13.029 Botschaft zur Änderung des Transplantationsgesetzes vom 8. März 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz).

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2009

M 08.3519

Änderung des Transplantationsgesetzes (S 18.12.08, Maury Pasquier; N 27.5.09)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. März 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2011-0888

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Übersicht Durch eine Teilrevision des Transplantationsgesetzes sollen Grenzgängerinnen und Grenzgänger bei der Zuteilung von Organen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt werden. Zudem wird der Zeitpunkt der Anfrage an die nächsten Angehörigen festgelegt, die Zustimmung zu vorbereitenden medizinischen Massnahmen bei Urteilsunfähigkeit der Spenderin oder des Spenders geregelt sowie die finanzielle Absicherung bei Lebendspenden verbessert.

Ausgangslage Anlass für die vorliegende Teilrevision des Transplantationsgesetzes ist die Motion Maury Pasquier 08.3519 Änderung des Transplantationsgesetzes, vom 24. September 2008. Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt, Artikel 17 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes so anzupassen, dass Grenzgängerinnen und Grenzgänger mit Krankenversicherung in der Schweiz und ihre ebenfalls versicherten nichterwerbstätigen Angehörigen bei der Zuteilung von Organen gleich behandelt werden wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.

Im Rahmen der Umsetzung dieser Motion wird gleichzeitig die Änderung von Bestimmungen des Transplantationsgesetzes vorgeschlagen, bei deren Anwendung sich Probleme und Unsicherheiten ergeben haben.

Mit dem Bericht «Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz» erfüllt der Bundesrat die Postulate Gutzwiller (10.3703, Für mehr Organspender), Amherd (10.3701, Widerspruchsmodell bei Organentnahmen) und Favre (10.3711, Organspende: Evaluierung der Widerspruchslösung). Der Bericht zeigt, dass die Widerspruchslösung keine Steigerung der Organspenderate garantiert. Andere Länder konnten ihre Spendezahlen dadurch steigern, dass sie Massnahmen auf organisatorischer Ebene sinnvoll gebündelt und gezielt umgesetzt haben. Der Bundesrat lanciert daher einen Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» mit dem Ziel, die Rate verstorbener Spenderinnen und Spender von gegenwärtig rund 13 auf 20 Spenderinnen und Spender pro Million Einwohnerinnen und Einwohner zu steigern.

Inhalte der Vorlage Die von der Schweiz erlassenen Regeln für die Organzuteilung müssen mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie dem EFTA-Freihandelsübereinkommen vereinbar sein. Aufgrund dieser Abkommen haben EU- und EFTA-Staatsangehörige ohne Wohnsitz in der Schweiz,
die in der Schweiz der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt sind, Anspruch auf medizinische Leistungen in der Schweiz. Diese medizinischen Leistungen, zu denen auch die Organtransplantation gehört, sind zu den gleichen Bedingungen zu erbringen wie für in der Schweiz wohnhafte Personen. Das Gleiche gilt für EU- und EFTA-Staatsangehörige, die während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Schweiz Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe haben. Auch Drittstaatenangehörige, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Grenzgängerinnen oder

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Grenzgänger zugelassen sind, werden bei der Zuteilung von Organen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt. In Übereinstimmung mit Artikel 25 des Ausländergesetzes gilt dies allerdings nur für Personen, die in einem Nachbarstaat ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen, ihren Wohnort seit mindestens sechs Monaten in der benachbarten Grenzzone haben und innerhalb der Grenzzone der Schweiz erwerbstätig sind.

Die Artikel 8 und 10 des Transplantationsgesetzes haben in der Praxis zu gewissen Unsicherheiten geführt, einerseits bezüglich der Frage, ab welchem Zeitpunkt die Anfrage an die nächsten Angehörigen im Hinblick auf eine Organentnahme bei verstorbenen Personen erfolgen kann, andererseits bezüglich der Frage, ob die Angehörigen vorbereitenden medizinischen Massnahmen vor dem Tod der Spenderin oder des Spenders zustimmen können, wenn diese oder dieser keinen entsprechenden Entscheid gefällt hat. Weil diese Fragen für die Praxis von erheblicher Bedeutung sind, soll das Transplantationsgesetz diesbezüglich wie folgt ergänzt werden: Die Anfrage an die nächsten Angehörigen und deren Zustimmung zur Entnahme kann erfolgen, nachdem entschieden worden ist, die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen (Art. 8). Vorbereitende medizinische Massnahmen können bei Urteilsunfähigkeit der Spenderin oder des Spenders vorgenommen werden, wenn drei Bedingungen kumulativ erfüllt werden: Erstens müssen die vorbereitenden medizinischen Massnahmen für eine erfolgreiche Transplantation unerlässlich sein; zweitens dürfen die vorbereitenden medizinischen Massnahmen die Spenderin oder den Spender nur minimalen Risiken und Belastungen aussetzen; drittens muss die Zustimmung der nächsten Angehörigen vorliegen (Art. 10).

Mit Artikel 14 hat das Parlament eine Bestimmung in das Transplantationsgesetz aufgenommen, die sicherstellen soll, dass die Lebendspenderin oder der Lebendspender die finanziellen Belastungen der Spende nicht selber tragen muss. Es ist mit dieser Bestimmung zwar gelungen, den gesetzgeberischen Willen umzusetzen, die Bestimmung hat in der Praxis aber zu verschiedenen Unsicherheiten geführt, denen im Rahmen der vorliegenden Revision begegnet werden soll.

Die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Lebendspenderinnen und Lebendspender hat bei Organspenden lebenslang und bei der Spende von
Blut-Stammzellen 10 Jahre zu erfolgen. Im Zusammenhang mit der Nachsorge können somit noch lange nach der Entnahme Kosten anfallen, was fast zwangsläufig mit sich bringt, dass die Einforderung dieser Kosten mit Problemen und zusätzlichen Umtrieben behaftet ist. Diesen Problemen soll dadurch begegnet werden, dass die Versicherer verpflichtet werden, diese Kosten in Form einer einmaligen Pauschale an den Lebendspende-Nachsorgefonds zu entrichten. Der Bund übernimmt die Hälfte der administrativen Kosten für die Führung des Registers, das von der LebendspendeNachsorgestelle geführt wird.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Umsetzung der Motion Maury Pasquier 1.3.2 Organentnahme bei verstorbenen Personen 1.3.3 Finanzielle Absicherung der Lebendspende 1.3.4 Weitere Themenbereiche 1.3.5 Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens 1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.5 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.5.1 Europarat 1.5.2 Europäische Union 1.6 Umsetzung 1.6.1 Geplante Umsetzung 1.6.2 Prüfung der Vollzugstauglichkeit im vorparlamentarischen Verfahren 1.6.3 Geplante Evaluation des Vollzugs 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse 1.8 Exkurs: Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz 1.8.1 Prüfung der Postulatsanliegen 1.8.2 Massnahmen zur Steigerung der Organspende 1.8.3 Ein Aktionsplan für die Schweiz

2322 2322 2323 2324 2324 2330 2343 2349 2350 2353 2354 2354 2354 2355 2355

2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Änderung des Transplantationsgesetzes 2.2 Änderung anderer Bundesgesetze 2.2.1 Bundesgesetz über die Krankenversicherung 2.2.2 Bundesgesetz über die Militärversicherung

2359 2359 2367 2367 2367

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.2.1 Auswirkungen auf Kantone 3.2.2 Auswirkungen auf Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.3.1 Auswirkungen auf die Versicherer 3.3.2 Auswirkung auf die Invaliden-, Militär- und Unfallversicherung

2367 2367 2367 2374

2320

2355 2355 2356 2356 2356 2357 2358

2374 2374 2375 2375 2375 2380

3.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 3.5 Auswirkungen auf die Umwelt 3.6 Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein

2381 2383 2383

4 Verhältnis zur Legislaturplanung

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5 Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.1.1 Rechtsgrundlage 5.1.2 Vereinbarkeit mit den Grundrechten 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.2.1 Europarat 5.2.2 Europäische Union 5.2.3 Organisation der Vereinten Nationen (UNO) 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Einhaltung der Grundsätze der Subventionsgesetzgebung 5.5.1 Bedeutung der Subvention für die vom Bund angestrebten Ziele 5.5.2 Materielle und finanzielle Steuerung der Subvention 5.5.3 Verfahren der Beitragsgewährung 5.5.4 Befristung und degressive Ausgestaltung der Subvention 5.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

2384 2384 2384 2384 2385 2385 2385 2386 2386 2386 2386 2386 2387 2387 2387 2387

Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) (Entwurf)

2389

2321

Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Am 1. Juli 2007 ist das Transplantationsgesetz vom 8. Oktober 20041 in Kraft getreten. Wichtige Grundzüge dieses Gesetzes sind: ­

Bezüglich der Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen bei verstorbenen Personen gilt die erweiterte Zustimmungslösung. Voraussetzung für eine rechtsgültige Entnahme ist das Vorliegen der Zustimmung der spendenden Person, oder ­ wenn diese keinen Willen geäussert hat ­ der nächsten Angehörigen (Art. 8). Nach dem Todeskriterium ist der Mensch tot, wenn die Funktionen seines Hirns, einschliesslich des Hirnstamms, irreversibel ausgefallen sind (Art. 9).

­

Für eine Lebendspende von Organen, Geweben oder Zellen kann an sich jede Person in Frage kommen. Eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen spendender und empfangender Person oder eine besonders enge emotionale Bindung wird nicht vorausgesetzt (Art. 12). Ein besonderer Schutz soll urteilsunfähigen oder minderjährigen Personen zukommen. Ihnen dürfen nur in Ausnahmefällen regenerierbare Gewebe oder Zellen unter genau definierten, restriktiven Voraussetzungen entnommen werden (Art. 13).

­

Oberstes Ziel bei der Allokation von Organen ist die Gerechtigkeit. Einer gerechten Zuteilung kommt vor dem Hintergrund des andauernden Mangels an verfügbaren menschlichen Organen ein besonderes Gewicht zu. Zur Erreichung dieses Ziels enthält das Gesetz den Grundsatz, dass bei der Zuteilung eines Organs niemand diskriminiert werden darf (Art. 17). Als massgebende Kriterien kommen nur die medizinische Dringlichkeit und der medizinische Nutzen einer Transplantation, die Chancengleichheit sowie die Wartezeit in Betracht (Art. 18). Die Zuteilung erfolgt immer zentral und patientenspezifisch durch die Nationale Zuteilungsstelle.

Fünfeinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes lässt sich feststellen, dass sich die gesetzliche Regelung bewährt hat. Es gibt keine Anzeichen, dass wichtige Zwecke des Gesetzes wie der Schutz der Menschenwürde, der Persönlichkeit und der Gesundheit nicht erreicht werden.

Diese Feststellung wird durch die formative Evaluation2 bestätigt, die insbesondere einen Beitrag zur Vollzugsoptimierung lieferte und zwischen dem 1. Mai 2007 und dem 31. Dezember 2009 durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der formativen Evaluation zeigen insgesamt, dass der Vollzug des Transplantationsgesetzes gut angelaufen ist und die Kooperationsbereitschaft der Betroffenen hoch ist.

1 2

SR 810.21 Details dazu sind zu finden unter www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Transplantationsmedizin > Rechtliche Grundlagen > Wirksamkeitsprüfung des Gesetzes > Evaluation.

2322

Anlass für die vorliegende Teilrevision ist die Motion Maury Pasquier vom 24. September 2008 (08.3519, Änderung des Transplantationsgesetzes), mit welcher der Bundesrat beauftragt wird, Artikel 17 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes so anzupassen, dass Grenzgängerinnen und Grenzgänger mit Krankenversicherung in der Schweiz und ihre ebenfalls in der Schweiz versicherten nichterwerbstätigen Angehörigen bei der Zuteilung von Organen gleich behandelt werden wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.

Im Rahmen der Umsetzung dieser Motion wird gleichzeitig die Änderung von Bestimmungen des Transplantationsgesetzes vorgeschlagen, bei deren Anwendung sich Probleme und Unsicherheiten ergeben haben. So stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Anfrage an die nächsten Angehörigen im Hinblick auf eine Organentnahme bei verstorbenen Personen erfolgen kann (Art. 8) und ob die nächsten Angehörigen vorbereitenden medizinischen Massnahmen vor dem Tod der Spenderin oder des Spenders zustimmen können, wenn diese oder dieser diesbezüglich keinen Entscheid gefällt hat (Art. 10). Im Bereich der finanziellen Absicherung der Lebendspenderinnen und Lebendspender (Art. 14) ist die Einforderung der Kosten für die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der spendenden Personen mit Problemen und zusätzlichen Umtrieben verbunden. Zudem hat sich seit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes eine uneinheitliche Praxis bezüglich der Höhe des Erwerbsausfalls entwickelt, der der Lebendspenderin oder dem Lebendspender zu ersetzen ist.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Mit der beantragten Neuregelung soll zum einen die Motion Maury Pasquier umgesetzt werden. Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie ihre Familienangehörigen sollen bei der Zuteilung von Organen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt sein. Weil die von der Schweiz erlassenen Regeln für die Organallokation mit dem Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU3 und dem EFTAFreihandelsübereinkommen4 vereinbar sein müssen, ist der Begriff der Grenzgängerinnen und Grenzgänger weit zu verstehen. Das bedeutet, dass nicht nur Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die im Grenzgebiet zur Schweiz wohnen, gleichgestellt werden, sondern alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der EU oder der EFTA, die entweder in der Schweiz der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt sind oder während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Schweiz Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe haben (vgl. Ziff. 1.3.1).

Gleichgestellt werden sollen zudem Drittstaatenangehörige, die nach dem Ausländergesetz vom 16. Dezember 20055 zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Grenzgängerinnen oder Grenzgänger zugelassen und in der Schweiz der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt sind, sowie ihre in der Schweiz der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellten Familienangehörigen.

3

4 5

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit; SR 0.142.112.681.

Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA); SR 0.632.31.

SR 142.20

2323

Zum andern soll im Bereich der Organentnahme bei Verstorbenen die Anfrage an die nächsten Angehörigen erfolgen können, nachdem entschieden worden ist, die lebenserhaltenden Massnahmen einzustellen. Ist der tatsächliche oder mutmassliche Wille der spendenden Person nicht bekannt, sollen zudem bei Urteilsunfähigkeit der Spenderin oder des Spenders die nächsten Angehörigen vorbereitenden medizinischen Massnahmen zustimmen können, wenn diese Massnahmen für eine erfolgreiche Transplantation von Organen, Geweben oder Zellen unerlässlich und für die spendende Person nur mit minimalen Risiken und Belastungen verbunden sind.

Weiter soll die finanzielle Absicherung der Lebendspenderin und des Lebendspenders verbessert werden. Die Versicherer werden deshalb verpflichtet, die Kosten der Nachsorge in Form einer Pauschale zu entrichten. An den administrativen Kosten für das Register, das für die Gewährleistung der Nachsorge geführt wird, beteiligt sich auch der Bund.

Schliesslich sollen die Definition der Transplantatprodukte aufgehoben und die Strafbestimmungen präzisiert werden.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Umsetzung der Motion Maury Pasquier

Ausgangslage Die Motion Maury Pasquier beauftragt den Bundesrat, Artikel 17 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes so anzupassen, dass Grenzgängerinnen und Grenzgänger mit Krankenversicherung in der Schweiz und ihre ebenfalls in der Schweiz versicherten nichterwerbstätigen Angehörigen bei der Zuteilung von Organen gleich behandelt werden wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Motionärin begründete ihren Vorstoss damit, dass in der Schweiz versicherte Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, die in die Warteliste aufgenommen worden sind, nur dann bei der Zuteilung berücksichtigt werden, wenn keine Personen mit Wohnsitz in der Schweiz dringend auf ein Organ angewiesen sind. Aufgrund des Organmangels in der Schweiz führe diese Regelung dazu, dass diese Personen keine Chance haben, je ein Organ zu erhalten. Zudem dürfen Personen europaweit nur in die Warteliste eines einzigen Landes aufgenommen werden. In der Realität wirke sich dies insbesondere im Raum Genf und Basel sehr negativ auf die Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus.

Rechtslage in der Schweiz Das Transplantationsgesetz legt in den Artikeln 17 und 21 fest, welche Personen in die Warteliste für Organtransplantationen aufgenommen werden und welchen Personen unter welchen Voraussetzungen ein Organ zugeteilt wird.

Artikel 17 Absatz 1 enthält ein Diskriminierungsverbot bezüglich der Organzuteilung. Absatz 2 schreibt vor, dass alle Personen mit Wohnsitz in der Schweiz bei der Zuteilung gleich zu behandeln sind. Absatz 3 legt fest, dass einer Person ohne Wohnsitz in der Schweiz ein Organ zugeteilt wird, wenn die Transplantation medizinisch dringlich ist und keine Person mit Wohnsitz in der Schweiz sich in der gleichen Situation befindet. Ist die Transplantation medizinisch nicht dringlich, wird einer Person ohne Wohnsitz in der Schweiz ein Organ zugeteilt, wenn keine 2324

Empfängerin oder kein Empfänger mit Wohnsitz in der Schweiz ermittelt werden kann. In die schweizerische Warteliste aufgenommen werden einerseits Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, die in keinem anderen Land für eine Transplantation gelistet sind. Andererseits hat der Bundesrat gemäss Artikel 21 Absatz 1 des Transplantationsgesetzes in Artikel 4 der Organzuteilungsverordnung vom 16. März 20076 festgelegt, welche Voraussetzungen Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz erfüllen müssen, um in die Warteliste aufgenommen zu werden. Diese Personen werden aufgenommen, wenn bei ihnen während des Aufenthalts in der Schweiz eine medizinische Dringlichkeit für eine Transplantation entsteht, wenn sie der Versicherungspflicht nach Artikel 1 der Verordnung vom 27. Juni 19957 über die Krankenversicherung unterstehen oder wenn sie im Grenzgebiet zur Schweiz Wohnsitz haben und in einem Schweizer Spital längere Zeit medizinisch betreut worden sind.

Diesen Voraussetzungen liegt die Überlegung zugrunde, dass eine ausnahmslose Zulassung von Personen, die nicht in der Schweiz wohnen, einen unerwünschten Transplantationstourismus von wirtschaftlich gut gestellten Personen aus Ländern mit geringen Transplantationsfrequenzen zur Folge haben könnte.

Problemstellung Unter Grenzgängerinnen und Grenzgängern werden gemeinhin Ausländerinnen und Ausländer verstanden, die ihren Wohnsitz in der ausländischen Grenzzone haben, innerhalb der benachbarten Grenzzone der Schweiz erwerbstätig sind und wöchentlich mindestens ein Mal an ihren ausländischen Wohnsitz zurückkehren müssen.

Das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU sieht nun aber eine schrittweise Liberalisierung des Grenzgängerstatus vor. Am 1. Juni 2004 wurde der Zugang zum Arbeitsmarkt für alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger innerhalb aller Grenzzonen des Beschäftigungsstaates mit den Nachbarstaaten vollständig liberalisiert.

Am 1. Juni 2007 wurden die Grenzzonen aufgehoben; seither kommen die Grenzgängerinnen und Grenzgänger in den Genuss der umfassenden geografischen Mobilität, das heisst, ihre Grenzgängerbewilligung ist auf dem ganzen Gebiet des Beschäftigungsstaates gültig und sie können ihre Erwerbstätigkeit auf dem gesamten Staatsgebiet ausüben.

Damit fragt sich, welche Personen im Lichte des Personenfreizügigkeitsabkommens als Grenzgängerinnen oder Grenzgänger
zu gelten haben beziehungsweise welchen Personen gestützt auf dieses Abkommen bezüglich der Organzuteilung allenfalls ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit Personen mit Wohnsitz in der Schweiz zukommt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat zu dieser Frage ein Rechtsgutachten8 eingeholt. Aus diesem Gutachten ergibt sich Folgendes:

6 7 8

SR 810.212.4 SR 832.102 Avis de droit sur l'allocation d'organes à des personnes non domiciliées en Suisse au regard de l'Accord sur la libre circulation des personnes, Mélanie Mader, Béatrice Despland, Olivier Guillot, Institut de droit de la santé, Neuchâtel, Février 2011, und Avis de droit sur l'allocation d'organes à des personnes non domiciliées en Suisse au regard de l'Accord sur la libre circulation des personnes, Questions supplémentaires LL.M., Docteur en droit Mélanie Mader, Novembre 2011. Das Gutachten ist in französischer Sprache einsehbar unter www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Transplantationsmedizin > Rechtliche Grundlagen > Gesetz. Die Schlussfolgerungen sind in deutscher Übersetzung unter derselben Adresse einsehbar.

2325

Inhalt des Freizügigkeitsabkommens Das Personenfreizügigkeitsabkommen ist auf schweizerische Staatsangehörige und auf Staatsangehörige der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten der EU und in der Schweiz anwendbar. Im Freizügigkeitsabkommen ist der Grundsatz der Nichtdiskriminierung verankert: Jede unterschiedliche Behandlung aufgrund des Kriteriums der Staatsangehörigkeit ist grundsätzlich verboten. Das Freizügigkeitsabkommen führt zudem eine Koordination im Bereich der sozialen Sicherheit ein, die durch seinen Anhang II konkretisiert wird; darin werden die Verordnungen (EG) Nr. 883/20049 und (EG) Nr. 987/200910 in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU für anwendbar erklärt. Diese beiden Verordnungen legen Koordinationsregeln im Bereich der sozialen Sicherheit fest, um die Personenfreizügigkeit zu vereinfachen.

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordination der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit gilt für alle Staatsangehörigen der Vertragsparteien und Personen mit anerkanntem Status als Flüchtlinge oder Staatenlose mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Sie definiert als Grenzgängerin oder Grenzgänger eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt. Nach dieser Definition beschränkt sich der Begriff Grenzgängerinnen und Grenzgänger somit nicht auf Personen, die in den angrenzenden Ländern wohnen und in der Schweiz eine Berufstätigkeit ausüben.

Grenzgängerinnen und Grenzgänger können grundsätzlich im Gebiet eines beliebigen Mitgliedstaats der EU wohnen. In der Praxis leben jedoch die meisten in der Schweiz arbeitenden Grenzgängerinnen und Grenzgänger in Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich.

Die Verordnung umfasst namentlich Leistungen im Krankheitsfall. Organtransplantationen, die nach Anhang 1 der Krankenpflege-Leistungsverordnung vom 29. September 199511 durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung abgedeckt sind, stellen Leistungen bei Krankheit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dar. Sie fallen somit in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung Über das im
Personenfreizügigkeitsabkommen enthaltene Diskriminierungsverbot hinaus wird in Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Grundsatz der Gleichbehandlung, ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts, im Bereich der sozialen Sicherheit konkretisiert. Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats der EU oder in der Schweiz wohnen, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften dieses Staats wie Staatsangehörige dieses Staats. Die Schweiz muss somit Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der EU gleich behandeln wie ihre eigenen Staatsangehörigen.

9 10

11

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, SR 0.831.109.268.1.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, SR 0.831.109.268.11.

SR 832.112.31

2326

Das Behandlungswahlrecht Bezüglich der Leistungen bei Krankheit haben alle Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, die aufgrund des Freizügigkeitsabkommens verpflichtet sind, sich in der Schweiz gegen Krankheitsrisiken zu versichern, ein Behandlungswahlrecht. Es sind dies Grenzgängerinnen und Grenzgänger sowie deren Familienangehörige, Rentenempfängerinnen und -empfänger sowie deren Familienangehörige, Familienangehörige von Inhaberinnen und Inhabern einer Aufenthaltsbewilligung, Bezügerinnen und Bezüger von Leistungen der schweizerischen Arbeitslosenversicherung und deren Familienangehörige. Diese Personen können also wählen, ob sie sich in ihrem Wohnsitzstaat oder in der Schweiz behandeln lassen möchten.

Machen diese Personen von ihrem Behandlungswahlrecht Gebrauch und entscheiden sie sich für eine Behandlung in der Schweiz, haben sie Anspruch auf die gleichen Leistungen der Grundversicherung, die zu den gleichen Bedingungen zu erbringen sind wie für in der Schweiz wohnhafte Personen. Dies gilt auch für die Organtransplantation. Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 schliesst für diese Personen jede Bezugnahme auf den Wohnsitz als materielle Voraussetzung des Zugangs zu Leistungen bei Krankheit aus. Nach dieser Bestimmung werden die Sachleistungen vom zuständigen Träger für dessen Rechnung nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht, als ob die betreffenden Personen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Bezüglich dieser Personen ist somit nicht nur eine Diskriminierung aufgrund des Nationalitätskriteriums, sondern auch aufgrund des Wohnsitzkriteriums verboten.

Der Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe Das Gleiche gilt auch für Personen, die nicht in der Schweiz versichert sind, aber im Rahmen der internationalen Leistungsaushilfe Anspruch auf medizinische Leistungen in der Schweiz haben.

Gemäss Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sind Personen, die Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe bei Krankheit im Sinne dieser Verordnung haben, gleich zu behandeln wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, wenn die Voraussetzungen für eine solche internationale Leistungsaushilfe erfüllt sind: Es muss sich um eine Behandlung handeln, die sich während des Aufenthalts als medizinisch notwendig erweist, und die Patientin oder der Patient darf die Reise nicht mit dem
Ziel unternommen haben, sich einer Behandlung zu unterziehen; es muss sich also um eine unvorhergesehene oder ungeplante Behandlung handeln. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, haben Angehörige eines Mitgliedstaats der EU, die in der Schweiz weder versichert sind noch Wohnsitz haben, Anspruch auf Krankheitsleistungen, als ob sie in der Schweiz versichert wären.

Im Kontext der Organtransplantation betrifft die internationale Leistungsaushilfe bei medizinischen Leistungen Notfälle, somit in erster Linie Fälle von Herz- oder Leberversagen. In solchen Notfällen während eines zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Schweiz sind Personen, die weder in der Schweiz wohnhaft noch hier versichert sind, gleich zu behandeln wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.

Bedeutung für die Organzuteilung Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lässt es grundsätzlich nicht zu, dass in Bezug auf den Zugang der erwähnten Personenkategorien zu den Leistungen bei Krankheit ein Wohnsitzkriterium berücksichtigt wird. Deshalb ist es ausgeschlossen, dass diese 2327

Personenkategorien beim Zugang zur medizinischen Versorgung aufgrund ihres Wohnsitzes anders behandelt werden als Personen, die in der Schweiz wohnhaft sind. Dies gilt auch für die Organzuteilung. Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, die hier der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt sind oder während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Schweiz Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe haben, kommt deshalb auch bezüglich der Zuteilung von Organen ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den in der Schweiz wohnhaften Personen zu.

Selbst in einer Mangelsituation, in der Allokationsregeln festgelegt werden müssen, um eine knappe medizinische Ressource zu verteilen, kann die Schweiz gegenüber diesen Personen nicht das Wohnsitzkriterium heranziehen, um den Zugang zu einer medizinischen Leistung zu beschränken. Die Aufhebung des Wohnsitzkriteriums als Kriterium für den Zugang zu einer Leistung muss auch verhindern, dass das Wohnsitzkriterium auf der Ebene der Verteilung der Ressourcen, die innerhalb der Grenzen auf nationaler Ebene verfügbar sind, erneut eingeführt wird.

Im Zusammenhang mit der Organallokation erscheint es somit unzulässig, Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gegenüber Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz, die hier der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt sind oder während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Schweiz Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe haben, zu bevorzugen. Denn trotz der bestehenden Mangelsituation widerspricht das Wohnsitzkriterium eindeutig dem eigentlichen Ziel und Zweck des Freizügigkeitsabkommens.

Bedeutung für EFTA-Staatsangehörige Für die EFTA-Staatsangehörigen gilt in Bezug auf die Koordination der Systeme der sozialen Sicherheit das EFTA-Freihandelsübereinkommen. Das neue europäische Koordinationsrecht tritt für die EFTA-Staaten demnächst in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt werden auch für die EFTA-Staaten die Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und 987/2009 gelten mit der Folge, dass EFTA-Staatsangehörige den gleichen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Zuteilung von Organen haben wie Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten.

Nicht von dieser Gesetzesänderung betroffen ist der EFTA-Staat Fürstentum Liechtenstein. Die Schweiz hat mit dem Fürstentum Liechtenstein am 1. März 2010 eine Vereinbarung betreffend
die Zuteilung von Organen zur Transplantation abgeschlossen, die seit dem 1. April 2010 vorläufig angewandt wurde und am 15. Juli 2011 in Kraft getreten ist.12 Diese Vereinbarung wurde vor dem Hintergrund abgeschlossen, dass vor dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein bezüglich der Zuteilung und Transplantation von Organen gleich behandelt wurden wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz, und aufgrund der Tatsache, dass sich das Fürstentum Liechtenstein wegen der geringen Zahl an Spenderinnen und Spendern einem grösseren Verbund anschliessen muss, um passende Organe für Personen zu finden, die auf eine Organspende angewiesen sind. Diese Vereinbarung stellt Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein bei der Aufnahme in die Warteliste und bei der Zuteilung von Organen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleich (vgl. auch Ziff. 3.4 und 3.6).

12

Vereinbarung vom 1. März 2010 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein betreffend die Zuteilung von Organen zur Transplantation; SR 0.810.215.14.

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Bedeutung für Drittstaatsangehörige Das Personenfreizügigkeitsabkommen ist auf Staatsangehörige der Schweiz und der Mitgliedstaaten der EU anwendbar, das EFTA-Freihandelsübereinkommen auf Staatsangehörige der EFTA-Staaten. Die Verordnung (EWG) Nr. 859/2003, die den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 auf Drittstaatenangehörige ausdehnt, ist in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU nicht anwendbar. Drittstaatenangehörige (ausserhalb ihrer Eigenschaft als Flüchtlinge oder Staatenlose) fallen somit nicht in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, wie sie zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten der EU angewandt wird.

Schlussfolgerungen Aus dem Gutachten ergibt sich klar, welche Personenkategorien gestützt auf das Personenfreizügigkeitsabkommen einen Anspruch auf medizinische Leistungen ­ und damit auch auf eine Organtransplantation ­ in der Schweiz haben. Dass damit auch ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den in der Schweiz wohnhaften Personen bei der Organzuteilung einhergehen muss, leuchtet ein: Wenn für den Zugang zu einer medizinischen Leistung nicht auf den Wohnsitz abgestellt werden darf, muss dies konsequenterweise auch für die Verteilung der dafür verfügbaren Ressourcen gelten. Andernfalls wäre der Anspruch auf die medizinische Leistung selber in Frage gestellt. Aus den internationalen Verpflichtungen der Schweiz ergibt sich somit, dass EU- und EFTA-Staatsangehörige bei der Zuteilung von Organen den in der Schweiz wohnhaften Personen gleichzustellen sind.

Aus den internationalen Verpflichtungen der Schweiz ergibt sich indessen keine Pflicht zur Gleichstellung von Drittstaatenangehörigen. Nach der Motion Maury Pasquier sollen bezüglich der Zuteilung von Organen aber alle Grenzgängerinnen und Grenzgänger mit Krankenversicherung in der Schweiz den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt werden. Um die Motion zu erfüllen, muss diese Gleichstellung deshalb auch für Grenzgängerinnen und Grenzgänger mit einer anderen Staatsangehörigkeit (Drittstaatenangehörige) gelten. In Übereinstimmung mit Artikel 25 des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 200513 sollen Personen, die in einem Nachbarstaat ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen, ihren Wohnort seit mindestens sechs Monaten in der benachbarten Grenzzone zur Schweiz
haben, innerhalb der Grenzzone der Schweiz erwerbstätig sind und gestützt auf Artikel 3 der Verordnung vom 27. Juni 199514 über die Krankenversicherung auf eigenes Gesuch hin der schweizerischen Versicherung unterstellt worden sind, den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt werden. Gleichgestellt werden sollen auch die der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellten Familienangehörigen dieser Personen.

13 14

SR 142.20 SR 832.102

2329

1.3.2

Organentnahme bei verstorbenen Personen

Ausgangslage Geltende Rechtslage Das Transplantationsgesetz regelt in den Artikeln 8­11 die Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen bei verstorbenen Personen. In der Schweiz gilt die erweiterte Zustimmungslösung: Organe, Gewebe oder Zellen dürfen einer verstorbenen Person entnommen werden, wenn sie oder allenfalls ihre nächsten Angehörigen einer Entnahme zugestimmt haben (Art. 8). Artikel 9 verankert das Todeskriterium und legt das Verfahren für die Feststellung des Todes fest. Nach diesem Kriterium ist der Mensch tot, wenn die Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind. Der irreversible Funktionsausfall von Hirn und Hirnstamm kann infolge primärer Hirnschädigung oder -erkrankung eintreten oder durch anhaltenden Kreislaufstillstand, der die Durchblutung des Gehirns so lange reduziert oder unterbricht, bis der Tod eingetreten ist. Entsprechend kann zwischen zwei Verfahren für die Feststellung des Todes unterschieden werden. Um die Organe bis zur Entnahme und Transplantation funktionsfähig zu erhalten, werden vor oder nach dem Tod der spendenden Person vorbereitende medizinische Massnahmen durchgeführt (Art. 10).

«Non Heart Beating Donors» Die Organentnahme bei Spenderinnen und Spendern mit irreversiblem HerzKreislauf-Stillstand («Non Heart Beating Donors») ist keine Neuheit. Die ersten Organtransplantationen in der Geschichte der Transplantationsmedizin haben dank dieser Kategorie von Spenderinnen und Spendern stattgefunden. Die Praxis wurde in der Folge wegen der im Vergleich zur Transplantation von Organen von Spenderinnen und Spendern mit noch schlagendem Herzen («Heart Beating Donors») weniger guten Transplantationsergebnisse jedoch aufgegeben. Aufgrund der steigenden Nachfrage ist die Entnahme von Organen bei Spenderinnen und Spendern mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand in den letzten Jahren wieder in Betracht gezogen worden ­ so auch in der Schweiz. Durch Verbesserungen in Bezug auf die Behandlung der Spenderinnen und Spender konnte die schlechtere Organqualität weitgehend überwunden werden. Entnommen und transplantiert werden können heute die Nieren, die Leber und die Lunge.

Grundsätzlich werden bezüglich der Spenderinnen und Spender mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand nach der international massgebenden Maastricht-Klassifikation die folgenden Situationen unterschieden: ­

Der Tod ist bei der Ankunft im Spital bereits eingetreten (Kategorie 1).

­

Der Tod tritt nach erfolgloser Reanimation ein (Kategorie 2).

­

Der Tod tritt nach geplantem Abbruch der lebenserhaltenden Massnahmen ein (Kategorie 3).

­

Nach vorgängigem Tod infolge primärer Hirnschädigung erfolgt ein irreversibler Herz-Kreislauf-Stillstand (Kategorie 4).

Bei Patientinnen und Patienten der Kategorien 1, 2 und 4 erfolgt der Herz-KreislaufStillstand unerwartet, in der Regel ausserhalb eines Spitals und eine allfällige Reanimation bleibt erfolglos.

2330

Im Gegensatz dazu betrifft die Kategorie 3 eine Situation, die bis zum Eintritt des Todes weitgehend kontrollierbar ist: Es handelt sich um Patientinnen und Patienten, die sich auf einer Intensivstation befinden und eine schwere Hirnschädigung erlitten haben, ohne jedoch alle klinischen Zeichen des Todes zu erfüllen. Das Fortleben dieser Patientinnen und Patienten beruht auf lebenserhaltenden medizinischen Massnahmen, wie die mechanische Ventilation, die Zufuhr einer hohen Sauerstoffkonzentration und die Verabreichung von Blutdruck unterstützenden Medikamenten.

Diese Patientinnen und Patienten haben eine normale Herztätigkeit, solange sie an eine Maschine angeschlossen sind. Wird jedoch der Abbruch der lebenserhaltenden Massnahmen beschlossen, wird die mechanische Unterstützung der Patientin oder des Patienten (hauptsächlich die künstliche Beatmung) beendet. In den Minuten oder Stunden nach diesem Abbruch verstirbt die Patientin oder der Patient infolge eines Herz-Kreislauf-Stillstands. Eine Organentnahme kann in der Regel in Betracht gezogen werden, wenn der Tod in den ersten 60­120 Minuten nach Abbruch der lebenserhaltenden Massnahmen eintritt. Tritt der Tod später ein, spricht das erhöhte Risiko einer Schädigung der Organe gegen eine Entnahme.

In der Schweiz wurde die Entnahme von Organen bei Spenderinnen und Spendern mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand bis zum Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes in Genf und Zürich praktiziert. In Genf waren es Spenderinnen und Spender der Maastricht-Kategorien 1 und 2, in Zürich jene der Kategorie 3.

Aufgrund von Unklarheiten innerhalb der Ärzteschaft im Zusammenhang mit der Umsetzung des Gesetzes wurden diese Programme in der Folge eingestellt. Im Herbst 2011 hat das Transplantationszentrum Zürich und 2012 haben auch die Transplantationszentren Genf, Basel und St. Gallen «Non Heart Beating Donor»Programme aufgenommen. Bis Ende 2012 wurden zehn Spenderinnen und Spendern der Kategorie 3 insgesamt 17 Nieren entnommen und transplantiert; in fünf Fällen auch die Leber und in zwei Fällen auch die Lunge.

Organentnahmen bei «Non Heart Beating Donors» sind nach dem Transplantationsgesetz grundsätzlich erlaubt. Das Gesetz sieht dafür aber keine besondere Regelung vor. Die erweiterte Zustimmungslösung gilt für «Non Heart Beating Donors» wie für «Heart
Beating Donors» gleichermassen, ebenso das Todeskriterium. Differenziert wird erst auf der Stufe der Todesfeststellung. Auch die Voraussetzungen für die Durchführung von vorbereitenden medizinischen Massnahmen gelten für «Non Heart Beating Donors» wie für «Heart Beating Donors» gleichermassen. Allerdings unterscheiden sich diese Massnahmen in ihrer Art.

Vorbereitende medizinische Massnahmen Vorbereitende medizinische Massnahmen nach Artikel 10 des Transplantationsgesetzes sind Massnahmen, die ausschliesslich der Qualitätserhaltung von Organen, Geweben oder Zellen dienen. Im vorliegenden Zusammenhang interessieren nur Massnahmen, die vor dem Tod der Spenderin oder des Spenders vorgenommen werden.

Je nach Spenderkategorie kommen unterschiedliche vorbereitende medizinische Massnahmen zum Zug: «Heart Beating Donors»: Bei der Spenderin oder dem Spender mit noch schlagendem Herzen lassen sich die wesentlichen vor dem Tod getroffenen Massnahmen auf die drei folgenden zusammenfassen:

2331

­

Die Weiterführung der künstlichen Beatmung: Weil «Heart Beating Donors» keine Spontanatmung mehr aufweisen, funktionieren die Herztätigkeit und die Durchblutung nur, wenn die Sauerstoffzufuhr durch künstliche Beatmung aufrechterhalten wird.

­

Die Verabreichung von gefässaktiven (vasoaktiven) Medikamenten, die der Erhaltung der Durchblutung (Hämodynamik) dienen. Die Verabreichung solcher Medikamente, zum Beispiel ein Vasodilatator (Erweiterung der Blutgefässe) wie Phentolamin oder ein Vasopressor (Verengung der Blutgefässe), ermöglicht die Regulierung der Eigenschaften des Blutflusses.

­

Die Verabreichung einer Hormonbehandlung: Die Hirnschädigung wirkt sich auch auf den Hormonhaushalt aus (weitreichende hormonale und metabolische Anomalien). Der Ausfall des antidiuretischen Hormons zum Beispiel führt innert kurzer Zeit zu einer schweren Hyper-Natriämie (ungenügende Flüssigkeitszufuhr, welche eine Dehydratation bewirkt). Ein Hormonersatz trägt zur hämodynamischen Stabilität der Spenderin oder des Spenders bei.

Bezüglich der Notwendigkeit der vorbereitenden medizinischen Massnahmen lässt sich nach heutigen Kenntnissen sagen, dass ohne den Einsatz solcher Massnahmen nach Therapieabbruch eine Organentnahme bei einer Spenderin oder einem Spender mit noch schlagendem Herzen praktisch ausgeschlossen ist: Die künstliche Beatmung ist vor der Feststellung des Todes und bis zur Organentnahme unerlässlich. Weil die Spenderin oder der Spender mit noch schlagendem Herzen keine Spontanatmung mehr aufweisen, könnte die Herztätigkeit und damit der Kreislauf ohne eine mechanische Ventilation nicht aufrechterhalten werden.

Vasoaktive Medikamente, sowie gewisse Hormone, werden verabreicht, um den Zustand der Spenderin oder des Spenders stabil zu halten und damit die Durchblutung der Organe und deren Qualität zu gewährleisten. Die vorbereitenden medizinischen Massnahmen spielen in diesem Sinne eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Organtransplantation. Gemäss den Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin müssen die vasoaktiven Medikamente jedoch mit der geringstmöglichen Dosierung verwendet werden.

Daraus folgt, dass die vorbereitenden medizinischen Massnahmen bei «Heart Beating Donors» die Organentnahme erst ermöglichen. Die Vornahme von vorbereitenden medizinischen Massnahmen beeinflusst nicht nur die Qualität und das einwandfreie Funktionieren der Organe im Anschluss an eine Transplantation, sondern auch die Anzahl an entnehmbaren Organen.

Die vorbereitenden medizinischen Massnahmen werden zwischen dem Moment des Therapieabbruchs und dem Moment der Organentnahme zu Transplantationszwecken vorgenommen. Im Inselspital Bern variiert der Zeitraum vom Therapieabbruch bis zur klinischen Todesfeststellung zwischen wenigen bis zu maximal 48 Stunden. Falls der Tod nach Ablauf dieser Frist nicht eingetreten ist, wird jegliche unterstützende Massnahme (insbesondere die künstliche Beatmung) abgebrochen. Ist der Tod dagegen eingetreten, werden gewisse Funktionen wie die Atmung und der Kreislauf sowie die Durchblutung der Organe bis zum Zeitpunkt der Organentnahme künstlich aufrechterhalten.

2332

«Non Heart Beating Donors»: Bei der Spenderin oder dem Spender mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand stellt sich die Frage der vorbereitenden medizinischen Massnahmen hauptsächlich bei Personen der Kategorie 3 nach Maastricht. Nur bei dieser Kategorie kommen die folgenden Massnahmen vor dem Tod in Frage: ­

Die Verabreichung eines Gerinnungshemmers (Antikoagulans): Die Verabreichung eines Antikoagulans, wie Heparin, ermöglicht die Vermeidung von Gerinnungsstörungen (Gerinnsel). Sie dient der Vorbeugung von thrombotischen Verschlüssen der Gefässe, die nach dem Kreislaufstillstand auftreten können.

­

Die Verabreichung eines Blutgefässerweiterers (Vasodilatators): Die Verabreichung eines Vasodilatators, wie Phentolamin, ermöglicht es, den Blutfluss in und zu den Organen zu erhöhen. Sie dient zusammen mit der Verabreichung von gerinnungshemmenden Medikamenten dazu, die Funktionsfähigkeit der Organe sicherzustellen, indem das Risiko von ischämischen und thrombotischen Schäden vermindert wird.

­

Die Setzung von arteriellen Kanülen zur Verabreichung der Kühlflüssigkeit: Die Setzung einer arteriellen Kanüle erlaubt es, die zwischen der Todesfeststellung und der Perfusion der Organe mit Kühlflüssigkeit vergangene Zeit zu verkürzen, was die Funktionsfähigkeit der zu entnehmenden Organe optimiert.

Bezüglich der Notwendigkeit der vorbereitenden medizinischen Massnahmen im Hinblick auf eine spätere Organentnahme lässt sich sagen, dass die Verabreichung eines Antikoagulans eng mit dem Gelingen der anschliessenden Transplantation in Verbindung steht. Ohne diese Massnahme wäre eine erfolgreiche Organtransplantation ernsthaft gefährdet. Für die Verabreichung von gefässerweiternden Medikamenten lässt sich dies dagegen nicht mit derselben Deutlichkeit sagen.

Das Setzen einer arteriellen Kanüle vor dem Tod erleichtert die Organentnahme, ohne dass diese Massnahme für das Gelingen der Transplantation jedoch unabdingbar wäre: Es ist möglich, die Todesfeststellung abzuwarten, bevor die arterielle Kanüle für die Perfusion der Organe mit Kühlflüssigkeit gesetzt wird.

Problemstellung Die Artikel 8 und 10 des Transplantationsgesetzes haben in der Praxis zu gewissen Unsicherheiten geführt: einerseits bezüglich der Frage, ab welchem Zeitpunkt die Anfrage an die nächsten Angehörigen im Hinblick auf eine Organentnahme bei verstorbenen Personen erfolgen kann (Art. 8), andererseits bezüglich der Frage, ob die nächsten Angehörigen vorbereitenden medizinischen Massnahmen vor dem Tod zustimmen können, wenn die Spenderin oder der Spender diesbezüglich keinen Entscheid gefällt hat (Art. 10).

Diese Fragen sind für die Praxis von erheblicher Bedeutung. Die meisten Patientinnen und Patienten auf einer Intensivstation versterben nicht unter voller Therapie. Ist ihr Gesundheitszustand aussichtslos, wird früher oder später ein Therapieabbruch wegen schlechter Prognose beschlossen. Eine Erhebung des Inselspitals Bern für das Jahr 2007 ergab zum Beispiel, dass bei 91 Prozent der Patientinnen und Patienten die Therapie abgebrochen wurde. Ohne weitere medizinische Massnahmen versterben diese Patientinnen und Patienten anschliessend innerhalb relativ kurzer Zeit, d.h.

innerhalb von Stunden oder eventuell Tagen.

2333

Jede Patientin und jeder Patient mit einer zerebral hoffnungslosen Prognose, bei der oder dem die Therapie abgebrochen wird, ist eine potenzielle Organspenderin oder ein potenzieller Organspender. Bei diesen Spenderinnen und Spendern sind medizinische Massnahmen und Untersuchungen notwendig, um ihre medizinische Eignung abzuklären und um die Organe bis zur Entnahme funktionsfähig zu erhalten. Zu diesen Massnahmen gehören die künstliche Beatmung, der Einsatz von den HerzKreislauf stützenden Medikamenten, Hormonersatz-Behandlungen, Laboruntersuchungen zur Steuerung der Behandlung und Geräte zur Verhinderung der Abkühlung.

Damit diese Massnahmen durchgeführt werden können, muss somit bereits im Zeitpunkt des Therapieabbruchs evaluiert werden, ob dafür wie für die Organentnahme eine Zustimmung vorliegt. Diese Evaluation betrifft alle Kategorien von Spenderinnen und Spendern: Im Zeitpunkt des Therapieabbruchs ist es bei «Heart Beating Donors» und «Non Heart Beating Donors» gleichermassen wichtig abzuklären, ob eine Zustimmung zur Organentnahme beziehungsweise zur Durchführung von vorbereitenden medizinischen Massnahmen vorliegt oder eingeholt werden kann.

Zeitpunkt der Anfrage an die nächsten Angehörigen (Änderung von Art. 8) Ausgangslage und Problemstellung In Artikel 8 des Transplantationsgesetzes wird festgelegt, wie der Wille der Patientin oder des Patienten beziehungsweise der nächsten Angehörigen ermittelt werden soll. Oftmals liegt keine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung der Patientin oder des Patienten zur Spende vor. Wie in diesen Fällen vorzugehen ist, wird in den Absätzen 2 und 3 wie folgt geregelt: Liegt keine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung der verstorbenen Person vor, so sind ihre nächsten Angehörigen anzufragen, ob ihnen eine Erklärung zur Spende bekannt ist (Abs. 2). Ist den nächsten Angehörigen keine solche Erklärung bekannt, so können Organe, Gewebe oder Zellen entnommen werden, wenn die nächsten Angehörigen einer Entnahme zustimmen. Sie haben bei ihrer Entscheidung den mutmasslichen Willen der verstorbenen Person zu beachten (Abs. 3).

In beiden Fällen muss eine Anfrage an die nächsten Angehörigen gerichtet werden.

Das Transplantationsgesetz regelt den Zeitpunkt der Anfrage aber nicht ausdrücklich. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Unsicherheiten bezüglich der
Frage bestehen, ob die Anfrage an die Angehörigen erst erfolgen darf, wenn die betreffende Person verstorben ist oder ob die Anfrage bereits zu einem früheren Zeitpunkt gemacht werden darf. Diese Unsicherheiten ergeben sich aus dem Wortlaut von Artikel 8, der die Spenderin bzw. den Spender als «verstorbene Person» bezeichnet, also davon auszugehen scheint, dass eine Anfrage erst nach der Todesfeststellung gemacht werden darf.

2334

Interpretation von Artikel 8 Das BAG hat zu dieser Frage ein Rechtsgutachten eingeholt15. Die Gutachter kommen darin zu den folgenden Schlüssen:

15

16

­

Würde Artikel 8 Absätze 2 und 3 des Transplantationsgesetzes so ausgelegt, dass die Anfrage an die nächsten Angehörigen der Spenderin oder des Spenders erst nach deren oder dessen Tod erfolgen dürfte, so würde dies die Organentnahme bei jenen Spenderinnen und Spendern praktisch verunmöglichen, bei denen der irreversible Herz-Kreislauf-Stillstand nach geplantem Abbruch der lebenserhaltenden Massnahmen eintritt (Maastricht-Kategorie 3). Aus logistischer Sicht und mit dem Ziel, den Erfolg der anschliessenden Transplantation zu gewährleisten, ist eine Anfrage an die nächsten Angehörigen erst nach der Todesfeststellung vernünftigerweise nicht denkbar.

Organentnahmen bei diesen Spenderinnen und Spendern zu verunmöglichen, entspricht sicherlich weder dem Willen des Gesetzgebers noch den von ihm verfolgten Zielen, insbesondere jenem, dass entsprechend der Zweckbestimmung des Gesetzes menschliche Organe für Transplantationszwecke zur Verfügung stehen (Art. 1). Dies ergibt sich ausserdem aus der Tatsache, dass das vom Bundesgesetzgeber in Artikel 9 des Transplantationsgesetzes festgelegte Todeskriterium und das sich daraus ergebende Verfahren zur Todesfeststellung (geregelt in Art. 7 der Transplantationsverordnung vom 16. März 200716 und deren Anhang 1) die Organentnahme sowohl nach einer Feststellung des Todes wegen primärer Hirnschädigung als auch nach einer Feststellung des Todes bei anhaltendem Herz-Kreislauf-Stillstand erlauben.

­

Aus systematischer Sicht ergibt sich die Verwendung des Ausdrucks «verstorbene Person» in Artikel 8 des Transplantationsgesetzes ganz einfach aus den Anforderungen an die Kohärenz bei der Verfassung eines Gesetzestextes. Artikel 8 befindet sich nämlich im 2. Abschnitt des 2. Kapitels des Gesetzes, als «Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen bei verstorbenen Personen» bezeichnet. Der Ausdruck «verstorbene Person» wird deshalb bloss verwendet, um diese Situation von der im 3. Abschnitt desselben Kapitels des Gesetzes geregelten Situation zu unterscheiden, welche die «Entnahme von Organen, Geweben oder Zellen bei lebenden Personen» regelt.

Es ist daher aus logischer und systematischer Sicht normal, dass Artikel 8 des Transplantationsgesetzes sich auf eine «verstorbene Person» als allgemeinen Ausdruck bezieht, ohne dass sich daraus eine beliebige Absicht des Gesetzgebers ableiten liesse, eine Frage zu lösen (den Zeitpunkt der Anfrage), die von Artikel 8 nicht behandelt wird.

Olivier Guillod, Mélanie Mader, 2010, Vorbereitende medizinische Massnahmen im Hinblick auf eine Organentnahme; Rechtsgutachten zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit dem Transplantationsgesetz, Institut für Gesundheitsrecht, Neuenburg. Das Gutachten ist einsehbar unter www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Transplantationsmedizin > Rechtliche Grundlagen > Gesetz.

SR 810.211

2335

­

Artikel 8 des Transplantationsgesetzes legt einen Entscheidungsbaum fest, das heisst eine zu respektierende hierarchische Reihenfolge in Bezug auf die Zustimmung zur Organentnahme bei einer verstorbenen Person. Diese Bestimmung regelt hingegen nicht die Frage des Zeitpunkts der Anfrage an die nächsten Angehörigen. Artikel 8 steht in diesem Sinne einer Anfrage an die nächsten Angehörigen vor der Todesfeststellung nicht im Weg.

Gemäss den Gutachtern sprechen auch ethische Gründe dafür, die Anfrage an die nächsten Angehörigen vor der Todesfeststellung vornehmen zu können. Erfolge die Anfrage an die nächsten Angehörigen vor dem Abbruch der lebenserhaltenden Massnahmen, könnten die Pietätsgefühle der nächsten Angehörigen respektiert und ihr Recht, in einem würdigen Rahmen von der spendenden Person Abschied zu nehmen, gewährleistet werden. Die nächsten Angehörigen würden so auch über mehr Zeit für die Entscheidungsfindung verfügen.

Die Gutachter weisen schliesslich darauf hin, dass sich die Frage des Zeitpunkts der Anfrage an die nächsten Angehörigen in jeder Situation einer allfälligen Organentnahme stellt, d.h. bei «Non Heart Beating Donors» wie bei Spenderinnen und Spendern mit noch schlagendem Herzen, und ebenfalls die vorbereitenden medizinischen Massnahmen betrifft: Der mutmassliche Wille der urteilsunfähigen Spenderin bzw.

des urteilsunfähigen Spenders hinsichtlich der vorbereitenden medizinischen Massnahmen muss ermittelt werden, bevor solche Massnahmen eingeleitet werden.

Dieser mutmassliche Wille wird hauptsächlich mit Hilfe der nächsten Angehörigen festgestellt. Unabhängig davon, ob es sich um eine Spenderin oder einen Spender mit noch schlagendem Herzen oder mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand handelt, müssen die nächsten Angehörigen folglich involviert und über die vorbereitenden medizinischen Massnahmen informiert werden und diesen zustimmen, bevor diese eingesetzt werden können, das heisst vor der Feststellung des Todes. Da diese Massnahmen sehr eng mit der anschliessenden Organentnahme verbunden sind, und da sie nur zu diesem alleinigen Zweck vorgenommen werden, muss die Anfrage an die nächsten Angehörigen bezüglich der Entnahme auch zu diesem (vor der Todesfeststellung liegenden) Zeitpunkt erfolgen können. Es scheint kaum vorstellbar, mit den nächsten Angehörigen die vorbereitenden medizinischen Massnahmen zu besprechen, ohne die Organentnahme zu erwähnen. Es gibt folglich keine überzeugenden Gründe, die Frage der Organentnahme nicht vor der Feststellung des Todes der Spenderin oder des Spenders anzusprechen. Im Gegenteil: Um eine gewisse Bedenkzeit der nächsten Angehörigen zu respektieren, insbesondere was die Organentnahme bei einer Spenderin oder einem Spender mit irreversiblem Herz-KreislaufStillstand
betrifft, scheint es unerlässlich, die Anfrage an die nächsten Angehörigen vor der Feststellung des Todes erfolgen zu lassen. In den allermeisten Fällen ist der Abbruch der lebenserhaltenden Massnahmen bei der Spenderin oder beim Spender Teil einer Diskussion mit den nächsten Angehörigen. Die vorbereitenden medizinischen Massnahmen wie auch die Frage der Organentnahme müssen im selben Kontext besprochen werden.

Die Gutachter erachten eine Präzisierung des Gesetzes als sinnvoll, um jegliche Unsicherheiten in Bezug auf den Zeitpunkt der Anfrage an die nächsten Angehörigen auszuschliessen.

Schlussfolgerungen zu Artikel 8 Der Argumentation der Gutachter ist zuzustimmen. Artikel 8 des Transplantationsgesetzes ist somit nicht so zu verstehen, dass eine Anfrage erst erfolgen darf, wenn 2336

die betreffende Person verstorben, ihr Tod somit festgestellt worden ist. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung das weitere Vorgehen festlegen für den Fall, dass keine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung vorliegt; er wollte damit aber nicht zugleich auch den Zeitpunkt dieser Anfrage bestimmen. Das Transplantationsgesetz verbietet somit nicht, eine solche Anfrage bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu machen, wenn der Tod der Patientin oder des Patienten noch nicht festgestellt worden, aber bereits sicher ist, dass keine dokumentierte Zustimmung oder Ablehnung von ihrer oder seiner Seite vorliegt und sie oder er diesbezüglich nicht mehr gefragt werden kann.

Ebenfalls zuzustimmen ist den Gutachtern darin, dass auch ethische Gründe dafür sprechen, die Anfrage an die nächsten Angehörigen vor der Todesfeststellung vornehmen zu können. Die Pietätsgefühle der nächsten Angehörigen können so besser respektiert werden und die nächsten Angehörigen verfügen über mehr Zeit für die Entscheidfindung. Beispielsweise sehen auch in Kanada die nationalen Empfehlungen für die Organspende nach Feststellung des Todes bei anhaltendem HerzKreislauf-Stillstand des «Conseil pour le don et la transplantation» vor, dass die Möglichkeit einer Spende der Familie der Spenderin oder des Spenders vor der Todesfeststellung unterbreitet werden muss.17 Um jegliche Unsicherheiten in Bezug auf den Zeitpunkt der Anfrage an die nächsten Angehörigen auszuschliessen, soll Artikel 8 des Transplantationsgesetzes mit einer Regelung bezüglich dieses Zeitpunkts ergänzt werden.

Zustimmung zu vorbereitenden medizinischen Massnahmen bei Urteilsunfähigkeit (Änderung von Art. 10) Ausgangslage und Problemstellung Artikel 10 des Transplantationsgesetzes legt fest, unter welchen Voraussetzungen vorbereitende medizinische Massnahmen, die ausschliesslich der Erhaltung von Organen, Geweben oder Zellen dienen, durchgeführt werden dürfen. Solche Massnahmen dürfen vor dem Tod der spendenden Person nur vorgenommen werden, wenn diese umfassend informiert worden ist und frei zugestimmt hat (Abs. 1). Sie sind verboten, wenn sie den Tod der Patientin oder des Patienten beschleunigen oder dazu führen können, dass die Spenderin oder der Spender in einen dauernden vegetativen Zustand gerät (Abs. 2).

In den meisten Fällen liegt keine Zustimmung der
spendenden Person vor; vielmehr befindet sich diese in einem bewusstlosen Zustand auf einer Intensivstation und ist dementsprechend urteilsunfähig. Das Transplantationsgesetz äussert sich nicht dazu, wie vorzugehen ist, wenn die Spenderin oder der Spender urteilsunfähig ist. Dies hat in der Praxis zu Unsicherheiten geführt, namentlich bezüglich der Frage, ob die Angehörigen solchen Massnahmen zustimmen können, wenn die Spenderin oder der Spender diesbezüglich keinen Entscheid gefällt hat, oder ob das Gesetz eine stellvertretende Zustimmung ausschliesst.

Das vom BAG eingeholte Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass der Wortlaut von Artikel 10 Absatz 1 des Transplantationsgesetzes die Zustimmung zu vorbereitenden medizinischen Massnahmen durch eine Vertretung der Spenderin oder des 17

Der Text der «Recommandations nationales pour le don après un décès d'origine cardiocirculatoire» ist einsehbar unter www.cmaj.ca > Past Issues > 2006 > National recommendations for donation after cardiocirculatory death in Canada.

2337

Spenders nicht ausschliesst. Wie für jede andere medizinische Entscheidung bei urteilsunfähigen Patientinnen oder Patienten komme somit der gewöhnliche Entscheidungsprozess durch Vertretung zur Anwendung.

Die Vertreterin oder der Vertreter muss sich bei diesem Entscheid in erster Linie nach dem mutmasslichen Willen der Spenderin oder des Spenders richten. Der mutmassliche Wille entspricht dem Willen, den die Spenderin oder der Spender wahrscheinlich äussern würde, wäre sie oder er noch urteilsfähig. Kann der mutmassliche Wille nicht ermittelt werden oder ist eine Patientin oder ein Patient seit jeher urteilsunfähig, muss nach ihrem oder seinem objektiven Wohl gehandelt werden. Unter geltendem Recht ist nun aber fraglich, ob die vorbereitenden medizinischen Massnahmen dem objektiven Wohl der Patientin oder des Patienten entsprechen, handelt es sich dabei doch um Massnahmen, die nicht in ihrem oder seinem Interesse vorgenommen werden und die gewisse Risiken für sie oder ihn mit sich bringen können. Der alleinige Zweck dieser Massnahmen besteht darin, die Organe im Hinblick auf eine Entnahme zu erhalten. Ein solcher Zweck und solche Auswirkungen scheinen nur schwer mit dem objektiven Wohl der Spenderin oder des Spenders in Übereinstimmung gebracht werden zu können.

Zu betonen bleibt, dass diese Frage sich auch dann stellen würde, wenn das Transplantationsgesetz zu den vorbereitenden medizinischen Massnahmen keine Regelung enthalten würde. Jeder medizinische Eingriff bedarf im Prinzip einer freien und informierten Zustimmung der betroffenen Person. Unter schweizerischem Recht erwächst die Anforderung der Zustimmung im öffentlichen Recht aus der persönlichen Freiheit (Art. 10 der Bundesverfassung18 [BV]) und im Privatrecht aus dem Persönlichkeitsschutz (Art. 28 des Zivilgesetzbuches19 [ZGB]). Artikel 10 Absatz 1 des Transplantationsgesetzes enthält so gesehen lediglich eine spezialgesetzliche Regelung der Anforderungen, die sich bereits aus dem allgemeinen Recht ergeben.

Liberale Auslegung des objektiven Wohls Bezüglich der Frage, ob die vorbereitenden medizinischen Massnahmen dem objektiven Wohl der Patientin oder des Patienten entsprechen, zeigt das Rechtsgutachten, ausgehend von einer liberalen Auslegung des objektiven Wohls der Spenderin oder des Spenders eine Lösung auf. Die Gutachter stützen
diese Lösung auf die folgende Argumentation: Wohl der potenziellen Spenderin oder des potenziellen Spenders: Potenzielle spendende Personen sind Patientinnen und Patienten, die den «Point of no return» überschritten haben. Es handelt sich um Patientinnen und Patienten am Lebensende, die sich in einer aussichtslosen Situation befinden und für die deshalb keine therapeutischen Ziele mehr angestrebt werden können. Es ist infolgedessen nicht sinnvoll, für solche Patientinnen und Patienten ein objektives Wohl im Sinne einer Lebensrettung oder Gesundheitswiederherstellung definieren zu wollen. Die Analyse des «objektiven» Wohls der urteilsunfähigen, potenziell spendenden Person muss sich daher nicht auf ein therapeutisches Interesse im Hinblick auf eine Genesung ausrichten, sondern auf Interessen, die sich aus der palliativen Pflege einer Patientin oder eines Patienten am Lebensende ergeben. Das objektive Wohl der potenziellen Spenderin oder des potenziellen Spenders kann so insbesondere als das Interesse, in Würde zu sterben, umschrieben werden. Von dieser Auslegung des objektiven Wohls ausge18 19

SR 101 SR 210

2338

hend, ergibt sich, dass die vorbereitenden medizinischen Massnahmen sicherlich nicht das Interesse der potenziellen Spenderin oder des potenziellen Spenders, in Würde zu sterben, beeinträchtigen dürfen. Daraus folgt, dass vorbereitende medizinische Massnahmen, die der potenziellen Spenderin oder dem potenziellen Spender keinen Schaden zufügen, also die in Bezug auf den Zustand der betroffenen Person neutralen Massnahmen, zulässig sind, auch wenn sie nicht der klassischen Auslegung des Wohls der Patientin oder des Patienten entsprechen.

Gesetzgebung im medizinischen Bereich: Aus der neueren Gesetzgebung im medizinischen Bereich ergibt sich, dass die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung, oder sogar der nächsten Angehörigen, in Bezug auf medizinische Massnahmen, die nicht dem objektiven Wohl der urteilsunfähigen Person dienen, zulässig ist. Die nachfolgend erwähnten Gesetzestexte zeigen auf, dass das Erfordernis, nur im objektiven Interesse einer urteilsunfähigen Person zu handeln, im medizinischen Bereich nicht absolut gilt: ­

Nach Artikel 55 Absatz 2 des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 200020 dürfen klinische Versuche, die den Versuchspersonen keinen unmittelbaren Nutzen bringen, an minderjährigen, unter umfassender Beistandschaft stehenden oder urteilsunfähigen Personen unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise durchgeführt werden: So dürfen beispielsweise die Risiken und Unannehmlichkeiten, welche die Versuchspersonen auf sich nehmen müssen, nur geringfügig sein.

­

Nach Artikel 10 Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 200421 über genetische Untersuchungen beim Menschen darf eine genetische Untersuchung bei einer urteilsunfähigen Person nur durchgeführt werden, wenn sie zum Schutz ihrer Gesundheit notwendig ist. Ausnahmsweise ist eine solche Untersuchung aber auch dann zulässig, wenn sich eine schwere Erbkrankheit in der Familie oder eine entsprechende Anlageträgerschaft auf andere Weise nicht abklären lässt und die Belastung der betroffenen Person geringfügig ist.

­

Nach Artikel 13 des Transplantationsgesetzes dürfen urteilsunfähigen oder minderjährigen Personen keine Organe, Gewebe oder Zellen entnommen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen aber ausnahmsweise regenerierbare Gewebe oder Zellen entnommen werden: So darf die Entnahme für die urteilsunfähige oder minderjährige Person nur ein minimales Risiko und eine minimale Belastung mit sich bringen, und die Spende muss geeignet sein, das Leben der Empfängerin oder des Empfängers zu retten.

­

Nach Artikel 7 des Sterilisationsgesetzes vom 17. Dezember 200422 ist die Sterilisation einer über 16-jährigen, dauernd urteilsunfähigen Person ausnahmsweise zulässig, namentlich dann, wenn sie nach den gesamten Umständen im Interesse der betroffenen Person vorgenommen wird.

Bundesgesetz über die Forschung am Menschen: Auch aus dem Humanforschungsgesetz vom 30. September 201123 können gewisse Aspekte für die Zustimmung zu medizinischen Massnahmen, die nicht dem objektiven Wohl der urteilsunfähigen 20 21 22 23

SR 812.21 SR 810.12 SR 211.111.1 BBl 2011 7415; Ablauf der Referendumsfrist: 19. Januar 2012.

2339

Person entsprechen, abgeleitet werden. Das Gesetz zeigt auf, dass das objektive Wohl der urteilsunfähigen Person nicht immer das allein entscheidende Kriterium ist. Artikel 24 Absatz 2 erlaubt nämlich, ein Forschungsprojekt ohne erwarteten direkten Nutzen mit urteilsunfähigen Erwachsenen durchzuführen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: ­

Es liegt eine von der betroffenen Person im Zustand der Urteilsfähigkeit erteilte und dokumentierte Einwilligung vor.

­

Die gesetzliche Vertretung, eine bezeichnete Vertrauensperson oder die nächsten Angehörigen haben nach hinreichender Aufklärung schriftlich eingewilligt, falls keine dokumentierte Einwilligung vorliegt.

­

Die betroffene Person lehnt die Forschungshandlung durch Äusserungen oder entsprechendes Verhalten nicht erkennbar ab.

­

Es werden nur minimale Risiken und Belastungen verursacht.

­

Es besteht ein erwarteter Nutzen für Personen mit derselben Krankheit oder Störung oder in demselben Zustand.

Bedeutung für Artikel 10: Aufgrund der gemachten Überlegungen folgern die Gutachter, dass die erwähnten Bedingungen auf die Situation der urteilsunfähigen spendenden Person übertragen werden können. Vorbereitende medizinische Massnahmen können demnach vorgenommen werden, auch wenn der tatsächliche oder mutmassliche Wille der Spenderin oder des Spenders nicht bekannt ist, wenn vier kumulative Bedingungen erfüllt sind: ­

Erstens müssen die vorbereitenden medizinischen Massnahmen für den Erfolg der Organentnahme und der anschliessenden Transplantation unerlässlich sein.

­

Zweitens dürfen die vorbereitenden medizinischen Massnahmen die Spenderin oder den Spender nur minimalen Risiken und Belastungen aussetzen.

­

Drittens muss die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung, der Vertrauensperson oder der nächsten Angehörigen vorliegen.

­

Viertens muss sich ein Nutzen für schwer kranke und auf ein Organ wartende Personen ergeben.

Die erste Bedingung trägt dem aussergewöhnlichen Kontext Rechnung, in dem die vorbereitenden medizinischen Massnahmen vorgenommen werden. Sie stellt eine zusätzliche Sicherheit für die Spenderin oder den Spender dar. Es ist Sache der Ärztinnen und Ärzte, die vorbereitende medizinische Massnahmen vornehmen wollen, die Notwendigkeit, die minimalen Risiken und Belastungen und den Nutzen dieser Massnahmen für andere Personen aufzuzeigen. Diese Bedingung erlaubt es, zusammen mit der zweiten Bedingung, die vorbereitenden medizinischen Massnahmen nach deren Art und Auswirkungen zu unterscheiden: «Heart Beating Donors»: Bei der Spenderin oder beim Spender mit noch schlagendem Herzen hält die medikamentöse Behandlung (vasoaktive Medikamente, Hormonbehandlung usw.) den Organismus somatisch am Leben. Diese Behandlung birgt im Prinzip keine Gefahren für die Spenderin oder den Spender. Allerdings wirkt sie dem natürlichen Sterbeprozess entgegen. Ohne solche medizinischen Massnahmen würde eine beträchtliche Anzahl an Patientinnen und Patienten, die auf dem Weg zum Tod sind, einem Multiorganversagen oder Kreislaufkollaps erliegen.

2340

Die künstliche Beatmung ist ebenfalls per se nicht gefährlich. Es existiert jedoch ein minimales Risiko, dass sich der Zustand der Patientin oder des Patienten stabilisiert und anschliessend sowohl die Atmung als auch der Kreislauf ohne mechanische Unterstützung weiterfunktionieren. In diesem Fall erreicht die Patientin oder der Patient nicht einen die Organentnahme ermöglichenden Zustand des Todes nach primärer Hirnschädigung, sondern fällt in einen dauernden vegetativen Zustand. Das Risiko, in einen dauernden vegetativen Zustand zu fallen, hängt sehr stark von der individuellen Situation der betroffenen Patientin oder des betroffenen Patienten und ihrem oder seinem pathologischen Zustand ab. Es ist daher Sache der zuständigen Ärztin oder des zuständigen Arztes, die Risiken für die Spenderin oder den Spender abzuschätzen und aufgrund deren oder dessen individueller Situation über den Einsatz von medizinischen Massnahmen zu entscheiden.

«Non Heart Beating Donors» : Bei der Spenderin oder beim Spender mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand schliessen die ersten beiden Bedingungen die Verabreichung von Medikamenten aus, die eine Gefahr für die Spenderin oder den Spender darstellen. Hier muss die Risikoanalyse ebenfalls in Abhängigkeit der besonderen Situation jeder Spenderin oder jedes Spenders erfolgen.

In keinem Fall berechtigt ist es, vor dem Tod eine arterielle Kanüle zu setzen, weil diese für die anschliessende Organentnahme nicht unabdingbar ist und sich zudem für die Patientin oder den Patienten als potenziell schmerzhaft oder unangenehm herausstellen kann.

Als Vergleich erlaubt zum Beispiel das Pilotprojekt für die Organspende nach irreversiblem Herzstillstand der Organisation Québec-Transplant die Verabreichung eines Antikoagulans, verbietet aber die Verabreichung eines Vasodilatators und die Setzung einer arteriellen Kanüle vor dem Tod.

Entscheidbefugnis der nächsten Angehörigen Die Vernehmlassungsvorlage beliess den nächsten Angehörigen den Entscheid über die Organentnahme, übertrug den Entscheid bezüglich der vorbereitenden medizinischen Massnahmen nach dem neuen Erwachsenenschutzrecht aber der «zur Vertretung im medizinischen Bereich berechtigten Person».

Das neue Erwachsenenschutzrecht (Art. 360­456 ZGB), das am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist, führt in Bezug auf medizinische
Massnahmen für verschiedene Bezugspersonen einer urteilsunfähigen Person ein verbindliches Vertretungsrecht in gesetzlich festgelegter Reihenfolge ein. Nach Artikel 378 ZGB sind die folgenden Personen der Reihe nach berechtigt, die urteilsunfähige Person zu vertreten und den vorgesehenen ambulanten oder stationären Massnahmen die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern: 1.

die in einer Patientenverfügung oder in einem Vorsorgeauftrag bezeichnete Person;

2.

die Beiständin oder der Beistand mit einem Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen;

3.

wer als Ehegatte, eingetragene Partnerin oder eingetragener Partner einen gemeinsamen Haushalt mit der urteilsunfähigen Person führt oder ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet;

4.

die Person, die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt und ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet; 2341

5.

die Nachkommen, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten;

6.

die Eltern, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten;

7.

die Geschwister, wenn sie der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten.

Die nächsten Angehörigen müssen ihre Entscheidung hinsichtlich der Vornahme einer medizinischen Behandlung auf dieselben, schon unter bisherigem Recht gültigen Kriterien des mutmasslichen Willens und des objektiven Wohls der betroffenen Person stützen.

In der Vernehmlassung wurde diese Differenzierung in der Entscheidbefugnis kritisiert und gefordert, dass der Entscheid zur Organentnahme und derjenige zu den vorbereitenden medizinischen Massnahmen durch den gleichen Personenkreis getroffen wird. Die Kritik ist berechtigt. Der Entscheid zur Organentnahme und der Entscheid bezüglich vorbereitender medizinischer Massnahmen sind sehr eng miteinander verbunden und deshalb von den gleichen Personen zu fällen. Es würde die Abläufe übermässig erschweren, wenn die anfragende Person die Zustimmung zur Organentnahme und die Zustimmung zu vorbereitenden medizinischen Massnahmen bei verschiedenen Personen einholen müsste.

Nach dem Transplantationsgesetz entscheiden die nächsten Angehörigen über eine Organentnahme, wenn die Spenderin oder der Spender keine diesbezügliche Erklärung abgegeben hat. Der Bundesrat hat in der Transplantationsverordnung festgelegt, dass diejenige Person zum Entscheid berechtigt ist, die mit der verstorbenen Person am engsten verbunden war. Dieses Prinzip der engen Verbundenheit wird nach wie vor als richtig erachtet und soll deshalb beibehalten werden: Das Entscheidungsrecht der nächsten Angehörigen beruht auf ihrer seelisch-geistigen Beziehung zur verstorbenen Person und auf ihrem Pietätsgefühl. Entsprechend der höchstpersönlichen Natur dieser Rechtssphäre muss für den Entscheid die Stärke der Verbundenheit mit der verstorbenen Person massgebend sein. Die Entscheidbefugnis ist somit richtigerweise derjenigen Person zuzuerkennen, die mit der verstorbenen Person am engsten verbunden war und die deshalb durch den Verlust am stärksten betroffen wurde. Dieses Prinzip soll auch bei den vorbereitenden medizinischen Massnahmen zur Anwendung gelangen: Wer der verstorbenen Person am engsten verbunden war, ist deshalb befugt, sowohl diesen Massnahmen als auch der Organentnahme zuzustimmen. Die Entscheidbefugnis bezüglich vorbereitender medizinischer Massnahmen im Hinblick auf eine Organentnahme richtet sich somit nicht nach dem Erwachsenenschutzrecht.

Zustimmung zur Organentnahme und Zustimmung
zu vorbereitenden medizinischen Massnahmen Im Zusammenhang mit diesen Fragen ist verschiedentlich argumentiert worden, eine Zustimmung der Spenderin oder des Spenders zur Organentnahme nach Artikel 8 Absatz 1 des Transplantationsgesetzes könne so interpretiert werden, dass sie auch die Einwilligung in die im Hinblick auf eine Transplantation erforderlichen medizinischen Massnahmen vor dem Tod beinhalte. Diese Argumentation trifft indessen nicht zu.

Das Gesetz verlangt in Artikel 10 ausdrücklich eine Zustimmung der Spenderin oder des Spenders zu vorbereitenden medizinischen Massnahmen. Die im Gesetz vorge2342

sehene Lösung unterscheidet damit sehr deutlich zwischen der Zustimmung zur Organspende (Art. 8) und der Zustimmung zu den vorbereitenden medizinischen Massnahmen (Art. 10), was ausschliesst, davon ausgehen zu können, die erstere umfasse implizit die zweite.

Die Zustimmung zur Organspende erstreckt sich gemäss geltendem Recht deshalb nicht auf die vorbereitenden medizinischen Massnahmen.

Schlussfolgerungen zu Artikel 10 Aufgrund der mit der geltenden Fassung von Artikel 10 des Transplantationsgesetzes verbundenen Unsicherheiten bezüglich des Vorgehens bei urteilsunfähigen Spenderinnen und Spendern erachten es die Gutachter als sinnvoll, diese Bestimmung zu präzisieren. Dem ist zuzustimmen. Artikel 10 des Transplantationsgesetzes soll deshalb mit einer Regelung bezüglich des Vorgehens im Fall der Urteilsunfähigkeit der Patientin oder des Patienten ergänzt werden.

Bezüglich der Unerlässlichkeit der vorbereitenden medizinischen Massnahmen und der damit verbundenen minimalen Risiken und Belastungen ist den Gutachtern auch darin zuzustimmen, dass bei Urteilsunfähigkeit der Spenderin oder des Spenders das Setzen einer arteriellen Kanüle vor dem Tod in keinem Fall berechtigt ist, weil diese für die anschliessende Organentnahme nicht unabdingbar ist.

Das Prinzip der engen Verbundenheit soll auch bezüglich der vorbereitenden medizinischen Massnahmen zum Tragen kommen. Zuständig für den Entscheid sind somit auch hier die nächsten Angehörigen nach den gleichen, in den Artikeln 36 der Transplantationsverordnung enthaltenen Bestimmungen. Das Transplantationsgesetz enthält diesbezüglich somit eine spezielle, vom Erwachsenenschutzrecht abweichende Regelung.

1.3.3

Finanzielle Absicherung der Lebendspende

Ausgangslage Mit Artikel 14 hat das Parlament eine Bestimmung in das Transplantationsgesetz aufgenommen, die sicherstellen soll, dass die Lebendspenderin oder der Lebendspender die finanziellen Belastungen der Spende nicht selber tragen muss.

Der aus dieser Bestimmung fliessende Anspruch der Lebendspenderin oder des Lebendspenders ist kein sozialversicherungsrechtlicher und die Versicherer erbringen somit auch keine sozialversicherungsrechtlichen Leistungen. Dies hat bei den Sozialversicherern anfänglich gewisse Irritationen ausgelöst. Dania Tremp24 erwähnt in ihrer Dissertation in diesem Zusammenhang, dass die Sozialversicherer bei den nach Artikel 14 des Transplantationsgesetzes geschuldeten Leistungen nicht in ihrer angestammten Rolle als Versicherer tätig sind. Sie führt weiter aus, dass als Konsequenz dieser neuen Rolle die Sozialversicherer der Spenderin oder dem Spender Leistungen schulden, die in ihren Leistungskatalogen nicht enthalten sind (z.B.

Reisekosten). Zudem sei das «Dual-fixe»-Finanzierungsmodell, das die Kranken-

24

Dania Tremp, 2010, Lebendspende in der Schweiz, insbesondere die finanzielle Absicherung des Spenders von Organen, Geweben oder Zellen, Zürich: Helbing Lichtenhahn, S. 137 f.

2343

kassen gemäss Bundesgesetz vom 18. März 199425 über die Krankenversicherung (KVG) zur Abgeltung stationärer Leistungen kennen, im Rahmen von Artikel 14 des Transplantationsgesetzes nicht anwendbar. Dieses Modell sieht vor, dass die Leistungen von den Krankenversicherern und den Kantonen nach einem im Voraus festgelegten Verteilschlüssel bezahlt werden. Gemäss Tremp muss der zuständige Versicherer der Empfängerin oder des Empfängers die stationären Behandlungskosten der Spenderin oder des Spenders vollumfänglich selber tragen.

Die Bestimmung hat in der Praxis zu verschiedenen Unsicherheiten und Problemen geführt. So hat sich eine uneinheitliche Praxis bezüglich der Entschädigung des Erwerbsausfalls der Spenderin oder des Spenders entwickelt. Zudem bestehen Unsicherheiten bezüglich der Frage, welcher Versicherer leistungspflichtig ist, wenn die Empfängerin oder der Empfänger stirbt. Schliesslich ist die Einforderung der Kosten für die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Spenderinnen und Spender mit Problemen und zusätzlichen Umtrieben behaftet. Mit einer Änderung dieser Bestimmung soll deshalb diesen Unsicherheiten und Problemen begegnet werden.

Trotz dieser Irritationen und Unsicherheiten kann festgehalten werden, dass es mit Artikel 14 gelungen ist, den gesetzgeberischen Willen, die Spenderin oder den Spender die finanziellen Belastungen der Spende nicht selber tragen zu lassen, umzusetzen.

Organ-Lebendspenden Bei Organspenden hat die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Lebendspenderinnen und Lebendspender lebenslang zu erfolgen. Die Nachkontrollen bei der Hausärztin oder beim Hausarzt erfolgen ein Jahr nach der Spende und dann alle zwei Jahre zeitlich unbegrenzt. Derzeit initiiert die Schweizerische Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern die Nachkontrollen, begleitet sie und wertet die in der Datenbank erfassten Laborergebnisse regelmässig aus. Wenn sich eine Gefahr abzeichnet, wird die Hausärztin oder der Hausarzt darauf hingewiesen und erhält eine Empfehlung. Beispielsweise bei Verdacht auf eine neu aufgetretene Mikroalbuminurie (Ausscheidung von geringen Mengen Eiweiss mit dem Urin) wird eine Behandlungsempfehlung oder ein Vorschlag abgegeben, ob und wie auf eine beobachtete Nierenfunktionsverschlechterung reagiert werden soll. So wurde bei einer Nierenspenderin
nach anfänglich perfektem Verlauf im siebten Jahr nach der Spende eine starke, aber asymptomatische Verschlechterung der Nierenfunktion beobachtet. Die Stiftung alarmierte den Hausarzt, der eine Abklärung einleitete. Als Ursache wurde eine Hydronephrose in der belassenen Niere festgestellt (neu aufgetretene Urinabflussstörung am pyeloureteralen Übergang). Nach chirurgischer Beseitigung der Engstelle normalisierte sich die Nierenfunktion der Spenderin wieder. Das Beispiel belegt eindrücklich, wie wichtig die zentral koordinierte Nachsorge durch ein Register ist.

Probleme bei der Einforderung der Kosten für die Nachbetreuung Der Umstand, dass im Zusammenhang mit der Nachsorge noch lange nach der Entnahme Kosten anfallen können, bringt es fast zwangsläufig mit sich, dass die Einforderung dieser Kosten mit Problemen und zusätzlichen Umtrieben behaftet ist.

Die Schweizerische Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern berich25

SR 832.10

2344

tet in diesem Zusammenhang von stark verzögerten oder ganz ausbleibenden Bezahlungen von Arztrechnungen durch die Versicherer.26 Der damit zusammenhängende Zeitaufwand sei riesig und wachse mit der Zahl der zu betreuenden Spenderinnen und Spender. Die dabei entstehenden Kosten stünden in keiner Proportion zur Höhe der geforderten einzelnen Arzthonorare (70­160 Fr.). Hauptgrund für die Probleme sei, dass die untersuchte Person (Organspenderin oder Organspender), auf die oder den die Rechnung lautet, nicht identisch ist mit der versicherten Person (Organempfängerin oder Organempfänger). Die Krankenversicherer erhalten deshalb Arztrechnungen für die Untersuchung von Personen, die oft bei ihnen gar nicht versichert sind.

Die Lösung des SVK Der Schweizerische Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer (SVK) hat versucht, diesen Problemen zu begegnen, indem er eine separate Tarifierung via TARMED initiiert hat, mit der die Hausarztkontrolle pauschal abgerechnet werden kann. Diese ist am 1. März 2009 in Kraft getreten. Letztlich kann diesen Problemen aber nur dadurch adäquat begegnet werden, dass die Versicherer verpflichtet werden, die Kosten der Nachbetreuung in Form einer einmaligen Pauschale zu entrichten. Ein erster Schritt in diese Richtung erfolgte auf Anfang 2012 ­ also nach Abschluss der Vernehmlassung ­ mit einem Vertrag zwischen dem Verband «H+ Die Spitäler der Schweiz» (H+) und dem SVK betreffend Fallabwicklung und Abgeltung von nicht durch das Fallpauschalensystem SwissDRG geregelten Leistungen im Zusammenhang mit der Transplantation solider Organe. Dieser Vertrag sieht für die Nachbetreuung der Lebendspenderinnen und Lebendspender eine einmalige Pauschale von 9500 Franken zugunsten der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern vor.

Mit diesem Vertrag, der nach Artikel 46 Absatz 4 KVG noch der Genehmigung durch den Bundesrat bedarf, sind die Probleme aber noch nicht endgültig gelöst: Der Vertrag gilt nur für die dem SVK angeschlossenen Krankenversicherer und somit nicht für alle Krankenversicherer. Dem SVK nicht angeschlossene Krankenversicherer können dem Vertrag jedoch unter Bezahlung einer Gebühr ebenfalls beitreten.

Der Vertrag gilt weiter nicht für die Invaliden-, die Militär- oder die Unfallversicherung. Die Schweizerische Stiftung zur
Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern hat mit diesem Vertrag keine Optionen, weitere Gelder bei den Versicherern nachzufordern, falls die geleistete Pauschale die Kosten der Nachsorge für eine OrganLebendspenderin oder einen Organ-Lebendspender nicht zu decken vermag. Der Vertrag gilt zudem nur für Leistungen, die ab dem 1. Januar 2012 erbracht werden.

Die im Transplantationsgesetz vorgeschlagene Lösung Mit der im Transplantationsgesetz vorgeschlagenen Lösung soll die Nachbetreuung aller Lebendspenderinnen und -spender sichergestellt werden. Somit sollen auch Spenden vor dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes sowie vor dem Inkrafttreten des Vertrags zwischen H+ und dem SVK am 1. Januar 2012 erfasst werden.

Erfasst werden sollen auch alle Lebendspenden zugunsten von Empfängerinnen und Empfängern, für die die nicht dem SVK angeschlossene Krankenversicherer, die Invaliden-, die Militär- oder die Unfallversicherung zuständig sind. In einem neuen Artikel 15a sollen deshalb alle Versicherer der Empfängerinnen und Empfänger 26

Gilbert T. Thiel, 2009, Das Schweizer Lebendspenderregister und die Krankenkassen, in: Schweizerische Ärztezeitung 2009; 90:8.

2345

verpflichtet werden, die Kosten für die Nachsorge von Organ-Lebendspenderinnen und -spendern in Form einer einmaligen Pauschale zu begleichen, deren Höhe durch den Bundesrat festgelegt wird (vgl. Ziff. 3.3.1). In die Berechnung der Pauschale sollen alle relevanten Kosten und damit auch die Registerführungskosten einbezogen werden. Die Verwaltung des Vermögens aus der Pauschale der Versicherer soll durch einen Fonds wahrgenommen werden. Es ist vorgesehen, dass der Bund die Hälfte der administrativen Kosten für die Führung des Registers der LebendspendeNachsorgestelle übernimmt. Sowohl der Bund wie auch die Versicherer haben ein Interesse, dass die Lebendspenderinnen und -spender optimal nachbetreut werden.

So soll sichergestellt werden, dass die Lebendspende-Nachsorgestelle die Nachbetreuung der Lebendspenderinnen und -spender im Sinne des Gesetzes wahrnehmen kann und die Auswertung der Registerdaten eine transparente Information über die Risiken einer Lebendspende ermöglicht.

Ob die Kosten verteilt auf viele Jahre anfallen oder in einem Mal geleistet werden, macht bezüglich ihrer Höhe keinen Unterschied. Durch die Leistung einer Pauschale kann die Kostenfrage für beide Seiten unmittelbar nach der Entnahme aber ein für alle Mal gelöst werden. So gesehen profitieren von einer solchen Regelung die Lebendspenderinnen und Lebendspender wie die zuständigen Versicherer.

Blut-Stammzellspenden Diese Regelung soll auch für die Spende von Blut-Stammzellen gelten. Die Vernehmlassungsvorlage hat die Spende von Blut-Stammzellen ausgeklammert, weil zu diesem Zeitpunkt die Nachsorge im Gegensatz zu Organ-Lebendspenden nicht lebenslang, sondern gemäss den Richtlinien der «World Marrow Donor Association» (WMDA) vier Jahre zu erfolgen hatte. Somit war eine gesetzliche Pauschallösung nicht vordringlich.

Nach neusten Erkenntnissen des «Worldwide Network for Blood and Marrow Transplantation» (WBMT) ­ der Dachorganisation aller Organisationen weltweit, die im Bereich der Blut-Stammzell- und Knochenmarktransplantation tätig sind ­ vom Juli 201227 hat die Nachsorge mindestens zehn Jahre zu erfolgen. Die WMDA hat ihre Richtlinien im November 2012 entsprechend angepasst. Diese Richtlinien werden per 1. Januar 2014 in Kraft treten und sollen mit einer Änderung der Transplantationsverordnung auch in der Schweiz Gültigkeit
erlangen.

Die zehnjährige Nachverfolgung des Gesundheitszustands von Spenderinnen und Spendern von Blut-Stammzellen wird von der Blutspende SRK Schweiz AG wahrgenommen; sie beginnt zum Zeitpunkt der Entnahme, erfolgt danach einen Monat, sechs Monate und ein Jahr nach der Spende, anschliessend in einem Zwei-JahresRhythmus.

Im ersten Jahr der Nachsorge fallen die meisten Kosten an: Dies deshalb, weil vier der insgesamt neun Nachsorgeuntersuchungen im ersten Jahr vorgenommen werden und eine davon eine ausführliche Blutbildbestimmung und eine ärztliche Untersuchung beinhaltet. Bei allen Nachsorgeuntersuchungen werden Daten mittels eines Fragebogens erhoben, die von einer medizinischen Fachperson geprüft und 27

J. P. Halter et al, Allogeneic hematopoietic stem cell donation: standardized assessment of donor outcome data ­ A WBMT consensus document, in: Bone Marrow Transplantation advance online publication, 9 July 2012; doi:10.1038/bmt.2012.119 (PMID: 22773129), und European Group for Blood an Marrow Transplantation (EBMT), EBTM News, August 2012, Data Management ­ Donor outcome follow up.

2346

anschliessend in die Datenbank eingegeben sowie statistisch ausgewertet werden.

Bei jeder Nachsorgeuntersuchung fallen somit beim Register administrative wie medizinische Leistungen an.

Je nach Wohnsitz der empfangenden und der spendenden Person übernimmt die Kosten für die Nachbetreuung ein Versicherer in der Schweiz oder sie werden dem entsprechenden Blut-Stammzellregister im Ausland in Rechnung gestellt. Es lassen sich die folgenden vier Spendekategorien unterscheiden: Kategorie

Wohnsitz Spender/in für Empfänger/in

Anzahl Spendende im Jahr 2011

Kostenübernahme der Nachverfolgung der spendenden Personen

Ort der Nachverfolgung

1

Schweiz für Schweiz (unverwandt)

5

Versicherer in der Schweiz

Schweiz

2

Schweiz für Ausland (unverwandt)

20

Ausland

Schweiz

3

Ausland für Schweiz (unverwandt)

118

Versicherer in der Schweiz

Ausland

4

Familiäre Spende (verwandt) in der Schweiz

74

Versicherer in der Schweiz

Schweiz

Auch in diesem Bereich gibt es seit Anfang 2012 einen neuen Vertrag zwischen H+ und dem SVK betreffend Fallabwicklung und Abgeltung von nicht durch SwissDRG geregelten Leistungen im Zusammenhang mit der Transplantation hämatopoietischer Stammzellen. Dieser Vertrag sieht für die Nachbetreuung der Blut-Stammzellspenderinnen und -spender eine einmalige Pauschale von 5000 Franken zugunsten der Blutspende SRK Schweiz AG vor. Auch dieser Vertrag bedarf gemäss Artikel 46 Absatz 4 KVG der Genehmigung durch den Bundesrat. Der Vertrag gilt ebenfalls nur für die dem SVK angeschlossenen Krankenversicherer und somit nicht für alle Krankenversicherer. Dem SVK nicht angeschlossene Krankenversicherer können dem Vertrag jedoch unter Bezahlung einer Gebühr ebenfalls beitreten. Der Vertrag gilt ebenfalls nicht für die Invaliden-, die Militär- oder die Unfallversicherung. Deshalb bedarf auch die Nachbetreuung im Bereich der Spende von BlutStammzellen einer Regelung im Transplantationsgesetz.

Organisatorische Aspekte der Aufgabenerfüllung Der Bundesrat strebt eine möglichst effektive und kostengünstige Organisationslösung für die Lebendspende-Nachsorgestelle und den Lebendspende-Nachsorgefonds an. Aus diesem Grund steht die Aufgabendelegation an bestehende und fachlich spezialisierte sowie professionell geführte Organisationen im Vordergrund.

Der Bundesrat zieht deshalb in Erwägung, die Aufgaben der LebendspendeNachsorgestelle an die beiden bestehenden Organisationen zu vergeben. Die Schweizerische Stiftung zur Nachbetreuung von Organlebendspendern soll somit wie bisher die Nachbetreuung der Organ-Lebendspenderinnen und -spender sicherstellen, während die Blutspende SRK Schweiz AG weiterhin für die Nachbetreuung von Blut-Stammzellspenderinnen und -spendern zuständig sein soll. Es wird abgeklärt, ob mittel- bis längerfristig vermehrt Synergien genutzt werden können. Da die 2347

Abläufe für die Ausführung der Aufgaben der Nachbetreuung in den beiden Organisationen sehr unterschiedlich sind, wird nicht eine vollständige Zusammenführung der Aufgabenerfüllung angestrebt. In Frage kommt jedoch die gemeinsame Nutzung gewisser Ressourcen, wie zum Beispiel die Informatik oder die Personalführung.

Auch für die Führung des Lebendspende-Nachsorgefonds bietet es sich aufgrund der besonderen Stellung der Versicherer (Trägerschaft, Finanzierung) und der Annahme, dass die Verwaltung des Fonds keine grossen Ressourcen bedingt, an, diese Aufgabe einer bestehenden Organisation zu übertragen. Dafür kommt in erster Linie die gemeinsame Einrichtung nach Artikel 18 KVG in Frage, die bereits heute einen Insolvenzfonds führt (vgl. Art. 22 der Verordnung vom 27. Juni 199528 über die Krankenversicherung sowie die Art. 49­53 des Entwurfs zu einem Krankenversicherungsaufsichtsgesetz29).

Dies hat den Vorteil, dass auf bestehenden Strukturen aufgebaut und vom Knowhow der gemeinsamen Einrichtung in der Vermögens- und Fondsverwaltung profitiert werden kann. Dadurch können die Verwaltungskosten tief gehalten werden. Diese Aufgabe und deren Finanzierung nach dem Transplantationsgesetz müssen jedoch strikte von den eigentlichen KVG-Aufgaben getrennt werden.

Eine Übersicht zum vorgesehenen Ablauf der Nachsorge von Lebendspenderinnen und -spendern ist in untenstehender Grafik ersichtlich: Daten- und Geldfluss bei der Nachsorge nach Lebendspenden

Aufgebot Termin

Organ-Spender/in

LebendspendeNachsorgestelle Register für OrganLebendspenden

Jährliche Subvention

Daten

Arzt/Ärztin

Zahlung

Blut- Urinproben Daten

Labor Transplantationszentrum

Zahlung

Meldung Spende an Fonds

Pauschalen

Daten zur Spender/in Zahlungen med.- und Labordaten

Entnahmezentrum

Bund Versicherer

Zahlung Fragebögen

Register für Blut-Stammzellspenden

Fonds

Rechnung für Pauschalen

Meldung Spende an Fonds Jährliche Subvention

BSZ-Spender/in

Die Nachsorge für die Spenderinnen und Spender nach Organ-Lebendspenden und der Spende von Blut-Stammzellen läuft unterschiedlich ab. Deshalb sind auch die Daten- und Geldflüsse unterschiedlich organisiert.

28 29

SR 832.102 BBl 2012 1999

2348

Bei der Organ-Lebendspende werden nach der Organentnahme die Daten zur Spenderin oder zum Spender nach erfolgter Einwilligung (Informed Consent) vom Transplantationszentrum an die Lebendspende-Nachsorgestelle weitergegeben und in das Register für Organ-Lebendspenden eingetragen. Die LebendspendeNachsorgestelle bietet die Spenderinnen und Spender alle zwei Jahre auf, damit sie sich bei einer Ärztin oder einem Arzt ihrer Wahl untersuchen lassen. Diese oder dieser veranlasst auch die nötigen Laboruntersuchungen. Die Untersuchungs- und Laborergebnisse werden an das Register weitergeleitet, das die Daten auswertet und die Arzt- und Laborkosten begleicht.

Nach einer Blut-Stammzellspende werden die Daten zur Spenderin oder zum Spender nach erfolgter Einwilligung vom Entnahmezentrum an das Register für BlutStammzellspenden weitergegeben und im Register für Blut-Stammzellspenden erfasst. Bis zum 30. Tag nach der Spende wird die Nachsorge der Spenderin oder des Spenders in der Regel durch eine Ärztin oder einen Arzt des Entnahmezentrums durchgeführt. Das Entnahmezentrum organisiert dabei auch die notwendigen Laboruntersuchungen und leitet die Untersuchungs- und Laborergebnisse an das Register weiter, das die Daten auswertet und die Kosten begleicht. Ab dem 30. Tag nach der Spende erfolgt die Nachsorge in der Regel mittels eines validierten Fragebogens, den die Nachsorgestelle direkt den Blut-Stammzellspenderinnen und -spendern zustellt und anschliessend auswertet.

Bei der neu vorgesehenen Lösung fliessen die von den Versicherern zum Zeitpunkt der Spende geleisteten Pauschalen in einen Fonds. Dieser leistet jährliche Ausschüttungen an die Lebendspende-Nachsorgestelle, welche die anfallenden Rechnungen der Ärztinnen und Ärzte sowie der Laboratorien begleicht. Zudem leistet der Bund jährliche Beiträge nach dem Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199030 direkt an die Lebendspende-Nachsorgestelle. Diese legt dazu jährlich eine Abrechnung über die effektiv nachgewiesenen Kosten vor. Die Differenz zwischen den im Voraus geschätzten und vom Bund geleisteten sowie den effektiven Kosten wird jeweils im Folgejahr durch den Bund ausgeglichen.

1.3.4

Weitere Themenbereiche

Definition der Transplantatprodukte Es hat sich gezeigt, dass die Definition der Transplantatprodukte in Artikel 3 Buchstabe d des Transplantationsgesetzes wenig praxistauglich ist und immer wieder Abgrenzungsprobleme stellt. Als Transplantatprodukte werden alle aus menschlichen oder tierischen Organen, Geweben oder Zellen hergestellten Produkte bezeichnet, die oder deren Herstellungsverfahren standardisierbar sind. Der Unterschied zwischen einem nativen Transplantat und einem Transplantatprodukt liegt in der standardisierten Herstellung. Native Transplantate werden nach der Entnahme in einigen wenigen Schritten aufbereitet und für die Transplantation vorbereitet.

Zunehmend werden Gewebe oder Zellen in standardisierten Verfahren zu einem effektiven Produkt verarbeitet. So gibt es vitale, einschichtige und mehrschichtige, allogene und autogene Hautstücke, die zum Teil in industriellen Verfahren in grossen Mengen hergestellt werden. Auch die Expansion von autogenen Knorpelzellen für die Heilung von Knorpelverletzungen und Arthrosen wird praktiziert. Transplan30

SR 616.1

2349

tatprodukte sind einerseits Produkte, die als solche standardisierbar und vom Hersteller bei der Heilmittelbehörde für eine Zulassung anzumelden sind und als verwendungsfertige Produkte angeboten werden. Andererseits sind es aber auch Produkte, deren Herstellungsverfahren standardisierbar ist. Dies ist beispielsweise bei der Herstellung von Produkten aus autogenen Zellen der Fall. Die EU hat nach dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes die Verordnung (EG) 1394/200731 erlassen. In dieser Verordnung sind unter anderem biotechnologisch bearbeitete Gewebe und Zellen definiert, die äquivalent zu den Transplantatprodukten gemäss Transplantationsgesetz sind. In der EU fallen diese Produkte unter die Definition der Arzneimittel und somit unter die entsprechende Gesetzgebung. Deshalb ist auch das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen32 betroffen. Dieses Abkommen beinhaltet auch biotechnologisch bearbeitete Gewebe und Zellen und ist im Rahmen der Bilateralen I für die Schweiz am 1. Juni 2002 in Kraft getreten. Daher sollten in der Schweiz die Transplantatprodukte beziehungsweise ihre Definition nicht wesentlich von der EU-Definition abrücken. Ansonsten würde eine Divergenz zur EU-Regelung entstehen, die sich negativ auf die gegenseitige Anerkennung von Inspektionen auswirken könnte.

Da die Definition in der EU-Verordnung sehr detailliert ist und bei Bedarf in der Schweiz rasch angepasst werden muss, ist eine Anpassung der Definition «Transplantatprodukte» im Transplantationsgesetz nicht sinnvoll. Eine Definition dieses Begriffs auf Verordnungsstufe hingegen erlaubt dem Bundesrat, den ändernden EU-Regelungen Rechnung zu tragen.

Strafbestimmungen Das Strafmass in den Artikeln 69 und 70 des Transplantationsgesetzes wird an die neuen Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches33 (StGB) angepasst.

1.3.5

Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens

Im Allgemeinen Der Bundesrat eröffnete am 29. Juni 2011 die Vernehmlassung zum Vorentwurf für die Teilrevision des Transplantationsgesetzes. Diese dauerte bis zum 21. Oktober 2011. 146 Vernehmlassungsadressaten wurden eingeladen, zum Entwurf Stellung zu nehmen. Von diesen haben 67 eine Stellungnahme eingereicht. Zudem sind 8 Stellungnahmen von Nichteingeladenen eingegangen. Unter den 75 eingegangenen Stellungnahmen befanden sich 25 Kantone, 5 politische Parteien, 2 gesamtschweizerische Dachverbände sowie 43 weitere Organisationen und interessierte Kreise. 67 Vernehmlassungsteilnehmende äusserten sich inhaltlich zur Vorlage; acht Adressa-

31

32

33

Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004, ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 121.

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen, SR 0.946.526.81.

SR 311.0

2350

ten, darunter drei Kantone, haben explizit auf eine inhaltliche Stellungnahme verzichtet.

In der Summe sprachen sich alle Vernehmlassungsteilnehmenden grundsätzlich für die Teilrevision des Transplantationsgesetzes aus und erachteten diese aus unterschiedlichen Gründen als notwendig. Mehr als die Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmenden hat die vorgeschlagenen Änderungen vorbehaltlos begrüsst. Keiner der Vernehmlassungsteilnehmenden lehnte die Teilrevision ab oder forderte eine grundlegende Überarbeitung des gesamten Entwurfs. Einige von ihnen brachten jedoch zusätzliche Anliegen vor. So wurden die finanzielle Absicherung der BlutStammzellspende und Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl der zur Verfügung stehender Organe gefordert (vgl. «Zusätzlich gewünschte Änderungen»). 12 der Befürwortenden äusserten zu einzelnen Aspekten gewisse Vorbehalte oder Bedenken, während 14 sich mit einzelnen Punkten nicht einverstanden erklärten.

Der Bundesrat hat am 28. Juni 2012 vom Ergebnisbericht34 Kenntnis genommen und das EDI beauftragt, eine Botschaft zur Teilrevision des Transplantationsgesetzes zu erarbeiten.

Nachfolgend werden die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zu den einzelnen Themenbereichen erläutert und die wesentlichen Einwände und kontrovers diskutierten Eckpunkte kurz dargestellt und ausgeführt, inwiefern diese bei der Überarbeitung des Vorentwurfes berücksichtigt worden sind.

Bezüglich Grenzgängerinnen und Grenzgängern Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens im Einzelnen Mit der vorgeschlagenen Umsetzung der Motion Maury Pasquier erklärte sich eine überwiegende Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden ohne Vorbehalt einverstanden. Einzig die SVP empfahl, auf die Änderung der Artikel 17 und 21 zu verzichten. Die Lage der wartenden Empfängerinnen und Empfänger mit Wohnsitz in der Schweiz sollte unverändert belassen, also nicht verschlechtert werden.

Überarbeitung des Vorentwurfes Angesichts der grossen Zustimmung wurde am Vernehmlassungsentwurf festgehalten. Neu hinzu kam einzig, dass auch Personen, die während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Schweiz Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe haben, den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt sind (vgl. Ziff. 1.3.1).

Bezüglich Organentnahme bei verstorbenen Personen Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens im
Einzelnen Die vorgeschlagenen Anpassungen der Artikel 8 und 10 wurden von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Sie sind der Meinung, dass mit den vorgeschlagenen Präzisierungen bestehende Unsicherheiten in der Praxis behoben sowie Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden können. Die Mehrheit der Zustimmenden stimmte dem Vorschlag vollumfänglich zu, während eine Minderheit gewisse Vorbehalte äusserte.

34

Der Vernehmlassungsbericht ist einsehbar unter www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Transplantationsmedizin > Gesetz > Teilrevision des Transplantationsgesetzes.

2351

Vier Vernehmlassungsteilnehmende, nämlich der Kanton Zürich, die Katholische Volkspartei der Schweiz, Kids Kidney Care und die Stiftung Patientenschutz SPO, äusserten sich kritisch zu den Änderungen in Artikel 10. Hauptsächlich wurden ethische Bedenken geäussert, insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten «Non-Heart-Beating-Donors». Aargau regte an, die Artikel 8 und 10 nochmals grundlegend zu überarbeiten und gesetzliche Grundlagen zu schaffen, aus denen transparent und für die breite Bevölkerung verständlich hervorgeht, in welchen Situationen Organentnahmen möglich sind. Dazu gehöre auch eine explizite gesetzliche Grundlage für die Organentnahme nach Herzstillstand. Die Grünen und Human Life International Schweiz lehnten die Änderungen beider Artikel ab. Sie befürchten eine Instrumentalisierung der urteilsunfähigen Patientinnen und Patienten mit aussichtsloser Prognose, da vorbereitende medizinische Massnahmen zur Organerhaltung bei der vorgeschlagenen neuen Regelung bereits vor dem Tod und ohne Kenntnis ihres mutmasslichen Willens vorgenommen werden dürften.

Überarbeitung des Vorentwurfes Da die vorgeschlagenen Änderungen von der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst wurden, wurde am Vorentwurf festgehalten. Neu hinzu kam einzig, dass die nächsten Angehörigen auch vorbereitenden medizinischen Massnahmen zustimmen können.

Eine explizite gesetzliche Grundlage für die Organentnahme bei Spenderinnen und Spendern mit irreversiblem Herz-Kreislauf-Stillstand ist nicht nötig. Wie bei Ziffer 1.3.2 erwähnt, gelten die erweiterte Zustimmungslösung, das Todeskriterium sowie die Voraussetzungen für die Durchführung von vorbereitenden medizinischen Massnahmen für «Non Heart Beating Donors» wie für «Heart Beating Donors» gleichermassen. Eine Instrumentalisierung der urteilsunfähigen Patientinnen und Patienten ist nicht zu befürchten, weil zu deren Sicherheit im Gesetz Bedingungen genannt werden, die erfüllt sein müssen, damit die Angehörigen vorbereitenden medizinischen Massnahmen zustimmen können.

Bezüglich Lebendspende Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens im Einzelnen Die Anpassungen bezüglich der finanziellen Absicherung der Lebendspenderinnen und -spender wurde von der überwiegenden Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden grundsätzlich als sinnvoll und notwendig eingeschätzt
und meist vorbehaltlos begrüsst. Die FDP und vier Versicherungsverbände lehnten einige der Neuregelungen ab. Sie machten insbesondere geltend, es widerspreche dem in der sozialen Krankenversicherung geltenden Wettbewerbsgedanken, mit der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern einen einzigen Leistungserbringer explizit zu erwähnen.

Einige der befürwortenden Vernehmlassungsteilnehmenden waren der Ansicht, dass zusätzlich zu den Organen auch die Übernahme der Kosten für die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Lebendspenderinnen und -spender von Blut-Stammzellen im Gesetz geregelt werden sollte.

Überarbeitung des Vorentwurfes An den Änderungen zur finanziellen Absicherung der Lebendspende wurde festgehalten und gemäss Vernehmlassungsvorlage für die Nachsorge von OrganLebendspenderinnen und -spendern eine einmalige Pauschale eingeführt. Die Höhe 2352

der Pauschale soll vom Bundesrat festgelegt und periodisch der Kostenentwicklung angepasst werden. Diese Pauschale soll auch für die Nachsorge von Spenderinnen und Spendern von Blut-Stammzellen vorgesehen werden, weil diese Nachsorge neu mindestens zehn Jahre zu erfolgen hat.

Des Weiteren soll eine zentrale Organisation die Daten der Nachuntersuchungen der Lebendspenderinnen und -spendern sammeln und auswerten. Nur so kann angesichts der kleinen Anzahl von Lebendspenderinnen und -spendern sichergestellt werden, dass allfällige Spätfolgen einer Lebendspende im Sinn einer Prävention frühzeitig bemerkt und behandelt werden können. Im Vergleich zum Vorentwurf wurde jedoch auf die explizite Nennung der Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern im Gesetz verzichtet und neu eine Lebendspende-Nachsorgestelle als Platzhalter vorgesehen (vgl. Ziff. 2).

Zudem wird die Pauschale nicht mehr direkt der Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern überwiesen. Für die Verwaltung der Vermögen aus den Pauschalen wird vielmehr ein Fonds vorgesehen.

Bezüglich weiterer Themenbereiche Die Aufhebung der Begriffsdefinition für Transplantatprodukte (Art. 3) und die Anpassungen der Strafbestimmungen (Art. 69 und 70) wurden von fast allen Vernehmlassungsteilnehmenden vorbehaltlos gutgeheissen. Die Vorlage wurde folglich in diesen Bereichen nicht geändert.

Zusätzlich gewünschte Änderungen Einige Vernehmlassungsteilnehmende wünschten zusätzlich zu den vorgeschlagenen Änderungen Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl zur Verfügung stehender Organe und Präzisierungen bezüglich der Finanzierung der Rekrutierungskosten von Spenderinnen und Spendern und der Koordinationsstrukturen in den Spitälern.

Organisatorische Massnahmen in den Spitälern sind nach dem Transplantationsgesetz jedoch Aufgabe der Kantone. Somit sind diese bereits nach geltendem Recht von den Kantonen zu finanzieren. Es bedarf hierfür keiner Präzisierung.

Angaben über Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl zur Verfügung stehender Organe finden sich unter Ziffer 1.8.

1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Der Bund übernimmt neu die Hälfte der administrativen Registerführungskosten für die Nachverfolgung des Gesundheitszustands von Lebendspenderinnen und Lebendspendern.

Im Hinblick auf die Schaffung einer Lebendspende-Nachsorgestelle entsteht für den Bund somit ein Mehraufwand. Diesen Mehraufwand beurteilt der Bundesrat angesichts der Bedeutung des Registers für die Nachbetreuung der Lebendspenderinnen und Lebendspender als gerechtfertigt. Detaillierte Angaben dazu sind unter Ziffer 3.1.1, Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende, zu finden.

2353

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

1.5.1

Europarat

Im Bereich der Transplantation menschlicher Organe, Gewebe und Zellen existieren verschiedene Empfehlungen des Ministerkomitees sowie der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Keine dieser Empfehlungen hat allerdings einen direkten Bezug zu den Themen der vorliegenden Revision.

1.5.2

Europäische Union

Der Umgang mit Organen, Geweben und Zellen zu Transplantationszwecken ist auf EU-Ebene relativ detailliert geregelt. Die Richtlinie 2010/53/EU35 legt Vorschriften für die Spende, Testung, Charakterisierung, Bereitstellung, Konservierung, den Transport und die Transplantation von Organen fest. Die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von zur Verwendung beim Menschen bestimmten menschlichen Geweben und Zellen sowie von Produkten, die aus diesen Geweben und Zellen hergestellt werden, regelt die Richtlinie 2004/23/EG36. Beide Richtlinien legen Qualitäts- und Sicherheitsstandards fest, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Technische Ausführungsvorschriften zur Richtlinie 2004/23/EG finden sich in den Richtlinien 2006/17/EG37 und 2006/86/EG38.

Die genannten Richtlinien betreffen keinen Bereich, der von bestehenden sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU geregelt wird. Eine Anpassung der schweizerischen Rechtsordnung an diese Richtlinien ist daher zurzeit nicht erforderlich. Zudem enthalten diese Richtlinien keine Regelungen, welche die Umsetzung der Motion Maury Pasquier oder die Anpassungen der Artikel 8 und 10 des Transplantationsgesetzes betreffen. Im Bereich der Lebendspende allerdings, schreibt die Richtlinie 2010/53/EU für Organe die Führung eines Registers vor. Mit dieser Vorlage wird ein solches Register geschaffen. Insofern ist die Schweiz in diesem Punkt mit dieser Richtlinie bereits kompatibel.

35

36

37

38

Richtlinie 2010/53/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe, ABl. L 207 vom 6.8.2010, S. 14.

Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. L 102 vom 7.4.2004, S. 48.

Richtlinie 2006/17/EG der Kommission vom 8. Februar 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich technischer Vorschriften für die Spende, Beschaffung und Testung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. L 38 vom 9.2.2006, S. 40.

Richtlinie 2006/86/EG der Kommission vom 24. Oktober 2006 zur Umsetzung der Richtlinie 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, der Meldung schwerwiegender Zwischenfälle und unerwünschter Reaktionen sowie bestimmter technischer Anforderungen an die Kodierung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen, ABl. L 294 vom 25.10.2006, S. 32.

2354

1.6

Umsetzung

1.6.1

Geplante Umsetzung

Die Vorlage beinhaltet verschiedene Aspekte, die auf Verordnungsstufe konkretisiert und umgesetzt werden müssen.

In Bezug auf die Nachverfolgung des Gesundheitszustands von Lebendspenderinnen und -spendern sind die anrechenbaren medizinischen Kosten sowie die anrechenbaren Registerführungskosten, die Höhe der Pauschale der Versicherer sowie der Zeitpunkt, in dem die Pauschale und der Beitrag des Bundes fällig werden, auf Verordnungsstufe festzulegen (Art. 15a Abs. 4). Bei der Festlegung der Pauschale werden die Kosten der medizinischen Untersuchungen, die Kosten der Laboruntersuchungen, der Aufwand für die Leistungen der Lebendspende-Nachsorgestelle, die Lebenserwartung der Spenderinnen und Spender, die Häufigkeit der medizinischen Kontrollen sowie die Anlageerträge und Verwaltungskosten berücksichtigt. Weiter kann der Bundesrat die Aufgaben der Lebendspende-Nachsorgestelle Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts übertragen (Art. 54 Abs. 2 Bst. a).

Schliesslich wird die Definition des Begriffs «Transplantatprodukte» neu auf Verordnungsstufe geregelt (Art. 3).

1.6.2

Prüfung der Vollzugstauglichkeit im vorparlamentarischen Verfahren

Die Änderungen bezüglich der Nachverfolgung des Gesundheitszustands von Lebendspenderinnen und -spendern haben die wesentlichsten Änderungen im Vollzug zur Folge. So führt neu die Lebendspende-Nachsorgestelle ein Register über Personen, die Organe oder Blut-Stammzellen zu Lebzeiten gespendet haben. Die Lebendspende-Nachsorgestelle muss diese Personen regelmässig zu Nachsorgeuntersuchungen aufbieten und die Resultate wissenschaftlich auswerten. Dazu wurden im Vorfeld der geplanten Neuregelung verschiedene Abklärungen getätigt, die zum Schluss kamen, dass diese Aufgabe derzeit von den bestehenden Organisationen, d.h. der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern sowie der Blutspende SRK Schweiz AG für Blut-Stammzellspenderinnen und -spender, am effektivsten und kostengünstigsten wahrgenommen werden kann (vgl.

Ziff. 2, Erläuterungen zu den Art. 15a­15c).

1.6.3

Geplante Evaluation des Vollzugs

Der Vollzug und die Wirkungen der vorliegenden Gesetzesänderung sind wissenschaftlich zu evaluieren (Art. 55 des Transplantationsgesetzes). Zu prüfen sein wird namentlich, wie sich die Zahl der Personen auf der Warteliste entwickelt, die infolge Erfüllung der Motion Maury Pasquier den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt sind.

2355

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die Motion Maury Pasquier (08.3519) wird mit der Änderung der Artikel 17 und 21 des Transplantationsgesetzes (vgl. Ziff. 1.3.1) erfüllt. Die Motion ist deshalb abzuschreiben.

1.8

Exkurs: Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz

Neben der Teilrevision des Transplantationsgesetzes legt der Bundesrat einen Bericht39 vor, in dem er Lösungen vorschlägt, um das Problem des Organmangels in der Schweiz anzugehen. Er erfüllt damit die Postulate Gutzwiller 10.3703 «Für mehr Organspender», Amherd 10.3701 «Widerspruchsmodell bei Organentnahmen» und Favre 10.3711 «Organspende: Evaluierung der Widerspruchslösung».

In dem Bericht prüft der Bundesrat Massnahmen, welche die Zahl der zur Verfügung stehenden Organe erhöhen könnten. Für diese Prüfung wurden die wissenschaftliche Literatur und erfolgreiche ausländische Modelle analysiert. Im Zentrum stand dabei stets die nachgewiesene Wirkung einer Massnahme auf die Organspenderate. Im Bericht werden aber nicht nur die in den Postulaten konkret genannten Massnahmen geprüft, es werden darüber hinaus Erfahrungen aus jenen Ländern beschrieben, die ihre Spenderaten beträchtlich steigern konnten. Besonders wichtig war hierbei Spanien, da Spanien oft als Vorzeigemodell genannt wird.

1.8.1

Prüfung der Postulatsanliegen

Mit Blick auf die Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe wurden die folgenden Postulatsanliegen untersucht: ­

Einführung der Widerspruchslösung (anstelle der heute geltenden Zustimmungslösung);

­

Etablierung eines nationalen Spenderegisters;

­

Vermerk des Spendewillens auf der Versichertenkarte oder dem Führerausweis;

­

Verbesserung der Information und der Ausbildung des Medizinalpersonals.

Zentrales Anliegen der Postulate war es, zu prüfen, ob die Einführung der Widerspruchslösung zu mehr Organspenden führt. Der Bericht zeigt, dass die Widerspruchslösung für die Steigerung der Spenderate nicht ausschlaggebend ist. Ein Beispiel dafür ist Spanien, wo die Einführung der Widerspruchslösung im Jahr 1979 keinen Einfluss auf die Spenderate hatte. Erst als 10 Jahre später eine umfassende Reorganisation des Organspendewesens eingeleitet wurde, stieg die Spenderate kontinuierlich auf einen weltweit unerreichten Stand. Diese Reorganisation in 39

Der Bericht «Prüfung von Massnahmen zur Erhöhung der Anzahl verfügbarer Organe zu Transplantationszwecken in der Schweiz» kann eingesehen werden unter www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Transplantationsmedizin > Rechtliche Grundlagen > Bericht in Erfüllung parlamentarischer Vorstösse.

2356

Spanien umfasste insbesondere Änderungen bei der Koordination der Organspende in den Spitälern. Zudem wurden die lokale, regionale und nationale Ebene miteinander vernetzt und die Weiterbildung ausgebaut. Auch das Beispiel Schweiz bestätigt, dass die Widerspruchslösung keine Garantin für eine Steigerung der Spenderate ist: Sie galt vor dem Transplantationsgesetz in den meisten Kantonen40, hat dort aber seinerzeit nicht zu höheren Spenderaten geführt als in Kantonen mit der erweiterten Zustimmungslösung. Mit dem Tessin wies ein Kanton mit der Zustimmungslösung die höchste Spenderate aus. Auch die Nationale Ethikkommission für Humanmedizin (NEK-CNE) rät in einer Stellungnahme vom März 2012 insbesondere aufgrund einer Gefährdung der Persönlichkeitsrechte von einer Einführung der Widerspruchslösung ab. Sie empfiehlt dem Bund, seine Bemühungen und Ressourcen auf Massnahmen zu konzentrieren, die einen nachweislich positiven Effekt haben und ethisch unbedenklich sind. Aufgrund dieser Erkenntnisse will der Bundesrat die geltende Zustimmungslösung beibehalten.

Die Analyse der wissenschaftlichen Literatur und der Ländervergleich zeigen, dass auch die Einführung eines Spenderegisters oder der Eintrag des Spendewillens auf der Versichertenkarte oder dem Führerausweis keine belegbare Wirkung auf die Spenderate hat. Es gibt ausserdem Gründe, namentlich bezüglich des KostenNutzen-Verhältnisses und der Praktikabilität, die gegen eine Einführung dieser Massnahmen sprechen.

Demgegenüber muss im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Organen der vorgeschlagenen Massnahme Verbesserung und Finanzierung der Information und der Ausbildung des Medizinalpersonals eine grosse Bedeutung beigemessen werden. So ist eine gute Ausbildung wichtig, damit potenzielle Spenderinnen und Spender in den Spitälern entdeckt, gemeldet und optimal betreut werden können. Zudem ist erwiesen, dass ein professionell geführtes Gespräch mit den Angehörigen deren Entscheidung für oder gegen eine Spende günstig beeinflussen kann. Dabei beabsichtigt der Bundesrat, grundsätzlich nichts an der bestehenden Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen mit Schwergewicht bei den Kantonen zu ändern.

1.8.2

Massnahmen zur Steigerung der Organspende

Da weder die Widerspruchslösung noch ein Spenderegister oder der Spendewille auf der Versichertenkarte oder dem Führerausweis den gewünschten Effekt garantieren, hat der Bundesrat geprüft, wo und wie die Anzahl verfügbarer Organe effektiv gesteigert werden kann. Die Analyse der Situation weltweit zeigt, dass mit isolierten Massnahmen allein die Spenderate nicht dauerhaft erhöht werden kann. Hingegen konnten Länder wie Spanien, die USA, Grossbritannien oder Österreich ihre Spendezahlen dadurch beachtlich steigern, dass sie Massnahmen sinnvoll gebündelt und gezielt in einem Aktionsplan umgesetzt haben. In den Details unterscheiden sich diese Aktionspläne von Land zu Land, aber alle betonen die Wichtigkeit von Massnahmen auf organisatorischer Ebene. Ähnlich wie bei der Reorganisation in Spanien, investieren diese Länder in die Strukturen und Prozesse im Bereich der Organspende und analysieren und optimieren die Situation fortwährend. Auch die Schweiz verfügt auf organisatorischer Ebene bereits über gute Ansätze. So wurden nach 40

Kantone mit Widerspruchslösung: AG, AI, AR, BE, BL, BS, FR, GE, GR, LU, NE, NW, SG, TG, VD, VS, ZH.

2357

spanischem Vorbild Netzwerke gegründet, Koordinationsstellen geschaffen und in die Qualität der Ausbildung investiert. Bisher zeigten sich dadurch aber kaum oder nur lokal begrenzte Effekte auf die Spenderate. Dies lässt sich teilweise auf die kurze Anwendungsdauer der Massnahmen zurückführen. Die in der Schweiz im Vergleich mit den erwähnten Ländern immer noch deutlich tiefere Spenderate und die grossen regionalen Unterschiede bei der Zahl gemeldeter Spenderinnen und Spender deuten aber darauf hin, dass die bisher eingeleiteten Massnahmen nicht in optimaler Weise aufeinander abgestimmt sind und weiteres Optimierungspotenzial vorhanden ist. Im Rahmen des Berichts wird vorgeschlagen, unter anderem Massnahmen in folgenden Bereichen zu prüfen und zu klären: Aufgaben und Kompetenzen der Lokalen Koordination (Spitalebene), rechtliche Verankerung und Aufgaben der Netzwerke (regionale Ebene), Schaffung einer Nationalen Organspendestelle (nationale Ebene), Ausbildung des medizinischen Personals, Wirkungsüberprüfung und daraus abgeleitete Verbesserungen des Organspendewesens, lückenlose Finanzierung der Organspende.

1.8.3

Ein Aktionsplan für die Schweiz

Um das oben erwähnte Optimierungspotenzial zu bündeln und fokussiert umzusetzen, lanciert der Bundesrat Anfang 2013 einen Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen», dies in enger Zusammenarbeit mit den Akteuren, insbesondere den Kantonen, mit dem Comité National du Don d'Organes (CNDO) und den Spitälern. Das CNDO setzt sich für die Belange der Organspende ein. Diese Organisation ist seit 2009 in Swisstransplant integriert. Das CNDO besteht aus Vertreterinnen und Vertretern der sechs Spendenetzwerke, einer lokalen Koordinationsperson, einer Vertretung des Intensivpflegepersonals und einer für die Ausbildung verantwortlichen Person. Der Aktionsplan hat zum Ziel, die Rate verstorbener Spenderinnen und Spender von gegenwärtig rund 13 auf 20 Spenderinnen und Spender pro Million Einwohnerinnen und Einwohner zu steigern. Damit würde die Schweiz im europäischen Vergleich zu jenen Ländern gehören, die eine überdurchschnittliche Spenderate aufweisen. Dabei soll das im Transplantationsgesetz verankerte Prinzip der Neutralität des Staates bestehen bleiben: Es soll also nicht für die Organspende geworben, vielmehr soll das bestehende Potenzial an Spenderinnen und Spendern optimal ausgeschöpft werden.

In einer ersten Etappe des Aktionsplans sollen im Jahr 2013 unter Federführung des BAG die notwendigen Schwerpunkte zusammen mit den Akteuren festgelegt und die konkrete Umsetzung geplant werden. In dieser Etappe sollen auch die Erkenntnisse aus der Studie «Swiss Monitoring of Potential Donors» (SwissPODStudie) einfliessen. Swisstransplant hat am 9. Januar 2013 der Öffentlichkeit einen Bericht zu dieser Studie vorgestellt41. Gemäss Swisstransplant werden detaillierte Auswertungen bis Ende 2013 zur Verfügung stehen. Die SwissPODStudie ist eine prospektive Kohortenstudie, die sämtliche Todesfälle auf allen Intensiv- und vielen Notfallstationen der Schweizer Spitäler untersucht und den Spendeprozess in den jeweiligen Spitälern evaluiert.

41

Der Bericht kann eingesehen werden unter www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Transplantationsmedizin > Spenden > SwissPOD-Studienbericht.

2358

In einer zweiten Etappe 2014­2017 sollen die Schwerpunkte aus dem Aktionsplan umgesetzt werden. Es wird sich erst in dieser Etappe weisen, ob im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans eine Revision des Transplantationsgesetzes nötig wird.

Eine Zusammenlegung mit der laufenden Teilrevision ist deshalb nicht möglich. Die Anliegen der Teilrevision ­ die Umsetzung der Motion Maury Pasquier, die Beseitigung von Unklarheiten im Bereich der Organentnahme bei verstorbenen Personen (Zeitpunkt der Anfrage an die Angehörigen und vorbereitende medizinische Massnahmen) und die Verbesserung der finanziellen Absicherung der Lebendspende ­ sollen zügig umgesetzt werden.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Änderung des Transplantationsgesetzes

Art. 3 Bst. d Der geltende Artikel 3 Buchstabe d definiert den Begriff «Transplantatprodukte».

Transplantatprodukte sind demnach aus menschlichen oder tierischen Organen, Geweben oder Zellen hergestellte Produkte, die oder deren Herstellungsverfahren standardisierbar sind, wie zum Beispiel die Expansion von autogenen Knorpelzellen für die Heilung von Knorpelverletzungen und Arthrosen (Autogene ChondrozytenTransplantation, ACT). Diese sehr allgemein formulierte Definition soll aufgehoben und neu auf Verordnungsstufe geregelt werden (vgl. Ziff. 1.3.4).

Art. 8 Abs. 3bis (neu) Um jegliche Unsicherheiten in Bezug auf den Zeitpunkt der Anfrage an die nächsten Angehörigen auszuschliessen, soll in einem neuen Absatz 3bis festgehalten werden, dass die Anfrage an die nächsten Angehörigen und deren Zustimmung zur Entnahme erfolgen kann, nachdem entschieden worden ist, die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen. Dieser Zeitpunkt ergibt sich daraus, dass vorher alle ärztlichen Bemühungen der Lebensrettung der Patientin oder des Patienten dienen. Nach diesem Zeitpunkt sind alle diesbezüglichen Bemühungen hoffnungslos, weshalb es sich rechtfertigt, die Frage nach einer möglichen Organentnahme zu stellen und zu klären, auch wenn die Patientin oder der Patient noch nicht verstorben ist.

Art. 10

Vorbereitende medizinische Massnahmen

Artikel 10 des Transplantationsgesetzes soll mit einer Regelung bezüglich des Vorgehens im Fall der Urteilsunfähigkeit der Patientin oder des Patienten ergänzt werden.

Absatz 2 hält zunächst fest, dass bei fehlender Zustimmung der spendenden Person die nächsten Angehörigen vorbereitenden medizinischen Massnahmen zustimmen können, wenn dies dem mutmasslichen Willen der spendenden Person entspricht.

Der mutmassliche Wille entspricht dem Willen, den die Spenderin oder der Spender wahrscheinlich äussern würde, wäre sie oder er noch urteilsfähig.

Lässt sich der mutmassliche Wille der spendenden Person nicht eruieren, so können die nächsten Angehörigen gemäss Absatz 3 vorbereitenden medizinischen Massnahmen zustimmen, wenn diese für eine erfolgreiche Transplantation von Organen, Geweben oder Zellen unerlässlich sind und für die spendende Person nur mit mini2359

malen Risiken und Belastungen verbunden sind. Mit diesem Absatz soll die liberale Interpretation des objektiven Wohls der Spenderin oder des Spenders im Transplantationsgesetz verankert werden.

Mit Absatz 5 soll in Analogie zu Artikel 8 Absatz 4 festgehalten werden, dass vorbereitende medizinische Massnahmen unzulässig sind, wenn keine nächsten Angehörigen vorhanden oder erreichbar sind. Ein Handeln durch die Ärztin oder den Arzt im wohlverstandenen Interesse der Spenderin oder des Spenders kann hier nicht in Frage kommen. Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass die nächsten Angehörigen nicht kontaktiert werden können, einer Organentnahme verboten. Dieselbe Argumentation muss folgerichtig für die im Hinblick auf eine solche Organentnahme vorgenommenen vorbereitenden medizinischen Massnahmen angewendet werden.

In Ergänzung zu Artikel 8 Absatz 3bis und in Übereinstimmung mit dieser Bestimmung, regelt Absatz 4 schliesslich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die nächsten Angehörigen solchen Massnahmen zustimmen können. Auch hier ist somit der Zeitpunkt massgebend, in dem entschieden wird, die lebenserhaltenden Massnahmen abzubrechen.

Hat die Spenderin oder der Spender eine Vertrauensperson bezeichnet, so tritt diese an die Stelle der nächsten Angehörigen (Abs. 8).

Die Absätze 1, 6 und 7 entsprechen dem geltenden Recht.

Art. 13 Abs. 2 Bst. a Die Änderung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a betrifft nur den französischen und italienischen Text.

In der französischen Originalfassung des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin42 wird beim Begriff «Belastungen» nicht von «fardeaux», wie im bisherigen französischen Text des Transplantationsgesetzes, sondern von «contraintes» gesprochen (Art. 17 Abs. 2 Bst. ii des Übereinkommens). Es ist deshalb angebracht, die gleiche Terminologie auch in Artikel 13 des Transplantationsgesetzes zu verwenden.

Dies gilt analog auch für den italienischen Text. In der italienischen Übersetzung des Übereinkommens wird der Begriff «costrizione» verwendet. Deshalb wird auch der italienische Text von Artikel 13 entsprechend angepasst.

Art. 14 Abs. 2 Bst. b und Abs. 2bis (neu) Der Versicherer, der ohne Lebendspende die Kosten für die Behandlung der Krankheit der Empfängerin oder des Empfängers zu tragen hätte, übernimmt nach geltenden Recht eine angemessene Entschädigung
für den Erwerbsausfall oder anderen Aufwand, welcher der spendenden Person im Zusammenhang mit der Entnahme entsteht.

Im Bereich der Krankenversicherung wird der Spenderin oder dem Spender der Erwerbsausfall voll ersetzt (100 % des Lohnes einschliesslich Anteil am 13. Monatslohn und Sozialabgaben). Im Bereich der Invaliden-, der Militär- und der Unfall42

Übereinkommen vom 4. April 1997 zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) SR 0.810.2.

2360

versicherung wird der Erwerbsausfall entsprechend den Taggeldregelungen dieser Versicherungszweige zu 80 Prozent ersetzt43. Diese Praxis ist die Folge der Formulierung «angemessene Entschädigung» im geltenden Artikel 14. Eine unterschiedliche Praxis bezüglich der Höhe des Erwerbsausfalls sollte vermieden werden. Es ist nicht einsehbar, weshalb der Spenderin oder dem Spender bei Zuständigkeit der Invaliden-, Militär- oder Unfallversicherung 20 Prozent ihres oder seines Erwerbsausfalls ungedeckt bleiben sollen. Der Begriff «angemessen» soll deshalb in Absatz 2 Buchstabe b gestrichen werden.

Mit dem Versicherer ist nach dem Gesetzestext jeder Versicherungszweig gemeint, der ohne Lebendspende die Kosten für die Behandlung der Krankheit der Empfängerin oder des Empfängers zu tragen hätte. Der Begriff der «Krankheit» könnte indessen so missverstanden werden, dass nur die Krankenversicherung gemeint ist. Um in dieser wichtigen Frage Unsicherheiten zu vermeiden, soll deshalb der Begriff der «gesundheitlichen Beeinträchtigung» im Gesetz verankert werden. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung kann in Übereinstimmung mit den Artikeln 3 und 4 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200044 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) eine Krankheit oder die Folge eines Unfalls sein. Zuständiger Versicherer ist deshalb neben der Krankenversicherung auch die Invaliden-, Militär- oder Unfallversicherung.

In Buchstabe b soll zudem das Wort «oder» durch «und» ersetzt werden, um klarzustellen, dass jeglicher Aufwand zu ersetzen ist.

In der Praxis hat sich verschiedentlich die Frage gestellt, welcher Versicherer nach dem geltenden Artikel 14 leistungspflichtig ist, wenn die Empfängerin oder der Empfänger stirbt. In einem solchen Fall untersteht sie oder er nicht mehr den obligatorischen Versicherungen oder der Versicherungspflicht nach KVG, und ihre oder seine Versicherungsverhältnisse mit der Kranken-, Invaliden-, Unfall- oder Militärversicherung und damit auch die entsprechenden Versicherungsdeckungen enden.

Weil in diesem Fall kein neuer Versicherer an die Stelle des alten tritt, würde die Spenderin oder der Spender letztlich die Kosten selber tragen müssen. Eine solche Konsequenz würde indessen nicht Sinn und Zweck von Artikel 14 entsprechen. Der zuletzt zuständige Versicherer soll deshalb weiterhin
für die Kosten aufkommen, auch wenn das Versicherungsverhältnis zur Empfängerin oder zum Empfänger endet. Dies soll mit einer entsprechenden Präzisierung in einem neuen Absatz 2bis klargestellt werden.

Art. 15a (neu)

Kostenübernahme im Zusammenhang mit der Nachverfolgung des Gesundheitszustands

Um den unter Ziffer 1.3.3 geschilderten Problemen bezüglich der Einforderung der Kosten für die Nachsorge der Lebendspenderinnen und Lebendspender zu begegnen, sollen die Versicherer verpflichtet werden, diese Kosten in Form einer einmaligen Pauschale an einen Lebendspende-Nachsorgefonds zu entrichten, der seinem Zweck zufolge Gelder verwaltet, die zur medizinischen Nachbetreuung von Lebendspenderinnen und Lebendspendern zur Verfügung gestellt werden (Abs. 2).

43

44

Art. 17 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (SR 832.20) und Kreisschreiben über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung (KSME), E 7 Ziff. 1030.2.2.

SR 830.1

2361

In dieser Pauschale enthalten sind einerseits die medizinischen Kosten für die Nachsorge der Spenderinnen und Spender (Abs. 1 Bst. a): Dazu gehören die Kosten der medizinischen Untersuchungen, der Laboruntersuchungen sowie der medizinischen Leistungen des Registers nach Artikel 15c. Die medizinischen Leistungen des Registers umfassen die ärztliche Beurteilung der Nachsorgeresultate. Daneben fallen andererseits aber auch administrative Kosten für die Führung des LebendspendeNachsorgeregisters an. Dazu gehören die Lohnkosten des administrativen Personals sowie die Kosten für die Infrastruktur (Miete, EDV, Material, Telefon und Porto).

Weil sowohl die Versicherer als auch der Bund ein Interesse daran haben, dass die Lebendspende-Nachsorgestelle ihre wichtigen Dienstleistungen im Bereich der Nachbetreuung der Spenderinnen und Spender gut wahrnimmt, rechtfertigt sich die Übernahme der Registerführungskosten durch die Versicherer und den Bund je zur Hälfte (Abs. 1 Bst. b und Abs. 3). Die Versicherer entrichten ihren Anteil an den Registerführungskosten ­ gleich wie die medizinischen Kosten ­ in Form einer einmaligen Pauschale an den Lebendspende-Nachsorgefonds (Abs. 2). Der Bund leistet seinen Anteil an den Registerführungskosten in Form von jährlichen Beiträgen an die Lebendspende-Nachsorgestelle auf der Basis der für das betreffende Jahr zu erwartenden Kosten (Abs. 3). Dieses unterschiedliche Vorgehen bezüglich der Kostentragung ergibt sich daraus, dass nach Artikel 23 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199045 Finanzhilfen und Abgeltungen frühestens ausbezahlt werden dürfen, wenn und soweit Aufwendungen unmittelbar bevorstehen.

Der Bund übernimmt die Hälfte der administrativen Kosten für die Führung des Registers nur dann, wenn diese nicht anderweitig gedeckt werden. Eine solche Konstellation kann im Rahmen des internationalen Austauschs von Blut-Stammzellen vorliegen: Bei einer Schweizer Spende für eine Patientin oder einen Patienten im Ausland wird die in der Schweiz erfolgende Nachbetreuung der spendenden Person vollumfänglich durch die vom Ausland bezahlte Pauschale gedeckt; der Anteil des Bundes an den Registerführungskosten entfällt somit. In diesem Fall gibt es auch keine Kostenübernahme durch einen Schweizer Versicherer: Weil die Spende nicht zugunsten einer empfangenden Person in der
Schweiz erfolgt, gibt es auch keinen Versicherer, der ohne Lebendspende die Kosten für die Behandlung der Krankheit der Empfängerin oder des Empfängers zu tragen hätte.

Bei einer ausländischen Spende für eine Patientin oder einen Patienten in der Schweiz erfolgt die Nachbetreuung im Ausland. In diesem Fall entfallen bezüglich der Registerführungskosten sowohl der Anteil des Bundes wie auch derjenige der Versicherer. Nach Artikel 15a werden solche Kosten nur für die Führung des Registers der Lebendspende-Nachsorgestelle übernommen. Erfolgt die Nachbetreuung im Ausland kann dafür keine Pauschale berechnet werden; der Bundesrat wird die Pauschale in diesem Fall deshalb entsprechend des internationalen üblichen Betrages festzulegen haben.

Die Höhe der Pauschale wird durch den Bundesrat festgelegt (Abs. 4 Bst. a). Für deren Berechnung werden die Lebenserwartung der Spenderinnen und Spender, die Häufigkeit der medizinischen Kontrollen, die relevanten Kosten, zu denen namentlich auch die Verwaltungskosten des Fonds gehören, die Erträge aus der Anlage der Fondsmittel sowie eine allenfalls entstandene oder sich abzeichnende Über- oder Unterdeckung des Fonds zu berücksichtigen sein (Abs. 5). Die Pauschale wird periodisch der Kostenentwicklung angepasst. Der Bundesrat legt zudem den Zeit45

SR 616.1

2362

punkt fest, in dem die Pauschale und der Beitrag des Bundes fällig werden (Abs. 4 Bst. b). Dies ermöglicht den Versicherern, sich darauf einzustellen, ab wann sie ihrer Zahlungspflicht nachzukommen haben. Eine detaillierte Beschreibung der Kosten und deren Auswirkungen auf den Bund und die Versicherer findet sich unter den Ziffern 3.1.1, Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende, und 3.3.1.

Art. 15b (neu)

Lebendspende-Nachsorgefonds

Für die Verwaltung des Vermögens aus den Pauschalen der Versicherer wird eine Fondslösung vorgesehen (Abs. 1). Der Fonds verwaltet die angesammelten Vermögen für die Nachsorge der Lebendspenderinnen und Lebendspender von Organen und Blut-Stammzellen ­ soweit nötig nach unterschiedlichen Grundsätzen.

Weil davon auszugehen ist, dass die Verwaltung des Lebendspende-Nachsorgefonds keine grossen Ressourcen bedingt, bietet es sich an, diese Aufgabe einer bestehenden Organisation zu übertragen. Dafür kommt in erster Linie die gemeinsame Einrichtung nach Artikel 18 KVG in Frage, die bereits heute einen Insolvenzfonds führt. Dies hat den Vorteil, dass auf bestehenden Strukturen aufgebaut und vom vorhandenen Knowhow der gemeinsamen Einrichtung in der Vermögens- und Fondsverwaltung profitiert werden kann. Es handelt sich bei diesem LebendspendeNachsorgefonds um ein Zweckvermögen innerhalb der privatrechtlichen Stiftung gemeinsame Einrichtung KVG; die Trägerschaft des Fonds liegt somit bei den Versicherern.

Die gemeinsame Einrichtung entrichtet der Lebendspende-Nachsorgestelle eine jährliche Ausschüttung auf der Basis der für das betreffende Jahr zu erwartenden Kosten (Abs. 3). Diese Ausschüttung wird also im Voraus geleistet, um allfällige finanzielle Engpässe zu vermeiden. Sie wird aber betragsmässig auf das jeweils betreffende Jahr beschränkt.

Aus der Verwaltung des Fonds werden Kosten resultieren. Absatz 4 stellt klar, dass diese Kosten aus den Mitteln des Fonds zu decken sein werden. Die Verwaltungskosten werden deshalb bei der Festlegung der Pauschale zu berücksichtigen sein.

Die gemeinsame Einrichtung muss die Verwaltungskosten auf das für eine wirtschaftliche Geschäftsführung erforderliche Mass beschränken.

Art. 15c (neu)

Lebendspende-Nachsorgestelle

Die Zuständigkeit zur Nachverfolgung des Gesundheitszustands wird der Lebendspende-Nachsorgestelle übertragen (Abs. 1). Diese führt dafür auf zweckmässige und kostengünstige Art ein Register (Abs. 2).

In der Vernehmlassungsvorlage wurde diese Aufgabe der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern zugewiesen. Auf eine direkte Nennung der Stiftung und neu auch der Blutspende SRK Schweiz AG im Gesetz soll indessen verzichtet und stattdessen mit der Lebendspende-Nachsorgestelle ein Platzhalter verwendet werden. Dies hat die folgenden Vorteile: ­

Es wird gesetzestechnisch die gleiche Lösung vorgesehen wie bei der Nationalen Zuteilungsstelle nach Artikel 19.

2363

­

Nur so besteht die Möglichkeit, die aus Effizienzgründen beste Lösung vorzusehen. Die Aufgaben der Lebendspende-Nachsorgestelle können nach Artikel 54 an die Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern (für Organe) und an die Blutspende SRK Schweiz AG (für Blut-Stammzellen) delegiert werden, wobei abgeklärt wird, ob mittel- bis längerfristig vermehrt Synergien genutzt werden können. Eine vollständige Zusammenführung der Aufgabenerfüllung wird nicht angestrebt; in Frage kommt jedoch die gemeinsame Nutzung gewisser Ressourcen, wie zum Beispiel die Informatik und die Personalführung. Diese Flexibilität würde bei einer Nennung der beiden Institutionen im Gesetz nicht bestehen.

Die Lebendspende-Nachsorgestelle verwendet die erhaltenen finanziellen Mittel nur zur Deckung der Kosten für die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Spenderinnen und Spender (Abs. 3). Aus diesen Mitteln sind somit die medizinischen Kosten, die Registerführungskosten sowie die Verwaltungskosten zu begleichen.

Die jährliche Abrechnung über die Kosten ist dem BAG vorzulegen.

Art. 17 Abs. 2 und 3 Einleitungssatz In Absatz 2 werden bestimmte Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz bezüglich der Zuteilung von Organen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt. Es handelt sich dabei nach Buchstabe b Ziffer 1 dieser Bestimmung um Personen, die gemäss dem Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU oder dem EFTA-Freihandelsübereinkommen in der Schweiz der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt sind. Ziffer 2 umfasst Personen, die während ihres zeitlich begrenzten Aufenthalts in der Schweiz Anspruch auf internationale Leistungsaushilfe haben (vgl. Ziff. 1.3.1).

Diese Gleichstellung gilt nach Absatz 2 Buchstabe c auch für Drittstaatenangehörige ohne Wohnsitz in der Schweiz, die auf eigenes Gesuch hin der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellt worden sind, sowie für deren ebenfalls der obligatorischen Krankenpflegeversicherung unterstellten Familienangehörigen. In Übereinstimmung mit Artikel 25 des Ausländergesetzes gilt dies allerdings nur für Personen, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Grenzgängerinnen oder Grenzgänger zugelassen sind. Diese Zulassung setzt voraus, dass diese Personen in einem Nachbarstaat ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht besitzen, ihren Wohnort seit mindestens sechs Monaten in der benachbarten Grenzzone haben und innerhalb der Grenzzone der Schweiz erwerbstätig sind (vgl. Ziff. 1.3.1).

Da in Absatz 2 neu ein Personenkreis ohne Wohnsitz in der Schweiz den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz bei der Organallokation gleichgestellt wird, muss der Einleitungssatz von Absatz 3 entsprechend angepasst werden.

Art. 21 Abs. 1 Die Gleichstellung der in Artikel 17 Absatz 2 erwähnten Personen mit in der Schweiz wohnhaften Personen bei der Zuteilung von Organen bedingt, dass diese auch bei der Aufnahme in die Warteliste gleich behandelt werden wie Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.

2364

Art. 23 Abs. 3 zweiter Satz Die Änderung dieser Bestimmung ist rein formeller Natur. Bisher wurde das BAG in Artikel 23 zum ersten Mal erwähnt; in der Folge wurde nur noch die Abkürzung «Bundesamt» verwendet. Weil das BAG nunmehr in Artikel 15c zum ersten Mal genannt wird, ist auch in Artikel 23 nur noch die Abkürzung aufzuführen. Gleichzeitig wird in der ganzen Verordnung gemäss der gängigen Praxis, die Abkürzung der Behörde zu verwenden, «Bundesamt» durch «BAG» ersetzt.

Art. 27 Abs. 2 Bst. b Die Transplantationszentren müssen gemäss dem geltenden Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe b über ein Qualitätssicherungssystem verfügen, das auch die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Lebendspenderinnen und -spender von Organen sicherstellt. Heute haben die Zentren diese Aufgabe an die Schweizerische Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern delegiert. Nach dem neuen Artikel 15c stellt zukünftig die Lebendspende-Nachsorgestelle diese Nachverfolgung sicher.

Die entsprechende Pflicht der Transplantationszentren in Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe b kann deshalb gestrichen werden.

Art. 54 Abs. 2 Bst. a und abis (neu) Der Bundesrat zieht in Erwägung, die Aufgaben der Lebendspende-Nachsorgestelle gemäss Artikel 15c an die Schweizerische Stiftung zur Nachbetreuung von OrganLebendspendern beziehungsweise für Spenderinnen und Spender von Blut-Stammzellen an die Blutspende SRK Schweiz AG zu delegieren, analog zu denen der Nationalen Zuteilungsstelle an die Stiftung Swisstransplant (vgl. Erläuterungen zu Art. 15c). Die Kompetenz des Bundesrates für eine solche Delegation ist deshalb in Artikel 54 zu ergänzen.

Art. 69 Abs. 1 Einleitungssatz sowie Abs. 2 und 3 In Absatz 1 wird «Gefängnisstrafe oder Busse bis zu 200 000 Franken» durch die Strafdrohung «Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe» ersetzt. Für die gewerbsmässige Tatbegehung in Absatz 2 wird anstelle einer «Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahren oder Busse bis zu 500 000 Franken» neu eine «Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe» angedroht. Wird die Tat fahrlässig begangen, ist die Strafe anstatt «Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse bis zu 100 000 Franken» eine «Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen» (Abs. 3).

Art. 70 Abs. 1 Einleitungssatz, Abs. 1bis (neu) sowie Abs. 3 und 4 Die Strafdrohung in Absatz 1 lautet neu «mit
Busse bis zu 50 000 Franken», die Haftandrohung wird also gestrichen. Die fahrlässige Tatbegehung wird in einem neuen Absatz 1bis geregelt, weil für die vorsätzliche und fahrlässige Tatbegehung bei Bussen über 10 000 Franken nicht dieselbe Strafe angedroht werden sollte. Wer die Tat fahrlässig begeht, muss neu mit einer tieferen «Busse bis zu 20 000 Franken» rechnen.

Gestützt auf Artikel 333 Absatz 6 Buchstabe b StGB beträgt die Verfolgungsverjährungsfrist für Übertretungen nach Artikel 70 Absatz 3 zehn Jahre. Damit ist diese Frist länger als die Frist für Vergehen, die gemäss Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe c 2365

StGB sieben Jahre beträgt. Es kann indessen nicht sein, dass für Übertretungen eine längere Verjährungsfrist gilt als für nach dem gleichen Gesetz zu ahndende Vergehen; diese ist daher auf das für letztere geltende Mass zu verringern46. Deshalb wird für Übertretungen in Anlehnung an Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe c StGB anstelle einer Verjährungsfrist von zehn Jahren eine solche von sieben Jahren vorgesehen.

Absatz 4 schliesslich, der die Möglichkeit vorsieht auf eine Strafanzeige, Strafverfolgung und Bestrafung in besonders leichten Fällen zu verzichten, wird im Lichte von Artikel 52 StGB gestrichen. Das BAG übt die Kontrolle über die Einhaltung des Transplantationsgesetzes aus (Art. 63ff.). Gestützt auf diese Kontrollfunktion kommt dem BAG ein Anzeigerecht zu, welches ihm einen gewissen Ermessensspielraum einräumt, wann es eine Strafanzeige einreichen will und wann nicht. Artikel 70 Absatz 4 ist daher nicht notwendig.

Art. 74 Die neuen Bestimmungen der Artikel 15a­15c bezüglich der finanziellen Absicherung der Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Lebendspenderinnen und Lebendspender finden auch auf die altrechtlichen Spenderinnen und Spender Anwendung. Altrechtliche Spenderinnen und Spender sind Personen, die vor dem Inkrafttreten der vorliegenden Teilrevision des Transplantationsgesetzes Organe oder Blut-Stammzellen gespendet haben, also auch alle Personen, die vor dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes Organe oder Blut-Stammzellen gespendet haben. Die Lebendspende oder die Entnahme von Organen oder Blut-Stammzellen hat zwar vor dem Inkrafttreten stattgefunden; massgebend für die Auslösung der Zahlungspflicht ist indessen die Nachbetreuung, die beim Inkrafttreten der vorliegenden Änderung des Gesetzes noch nicht abgeschlossen ist. Es handelt sich somit um zeitlich offene Dauersachverhalte, die zwar noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern.

Eine solche unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Damit in dieser Frage Klarheit besteht, soll dies deshalb in Absatz 1 festgehalten werden.

Haben die Versicherer vor dem Inkrafttreten dieser Änderung bereits Zahlungen geleistet, sind diese anzurechnen. Die Versicherer leisten diesfalls nur noch den Differenzbetrag zur Pauschale (Abs. 2).

Die Versicherer
leisten seit dem 1. Januar 2012 gemäss den Verträgen zwischen H+ und dem SVK Pauschalen an die Schweizerische Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern oder an die Blutspende SRK Schweiz AG. Die Stiftung und die Blutspende SRK Schweiz AG werden somit beim Inkrafttreten der vorliegenden Teilrevision des Transplantationsgesetzes über finanzielle Mittel verfügen, deren Verwaltung neu dem Lebendspende-Nachsorgefonds übertragen wird. Die Stiftung und die Blutspende SRK Schweiz AG überweisen diese Mittel deshalb dem Fonds (Abs. 3).

Die bisherigen Übergangsregelungen werden aufgehoben, weil alle darin enthaltenen Fristen bis zum Inkrafttreten dieser Vorlage abgelaufen sein werden.

46

BGE 134 IV 328 E. 2.1

2366

2.2

Änderung anderer Bundesgesetze

2.2.1

Bundesgesetz über die Krankenversicherung

Art. 18 Abs. 2septies Die rechtliche Grundlage für die gemeinsame Einrichtung ist in Artikel 18 KVG enthalten. Diese Bestimmung enthält namentlich die Aufgaben, die der gemeinsamen Einrichtung zukommen. In einem Absatz 2septies soll deshalb auch die der gemeinsamen Einrichtung im Bereich der Lebendspende neu übertragene Aufgabe aufgeführt werden.

2.2.2

Bundesgesetz über die Militärversicherung

Art. 16 Abs. 3 Seit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes ist die finanzielle Absicherung der Lebendspenderin oder des Lebendspenders einheitlich in dessen Artikel 14 geregelt. Diesbezügliche Regelungen finden sich heute aber teilweise auch in einzelnen Sozialversicherungserlassen. Auf Gesetzesstufe betrifft dies Artikel 16 Absatz 3 des Militärversicherungsgesetzes vom 19. Juni 199247, demzufolge eine Lebendspenderin oder ein Lebendspender Anspruch auf Heilbehandlung und Ersatz des Erwerbsausfalls nach den Bestimmungen dieses Gesetzes hat, wenn die Militärversicherung zugunsten einer versicherten Person eine Organübertragung von einer lebendspendenden Person bewilligt. Beim Anspruch der Lebendspenderin oder des Lebendspenders nach Artikel 14 des Transplantationsgesetzes handelt es sich ­ im Gegensatz zu demjenigen nach Artikel 16 Absatz 3 des Militärversicherungsgesetzes ­ nicht um einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch. Um Unsicherheiten bezüglich des Verhältnisses dieser beiden Bestimmungen zueinander zu vermeiden, soll Artikel 16 Absatz 3 des Militärversicherungsgesetzes deshalb aufgehoben werden.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Auswirkungen der Umsetzung der Motion Maury Pasquier Die Vorlage sieht keine neuen Vollzugsaufgaben für den Bund vor. Die Änderung von Artikel 17 des Transplantationsgesetzes bedingt eine Anpassung der Organzuteilungssoftware SOAS, wofür dem Bund einmalige Kosten von etwa 5000 Franken entstehen werden. Aufgrund der Erweiterung des Personenkreises bei der Zuteilung von Organen werden nach Inkrafttreten der Vorlage voraussichtlich vier Personen mehr in die Warteliste aufgenommen werden (vgl. Ziff. 3.4). Der dadurch bedingte Mehraufwand wird die durch den Bund zu tragenden Kosten für die Organzuteilung um ca. 3000 Franken pro Jahr erhöhen.

47

SR 833.1

2367

Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende Die Leistungen der Lebendspende-Nachsorgestelle sind sehr vielfältig und lassen sich in administrative und medizinische Aufgaben aufteilen. Zu den administrativen Leistungen gehören die Führung des Registers (Erfassung und Aktualisierung der Personendaten), das Aufgebot der erfassten Spenderinnen und Spender sowie der Versand von Fragebogen, das Erfassen der Nachsorgedaten im Register sowie deren administrative Kontrolle, die statistische Auswertung der Daten, die Weiterleitung der Daten an internationale Datenbanken, das Schreiben von Berichten, die Weiterentwicklung und die Verwaltung der Datenbank, Anpassungen von internen Vorschriften, Abläufen und Formularen und die Personalführung. Dies führt zu Infrastrukturkosten (Miete, Telefon, Porto, EDV, Verbrauchsmaterialen) sowie Lohnkosten des administrativen Personals.

Zu den medizinischen Leistungen gehören die medizinische Kontrolle der Daten und die Überprüfung der eingegangenen Fragebogen durch eine medizinische Fachperson, die medizinische Beratung der Spenderinnen und Spender sowie weiterführende Abklärungen bei Komplikationen und der Einbezug der Vigilanz-Stelle der Blutspende SRK Schweiz AG.

Organ-Lebendspende Gemäss Artikel 15a übernimmt der Bund die Hälfte der administrativen Kosten der Registerführung für die lebenslange Nachsorge der Lebendspenderinnen und -spender. Für die Berechnung dieser Kosten wurden die Lohnkosten derjenigen Personen als Grundlage genommen, welche derzeit das Register der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern führen, sowie die entsprechenden Infrastrukturkosten. Diese Kostenangaben von total rund 385 000 Franken im Jahr 2009 wurden mittels einer von einem unabhängigen Experten (Valion Consulting AG in Bern) im Auftrag des BAG von Juni bis September 2012 durchgeführten Regulierungsfolgeabschätzung plausibilisiert. Diese ergab, dass die Registerkosten aufgrund der Zunahme der registrierten Personen von 385 000 auf rund 693 000 Franken ansteigen werden. Des weiteren wurde angenommen, dass die Organisation infolge der Zunahme der Anzahl im Register geführten Spenderinnen und Spender künftig wachsen wird und sich strukturell anpassen muss. In der Folge wird der Personalbestand der Organisation zunehmen und die Infrastrukturkosten
werden steigen. Für die Entwicklung des Personalbestandes muss zudem berücksichtigt werden, dass in der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern bisher gewisse Arbeiten ehrenamtlich erbracht wurden.

Aufgrund dieser Überlegungen wurde die Ist-Situation mit folgenden Faktoren ergänzt: Der Personalbestand wird von derzeit ca. 200 Stellenprozenten (ärztliche Führungskraft und Stellvertretung von total 50 %, wissenschaftliche Mitarbeiterin von 100 % und Administrativkraft von 50 %) um eine Administrativkraft zu 60 % und um eine Führungskraft zu 50 % aufgestockt, was zu zusätzlichen Personalkosten von jährlich rund 157 000 Franken führen wird. Die Mehrkosten der Infrastrukturanpassungen wie Miete, Porto, Telefon und ein Zuschlag für das Wachstum der Organisation wurden pro Jahr mit 25 000 Franken eingerechnet. Der notwendige Ersatz der EDV-Lösung wurde mit 150 000 Franken alle 10 Jahre einberechnet und resultiert in jährlichen Kosten von 15 000 Franken. Somit belaufen sich die jährlichen Gesamtkosten der Organisation auf 890 000 Franken, was einem zusätzlichen Zuwachs von rund 130 Prozent entspricht.

2368

Für die Berechnung der administrativen Kosten der Registerführung wurden alle medizinischen Leistungen, welche die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung für das Register aktuell erbringen, aus den plausibilisierten Angaben herausgerechnet, da diese nicht Bestandteil der rein administrativen Kosten der Registerführung sind und vollumfänglich von den Versicherern und nicht durch den Bund getragen werden sollen.

Die Gesamtkosten für die Registerführung setzen sich somit zusammen aus Sachkosten von rund 115 000 Franken sowie Personalkosten von 775 000 Franken. Diese wiederum setzen sich zusammen aus Kosten, welche unabhängig von der Anzahl der im Register vorhandenen Personen anfallen, den sogenannten fixen Personalkosten von 220 000 Franken, und aus Kosten, die sich proportional zur Anzahl der registrierten Personen entwickeln, den sogenannten variablen Personalkosten von rund 555 000 Franken. Bei 2774 registrierten Personen ergibt dies auf die einzelnen Spenderinnen und Spender aufgeteilt rund 321 Franken jährlich pro registrierter Person.

Registerführungskosten für die Nachsorge nach einer Organ-Lebendspende Aus den Gesamtkosten der Organisation und den Fallkosten pro Spenderin oder Spender wurde der Kostenanteil für den Bund und die Versicherer von einem weiteren unabhängigen Experten48 unter Berücksichtigung von versicherungsmathematischen Lebenserwartungsmodellen berechnet: Die Fallkosten für eine Nachuntersuchung setzen sich im Jahr 2015 zusammen aus den medizinischen Kosten von 73 Franken für Laboruntersuchungen alle zwei Jahre und 168 Franken Arztkosten ebenfalls alle zwei Jahre sowie den übrigen Nachbetreuungskosten (Registerführungskosten inkl. Zusatzkosten nach Plausibilisierung) von 321 Franken jährlich. In der Approximation wird deshalb mit einem Betrag für die Nachsorge einer Person von 442 Franken pro Jahr gerechnet.

Die folgende Grafik zeigt die Aufteilung der Registerführungskosten auf den Bund und die Versicherer der Empfängerinnen und -empfänger («VdOE»). Die Laborund Arztkosten von total 121 Franken, der medizinische Anteil der Registerführungskosten von 77 Franken sowie die Hälfte der administrativen Registerführungskosten von 60,5 Franken (fix) und 61,5 Franken (variabel) gehen zulasten der Versicherer. Die andere Hälfte der administrativen Registerführungskosten von ebenfalls 60,5 Franken (fix) und 61,5 Franken (variabel) wird vom Bund übernommen:

48

Von der BeratungsGesellschaft für die zweite Säule AG in Basel im Auftrag des BAG im Oktober 2012 durchgeführte Berechnungen der lebenslangen Nachsorge von OrganLebendspenderinnen und -spendern.

2369

Aufteilung der Registerführungskosten auf den Bund und die Versicherer der Empfängerinnen und -empfänger («VdOE») Gesamtkosten Organisation Sachkosten

Fallkosten

Kostenübernahme durch VdOE

115'000

Personalkosten fix

Registerkosten fix

220'000

Registerkosten fix

335'000

(administrative Kosten)

121

Registerkosten fix

60.5

(administrative Kosten)

(administrative Kosten)

Personalkosten var.

Registerkosten var.

555'000

555'000

(administrative u. medizinische Kosten)

Registerkosten var.

200

(administrative u. medizinische Kosten)

Arztkosten

84

(168 alle zwei Jahre)

Anzahl Spender: 2'774

Laborkosten

37

(73 alle zwei Jahre)

Registerkosten var.

138.5

(administrative u. medizinische Kosten)

Arztkosten

84

Laborkosten

37

Total Kostenübernahme VdOE: 320 (Anteil: 72%)

CHF / Registerführungskosten pro Spender:

CHF / Kosten pro Spender:

Kostenübernahme durch Bund

Registerkosten fix

60.5

Registerkosten var.

61.5

442

321

Total Kostenübernahme Bund: 122 (Anteil: 28%)

Kostenbeteiligung des Bundes an den administrativen Registerführungskosten Wie der Grafik zu entnehmen ist, beträgt der Anteil des Bundes an den administrativen Kosten der Registerführung für die Nachsorge von Organ-Lebendspenderinnen und -spendern pro Person und Jahr 28 % und beträgt somit im Jahr 2015 rund 122 Franken. In den Folgejahren steigt dieser Betrag analog der Pauschale der Versicherer (siehe Ziff. 3.3.1).

Beim voraussichtlichen Inkrafttreten dieser Änderungen im Jahr 2015 werden rund 1800 Organ-Lebendspenderinnen und -spender im Register erfasst sein. Somit belaufen sich die administrativen Kosten, die der Bund in dem Jahr zu übernehmen hat, auf rund 220 000 Franken.

Die Anzahl der im Register geführten Personen steigt mit den Jahren an, da sie lebenslang nachzuverfolgen sind. Gemäss der bisherigen Erfahrung der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern kann von einer Lebenserwartung der Organ-Lebendspenderinnen und -spender von durchschnittlich 35 Jahren nach der Spende ausgegangen werden. Pro Jahr werden etwa 115 neue Organ-Lebendspenderinnen und -spender ins Register aufgenommen und im Laufe der Zeit versterben im Register geführte Personen. Basierend auf der erwarteten Entwicklung des Spenderinnen- und Spenderbestandes (Zugänge versus Sterbefälle) wird im Jahr 2040 etwa eine Anzahl von rund 4100 Spenderinnen und Spendern im Register erreicht werden. Danach steigt die Anzahl der Spenderinnen und Spender über den berechneten Zeitraum weiter mit abnehmender Geschwindigkeit an (siehe nachfolgende Grafik): 2370

Bestandsentwicklung der Organ-Lebendspenderinnen und -spender 6'000 5'000 4'000 3'000

Frauen

2'000

Männer

1'000

1.1.2080

1.1.2076

1.1.2072

1.1.2068

1.1.2064

1.1.2060

1.1.2056

1.1.2052

1.1.2048

1.1.2044

1.1.2040

1.1.2036

1.1.2032

1.1.2028

1.1.2024

1.1.2020

1.1.2016

1.1.2012

0

Der jährliche Bundesanteil nimmt infolge der Anzahl der im Register geführten Personen sowie der Teuerung über die Jahre zu und wird somit von rund 220 000 Franken im Jahr 2015 auf rund 822 000 Franken im Jahr 2040 ansteigen.

Blut-Stammzellspende Für die Berechnung der administrativen Kosten für den Bereich der Nachsorge nach einer Blut-Stammzellspende wurden die Angaben und Berechnungen der Blutspende SRK Schweiz AG als Grundlage verwendet. Diese Angaben wurden ebenfalls zusätzlich durch einen unabhängigen Experten plausibilisiert49. Es ist davon auszugehen, dass diese Organisation ­ im Vergleich zur Schweizerischen Stiftung für Organ-Lebendspender ­ nicht substanziell wachsen wird, da sich ­ insbesondere wegen der relativ kurzen Nachsorgezeit von 10 Jahren ­ die Anzahl nachzubetreuender Personen in den nächsten Jahren nicht wesentlich verändern wird.

In der Blutspende SRK Schweiz AG werden die Aufgaben der Nachverfolgung von verschiedenen Personen wahrgenommen: neben der Leiterin (60 Stellenprozente), die neben der Gesamtleitung auch medizinische und administrative Aufgaben wahrnimmt, diversen Ärztinnen und Ärzten und medizinischen Fachkräften (ca.

40 Stellenprozente) betrifft dies eine Sachbearbeiterin (ca. 20 Stellenprozente) und eine Administrativkraft (ca. 10 Stellenprozente). Dazu kommen noch Informatiker für die Entwicklung und den Support der Datenbank (ca. 20 Stellenprozente). Ausser der Leiterin, die fast ausschliesslich für die Nachsorge tätig ist, werden die weiteren Aufgaben durch Personen ausgeführt, die auch eine andere Funktion innerhalb der Blutspende SRK Schweiz AG ausüben. Dies ergibt grosse Synergieeffekte, da keine tiefprozentigen Stellen geschaffen werden müssen, die vergleichsweise teuer sind.

Zudem ergeben sich weniger Leerzeiten, da die Aufgaben nach effektivem Aufwand der Nachsorge verrechnet werden. Der Stundenansatz der involvierten Personen beläuft sich zwischen 80 und 180 Franken.

49

Basierend auf einer von der Valion Consulting AG in Bern im Auftrag des BAG im Juni bis September 2012 durchgeführten Regulierungsfolgeabschätzung der wirtschaftlichen Konsequenzen der lebenslangen Nachsorge von Lebendspenderinnen und -spendern.

2371

Die Kosten für die gesamte Nachsorge über 10 Jahre einer Person nach einer BlutStammzellspende setzen sich wie folgt zusammen: Fr.

Externe medizinische Kosten

360

Anteil Aufbau und Weiterentwicklung

440

Administrative Kosten der Registerführung

1447

Medizinischer Anteil der Registerführungskosten

1880

Total

4127

Die Nachsorge einer Blut-Stammzellspenderin oder eines Blut-Stammzellspenders über 10 Jahre kostet somit total 4127 Franken (Details zu der 10-jährigen Nachsorge nach einer Blut-Stammzellspende sind in Ziff. 1.3.3, Blut-Stammzellen, zu finden).

Dazu kommt aufgrund der neuen Übergangsbestimmung dieses Entwurfs ein Anteil für die Nachsorge von Spenderinnen und Spendern, welche vor dem Vertrag zwischen dem SVK und H+ gespendet haben. Seit dem 1. Januar 2012 wird den Versicherern gemäss Vertrag zwischen SVK und H+ dafür bei jeder Neuspende 500 Franken in Rechnung gestellt. Dieser Betrag wird laufend überprüft. Für das Jahr 2012 wurde eine kostendeckende Gesamtpauschale in der Höhe von 4627 Franken ermittelt.

Der administrative Anteil der Registerführung setzt sich zusammen aus den Kosten altrechtlicher Spenden, einem Anteil an dem Aufbau und der Weiterentwicklung des Registers, der EDV und der Organisation sowie den rein administrativen Kosten und beträgt total 2387 Franken. Bei einer hälftigen Aufteilung auf den Bund und die Versicherer fallen somit für den Bund Kosten von 1194 Franken für die gesamte Nachsorge einer Person über 10 Jahren an. Für den Bund löst ein Jahr Nachsorge pro Person mittlere Kosten von Franken 119.40 aus. Da bei der Nachsorgestelle durchschnittlich rund 800 Blut-Stammzellspenderinnen und -spender erfasst sind, beträgt der jährliche Bundesbeitrag somit rund 95 000 Franken. Pro Jahr werden durchschnittlich 80 von der Vorlage betroffene Personen neu in das Register aufgenommen. Da aber ebenfalls rund 80 Spenderinnen und Spender die 10-jährige Nachsorgephase beendet haben und ausscheiden, verändert sich der Bestand der 800 im Register geführten Spenderinnen und Spender kaum. Aufgrund der im Vergleich zur Organ-Lebendspende relativ kurzen Nachsorgezeit und der von der Blutspende SRK Schweiz AG bereits initiierten laufenden Überprüfung der Basisannahmen für die Berechnung der Pauschale wurde darauf verzichtet, die Teuerung mit einzubeziehen.

Der medizinische Anteil der Registerführung besteht aus den externen medizinischen Kosten und dem medizinischen Anteil der Registerführung und beträgt 2240 Franken. Dieser Betrag ist relevant für die Kostenbeteiligung der Versicherer und wird in Ziffer 3.3.1 wieder aufgenommen.

Beteiligung des Bundes an den gesamten administrativen
Registerführungskosten Dem Bund entstehen somit für alle Lebendspenderinnen und -spender (Organe und Blut-Stammzellen) im Jahr 2015, dem Jahr des voraussichtlichen Inkrafttretens dieser Vorlage, Mehrkosten von rund 315 000 Franken. Falls wie bisher jedes Jahr 2372

rund 115 Organ-Lebendspenderinnen und -spender neu in das Register aufgenommen werden, wird der Bundesanteil in den ersten Folgejahren jährlich um etwa 20 000 Franken zunehmen. Bei weniger neuen Organ-Lebendspenden ist diese Zunahme entsprechend tiefer. Die Anzahl der Blut-Stammzellspenderinnen und -spender bleibt in diesem Zeitraum voraussichtlich relativ konstant und führt somit zu keiner Steigerung des Bundesanteils in den nächsten Jahren.

Die jährlichen totalen Kosten für den Bund nehmen infolge der Anzahl im Register geführten Personen und der für die Organ-Lebendspende berücksichtigten Teuerung über die Jahre zu und belaufen sich im Jahr 2040 auf rund 917 000 Franken, falls durchschnittlich jedes Jahr rund 115 neue Personen dazukommen. Der Verlauf der jährlichen Kosten für den Bund kann in der Grafik unter Ziffer 3.3.1 entnommen werden.

Beteiligung des Bundes an den Prämienverbilligungen Die Kantone sind dafür verantwortlich, dass Versicherte in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erhalten. Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung dieser Prämienverbilligung. Gemäss Artikel 66 Absatz 2 des KVG beträgt der Bundesbeitrag an die einzelnen Kantone 7,5 % der Bruttokosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in der Schweiz ­ also 7,5 % der für das Verbilligungsjahr hochgerechneten Summe des Prämienvolumens und der von den Versicherten bezahlten Kostenbeteiligung. Dieser Betrag wird auf die Kantone anhand ihrer Wohnbevölkerung aufgeteilt. Die Kantone ergänzen diesen Bundesbeitrag durch eigene Mittel.

Seit dem 1. Januar 2012 ist die Nachsorge bei Organ-Lebendspenderinnen und -spendern mittels einem Vertrag zwischen dem SVK und H+ durch eine Pauschalzahlung der Versicherer geregelt. Die Höhe der von den Tarifpartnern ausgehandelten Pauschale kann nicht direkt mit der Pauschale gemäss Artikel 15a des Entwurfs der Teilrevision des Transplantationsgesetzes verglichen werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass für die Berechnung der Pauschale in beiden Fällen die gleichen Parameter berücksichtigt wurden. Zudem gilt sie auch nicht für Personen, die vor dem 1. Januar 2012 gespendet haben. Gemäss der Übergangsbestimmung dieses Entwurfs sollen deshalb die Versicherer verpflichtet werden, die Pauschale pro
rata temporis auch für Personen nachzuzahlen, welche vor dem Inkrafttreten dieser Vorlage aber auch vor Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes am 1. Juli 2007 gespendet haben (vgl. Erläuterungen zu Art. 74 Abs. 2 Transplantationsgesetz). Mit dieser Teilrevision soll eine Pauschale eingeführt werden, die alle vom Lebendspende-Nachsorgeregister erbrachten Leistungen umfasst und für die Spenderinnen und Spender gemäss Übergangsbestimmung die verbleibende Nachsorge ab Inkrafttreten dieser Vorlage abdeckt.

Die Versicherer müssen deshalb für ein oder mehrere Jahre einen zusätzlichen Beitrag leisten. Es ist denkbar, dass die Versicherer diese Zusatzkosten vollumfänglich auf die Versicherten überwälzen werden und dadurch ein insgesamt geringfügig erhöhtes Prämienvolumen resultieren würde. Falls der gesamte Betrag im Jahr des Inkrafttretens ­ voraussichtlich im Jahr 2015 ­ fällig wird, müssen die Versicherer insgesamt 11 359 500 Franken nachzahlen (die Herleitung und Zusammensetzung des Betrags sind in Ziff. 3.3.1 beschrieben). Sollten die Versicherer diesen Zusatzaufwand vollumfänglich auf die Versicherten überwälzen, würde dies das gesamte Prämienvolumen erhöhen mit der Folge, dass auch der Bundesbeitrag für die Prämienverbilligungen um 852 000 Franken höher ausfallen würde.

2373

In den Folgejahren reduziert sich der Bundesbeitrag für die Prämienverbilligungen, weil die Versicherer nur für die jährlich neu in das Register aufgenommenen Lebendspenderinnen und -spender eine Pauschale entrichten müssen. Im Jahr 2015 beträgt der zusätzliche Bundesbeitrag für die Prämienverbilligungen infolge der Neuregistrierungen total rund 7900 Franken, steigt danach an und beträgt im Jahr 2040 unter den heutigen Voraussetzungen und Annahmen rund 91 600 Franken. Bei dieser Berechnung wurde berücksichtigt, dass die Versicherer gemäss den Verträgen zwischen dem SVK und H+ bereits seit dem 1. Januar 2012 für die Nachsorge nach Organ-Lebendspenden und Blut-Stammzellspenden eine Pauschale bezahlen und der Bund neu einen Anteil an den administrativen Registerführungskosten übernimmt.

Die Beteiligung des Bundes hat zur Folge, dass gemäss dieser Vorlage die Pauschale der Versicherer für Blut-Stammzellspenderinnen und -spender etwas tiefer ausfällt als die gemäss Vertrag.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Da die Vorlage keine neuen Vollzugsaufgaben für den Bund vorsieht, hat sie keine personellen Auswirkungen auf den Bund.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

3.2.1

Auswirkungen auf Kantone

Finanzielle Absicherung der Lebendspende Neben dem Bund entstehen auch den Kantonen finanzielle Aufwände im Zusammenhang mit den Prämienverbilligungen. Die Beteiligung der Versicherer an den Nachsorgekosten der Lebendspenderinnen und -spender, welche vor Inkrafttreten dieser Vorlage gespendet haben, beläuft sich auf rund 11 359 500 Franken. Gemäss der Übergangsbestimmung dieses Entwurfs wird der Betrag als Einmalzahlung im Jahr des voraussichtlichen Inkrafttretens dieser Vorlage im 2015 fällig (vgl.

Ziff. 3.1.1, Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende, Beteiligung des Bundes an den Prämienverbilligungen, sowie Ziff. 3.3.1, Schlussfolgerung).

Gemäss dem Monitoring 2011 der Wirksamkeit der Prämienverbilligung haben Bund und Kantone im Jahr 2011 rund 4 Milliarden Franken für die Prämienverbilligung ausgegeben, der Bundesanteil belief sich dabei auf gut 2 Milliarden Franken.

Aufgrund dieser Angaben kann davon ausgegangen werden, dass der Beitrag der Kantone sich ebenfalls etwa in der Höhe des Bundesbeitrages bewegen wird. Somit müssen die Kantone im Jahr 2015, dem Jahr des voraussichtlichen Inkrafttretens dieser Vorlage, ebenfalls rund 852 000 Franken zusätzlich für die Prämienverbilligungen aufwenden. In den Folgejahren reduziert sich dieser zusätzliche Beitrag, nimmt aber in Folge der Teuerung danach kontinuierlich zu. Im Jahr 2015 beträgt er somit total maximal rund 7900 Franken und im Jahr 2040 unter den gleichen Annahmen und Bedingungen maximal rund 91 600 Franken (vgl. 3.1.1, Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende).

2374

Übrige Änderungen Für die Verfolgung und Beurteilung strafbarer Handlungen gemäss den Artikeln 69 und 70 des Transplantationsgesetzes sind die Kantone zuständig (Art. 71 Transplantationsgesetz). Die Anpassungen dieser Artikel an das revidierte StGB haben jedoch für die Kantone keine finanziellen oder personellen Auswirkungen. Da für den Vollzug des Transplantationsgesetzes in erster Linie der Bund zuständig ist, sind für die Kantone auch für die weiteren Änderungen keine Auswirkungen zu erwarten.

3.2.2

Auswirkungen auf Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Auf die Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete wirken sich die Änderungen des Transplantationsgesetzes nicht aus.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

3.3.1

Auswirkungen auf die Versicherer

Organ-Lebendspende Der Versicherer der Empfängerin oder des Empfängers übernimmt gemäss dem neuen Artikel 15a alle medizinischen Kosten und die Hälfte der administrativen Registerführungskosten für die Nachverfolgung des Gesundheitszustandes der Organ-Lebendspenderin oder des Organ-Lebendspenders.

Wie in Ziffer 3.1.1, Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende, erwähnt, basieren die Grundlagen zur Quantifizierung der Kosten für die Nachbetreuung nach Organ-Lebendspenden auf den Angaben der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern. Die Stiftung ging für ihre Kostenschätzung, aufgrund der bisherigen Erfahrung, von einer Lebenserwartung der Organ-Lebendspenderinnen und -spender von durchschnittlich 35 Jahren nach der Spende aus. Die Angaben der Stiftung wurden durch einen unabhängigen Experten plausibilisiert und die Berechnungen der durchschnittlichen Lebenserwartung, des Vermögensverlaufs sowie der Pauschale von einem weiteren unabhängigen Experten unter Berücksichtigung von versicherungsmathematischen Lebenserwartungsmodellen durchgeführt. Die Berechnungen wurden von der Beratungs-Gesellschaft für die zweite Säule AG in Basel im Auftrag des BAG im Oktober 2012 durchgeführt.

Neben den medizinischen Kosten umfasst die Pauschale für die Versicherer auch die Hälfte der Kosten für die administrative Führung des Registers. Wie in Ziffer 3.1.1, Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende, hergeleitet und grafisch dargestellt, setzten sich die Kosten für eine Nachuntersuchung alle zwei Jahre zusammen aus den rein medizinischen Kosten von 241 Franken (Laborkosten von 73 Fr. und Arztkosten im Umfang von 168 Fr.) und den Registerführungskosten von 642 Franken alle zwei Jahre. Diese Registerführungskosten umfassen sowohl die administrativen Kosten als auch die medizinischen Leistungen, welche das Register im Rahmen der Nachsorge für die Lebendspenderinnen und -spender erbringt. Die Versicherer müssen somit jährlich pro Person die medizinischen Kosten von durchschnittlich rund 121 Franken (Laborkosten von 37 Fr. und Arztkosten 2375

von 84 Fr. pro Jahr), die medizinischen Leistungen des Registers von 77 Franken und die Hälfte der administrativen Registerführungskosten von 122 Franken übernehmen. Aufsummiert ergibt sich ein Betrag von 320 Franken pro registrierter Person und Jahr zulasten der Versicherer.

Die Versicherer begleichen ihren Anteil an den Kosten für die ganze Dauer der Nachsorge der Lebendspenderin oder des Lebendspenders zum Zeitpunkt der Organspende durch die Bezahlung einer einmaligen Pauschale, die in einen zweckgebundenen Fonds einbezahlt wird. Zum Zeitpunkt der einzelnen Nachsorgeuntersuchungen werden die Kosten aus dem Vermögen im Fonds bezahlt. Für die Berechnung der Pauschale wurden die folgenden Punkte berücksichtigt: ­

Aufgrund der zeitlichen Diskrepanz zwischen dem Einzahlen der Pauschale in den Fonds und dem Bezug der Gelder zur Deckung der Kosten der lebenslangen Nachsorgeuntersuchungen muss die Teuerung berücksichtigt werden.

Bei der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von Organ-Lebendspendern sind 80 % der anfallenden Kosten Lohnkosten. Bei den Lohnkosten wurde eine jährliche Teuerung von 2 % angenommen. Bei den restlichen 20 % der Kosten der Stiftung handelt es sich um medizinische Kosten. Auch für diese Kosten wurde von einer Teuerung von jährlich 2 % ausgegangen, dies obwohl die Gesundheitskosten in der Vergangenheit stärker gestiegen sind. In den letzten 10 Jahren betrug der jährliche Anstieg der Gesundheitskosten 4,5 %. Dieser ist jedoch primär auf die Ausweitung des medizinischen Angebots zurückzuführen. Die Anzahl spezialisierter Ärztinnen und Ärzte nahm überdurchschnittlich zu und damit nahmen auch die Spezialbehandlungen zu. Zudem bieten die Spitäler immer mehr komplexe und kostenintensive Behandlungen an, die zum Standard in der Grundversorgung werden. Da für die künftige Nachsorge der Lebendspenderinnen und -spender weder vermehrt spezialisierte Ärztinnen oder Ärzte beigezogen, noch komplexere Untersuchungen vorgenommen werden müssen, wurde eine Teuerung von jährlich 2 % ebenfalls als ausreichend erachtet. Deshalb wird insgesamt mit einer Teuerung von 2 % gerechnet.

­

Durch die Einzahlung der Pauschale in einen Fonds, der die Gelder für die Nachsorgeuntersuchungen erst mit einer zeitlichen Verzögerung wieder ausbezahlt, wird ein Vermögen aufgebaut. Bis zur Verwendung der Gelder gehört dieses Vermögen den Versicherern, da es einzig durch ihre Pauschalzahlungen aufgebaut wurde. Für die Berechnung der Pauschale wurde ein langfristig zu erwartender Anlageertrag des Vermögens von 2,25 % berücksichtigt. Dieser Ansatz beruht auf einer breit diversifizierten risikoarmen Vermögensanlage.

­

Die Vermögensverwaltungskosten des Fonds wurden mit 0,25 % veranschlagt. Für standardisierte Geldanlagen betragen die jährlichen Vermögensverwaltungskosten zwischen 0,25 und 0,5 % der zu verwaltenden Vermögen. Es wurde von einem restriktiven Anlagereglement ausgegangen und angenommen, dass mit einer entsprechenden Wahl der Anlageinstrumente die Vermögensverwaltungskosten tief gehalten werden können und deshalb ein Satz von 0,25 % angewendet werden kann.

­

Durch die lange Nachsorgezeit, besteht das Risiko, dass sich gewisse Parameter, die der Berechnung der Pauschale zugrunde liegen, unerwartet ändern und sich die Pauschale somit anders entwickelt.

2376

Mit diesen Annahmen ergibt die versicherungsmathematische Berechnung eine kostendeckende Pauschale in der Höhe von 11 509 Franken im Jahr 2015, welche der Versicherer pro neue Organ-Lebendspenderin oder neuen Organ-Lebendspender bezahlen muss. Die Gesamtkosten inklusive dem Bundesanteil betragen somit 15 904 Franken und setzen sich aus den folgenden Kostenblöcken zusammen:

Bundesanteil: 28% (4395 Franken)

Versicherer: 72% (11 509 Franken)

½ administrative Registerführungskosten

4395

½ administrative Registerführungskosten

4395

medizinische Registerführungskosten

2773

Arztkosten

3026

Laborkosten

1315

Pauschale Total

15 904 Franken

Aufgrund der Teuerung wird die Pauschale der Organ-Lebendspenderinnen und -spender kontinuierlich steigen (siehe Tabelle): Jahr

Pauschale der Versicherer jeweils am 1. Januar in Franken

2015

11 509

2016

11 797

2020

13 020

2030

16 635

2040

21 208

Jährlich werden rund 115 Organ-Lebendspenderinnen und -spender neu ins Register aufgenommen. Im Jahr 2015 kostet die lebenslange Nachsorge dieser Personen die Versicherer kumuliert rund 1 324 000 Franken und im Jahr 2040 kumuliert rund 2 439 000 Franken. Die Kostenentwicklung ist in der nachstehenden Grafik dargestellt:

2377

Kostenentwicklung für die Versicherer und den Bund 12'000'000 10'000'000 8'000'000 6'000'000 4'000'000

1.1.2049

1.1.2047

1.1.2045

1.1.2043

1.1.2041

1.1.2039

1.1.2037

1.1.2035

1.1.2033

1.1.2031

1.1.2029

1.1.2027

1.1.2025

1.1.2023

1.1.2021

1.1.2019

1.1.2017

0

1.1.2015

2'000'000

Gemäss dem Vertrag zwischen dem SVK und H+, dessen Genehmigung durch den Bundesrat noch aussteht, bezahlen die Versicherer seit dem 1. Januar 2012 bereits 9500 Franken pauschal pro Spenderin oder Spender. Bei Inkrafttreten dieser Vorlage im Jahr 2015 kommen deshalb auf die Versicherer für die Nachsorge der jeweils rund 115 neuen Organ-Lebendspenderinnen und -spender Mehrkosten von rund 231 500 Franken zu, welche kontinuierlich steigen und im Jahr 2040 rund 1 346 500 Franken erreichen.

Kosten gemäss der Übergangsbestimmung dieses Entwurfs Die Versicherer werden zudem gemäss der Übergangsbestimmung dieses Entwurfs verpflichtet, eine Pauschale pro rata temporis auch für Organ-Lebendspenderinnen und -spender zu bezahlen, welche vor dem Inkrafttreten dieser Vorlage gespendet haben. Das bedeutet, dass für diese Personen nur noch die Kosten für die Berechnung der Pauschale berücksichtigt werden, welche für die Nachsorge künftig anfallen werden. Um die lebenslange Nachsorge der vor dem voraussichtlichen Inkrafttreten dieser Vorlage im Jahr 2015 im Register erfassten Personen zu gewährleisten, ist von den Versicherern der Organempfängerinnen und -empfänger voraussichtlich per 1. Januar 2015 eine Einmaleinlage zu leisten. Da die Versicherer zudem gemäss dem Vertrag zwischen dem SVK und H+ seit dem 1. Januar 2012 bereits 9500 Franken pro Spenderin oder Spender bezahlen, fällt für diese Personen nur noch der Differenzbetrag zur neuen Pauschale an. Die Kosten gemäss der Übergangsbestimmung dieses Entwurfs wurden ebenfalls versicherungsmathematisch berechnet und setzen sich wie folgt zusammen: ­

10 909 200 Franken für die lebenslange Nachsorge der Organ-Lebendspenderinnen und -spender mit Transplantationsdatum vor 2012, d.h. vor dem Inkrafttreten des Vertrags zwischen dem SVK und H+.

­

450 300 Franken für die lebenslange Nachsorge der Organ-Lebendspenderinnen und -spender mit Transplantationsdatum von Anfang 2012­Ende 2014.

­

Die Versicherer müssen somit per Inkrafttreten dieser Vorlage im Jahr 2015 eine einmalige Nachzahlung für die altrechtlichen Organ-Lebendspenderinnen und -spender von rund 11 359 500 Franken leisten.

2378

Vermögensentwicklung Unter den oben genannten Annahmen und Ausführungen entwickelt sich das Vermögen des Lebendspende-Nachsorgefonds für den Bereich der Organ-Lebendspende wie in der untenstehenden Grafik dargestellt: Vermögensentwicklung Bereich Organ-Lebendspende 35'000'000 30'000'000 25'000'000 20'000'000 15'000'000 10'000'000

1.1.2049

1.1.2047

1.1.2045

1.1.2043

1.1.2041

1.1.2039

1.1.2037

1.1.2035

1.1.2033

1.1.2031

1.1.2029

1.1.2027

1.1.2025

1.1.2023

1.1.2021

1.1.2019

1.1.2017

0

1.1.2015

5'000'000

Über den dargestellten Zeitraum nimmt die Anzahl der im Register geführten OrganLebendspenderinnen und -spender kontinuierlich zu und erreicht im Jahr 2040 einen Bestand von rund 4100 Personen. Das Vermögen im Lebendspende-Nachsorgefonds für den Bereich der Organ-Lebendspende nimmt über diesen Zeitraum stetig zu und erreicht im Jahr 2040 einen Stand von rund 27,4 Millionen Franken. Mitberücksichtigt ist in dieser Berechnung die Annahme, dass die Lebenserwartung in Zukunft weiterhin leicht zunimmt.

Blut-Stammzellspende Die Versicherer sind gemäss Artikel 15a verpflichtet, auch die medizinischen Kosten für die Nachsorge der Blut-Stammzellspenderinnen und -spender von derzeit rund 2240 Franken pro Person sowie die Hälfte der administrativen Kosten für die Führung des Registers von 2387 Franken, also rund 1194 Franken pro Spenderin oder Spender, zu übernehmen (vgl. Ziff. 3.1.1, Auswirkungen der finanziellen Absicherung der Lebendspende, Blut-Stammzellen). Die von den Versicherern einmalig zu zahlende Pauschale beläuft sich somit auf 3434 Franken pro neue Spenderin oder neuen Spender. Mehr als die Hälfte dieses Betrages wird innerhalb des ersten Jahres nach der Spende aufgewendet (vgl. Ziff. 1.3.3) und nach 10 Jahren ist die Nachsorge abgeschlossen. Da die Versicherer gemäss dem Vertrag zwischen dem SVK und H+ seit dem 1. Januar 2012 bereits eine Pauschale von 5000 Franken pro Spende leisten, verursacht die Neuregelung keine zusätzlichen Kosten. Das Gegenteil ist der Fall: Weil sich der Bund neu an den administrativen Kosten der Registerführung hälftig beteiligt, reduziert sich die Pauschale der Versicherer von 5000 Franken um 1566 Franken auf die erwähnten 3434 Franken pro neue registrierte Person. Für die rund 80 neuen Personen pro Jahr, welche dies betrifft (vgl.

Ziff. 1.3.3), kostet die 10-jährige Nachsorge die Versicherer somit rund 274 700 Franken jährlich an Stelle der 400 000 Franken, welche sich aus dem Vertrag zwi2379

schen dem SVK und H+ ergeben würden. Die Versicherer sparen somit jährlich rund 125 300 Franken zulasten des Bundes.

Schlussfolgerung Der jährliche Mehraufwand für die Versicherer infolge der Neuregelung der finanziellen Absicherung der Lebendspende steigt kontinuierlich. Dies ist die direkte Folge der jährlichen Zunahme der Höhe der Pauschale pro Person. Der jährliche Mehraufwand für die Versicherer beläuft sich beim voraussichtlichen Inkrafttreten der Vorlage im Jahr 2015 auf rund 106 000 Franken und beträgt im Jahr 2040 rund 1 221 200 Franken.

Bei einer einmaligen Nachzahlung der Versicherer per Inkrafttreten dieser Vorlage im Jahr 2015 für die altrechtlichen Lebendspenden (Spendedatum vor Inkrafttreten der Vorlage) entstehen den Versicherern zusätzliche Mehrkosten von rund 11 359 500 Franken. Dies entspricht etwa 0,05 % des gesamten Prämienvolumens aller Krankenversicherer im Jahr 2011 von rund 23.6 Milliarden Franken.

Die Nachsorge bei Organ-Lebendspenden ist auf den ersten Blick mit hohen Kosten verbunden. Werden diese Kosten jedoch den Einsparungen und dem Mehrwert gegenübergestellt, der zum Beispiel aus einer Nierenspende resultiert, ergibt sich ein anderes Bild. Werden mehrere kürzlich veröffentlichte internationale Schätzungen auf das Schweizer Gesundheitssystem übertragen, haben allein die 988 NierenLebendspenderinnen und -spender der vergangenen zehn Jahre dem Schweizer Gesundheitssystem direkte Kosten von ca. 100 bis 127 Millionen Franken erspart (Vergleich Transplantationskosten gegen eingesparte Dialyse) und einen gesellschaftlichen Mehrwert von knapp 360 bis 667 Millionen Franken (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Genesenen werden mitgerechnet) erzeugt50. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erachtet der Bundesrat die beantragte Finanzierung der Nachsorge durch die Versicherer für sachlich gerechtfertigt.

3.3.2

Auswirkung auf die Invaliden-, Militär- und Unfallversicherung

Die Vorlage hat auf die Invaliden-, Militär- und Unfallversicherung nebst den bereits unter Ziffer 3.3.1 erwähnten Auswirkungen zusätzliche finanzielle Auswirkungen, da diese Versicherungszweige künftig allen Lebendspenderinnen und Lebendspendern den vollen Erwerbsausfall ersetzen müssen an Stelle der bisher üblichen 80 % bei Organ-Lebendspenden (Art. 14 Abs. 2 Bst. b).

Gemäss den Angaben der Schweizerischen Stiftung zur Nachbetreuung von OrganLebendspendern, welche derzeit die Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Organ-Lebendspenderinnen und -spender sicherstellt, ist bei den im Schweizer Organ-Lebendspenderegister vom April 1993­April 2012 gespeicherten Personen in 42 Fällen die Invalidenversicherung und in einem Fall die Militärversicherung zuständig. Die Unfallversicherung war in diesem Zeitraum in keinem Fall zuständig.

50

Christen, Markus, Neuhaus Bühler, Rachel, Stump Wendt, Brigitte, 2010, Warum eine pauschale Entschädigung für Lebendorganspender fair ist, in: Bioethica Forum 2010, Vol. 2, No. 2, S. 5055.

2380

Gemäss Angaben des Bundesamts für Statistik betrug im Jahr 2010 der durchschnittliche monatliche Bruttolohn über alle Ausbildungsniveaus und alle Altersstufen 5979 Franken. Erfahrungsgemäss haben sich Nieren-Lebendspenderinnen und -spender in der Regel nach ein bis zwei Monaten von der Operation erholt und können ihre Erwerbstätigkeit wieder voll aufnehmen. Da die Invaliden-, Militär- und Unfallversicherung neu den vollen Erwerbsausfall an Stelle der bisherigen 80 % ersetzen müssen, ist pro Organ-Lebendspenderin und -spender somit mit durchschnittlich zusätzlich 1196­2392 Franken zu rechnen, welche die beiden Versicherungen im Falle der Zuständigkeit übernehmen müssen.

Gemäss den obenstehenden Angaben war die Invalidenversicherung bei OrganLebendspenden in rund zwei Fällen pro Jahr zuständig. Diese Änderung kostet die Invalidenversicherung somit rund 2392­4784 Franken zusätzlich pro Jahr. Die Militärversicherung war lediglich in einem Fall in 20 Jahren zuständig. Somit kostet diese Änderung die Militärversicherung durchschnittlich zusätzlich 1196­2392 Franken in 20 Jahren.

Bei Blut-Stammzellspenden hat diese Änderung keine Auswirkung, da gemäss Blutspende SRK Schweiz AG bisher kein Fall bekannt ist, in dem die Militärversicherung oder Unfallversicherung zuständig war. Zudem sind Personen, für die die Invalidenversicherung zuständig ist, in der Regel Kinder mit Geburtsgebrechen, die eine Spende von ihren ebenfalls noch nicht erwerbstätigen Geschwistern erhalten, und somit von dieser Änderung ebenfalls nicht betroffen sind. Das Durchschnittsalter bei der Knochenmarkentnahme, die vor allem bei Kindern angewendet wird, liegt bei 13 Jahren. Dies zeigt die Erhebung der Blutspende SRK Schweiz AG der Spenderinnen- und Spenderdaten im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2010. Des Weiteren ist im Kinderspital Zürich, wo ein Grossteil der BlutStammzellübertragungen bei Kindern vorgenommen wird, kein Fall bekannt, in dem die Invaliden-, die Militär- oder Unfallversicherung den Lohnausfall einer verwandten Spenderin oder eines verwandten Spenders hätte übernehmen müssen.

Zudem sind die Erwerbsausfallzeiten bei einer Blut-Stammzellspende im Vergleich zu einer Organ-Lebendspende kurz: Die Entnahme von peripheren Blut-Stammzellen wird ambulant durchgeführt und nur selten ist dafür eine Abwesenheit
von mehr als einem Tag nötig. Die allermeisten Spenderinnen und Spender nehmen ihre Arbeit am folgenden Tag bereits wieder auf. Bei der operativen Entnahme von Knochenmark im Spital ist mit einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von zwei bis drei Tagen und einer anschliessenden Erholungszeit von ein bis zwei Tagen zu rechnen. Insgesamt fallen Blut-Stammzellspenderinnen und -spender somit höchstens eine Woche aus. In vielen Fällen zeigen sich deshalb die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber kulant und übernehmen den Erwerbsausfall.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Gesetzesänderung ist relevant, wie viele zusätzliche Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz neu bezüglich der Organzuteilung Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt sind. Mit Ausnahme der Personen gemäss der internationalen Leistungsaushilfe (Art. 17 Abs. 2 Bst. a Ziff. 2 des Entwurfs), müssen diese Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz gemäss Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 1 des Entwurfs in der Schweiz krankenversichert sein. Deshalb ist für die Abschätzung der Auswirkungen dieser Änderung auf 2381

die Gesellschaft insbesondere die Anzahl der in der Schweiz versicherten Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz ein aussagekräftiger Indikator.

Gemäss Grenzgängerstatistik des Bundesamtes für Statistik arbeiteten Ende 2011 in der Schweiz rund 252 000 ausländische Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Diese Personen müssen sich grundsätzlich in jenem Land gegen Krankheit versichern lassen, in dem sie ihrer Beschäftigung nachgehen. Vor allem für Personen, die in Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich ihren Wohnsitz haben, besteht jedoch unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit, sich von dieser Versicherungspflicht zu befreien51. Gemäss Ziffer 3 Buchstabe b des Anhangs XI der Verordnung (EG) Nr. 883/200452 können sich Personen, die in Deutschland, Frankreich, Italien oder Österreich wohnen und den schweizerischen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherungspflicht unterliegen, von der Versicherungspflicht befreien, sofern sie im Antrag auf Befreiung den Nachweis erbringen, dass sie in einem anderen EU-Mitgliedstaat gleichwertig krankenversichert sind. Dasselbe gilt auch für die nichterwerbstätigen Familienangehörigen von erwerbstätigen Personen sowie Arbeitslosenversicherungsbezügerinnen und -bezügern, die in Finnland wohnen, sowie für die nichterwerbstätigen Familienangehörigen von Rentenbezügerinnen und -bezügern, die in Portugal wohnen (Optionsrecht). Der grösste Teil der Grenzgängerinnen und Grenzgänger scheint bisher von diesem Optionsrecht Gebrauch zu machen: Gemäss der «BAG Prämiengenehmigung 2012» waren Ende 2011 in der Schweiz lediglich rund 31 591 Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz krankenversichert. Artikel 17 des Entwurfs sieht vor, dass diese Personen neu bei der Zuteilung von Organen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt werden.

Personen, die bei der Organzuteilung neu den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt sind, müssen neu auch in die Warteliste aufgenommen werden. In der Schweiz befanden sich Ende 2011 etwa eine Person pro 8000 Einwohnerinnen und Einwohner in der Warteliste für Organe. Werden durch diese Anpassung neu 31 591 weitere Personen bei der Organzuteilung gleichgestellt, muss nach Inkrafttreten dieser Vorlage somit von ungefähr vier zusätzlichen Personen auf der gegenwärtig rund 1100 Personen zählenden Warteliste ausgegangen
werden.

Diese Schätzung basiert auf der Annahme, dass Personen aus den Nachbarländern zukünftig nicht vermehrt von ihrem Optionsrecht Gebrauch machen und sich von der Versicherungspflicht in der Schweiz befreien lassen. Sollen künftig weniger Personen das Optionsrecht wahrnehmen, da sie neu bei Organzuteilungen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt werden, wäre eine höhere Zunahme in der Warteliste zu erwarten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es für diese Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz andere gewichtige Gründe gibt, von ihrem Optionsrecht Gebrauch zu machen, als die bisherige Benachteiligung bei der Organzuteilung.

51

52

Avis de droit sur l'allocation d'organes à des personnes non domiciliées en Suisse au regard de l'Accord sur la libre circulation des personnes, Mélanie Mader, Béatrice Despland, Olivier Guillot, Institut de droit de la santé, Neuchâtel, Février 2011, und Avis de droit sur l'allocation d'organes à des personnes non domiciliées en Suisse au regard de l'Accord sur la libre circulation des personnes, Questions supplémentaires LL.M., Docteur en droit Mélanie Mader, Novembre 2011. Das Gutachten ist in französischer Sprache einsehbar unter www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Transplantationsmedizin > Rechtliche Grundlagen > Gesetz. Die Schlussfolgerungen sind in deutscher Übersetzung unter derselben Adresse einsehbar.

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, SR 0.831.109.268.1.

2382

Bei diesen Berechnungen wurden zudem Personen, die gemäss Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 2 bei der Organallokation gemäss der internationalen Leistungsaushilfe den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt werden (vgl.

Ziff. 1.3.1), nicht berücksichtigt. Diese Personen müssen nicht in der Schweiz versichert sein und werden gemäss internationaler Leistungsaushilfe nur in dringend notwendigen Fällen den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt (vgl.

Ziff. 1.3.1). Seit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetz am 1. Juli 2007 wurde eine Leber einer Person ohne Wohnsitz in der Schweiz in einer medizinisch dringlichen Situation transplantiert.

Per Ende Juli 2012 standen drei Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz auf der Warteliste. Darunter befanden sich zwei Personen aus dem Fürstentum Liechtenstein, welche bereits seit der Anwendung der Vereinbarung mit dem Fürstentum Liechtenstein den Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt sind (vgl.

Ziff. 1.3.1 und 3.6). Zudem wurde seit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes am 1. Juli 2007 bis Ende Juli 2012 vier Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz oder Liechtenstein ein Organ von einer Leichenspende transplantiert. Damit diese Personen transplantiert werden konnten, mussten sie auch auf der Warteliste gestanden haben. Somit wird die Zahl der mit der Umsetzung der Motion Maury Pasquier erwarteten vier zusätzlichen Personen auf der Warteliste etwas relativiert, da bereits bisher Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz Organe zugeteilt wurden.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Die Änderungen des Transplantationsgesetzes haben keine Auswirkungen auf die Umwelt.

3.6

Auswirkungen auf das Fürstentum Liechtenstein

Die Änderung von Artikel 17 des Transplantationsgesetzes ist für Liechtenstein nicht relevant, da es am 1. März 2010 mit der Schweiz eine Vereinbarung53 betreffend die Zuteilung von Organen zur Transplantation abgeschlossen hat, die bereits seit dem 1. April 2010 vorläufig angewendet wird und am 15. Juli 2011 in Kraft getreten ist (vgl. Ziff. 1.3.1). Diese Vereinbarung sieht vor, dass Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein bei der Aufnahme in die Warteliste (Art. 1) und bei der Zuteilung von Organen (Art. 2) Personen mit Wohnsitz in der Schweiz gleichgestellt sind. Durch die Vereinbarung wird das Wohnsitzkriterium für alle Personen mit Wohnsitz in Liechtenstein unwirksam. Sie folgt der gleichen Logik, die auch dem Recht der Grenzgängerinnen und Grenzgänger auf Zugang zu den Leistungen bei Krankheit in ihrem Beschäftigungsland zugrunde liegt.

53

SR 0.810.215.14

2383

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201254 über die Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201255 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

Wie der Bundesrat in seiner Botschaft einleitend zu Anhang 1 «Gesetzgebungsprogramm 2011­2015» festhält, stellt die Liste keine vollständige Zusammenstellung aller seitens des Bundesrates geplanten Parlamentsgeschäfte dar. Nicht aufgenommen wurde unter anderem die vorliegende Botschaft, weil es sich hierbei um eine Teilrevision eines bestehenden Gesetzes handelt und hauptsächlich Präzisierungen vorgenommen werden. Zudem sind die Änderungen und Präzisierungen von tiefer politischer Bedeutung.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

5.1.1

Rechtsgrundlage

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 119a Absätze 1 und 2 BV56, der dem Bund eine umfassende Kompetenz zur Regelung der Transplantationsmedizin gibt.

5.1.2

Vereinbarkeit mit den Grundrechten

Die Anpassungen in Erfüllung der Motion Maury Pasquier heben die in Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b des geltenden Transplantationsgesetzes enthaltene Diskriminierung (Art. 8 Abs. 2 BV) auf. Die einschlägigen Ausführungen dazu finden sich unter Ziffer 1.3.1.

Vereinzelt wird die Vereinbarkeit der in der Revisionsvorlage enthaltenen Anpassungen hinsichtlich der Vertretungsberechtigung bei vorbereitenden medizinischen Massnahmen vor dem Tod (Art. 10 Abs. 3 Entwurfs zur Änderung des Transplantationsgesetzes) mit der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und der Menschenwürde (Art. 7 BV) in Frage gestellt57. Es handle sich bei diesen Eingriffen um eine Instrumentalisierung des sterbenden Menschen. Das allgemeine Prinzip, wonach die Stellvertreterin oder der Stellvertreter nur in Eingriffe einwilligen könne, die im objektiven Wohl der Patientin oder des Patienten liegen, würde stark relativiert, worüber auch ein liberales Verständnis des objektiven Wohls nicht hinwegtäuschen könne.

Dem ist entgegenzuhalten, dass Menschen, bei denen organerhaltende Massnahmen in Frage kommen, keine Aussicht auf Genesung haben. Sie befinden sich in einem Sterbeprozess. Es geht in diesen Fällen nicht mehr um das Wohl im Sinne einer Genesung. Es geht um das Wohl im Sinne eines Sterbens in Würde. Dieses Wohl 54 55 56 57

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 SR 101 Vgl. Dr. Birgit Christensen und Dr. Margot Michel, Jusletter vom 31. Januar 2012, Organtransplantationen zwischen Integritätsschutz und Drittinteressen.

2384

wird durch vorbereitende medizinische Massnahmen nicht tangiert, sofern die damit verbundenen Risiken und Belastungen minimal sind.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

5.2.1

Europarat

Die Garantien der Europäischen Menschenrechtskonvention58 (EMRK) gehen in der Regel nicht über die in der BV gewährleisteten Grundrechte hinaus. Da die Bestimmungen des vorliegenden Gesetzesentwurfes mit den Grundrechten der BV übereinstimmen, genügen sie auch den Anforderungen der EMRK.

Die Biomedizinkonvention des Europarates59 ist das erste Instrument auf internationaler Ebene, das für die Anwendung der Medizin und die biomedizinische Forschung verbindliche Regelungen vorsieht. Sie ist in der Schweiz am 1. November 2008 in Kraft getreten. Am 8. November 2001 hat das Ministerkomitee des Europarats zur Biomedizinkonvention ein Zusatzprotokoll60 über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe verabschiedet. Es ist für die Schweiz seit 1. März 2010 in Kraft.

Weder die Konvention noch das Zusatzprotokoll enthalten Regelungen im Bereich der vorgeschlagenen Änderungen des Transplantationsgesetzes, sodass sich die Frage der Vereinbarkeit nicht stellt.

5.2.2

Europäische Union

Die 27 EU-Mitgliedstaaten koordinieren ihre Sozialversicherungssysteme auf Basis der Verordnungen (EG) Nr. 883/200461 und (EG) Nr. 987/200962. Diese beiden Verordnungen legen Koordinationsregeln im Bereich der sozialen Sicherheit fest, um die Personenfreizügigkeit innerhalb des EU-Raums zu vereinfachen.

Zudem sind diese beiden Verordnungen Teil des Abkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union über die Personenfreizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen)63. Die von der Schweiz erlassenen Vorschriften müssen somit mit den genannten Verordnungen vereinbar sein. Infolge der Erfüllung der Motion Maury Pasquier im Rahmen dieser Teilrevision werden die Bestimmungen im Bereich der Organ58 59 60 61 62

63

Europäische Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101) .

Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997 (Biomedizinkonvention, SR 0.810.2) .

Zusatzprotokoll vom 24. Januar 2002 über die Transplantation menschlicher Organe und Gewebe zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, SR 0.810.22.

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, SR 0.831.109.268.1.

Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, SR 0.831.109.268.11.

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681.

2385

zuteilung (Art. 17 und 21) in umfassender Weise an das EU-Recht zur Koordination der Sozialversicherungssysteme angepasst. Die einschlägigen Ausführungen dazu finden sich unter Ziffer 1.3.1.

5.2.3

Organisation der Vereinten Nationen (UNO)

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 196664 (UNO-Pakt II) garantiert die klassischen Menschenrechte. Die darin gewährleisteten Rechte und Freiheiten entsprechen weitgehend denjenigen der EMRK. Die Bestimmungen des vorliegenden Gesetzesentwurfes, die mit den relevanten Grundrechten der BV und der EMRK übereinstimmen, genügen somit auch den Anforderungen des UNO-Pakts II.

5.3

Erlassform

Durch den vorliegenden Entwurf wird ein geltendes Bundesgesetz geändert; die Änderung hat daher gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV und Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200265 in Form eines Bundesgesetzes zu erfolgen. Als solches untersteht das Gesetz dem fakultativen Referendum (Art. 141 Abs. 1 Bst. a BV).

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 BV hält fest, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder jedes der beiden Räte bedürfen. Die Subventionsbestimmung in Artikel 15a Absatz 3, wonach der Bund die Hälfte der administrativen Kosten für die Registerführung übernimmt, unterliegt infolge Nichterreichens der massgeblichen Grenzen der Ausgabenbremse nicht.

5.5

Einhaltung der Grundsätze der Subventionsgesetzgebung

5.5.1

Bedeutung der Subvention für die vom Bund angestrebten Ziele

Mit Artikel 14 hat das Parlament eine Bestimmung in das Transplantationsgesetz aufgenommen, die sicherstellen soll, dass die Lebendspenderin oder der Lebendspender die finanziellen Belastungen der Spende nicht selber tragen muss. Im neuen Artikel 15a ist vorgesehen, dass der Bund die Hälfte der administrativen Kosten für die Führung des Registers der Lebendspende-Nachsorgestelle nach Artikel 15c übernimmt. Ziel dieser Subvention ist sicherzustellen, dass die Lebendspende64 65

SR 0.103.2 SR 171.10

2386

Nachsorgestelle ihre wichtigen Dienstleistungen im Bereich der Nachbetreuung der Lebendspenderinnen und -spender im Sinne des Gesetzes wahrnimmt.

5.5.2

Materielle und finanzielle Steuerung der Subvention

Der Bund leistet der Lebendspende-Nachsorgestelle jährliche Beiträge auf der Basis der für das betreffende Jahr zu erwartenden anteilsmässigen Kosten. Diese Beiträge stellen eine Abgeltung nach Artikel 3 Absatz 2 des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199066 dar. Empfängerin der Subvention ist die Lebendspende-Nachsorgestelle. Mit der jährlichen Ausschüttung der Beiträge wird sichergestellt, dass Abgeltungen frühestens ausbezahlt werden, wenn und soweit Aufwendungen unmittelbar bevorstehen (Art. 23 Subventionsgesetz).

5.5.3

Verfahren der Beitragsgewährung

In der Budgetierung wird auf Prognosen abgestellt, die auf Eckwerten von Vorjahren und Vorgaben des Bundes basieren. Die Lebendspende-Nachsorgestelle legt jährlich eine Abrechnung über die effektiv nachgewiesenen Kosten vor. Stellt sich bei der Schlussabrechnung nachträglich heraus, dass der Bundesbeitrag nicht den budgetierten Prognosen entspricht, sondern höher oder tiefer ausfällt, wird dies im Folgejahr bereinigt.

5.5.4

Befristung und degressive Ausgestaltung der Subvention

Eine Befristung oder degressive Ausgestaltung der Subvention ist nicht vorgesehen, weil es sich bei der Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Lebendspenderinnen und Lebendspender und der darin eingeschlossenen Führung eines Registers um eine Daueraufgabe handelt.

5.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Die an den Bundesrat delegierten Regelungskompetenzen betreffen Regelungen, deren Details den Konkretisierungsgrad der Gesetzesebene wesentlich überschreiten würden. Die Rechtsetzungsermächtigungen beschränken sich jeweils auf einen bestimmten Regelungsgegenstand und sind nach Inhalt, Zweck und Ausmass hinreichend konkretisiert. Die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen wird damit dem Bestimmtheitsgrundsatz gerecht und ist somit verfassungsrechtlich ausreichend umrissen.

Im Einzelnen hat der Bundesrat die Kompetenz zur Regelung der Einzelheiten im Zusammenhang mit den Kosten der Nachverfolgung des Gesundheitszustands der Lebendspenderinnen und Lebendspender (Art. 15a Abs. 4 und 5).

66

SR 616.1

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