12.099 Botschaft zur Genehmigung des Vertrags zwischen der Schweiz und Deutschland über die Auswirkungen des Betriebs des Flughafens Zürich auf das Hoheitsgebiet von Deutschland vom 19. Dezember 2012

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit der vorliegenden Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Vertrags zwischen der Schweiz und Deutschland über die Auswirkungen des Betriebs des Flughafens Zürich auf Deutschland.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

19. Dezember 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-2135

533

Übersicht Der Fluglärmstreit mit Deutschland dauert bereits Jahrzehnte. 1984 konnte zwischen der Schweiz und Deutschland eine Verwaltungsvereinbarung abgeschlossen werden, die Deutschland 2000 aber aufgrund von Differenzen über die Auslegung und wegen des zunehmenden Verkehrs kündigte. Einen Staatsvertrag, den die Verkehrsminister beider Länder im Jahr 2001 abschlossen, lehnten die eidgenössischen Räte 2003 ab. Daraufhin regelte Deutschland den An- und Abflugverkehr des Flughafens Zürich über deutschem Territorium einseitig.

Ab dem Jahr 2006 wurden neue Gespräche und später förmliche Verhandlungen geführt, in denen Deutschland eine weitere Entlastung forderte. Die Verhandlungen waren langwierig und drohten wiederholt zu scheitern. Am 2. Juli 2012 konnte jedoch ein Vertragstext paraphiert und am 4. September 2012 unterzeichnet werden.

Kernelement des Staatsvertrags ist die Festlegung von Zeiträumen, in denen der Flughafen Zürich nicht von Norden her angeflogen wird: Die entsprechende Sperrzeit dauert von 18 Uhr bis 6.30 Uhr. Dadurch sinkt im Vergleich zu heute die Zahl der Nordanflüge über Deutschland. Ausserhalb der Sperrzeiten kann sich die Zahl der Anflüge entsprechend der Entwicklung des Flughafens bewegen, soweit dies die begrenzte Kapazität des Flughafens noch zulässt.

Der Vertrag hat zur Folge, dass inskünftig ab 18 Uhr grundsätzlich andere Anflugverfahren als der Nordanflug zur Anwendung kommen. Eine wichtige Rolle kommt dabei dem sogenannnten Ostanflugkonzept zu. Um die Sicherheit und einen effizienten Verkehrsfluss in diesem Konzept zu gewährleisten, bedarf es eines Ausbaus der Infrastruktur am Flughafen, und es sind namentlich Pistenverlängerungen nötig.

Deshalb soll die neue Regelung grundsätzlich erst ab dem Jahr 2020 greifen. Bereits mit Inkrafttreten des Vertrags wird aber werktags schon ab 20 Uhr statt wie heute ab 21 Uhr nicht mehr über den Norden angeflogen werden ­ eine Regelung, wie sie heute schon an Wochenenden und Feiertagen besteht.

Der Vertrag erlaubt des Weiteren, den Flughafen Zürich von Montag bis Freitag bereits ab 6.30 Uhr und nicht wie heute erst ab 7 Uhr von Norden her anzufliegen.

Er lässt die Einrichtung sogenannter gekrümmter Nordanflüge (satellitengestützte Anflüge über schweizerisches Gebiet von Norden her) zu, mit denen das dichtbevölkerte Gebiet im Süden
des Flughafens entlastet werden könnte. Der Staatsvertrag schafft ausserdem Rechtssicherheit, was für die Entwicklung des Flughafens als Schlüsselinfrastruktur der Schweiz von grosser Bedeutung ist, und er beendet einen Konflikt, der die Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland seit Jahren belastet.

534

Botschaft 1

Grundzüge des Vertrags

1.1

Vorgeschichte

Der Flughafen Zürich ist seit 1951 ein konzessionierter Landesflughafen. Im Jahr 2011 wurden auf diesem insgesamt 279 000 Flugbewegungen (Starts oder Landungen) und ein Passagieraufkommen von über 24 Millionen abgewickelt. Die letzte Veränderung am Pistensystem erfolgte 1976. Damals wurde eine neue Nord-SüdPiste, die Piste 14/32, in Betrieb genommen. Sie erlaubt dem Flughafen, die Landungen von Norden weitgehend unabhängig von Starts nach Westen durchzuführen.

Diese Anflüge führen während der letzten 14 Kilometer über Schweizer Gebiet, zuvor aber über Deutschland. Gestartet wird hauptsächlich auf der Piste 28 nach Westen. Da diese mit 2500 Meter für grosse Flugzeuge zu kurz ist, starten diese zum Teil auf Piste 16 nach Süden und drehen dann nach links ab.

Skizze 1: Pistensystem

Die ab 1976 eingeführten Nordanflüge auf die neue Piste 14/32 führten bald zu Beschwerden aus der deutschen Grenzregion. 1984 schlossen Deutschland und die Schweiz die sogenannte «Regelung zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland für An- und Abflüge zum/vom Flughafen Zürich über deutsches Hoheitsgebiet» ab. Diese Verwaltungsvereinbarung sah im Wesentlichen vor, dass die Anflüge zum Flughafen Zürich auf die beiden in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Anflugachsen der Pisten 14 und 16 verteilt werden sollten. Zudem wurde eine Nachtflugbeschränkung eingeführt, die aber flughafenansässige Carrier und damit die Swissair ausnahm. In der Praxis stellte diese Nachtflugbeschränkung keine Behinderung des Flughafens dar.

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Die Umsetzung der Verteilklausel bereitete dem Flughafen indes Schwierigkeiten, weshalb Deutschland 1992 die Einhaltung der 1984-er Vereinbarung durch die Schweiz reklamierte. In der Folge wurden jahrelange Verhandlungen über mögliche Massnahmen zur Einhaltung der Verteilklausel geführt. Die Differenzen konnten aber nicht bereinigt werden und verschärften sich, als ab Mitte der 1990er-Jahre der Verkehr aufgrund der Expansionsstrategie der Swissair stark anstieg. Die Schweiz entwickelte zudem Ende der 1990er-Jahre ein Flugverfahren (Sidestep-Verfahren), mit dem sich die Verteilung der Anflüge auf die Anflugachsen 14 und 16 über deutschem Gebiet wie vereinbart hätte einhalten lassen. Deutschland akzeptierte diese Verteilung nicht ­ dies mit der Begründung, der Vertrag regle die Verteilung der Landungen auf den Pisten und nicht auf den Anflugachsen.

Deutschland verlangte 1998 die Aufnahme von Staatsvertragsverhandlungen mit dem primären Ziel, die Anzahl Anflüge über deutsches Staatsgebiet zu beschränken.

Diese Forderung verband Deutschland mit der Drohung, der Schweiz die Flugsicherungsbefugnis im süddeutschen Raum zu entziehen.

In zahlreichen Gesprächsrunden zwischen 1998 und 2001 wurden verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Die Schweiz lehnte die von Deutschland geforderte Plafonierung der Anzahl Anflüge durch deutschen Luftraum ab. Deutschland kündigte daher die 1984-er Vereinbarung im Jahr 2000 auf Ende Mai 2001 auf. Im April 2001 schliesslich einigten sich die beiden Verkehrsminister auf Eckwerte für einen Staatsvertrag, worauf dieser am 18. Oktober 2001 unterzeichnet werden konnte. Der Anflugverkehr wurde darin wie folgt geregelt: ­

Plafond von 100 000 Nordanflügen pro Jahr;

­

keine Anflüge von Norden zwischen 22 und 6 Uhr (Montag bis Freitag) sowie zwischen 21 und 9 Uhr (Wochenende, Feiertage);

­

Verschiebung von zwei der drei Warteräume in die Schweiz.

Die Genehmigung durch die nationalen Parlamente blieb dem Vertrag versagt. Im Juni 2002 trat der Nationalrat nicht auf die Vorlage ein, und im März 2003 lehnte der Ständerat sie ab. Auch in Deutschland lehnte der Bundesrat den Vertrag ab; er erachtete die Entlastung Süddeutschlands als zu gering. Zu einem endgültigen Entscheid des deutschen Parlaments kam es nach der schweizerischen Ablehnung jedoch nicht mehr.

Am 4. April 2003 reagierte Deutschland auf die Nichtratifizierung des Staatsvertrags durch die Schweiz mit dem Erlass der 220. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung (DVO) und verschärfte damit die Anflugrestriktionen am Morgen und am Abend gegenüber der im Vertrag vorgesehenen Regelung. Die Verordnung bedingte die kurzfristige Einführung von Südanflügen auf den Flughafen Zürich per Ende Oktober 2003. Gleichzeitig mussten die teilweise über deutschem Gebiet gelegenen Warteräume vollständig in die Schweiz verlegt werden, was eine aufwendige Umstrukturierung des Luftraums nötig machte.

Gegen diese deutschen Restriktionen reichte der Bundesrat 2003 bei der Europäischen Kommission Beschwerde ein, da die Massnahmen seines Erachtens nicht mit dem Luftverkehrsabkommen zwischen der Schweiz und der EU1 zu vereinbaren waren. Die Kommission lehnte die Beschwerde am 5. Dezember 2003 ab.

1

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Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

Die dagegen erhobene Nichtigkeitsklage der Schweiz wurde mit Entscheid vom 9. September 2010 vom Europäischen Gericht erster Instanz abgewiesen. Das Rechtsmittel der Schweiz gegen diesen Entscheid ist noch hängig. Ein Entscheid ist im ersten Halbjahr 2013 zu erwarten.

Im Oktober 2006 kamen der schweizerische Bundespräsident und der deutsche Verkehrsminister überein, neue Wege für eine Lösung der Probleme rund um den Flughafen Zürich zu beschreiten. 2007 schlug der Bundesrat einen Paketansatz zur Lösung des Fluglärmstreits vor. Neben aviatischen Belangen sollten auch weitere verkehrstechnische sowie wirtschaftliche Themen in die Verhandlungen eingebracht werden. Dieses Angebot wurde von der deutschen Bundeskanzlerin im April 2008 jedoch zurückgewiesen. Der schweizerische Bundespräsident und die deutsche Bundeskanzlerin vereinbarten aber, die Lärmbelastung, die vom Flughafen Zürich ausgeht, von den beiden Staaten gemeinsam berechnen zu lassen.

Diese Lärmbelastungsanalyse lag im Oktober 2009 vor und zeigte, dass die Lärmschutzbereiche nach deutschem Fluglärmgesetz eingehalten werden und der Dauerschallpegel auf deutschem Gebiet die Grenze von 55 Dezibel auch in Zukunft nicht überschreiten wird.

Trotz dieser Resultate der Belastungsanalyse liess sich Deutschland in der Folge nicht auf eine an Lärmgrenzwerten orientierte Lösung ein. Zahlreiche deutsche Politikerinnen und Politiker, darunter die Landräte sämtlicher Landkreise der Region, Bürgermeister und diverse Politikerinnen und Politiker der Bundes- und der Landesebene fassten ihre Forderungen in der sogenannten «Stuttgarter Erklärung» zusammen. Darin wurde insbesondere verlangt: ­

Beschränkung der Anflüge über Deutschland auf höchstens 80 000 Anflüge pro Jahr, soweit die Schweiz den technischen Nachweis für deren Erforderlichkeit erbringen kann;

­

uneingeschränkte Beibehaltung der Sperrzeiten der 220. DVO;

­

keine Abflüge über deutsches Gebiet: keine Hinnahme von Umweg- und Warteflügen über deutschem Gebiet;

­

Aufhebung des Warteraumes «RILAX» über deutschem Gebiet;

­

kein «gekröpfter» Nordanflug.

In der Folge hielt die deutsche Seite unnachgiebig an der «Stuttgarter Erklärung» fest. Neue Gespräche verliefen ergebnislos, Ende 2011 befanden sich die Verhandlungen in einer Sackgasse. Es drohten einseitige Massnahmen Deutschlands.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Am 28. Januar 2012 kamen die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) und der deutsche Verkehrsminister überein, die Bemühungen für eine einvernehmliche Beilegung des Streites zu verstärken. Am Rande des World Economic Forum (WEF) in Davos unterzeichneten die beiden Minister eine Absichtserklärung. Darin bekräftigten sie ihren Willen, das Problem einvernehmlich in einem Staatsvertrag zu lösen, der unverzüglich ausgearbeitet werden sollte. Sie setzten Leitplanken für die Verhandlungen.

537

Trotz dieser Absichtserklärung gestalteten sich die Verhandlungen schwierig. Im Hauptpunkt betreffend die Regelung des Anflugregimes waren die Differenzen kaum zu überbrücken. Für Deutschland standen weiterhin die Ziele der «Stuttgarter Erklärung» im Vordergrund, allen voran die zahlenmässige Beschränkung der Anzahl Nordanflüge. Die von der Schweiz in Aussicht gestellten Zugeständnisse gingen der deutschen Seite zu wenig weit. Mehrmals drohten die Gespräche erneut zu scheitern. Erst mit dem Ansatz, die Entlastung über anflugfreie Zeitfenster für Deutschland zu regeln, entstand Aussicht auf eine Einigung. Eine zentrale Rolle spielten in den Verhandlungen auch die beteiligten Flugsicherungsunternehmen Deutsche Flugsicherung (DFS) und Skyguide. Sie evaluierten Optionen für eine Neuordnung der Anflugverfahren im süddeutschen Luftraum. Keine dieser Optionen wurde indes von der deutschen Seite als günstiger als das geltende Anflugregime beurteilt, weshalb die beiden Parteien sich darauf einigten, dieses weiterhin anzuwenden.

Die Paraphierung eines Vertragsentwurfs erfolgte am 2. Juli 2012, die Unterzeichnung des Vertrags fand am 4. September 2012 statt.

1.3

Verhandlungsergebnis und Würdigung

Der erzielte Kompromiss umfasst folgende Eckwerte: ­

Nordanflüge über deutschem Staatsgebiet sind an Werktagen von 6.30 bis 18.00 Uhr zulässig.

­

An Wochenenden und Feiertagen sind Nordanflüge von 9.00 bis 18.00 Uhr zulässig.

­

Die Schweiz erhält eine Übergangsfrist bis Ende 2019, um die erforderlichen Infrastrukturausbauten des Flughafens zu realisieren.

­

Der gekrümmte Nordanflug über Schweizer Gebiet wird als Option im Vertrag vorgesehen.

­

Im Sinn einer Vorabmassnahme werden ab Ratifikation des Vertrags unter der Woche die Anflüge bereits ab 20.00 Uhr nicht mehr über süddeutsches Gebiet geführt (wie dies derzeit bereits an Wochenenden und Feiertagen der Fall ist).

­

Der Vertrag ist bis 2030 unkündbar.

Der Staatsvertrag weist aus Sicht der Schweiz folgende Vorteile auf: Die Sperrzeiten am Morgen sind um eine halbe Stunde verkürzt, und der gekrümmte Nordanflug wird ­ vorbehältlich der technischen Realisierbarkeit ­ möglich. Diese beiden Regelungen erlauben es, den Flughafen von Montag bis Freitag frühmorgens grundsätzlich von Norden anzufliegen. Die dicht besiedelten Gebiete südlich des Flughafens könnten dabei gemieden werden. Der Abstand des gekrümmten Nordanflugs zur deutschen Grenze muss aber so gross wie technisch möglich sein, damit auf deutschem Gebiet möglichst keine störende Lärmbelastung auftritt.

Eine moderate Entwicklung des Flughafens bleibt möglich. Da das Zeitfenster für Nordanflüge mit dem Vertrag kleiner wird, sinkt zwar die Anzahl der Anflüge, die über Deutschland noch zulässig sind, ganz wesentlich: Bei Inkrafttreten des Vertrags, möglicherweise im Jahr 2014, werden etwa 5000 Bewegungen weniger über 538

Süddeutschland abgewickelt werden; im Jahr 2020, wenn der Vertrag seine volle Wirkung entfalten wird, sind es nochmals 20000 Bewegungen weniger. Das entspricht bezogen auf das heutige Verkehrsaufkommen einer Reduktion auf 80 000 bis 85 000 Anflüge. Dem Flughafen bleibt aber ausserhalb der im Vertrag vorgesehen Sperrzeiten ein gewisses Wachstumspotenzial. Der Anflugverkehr von Norden könnte ­ abhängig von flugbetrieblichen Bedingungen und einer entsprechenden Nachfrage ­ noch bis an die theoretisch mögliche Kapazitätsgrenze wachsen, die bei etwa 105 000 bis 110 000 Anflügen liegt.

Von Nutzen ist auch die gegenüber heute herabgesetzte Mindestflughöhe über Deutschland von Flight Level (FL) 120 auf FL 80 (entspricht ca. 3600 bzw. ca. 2400 m ü. M.), denn sie dient der Sicherheit des Flugbetriebs und dem Bestreben, sogenannte Continuous Descent Approaches (CDA) durchzuführen. Diese Regelung wird jedoch nicht dazu führen, dass die Flugzeuge über Deutschland generell tiefer geführt werden. Die Flugsicherung erhält lediglich die Möglichkeit, bei grossem Verkehrsaufkommen aus Sicherheitsgründen einzelne Flugzeuge auch über deutschem Gebiet in etwas tieferen Flughöhen zu staffeln. Flüge unter FL 120 im deutschen Luftraum werden daher die Ausnahme bleiben. Die Routenführung im grenzüberschreitenden An- und Abflugbereich ist im Übrigen mit der deutschen Flugsicherung gemeinsam zu planen und für den deutschen Luftraum einvernehmlich abzustimmen.

Auch in weiteren Punkten konnten für die Schweiz akzeptable Lösungen gefunden werden, so in der Frage der Durchführung der Flugsicherung, der Vertragsdauer, der Beteiligung deutscher Anrainer in Verfahren betreffend den Betrieb des Flughafens, der Bildung einer gemeinsamen Luftverkehrskommission und in Bezug auf die Übergangsfrist bis zur Einführung des neuen Flugregimes.

Die gewichtige Konzession der Schweiz ist auf der andern Seite die Bestimmung, wonach an Werktagen drei, an Wochenenden zwei Stunden früher als heute Anflüge nicht über Süddeutschland, sondern ausschliesslich über die Schweiz erfolgen.

Dadurch findet ab 18 Uhr, in einer sehr sensiblen Zeit, eine zusätzliche Belastung der schweizerischen Bevölkerung statt. Insgesamt müssen gegenüber heute etwa 17 Prozent aller Anflüge auf andere Anflugwege umgelagert werden.

Ins Gewicht fällt auch, dass, wenn Anflüge
auf die Pisten 14 und 16 unzulässig sind, der Warteraum «RILAX» grundsätzlich nicht benutzt werden darf. Die deutsche und die schweizerische Flugsicherung werden gemeinsam entsprechende Verfahren entwickeln.

Gegenüber dem Staatsvertrag von 2001 stellt der aktuelle Vertrag eine gleichwertige, in gewissen Belangen eher etwas vorteilhaftere Lösung dar. Jener hätte die Zahl der Nordanflüge auf 100 000 begrenzt und im Falle eines in bescheidenen Grenzen noch möglichen Wachstums des Flugverkehrs zu noch grösseren Belastungen der schweizerischen Bevölkerung geführt.

Die nachfolgende Tabelle 1 gibt einen Überblick, wie sich der Vertrag verglichen mit dem heutigen Zustand, dem Vertrag von 2001 sowie den Massnahmen gemäss «Stuttgarter Erklärung» auswirkt.

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Tabelle 1 Vertrag 2012

Vertrag 2001

«Stuttgarter Erklärung»

Aktuelle betriebliche Regelung (DVO)

1

Langfristig mögliche Nordanflüge über D

105 000­ 110 000*

100 000

Nur zwingend erforderliche, max. 80 000

122 000­ 128 000

2

Gekrümmter Nordanflug

Ja

nein

nein

nein

3

Anz. Std. mit Nordanflügen pro Woche

75,5

ca. 70

max. ca. 56

92

4

Sperrzeiten Mo­Fr

18­6.30 Uhr 22­6 Uhr

unbekannt, 21­7 Uhr mind. 21­7 Uhr

5

Sperrzeiten Wochenende

18­9 Uhr

20­9 Uhr

unbekannt, 20­9 Uhr mind. 20­9 Uhr

6

Warteraum RILAX

Erhalt

Erhalt

Verschiebung

Erhalt

7

Mindestflughöhe für Anflüge über D

2400 m ü. M.

ca. 3000 m ü. M.

ca. 3600 m ü. M.

ca. 3600 m ü. M.

8

Übergangsfrist

ca. 7 Jahre

41 Monate

jederzeit abänderbar

jederzeit abänderbar

9

Kündbarkeit, Abänderbarkeit

unkündbar bis 2030

Kündigungs- jederzeit frist: 1 Jahr abänderbar

jederzeit abänderbar

* Der Vertrag führt ab Inkrafttreten zu einer Reduktion von ca. 5000 und spätestens ab 2020 von weiteren 20 000 Anflügen. Gemessen an der derzeitigen Zahl von Nordanflügen, die bei ca. 105000 liegt, entspräche das einer Reduktion auf 80000 bis 85 000 Anflüge. Ausserhalb der Sperrzeiten kann sich die Zahl der Anflüge entwickeln. Theoretisch sind dadurch langfristig 105000 bis 110000 Nordanflüge möglich, entsprechende Nachfrage vorausgesetzt.

Bei dieser Zahl wäre die Kapazitätsgrenze erreicht.

In Abwägung aller Vor- und Nachteile gelangt der Bundesrat zum Schluss, dass der Vertrag unter den gegebenen Verhältnissen einen akzeptablen Kompromiss darstellt.

1.4

Mitwirkung

In der schweizerischen Delegation, die den Staatsvertrag ausgehandelt hat, waren neben den Vertreterinnen und Vertretern des Bundes auch der Kanton Zürich als Standortkanton, der Flughafen sowie die Flugsicherungsgesellschaft Skyguide vertreten.

In eine vom UVEK eingesetzte Begleitgruppe zu den Verhandlungen nahmen zusätzlich Vertreterinnen und Vertreter der Kantone Aargau, Thurgau, Schaffhausen und St. Gallen sowie der Fluggesellschaft Swiss Einsitz. Diese Gruppe tagte unter der Leitung der Vorsteherin des UVEK von März 2012 bis zur Paraphierung des Vertrags mehrmals. Die Mitglieder der Begleitgruppe wurden laufend über den Stand der Verhandlungen informiert, und deren Meinungen wurden von der schweizerischen Delegation in die Verhandlungen einbezogen.

540

Ausserdem wurden die aussenpolitischen Kommissionen (APK) sowie die Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) des National- und des Ständerates im Januar und März 2012 über den Verlauf der Verhandlungen orientiert und konsultiert.

2 Art. 1

Erläuterungen zu einzelnen Vertragsabstimmungen An- und Abflugverfahren zum und vom Flughafen Zürich

Absatz 1 Ziffer 1 legt fest, dass von Montag bis Freitag zwischen 18 und 6.30 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen zwischen 18 und 9 Uhr kein Anflugverkehr auf die Pisten 14 und 16 über deutsches Hoheitsgebiet durchgeführt werden darf.

Die Beschränkung des Anflugverkehrs über Deutschland geschieht mithin über die Definition von anflugfreien Zeitfenstern und nicht über die Kontingentierung von Anflügen.

Ausgenommen von den Sperrzeiten sind Situationen, in denen zwingende äussere Umstände Landungen auf andere Pisten nicht zulassen. Diese Ausnahmeklausel entspricht grundsätzlich der heutigen Regelung gemäss 220. DVO, die sich in der Praxis bewährt hat. Diskussionen darüber, wann solche zwingenden äusseren Umstände vorliegen, gibt es nur in sehr seltenen Ausnahmefällen. Auch die Meldepflicht für solche Ausnahmen besteht bereits heute.

Absatz 1 Ziffer 2 ist gewissermassen das Gegenstück zur Ziffer 1. In diesem Passus wird ausdrücklich festgehalten, dass Nordanflüge auf die Pisten 14 und 16 von 6.30 Uhr bzw. 9 Uhr bis 18 Uhr zulässig sind. Indem die gleichzeitige Nutzung der Pisten 14 und 16 zur Kapazitätssteigerung ausgeschlossen ist, erhält Deutschland Gewähr, dass der Anflugverkehr nicht in der Weise intensiviert werden kann, dass die zwei Pisten simultan genutzt werden. Für den Flughafen hat dies keine Einschränkungen zur Folge. Auch wenn die beiden Landepisten alternierend genutzt werden, müssen aus Sicherheitsgründen zeitliche Abstände zwischen zwei Landungen eingehalten werden. Ausserdem ist die Piste 16 für Landungen nur selten geeignet, weil sie sich mit der Hauptstartpiste 28 kreuzt.

Absatz 1 Ziffer 3 bestimmt die Mindestflughöhe, die eingehalten werden muss, wenn Abflüge nach Norden in den deutschen Luftraum hinein stattfinden. Diese beträgt Flight Level (FL) 120, was 12 000 Fuss, also rund 3600 m ü. M. entspricht.

Absatz 1 Ziffer 4 betrifft den Warteraum «RILAX», der über der Region Donaueschingen liegt. Er ist für den Nordanflug nach Zürich von grosser Bedeutung. Nach den Forderungen gemäss «Stuttgarter Erklärung» hätte dieser Warteraum aufgehoben werden sollen. Die Bestätigung des Warteraums ist daher für die Schweiz wichtig. Die Mindestwartehöhe von FL 130 (ca. 4000 m ü. M.) entspricht dem heutigen Zustand.

Der dritte Abschnitt von Ziffer 4 setzt ein wichtiges Anliegen Deutschlands
um, mit dem sich jedoch die Schweiz arrangieren kann. Es wird sichergestellt, dass immer dann, wenn Anflüge auf die Pisten 14 und 16 nicht zulässig sind, Anflüge nicht über den Anflugfixpunkt «RILAX» geführt werden können. Das bedingt, dass die Deutsche Flugsicherung DFS gemeinsam mit Skyguide neue Anflugrouten entwirft.

541

Absatz 1 Ziffer 5 hält wie schon der Staatsvertrag von 2001 fest, dass nach Sichtflugregeln verkehrende Propellerflugzeuge mit einem höchstzulässigen Abfluggewicht bis 8618 kg sowie Hubschrauber und Flüge, die nicht flugplanmässig erfasst sind, von den Bestimmungen über den An- und Abflugverkehr ausgenommen sind. Diese Bestimmung hat ihren Grund darin, dass Flüge, die von der Flugsicherung nicht erfasst werden, auch nicht in die Regelung einbezogen werden können.

Absatz 2: Die Bestimmung hält explizit fest, dass die Schweiz während der Sperrzeiten Anflüge auf die Pisten 14 und 16 einrichten kann, die den deutschen Luftraum nicht tangieren. Gemeint sind damit gekrümmte Nordanflüge. Diese sind erlaubt, sollen aber den grösstmöglichen Abstand zur deutschen Grenze einhalten. Dieser Abstand wird von der DFS und von Skyguide gemeinsam festgelegt. Auch wenn es sich dabei um ein Anflugverfahren handelt, das den deutschen Luftraum nicht tangiert, ist eine Bestimmung, die diese Option offen hält, aus zwei Gründen wichtig: Zum einen ist der gekrümmte Nordanflug in Deutschland ein derart kontroverses Thema, dass diese Frage im Staatsvertrag nicht ausgeklammert werden kann.

Zum anderen könnte Deutschland durch Umklassierung seines Luftraums einen in der Schweiz gelegenen gekrümmten Nordanflug verhindern, wenn dieser näher als 2,5 nautische Meilen (ca. 4,6 km) an die Grenze heranführen würde. Nach internationalem Luftrecht müssen nämlich Flugzeuge zu einem Luftraumblock, der für andere Zwecke klassiert ist, diesen Abstand einhalten. Die Realisierung eines gekrümmten Nordanflugs setzt aber möglicherweise voraus, dass dieser etwas näher an den deutschen Luftraum herangeführt werden kann.

Absatz 3: Die Übergangsfrist, ab deren Ablauf nach 18 Uhr nicht mehr über Deutschland angeflogen werden darf, dauert bis zum 31. Dezember 2019. Diese Übergangsfrist ist für die Schweiz von zentraler Bedeutung. Der Vertrag von 2001 sah diesbezüglich nur 41 Monate vor, was sich im Falle einer Ratifizierung des Vertrags als problematisch erwiesen hätte. Auch die nun ausgehandelte Übergangsfrist ist kurz, aber knapp einhaltbar. Im letzten Satz dieses Absatzes sichert die Schweiz ausserdem zu, den Aufsetzpunkt für Landungen auf Piste 14 nicht nach Norden zu verlegen, wenn diese Piste verlängert wird. Diese Zusicherung schränkt die
Schweiz nicht ein; entsprechende Interessen, den Aufsetzpunkt nach Norden zu verlegen, womit die Flugzeuge entsprechend tiefer die Grenze überfliegen würden, bestehen seitens des Flughafens nicht.

Absatz 4: Die vereinbarte Übergangsfrist ist nötig, damit die Schweiz die Infrastruktur des Flughafens an das neue Anflugregime anpassen kann. Ein Entgegenkommen gegenüber Deutschland stellt aber die Regelung dar, dass bereits ab Inkrafttreten des Vertrags jeweils von Montag bis Freitag bereits ab 20 Uhr nicht mehr von Norden angeflogen werden darf ­ an Wochenenden und Feiertagen gilt diese Regelung bereits heute.

Art. 2

Gemeinsame Bewirtschaftung des Luftraums

Absatz 1: Im Gegensatz zum Vertrag von 2001 verbindet der heutige Vertrag die Regelung der An- und Abflüge nicht mehr mit der Frage der Durchführung der Flugsicherung im süddeutschen Raum. Die Neuregelung der An- und Abflüge bedingt aber, dass die An- und Abflugverfahren im grenzüberschreitenden Raum neu organisiert werden. Aus diesem Grund sieht Absatz 1 vor, dass diese Arbeit durch die beiden Flugsicherungsunternehmen Skyguide und DFS einvernehmlich

542

vorgenommen werden. Die Flugsicherungsunternehmen arbeiten im grenzüberschreitenden Bereich bereits heute eng zusammen.

Absatz 2: In dieser Bestimmung wird festgehalten, dass die Flugsicherungsorganisationen ihre Zusammenarbeit vertraglich regeln sollen. Es wird auf Artikel 10 Absatz 2 der Flugsicherungsdienste-Verordnung der EU2 verwiesen. Dieser verlangt, dass die Flugsicherungsorganisationen ihre Arbeitsbeziehungen durch schriftliche Vereinbarungen oder gleichwertige rechtliche Abmachungen formalisieren. In diesen sollen die besonderen Aufgaben und Funktionen festgelegt werden, welche die einzelnen Dienstleister übernehmen, und ein Austausch von Betriebsdaten zwischen sämtlichen Dienstleistern im Hinblick auf den allgemeinen Flugverkehr ermöglicht werden.

Wichtig ist für die schweizerische Flugsicherung, dass mit dieser Bestimmung die Zusammenarbeit in den Kontext der europäischen Bemühungen für einen einheitlichen europäischen Luftraum (Single European Sky, SES) gestellt wird.

Absatz 3: Die geplante Neuordnung der An- und Abflugverfahren hat Auswirkungen auf den Fluglärm, auch wenn die Immissionen in den betroffenen Gebieten unter den gesetzlichen Grenzwerten bleiben. Es ist daher naheliegend, dass die Neugestaltung der Verfahren mit den Interessen der Bevölkerung nach Möglichkeit abgestimmt wird. Als Plattform dafür soll die Luftverkehrskommission nach Artikel 4 dienen.

Diese soll ein Vorschlagsrecht gegenüber den Flugsicherungsorganisationen haben.

Die beiden Flugsicherungsorganisationen DFS und Skyguide entscheiden, ob die Massnahmen durchgeführt werden können. Dabei ist von Bedeutung, dass die Zusammenarbeit der Flugsicherungsunternehmen im Geiste der europäischen Single-European-Sky-Regulierungen erfolgen muss, in welchen den Kriterien der Sicherheit und Effizienz ein grosses Gewicht zukommt.

Art. 3

Bau- und betriebliche Verfahren

Eine Regelung gleichen Inhalts enthielt bereits der Staatsvertrag von 2001. Einwohnerinnen und Einwohner Deutschlands sollen in Bezug auf die Mitwirkung in Verwaltungsverfahren betreffend den Flughafen grundsätzlich mit Personen in der Schweiz gleichgestellt werden. Wenn Belastungen durch den Flugverkehr von deutschen Anwohnern ebenso wie von Schweizern getragen werden sollen, so ist es naheliegend, dass Personen in Deutschland auch die gleichen Rechte zugestanden werden wie den Schweizer Anrainern.

Absatz 1: Die Bundesrepublik Deutschland legt Wert darauf, über alle Betriebsabläufe auf dem Flughafen Zürich, die sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auswirken könnten, unterrichtet zu werden. Es ist auch im Sinn der Schweiz, dass geplante Entwicklungsschritte auf dem Flughafen für beide Länder transparent sind.

Absatz 2: Diese Bestimmung stellt klar, dass in Deutschland ansässigen Personen in Bau- und Betriebsreglementsverfahren betreffend den Flughafen Zürich die gleiche Rechtsstellung eingeräumt wird wie Personen in der Schweiz. Genau wie diese können aber auch deutsche Personen und Institutionen an den Verfahren nur dann teilnehmen, wenn die Voraussetzungen nach schweizerischem Recht erfüllt sind.

2

Verordnung (EG) Nr. 550/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2004 über die Erbringung von Flugsicherungsdiensten im einheitlichen europäischen Luftraum, ABl. L 96 vom 31.3.2004, S. 10.

543

Absatz 3: Bis heute ist die Frage, ob ausländische Anrainer gestützt auf die geltende Rechtslage Ansprüche auf Schallschutz oder auf Entschädigung wegen Enteignung von nachbarrechtlichen Abwehransprüchen gegen Fluglärm geltend machen könnten, nicht entschieden worden. Absatz 3 stellt nun klar, dass diese Rechte deutschen Anrainern in Bezug auf den Flughafen Zürich garantiert werden. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Immissionsgrenzwerte nach der schweizerischen Lärmschutzverordnung in Deutschland in Zukunft überschritten werden. Dies wäre aber Voraussetzung sowohl für Schallschutzmassnahmen als auch für die Entschädigung wegen Enteignung nachbarrechtlicher Abwehransprüche.

Art. 4

Gemeinsame Luftverkehrskommission

Eine beinahe gleichlautende Bestimmung war bereits im Staatsvertrag von 2001 enthalten. Damals nahm die Kommission die Tätigkeit bereits nach der Unterzeichnung auf. Die Erfahrungen waren durchwegs positiv und dem gegenseitigen Verständnis förderlich. Auch aus Sicht der Schweiz ist die Schaffung eines solchen Gremiums deshalb zu begrüssen.

Art. 5

Konsultationen

Konsultationen sind offizielle Kontakte zwischen den Regierungen beider Staaten.

Mit ihnen werden Vertragsanpassungen eingeleitet. Erforderlich ist, dass sich zuvor die gemeinsame Luftverkehrskommission mit diesen Fragen befasst hat. Auch diese Bestimmung war bereits im Staatsvertrag von 2001 enthalten. Sie stellt im Fall von Differenzen ein zusätzliches Mittel zur Lösungssuche dar.

Art. 6

Suspendierung

Ebenfalls dem Vertrag von 2001 entspricht die Klausel über die Suspendierung. Die damals wie heute verwendete Formulierung garantiert, dass eine Suspendierung der Vertragswirkungen nur nach vorgängiger Fristansetzung vorgenommen wird und vor allem nur in Fällen einer groben Vertragsverletzung, die auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet. Diese Formulierung setzt strengere Anforderungen als der mangels anderer Abrede geltende Artikel 60 nach dem Wiener Übereinkommen vom 23. Mai 19693 über das Recht der Verträge (Wiener Vertragsrechtskonvention). Es werden damit stabile rechtliche Verhältnisse geschaffen.

Art. 7

Geltungsdauer und Kündigung

Der Vertrag ist bis 2030 unkündbar. Dies kommt dem Bedürfnis nach Planungs- und Investitionssicherheit der Schweiz entgegen. Im Gegensatz dazu wäre der Vertrag von 2001 jederzeit kündbar gewesen.

Art. 8

Registrierung

Das Anliegen einer Registrierung des Vertrages beim Sekretariat der Vereinten Nationen nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 19454 wurde von der Bundesrepublik Deutschland eingebracht. Eine solche Registrierung 3 4

544

SR 0.111 SR 0.120

ist auch im Interesse der Schweiz. Absatz 2 des besagten Artikels hält nämlich fest, dass sich Vertragsparteien bei einem Organ der Vereinten Nationen nicht auf den entsprechenden Vertrag berufen können, wenn er nicht registriert ist. Zu den Organen zählen insbesondere der Internationale Gerichtshof, aber auch die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO.

Art. 9

Ratifikation und Inkrafttreten

Diese Bestimmung regelt Ratifikation und Inkrafttreten. Eine vorläufige Anwendung des Vertrags war für die Schweiz ausgeschlossen. Auch dies stellt einen wichtigen Vorteil gegenüber dem Vertrag von 2001 dar.

3

Ergebnis der Vernehmlassung

Zum Staatsvertrag wurde vom 21. September bis zum 25. Oktober 2012 eine Vernehmlassung durchgeführt.

In den Stellungnahmen wird der Staatsvertrag mehrheitlich als akzeptables Ergebnis bezeichnet und die Ratifizierung unterstützt. Die Kantone, aber auch die meisten Verbände sprechen sich in ihren Stellungnahmen deutlich für den Staatsvertrag aus.

Zwar wird mehrheitlich bedauert, dass er der Schweiz erhebliche Mehrbelastungen aufbürdet, indem vermehrt Anflüge über dicht besiedeltes Gebiet in der Schweiz erforderlich werden, doch überwiegt das Interesse an einer Beilegung des Konflikts.

Betont wird die grosse Bedeutung des Flughafens für die Wirtschaft. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass die Alternativen zur Ratifizierung des Staatsvertrags schlechter wären. In einigen Stellungnahmen wird der Staatsvertrag aber abgelehnt, dies hauptsächlich mit der Begründung, dieser sei zu stark auf die Interessen der Luftfahrt ausgerichtet. Bei der Umsetzung erwarten die verschiedenen Regionen eine Berücksichtigung ihrer Anliegen. Dabei stehen zahlreiche Forderungen nach einer Kanalisierung des Verkehrs dem Anliegen, die Belastungen zu verteilen, gegenüber. Die Vertreter der Luftfahrtindustrie ihrerseits bedauern zwar die zusätzlichen Einschränkungen für den Flughafen, gewichten aber die mit dem Staatsvertrag erlangte Rechtssicherheit stärker.

Bei den politischen Parteien löste der Staatsvertrag unterschiedliche Reaktionen aus.

Während ihn die CVP und die FDP als tragbare Lösung für einen nachhaltigen Betrieb des Flughafens werten, betrachtet ihn die GLP als schlechten Kompromiss, dessen Ablehnung aber zu noch viel nachteiligeren Lösungen führen würde. Die SVP lehnt den Staatsvertrag aufgrund der zusätzlichen An- und Abflüge über Schweizer Gebiet ab. Auch die GPS spricht sich gegen den Staatsvertrag aus, weil er die Lärmbelastung erhöhe und letztlich zu einer Kapazitätssteigerung des Flughafens führe. Die SPS ist an einer Verhandlungslösung interessiert, hat aber Vorbehalte bezüglich der Nachhaltigkeit der angestrebten Lösung und wird über ihre Haltung erst bei Vorliegen der Umsetzungsmodalitäten entscheiden.5

5

Für die Ergebnisse der Vernehmlassung im Detail vgl. den Vernehmlassungsbericht unter www.bk.admin.ch > Aktuell > Vernehmlassungen > Vernehmlassungen Übersicht > Abgeschlossene Verfahfahren > 2012 > UVEK

545

4

Auswirkungen des Vertrags

4.1

Die Flugbetriebskonzepte am Flughafen

Der Flughafen Zürich ist heute für den Flugverkehr von 6 bis 23.30 Uhr, also während 17,5 Stunden regulär geöffnet. Nach 23.30 Uhr kann er in gewissen Ausnahmefällen angeflogen werden.

Er wird mit drei Haupt-Flugbetriebskonzepten betrieben (ein Flugbetriebskonzept entspricht einer bestimmten Start- und Landekonfiguration, nach der ein Flughafen zu einem bestimmten Zeitpunkt betrieben wird. Ist die Rede von der Gesamtheit aller auf einem Flughafen zur Anwendung gelangenden Konzepte, so spricht man von Betriebsvariante).

Wie eingangs erläutert, richtet der Flughafen Zürich seinen Betrieb nach dem Nordanflugkonzept aus. Es wird von Norden auf Piste 14 gelandet und auf Piste 28 nach Westen oder bei Bedarf nach Süden ­ mit Linksabdrehen ­ gestartet. Diese Betriebsart findet heute von Montag bis Freitag zwischen 7 und 21 Uhr Anwendung und an Wochenenden zwischen 9 und 20 Uhr. Sie erlaubt ­ soweit auf Piste 28 gestartet wird ­ voneinander unabhängige Starts und Landungen. Vorteile dieses Konzepts sind ausserdem gute Kapazität bei vertretbarer Lärmbelastung. Vor allem aber wird diese Betriebsart von der Bevölkerung als das historisch gewachsene Betriebskonzept weitgehend akzeptiert.

Skizze 2: Nordanflugkonzept

Nach 20 bzw. 21 Uhr bis Betriebsende ­ und ausserdem, wenn der Rückenwind für Landungen auf Piste 14 zu stark ist ­ wird auf das Ostanflugkonzept zurückgegriffen. Dabei wird auf Piste 28 gelandet und nach Norden, unter gewissen Umständen auch nach Westen, gestartet. Der Betrieb gestaltet sich relativ komplex, da die An- und Abflugrouten nicht sauber entflochten sind und die Piste 28 nur 2500 Meter 546

lang ist. Diese Länge ist für grössere Flugzeugtypen unter normalen Bedingungen noch ausreichend. Bereits bei bestimmten besonderen Wetterbedingungen ist das aber nicht mehr der Fall. Ausserdem ist die Hindernissituation nicht optimal, weshalb ihre Benützbarkeit von relativ guten Sichtverhältnissen abhängt. Lärmmässig weist dieses Konzept Vorteile auf, insbesondere weil nicht über den dicht besiedelten Süden gestartet werden muss. Das Ostanflugkonzept lässt sich durch eine Verlängerung der Piste 28 nach Westen und der Piste 32 nach Norden, einen Ausbau des Rollwegsystems und eine Entflechtung der An- und Abflugrouten in Bezug auf Sicherheit und Kapazität noch erheblich verbessern. Es wird dann eine ähnliche Kapazität aufweisen wie das Nordanflugkonzept und auch robuster, das heisst unter fast allen Bedingungen anwendbar sein.

Skizze 3: Ostanflugkonzept

Zwischen 6 und 7 Uhr bzw. an Wochenenden sowie an Feiertagen bis 9 Uhr und wenn während der deutschen Sperrzeiten am Abend Anflüge von Osten aus meteorologischen Gründen nicht möglich sind, wird der Flughafen mit dem Südanflugkonzept betrieben. Dieses weist eine um etwa 20 Prozent tiefere Kapazität auf, da keine voneinander unabhängigen Start- und Landepisten bestehen. Vorteilhaft ist, dass dabei auf Piste 34 gelandet wird, die eine verfügbare Landestrecke von 3300 Metern aufweist und auch bei relativ schlechten Sichtbedingungen angeflogen werden kann. Der Endanflug von Süden führt aber über sehr dicht besiedelte Gebiete.

547

Skizze 4: Südanflugkonzept

Eine Reihe von Betriebsmöglichkeiten wurde im Koordinationsprozess zum Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt (SIL) zwischen 2005 und Anfang 2010 eingehend evaluiert. Das UVEK entschied, aus ursprünglich 19 Betriebsvarianten drei weiter zu verfolgen. Keine dieser drei Varianten hält aber die Rahmenbedingungen des vorliegenden Staatsvertrages gänzlich ein. Die drei Varianten geben aber zu einem wesentlichen Teil bereits Aufschluss darüber, wie das Anflugregime gemäss den Vorgaben des Staatsvertrags umgesetzt werden kann. So sieht die SIL-Variante E-DVO vor, dass im Fall von Restriktionen des Nordanflugs am Morgen Südanflüge erfolgen sollen. Der gekrümmte Nordanflug stellt eine zusätzliche Option dar. Aus der SIL-Variante J-optimiert wiederum geht hervor, dass im Fall eines Zeitfensters tagsüber, während Nordanflüge nicht möglich sind, von Osten angeflogen wird.

4.2

Die Umsetzung des Staatsvertrags

Die betriebliche Umsetzung des Staatsvertrags muss im SIL festgelegt werden. Das UVEK hat deshalb im Hinblick auf die vorliegende Ratifikationsvorlage in einem zusätzlichen SIL-Koordinationsprozess den betroffenen Kantonen, dem Flughafen und der Flugsicherungsgesellschaft Skyguide eine Auslegeordnung derjenigen Betriebskonzepte präsentiert, mit denen der künftige Flugbetrieb organisiert werden kann.

Im Bericht «SIL-Prozess: Anpassung des Objektblatt-Entwurfs aufgrund des Staatsvertrags mit Deutschland» vom 5. Oktober 2012 wurden sechs mögliche Umsetzungsvarianten aufgezeigt. Diese lassen sich schematisch wie folgt darstellen:

548

Tabelle 2

6.00­6.30 6.30­9.00 9.00­18.00 18.00­19.00 19.00­23.30

Variante 1

Variante 2

Variante 3

Variante 4

Variante 5

Variante 6

Mo­ Fr

WE

Mo­ Fr

WE

Mo­ Fr

WE

Mo­ Fr

WE

Mo­ Fr

WE

Mo­ Fr

WE

O N N O O

O O N O O

gN N N O O

gN gN N O O

gN N N O O

S S N O O

gN N N O O

gN S N O O

gN N N S O

gN S N S O

S N N O O

S S N O O

N = Nordanflugkonzept; gN = gekrümmter Nordanflug (basierend auf Satellitennavigation); S = Südanflugkonzept, O = Ostanflugkonzept (mit teilw. Südanflugkonzept, wenn Wetterbedingungen ungenügend für Landungen von Osten)

Die SIL-Partner haben sich zu diesen Optionen geäussert. Sowohl im Rahmen der Vernehmlassung zum Staatsvertrag als auch in der Konsultation zu den Umsetzungsvarianten im SIL-Prozess wurde verlangt, dass ein definitiver Entscheid erst getroffen wird, wenn die den verschiedenen Konzepten zugrunde liegende Belegung der Flugrouten noch genauer bestimmt und die entsprechenden Lärmberechnungen durchgeführt worden sind. Diesem Anliegen wird das UVEK entsprechen. Der Entwurf des SIL-Objektblattes wird ergänzt mit Lärmberechnungen und Aussagen über die Routenbelegungen beim jeweils vorgesehenen Betriebskonzept. Das UVEK wird anschliessend den überarbeiteten Entwurf noch einmal in eine öffentliche Anhörung geben.

Entgegen der ursprünglichen Absicht hält es der Bundesrat nicht für sinnvoll, die Umsetzung des Staatsvertrags mit der vorliegenden Botschaft zu präsentieren und zu erläutern. Angesichts der Entwicklungen in Deutschland, namentlich des Umstands, dass das dafür zuständige Bundesministerium mit dem Fortgang des Ratifikationsprozesses vorderhand zuwarten will, bis eine Reihe von Fragen geklärt worden ist, hält es der Bundesrat für angezeigt zuzuwarten, ob Deutschland den Vertrag ratifizieren will. Der Bundesrat wird in Form eines Zusatzberichts zur Botschaft dem Parlament die entsprechenden Angaben zur Umsetzung des Vertrags machen können, sobald feststeht, dass der Vertrag von deutscher Seite ratifiziert werden wird.

4.3

Auswirkungen im Falle des Nichtzustandekommens des Vertrags

Kommt kein Staatsvertrag zustande, muss davon ausgegangen werden, dass Deutschland die Nutzung des Luftraums einseitig regelt.

Ob in diesem Fall eine verschärfte DVO auf dem Rechtsweg erfolgreich angefochten werden könnte, ist bis heute unsicher. Das gilt grundsätzlich unter dem Aspekt des völkerrechtlichen Nachbarrechts, des internationalen Luftrechts wie auch des europäischen Rechts. Es kann diesbezüglich auf die Ausführungen der Botschaft vom 8. März 20026 zum Vertrag von 2001 verwiesen werden. Auch erneute Prüfun6

BBl 2002 3375 3394 f.

549

gen der Rechtssituation haben im Wesentlichen keine neuen Erkenntnisse hervorgebracht. Der Ausgang allfälliger Rechtsverfahren bleibt äusserst ungewiss.

Die einseitigen Massnahmen könnten durchaus weiter gehen als die Zugeständnisse, welche die Schweiz im vorliegenden Vertrag macht. Aller Voraussicht nach müsste von einer Regelung im Sinne der «Stuttgarter Erklärung» ausgegangen werden, also von 80 000 oder weniger erlaubten Nordanflügen und der Aufrechterhaltung aller Auflagen gemäss heutiger 220. DVO. Zur Umsetzung einer solchen Verordnung wären möglicherweise keine Übergangsfristen aushandelbar, was zu Kapazitäts- und Sicherheitseinbussen für den Flughafen Zürich führen würde. Von grossem Nachteil wäre die fehlende Rechtssicherheit. Deutschland könnte jederzeit weitere Verschärfungen erlassen. Klarheit über die künftige Verteilung des Fluglärms und die langfristig für einen Flughafen zwingend erforderliche Planungs- und Investitionssicherheit könnte nicht geschaffen werden.

4.4

Auswirkung auf die Umwelt

Der vorliegende Vertrag verändert insbesondere Lärmemissionen des Flughafens in zeitlicher und zum Teil auch in räumlicher Hinsicht. Die Umsetzung des Staatsvertrags wird aber nicht dazu führen, dass die Belastungsgrenzwerte zusätzlich überschritten werden, es sei denn, das Südanflugkonzept käme in grossem Umfang zur Anwendung. Dagegen ist aus den Untersuchungen im Rahmen des SIL-Koordinationsprozesses bekannt, dass die vermehrte Verwendung des Ostanflugkonzepts tendenziell zu einer Abnahme der Anzahl belasteter Personen führt. Die gekrümmten Anflüge schlagen diesbezüglich fast gar nicht zu Buche. Auch die Zahl der gemäss Zürcher Fluglärmindex (ZFI) von übermässigem Fluglärm belasteten Personen wird sich bei vermehrter Verwendung des Ostanflugkonzeptes tendenziell eher vermindern, bei vermehrter Anwendung des Südanflugkonzepts wird sie eher zunehmen.

Die Anzahl der über den Belastungsgrenzwerten belasteten Personen gibt Aufschluss darüber, inwieweit diese eine starke Belästigung oder gar eine Beeinträchtigung der Gesundheit erdulden müssen. Die Akzeptanz einer flugbetrieblichen Regelung hängt jedoch nicht allein davon ab. Wenn Gegenden, die bisher wenig oder gar keinen Fluglärm hatten, neu davon betroffen werden, wird dies als besonders gravierend empfunden ­ und dies selbst in Gebieten, die nicht von Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte betroffen sind.

4.5

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Flughafens Zürich ist gross. Rund 280 Unternehmen beschäftigen am Flughafen bei rund 20 000 Vollzeitstellen über 24 000 Angestellte. 196 Destinationen werden zurzeit regelmässig angeflogen, davon 135 in Europa und 61 auf anderen Kontinenten. Über 24 Millionen Passagiere benutzten den Flughafen im Jahr, davon waren 16 Millionen Lokalpassagiere.

550

Es ist für die schweizerische Volkswirtschaft von eminenter Bedeutung, dass der Flughafen seine Funktion weiterhin wahrnehmen kann. Dies wurde auch in der Vernehmlassung von einer Mehrheit der Vernehmlassungsadressaten betont. Der Vertrag mit Deutschland schafft Rahmenbedingungen, die eine bescheidene Entwicklung des Flughafens zulassen. Die Investitionen, die der Flughafen tätigen muss, sind mit mehreren hundert Millionen Franken zwar hoch, für diesen aber tragbar.

4.6

Auswirkungen auf den Bund

Der Staatsvertrag hat auf den Bund weder finanzielle noch personelle Auswirkungen. Alle Aufwendungen zur Umsetzung des Vertrags trägt der Flughafen. Für den Bund resultiert auch kein Aufwand, der personelle Aufstockungen nach sich ziehen würde.

4.7

Auswirkungen auf die Kantone

Die Umsetzung des Vertrags hat Auswirkungen auf die Verteilung des Fluglärms.

Vor allem im Kanton Zürich wird es zu Verschiebungen der Lärmbelastung kommen.

Aber auch die Nachbarkantone sind von diesen Verschiebungen zum Teil betroffen.

Beim Ostanflug sind dies die Kantone Thurgau und St. Gallen. Der Kanton Aargau wird bei gekrümmten Anflügen aus Westen tief überflogen. Südanflüge werden auch im Kanton St. Gallen wahrgenommen. Die nach Lärmschutzverordnung relevante Belastung wird sich jedoch bei der Umsetzung des Staatsvertrags auf dem Gebiet der Nachbarkantone nicht verändern. Die Belastungsgrenzwerte für den Tag ­ die Umsetzung des Staatsvertrags betrifft nur die Tagesstunden ­ werden heute und in Zukunft ausschliesslich im Kanton Zürich überschritten.

Insgesamt sind die negativen Auswirkungen in den Nachbarkantonen daher beschränkt. Andererseits profitieren die Kantone vom Vertrag, indem dieser stabile Verhältnisse für eine gewisse weitere Entwicklung des Flughafens schafft. Der Flughafen als wichtige Infrastrukturanlage auch für die Zentral- und die Ostschweiz erhält verlässliche Rahmenbedingungen.

551

5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

5.1

Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 20127 über die Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 20128 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Die Vorlage ist jedoch dringlich, denn der Flughafen Zürich benötigt für die weitere Zukunft so rasch als möglich verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen.

5.2

Nationale Strategien des Bundesrates

Im Bericht vom 10. Dezember 20049 über die Luftfahrtpolitik der Schweiz hielt der Bundesrat fest, dass der Flughafen Zürich eine Schlüsselinfrastruktur darstelle, deren reibungsloses Funktionieren für die Schweiz von grösster Bedeutung sei. Der Flughafen solle den Fluggesellschaften weiterhin die geeignete Infrastruktur bereitstellen, um ab Zürich möglichst gute Direktverbindungen nach Europa und den wichtigen Zentren in der Welt zu ermöglichen und damit die Bedürfnisse des Marktes zu befriedigen. Erwartet wird auch, dass der Flughafen eine Infrastruktur zur Verfügung stellt, die es Fluggesellschaften ermöglicht, in Zürich einen Drehkreuzbetrieb zu unterhalten10. Der Bundesrat hielt dazu ausdrücklich fest, dass mit Deutschland die Benutzungsbedingungen für den süddeutschen Luftraum nach Möglichkeit einvernehmlich geregelt werden sollen. Er sprach sich dabei auch für die Weiterverfolgung des gekrümmten Nordanfluges aus.

Die mit dem vorliegenden Staatsvertrag getroffene Regelung entspricht diesen Zielen.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verhältnis zum übergeordneten und insbesondere zum europäischen Recht

Das Luftverkehrsabkommen Schweiz­EU11 regelt zahlreiche Aspekte auf dem Gebiet der Luftfahrt. Inwieweit dabei auch An- und Abflüge über das Territorium eines Nachbarstaates miterfasst sind, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Die Schweiz hat 2003 bei der Europäischen Kommission gegen die damals von Deutschland verfügten Restriktionen betreffend die An- und Abflüge durch deutschen Luft-

7 8 9 10 11

552

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 BBl 2005 1781 BBl 2005 1845 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr (SR 0.748.127.192.68).

raum Beschwerde geführt und dabei gerügt, die Verordnung (EWG) Nr. 2408/9212 werde verletzt, weil der An- und Abflugverkehr behindert werde. Die Europäische Kommission13 und ebenso das Europäische Gericht erster Instanz14 haben eine Verletzung des Luftverkehrsabkommens SchweizEU jedoch verneint. Auch die von der Schweiz vorgebrachte Verletzung der Richtlinie 2002/30/EWG15 haben weder die Kommission noch das Gericht erster Instanz bestätigt. Zurzeit ist das Rechtsmittel der Schweiz gegen den negativen Entscheid des Gerichts erster Instanz beim Europäischen Gerichtshof hängig16. Mit einem Entscheid wird für die erste Hälfte 2013 gerechnet.

Auch im Bereich des internationalen Luftrechts wurden bereits im Hinblick auf den Abschluss des Staatsvertrags von 2001 mehrere Gutachten zur Frage erstellt, inwieweit An- und Abflüge des Flughafens Zürich in deutschem Luftraum durch das Übereinkommen vom 7. Dezember 194417 über die internationale Zivilluftfahrt bzw.

die Vereinbarung vom 7. Dezember 194418 über den Transit internationaler Luftverkehrslinien erlaubt sein könnten19. Eindeutige Ergebnisse haben diese Gutachten aber nicht gebracht. Die Rechtslage muss somit als unsicher bezeichnet werden.

Der Vertrag mit Deutschland stellt sicher, dass der Flughafen die erforderlichen Massnahmen ergreifen kann, um den Flugverkehr längerfristig ohne Kapazitätsverluste abzuwickeln. Zwar werden gewisse bauliche Anpassungen des Flughafens erforderlich, und es kommt zu einer teilweisen Verschiebung der Lärmbelastung; doch nimmt die Belastung insgesamt nicht zu. Unter diesen Umständen ist nicht zu befürchten, dass der Vertrag das Luftverkehrsabkommen SchweizEU tangieren oder dieses gar verletzen könnte. Auch Widersprüche zwischen dem Vertrag und dem internationalen Luftrecht sind nicht ersichtlich.

12

13

14 15

16

17 18 19

Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs, ABl. L 240 vom 24.8.1992, S. 8; aufgehoben durch Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (Neufassung), ABl. L 293 vom 31.10.2008, S. 3.

Entscheidung 2004/12/EG der Kommission vom 5. Dezember 2003 zu einem Verfahren bezüglich der Anwendung von Artikel 18 (2), erster Satz, des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr und der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates (Sache TREN/AMA/11/03, Deutsche Massnahmen bezüglich An-/Abflügen zum/vom Flughafen Zürich), ABl. L 4 vom 8.1.2004, S.13.

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 9. September 2010, Rs. T-319/05, Schweiz gegen Kommission), ABl. C 288 vom 23.10.2010, S. 29.

Richtlinie 2002/30/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. März 2002 über Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft, ABl. L 85 vom 28.3.2002, S. 40.

Rechtsmittel der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 9. September 2010 in der Rechtssache T-319/05, Schweizerische Eidgenossenschaft gegen Europäische Kommission, andere Verfahrensbeteiligte: Bundesrepublik Deutschland und Landkreis Waldshut, eingelegt am 23. November 2010, Rs. C-547/10 P, ABl. C 30 vom 29.1.2011, S. 26.

SR 0.748.0 SR 0.748.111.2 BBl 2002 3375

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7

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Nach Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung20 (BV) sind die auswärtigen Angelegenheiten, wozu auch der Abschluss von Staatsverträgen gehört, Sache des Bundes. Die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge obliegt nach Artikel 166 Absatz 2 BV der Bundesversammlung, soweit nicht der Bundesrat durch Bundesgesetz oder einen von der Bundesversammlung genehmigten völkerrechtlichen Vertrag zum selbstständigen Vertragsabschluss ermächtigt ist.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Ziffer 3 BV unterliegen unter anderem völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Die Regelung der Betriebszeiten, in denen nicht von Norden angeflogen werden darf, einerseits, und andererseits Artikel 3, der in Deutschland ansässigen Personen gleiche Verfahrensrechte und auch die gleiche Rechtsstellung in Bezug auf Schallschutz und Entschädigungen einräumt wie Personen in der Schweiz, stellen solche Bestimmungen mit wichtigen rechtssetzenden Inhalten dar. Der Vertrag unterliegt daher dem fakultativen Referendum.

20

554

SR 101