich solche Vorfälle nicht mehr wiederholen.

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Bst. b: Ein Unternehmen setzt Personal ein, das nicht über die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Ausbildung verfügt.

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Bst. c: Ein Unternehmen hält die Bestimmungen des Verhaltenskodex (vgl.

Art. 7) nicht ein. Die Schweiz als Initiatorin des Kodex hat ein besonderes Interesse daran, Aktivitäten zu unterbinden, welche die Wirksamkeit dieses Instrumentes untergraben könnten.

Abs. 3: Die zuständige Behörde verbietet die Weitervergabe der Erbringung einer privaten Sicherheitsdienstleistung oder einer damit zusammenhängenden Dienstleistung, wenn es sich herausstellt, dass das die Dienstleistung erbringende Unternehmen die in Artikel 6 festgelegten Schranken missachtet. In diesem Fall muss die zuständige Behörde davon ausgehen, dass die Auswahl des ausführenden Unternehmens nicht sorgfältig genug erfolgte.

Das von der zuständigen Behörde gemäss Artikel 14 verhängte Verbot ist substanziell zu begründen. Das betroffene Unternehmen muss in der Lage sein, die Tätigkeiten, die ihm mit Blick auf die Strafandrohung von Artikel 22 verboten werden, genau zu erfassen. Der Entscheid der zuständigen Behörde ist nach den allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege beschwerdefähig.

Nach Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe a des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200580 ist eine Beschwerde unzulässig gegen Verfügungen auf dem Gebiet der inneren und äusseren Sicherheit des Landes, der Neutralität, des diplomatischen Schutzes und der übrigen auswärtigen Angelegenheiten. Dieser Bestimmung entspricht Artikel 83 Buchstabe a des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 200581.

Nach dem Bundesgericht sind diese Ausnahmen restriktiv auszulegen.82 Sie erfassen ausschliesslich klassische «actes de gouvernement», d.h. Massnahmen mit ausgeprägt politischem Charakter. Es trifft zwar zu, dass auf Artikel 14 gestützte Entscheide die Interessen der Schweiz auf dem Gebiet der Sicherheit oder der Aussenpolitik betreffen. Da es aber vor allem darum geht, einem Unternehmen die Ausübung einer Tätigkeit ganz oder teilweise zu verbieten, haben sie keinen ausgeprägt politischen, sondern eher einen juristischen Charakter. Die Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe a VGG und 83 Buchstabe a BGG sind somit nicht anwendbar.

Widerhandlungen gegen das von der Behörde ausgesprochene Verbot werden bestraft (Art. 22).

80 81 82

SR 173.32 SR 173.110 BGE 137 I 371

1805

Art. 15

Ausnahmebewilligung

Gestützt auf Artikel 15 Absatz 1 kann der Bundesrat ausnahmsweise Tätigkeiten bewilligen, die nicht unter die gesetzlichen Verbote der Artikel 8 oder 9 fallen, jedoch nach Artikel 14 grundsätzlich zu verbieten wären. Er kann dies tun, um ein hochrangiges Staatsinteresse zu wahren. Dieses muss gegenüber dem Interesse, Artikel 14 des Gesetzesentwurfs zur Anwendung zu bringen, deutlich überwiegen.

Der Bundesrat darf eine Ausnahme im Sinne von Artikel 15 nicht leichthin annehmen. Ausgeschlossen ist eine Abweichung von den gesetzlichen Verboten der Artikel 8 (unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten) und 9 (schwere Verletzung von Menschenrechten).

Aufgrund der politischen Bedeutung dieser Ausnahme wird die Entscheidkompetenz dem Bundesrat übertragen (Art. 47 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199783 [RVOG]). Gegenstand von Artikel 15 sind Tätigkeiten, welche die zuständige Behörde gestützt auf Artikel 14 verbieten muss, weil sie gegen die in Artikel 1 des Gesetzesentwurfs genannten Zwecke und damit gegen Schweizer Interessen verstossen. Die zuständige Behörde wendet bei ihrer Prüfung rechtliche Massstäbe an. Einzelne Fälle können aber eine besondere staatspolitische Bedeutung aufweisen. In solchen Situationen gewährt der Gesetzesentwurf dem Bundesrat einen begrenzten Spielraum, um ausnahmsweise Tätigkeiten zu gestatten, welche die zuständige Behörde nach Artikel 14 verbieten müsste.

Bei den Ausnahmen muss es sich nicht immer um dramatische Beispiele handeln. So kann es unter Umständen ausnahmsweise einmal angezeigt sein, eine sofort notwendige Sicherheitsdienstleistung in einem entlegenen Gebiet aus staatspolitischen Gründen zu bewilligen, auch wenn das vom privaten Unternehmen eingesetzte Personal (noch) nicht über die von Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b verlangte spezifische Ausbildung verfügt. Der Bundesrat könnte die Erteilung einer Ausnahmebewilligung zum Beispiel auch dann erwägen, wenn mit der Schweiz befreundete Staaten dem Gesetzesentwurf unterstellte private Sicherheitsunternehmen für eine Geiselbefreiungsoperation im Ausland beiziehen möchten, was allenfalls zu einem geringfügig erhöhten Sicherheitsrisiko für die Schweiz oder für schweizerische Interessen im Ausland führen könnte.

Hochrangige Staatsinteressen, die gegenüber Artikel 14 überwiegen, könnten
allenfalls auch dann zu einer Ausnahmebewilligung des Bundesrates führen, wenn die UNO oder eine andere supranationale oder internationale Organisation im Rahmen eines unter Kapitel VII der UNO-Charta fallenden friedenssichernden Einsatzes ein vom Gesetzesentwurf erfasstes Sicherheitsunternehmen einsetzen und der Bundesrat diesem Ansinnen nicht im Wege stehen möchte.

Nach Absatz 2 kann die zuständige Behörde dem Bundesrat die zu beurteilenden Fälle unterbreiten. Die Sicherheitsunternehmen hingegen erhalten nicht das Recht, dem Bundesrat eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Artikel 15 zu beantragen.

Die Ausnahmebewilligung wird in Form einer Verfügung erteilt, gegen die keine Beschwerde möglich ist. Das «hochrangige Staatsinteresse», das eine vom Bundesrat erteilte Ausnahmebewilligung rechtfertigen kann, ist im Sinne der Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe a VGG84 und 83 Buchstabe a BGG85 als eine die innere und 83 84 85

SR 172.010 SR 173.32 SR 173.110

1806

äussere Sicherheit des Landes betreffende politische Beurteilung zu verstehen, die der gerichtlichen Überprüfung entzogen ist.

Kommt der Bundesrat in einem bestimmten Fall zum Schluss, dass kein hochrangiges, deutlich überwiegendes Staatsinteresse vorliegt, das eine Ausnahmebewilligung rechtfertigen würde, so gibt er die Sache an die zuständige Behörde zurück. Diese wird dann ein behördliches Verbot nach Artikel 14 erlassen, gegen das Beschwerde erhoben werden kann.

Der Bundesrat wird die im Einzelfall erforderlichen Kontrollmassnahmen festlegen (Abs. 3).

Art. 16

Koordination

Das KMG86 (doppeltes Bewilligungssystem), das GKG87 (einzelne Bewilligungen) und das EmbG88 (Zwangsmassnahmen) sehen jeweils verschiedene Massnahmen vor, die in bestimmten Fällen parallel zu einem Melde- und Verbotssystem wie jenem des Gesetzesentwurfs Anwendung finden können. Einige Unternehmen des Sicherheitsmarkts erbringen nicht ausschliesslich private Sicherheitsdienstleistungen, sondern führen auch Kriegsmaterial aus. Je nachdem überwiegt die eine oder die andere Tätigkeit. Die private Sicherheitsdienstleistung überwiegt, wenn der Vertrag die Bewachung und Überwachung militärischer Anlagen umfasst und zur Wahrnehmung der Schutzaufgabe Kriegsmaterial zur Verfügung gestellt wird.

Hingegen überwiegt die Ausfuhr von Kriegsmaterial, wenn der Vertrag in erster Linie diese Dienstleistung umfasst und nur in zweiter Linie die Bewachung des ausgeführten Materials. In anderen Fällen können die private Sicherheitsdienstleistung und die Ausfuhr von Kriegsmaterial eigenständige Dienstleistungen darstellen, z.B. wenn der Vertrag die Ausfuhr von Kriegsmaterial und die Ausbildung des Personals der Streitkräfte zur Verwendung des ausgeführten Materials umfasst.

Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, bestimmen nach Absatz 1 die betroffenen Behörden die Behörde, die das Verfahren koordiniert. Bei Streitigkeiten entscheidet die gemeinsame Aufsichtsbehörde oder bei Fehlen einer solchen der Bundesrat. Die für die Koordination verantwortliche Behörde sorgt für einen möglichst einfachen Verfahrensablauf. Sie dient den Unternehmen auch als Kontaktstelle. Sie ergreift die nötigen Massnahmen, damit die Unternehmen innerhalb der im Einzelfall geltenden gesetzlichen Fristen über ihre jeweiligen Rechte und Pflichten im Bild sind. Allenfalls entscheidet die Koordinationsbehörde, ob die Verfahren zusammengefasst werden können und ob ein einziger Entscheid erlassen werden kann.

Art. 17

Gebühren

Nach dieser Bestimmung erhebt die zuständige Behörde Gebühren für das Prüfverfahren nach Artikel 13, für gemäss Artikel 14 verhängte Verbote und für Kontrollmassnahmen nach Artikel 19. Nach Artikel 38 Absatz 1 Buchstabe b wird der Bundesrat die Höhe der Gebühren festlegen. Im Übrigen gilt die Allgemeine Gebührenverordnung vom 8. September 200489.

86 87 88 89

SR 514.51 SR 946.202 SR 946.231 SR 172.041.1

1807

Für die Regelung der Gebühren durch den Bundesrat soll grundsätzlich Artikel 46a RVOG90 gelten. Absatz 1 sieht allerdings zwei besondere Anordnungen vor: Einerseits soll der Bundesrat nur Gebühren für die in Absatz 1 aufgezählten Verrichtungen vorsehen, andererseits soll er die Höhe dieser Gebühren so ansetzen, dass sie die Kosten für den Aufwand der betreffenden Verrichtungen decken. Es ist also keine Vollkostendeckung für die gesamte Tätigkeit der zuständigen Amtsstelle beabsichtigt, sondern nur eine Vollkostendeckung für die Verrichtungen nach Absatz 1.

2.4

Kontrolle

Art. 18

Mitwirkungspflicht

Die von Artikel 2 Absätze 1­3 erfassten Unternehmen sind verpflichtet, der zuständigen Behörde alle zur Prüfung der unter den Gesetzesentwurf fallenden Tätigkeiten erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihr die notwendigen Unterlagen vorzulegen. Die Mitwirkungspflicht ist verhältnismässig, da der Behörde ausschliesslich Auskünfte zu den geprüften Tätigkeiten erteilt werden müssen.

Widerhandlungen gegen die Mitwirkungspflicht werden bestraft (Art. 24).

Art. 19

Kontrollbefugnisse der Behörde

Damit die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit der dem Gesetzesentwurf unterstellten Unternehmen verhältnismässig bleibt, regelt Absatz 1 die Bedingungen, unter denen die Behörde ihre Kontrollbefugnisse ausüben darf. Versucht das Unternehmen die zuständige Behörde zu beeinflussen oder kommt es seiner Mitwirkungspflicht nicht nach und sind sämtliche Versuche der zuständigen Behörde, die nötigen Auskünfte und Unterlagen zu erhalten, erfolglos geblieben, kann die Behörde in den in Artikel 13 vorgesehenen Fällen Kontrollmassnahmen einleiten.

Unter Absatz 1 Buchstaben a­c sind drei Kontrollmassnahmen aufgeführt. Die Behörde ist befugt, die Räume des kontrollierten Unternehmens ohne Vorankündigung zu inspizieren (Bst. a) und die einschlägigen Unterlagen einzusehen, d.h. die Unterlagen, die sie zur Prüfung der dem Gesetzesentwurf unterstellten Tätigkeiten braucht (Bst. b). Auch darf sie Material beschlagnahmen (Bst. c).

Nach Absatz 2 kann die Behörde andere Behörden sowie die Polizeiorgane der Kantone und Gemeinden beiziehen.

Diese Massnahmen sind in Bereichen, die einer verstärkten Kontrolle bedürfen, gerechtfertigt. Bei der Kriegsmaterialgesetzgebung oder der Güterkontrollgesetzgebung wird dies bereits so gehandhabt. Die zuständige Behörde ist auf jeden Fall zur Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 68 des MontreuxDokuments umgesetzt.

90

SR 172.010

1808

Art. 20

Bearbeiten von Personendaten

Die zuständige Behörde ist befugt, zur Wahrnehmung der ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgaben Personendaten und besonders schützenswerte Personendaten im Zusammenhang mit administrativen oder strafrechtlichen Verfolgungen und Sanktionen nach Massgabe des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199291 über den Datenschutz (DSG) zu bearbeiten.

Gestützt auf Artikel 57h RVOG92 darf sie zur Verwaltung ihrer Dossiers auch ein automatisiertes Datenbearbeitungssystem betreiben. Auf die Personendaten haben ausschliesslich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Behörde Zugriff, die diese Daten zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Es gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze. Der Bundesrat wird die Ausführungsbestimmungen erlassen, insbesondere in Bezug auf die Kategorien der bearbeiteten Personendaten und die Dauer ihrer Aufbewahrung.

2.5

Sanktionen

Art. 21

Widerhandlungen gegen ein gesetzliches Verbot

Mit der Strafbestimmung von Artikel 21 werden die Verbote des vorliegenden Gesetzesentwurfs gemäss den Artikeln 8 und 9 umgesetzt und mit einer entsprechenden Strafandrohung versehen. Der Tatbestand ist als Vergehen im Sinne von Artikel 10 Absatz 3 StGB ausgestaltet; die entsprechenden Handlungen werden mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bedroht, gegebenenfalls in Kombination mit einer Geldstrafe bis zu 1 080 000 Franken (Art. 34 Abs. 1 und 2 StGB). Eine Geldstrafe kann insbesondere dann auferlegt werden, wenn für die Täterschaft pekuniäre Ziele im Vordergrund standen oder die rechtswidrigen Handlungen gewerbsmässig ausgeübt wurden. Diese Taten wiegen etwa gleich schwer wie die durch Artikel 271 Ziffer 1 StGB (verbotene Handlungen für einen fremden Staat), 299 StGB (Verletzung fremder Gebietshoheit) und 301 StGB (Nachrichtendienst gegen fremde Staaten) sowie Artikel 94 MStG (fremder Militärdienst) sanktionierten Handlungen. Diese Bestimmungen drohen mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Dasselbe gilt für die Artikel 264i StGB (Bruch eines Waffenstillstandes oder des Friedens) und 264j StGB (andere Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht). Es ist somit gerechtfertigt, in Artikel 21 des Gesetzesentwurfs dieselbe Strafandrohung vorzusehen.

Die Widerhandlung nach Artikel 21 Absatz 1 kann ausschliesslich vorsätzlich begangen werden, wie dies z.B. auch für Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Fall ist (Art. 264 und 264a StGB). Nach Artikel 12 Absatz 2 StGB begeht vorsätzlich ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt oder wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt. Die fahrlässige unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten wird durch den Gesetzesentwurf hingegen nicht bestraft.

Die Tatbestandsmerkmale der nach Artikel 21 Absatz 1 sanktionierten Widerhandlung werden unter Artikel 4 Buchstabe c sowie Artikel 8 erläutert.

91 92

SR 235 SR 172.010

1809

Täterinnen und Täter können nicht nur Personen sein, die selber an Feindseligkeiten unmittelbar teilnehmen, sondern auch die Chefin oder der Chef eines Unternehmens sowie alle Vorgesetzten, welche die in Artikel 8 Absatz 1 genannten Tätigkeiten ausüben. Die Strafbestimmung erfasst somit zum Beispiel alle Personen, die ein Unternehmen, welches Personal für eine unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten zur Verfügung stellt, gründen, leiten oder betreiben.

Sind die Anknüpfungskriterien nach Artikel 8 erfüllt und ist nach den Artikeln 6 und 7 StGB die Zuständigkeit eines schweizerischen Gerichts gegeben, so kann die Straftäterin oder der Straftäter in der Schweiz verfolgt werden. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Rekrutierung über das Internet oder über andere Kommunikationsmittel zu einem wesentlichen Teil von der Schweiz aus erfolgt, die entsprechenden Inhalte also von der Schweiz aus aufgeschaltet werden oder die Anwerbung (auch) im Hinblick auf Personen in der Schweiz geschieht. Werden die entsprechenden Inhalte von keiner Zielgruppe zur Kenntnis genommen, kann zumindest ein strafbarer Versuch vorliegen.

Nach Absatz 2 wird bestraft, wer eine Tätigkeit ausübt, von der anzunehmen ist, dass sie der Empfänger im Rahmen der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzt (siehe Erläuterungen zu Art. 9). Der Verstoss nach Absatz 2 wird vorsätzlich begangen. Auch in diesem Fall können die Chefin oder der Chef sowie alle Verantwortlichen eines Unternehmens Täterinnen und Täter sein, wenn anzunehmen ist, dass der Empfänger der erbrachten Sicherheitsdienstleistung diese im Rahmen der Begehung schwerer Menschenrechtsverletzungen nutzt.

Absatz 3 äussert sich zum Verhältnis von Artikel 21 des Gesetzesentwurfs zu den Tatbeständen des StGB und des MStG. Er bringt zum Ausdruck, dass eine Täterin oder ein Täter gegebenenfalls über Artikel 21 des Gesetzesentwurfs hinaus auch nach den Bestimmungen des StGB oder des MStG bestraft werden kann, wenn er diese Tatbestände erfüllt und deren Unrechtsgehalt von Artikel 21 des Gesetzesentwurfs nicht abgedeckt wird. Absatz 3 regelt so das Problem einer möglichen Konkurrenz zwischen Artikel 21 des Gesetzesentwurfs und den Bestimmungen dieser beiden Gesetze.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 69 des MontreuxDokuments umgesetzt.

Art. 22

Widerhandlungen gegen ein behördliches Verbot

Die Strafbestimmung nach Artikel 22 bedroht die Verletzung von Artikel 14 mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Wie im Kommentar zu Artikel 14 bereits erwähnt wurde, muss das von der zuständigen Behörde ausgesprochene Verbot so begründet werden, dass es den betroffenen Personen (z.B. den für das Unternehmen Verantwortlichen) möglich ist, die Tätigkeiten, die ihnen unter Strafandrohung nach Artikel 22 verboten sind, genau zu erkennen. Es ist nicht die Aufgabe der Strafverfolgungsbehörde, darüber zu befinden, ob die Straftäterin oder der Straftäter einen Akt begangen hat, der im Widerspruch zu den in Artikel 1 festgelegten Zwecken steht.

Sie muss einzig prüfen, ob die Täterin oder der Täter gegen das von der zuständigen Behörde verhängte Verbot verstossen hat, d.h. ob sie oder er eine Tätigkeit ganz oder teilweise ausgeübt hat, die behördlich verboten wurde. Eine möglichst genaue Begründung des Verbotsentscheides durch die zuständige Behörde ist somit unerlässlich, damit die Strafverfolgungsbehörde Artikel 22 zur Anwendung bringen kann.

1810

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 69 des MontreuxDokuments umgesetzt.

Art. 23

Widerhandlungen gegen die Melde- oder Unterlassungspflicht

Die Strafbestimmung nach Artikel 23 bedroht die Verletzung der Artikel 10, 11 oder 39 Absatz 2 mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Geldstrafe.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 69 des MontreuxDokuments umgesetzt.

Art. 24

Widerhandlung gegen die Mitwirkungsplicht

Nach Artikel 24 wird mit einer Busse bis zu 100 000 Franken bestraft, wer die Auskünfte, die Einsicht in Unterlagen oder den Zutritt zu Räumen nach den Artikeln 18 und 19 Absatz 1 verweigert oder wer falsche Angaben macht. Wird die Tat fahrlässig begangen, so ist die Strafe Busse bis zu 40 000 Franken. Diese Bestimmung entspricht der Strafe nach Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe a KMG93.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 69 des MontreuxDokuments umgesetzt.

Art. 25

Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben

Wie in der Kriegsmaterialgesetzgebung sieht Artikel 25 vor, dass auf Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben Artikel 6 des Bundesgesetzes vom 22. März 197494 über das Verwaltungsstrafrecht (VStR) anwendbar ist: Wird eine Widerhandlung beim Besorgen der Angelegenheiten eines Unternehmens mit oder ohne Rechtspersönlichkeit oder sonst in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher Verrichtungen für einen andern begangen, so sind die Strafbestimmungen gemäss dieser Bestimmung auf diejenigen natürlichen Personen anwendbar, welche die Tat verübt haben (Abs. 1). Ausserdem untersteht der Leiter des Unternehmens oder Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene, der es vorsätzlich oder fahrlässig in Verletzung einer Rechtspflicht unterlässt, eine Widerhandlung des Untergebenen, Beauftragten oder Vertreters abzuwenden oder in ihren Wirkungen aufzuheben, den Strafbestimmungen, die für die entsprechend handelnde Täterin oder den entsprechend handelnden Täter gelten (Abs. 2). Ist der Leiter des Unternehmens, Arbeitgeber, Auftraggeber oder Vertretene ein Unternehmen mit oder ohne Rechtspersönlichkeit, so wird Absatz 2 auf die schuldigen Organe, Organmitglieder, geschäftsführenden Gesellschafter, tatsächlich leitenden Personen oder Liquidatoren angewendet (Abs. 3).

Absatz 2 ist von Artikel 49 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 200795 über die eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG) inspiriert. Es handelt sich um eine Spezialbestimmung zu Artikel 7 VStrR. Gemäss Artikel 7 VStrR (Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben) kann ein Unternehmen bestraft werden, wenn eine Busse von höchstens 5000 Franken in Betracht fällt und die Ermittlung der strafbaren Personen (Art. 6 VStrR) Untersuchungsmassnahmen bedingen würde, die im Hinblick auf die verwirkte Strafe unverhältnismässig wären. Mit Blick auf die im vorliegenden 93 94 95

SR 514.51 SR 313.0 SR 956.1

1811

Gesetzesentwurf vorgesehenen Sanktionen ist es angemessen, die Schwelle der Busse für in einem Unternehmen begangene Straftaten im Sinne von Artikel 7 VStrR auf 20 000 Franken anzuheben.

Die Strafbehörde muss Untersuchungshandlungen vornehmen, um die strafbaren Personen oder Organe zu ermitteln. Nur wenn diese ohne zeitraubende und aufwändige Untersuchungen, welche im Hinblick auf die Widerhandlung unverhältnismässig wären, nicht ausfindig zu machen sind, kann von einer Strafverfolgung gegen sie abgesehen und an ihrer Stelle der Geschäftsbetrieb zur Bezahlung der Busse verurteilt werden. Ausserdem kommt eine Anwendung von Artikel 25 Absatz 2 nur bei den im Gesetzesentwurf vorgesehenen Übertretungsstraftatbeständen in Betracht, d.h. in den Fällen einer Widerhandlung gegen die Mitwirkungspflicht (Art. 24). Die Höhe der Busse darf 20 000 Franken nicht übersteigen.

Artikel 25 Absatz 2 ist nicht zu verwechseln mit der Verantwortlichkeit des Unternehmens nach Artikel 102 StGB. Artikel 25 Absatz 2 zielt nicht darauf ab, das Unternehmen für einen organisatorischen Mangel zu bestrafen, sondern will eine zusätzliche, verfahrensökonomische Handlungsmöglichkeit schaffen. Schliesslich findet Artikel 102 StGB nur bei Verbrechen und Vergehen Anwendung, während Artikel 25 Absatz 2 ausschliesslich bei Übertretungen zum Zug kommt.

Zuständig zur Verhängung von Bussen nach Artikel 25 Absatz 2 sind die Organe der Bundesgerichtsbarkeit (vgl. Art. 27).

Art. 26

Auflösung und Liquidation

Gestützt auf Absatz 1 kann die zuständige Behörde nach dem Bundesgesetz vom 11. April 188996 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) die Auflösung und die Liquidation einer juristischen Person, einer Kollektiv- oder einer Kommanditgesellschaft anordnen, wenn deren Tätigkeit gegen ein gesetzliches oder behördliches Verbot verstösst. Die Behörde ist nicht dazu verpflichtet. Sie verfügt also über einen gewissen Ermessensspielraum. Sie muss in jedem Einzelfall prüfen, ob die Massnahme gerechtfertigt und verhältnismässig ist. Bevor sie die Auflösung und die Liquidation anordnet, muss sie prüfen, ob nicht andere Sanktionen genügen. Das Konkursverfahren richtet sich nach dem SchKG.

Gestützt auf Absatz 2 kann die zuständige Behörde in den Fällen nach Absatz 1 die Liquidation des Geschäftsvermögens eines Einzelunternehmens und gegebenenfalls die Löschung des Eintrags im Handelsregister anordnen. Nach Absatz 3 kann sie auch einen aus der Liquidation resultierenden Überschuss einziehen.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 69 des MontreuxDokuments umgesetzt.

Art. 27

Gerichtsbarkeit und Anzeigepflicht

Während der Bund auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts zuständig ist, bleibt die Rechtsprechung in Strafsachen den Kantonen überlassen, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht.97 Angesichts des Umstandes, dass die vorliegenden Straftatbestände in aller Regel in einem internationalen Kontext gesetzt 96 97

SR 281.1 Vgl. zur Bundesgerichtsbarkeit die Artikel 23 und 24 der Strafprozessordnung (SR 312.0) sowie beispielsweise Art. 40 KMG (SR 514.51).

1812

werden und unter Umständen von erheblicher Komplexität sind, sowie unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der für die Anwendung des Gesetzes zuständigen Behörde um eine Bundesstelle handeln soll, erscheint es ­ ausgehend vom geltenden Recht ­ sachgerecht, die strafrechtliche Verfolgung und Beurteilung der Taten der Bundesgerichtsbarkeit zu unterstellen.

Nach Absatz 2 sind die für die Umsetzung des zukünftigen Gesetzes zuständigen Behörden verpflichtet, Widerhandlungen, von denen sie bei ihrer dienstlichen Tätigkeit Kenntnis erlangen, bei der Bundesanwaltschaft anzuzeigen. Stellt die zuständige Behörde z.B. fest, dass es sich bei der von einem Unternehmen gemeldeten Tätigkeit um eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 21 handeln könnte, so zeigt sie dies bei der Bundesanwaltschaft an.

Mit dieser Bestimmung werden die Good Practices Nummern 19 und 71 des Montreux-Dokuments umgesetzt.

2.6

Amtshilfe

Art. 28

Amtshilfe innerhalb der Schweiz

Diese Bestimmung regelt die Amtshilfe zwischen der zuständigen Behörde und den Bundes- und Kantonsbehörden. Nach Absatz 1 geben diese der zuständigen Behörde die für den Vollzug des Gesetzesentwurfs erforderlichen Informationen und Personendaten bekannt.

Nach Absatz 2 gibt die zuständige Behörde folgenden Behörden Informationen und Personendaten zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben bekannt: den für den Vollzug des Gesetzesentwurfs verantwortlichen Behörden des Bundes und der Kantone (z.B. dem Handelsregister oder dem Betreibungs- und Konkursamt), den für den Vollzug des KMG98, des GKG99 oder des EmbG100 zuständigen Behörden, den Strafbehörden, sofern es um die Verfolgung von Verbrechen oder Vergehen geht, den für die Wahrung der inneren Sicherheit zuständigen Behörden des Bundes und der Kantone, den für die auswärtigen Angelegenheiten und für die Wahrung der äusseren Sicherheit zuständigen Bundesbehörden und den für die Bewilligung und die Kontrolle privater Sicherheitsdienstleistungen zuständigen kantonalen Behörden.

Die Bekanntgabe der Informationen und Daten nach den Absätzen 1 und 2 kann unaufgefordert oder auf Verlangen erfolgen.

Art. 29

Amtshilfe zwischen schweizerischen und ausländischen Behörden

Nach Artikel 29 Absatz 1 kann die zuständige Behörde ausländische Behörden um Amtshilfe ersuchen. Dabei kann es sich z.B. um die Behörden am Ort der Ausführung der privaten Sicherheitsdienstleistung oder am Sitz des ausländischen Unternehmens handeln, das im Ausland private Sicherheitsdienstleistungen erbringen soll.

Um Amtshilfe zu erhalten, kann die zuständige Behörde der ausländischen Behörde bestimmte Informationen liefern, die den nach Artikel 10 gemeldeten Auskünften des betreffenden Unternehmens entsprechen.

98 99 100

SR 514.51 SR 946.202 SR 946.231

1813

Artikel 29 Absatz 2 regelt die Amtshilfe der Schweiz gegenüber ausländischen Behörden. Zwischen der Schweiz und dem ausländischen Staat muss Gegenrecht gehalten werden. Der Datenaustausch in einem internationalen Amtshilfeverfahren erfolgt einzelfallbezogen, grundsätzlich rasch und ohne Formalitäten. Die zuständige Behörde darf einer ausländischen Behörde ausschliesslich dann Amtshilfe gewähren, wenn diese die Daten nur für Zwecke bearbeitet, die dem Gesetzesentwurf entsprechen, und wenn die Voraussetzungen nach Artikel 6 DSG101 erfüllt sind. Die ausländische Behörde darf die von der zuständigen schweizerischen Behörde übermittelten Daten nicht für steuerliche oder strafrechtliche Zwecke verwenden. Sollten die Daten im Nachhinein in einem Strafverfahren verwendet werden, gelten die Bestimmungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Die Übermittlung von Informationen kann unaufgefordert oder auf Verlangen des ausländischen Staates erfolgen.

Die Übermittlung von Informationen muss Gegenstand einer Verfügung sein, gegen die Beschwerde erhoben werden kann (Art. 5 und 25a VwVG;102).

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 73 des MontreuxDokuments umgesetzt.

2.7 Art. 30

Einsatz von Sicherheitsunternehmen durch Bundesbehörden Schutzaufgaben

Der Schutz der schweizerischen Vertretungen und der Wohnsitze des Personals im Ausland wird in der Regel durch die Behörden des Gastlandes wahrgenommen.103 In bestimmten Ausnahmefällen setzt der Bund zur Wahrnehmung gewisser Schutzaufgaben Sicherheitsunternehmen ein.104 Er kann aber auch Truppen zum Schutz von Personen oder besonders schützenswerten Sachen im Ausland einsetzen, soweit schweizerische Interessen zu wahren sind (vgl. Art. 69 Abs. 2 des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995105 und die Verordnung vom 3. Mai 2006106 über den Truppeneinsatz zum Schutz von Personen und Sachen im Ausland).

Artikel 30 Absatz 1 legt den Grundsatz fest, nach welchem der Bund Sicherheitsunternehmen zur Wahrnehmung der Schutzaufgaben nach den Buchstaben a und b im Ausland einsetzen kann, d.h. zum Personenschutz sowie zur Bewachung oder Überwachung von Gütern und Liegenschaften. Wie in den Erläuterungen zu Artikel 2 Absatz 3 dargelegt, umfasst der Begriff «Einsatz» nicht nur jene Fälle, in denen eine Bundesbehörde eine Schutzaufgabe delegiert, sondern auch jene, in denen sie im Rahmen eines Auftrags auf die Dienste eines Sicherheitsunternehmens zurückgreift (z.B. gesicherte Transporte von Akten, die vernichtet werden sollen).

101 102 103

SR 235 SR 172.021 Siehe den Bericht des Bundesrats zu den privaten Sicherheits- und Militärfirmen vom 2. Dezember 2005, BBl 2006 623, Ziffer 3.4.2.

104 Siehe die Antwort des Bundesrates vom 22. Februar 2012 auf die Interpellation Allemann 11.4172 vom 23. Dezember 2011 «Vom Bund beauftragte private Sicherheitsdienste».

105 SR 510.10 106 SR 513.76

1814

Artikel 30 bildet die formelle Gesetzesgrundlage für die Übertragung von Schutzaufgaben im Kompetenzbereich des Bundes (z.B. den Schutz von Gebäuden des Bundes nach Art. 22 ff. BWIS107). Die Übertragung staatlicher Sicherheitsaufgaben an Sicherheitsunternehmen ist verfassungskonform. Nach Artikel 178 Absatz 3 BV können Verwaltungsaufgaben durch Gesetz Organisationen und Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts übertragen werden, die ausserhalb der Bundesverwaltung stehen. Die Delegation öffentlicher Aufgaben ist nur dann zulässig, wenn sie folgende, in Artikel 5 Absätze 1 und 2 BV für jegliches staatliche Handeln und in Artikel 36 Absätze 1­3 BV für Grundrechtseinschränkungen festgehaltenen drei Schranken beachtet: Sie stützt sich auf eine genügende gesetzliche Grundlage, sie liegt im öffentlichen Interesse und sie wahrt das Verhältnismässigkeitsprinzip.108 Die Aufzählung der Schutzaufgaben unter Artikel 30 Absatz 1 ist abschliessend. Die Aufgaben entsprechen den privaten Sicherheitsdienstleistungen nach Artikel 4 Buchstabe a Ziffern 1 und 2.

Die Bundesbehörde, die ein Unternehmen einsetzt, wird als «einsetzende Behörde» bezeichnet. Nach Absatz 2 ist die einsetzende Behörde gehalten, die zuständige Behörde insbesondere in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit des Sicherheitsunternehmens, das sie einzusetzen gedenkt, zu konsultieren. Sie muss auch das VBS konsultieren, um zu bestimmen, ob zum Schutz von Personen oder Gütern im Ausland allenfalls Angehörige der Armee eingesetzt werden können.

Mit Artikel 30 wird die Good Practice Nummer 1 des Montreux-Dokuments umgesetzt.

Art. 31

Anforderungen an das Unternehmen

Bevor eine Bundesbehörde ein Unternehmen einsetzt, vergewissert sie sich, dass dieses bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Diese Bestimmung betrifft nicht nur die Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, sondern auch ausländische Gesellschaften, die dem Gesetzesentwurf nicht unterstellt sind, z.B. lokale Sicherheitsunternehmen.

Die Voraussetzungen nach Artikel 31 sind kumulativ zu erfüllen. Überlegungen hinsichtlich einer einfacheren oder finanziell günstigeren Rekrutierung dürfen nicht auf Kosten der Einhaltung der Anforderungen nach Artikel 31 gehen.

Nach Buchstabe a ist das Unternehmen verpflichtet, die notwendigen Garantien hinsichtlich Rekrutierung, Ausbildung und Kontrolle des der einsetzenden Behörde zur Verfügung gestellten Personals zu bieten. Die einsetzende Behörde muss insbesondere sicherstellen, dass die Auswahl des Personals mit der gebührenden Sorgfalt erfolgt oder erfolgt ist, namentlich was Alter, Leumund sowie körperliche und geistige Befähigung zur Wahrnehmung der zu erbringenden Dienstleistungen anbelangt. Die einsetzende Behörde muss vom Unternehmen insbesondere die Überprüfung des Hintergrunds des anzustellenden Personals verlangen, um zu vermeiden, dass Personen angestellt werden, die zuvor in Verbrechen oder Menschenrechtsverletzungen involviert waren. Das Sicherheitsunternehmen hat zudem Ausbildung und Kontrolle des der einsetzenden Behörde zur Verfügung gestellten Personals zu gewährleisten.

107 108

SR 120 BBl 2006 623, Ziff. 4.4

1815

Buchstabe b sieht vor, dass sich die einsetzende Behörde des guten Rufs und des einwandfreien Geschäftsgebarens des Unternehmens zu vergewissern hat. Dieses muss namentlich dem internationalen Verhaltenskodex beigetreten sein und dessen Bestimmungen eingehalten haben (Ziff. 1). Seine Felderfahrung, Referenzen oder die Mitgliedschaft in einer ­ namentlich mit Blick auf die geforderten Standards und deren Kontrolle ­ vertrauenswürdigen Berufsvereinigung können ebenfalls auf den guten Ruf und die Seriosität des Unternehmens hinweisen (Ziff. 2­4). Allfällige Referenzen über die Kundschaft können nützliche Hinweise für einsetzende Behörden darstellen, die die Dienste eines ausländischen Unternehmens in Anspruch nehmen möchten. Zählen europäische Staaten, andere demokratische Länder oder internationale Organisationen zum Kundenkreis des Unternehmens, kann dies ein zusätzlicher Hinweis auf dessen Verlässlichkeit sein.

Gemäss Buchstabe c hat sich die einsetzende Behörde zu vergewissern, dass das Unternehmen zahlungsfähig ist. Dazu kann sie von ihm Einblick in dessen Finanzlage verlangen, z.B. mittels Auszügen aus dem Betreibungsregister oder Vermögensaufstellungen von Banken.

Buchstabe d schreibt vor, dass das Unternehmen über ein angemessenes internes Kontrollsystem verfügen muss, um sicherzustellen, dass die gebotenen Verhaltensstandards angewendet und bei Fehlverhalten disziplinarische Massnahmen getroffen werden. Bei grösseren Unternehmen wird diese Aufgabe häufig von einer sogenannten «compliance unit» wahrgenommen.

Nach Buchstabe e muss das anwendbare Recht dem Unternehmen die Ausübung einer Tätigkeit im privaten Sicherheitsbereich gestatten. Unter Umständen verlangt das anwendbare Recht nur eine Registrierung des Unternehmens oder des eingesetzten Sicherheitspersonals. Die diesbezügliche Überprüfung durch die einsetzende Behörde hat pragmatisch zu erfolgen, etwa durch das Einverlangen von Kopien oder anderen Belegen der erforderlichen Bewilligungen oder einer schriftlichen Erklärung, dass sämtliche rechtlich vorgeschriebenen Bewilligungen vorliegen. Ausserdem ist die Rechtsordnung des Staates am Ort der Vertragserfüllung zu beachten.

Namentlich müssen allfällige von diesem Staat verlangte Bewilligungen für die Erbringung von Sicherheitsdienstleistungen vorliegen.

Buchstabe f schreibt vor,
dass das Unternehmen eine Haftpflichtversicherung abschliessen muss. Die Deckungssumme muss einer risikogerechten Deckung entsprechen. Ob diese Bedingung erfüllt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Diese Bestimmung lässt der einsetzenden Behörde somit einen gewissen Ermessensspielraum.

Absatz 2 sieht eine Ausnahme von der in Absatz 1 Buchstabe f festgelegten Anforderung vor. Die einsetzende Behörde kann ausnahmsweise ein Sicherheitsunternehmen einsetzen, das keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, wenn ein Versicherungsabschluss für das Unternehmen mit unverhältnismässigen Kosten verbunden wäre und wenn das Risiko einer Haftung sowie die Höhe allfälliger Schadenersatzleistungen des Bundes als gering einzustufen sind. Auf diese Bestimmung darf sich die einsetzende Behörde nur ausnahmsweise berufen. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Personenschutz und die Bewachung von Liegenschaften in bestimmten Ländern manchmal nur von lokalen Sicherheitsunternehmen wahrgenommen werden können, die weder die Mittel noch die Möglichkeit zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung haben, und dass es auch keine andere mit

1816

Absatz 1 Buchstabe f im Einklang stehende Möglichkeit gibt, die Schutzaufgabe wahrzunehmen.

Mit dieser Bestimmung werden die Good Practices Nummern 2, 5­8 und 12 des Montreux-Dokuments umgesetzt.

Art. 32

Ausbildung des Personals

Die Ausbildung des Personals ist eine grundlegende Voraussetzung für die fachgerechte und sorgfältige Wahrnehmung der von der Behörde übertragenen Schutzaufgabe durch das Sicherheitsunternehmen. Artikel 32 schreibt deshalb vor, dass das Personal eine der Art der Schutzaufgaben sowie dem anwendbaren Völker- und Landesrecht angemessene Ausbildung erhalten muss, unter anderem in den unter Absatz 2 aufgeführten Punkten.

Die Ausbildung muss die Grundrechte, den Persönlichkeitsschutz und das Verfahrensrecht umfassen (Abs. 2 Bst. a). Für das Handeln in Notwehr- oder in Notstandssituationen muss das Sicherheitspersonal ausserdem eine Ausbildung hinsichtlich des Einsatzes körperlicher Gewalt und von Waffen abschliessen (Abs. 2 Bst. b). Das Personal ist auch im Umgang mit Widerstand leistenden Personen, in der Beurteilung gesundheitlicher Risiken und in der Leistung erster Hilfe zu schulen (Abs. 2 Bst. c­e). Schliesslich muss das Personal eine Ausbildung in der Korruptionsbekämpfung erhalten (Abs. 2 Bst. f).

Die Liste unter Absatz 2 ist nicht abschliessend. In jedem Einzelfall muss die einsetzende Behörde bestimmen, ob die Ausbildung des Personals im Hinblick auf die jeweiligen Umstände, die zu erfüllende Schutzaufgabe und die Lage am Ausführungsort ergänzt werden muss.

Artikel 32 Absätze 1 und 2 räumt der einsetzenden Behörde bei der Klärung der Frage, ob das Personal eine adäquate Ausbildung erhalten hat, einen bestimmten Ermessensspielraum ein. Grundsätzlich ist es der Behörde dadurch möglich, im Ausland Unternehmen zu verpflichten, die die Anforderungen von Artikel 32 erfüllen. Allerdings ist nicht auszuschliessen, dass in Ausnahmefällen kein einziges Unternehmen den Anforderungen genügt, weil z.B. ein lokales Unternehmen den Sicherheitsmarkt monopolisiert. Aus diesem Grund enthält Absatz 3 eine Ausnahmeregelung, wonach die Behörde ein Unternehmen einsetzen kann, das den Anforderungen nach den Absätzen 1 und 2 nicht vollständig genügt, sofern am Ort der Leistungserbringung kein anderes Unternehmen diese Anforderungen erfüllt und die Schutzaufgabe nicht anders wahrgenommen werden kann. In diesem Fall kann ein Vertrag für höchstens sechs Monate abgeschlossen werden (Abs. 4 erster Satz). Die einsetzende Behörde muss aber eine Lösung für dieses Problem finden. Sie hat Massnahmen zu treffen, um sicherzustellen,
dass das Unternehmen die Voraussetzungen nach den Absätzen 1 und 2 möglichst rasch erfüllt (Abs. 4 zweiter Satz). Sie hält diese Massnahmen vertraglich fest. Das Unternehmen verpflichtet sich als Vertragspartei, die von der einsetzenden Behörde verlangten Massnahmen umzusetzen.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 10 des MontreuxDokuments umgesetzt.

1817

Art. 33

Identifizierbarkeit

Das Personal muss bei der Ausübung seiner Funktion identifizierbar sein und somit nachweisen können, im Auftrag welcher Behörde es handelt. Die Identifizierbarkeit des Sicherheitspersonals setzt insbesondere voraus, dass dieses in einer Weise gekleidet ist, die Verwechslungen mit Behördenmitgliedern, Streit- oder Sicherheitskräften ausschliesst. Dem Sicherheitspersonal kann die ihm übertragene Aufgabe «in Zivil» verrichten, wenn die Umstände dies im Einzelfall erfordern.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 16 des Montreux-Dokuments umgesetzt.

Art. 34

Ausrüstung des Personals

Das Personal der Sicherheitsunternehmen tritt bei der Wahrnehmung von Schutzaufgaben nach Artikel 30 für den Bund im Ausland grundsätzlich unbewaffnet auf.

Erfordert es die Lage im Ausland jedoch ausnahmsweise, dass das Personal Waffen trägt, um in Notwehr- oder Notstandssituationen handeln zu können, hält die einsetzende Behörde dies vertraglich fest (Abs. 2). Als Waffen gelten hier Schusswaffen, Schlag- und Abwehrstöcke oder Reizstoffe. Als Notwehr oder Notstand im Sinne der Artikel 15 und 17 StGB gelten einzelne Situationen, in denen jemand angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht wird. Hier geht es darum, dass das Sicherheitspersonal sich selbst oder andere Personen vor Aggressionen schützen kann.

Das Personal muss über die nach dem einschlägigen Recht erforderlichen Bewilligungen verfügen (Abs. 3). Ausserdem muss die am Ort der Erbringung der Schutzaufgabe geltende Waffengesetzgebung eingehalten werden.

Mit dieser Bestimmung werden die Good Practices Nummern 11 und 18 des Montreux-Dokuments umgesetzt.

Art. 35

Polizeilicher Zwang und polizeiliche Massnahmen

Grundsätzlich darf das Personal der vom Bund eingesetzten Sicherheitsunternehmen keinen polizeilichen Zwang und keine polizeilichen Massnahmen im Sinne des ZAG109 anwenden. Der polizeiliche Zwang umfasst die Anwendung körperlicher Gewalt sowie den Einsatz von Hilfsmitteln (wie Handschellen, anderen Fesseln und Diensthunden) und von Waffen. Zu den polizeilichen Massnahmen gehören das kurzfristige Festhalten von Personen, die Durchsuchung von Personen sowie von Räumen und Fahrzeugen und die Sicherstellung von Gegenständen. Wenn die Schutzaufgabe jedoch nicht anders erfüllt werden kann, kann der Bundesrat ausnahmsweise die Anwendung polizeilichen Zwangs und polizeilicher Massnahmen auch ausserhalb von Notwehr- oder Notstandssituationen gestatten.

Bei der Anwendung dieser Bestimmung ist das Subsidiaritätsprinzip einzuhalten.

Eine Ausnahme kann dann gemacht werden, wenn die Behörden des Gastlandes nicht in der Lage sind, die Schutzaufgabe wahrzunehmen, oder wenn eine Notlage herrscht. In der Umgebung diplomatischer Vertretungen oder Büros der DEZA können plötzlich unvorhergesehene Situationen eintreten, in denen sich eine Krise dermassen verschärft, dass das Personal bzw. die Einrichtung insgesamt sehr rasch 109

SR 364

1818

in grosse Gefahr gerät (z.B. die Gefahr von Attentaten gegen eine schweizerische Botschaft nach der Festnahme eines ranghohen Führers einer Terrororganisation in der Schweiz). Solche Situationen gehen über die unmittelbare Bedrohung von Einzelpersonen hinaus, auf welche die Tatbestände der Notwehr oder des Notstands zugeschnitten sind. Unter Umständen braucht es in diesen Fällen rasch gewisse präventive Schutzmassnahmen, und sei es nur, um einen geordneten Abzug bzw. die Evakuierung von Personal sicherzustellen.

Bevor er eine solche Ausnahmebewilligung erteilt, stellt der Bundesrat sicher, dass das Personal die entsprechende Ausbildung erhalten hat (Abs. 2). Er muss auch das am Einsatzort geltende Recht berücksichtigen (Abs. 3). Die in Artikel 31 genannten Anforderungen und die Verpflichtung, dem Verhaltenskodex beizutreten (Art. 7) sind ebenfalls zu erfüllen.

Art. 36

Vertragliche Weitergabe von Schutzaufgaben

Nach dieser Bestimmung ist es den vom Bund eingesetzten Sicherheitsunternehmen verboten, Mandate zur Leistung von Schutzaufgaben ohne vorgängige schriftliche Zustimmung der einsetzenden Behörde weiterzugeben. Durch diese Bestimmung wird sichergestellt, dass die Schutzaufgabe nicht von Dritten übernommen wird, welche die Anforderungen des Gesetzesentwurfs nicht erfüllen.

Mit dieser Bestimmung wird die Good Practice Nummer 15 des MontreuxDokuments umgesetzt.

2.8

Information

Art. 37 Die zuständige Behörde verfasst jährlich einen Tätigkeitsbericht zuhanden des Bundesrates. Dieser wird in der Verordnung allenfalls näher festlegen, worüber zu berichten ist, z.B. über die Tätigkeiten der dem Gesetzesentwurf unterstellten Personen und Unternehmen, die Widerhandlungen gegen gesetzliche Verbote, die von der zuständigen Behörde verhängten Verbote, die ergriffenen Kontrollmassnahmen sowie den Einsatz von Unternehmen durch den Bund zur Wahrnehmung von Schutzaufgaben im Ausland.

Die zuständige Behörde muss ihren Tätigkeitsbericht veröffentlichen, beispielsweise auf ihrer Internetseite. Damit wird die Information der Öffentlichkeit gewährleistet.

Mit dieser Bestimmung werden die Good Practices Nummern 4 und 59 des Montreux-Dokuments umgesetzt.

2.9 Art. 38

Schlussbestimmungen Ausführungsbestimmungen

Nach Artikel 38 Absatz 1 erlässt der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen. Er regelt namentlich die Einzelheiten des Meldeverfahrens (Bst. a), die Kategorien der besonders schützenswerten Personendaten, die bearbeiteten Personendaten und ihre 1819

Aufbewahrungsdauer (Bst. b) sowie die für den Einsatz eines Unternehmens durch eine Bundesbehörde notwendigen Vertragsbestimmungen (Bst. c). Bestimmte Aspekte der Good Practices des Montreux-Dokuments können ausserdem in der zu erarbeitenden Verordnung präzisiert werden.110 Nach Absatz 2 bestimmt der Bundesrat die zuständige Behörde. Gemäss seinem Beschluss vom 29. August 2012 wird es sich um eine Einheit im EDA handeln.

Art. 39

Übergangsbestimmung

Nach Absatz 1 müssen der zuständigen Behörde jede nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf zu meldende Tätigkeit sowie Tätigkeiten, die bei Inkrafttreten des Gesetzes ausgeübt werden, innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens gemeldet werden. Die zuständige Behörde macht die Mitteilung nach Artikel 12 und eröffnet gegebenenfalls ein Prüfverfahren.

Kommt die zuständige Behörde zum Schluss, dass ein Prüfverfahren eröffnet werden muss, so teilt sie dem betroffenen Unternehmen mit, ob es auf die Ausübung der gemeldeten Tätigkeit vorläufig ganz oder teilweise zu verzichten hat (Abs. 2).

Beabsichtigt die zuständige Behörde, eine Tätigkeit zu verbieten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes ausgeübt wird und auch weiterhin ausgeübt werden soll, so kann sie dem betroffenen Unternehmen eine angemessene Frist zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften einräumen (Abs. 3).

Die gesetzlichen Verbote der Artikel 8 und 9 gelten ab Inkrafttreten des Gesetzes und somit auch für Tätigkeiten, die zu jenem Zeitpunkt bereits ausgeübt werden und unter diese Verbote fallen. Es obliegt den betroffenen Unternehmen zu entscheiden, ob ihre Tätigkeiten nicht zulässig sind, und gegebenenfalls die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um sich gesetzeskonform zu verhalten. Andernfalls werden die Strafbestimmungen zur Anwendung kommen.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

Für die Umsetzung dieses Gesetzesentwurfs braucht es keine neue Behörde. Die neuen Aufgaben können einer Organisationseinheit im EDA übertragen werden. Der Gesetzesentwurf wird jedoch Auswirkungen auf das Bundespersonal haben.

Aufgrund der heutigen Einschätzungen der Geschäftslast ist für den Aufbau der Stelle mit einem zusätzlichen befristeten Stellenbedarf von 250 Stellenprozenten und für den ordentlichen Betrieb mit einem Stellenbedarf von 500­700 Stellenprozenten zu rechnen, was jährlichen Personalkosten von ungefähr 1 Million Franken entspricht. Dazu kommen entsprechende Sachmittel (Mobiliar, Räumlichkeiten, Informatikmittel) und Aufwendungen aus den allgemeinen Ressourcen. Zudem entstehen auch Kosten für die Ausbildung des neu einzustellenden Personals in der Höhe von ungefähr 50 000 Franken.

110

Siehe z.B. die Good Practice Nummer 14 des Montreux-Dokuments.

1820

Für den Aufbau und den Betrieb der Stelle müssen einmalige und wiederkehrende Investitionen, insbesondere für die Informatikinfrastruktur, geplant werden. Nach heutiger Einschätzung ist von einmaligen Investitionen von ungefähr 350 000 Franken auszugehen. Die jährlichen Betriebskosten würden sich dementsprechend auf ungefähr 100 000 Franken und die wiederkehrenden Investitionskosten auf 100 000 Franken alle 5­6 Jahre belaufen. Ein Teil der Kosten dürfte mit Blick auf eine termingerechte Umsetzung bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes anfallen, muss doch die zuständige Behörde sofort handlungsfähig sein. Artikel 39 Absatz 1 des Gesetzesentwurfs verpflichtet nämlich die Unternehmen, auch Tätigkeiten zu melden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits im Gange sind. Voraussichtlich wird das Gesetz nicht vor 2015 in Kraft treten.

Die neuen Stellen im EDA sollen folgende Bedürfnisse abdecken: Leitung des betreffenden Dienstes, wissenschaftliche Tätigkeiten im Rahmen der Entwicklung einer neuen Praxis; Information und Kommunikation, Abwicklung der Verwaltungsverfahren (Entgegennahme und Registrierung von Meldungen, Mitteilungen an die Betroffenen, Erlass von Verboten und Anordnung von Kontrollmassnahmen), Überweisung strafrechtlich relevanter Fälle an die Organe der Bundesgerichtsbarkeit, Beobachtung von und Mitwirkung an internationalen Entwicklungen sowie administrative Hilfstätigkeiten.

Die zuständige Behörde wird gemäss Artikel 17 des Gesetzesentwurfs kostendeckende Gebühren für im Zusammenhang mit der Prüfung und Kontrolle der Tätigkeit von Sicherheitsunternehmen anfallende Verrichtungen erheben. Mit diesen von den privaten Sicherheitsunternehmen erbrachten Gebühren kann indes lediglich ein Teil der aufgrund der gesetzlichen Aufgaben anfallenden Kosten finanziert werden.

Gebührenseitig finanziert wird die Prüf- und Kontrolltätigkeit im Einzelfall. Die Regulierung privater Sicherheitsunternehmen, die Dienstleistungen im Ausland anbieten, hat aber auch eine grundsätzliche aussenpolitische Dimension. So setzt sich die Schweiz weltweit an vorderster Front für die Stärkung des Völkerrechts sowie für die Entwicklung und Umsetzung von Regulierungen und «good practices» im Bereich der privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen ein. Die neu einzustellenden Personen werden zum Teil auch in diesem
Bereich tätig sein, der nicht über Gebühren finanziert werden kann. Allerdings werden diese Aktivitäten teilweise heute schon vom EDA wahrgenommen.

Die Verfolgung strafbarer Widerhandlungen gegen diesen Gesetzesentwurf untersteht der Bundesgerichtsbarkeit. Auch wenn vorab nicht mit vielen einschlägigen Fällen zu rechnen ist, stellt diese Ausweitung der Bundesgerichtsbarkeit eine weitere neue Aufgabe für die Strafverfolgungsbehörden des Bundes dar. Falls es sich später einmal erweisen sollte, dass sich für die Strafbehörden des Bundes ein erheblich erhöhter Ressourcenbedarf ergibt, so müssten beim Parlament zu gegebener Zeit allenfalls zusätzliche Mittel beantragt werden.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die Kantonsbehörden werden einzelne Gesetzesbestimmungen vollziehen müssen (z.B. Löschungen im Handelsregister oder die Eröffnung des Konkurses über ein Unternehmen). Auf Gemeindeebene kann die zuständige Behörde gemäss dem Gesetzesentwurf die kommunalen Polizeiorgane zum Vollzug ihrer Kontrollmassnahmen beiziehen.

1821

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen werden gering sein, da die Anzahl der vom Gesetzesentwurf betroffenen Unternehmen zurzeit nicht sehr hoch ist. Angesichts der restriktiven Regelung des Gesetzesentwurfs ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Markt der von der Schweiz aus im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen mit der Einführung des Gesetzesentwurfs schrumpfen wird und dass internationale Gesellschaften die Schweiz verlassen werden.

3.4

Auswirkungen auf die Gesundheit und die Gesellschaft

In der Schweiz sind keine gesundheitlichen oder sozialen Auswirkungen zu erwarten.

Im Ausland könnte der Gesetzesentwurf in gewissem Umfang positive gesundheitliche und soziale Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung haben. Das für die Sicherheitsunternehmen geltende Verbot betreffend die Ausübung bestimmter Tätigkeiten, die gegen die Interessen der Schweiz verstossen, z.B. die unmittelbare Teilnahme an Feindseligkeiten im Ausland, wird zur Beachtung der Menschenrechte der lokalen Bevölkerung beitragen.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Der Gesetzesentwurf wird keine direkten Auswirkungen auf die Umwelt in der Schweiz haben.

3.6

Andere Auswirkungen

Wie sich aus den in Artikel 1 genannten Gesetzeszwecken ergibt, wird der Gesetzesentwurf positive Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Aussenpolitik haben.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

Der Gesetzesentwurf ist in der Botschaft vom 25. Januar 2012 über die Legislaturplanung 2011­2015 und im entsprechenden Bundesbeschluss vom 15. Juni 2012111 vorgesehen.

111

BBl 2012 481 und 7155

1822

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

5.1.1

Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage Die BV enthält eine Reihe von Bestimmungen, die den Bund ermächtigen, Vorschriften für im Ausland erbrachte private Sicherheitsdienstleistungen zu erlassen.

Nach Artikel 95 Absatz 1 BV kann der Bund über die Ausübung der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit mittels wirtschaftspolizeilicher Massnahmen Vorschriften erlassen. Die Massnahmen müssen jedoch mit der nach Artikel 27 BV garantierten Wirtschaftsfreiheit und den Grundsätzen der Wirtschaftsordnung nach Artikel 94 Absatz 1 BV konform sein. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes konkurriert mit jener der Kantone. Bis jetzt haben die Kantone von ihrer Gesetzgebungskompetenz in Bezug auf diese Problematik keinen Gebrauch gemacht.

Artikel 54 Absatz 1 BV enthält eine umfassende Kompetenz des Bundes in auswärtigen Angelegenheiten. Diese ermöglicht dem Bund unter anderem den Erlass innerstaatlicher Rechtsetzungsakte, wenn sie in Zusammenhang mit auswärtigen Angelegenheiten stehen. Der Begriff «auswärtige Angelegenheiten» bezeichnet die Aussenpolitik eines Staates, d.h. seine Politik gegenüber der internationalen Gemeinschaft und den anderen Staaten bzw. deren Bevölkerung.112 Der Zusammenhang zwischen der schweizerischen Aussenpolitik und der Problematik der von der Schweiz aus im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen ist für den Gesetzesentwurf zentral.

Die Bestimmungen zum Einsatz von Sicherheitsunternehmen durch Bundesbehörden stützen sich auf Artikel 173 Absatz 2 BV, nach welchem die Bundesversammlung Geschäfte behandelt, die in die Zuständigkeit des Bundes fallen und keiner anderen Behörde zugewiesen sind. Die Bundesbehörden sind in ihrem jeweiligen Bereich dafür zuständig, sich zu organisieren und die geeignete Form zur bestmöglichen Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zu wählen.

Vereinbarkeit mit den Grundrechten Artikel 27 BV gewährleistet die Wirtschaftsfreiheit. Diese umfasst insbesondere den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung. Der freie Zugang zu einer Erwerbstätigkeit schützt Einzelpersonen vor staatlichen Massnahmen wie etwa einer Bewilligungspflicht, die den Zugang zu einer bestimmten privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit einschränken. Die Wirtschaftsfreiheit gilt jedoch nicht absolut. Sie kann unter den Voraussetzungen von Artikel 36 BV
eingeschränkt werden.

Die mit dem Gesetzesentwurf eingeführte Regelung wird die Wirtschaftsfreiheit der dem Gesetzesentwurf unterstellten Unternehmen und weiteren Personen einschränken. Die Anforderungen nach Artikel 36 BV werden eingehalten.

112

Jean-François Aubert und Pascal Mahon, Petit Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999, Artikel 54, S. 459, Zürich, 2003.

1823

a)

Gesetzliche Grundlage Die gesetzliche Grundlage für die Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit der betroffenen Unternehmen und weiteren Personen bildet der Gesetzesentwurf.

b)

Öffentliches Interesse Das mit dem Gesetzesentwurf eingeführte Kontrollsystem ist aufgrund des öffentlichen Interesses gerechtfertigt. Dieses besteht darin, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten, zur Umsetzung der aussenpolitischen Ziele der Schweiz beizutragen, die schweizerische Neutralität zu wahren und die Einhaltung des Völkerrechts zu garantieren.

c)

Verhältnismässigkeit Der Gesetzesentwurf erfüllt die Anforderung von Artikel 36 Absatz 3 BV, wonach Einschränkungen von Grundrechten verhältnismässig sein müssen.

Das mit einer vorgängigen Meldepflicht verbundene System des Verbots bestimmter Aktivitäten ist eine geeignete Massnahme, denn es ermöglicht dem Bund die Kontrolle der betreffenden Dienstleistungen und Tätigkeiten. Diese Lösung erfordert zudem weniger staatliche Eingriffe als ein auf einer Registrierungs- und/oder Bewilligungspflicht basierendes System. Es wird kein umfassendes Verbot eingeführt. Verboten sind ausschliesslich bestimmte Dienstleistungen und Tätigkeiten. Die betroffenen Akteure werden denn auch nicht daran gehindert, unproblematische Tätigkeiten auszuüben.

d)

Gleichbehandlung direkter Konkurrenten Nach der Rechtsprechung gilt bei Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit auch das Gebot der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen. Eine unterschiedliche Behandlung zweier direkter Konkurrenten ist ausschliesslich aus ernsthaften und besonders wichtigen Gründen zu rechtfertigen. Als direkte Konkurrenten gelten wirtschaftliche Akteure, die der gleichen Branche angehören und die sich mit dem gleichen Angebot an dasselbe Publikum richten, um das gleiche Bedürfnis zu befriedigen.

Der Gesetzesentwurf gilt nicht für Sicherheitsunternehmen, die private Sicherheitsdienstleistungen ausschliesslich auf dem Gebiet der Schweiz erbringen. Diese unterstehen weiterhin kantonalem und interkantonalem Recht. Zu einer Ungleichbehandlung solcher Unternehmen gegenüber Sicherheitsunternehmen, die von der Schweiz aus im Ausland tätig sind und deshalb dem Gesetzesentwurf unterstellt sind, führt das jedoch nicht. Denn diese sind nicht direkte Konkurrenten, da sie nicht dieselben Dienstleistungen anbieten, sich nicht an dieselbe Kundschaft richten und nicht dieselben Sicherheitsbedürfnisse befriedigen. Allerdings müsste ein in der Schweiz tätiges Sicherheitsunternehmen, das seine Aktivitäten auf das Ausland ausweiten möchte, die Anforderungen des Gesetzesentwurfs ebenfalls erfüllen.

1824

5.1.2

Gesetzmässigkeit

Der Gesetzesentwurf erfordert keine Änderung anderer Bundesgesetze.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

5.2.1

Instrumente der Europäischen Union

Der Gesetzesentwurf entspricht den Freizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten sowie mit den Staaten der EFTA. Namentlich respektiert der Entwurf den in diesen Abkommen anerkannten freien Dienstleistungsverkehr (vgl. Art. 3 und den diesbezüglichen Kommentar).

5.2.2

Weitere internationale Instrumente

Der Gesetzesentwurf ist mit Artikel 4 des Abkommens vom 18. Oktober 1907113 betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs sowie mit Artikel 47 des Protokolls I114 vereinbar.

Darüber hinaus hat die Schweiz keinen internationalen Vertrag abgeschlossen, der für die Erbringung privater Sicherheitsdienstleistungen im Ausland gilt.

5.3

Erlassform

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen, insbesondere jene, die verfassungsmässige Rechte berühren, in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Der Gesetzesentwurf sieht Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit und auch Strafbestimmungen vor. Demnach ist ein formelles Gesetz zu erlassen. Es ist angezeigt, einen eigenen Erlass zu schaffen, denn der Entwurf sieht eine Kontrollregelung vor, die sich deutlich von anderen gesetzlichen Regelungen unterscheidet, namentlich von jener im Bereich der Kriegsmaterialausfuhr mit ihrem System der doppelten Bewilligungen.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Der Gesetzesentwurf führt nicht zu Ausgaben, die der Ausgabenbremse unterstehen (Art. 159 Abs. 3 Bst. b BV).

113 114

SR 0.515.21 SR 0.518.521

1825

5.5

Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes

Der Gesetzesentwurf sieht weder Finanzhilfen noch Subventionen vor.

5.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der Gesetzesentwurf sieht die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen an das Departement vor, das der zuständigen Behörde übergeordnet ist. Dieses kann beschliessen, dass eine Änderung des Verhaltenskodex auf vom Gesetz geregelte Sachverhalte anwendbar ist, wenn die Änderung dem Gesetz nicht widerspricht (Art. 7 Abs. 2).

5.7

Datenschutzkonformität

Der Gesetzesentwurf entspricht den datenschutzrechtlichen Anforderungen. Artikel 20 bildet die formellgesetzliche Grundlage im Sinn von Artikel 17 Absätze 1 und 2 DSG. Diese ist erforderlich, damit die zuständige Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben Personendaten bearbeiten darf. Die Behörde wird ihr Datenbearbeitungssystem gestützt auf Artikel 57h RVOG betreiben.

Die Artikel 28 und 29 bilden die formellgesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe von Personendaten gemäss den Voraussetzungen von Artikel 19 DSG. Gestützt darauf können der Inhaber der Datensammlung, der Zweck der Bekanntgabe der Daten, die Empfänger und die gemäss Artikel 29 bekanntgegebenen Daten bestimmt werden.

Der Bundesrat regelt in einer Verordnung, welche Kategorien von Daten nach den Artikeln 20 und 28 bearbeitet und wie lange die Daten aufbewahrt werden dürfen.

1826