10.2.2

Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Tunesien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen vom 9. Januar 2013

1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Am 16. Oktober 2012 hat die Schweiz unter Ratifikationsvorbehalt ein neues bilaterales Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (ISA) mit Tunesien unterzeichnet.

Das neue ISA mit Tunesien soll das bestehende ISA mit diesem Land aus dem Jahr 19611 ­ das erste derartige von der Schweiz abgeschlossene Abkommen ­ ersetzen.

Damit wird ein modernes Instrument zum Schutz der Investitionen geschaffen, welches insbesondere einen wirksamen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Investor und dem Gaststaat vorsieht.

Das vorliegende Abkommen widerspiegelt den Wunsch beider Parteien, für ausländische Investitionen auf der Respektierung des Völkerrechts basierende günstige und stabile Investitionsbedingungen zu gewährleisten und damit zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Ziel der ISA ist es, in Partnerländern getätigten Investitionen von Schweizer Staatsangehörigen und Unternehmen ­ wie auch umgekehrt Investitionen in der Schweiz von Investoren aus Partnerländern ­ völkerrechtlichen Schutz gegenüber nichtkommerziellen Risiken zu bieten. Erfasst werden insbesondere behördliche Diskriminierungen im Verhältnis zu einheimischen Investoren, unrechtmässige Enteignungen sowie Einschränkungen des Zahlungs- und Kapitalverkehrs im Zusammenhang mit Investitionen. Streitbeilegungsverfahren ermöglichen es wenn nötig, die Einhaltung von Abkommensbestimmungen vor einem internationalen Schiedsgericht geltend zu machen. Mit dem Abschluss von ISA können Staaten die rechtlichen Rahmenbedingungen und folglich die Attraktivität ihres Wirtschaftsstandorts für internationale Investitionen verbessern.

Für die Schweiz sind internationale Investitionen seit Langem von erstrangiger Bedeutung. Sowohl der Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland (über 877 Mrd. CHF Ende 2010) als auch die Zahl der von Schweizer Unternehmen im Ausland beschäftigten Personen (mehr als 2,6 Mio.) stellen im internationalen Vergleich Spitzenwerte dar. Umgekehrt erreichten die ausländischen Direktinvestitionen in der Schweiz im gleichen Jahr 525 Milliarden Schweizerfranken, bei einem Personalbestand von mehr als 400 000.

1

Vertrag vom 2. Dezember 1961 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Tunesischen Republik über den Schutz und die Förderung der Kapitalinvestitionen (SR 0.975.275.8).

2012-2594

1393

Wie die wirtschaftliche Globalisierung zeigt, stellen die internationalen Investitionen für die meisten Länder einen wichtigen Faktor für Wachstum und Entwicklung dar. Als wichtiges Herkunftsland von ausländischen Direktinvestitionen ist es im Interesse der Schweiz, die Geschäftstätigkeit seiner Unternehmen im Ausland zu fördern und ihnen dabei wirksamen Rechtsschutz zu bieten. Kleine und mittlere Unternehmen, die ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten in geographischer Hinsicht zunehmend ausbauen, sind mehr denn je auf zwischenstaatlich garantierte Rahmenbedingungen angewiesen. Dennoch fehlt es für diesen Bereich ­ im Unterschied zu den WTO-Abkommen über den grenzüberschreitenden Handel ­ weiterhin an einem allgemeinen völkerrechtlichen Regelwerk. Die ISA füllen insbesondere im Verhältnis zu Nicht-OECD-Staaten einen Teil der Lücke und sind ein wichtiges Instrument der schweizerischen Aussenwirtschaftspolitik. Dass die Initiative zur Aushandlung von ISA heute oft von Entwicklungs- und Transitionsländern ausgeht, weist darauf hin, dass die Interessen der Schweiz und ihrer Partner am Abschluss solcher Abkommen gegenseitig sind.

Die Schweiz hat seit 1961 130 ISA abgeschlossen, wovon 116 in Kraft sind. Seit 2004 werden die ISA in der Regel im Rahmen des jährlichen Berichts zur Aussenwirtschaft dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet.2

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Nach zwei Verhandlungsrunden im Jahr 2009 ­ im April in Tunis und im Oktober in Bern ­ konnten die Verhandlungen über das neue ISA am 16. November 2010 auf diplomatischem Weg abgeschlossen werden. Das Abkommen wurde am 16. Oktober 2012 in Tunis unterzeichnet.

1.3

Überblick über den Inhalt des Abkommens

Die ISA, welche die Schweiz in den letzten Jahren abgeschlossenen hat, weisen inhaltlich einen hohen Grad an Übereinstimmung auf. Der mit Tunesien ausgehandelte Vertragstext folgt den von der Schweiz in diesem Bereich konstant vertretenen Grundsätzen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. September 20063). Zudem heben die Parteien im Abkommen (Präambel) hervor, dass dessen Ziele erreicht werden können, ohne die Gesetzgebung zu Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz zu lockern.

1.4

Würdigung

Mit seiner diversifizierten Wirtschaft (Landwirtschaft, Bergbau, Energie, verarbeitende Industrie, Tourismus) unterscheidet sich Tunesien von den meisten Ländern Afrikas sowie des Nahen und Mittleren Ostens. Tunesien, welches sich durch eine 2

3

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. September 2006 betreffend die Abkommen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen mit Serbien und Montenegro, Guyana, Aserbaidschan, Saudi-Arabien und Kolumbien, Ziff. 1.3 (BBl 2006 8455, hier 8462).

BBl 2006 8455

1394

relativ starke Integration in die Weltwirtschaft auszeichnet, kennt seit mehr als zwei Jahrzehnten kein negatives Wachstum; im Durchschitt der letzten Jahre wuchs sein BIP jährlich um fast fünf Prozent. Die Ereignisse in Tunesien im Jahr 2011 hatten jedoch einen negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes; nach Schätzungen fällt das Wachstum für das Jahr 2011 leicht negativ aus. Die Prognosen für die Jahre 2012 und 2013 gehen von einem positiven Wachstum aus, die Wachstumszahlen liegen jedoch unter dem Durchschnitt der letzten Jahre.

Das Assoziationsabkommen von 1995 zwischen Tunesien und der Europäischen Union ­ welche fast 75 Prozent der tunesischen Exporte abnimmt ­ hat die schrittweise Errichtung einer Freihandelszone Europa­Mittelmeer ermöglicht. Im Verhältnis zu den EU-Exporten ist die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporte nach Tunesien durch das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Tunesien aus dem Jahre 20044 gewährleistet.

Für ausländische Investitionen wird Tunesien zunehmend attraktiver. Ende 2010 belief sich der Bestand an Schweizer Direktinvestitionen auf 63 Millionen Schweizerfranken (gegenüber 57 Mio. CHF Ende 2009); damit zählt die Schweiz zu den führenden ausländischen Investoren. Hingegen sind die tunesischen Investitionen in der Schweiz noch bescheiden.

Vor diesem Hintergrund schafft das vorliegende Abkommen mit Tunesien zusätzliche Rechtssicherheit für Schweizer Investoren, die bereits vor Ort sind oder die, insbesondere nach den Ereignissen des Frühjahrs 2011, in Tunesien investieren wollen, und fördert damit die Investitionen zwischen der Schweiz und Tunesien.

1.5

Vernehmlassung

Aus Artikel 3 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20055 (VlG) ergibt sich, dass bei einem internationalen Abkommen, das nicht dem fakultativen Referendum unterstellt ist und keine wesentlichen Interessen der Kantone betrifft, grundsätzlich kein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt wird, ausser wenn es sich um ein Vorhaben von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite handelt oder wenn dieses in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen wird. Das vorliegende Abkommen ist nicht dem fakultativen Referendum unterstellt (vgl. Ziff. 5.3) und betrifft keine wesentlichen Interessen der Kantone. Es entspricht zudem bezüglich Inhalt sowie finanzieller, politischer oder wirtschaftlicher Bedeutung im Wesentlichen den früher durch die Schweiz abgeschlossenen ISA.6 Es handelt sich somit nicht um ein Vorhaben von besonderer Tragweite im Sinne des VlG. Da das Abkommen auch nicht in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen wird, wurde auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet.

4 5 6

Freihandelsabkommen vom 17. Dezember 2004 zwischen den EFTA-Staaten und der Republik Tunesien (SR 0.632.317.581).

SR 172.061 BBl 2006 8455

1395

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Abkommens

Präambel

Ziel, nachhaltige Entwicklung

Die Präambel des Abkommens umschreibt dessen Zielsetzung. Der Schutz von Investitionen fügt sich in die Gesamtheit der Aufgaben und Ziele ein, welche die Staaten zur Verfolgung des öffentlichen Interesses verfolgen. Das Abkommen bringt die Notwendigkeit zum Ausdruck, für die Mehrung des Wohlstands Investitionen zu schützen und zu fördern. Zugleich heben die Parteien hervor, dass diese Ziele ohne Lockerung der Gesetzgebung zu Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz erreicht werden können. Das ISA bringt zudem zum Ausdruck, dass Investitionen auch einen Beitrag zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung der Vertragsstaaten leisten.

Art. 1

Begriffsbestimmungen

Artikel 1 des Abkommens definiert die wichtigsten verwendeten Begriffe, namentlich jene der Investitionen, der Investitionserträge und des Investors, bei dem es sich um eine natürliche oder um eine juristische Person (mit oder ohne Rechtspersönlichkeit) handeln kann. Auch das Prinzip der Kontrolle einer Investition durch einen Investor der anderen Vertragspartei findet in dieser Bestimmung seinen Platz (Abs. 2 Bst. b Ziff. ii).

Art. 2

Anwendungsbereich

Gemäss dieser Bestimmung findet das Abkommen Anwendung auf Investitionen, die vor oder nach dem Inkrafttreten des Abkommens, aber nach dem 1. Januar 1957 (dem Jahr der Ausrufung der Republik Tunesien), rechtskonform getätigt worden sind. Es ist jedoch nicht auf Streitigkeiten anwendbar, die auf Ereignissen beruhen, welche vor dem Inkrafttreten des Abkommens eingetreten sind.

Art. 3

Förderung und Zulassung

In Ergänzung zu der im Rahmen von Artikel 25 des Freihandelsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Tunesien aus dem Jahr 20047 vorgesehenen Zusammenarbeit bringt Absatz 1 den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck, Investitionen von Investoren der anderen Partei auf dem eigenen Hoheitsgebiet nach Möglichkeit zu fördern. Absatz 2 enthält die Verpflichtung der Parteien, in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Gesetzgebungen die notwendigen Bewilligungen zu erteilen, sobald die Investition getätigt wurde. Dies gilt insbesondere für Bewilligungen für Führungskräfte und Spezialisten nach Wahl des Investors.

Art. 4

Allgemeine Behandlung und Schutz

Allgemeine Behandlung ­ Die Parteien verpflichten sich, den Investitionen und Investitionserlösen von Investoren der jeweils anderen Partei die so genannte «gerechte und billige Behandlung» zu gewähren, welche durch Garantien bezüglich Schutz und Sicherheit ergänzt wird (Abs. 1).

7

SR 0.632.317.581

1396

Inländerbehandlung und Meistbegünstigung ­ Die Absätze 2 und 3 sehen die Gewährung der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung bezüglich der Investitionen (und von deren Erträgen) sowie bezüglich der Investoren vor. Ausnahmen von der Meistbegünstigungsverpflichtung gelten für Vorteile, die das Gastland einem Drittstaat im Rahmen der Teilnahme an einer Freihandelszone, einer Zollunion, einem gemeinsamen Markt oder eines regionalen Abkommens zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit beziehungsweise aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens gewährt (Abs. 4). Schliesslich präzisiert das Abkommen, dass diese Verpflichtung nicht anwendbar ist auf Mechanismen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, die in anderen Investitionsabkommen der Vertragsparteien vorgesehen sind (Abs. 5).

Art. 5

Freier Transfer

Der freie Transfer von Beträgen, die mit einer Investition verbunden sind, ist gewährleistet.

Art. 6

Enteignung, Entschädigung

Enteignungen, Verstaatlichungen oder irgendwelche andere Massnahmen derselben Art oder Wirkung sind nur zulässig, sofern die Abkommensparteien Bedingungen erfüllen. Diese umfassen insbesondere das Vorliegen eines öffentlichen Interesses, die Nichtdiskriminierung, ein ordentliches Verfahren sowie die umgehende Zahlung einer tatsächlich verwertbaren Entschädigung, welche dem angemessenen Marktwert der Investition entspricht.

Art. 7

Entschädigung von Verlusten

Erleiden die Investoren Verluste als Folge bewaffneter Konflikte oder ziviler Unruhen, darf ein Investor bezüglich Entschädigung oder anderweitigen Behandlung nicht diskriminiert werden. Er hat Anspruch auf Inländerbehandlung oder Meistbegünstigung gemäss Artikel 4, je nachdem welche Behandlung für ihn günstiger ist.

Art. 8

Andere Verpflichtungen

Alle spezifischen Verpflichtungen, welche der Gaststaat in Bezug auf eine Investition eines Investors der anderen Vertragspartei auf seinem Hoheitsgebiet eingegangen ist, müssen eingehalten werden. Dies können Vereinbarungen sein, in welchen der Gaststaat einem Investor der anderen Vertragspartei besondere Leistungen oder Bedingungen zugesichert hat, wie zum Beispiel in Bezug auf die Energieversorgung oder die Besteuerung.

Art. 9

Günstigere Bestimmungen

Verpflichtungen des Gaststaates aus dem nationalen Recht oder dem Völkerrecht, die Investitionen von Investoren der anderen Vertragspartei eine noch günstigere als die im Abkommen enthaltene Behandlung zuerkennen, gehen vor.

1397

Art. 10

Subrogationsprinzip

Die Subrogationsbestimmungen kommen zu Anwendung, wenn ein Investor aufgrund einer Garantie für nichtkommerzielle Risiken von einem Versicherer Zahlungen erhält.

Art. 11

Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei

Gemäss dem ersten Teil des Streitbeilegungsdispositivs müssen sich die Streitparteien zunächst darum bemühen, Differenzen einvernehmlich zu lösen (Abs. 1).

Gelingt dies nicht, kann der Investor den Fall den nationalen Gerichten des Gaststaates oder der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit unterbreiten. Im letzteren Fall hat der Investor die Wahl zwischen einem Schiedsverfahren gemäss den Regeln und der Administrierung des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID)8 oder einem Ad-Hoc-Schiedsgericht (Abs. 2). Das Einverständnis der Vertragsparteien, Investitionsstreitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterbreiten, ist im Abkommen ausdrücklich enthalten (Abs. 3). Dieser Teil des Streitbeilegungsdispositivs kommt nicht zur Anwendung, sofern mehr als fünf Jahre vergangen sind seit dem Tag, an welchem der Investor Kenntnis von den Ereignissen, die Anlass zur Streitigkeit gaben, erlangte oder hätte erlangen müssen (Abs. 6).

Art. 12

Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien

Der zweite Teil des Streitbeilegungsdispositivs regelt Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien in Bezug auf die Auslegung oder die Anwendung der Bestimmungen des Abkommens. Es sind ebenfalls zwei Stufen vorgesehen: die Beilegung der Streitigkeit auf diplomatischem Wege und, wenn dieser nicht zur Verständigung führt, die Unterbreitung der Streitigkeit an ein Schiedsgericht, welches gemäss den in diesem Artikel enthaltenen Bestimmungen ernannt wird.

Art. 13

Schlussbestimmungen

Das Abkommen hat eine anfängliche Geltungsdauer von zehn Jahren und wird stillschweigend auf unbefristete Zeit verlängert, solange eine Vertragspartei dieses nicht zwölf Monate vor Ablauf der anfänglichen Geltungsdauer oder zu jedem späteren Zeitpunkt mit einer Frist von zwölf Monaten kündigt (Abs. 1 und 2). Bei Kündigung finden die übrigen Bestimmungen während weiteren zehn Jahren auf vor der Kündigung getätigte Investitionen Anwendung (Abs. 3). Das neue ISA ersetzt das im Jahr 1961 unterzeichnete Abkommen zwischen der Schweiz und Tunesien (Abs. 4).

8

Errichtet durch das Washingtoner Übereinkommen vom 18. März 1965 (SR 0.975.2).

1398

3

Auswirkungen des Abkommens

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Der Abschluss des vorliegenden Abkommens hat für den Bund keine finanziellen Auswirkungen. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die Schweiz von der anderen Vertragspartei oder einem Investor derselben im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens (vgl. Ziff. 2.2: Art. 11 und 12) belangt wird oder dass sie sich selbst veranlasst sieht, in einem solchen Verfahren im Interesse der Einhaltung des ISA aktiv zu werden. Je nach den Umständen könnten damit gewisse finanzielle Folgen verbunden sein. Es wäre in einem solchen Fall Aufgabe des Bundesrates, die Frage der Übernahme der Kosten zu klären.9

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Der Abschluss des vorliegenden Abkommens hat für den Bund keine personellen Auswirkungen.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Der Abschluss des vorliegenden Abkommens hat für Kantone und Gemeinden keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die wirtschaftlichen Auswirkungen von ISA können nicht wie bei Doppelbesteuerungs- oder Freihandelsabkommen, bei welchen Zahlen zu Steuern oder Zollabgaben verwendet werden können, prognostiziert werden.

Die wirtschaftliche Bedeutung von ISA liegt darin, dass sie die Investitionsbeziehungen zwischen der Schweiz und ihren Partnerländern auf eine völkerrechtliche Grundlage stellen. Die Rechtssicherheit zugunsten der Investoren erhöht sich, während die Risiken, als ausländischer Investor diskriminiert oder in anderer Weise nachteilig behandelt zu werden, abnehmen.

Die ökonomische Relevanz solcher Abkommen nimmt mit der wirtschaftlichen Globalisierung weiter zu. Für die Schweiz mit ihrem beschränkten Heimmarkt gilt dies in besonderem Masse. Indem ISA unsere Unternehmen ­ insbesondere auch kleine und mittlere ­ dabei unterstützen, sich durch Auslandinvestitionen im internationalen Wettbewerb zu behaupten, stärken sie auch die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz.

9

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 22. September 2006, Ziff. 3.1, Fussnote 10 (BBl 2006 8455, hier 8472).

1399

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Der Abschluss des vorliegenden Abkommens hat keine unmittelbaren gesundheitlichen oder sozialen Auswirkungen.

Das Konzept der Nachhaltigkeit erfordert eine ausgewogene Berücksichtigung der drei Dimensionen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ökologische Verantwortung und gesellschaftliche Solidarität.10 Durch die Förderung von Kapital-, Technologieund Wissenstransfer in die Entwicklungsländer werden Arbeitsplätze geschaffen.

Dies wirkt sich positiv auf die lokale Wirtschaft aus und fördert die nachhaltige Entwicklung. Ausserdem heben die Parteien in der Präambel des ISA hervor, dass die Ziele des vorliegenden Abkommens ohne Lockerung der allgemein anwendbaren Gesundheits- und Sicherheitsstandards erreicht werden können.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Investitionen und durch die Investitionen ermöglichte wirtschaftliche Aktivitäten bringen generell Auswirkungen auf die Umwelt mit sich ­ so auch die Investitionen, welche durch dieses Abkommen gefördert werden. In welchem Umfang Investitionen die Umweltstandards in den Vertragsstaaten beeinflussen, wird einerseits durch die nationale Regulierung bestimmt und anderseits dadurch, in welchen Sektoren die Investitionen getätigt werden (z. B. Investitionen in umweltfreundliche Produktionsweisen oder in Sektoren mit höherer Umweltbelastung).

Obwohl das vorrangige Ziel der ISA als Instrument der Aussenwirtschaftspolitik die ökonomische Dimension ist, berücksichtigen diese Abkommen die ökologische Dimension und tragen damit den Anforderungen an die Nachhaltigkeit Rechnung.

Zu diesem Zweck anerkennen die Vertragsparteien in der Präambel des ISA die Notwendigkeit, mittels Investitionen die nachhaltige Entwicklung zu fördern und heben hervor, dass die Ziele des vorliegenden Abkommens ohne Lockerung der Umweltschutzgesetzgebung erreicht werden können. Gemäss Artikel 2 des ISA werden nur Investitionen geschützt, welche in Übereinstimmung mit den Gesetzen und Rechtsvorschriften des Gaststaates, einschliesslich der Umweltgesetzgebung, getätigt wurden. Weiter wird die Möglichkeit der Vertragsstaaten zur Regulierung (u. a. im Umweltbereich) durch das ISA nicht eingeschränkt, sofern bestimmte allgemeine Rechtsgrundsätze wie z. B. die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und Nichtdiskriminierung berücksichtigt werden.

10

Bericht vom 13. Januar 2010 zur Aussenwirtschaftspolitik 2009, Ziff. 1.5 (BBl 2010 479, hier 516).

1400

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Geschäft ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201211 über die Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201212 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Es steht aber in Einklang mit dem Inhalt von Leitlinien 1 und 2 und insbesondere mit dem Ziel 10 («Die Aussenwirtschaftsstrategie ist weiterentwickelt») der Legislaturplanung 2011­2015.

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Das vorliegende Abkommen entspricht der vom Bundesrat in den Jahren 200413 und 201114 definierten Aussenwirtschaftsstrategie.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung15 (BV), wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern der Bundesrat nicht durch ein Bundesgesetz oder einen völkerrechtlichem Vertrag zum Abschluss ermächtigt ist (vgl. auch Artikel 24 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200216 (ParlG) und Artikel 7a Absatz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199717 (RVOG).

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das vorliegende Abkommen enthält keine Bestimmungen, welche bestehende internationale Verpflichtungen der Schweiz ­ einschliesslich im Umwelt- oder Sozialbereich ­ beeinträchtigen könnten.

11 12 13 14 15 16 17

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 Bericht vom 12. Januar 2005 zur Aussenwirtschaftspolitik 2004, Ziff. 1 (BBl 2005 1089, hier 1101).

Bericht vom 11. Januar 2012 zur Aussenwirtschaftspolitik 2011, Ziff. 1 (BBl 2012 827, hier 844).

SR 101 SR 171.10 SR 172.010

1401

5.3

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Das Abkommen enthält rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG. Wie die Eidgenössischen Räte bei der Behandlung der Botschaft des Bundesrates vom 22. September 200618 festgehalten haben19, sind ISA, deren Inhalt in den grossen Zügen den früher abgeschlossenen ISA entsprechen und die keine wesentlichen neuen Verpflichtungen mit sich bringen, nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum zu unterstellen. In seiner wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Tragweite geht das vorliegende Abkommen nicht über die ISA hinaus, welche die Schweiz in den letzten Jahren abgeschlossen hat. Es hat für die Schweiz auch keine wesentlichen neuen Verpflichtungen zur Folge. Um das vorliegende Abkommen anzuwenden, ist wie bei den von der Schweiz bereits abgeschlossenen ISA kein Erlass von Bundesgesetzen erforderlich.

Aus diesen Gründen beantragt der Bundesrat, dass der Bundesbeschluss über die Genehmigung des vorliegenden Abkommens nicht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegt. Dementsprechend nimmt der Beschluss über die Genehmigung die Form eines einfachen Bundesbeschlusses an.

18 19

BBl 2006 8455 AB 2006 S 1169; AB 2007 N 837

1402