13.078 Botschaft zu einer erneuten Weiterführung des Einsatzes der Armee im Assistenzdienst im Ausland zum Schutz der Schweizer Botschaft in Tripolis vom 20. September 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Gemäss Artikel 70 Absatz 2 des Militärgesetzes unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung einer Weiterführung des Einsatzes der Armee im Assistenzdienst im Ausland zum Schutz der Schweizer Botschaft in Tripolis mit dem Antrag auf Zustimmung (Einsatzphase Februar 2014 bis Januar 2016).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

20. September 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-2009

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Übersicht Ausgangslage Die Bundesversammlung hat mit Bundesbeschluss vom 3. Dezember 2012 den Vorschlag des Bundesrates genehmigt, den Einsatz der Schweizer Armee im Assistenzdienst im Ausland zum Schutz der Schweizer Botschaft in Tripolis zu verlängern (Genehmigung für eine Einsatzdauer von sechs Monaten, verlängerbar durch den Bundesrat, Gesamteinsatzphase Februar 2013 bis Januar 2014). Der Antrag des Bundesrates an das Parlament wurde damit begründet, dass das Botschaftspersonal realen Risiken ausgesetzt war und dass der libysche Staat nicht in der Lage war, die ausländischen Botschaften in Tripolis zu schützen.

Seit dem Ende des Bürgerkriegs hat Libyen auf dem Weg des Übergangs zu demokratischen Strukturen und bei deren Aufbau gewisse Fortschritte gemacht. Die Wahl eines Übergangsparlaments und einer Übergangsregierung war hierbei ein wichtiger Schritt. Die libyschen Behörden stehen vor der Aufgabe, zahlreiche divergierende Interessen unter einen Hut zu bringen. Der Übergangsprozess schreitet daher nur langsam und nicht ohne Schwierigkeiten voran. Monatelang wurden die Gespräche dominiert vom Erlass des «Isolationsgesetzes». Dieses sieht vor, dass Personen, die am vorherigen Regime beteiligt waren, für die Dauer von zehn Jahren von sämtlichen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen sind. Das Inkrafttreten dieses Gesetzes wird zweifellos dauerhafte Auswirkungen auf das politische Leben des Landes haben.

Damit Libyen auf seinem Weg weitere Fortschritte machen kann, braucht es die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Angesichts der Rolle dieses Landes und seiner Brückenfunktion zwischen Europa, Nordafrika und Subsahara-Afrika hat die Schweiz ein Interesse daran, aktiv am Stabilisierungsprozess Libyens mitzuwirken. Dazu sind die Beziehungen auf diplomatischer und wirtschaftlicher Ebene weiterzuentwickeln, und es ist ein wirksames Kooperationsprogramm über eine Anzahl institutioneller Aspekte aufzustellen.

Die Sicherheitslage in Libyen bleibt insgesamt angespannt. Art und Stärke der Bedrohungen sind je nach Region unterschiedlich. Die Ermordung des amerikanischen Botschafters in Benghasi im September 2012, das Sprengstoffattentat gegen die französische Botschaft sowie eine Reihe jüngst erfolgter weiterer Angriffe gegen ausländische Vertretungen und internationale Organisationen zeigen,
dass gewisse Milieus immer noch über grosses Schadenspotenzial verfügen. Eine wachsende Kriminalität sowie sich häufende Gewalt gegen Frauen bilden derzeit weitere Bedrohungsformen; sie nehmen in der Hauptstadt wie auch im übrigen Land zu. Die ausländischen Vertretungen sind somit nach wie vor mit echten Bedrohungen konfrontiert.

Die grösste Herausforderung für die libyschen Behörden besteht darin, so rasch wie möglich ein echtes staatliches Sicherheitsmonopol im Land herzustellen. Bisher konnten die verschiedenen Sicherheitskräfte noch nicht wirklich unter einem einzi-

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gen Kommando zusammengeführt werden. Die ausländischen Vertretungen müssen vorläufig im Wesentlichen selbst für ihren Schutz sorgen.

Das Personal der Schweizer Botschaft in Tripolis hat bisher keine Sicherheitszwischenfälle verzeichnet. Die Schutzdetachemente mussten jedoch mehrmals Evakuierungen vornehmen, um eine Gefährdung des Botschaftspersonals zu vermeiden.

Der Bundesrat erachtet die Erfahrungen mit dem Einsatz der Spezialkräfte der Armee in den ersten 18 Monaten als sehr positiv. Das Schutzdispositiv entspricht den Anforderungen und wird aufgrund der Lageentwicklung laufend angepasst. Es sollte in den kommenden Monaten keine wesentlichen Änderungen erfahren.

Die Personalkosten der Schutzdetachemente werden dem VBS belastet. Das EDA übernimmt die spezifischen Ausgaben für den Einsatz. Es finanziert den Lufttransport und den Transport vor Ort, stellt die Unterkünfte der Schutzdetachemente zur Verfügung und übernimmt die Kosten für Verpflegung und Kommunikation sowie für die Gefahrenzulagen.

Inhalt der Vorlage Der Bundesrat ist der Ansicht, dass diese Risiken nach wie vor bestehen und dass es daher notwendig ist, den Einsatz der Spezialkräfte der Schweizer Armee für zwei weitere Jahre zu verlängern (Februar 2014 bis Januar 2016). Für diese erneute Verlängerung ist die Genehmigung der Bundesversammlung erforderlich. Der Antrag des Bundesrates ist Gegenstand dieser Botschaft. Die spezifischen Ausgaben für den Einsatz vom Februar 2014 bis zum Januar 2016 werden aus dem ordentlichen Budget des EDA finanziert.

Eine Genehmigung der Bundesversammlung für einen zweijährigen Einsatz lässt sich rechtfertigen angesichts der Zeit, die für die politische Stabilisierung des Landes und die Verbesserung der Sicherheitslage erforderlich ist; sie erlaubt es dem Bundesrat und dem Parlament, das Dossier in zeitlich optimaleren, regelmässigen Abständen zu überdenken. Das EDA und das VBS werden die Lage in Libyen auch weiterhin verfolgen und dem Bundesrat mitteilen, falls aufgrund der Situation der Einsatz der Spezialkräfte der Armee vor Ablauf dieser Frist unterbrochen oder definitiv beendet werden kann.

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Botschaft 1

Ausgangslage

Die Bundesversammlung hatte den Antrag des Bundesrates, Armeedetachemente mit dem Schutz der Schweizer Botschaft in Tripolis zu betrauen, mit Bundesbeschluss vom 15. März 20121 genehmigt. Gemäss Artikel 1 Absatz 2 dieses Bundesbeschlusses wurde der Einsatz auf sechs Monate befristet. Der Bundesrat wurde aber ermächtigt, ihn für eine Dauer von höchstens sechs Monaten zu verlängern, falls die Situation vor Ort dies erforderte. Gemäss Artikel 2 des Bundesbeschlusses konnte der Bundesrat den Einsatz, sofern er dies als nötig erachtete, jederzeit unterbrechen oder beenden. Die Verlängerung um sechs Monate wurde vom Bundesrat am 4. Juli 2012 beschlossen.

Die Bundesversammlung genehmigte mit Bundesbeschluss vom 3. Dezember 20122 die Verlängerung des Einsatzes der Spezialkräfte auf der gleichen Grundlage (sechs Monate, von Februar 2013 bis Juli 2013, verlängerbar durch den Bundesrat). Die Verlängerung des Einsatzes bis Januar 2014 wurde vom Bundesrat am 26. Juni 2013 beschlossen.

Das Personal für diese Schutzdetachemente wird vom Kommando Spezialkräfte der Armee gestellt, d.h. vor allem vom Armee-Aufklärungsdetachement 10 und vom Spezialdetachement der Militärpolizei.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass für das Botschaftspersonal jetzt und auf mittlere Sicht weiterhin deutliche und reale Risiken bestehen. Er stellt überdies fest, dass die libyschen Behörden noch immer nicht in der Lage sind, die ausländischen Vertretungen in Tripolis und im Rest des Landes angemessen zu schützen.

Der Bundesrat erachtet es daher als nötig, das Mandat der Spezialkräfte der Armee für eine Einsatzphase von zwei Jahren zu verlängern. Eine Genehmigung der Bundesversammlung für einen zweijährigen Einsatz lässt sich rechtfertigen angesichts der Zeit, die für die politische Stabilisierung des Landes und die Verbesserung der Sicherheitslage erforderlich ist; sie erlaubt es dem Bundesrat und dem Parlament, das Dossier in zeitlich optimaleren, regelmässigen Abständen zu überdenken. Das EDA und das VBS werden die Lage in Libyen weiterhin verfolgen. Sollte der Bundesrat in diesem Zeitraum feststellen, dass der Einsatz nicht mehr nötig ist, wird er ihn unterbrechen oder beenden.

Mit dieser Botschaft beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung eine erneute Genehmigung.

1.1

Das neue Libyen auf dem Weg zur Demokratie (Entwicklung und Herausforderungen)

Nach dem Umsturz von Mitte 2011 fanden bereits im Juli 2012 erfolgreiche Wahlen für ein Übergangsparlament statt, den heutigen Nationalkongress. Seit November 2012 besitzt das Land eine provisorische Regierung, die bestrebt ist, die Hoheitsge1 2

BBl 2012 3865 BBl 2013 231

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walt des Staates auf das gesamte Territorium auszudehnen und den Übergangsprozess voranzutreiben.

Eines der Ziele des Nationalkongresses liegt in der Vergangenheitsbewältigung.

Dabei steht unter anderem im Zentrum, Verantwortungsträger des gestürzten Regimes von öffentlichen Ämtern fernzuhalten. Zu diesem Zweck hat er am 5. Mai 2013 ein Gesetz zur «politischen Isolierung» verabschiedet. Diesem Entscheid gingen monatelange Auseinandersetzungen voraus. Die Debatten drehten sich um die Definition derjenigen Personen, die unter Gaddafi aktiv waren.

Die gewählte Lösung trifft alle Personen, die zwischen 1969 und 2011 in höheren Ämtern tätig waren ­ unabhängig davon, ob sie bereits in den Anfängen des damaligen Regimes in die Opposition übergetreten waren oder ob sie beim Umsturz von 2011 eine führende Rolle hatten. Als Folge davon müssten die Betroffenen von ihren heutigen Führungsaufgaben zurücktreten. Darunter sind auch Politiker, die in den Wahlen vom Sommer 2012 erfolgreich waren und die dank ihrer Führungserfahrung dem Land in der gegenwärtigen heiklen Übergangsphase eine gewisse Stabilität verliehen haben. Sie könnten erst wieder ab Sommer 2023 Führungsaufgaben wahrnehmen. Formell ist das Gesetz zwar bereits im Juni in Kraft getreten. Eine umfassende Umsetzung lässt aber weiterhin auf sich warten, was ein Indiz dafür ist, dass dieser Rechtsakt einer Aufweichung entgegengeht.

Die genauen Auswirkungen dieser Abrechnung mit der Vergangenheit lassen sich noch nicht prognostizieren, zumal der Verabschiedung des Gesetzes ein Aufmarsch bewaffneter Milizen in Tripolis vorausgegangen war. Der Hauptgrund dafür lag jedoch eher darin, dass sich die Regierung schrittweise durchzusetzen beginnt, um irreguläre bewaffnete Elemente vor allem aus der Hauptstadt zu entfernen. Die Regierung setzt dabei auf Dialog, um die Milizen zum Abzug zu bewegen. Erfreulich ist, dass sich die betroffenen Städte und Quartiere gegen die Milizen auflehnen ­ dies allerdings häufiger mittels des Einsatzes von Gegenmilizen als mittels der Stärkung der formellen Sicherheitskräfte.

Der revolutionäre Übergang vollzieht sich in einer eher fragilen Kontinuität: Angesichts der Tatsache, dass ­ statistisch gesehen ­ jeder Bürger und jede Bürgerin Libyens unabhängig vom Alter mehr als drei Waffen besitzt, hält sich jedoch die Gewaltanwendung
in Grenzen. Die Bevölkerung unterliegt nach wie vor trotz ­ oder gerade wegen ­ der schwachen Staatsgewalt einer hohen inneren sozialen Kontrolle.

Hervorzuheben ist zudem, dass die libysche islamistische Partei ­ verglichen mit Tunesien und Ägypten ­ bisher moderat auftritt, zumal sie bei den Wahlen im Juli 2012 entgegen den Erwartungen schwach abschnitt und einige ihrer Führer selbst Opfer des Isolationsgesetzes sind. Die Al Kaida des Islamischen Maghreb (AQIM) verfügt im Norden des Landes nur über eine rein punktuelle Präsenz. Die mehrere tausend Kilometer langen Grenzen Libyens lassen sich aber kaum kontrollieren.

Daher gehören vor allem im Süden des Landes illegale Grenzübertritte, Schmuggel, Waffenschiebereien sowie das Eindringen von Migranten und Migrantinnen, die Europa zum Ziel haben, zur täglichen Realität. Diese Tatsache ist insbesondere auch wegen den bewaffneten islamischen Aktivitäten in der Sahel-Region besonders heikel.

Das politische Hauptproblem Libyens liegt darin, dass die Umwandlung von Staat und Gesellschaft sowie der Aufbau von funktionierenden Institutionen insgesamt langsam erfolgen. Unter anderem kann die Ursache hierfür darin geortet werden, dass die dünne Führungsschicht stark mit internen Verhandlungen beschäftigt ist.

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Deshalb bleibt ihr nur wenig Spielraum, um die Vielzahl ungelöster Fragen gleichzeitig anzugehen. Zu diesen gehört die Zurückgewinnung des umfänglichen staatlichen Gewaltmonopols und die Stabilisierung der Provinz Cyrenaika mit der Stadt Benghasi. Ungelöst sind ferner das Füllen des beschriebenen Sicherheitsvakuums in den Grenzregionen zu Algerien, Niger und Tschad, die Stärkung der Zivilgesellschaft und des Privatsektors sowie die Weiterführung der zahlreichen seit der Revolution brachliegenden Infrastrukturprojekte.

Trotz dieser Einschränkungen hat das Rückgrat der libyschen Wirtschaft, die Förderung von Öl und Gas, schon Ende 2012 wieder das ungefähre Niveau der Phase vor der Revolution erreicht, was sich im Vergleich zum Jahr vor dem Umsturz in einer rund 100-prozentigen Steigerung des BIP niederschlug. Seit Anfang 2013 haben jedoch Gruppen mit partikularen internen Interessen die an sich vitale Erdölförderung als Druckmittel gegenüber dem Staat sowie den beteiligten nationalen und internationalen Gesellschaften entdeckt. Es handelt sich etwa um Milizen, die für den Schutz der Anlagen zuständig sind, um Lastwagenchauffeure, bestimmte Minderheiten sowie um lokale Angestellte. Dies führte dazu, dass die Produktion um bis zu 40 % einbrach. Seit dem Sommer 2013 hat sich die Förderung zwar etwas erholt.

Sie liegt hingegen immer noch unter den vorhandenen Kapazitäten, was die Wirtschaftskraft des Landes entsprechend schwächt.

Gegenwärtig laufen die Vorbereitungen für die Wahl eines 60-köpfigen Gremiums, welches einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten hat. Sobald dieser vorliegt, wird das libysche Volk darüber im Rahmen eines Referendums befinden können. Daran schliessen sich Wahlen für ein verfassungskonformes Parlament an. Schliesslich sollte diese neue Volksvertretung die erste reguläre Regierung seit 1969 bestimmen.

Da sich das institutionelle, kulturelle und mentale Erbe von vier Jahrzehnten Diktatur nicht in wenigen Monaten überwinden lässt, dürfte sich der Zeitbedarf für diese politische Gesamtentwicklung bis gegen Ende 2015 erstrecken.

1.2

Aktive Präsenz der Schweiz

Libyen mit seiner Lage unmittelbar am Mittelmeer, seiner grossen geografischen Ausdehnung, verbunden mit einer relativ geringen Bevölkerungszahl und den bedeutendsten Erdölreserven Afrikas nimmt eine sensible Brückenfunktion wahr, zwischen Europa und dem Raum südlich der Sahara, aber auch innerhalb Nordafrikas. Die Schweiz ist mit Libyen in vielfacher Weise direkt und indirekt verknüpft und hat daher ein unmittelbares Interesse daran, dass sich die jetzige fragile Lage stabilisiert. Die zwischenstaatliche Krise in der Schlussphase des Gaddafi-Regimes scheint überwunden und unser Land geniesst ein hohes Ansehen. Eine Formalisierung dieser positiven bilateralen Entwicklung durch Treffen auf Regierungsebene fehlt jedoch noch.

Der Entwicklung unserer Beziehungen zugute kommt zweifellos, dass die Schweiz während der Revolution eine Pionierrolle in der humanitären Hilfe spielte, ebenso die nachfolgende Arbeit der Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS) sowie der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des EDA. Der Bedarf ist jedoch immer noch riesig; in Libyen muss alles neu aufgebaut werden.

Die internationale Gemeinschaft spielt in dieser Transformationsphase und beim Übergang Libyens zu einem Rechtsstaat eine wichtige Rolle. Die Schweiz nimmt an 7306

diesen gemeinsamen Bemühungen teil, die von der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) gesteuert werden.

Die Aktionslinien der Schweiz in Nordafrika sind in der am 11. März 2011 vom Bundesrat verabschiedeten Strategie festgelegt. Diese gilt auch für Libyen. Die Aktivitäten der AMS in diesem Land konzentrieren sich auf die Bereiche 1 (demokratische Transition und Menschenrechte) und 3 (Migration sowie Schutz verletzlicher Personen, Gruppen und Minderheiten). Sie lassen sich in die folgenden Bereiche zusammenfassen: Förderung der Menschenrechte, Vergangenheitsarbeit (von den libyschen Behörden besonders gewünschte Unterstützung), Hilfe bei Wahlen und Reform des Verfassungsprozesses, Umgang mit Blindgängern (Minenräumung), Unterstützung der Zivilgesellschaft, Reform des Sicherheitssektors. Die AMS hat mit der libyschen Regierung Kontakte geknüpft, die es ermöglichen sollten, neue Schwerpunkte der Zusammenarbeit zu bestimmen, insbesondere staatliche Projekte, deren Finanzierung mit der Zeit von der libyschen Regierung übernommen und sichergestellt werden könnte.

Die Aktivitäten der DEZA ergänzen diejenigen der AMS und konzentrieren sich auf folgende Sektoren: Unterstützung der Zivilgesellschaft und des Sicherheitssektors sowie der Medien, Stärkung der staatlichen Strukturen und Förderung des Vertrauens der Bevölkerung in öffentliche Einrichtungen (z.B. bei medizinischer Rehabilitation), Schutz verletzlicher Personen (Internally Displaced Persons, IDPs).

Die Schweiz stellt der UNSMIL im Rahmen der zivilen Friedensförderung zurzeit einen Polizeiexperten zur Verfügung. Eine Beteiligung an der EU Integrated Border Management Assistance Mission (EUBAM Libya) ist zurzeit in Planung. Das DCAF (Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte) spielt bei der Reform der Sicherheitskräfte eine wichtige Rolle.

Auf wirtschaftlicher Ebene hat sich der Handel zwischen Libyen und der Schweiz seit 2011 sehr positiv entwickelt. Die Bemühungen der verschiedenen Schweizer Akteure, z.B. Switzerland Global Enterprise, Botschaft und SECO, konzentrieren sich derzeit auf eine Verbesserung der Aufnahmebedingungen für private Unternehmen, insbesondere KMU. Im Gefolge der bilateralen Krise hatte das libysche Regime vor seinem Sturz bedeutende Vermögenswerte aus der Schweiz abgezogen.
Deshalb war unser Land nur in einem vergleichsweise geringen Masse von der Blockierung libyscher Guthaben betroffen. Heute sind noch rund 100 Millionen Franken blockiert. Im Hinblick auf allfällige spätere Restitutionsverfahren hat die Schweiz Libyen eine aktive Unterstützung angeboten.

2

Der Schutz der Schweizer Botschaft in Tripolis

2.1

Die Sicherheitslage in Libyen

Die Sicherheitslage in Libyen bleibt insgesamt angespannt. Art und Stärke der Bedrohungen sind allerdings je nach Region unterschiedlich. Oft ist es schwierig, verlässliche Informationen über die Art der Sicherheitszwischenfälle und die Verantwortlichen zu erhalten. Alle Informationen müssen daher mehrmals überprüft werden, bevor sie als gesichert gelten können.

Die Lage in Benghasi ist äusserst instabil. Seit Langem ist sie von zahlreichen Attentaten gegen westliche Ziele wie das IKRK oder ausländische Vertretungen 7307

geprägt. Die Stadt und ihre Umgebung verzeichneten überdies in den letzten Monaten zahlreiche Angriffe gegen die staatlichen Sicherheitskräfte: Polizeiposten, Kasernen, Kontrollposten. Im südlichen Landesteil sind alte Stammesrivalitäten oder Aktivitäten im Zusammenhang mit Schmuggel und Waffen- und Drogenhandel die Ursache von Gewaltausbrüchen. In Städten wie Syrte oder Bani Walid kommt es immer wieder zu Reibereien zwischen rivalisierenden Gruppen (Revolutionäre, Loyalisten). In der Hauptstadt wird die Lage seit Anfang 2013 stark durch die Operation Tripolis beeinflusst; diese ist vom Nationalkongress und der Regierung lanciert worden und hat die Entwaffnung, Auflösung oder Vertreibung der illegalen Milizen zum Ziel, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. Diese Säuberungsaktion hat zahlreiche zum Teil bewaffnete Konflikte zwischen den staatlichen Sicherheitskräften (rund 3000 Mann) und den betreffenden Milizen ausgelöst.

Di Ermordung des amerikanischen Botschafters in Benghasi im September 2012, das Sprengstoffattentat gegen die französische Botschaft, der Attentatsversuch gegen das Büro des British Council in Tripolis im April 2013 sowie eine Reihe jüngst erfolgter weiterer Angriffe gegen ausländische Vertretungen und internationale Organisationen (Sprengstoff unter einem Wagen der italienischen Botschaft, Angriffe gegen UNO-Infrastruktur) zeigen, dass gewisse Milieus immer noch über ein erhebliches Potenzial verfügen, gezielte Gewaltakte zu planen und durchzuführen.

Die Sicherheitskräfte beschlagnahmen regelmässig eindrückliche Mengen von Waffen und Sprengstoffen. Eine wachsende Kriminalität sowie sich häufende Gewalt gegen Frauen bilden weitere Bedrohungsformen; sie nehmen in der Hauptstadt wie auch im übrigen Land zu. «Carjacking» ist in Libyen zu einem relativ häufigen Phänomen geworden. Ausländische Vertretungen sind somit nach wie vor mit echten Bedrohungen konfrontiert.

Die libysche Bevölkerung zeigt sich zunehmend kritisch gegenüber den bekannten oder mutmasslichen Verantwortlichen für die herrschende Unsicherheit, die die Stabilität des Landes untergraben (seien es Milizen oder islamistische Kreise). Die Proteste der Bevölkerung können zu dramatischen Situationen führen, wie Anfang Juni, als in Benghasi Milizen das Feuer auf Demonstranten eröffneten und rund dreissig Personen
töteten. Die Bevölkerung verurteilt überdies offen die Vertreter eines Staates, der als unfähig gilt, für den Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Die wichtigste Herausforderung für die libyschen Behörden besteht somit darin, so rasch wie möglich ein echtes staatliches Sicherheitsmonopol im Land herzustellen. Das ist alles andere als einfach: Einerseits benötigen die libyschen Behörden nach wie vor die Unterstützung der Milizen, um die Sicherheit des Staates zu gewährleisten, andererseits müssen sie auf die Auflösung der Milizen und ihre Integration in die Polizei oder die Armee hinarbeiten.

Die Massnahmen zur Entwaffnung, Entmachtung oder sogar Auflösung der Milizen laufen seit Monaten. Es sind schon einige positive Resultate zu verzeichnen, insbesondere was die Mechanismen zur Koordination der verschiedenen Akteure (Polizei, Armee, Milizen) betrifft, die unter staatlicher Leitung geschaffen wurden. Diese Konsolidierung der Kontrolle durch den Staat kann zu einer gewissen Destabilisierung der Milizen führen und sie misstrauisch machen. Die Milizen wollen ihre Waffen nicht allzu rasch aufgeben, solange ihre Errungenschaften nicht gesichert sind und solange sie keine ausreichenden Garantien im institutionellen Bereich erhalten haben. Sie sind bestrebt, eine gewisse Sichtbarkeit und Einfluss auf den Übergangsprozess zu behalten. Bisher konnten die verschiedenen Sicherheitskräfte

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daher noch nicht wirklich unter einem einzigen Kommando zusammengeführt werden.

Die Schaffung einer diplomatischen Polizei, die die ausländischen Vertretungen schützen soll, ist eine ganz neue Idee. Dieses Polizeikorps befindet sich noch in der Aufbauphase; seine Aufgaben und seine Organisation sind noch nicht bekannt. Erste Erfahrungen in Bezug auf eine Zusammenarbeit mit der diplomatischen Polizei konnten nach dem Attentat auf die französische Botschaft gesammelt werden. Der libysche Staat setzte eine gewisse Anzahl Patrouillen dieser neuen Polizei bei bestimmten Botschaften ein, darunter der schweizerischen. Die ersten Eindrücke betreffend Disziplin und Ausbildungsstand der Mitglieder dieses neuen Polizeikorps sind recht ermutigend. Es ist jedoch noch zu früh, um Schlüsse über die Fähigkeit der libyschen Behörden zu ziehen, die Sicherheit der ausländischen Vertretungen auf kurze und mittlere Sicht zu gewährleisten. Die ausländischen Vertretungen müssen daher vorläufig im Wesentlichen auf ihre eigenen Mittel zählen.

2.2

Aufgaben der Schutzdetachemente

2.2.1

Bilanz der ersten 18 Monate des Einsatzes

Die konkreten Gefahren, denen das Botschaftspersonal ausgesetzt ist, sind im Grossen und Ganzen seit Ende des Bürgerkriegs die gleichen, mit je nach Lage wechselnden Nuancen und Schwerpunkten: gewalttätige Demonstrationen, Angriffe gegen ausländische Vertretungen, Scharmützel oder Gefechte, in die das Botschaftspersonal und die Schutzdetachemente unfreiwillig hineingezogen werden könnten, Risiken im Zusammenhang mit Banditentum und Kriminalität. Das Botschaftspersonal hat bisher keine Sicherheitszwischenfälle verzeichnet. Die Schutzdetachemente mussten jedoch mehrmals Evakuierungen vornehmen, um eine Gefährdung des Botschaftspersonals zu vermeiden. Das bestehende Sicherheitsdispositiv wird regelmässig aufgrund der Lage aktualisiert. Nach dem Attentat auf die französische Botschaft sind die Sicherheitsmassnahmen erneut angepasst worden: Verstärkung des Botschaftsperimeters, verschärfte Fahrzeugkontrollen, systematische Überprüfung von Taschen und Gepäck, Unterstützung durch die libysche Polizei bei der Überwachung der Botschaft.

Die Schutzdetachemente haben heute die Aufgabe, Personal und Infrastruktur des EDA (Kanzlei, Residenz, Büros der DEZA und der AMS) zu schützen. Sie müssen das Botschaftspersonal je nach Gefährlichkeit der gewählten Route auch auf Fahrten beschützen. Ausserdem haben sie die Aufgabe, den Missionschef und die Sicherheitsdienste des EDA bei der Optimierung ihrer Schutzmassnahmen im Normal- und im Krisenfall zu beraten. Die laufende Beobachtung der Situation, die regelmässige Risikoanalyse und der Kontakt zu den Sicherheitskräften anderer Botschaften sind ebenfalls Teil der Aufgaben.

Dank der Präsenz von lokalem Wachpersonal und der laufenden Optimierung des Schutzdispositivs hat das Militärpersonal die bestandesmässige operationelle Obergrenze nie erreicht, die der Bundesrat festgelegt hat.

Der Bundesrat beurteilt die Erfahrungen der ersten 18 Monate sehr positiv. Das Schutzdispositiv entspricht den Anforderungen und wird aufgrund der Lageentwicklung laufend angepasst.

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2.2.2

Mandat für die Einsatzphase von Februar 2014 bis Januar 2016

Die für diese Phase geplante Mission bewegt sich in einem ähnlichen Rahmen wie der gegenwärtige Einsatz. Die Einzelheiten des ursprünglichen Einsatzbefehls gelten grundsätzlich weiter. Der Führungsstab der Armee wird die Aspekte der Einsatzverlängerung mit einem Teilbefehl regeln.

Auch in Zukunft werden das taktische Dispositiv und der Personalbestand der Schutzdetachemente aufgrund der Lageentwicklung laufend angepasst. Dabei sind zwei wichtige Faktoren massgebend: die Art der Bedrohung und das erforderliche Ausmass des Schutzes einerseits sowie die Anzahl der zu schützenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andererseits.

Die Botschaften anderer Länder in Libyen stehen unter dem Schutz eigener Sicherheitskräfte. Länder, die ähnlich exponiert sind wie die Schweiz, werden von Sicherheitskräften beschützt, deren Grösse in etwa jener der Schweizer Detachemente entspricht.

3

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Wie bis anhin werden die Personalkosten der Schutzdetachemente durch das VBS finanziert (Verteidigung, Voranschlagskredit A2100.0001). Das EDA trägt die spezifischen Ausgaben für den Einsatz. Es finanziert den Lufttransport und den Transport vor Ort, stellt die Unterkünfte der Schutzdetachemente zur Verfügung und übernimmt die Kosten für Verpflegung und Kommunikation sowie für die Gefahrenzulagen (Voranschlagskredit A2119.0001).

Für die neue Einsatzphase von 24 Monaten ist, unter der Voraussetzung, dass die Zahl der eingesetzten Personen gleich bleibt, mit Kosten in der Höhe von rund 1 935 000 Franken zu rechnen (siehe Tabelle).

Budgetierte Kosten für die drei Einsatzphasen in CHF

Kosten nach Planrechnung für die Einsatzphase von Februar 2012 bis Januar 2013

Kosten nach Planrechnung für die Einsatzphase von Februar 2013 bis Januar 2014 (im Mai 2013 aktualisierte Planung).

Kosten nach Planrechnung für die Einsatzphase von Februar 2014 bis Januar 2016

Transport

250 000

150 000

350 000

Verpflegung und kleine Ausgaben

210 000

180 000

360 000

Gefahrenzulagen

200 000

170 000

425 000

Lokalpersonal

330 000

400 000

800 000

Total

990 000

900 000

1 935 000

7310

Tatsächliche Kosten für die erste Einsatzphase in CHF

Kosten für die Einsatzphase von Februar 2012 bis Januar 2013

Transport

197 000

Verpflegung und kleine Ausgaben

208 000

Gefahrenzulagen

180 000

Lokalpersonal

335 000

Total

920 000

Sämtliche aus dem Armeeeinsatz zum Schutz der Schweizer Botschaft in Tripolis resultierenden Kosten sind im Voranschlag und im Finanzplan von EDA und VBS enthalten.

4

Rechtliche Aspekte

4.1

Rechtsgrundlage

Der Einsatz beruht auf Artikel 69 Absatz 2 des Militärgesetzes vom 3. Februar 19953 (MG). Gemäss Artikel 70 Absatz 1 MG ist der Bundesrat für ein solches Aufgebot zuständig. Da der Einsatz länger als drei Wochen dauert, ist nach Artikel 70 Absatz 2 MG eine Genehmigung der Bundesversammlung notwendig.

4.2

Erlassform

Der Erlass hat die Form eines einfachen Bundesbeschlusses, da er keine rechtsetzenden Bestimmungen enthält und daher nicht dem fakultativen Referendum untersteht (Art. 163 Abs. 2 der Bundesverfassung4 und Art. 29 Abs. 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20025).

3 4 5

SR 510.10 SR 101 SR 171.10

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