Obligationenrecht

Entwurf

(Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz) Änderung vom ...

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 20. November 20131, beschliesst: I Das Obligationenrecht2 wird wie folgt geändert: Art. 321a Randtitel II. Sorgfalts- und Treuepflicht 1. Im Allgemeinen

Art. 321abis 2. Meldung von Unregelmässigkeiten a. Meldung an den Arbeitgeber

Der Arbeitnehmer kann dem Arbeitgeber Unregelmässigkeiten melden, ohne dadurch seine Treuepflicht zu verletzen, wenn:

1

a.

ein hinreichender Verdacht besteht;

b.

die Meldung an eine Person, die im Rahmen der internen Organisation befugt ist, sich damit zu befassen, oder an eine vom Arbeitgeber bestimmte externe Person oder Stelle erfolgt.

Als Unregelmässigkeiten gelten dabei insbesondere Straftaten, andere unerlaubte Handlungen sowie Verstösse gegen die Statuten, Anordnungen oder Weisungen des Arbeitgebers.

2

Art. 321ater b. Meldung an die zuständige Behörde

Der Arbeitnehmer kann Straftaten oder andere Verstösse gegen Bestimmungen, deren Anwendung durch eine Behörde erfolgt oder deren Einhaltung von einer Behörde kontrolliert wird, der zuständigen Behörde melden, ohne dadurch seine Treuepflicht zu verletzen, wenn:

1

a.

1 2

er diese Unregelmässigkeiten vorgängig dem Arbeitgeber gemeldet hat; und

BBl 2013 9513 SR 220

2013-1209

9589

Obligationenrecht (Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz)

b.

der Arbeitgeber innert einer selber festgelegten angemessenen Frist, die nicht mehr als 60 Tage ab Eingang der Meldung betragen darf: 1. keine oder offensichtlich ungenügende Massnahmen zur Klärung des Sachverhalts und, falls eine Rechtswidrigkeit nicht ausgeschlossen werden kann, zu deren Behebung ergriffen hat; 2. den Arbeitnehmer nicht unverzüglich über den Eingang der Meldung und die festgelegte Frist für die Bearbeitung informiert hat; und 3. dem Arbeitnehmer innert nützlicher Frist oder auf Antrag hin nicht die erforderlichen Informationen über die weitere Behandlung der Meldung und die Ergebnisse der ergriffenen Massnahmen gewährt hat.

Eine Meldung an die zuständige Behörde ist unzulässig, wenn der Arbeitgeber die Meldung mit einem internen Meldesystem behandelt, das folgende Merkmale hat:

2

a.

eine unabhängige Meldestelle für die Entgegennahme und Behandlung von Meldungen;

b.

Regeln über das Meldeverfahren und die weitere Behandlung der Meldung; und

c.

ein Verbot von Kündigungen und anderen Nachteilen wegen der Meldung, wobei Massnahmen, die der Sanktionierung einer unrechtmässigen Meldung dienen, ausgenommen sind.

Eine Meldung an die zuständige Behörde ist in jedem Fall zulässig, wenn dem Arbeitnehmer aufgrund der Meldung an den Arbeitgeber gekündigt wird oder ihm Nachteile entstehen, es sei denn, diese Massnahmen dienen der Sanktionierung einer unrechtmässigen Meldung.

3

Art. 321aquater c. Direkte Meldung an die zuständige Behörde

Der Arbeitnehmer kann aufgrund eines hinreichenden Verdachts Straftaten oder andere Verstösse gegen Bestimmungen, deren Anwendung durch eine Behörde erfolgt oder deren Einhaltung von einer Behörde kontrolliert wird, direkt der zuständigen Behörde melden, ohne dadurch seine Treuepflicht zu verletzen, wenn:

1

a.

9590

er gestützt auf objektive Tatsachen davon ausgehen darf, dass eine Meldung an den Arbeitgeber keine Wirkung erzielen würde, namentlich weil: 1. keine Person oder Stelle, die nicht den beteiligten Personen untergeordnet ist, die Meldung entgegennehmen und bearbeiten kann,

Obligationenrecht (Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz)

2.

3.

der Arbeitgeber in früheren Fällen auf eine Meldung nicht reagiert hat oder seine Reaktion offensichtlich ungenügend war, oder einem oder mehreren Arbeitnehmern in früheren Fällen gekündigt wurde oder ihnen Nachteile entstanden sind, weil sie eine Meldung gemacht hatten, es sei denn, diese Massnahmen dienten der Sanktionierung einer unrechtmässigen Meldung;

b.

er gestützt auf objektive Tatsachen davon ausgehen darf, dass ohne sofortige Meldung die zuständige Behörde in ihrer Tätigkeit behindert wird; oder

c.

eine unmittelbare und ernsthafte Gefährdung des Lebens, der Gesundheit, der Sicherheit oder der Umwelt oder die unmittelbare Gefahr des Eintritts grosser Schäden besteht.

Eine direkte Meldung an die zuständige Behörde aufgrund von Absatz 1 Buchstabe a ist nicht zulässig, wenn der Arbeitgeber über ein internes Meldesystem nach Artikel 321ater Absatz 2 verfügt.

2

Art. 321aquinquies d. Meldung an die Öffentlichkeit

Der Arbeitnehmer, der der zuständigen Behörde eine Unregelmässigkeit gemäss Artikel 321ater oder 321aquater gemeldet hat, kann die Öffentlichkeit über die Tatsachen informieren, ohne seine Treuepflicht zu verletzen, wenn: 1

a.

er ernsthafte Gründe hat, sie in guten Treuen für wahr zu halten; und

b.

er beantragt hat, über die weitere Behandlung der Meldung oder den Stand des Verfahrens informiert zu werden und ihm die Behörde die geeigneten Auskünfte nicht innert vierzehn Tagen ab Erhalt des Antrags erteilt.

Die Information der Öffentlichkeit umfasst insbesondere das Informieren der Medien und das Kontaktieren von Organisationen, in deren statutarischen Tätigkeitsbereich die gemeldeten Unregelmässigkeiten fallen.

2

Art. 321asexies e. Beratung durch eine Person mit Geheimhaltungspflicht

Der Arbeitnehmer verstösst nicht gegen seine Treuepflicht, wenn er sich zur Überprüfung seines Rechts auf eine Meldung von einer Person, die einer gesetzlichen Geheimhaltungspflicht untersteht, beraten lässt.

Art. 321asepties

f. Vorbehalte

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Obligationenrecht (Schutz bei Meldung von Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz)

Die Bestimmungen über das Berufsgeheimnis sowie die besonderen Bestimmungen über Meldepflichten und Melderechte bleiben vorbehalten.

1

Bei Meldungen an eine ausländische Behörde sind die Artikel 321ater­321aquinquies nicht anwendbar.

2

Art. 328 Abs. 1 und 3 Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden.

1

Er muss dafür sorgen, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund erlittener sexueller Belästigungen, Meldungen von Unregelmässigkeiten oder Beratungen im Zusammenhang mit Unregelmässigkeiten keine Nachteile entstehen. Massnahmen zur Sanktionierung einer unrechtmässigen Meldung oder Beratung sind ausgenommen.

3

Art. 336 Abs. 2 Bst. d Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ist im Weiteren missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird:

2

d.

weil der Arbeitnehmer unter Wahrung seiner Treuepflicht eine Unregelmässigkeit gemeldet hat oder sich im Zusammenhang mit einer Unregelmässigkeit beraten lassen hat (Art. 321abis­ 321asexies).

Art. 362 Abs. 1 Durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag darf von den folgenden Vorschriften zuungunsten der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers nicht abgewichen werden:

1

Artikel 321ater:

(Meldung von Unregelmässigkeiten an die zuständige Behörde)

Artikel 321aquater:

(Direkte Meldung von Unregelmässigkeiten an die zuständige Behörde)

Artikel 321aquinquies: (Meldung von Unregelmässigkeiten an die Öffentlichkeit) Artikel 321asexies: Artikel

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321asepties:

(Meldung von Unregelmässigkeiten: Beratung) (Meldung von Unregelmässigkeiten: Vorbehalte)

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II 1

Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.

2

Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.

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