Entscheid zur Planung der hochspezialisierten Medizin (HSM) im Bereich der pädiatrischen Onkologie

Das Beschlussorgan der Interkantonalen Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (HSM Beschlussorgan) hat nach Einsichtnahme in den Antrag des Fachorgans an seiner Sitzung vom 7. März 2013, gestützt auf Artikel 39 Absatz 2bis des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) sowie Artikel 3 Absätze 3, 4 und 5 der Interkantonalen Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (IVHSM) beschlossen: 1. Zuteilung Die stationäre Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit bösartigen Krebserkrankungen wird den folgenden 9 Spitälern zugewiesen: ­

Inselspital Bern (Kinderspital)

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Centre hospitalier universitaire vaudois CHUV (Hôpital des Enfants)

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Kinderspital Zürich

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Hôpitaux Universitaires de Genève (HUG) (Hôpital des Enfants)

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Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)

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Ostschweizer Kinderspital

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Kantonsspital Aarau (Kinderklinik)

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Luzerner Kantonspital (Kinderklinik)

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Ospedale Regionale di Bellinzona (Kinderklinik)

Bemerkungen: Unter diese Leistungszuteilung fallen die stationäre Behandlung von allen bösartigen Tumorleiden, inklusive: Leukämien, Lymphomen, Nierentumoren, Keimzelltumore, maligne epitheliale Neoplasien, Langerhans-Zell-Histiozytose und andere seltene Neoplasien.

Die Behandlung von i) Neoplasien des zentralen Nervensystems (ZNS), ii) Neuroblastomen, iii) Weichteilsarkomen, iv) malignen Knochentumoren werden in einem separaten Beschluss geregelt (publiziert im Bundesblatt vom 10. September 2013).

Für die Behandlung von Retinoblastomen und Lebertumoren gelten die IVHSMBeschlüsse vom 1. November 2011.1

1

Elektive, komplexe Leber- und Gallengangschirurgie bei Kindern (publiziert im Bundesblatt vom 1. November 2011). Behandlung von Retinoblastomen bei Kindern (publiziert im Bundesblatt vom 1. November 2011).

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2. Auflagen Die vorgenannten Spitäler haben bei der Erbringung der Leistung folgende Auflagen zu erfüllen: (1) Einhaltung der notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung dieser Behandlungen bei Kindern gemäss dem Anforderungskriterien-Vorschlag an die kinderonkologischen Einheiten und Abteilungen der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologiegruppe (SPOG) (Anlage I). Die 9 vorgenannten Spitäler haben unter Beizug der SPOG innert 6 Monaten nach Inkraftreten des Beschlusses die definitiven Anforderungskriterien vorzulegen.

(2) Das HSM Fachorgan anerkennt innert 12 Monaten nach Inkrafttreten des Beschlusses die fachliche Zuständigkeit und Verantwortung der 9 kinderonkologischen Spitäler innerhalb eines regionalen Netzwerkes und bereitet einen Anerkennungsprozess vor.

(3) Organisation der Versorgung in 3 Netzwerkregionen und verbindliche Regelung der Zusammenarbeit innerhalb der Netzwerke, unter Berücksichtigung der ambulanten Leistungserbringer. Die 9 vorgenannten Spitäler werden unter Beizug der SPOG mandatiert einen entsprechenden Vorschlag auszuarbeiten, welcher die folgenden Elemente beinhalten soll: a. Präzisierung der Anforderungskriterien an eine kinderonkologische Einheit oder Abteilung und Formalisierung der Zusammenarbeit und Verantwortlichkeiten der Kinderonkologie-Kliniken innerhalb einer Netzwerkregion.

b. Ausgestaltung der Netzwerkregionen, d.h. die Netzwerkregionen haben im Rahmen von schriftlich niedergelegten Vereinbarungen die Kooperation mit ihren Partnern inkl. Rechten und Pflichten innerhalb der Netzwerkregion klar zu definieren.

c. Schaffung von Gefässen und Instrumenten, um die regionale und schweizweite Vernetzung zu fördern, bspw. in Form von gemeinsamen, d.h. regionalen, interdisziplinären Tumorboards; übergreifenden Weiterbildungsszenarien; ggfs. Vertretungsmöglichkeiten innerhalb einer Netzwerkregion.

d. Vorschläge für Diagnose und Therapieschritte, insbesondere spezialisierte chirurgische Modalitäten, die sinnvollerweise auf einige wenige Zentren zu konzentrieren sind.

e. Vorschläge für Kompetenzzentren («leading houses») bei der Behandlung von seltenen Krebserkrankungen wie dies z.B. bei der Retinoblastom-Behandlung (CHUV Lausanne) und der chirurgischen Behandlung von Lebertumoren (HUG) bereits erfolgt ist.

(4) Vollständige und einheitliche Erfassung aller in
der Schweiz behandelten kinderonkologischen Fälle im Kinderkrebsregister. Das Register ist dahingehend zu erweitern, dass es eine einheitliche, standardisierte und strukturierte Erfassung von Indikatoren zur Prozess- und Ergebnisqualität ermöglicht. Inhalt und Form des Registers müssen als Grundlage für eine schweizweit koordinierte klinische Versorgung und Forschungsaktivität genutzt werden können und sollen Vergleiche zwischen den Zentren erlauben. Die 9 vorgenannten Spitäler werden unter Beizug der SPOG beauftragt, dem HSM Fachorgan bis Ende 2013 einen Vorschlag für das im Rahmen des 6774

Registers zu erhebende minimale Datenset sowie zu Form und Ausgestaltung des Registers zu unterbreiten.

(5) Einbindung in ein anerkanntes Programm für Weiter- und Fortbildung und Teilnahme an klinischen Forschungsprojekten.

(6) Jährliche Berichterstattung über ihre Tätigkeiten. Die Berichterstattung umfasst die Offenlegung der Fallzahlen, der Tätigkeiten in Forschung und Lehre sowie der im Rahmen des Registers erhobenen Daten zur Prozess- und Ergebnisqualität.

3. Fristen Der vorliegende Zuteilungsentscheid ist befristet bis zum 31. Dezember 2015.

4. Inkrafttreten Der vorliegende Entscheid tritt per 1. Januar 2014 in Kraft.

5. Begründung (1) Krebserkrankungen bei Kindern sind selten. Nur etwa 1 % aller Tumoren treten im Kindesalter auf. In der Schweiz handelt es sich um rund 220 bis 230 Neuerkrankungen pro Jahr. Aus Gründen der Qualitätssicherung und aufgrund der schweizweit sehr kleinen Fallzahlen entschied das HSM Beschlussorgan, die Behandlung der an Krebs erkrankten Kinder und Jugendlichen auf die neun spezialisierten Kliniken für Kinderonkologie zu konzentrieren. Diese neun Zentren sind in der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie-Gruppe (SPOG) vernetzt, welche zum Ziel hat, die klinische, d.h. die patientenbezogene Forschung in der Schweiz zu fördern und welche in den letzten Jahrzehnten ein Kooperations-Netzwerk aufgebaut und Massnahmen zur Qualitätssicherung der kinderonkologischen Versorgung in der Schweiz implementiert hat.

(2) Die Anträge für einen HSM-Leistungsauftrag des Kantonspitals Graubünden und des Kantonsspitals Wallis werden abgelehnt, da diese beiden Spitäler zum jetzigen Zeitpunkt die gestellten Anforderungen an ein Kinderonkologie-Zentrum nicht erfüllen und sich bisher auch nicht in der SPOG verbindlich vernetzt haben. Zudem ist es nicht zielführend, die schweizweit sehr kleinen Fallzahlen noch auf weitere Leistungserbringer zu verteilen. Einzelne Elemente der ambulanten Vor- und Nachsorge können jedoch weiterhin in diesen Spitälern erfolgen, aus Gründen der Qualitätssicherung ist eine systematische Zuweisung der stationären Fälle an eines der 9 Kinderonkologie-Kliniken jedoch zwingend vorzusehen. Ebenso müssen alle Kinder mit einer bösartigen Krebserkrankung in das schweizweite Kinderkrebsregister eingeschlossen werden (siehe oben, Auflagen, (4)).

(3) Aufgrund der
Seltenheit der Diagnose sowie der oftmals anzutreffenden Komplexität der Behandlung von kindlichen Neoplasien drängen sich eine verstärkte Koordination der Behandlungskette und die systematische Vernetzung der beteiligten Institutionen und Fachpersonen auf. Die 9 vorgenannten Spitäler werden unter Beizug der SPOG daher mit der Erarbeitung eines Versorgungskonzepts in 3 Netzwerkregionen beauftragt.

(4) Im Übrigen wird auf den Bericht «Pädiatrische Onkologie» vom 19. Juli 2013 verwiesen.

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6. Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von 30 Tagen ab Datum der Publikation im Bundesblatt beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden (Art. 90a Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung in Verbindung mit Art. 12 der Interkantonalen Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin vom 14. März 2008).

7. Mitteilung und Publikation Der Bericht «Pädiatrische Onkologie» vom 19. Juli 2013 kann von den Betroffenen beim HSM-Projektsekretariat, Speichergasse 6, Postfach 684, 3000 Bern 7, bezogen werden.

Dieser Beschluss wird im Bundesblatt publiziert.

10. September 2013

Für das HSM Beschlussorgan Die Präsidentin: Heidi Hanselmann

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Anlage I zum Entscheid zur Planung der hochspezialisierten Medizin (HSM) im Bereich der pädiatrischen Onkologie2

Anforderungskriterien an die kinderonkologischen Zentren 1) Anforderungen an ein kinderonkologisches Zentrum auf Stufe A (Gemäss Anforderungskriterien-Vorschlag der SPOG) a) Personal ­

3 Fachärzte mit Schwerpunkt in pädiatrischer Onkologie/Hämatologie (oder 2 Fachärzte mit Schwerpunkt und 1 Arzt in Weiterbildung zum Schwerpunkt).

­

Tägliche Visite mit Facharzt mit Schwerpunkt oder in Weiterbildung zum Schwerpunkt in pädiatrischer Onkologie oder Hämatologie.

­

Eigenständiger pädiatrischer 7×24-Stunden Notfalldienst mit entsprechenden Fachärzten.

­

Diplomiertes Pflegefachpersonal mit Erfahrung in der pädiatrischen Onkologiepflege.

­

Angemessener psychologischer und sozialer Dienst für die integrale Betreuung von pädiatrischen onkologisch-hämatologischen Patienten und ihrer Angehörigen.

­

Databasis und -Management für die klinische und klinisch-wissenschaftliche Dokumentation (GCP konforme Dokumentation, Korrespondenz und Probenversand), qualitätssichernde Strukturen.

b) Infrastruktur ­

2

Von der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) anerkannte pädiatrische Intensivstation innerhalb der Klinik.

­

Nephrologie mit akutem Nierenersatzverfahren in der Klinik.

­

Kinderchirurgische Klinik im Hause.

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Bildgebende Diagnostik (inkl. CT/MRI) vorhanden im Zentrum mit Möglichkeit zur Untersuchung unter Narkose/Sedierung.

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Kinderkardiologische Diagnostik verfügbar, ebenso Hämatologisches Labor, klinisch-chemisches Labor und Transfusionsmedizin.

Kapitel 8 im Bericht «Pädiatrische Onkologie» vom 19. Juli 2013.

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c) Prozessqualität ­

Vorstellung jedes onkologischen Patienten in einem interdisziplinären Tumorboard mit Ergebnisdokumentation.

­

Zentrum ist bereit für Teilnahme an Referenzdiagnostik.

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Aktive Teilnahme an Therapieoptimierungsstudien.

­

In der Regel wird jedem Patienten bzw. seinem Erziehungsberechtigten eine Teilnahme an einer Therapieoptimierungsstudie zur Diagnose, Therapie und Nachsorge maligner Krankheiten vorgeschlagen.

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Leistungsausweis für die Behandlung entsprechender Tumorarten, nicht nur für die kinderonkologische Station, sondern auch für operatives und radioonkologisches Verfahren (Kenntnisse entsprechender Behandlungsstudien, Erfüllung von Studienanforderungen, Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen).

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Vollständige und einheitliche Erfassung aller kinderonkologischen Fälle im Kinderkrebsregister.

d) Teilnahme von Weiter- und Fortbildung sowie Forschung Weiterbildung: ­

Gemäss dem Weiterbildungsprogramm der FMH für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt pädiatrische Onkologie und Hämatologie vom 1. Juli 2004.

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Weiterbildungsstätte Kategorie A oder B, Facharztprüfung.

Fortbildung: Gemäss Fortbildungsverordnung der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG) auf Grundlage der revidierten Fortbildungsordnung (FBO) der FMH (80 Stunden Fortbildung pro Jahr).

Forschung: ­

Teilnahme an internationalen und nationalen klinischen Multizenterstudien, unterstützt via Forschungsrat SPOG, und

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Laborforschung/Grundlagenforschung in allen universitären Zentren, mit nationaler und internationaler Vernetzung.

e) Vernetzung zwischen den Zentren und mit den Pädiatern in der Praxis Vernetzung der Kinderonkologiezentren via Schweizerische pädiatrische Onkologiegruppe (SPOG). Gemeinsames Studienoffice (SPOG Office) für das «Netzwerk pädiatrische Onkologie». Vernetzung mit Pädiatern in der Praxis auf individueller Basis der einzelnen Zentren.

f) Mindestmengen (Anzahl Neudiagnosen/Jahr), die für den Kompetenzaufbau notwendig sind Mindestens 30 neudiagnostizierte kinderonkologische Fälle pro Jahr (gemäss den Empfehlungen der European Society for Paediatric Oncology).

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2) Anforderungen an ein kinderonkologisches Zentrum auf Stufe B a) Personal ­

Mind. 1 Facharzt mit Schwerpunkt in pädiatrischer Onkologie/Hämatologie.

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Tägliche Visite mit Facharzt mit Schwerpunkt oder in Weiterbildung zum Schwerpunkt in pädiatrischer Onkologie-Hämatologie.

­

Eigenständiger pädiatrischer Dienstplan mit entsprechenden Fachärzten (Hintergrunddienst).

­

Diplomiertes Pflegefachpersonal mit Erfahrung in der pädiatrischen Onkologiepflege.

­

Angemessener psychologischer und sozialer Dienst für die spezifische Versorgung von pädiatrischen onkologisch-hämatologischen Patienten und ihren Angehörigen.

­

Databasis und -Management für die klinische und klinisch-wissenschaftliche Dokumentation (GCP konforme Dokumentation, Korrespondenz und Probenversand), qualitätssichernde Strukturen.

b) Infrastruktur ­

Kinderchirurgische Klinik im Hause

­

Bildgebende Diagnostik (inkl. CT/MRI) vorhanden mit Möglichkeit zur Untersuchung unter Narkose/Sedierung

­

Kinderkardiologische Diagnostik

­

Hämatologisches Labor, klinisch-chemisches Labor

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Transfusionsmedizin

c) Prozessqualität ­

Systematische, vertraglich geregelte Zusammenarbeit mit einem anerkannten Kinderonkologiezentrum (Netzwerkzentrum).

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Vorstellung jedes onkologischen Patienten in einem interdisziplinären Tumorboard mit Ergebnisdokumentation.

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Zentrum nimmt an Referenzdiagnostik teil.

­

Aktive Teilnahme an Therapieoptimierungsstudien.

­

Leistungsausweis für die Behandlung entsprechender Tumorarten, nicht nur für die kinderonkologische Station, sondern auch für operatives und radioonkologisches Verfahren (Kenntnisse entsprechender Behandlungsstudien, Erfüllung von Studienanforderungen, Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen).

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Vollständige und einheitliche Erfassung aller kinderonkologischen Fälle im Kinderkrebsregister.

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d) Teilnahme an Weiter-, Fortbildung und Forschung Weiterbildung: ­

gemäss dem Weiterbildungsprogramm der FMH für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt pädiatrische Onkologie und Hämatologie vom 1. Juli 2004.

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Als Weiterbildungsstätte, Kategorie A oder B anerkannt.

Forschung: Mitarbeit bei internationalen und nationalen klinischen Multizenterstudien.

e) Vernetzung zwischen den Zentren und mit den Pädiatern in der Praxis Vernetzung via Schweizerische pädiatrische Onkologiegruppe (SPOG). Gemeinsames Studienoffice (SPOG Office) für das «Netzwerk pädiatrische Onkologie».

Vernetzung mit Pädiatern in der Praxis auf individueller Basis der einzelnen Spitäler.

f) Mindestmengen (Anzahl Neudiagnosen/Jahr), die für die Kompetenz-Sicherung notwendig sind.

Mindestens 15 neudiagnostizierte kinderonkologische Fälle pro Jahr.

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