13.034 Botschaft zur Genehmigung des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile (Nagoya-Protokoll) und dessen Umsetzung (Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz) vom 10. April 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Nagoya-Protokoll).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. April 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-0831

3009

Übersicht Es sollen das Nagoya-Protokoll genehmigt und die Voraussetzungen für dessen Ratifikation geschaffen werden. Dazu sind punktuelle Anpassungen im Naturund Heimatschutzgesetz nötig. Das Protokoll trägt dazu bei, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen erleichtert und langfristig gesichert wird, die Vorteile aus deren Nutzung ausgewogen und gerecht geteilt werden und die Rechtssicherheit erhöht wird.

Ausgangslage Das Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Nagoya-Protokoll), das am 29. Oktober 2010 in Nagoya, Japan, von der 10. Vertragsparteienkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity ­ CBD) verabschiedet wurde, stellt eine historische Etappe in der Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und des gerechten Vorteilsausgleichs (Access and Benefit-Sharing ­ ABS) dar. Es dient einerseits der Umsetzung des dritten Zieles der CBD, der ausgewogenen und gerechten Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile, andererseits der Erleichterung des Zugangs zu genetischen Ressourcen sowie der Erhöhung der Rechtssicherheit bei der Nutzung genetischer Ressourcen oder des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens. Ferner wird das Nagoya-Protokoll einen Beitrag für den globalen Erhalt der biologischen Vielfalt und der nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile leisten, und es wird dem unrechtmässigen Erwerb und der unrechtmässigen Nutzung von genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens ­ oft auch «Biopiraterie» genannt ­ entgegenwirken.

Das Nagoya-Protokoll regelt insbesondere den Zugang zu genetischen Ressourcen und zu sich darauf beziehendem traditionellem Wissen, die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung dieser Ressourcen bzw. dieses Wissens ergebenden Vorteile (Vorteilsausgleich) sowie die Einhaltung der Pflichten in Bezug auf innerstaatliche Vorschriften derjenigen Parteien, welche die Ressourcen bzw.

das Wissen zur Verfügung stellen. Es enthält Bestimmungen, um die Biodiversitätsforschung zu fördern und insbesondere die nicht-kommerzielle Forschung zu erleichtern. Notfallsituationen,
in welchen die menschliche, tierische und pflanzliche Gesundheit gefährdet sein könnte sowie die besonderen Eigenschaften genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft sollen besonders beachtet werden.

Geregelt ist auch das Verhältnis zu völkerrechtlichen Übereinkünften und anderen internationalen Regelungen. Spezialregelungen über das ABS, die im Einklang mit den Zielen des Nagoya-Protokolls und der CBD sind, etwa diejenige des internationalen Vertrags der FAO über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (IV-PGREL), haben Vorrang gegenüber dem Nagoya-Protokoll.

3010

Inhalt der Vorlage Mit dieser Vorlage sollen die Voraussetzungen für eine Ratifizierung des NagoyaProtokolls geschaffen werden. Die Schweiz hat das Protokoll unter Vorbehalt der Ratifizierung am 11. Mai 2011 anlässlich der Unterzeichnungszeremonie am UN-Hauptsitz in New York unterzeichnet. Bis heute haben 92 Parteien das Protokoll unterzeichnet, darunter auch die EU und 24 ihrer Mitgliedstaaten. Das Protokoll tritt am 90. Tag nach der Hinterlegung des 50. Ratifikationsinstrumentes in Kraft; bisher wurde das Protokoll von 15 Staaten ratifiziert1, und die meisten Vertragsparteien der CBD arbeiten an seiner Ratifizierung. Mit der Ratifizierung und Umsetzung des Nagoya-Protokolls erfüllt die Schweiz eine Verpflichtung, die sie als Vertragspartei der CBD 1994 eingegangen ist.

Für die Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz sind punktuelle Anpassungen im Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) sowie entsprechende Anpassungen auf Verordnungsstufe nötig. Mit diesen Anpassungen wird die Schweiz eine Sorgfaltspflicht einführen, damit diejenigen, die gemäss dem Nagoya-Protokoll genetische Ressourcen bzw. das sich darauf beziehende traditionelle Wissen nutzen oder unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung erzielen (kurz Nutzende), die innerstaatlichen ABS-Vorschriften derjenigen Vertragsparteien, welche diese Ressourcen zur Verfügung stellen (kurz Bereitstellerländer), einhalten und Vorteile ausgewogen und gerecht teilen. Ferner wird die Schweiz eine zentrale Stelle im BAFU einrichten, an welcher die Einhaltung der Sorgfaltspflicht vor der Marktzulassung bzw. vor der Vermarktung von Produkten, deren Entwicklung auf genutzten genetischen Ressourcen oder sich darauf beziehendem traditionellem Wissen basiert, gemeldet werden muss (Meldepflicht); die Schweiz wird weitere Stellen bezeichnen, an welchen die Einhaltung der Meldepflicht überprüft wird. Schliesslich wird die Schweiz die Möglichkeit erhalten, den Zugang zu den genetischen Ressourcen im Inland von einer Meldung oder Bewilligung sowie von einer Vereinbarung betreffend den Vorteilsausgleich abhängig zu machen; die Schweiz erhält dank der Umsetzung des Protokolls ferner die Möglichkeit, die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der hiesigen genetischen Ressourcen zu unterstützen. Entsprechend werden die Vollzugs- und Strafbestimmungen im NHG angepasst.
Langfristig positive Auswirkungen auf die Schweiz Die Ratifizierung des Protokolls durch die Schweiz wird sich langfristig positiv auf internationale Forschung und auf die Wirtschaft in der Schweiz auswirken. Der Zugang zu genetischen Ressourcen und der gerechte Vorteilsausgleich ist von grosser Bedeutung für die Ernährungssicherheit, für die Gesundheit sowie für Anpassungen an den Klimawandel. Insbesondere die Pharma-, Kosmetik- und Biotechindustrie sowie die Landwirtschaft und Forschung sind auf genetische Ressourcen aus dem Ausland angewiesen und werden von der erhöhten Rechtssicherheit dank den neuen gesetzlichen Bestimmungen bei der Nutzung dieser Ressourcen in der Schweiz profitieren können (z.B. für die Isolierung neuer Wirkstoffe für Medikamente oder 1

Liste der Staaten, die das Protokoll unterzeichnet oder bereits ratifiziert haben: www.cbd.int/abs/nagoya-protocol/signatories/

3011

für die Züchtung krankheitsresistenter Pflanzensorten). Die Massnahmen zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz sind so ausgestaltet, dass sie nur zu einem geringen Aufwand für die Nutzenden führen. Dieser sollte sich dank der erhöhten Rechtssicherheit und einem erleichterten Zugang zu genetischen Ressourcen mehr als ausgleichen. Die Vorteile, welche laut dem Nagoya-Protokoll geteilt werden müssen, können sowohl monetärer Natur (z.B. Zahlungen, Lizenzgebühren, Forschungsmittel) als auch nicht-monetärer Natur (z.B. Zusammenarbeit, Wissen, Technologien) sein. Die Aufteilung der Vorteile wird zum Zeitpunkt des Zugangs zu genetischen Ressourcen zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen vertraglich geregelt, was sowohl für die Nutzenden als auch für die Anbieter genetischer Ressourcen zu einer «Win-Win-Situation» führen kann. Ferner kann die Schweiz bei einer allfälligen Regelung des Zuganges zu ihren eigenen genetischen Ressourcen an den sich aus der Nutzung dieser Ressourcen ergebenden Vorteilen teilhaben.

Eine Nicht-Ratifizierung des Protokolls würde sich hingegen negativ auf die Schweiz auswirken. Einerseits könnte der Zugang zu genetischen Ressourcen für die Schweizer Nutzenden erschwert oder unter Umständen sogar verweigert werden. Andererseits könnten Vorwürfe der so genannten «Biopiraterie» gegen Schweizer Unternehmen und Forschungsinstitutionen zunehmen. Diese müssten sich nämlich auch bei einer Nicht-Ratifizierung des Protokolls durch die Schweiz an die innerstaatlichen ABS-Vorschriften der Bereitstellerländer halten. Bei einer Nicht-Ratifizierung würden sie jedoch nicht von der erhöhten Rechtssicherheit durch die Umsetzung des Protokolls in der Schweiz profitieren. Schliesslich würde die Schweiz ohne zusätzliche Massnahmen ihre Verpflichtungen im Bereich des ABS, die sie als Vertragspartei der CBD 1994 eingegangen ist, nicht erfüllen.

Die Umsetzung des Protokolls führt zu neuen Aufgaben und Arbeiten für die nationale Kontaktstelle über das ABS, welche bereits im Rahmen der Umsetzung der CBD im Bundesamt für Umwelt (BAFU) eingerichtet wurde. Die Kontaktstelle muss eine zentrale Meldestelle über genutzte genetische Ressourcen betreiben; sie muss Informationen über die innerstaatlichen ABS-Vorschriften den Nutzenden bereitstellen und die eingeführten Massnahmen vollziehen. Ferner
muss die internationale Zusammenarbeit im Bereich des ABS gestärkt werden. Für die Kantone bringt die Inkraftsetzung des Protokolls aufgrund des für diesen Bereich vorgesehenen Bundesvollzugs keine erhebliche Erweiterung ihrer Aufgaben. Die Kantone werden höchstens für bestimmte Teilaufgaben beigezogen, welche im Rahmen bestehender Vollzugsverfahren durchgeführt werden können.

3012

Inhaltsverzeichnis Übersicht

3010

1 Grundzüge des Vertrages 1.1 Ausgangslage 1.2 Entstehung des Nagoya-Protokolls 1.2.1 Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt 1.2.2 Die Bonner Leitlinien über das ABS 1.2.3 Das internationale Regime über das ABS 1.3 Inhalt des Nagoya-Protokolls 1.4 Die aktuelle Rechtslage in der Schweiz 1.5 Überblick über das Recht auf internationaler Ebene und dasjenige der Europäischen Union 1.5.1 Auf internationaler Ebene 1.5.2 Auf der Ebene der Europäischen Union 1.6 Ergebnisse der Vernehmlassung

3015 3015 3016 3016 3016 3016 3017 3021 3023 3023 3024 3025

2 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Protokolls 2.1 Nutzung der genetischen Ressourcen und andere Begriffe 2.2 Zugang zu genetischen Ressourcen 2.3 Ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile 2.4 Einhaltung der innerstaatlichen ABS-Vorschriften 2.5 Informationsaustausch 2.6 Verhältnis zu völkerrechtlichen Übereinkünften und anderen internationalen Regelungen 2.7 Sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen 2.8 Finanzierungsmechanismus

3026 3026 3027 3028 3029 3030

3 Die Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz 3.1 Grundzüge der erforderlichen rechtlichen Anpassungen 3.2 Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen im Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) 3.3 Weitere Aspekte der Umsetzung 3.3.1 Massnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und des Vorteilausgleichs 3.3.2 Nicht-kommerzielle Forschung 3.3.3 Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern

3032 3033

4 Auswirkungen 4.1 Auswirkungen auf den Bund 4.1.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 4.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren 4.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 4.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die Umwelt

3049 3049 3049 3051 3051 3052

5 Verhältnis zur Legislaturplanung

3053

3030 3031 3032

3034 3047 3047 3047 3049

3013

6 Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Erlassform 6.2.1 Erlassform des Genehmigungsbeschlusses 6.2.2 Erlassform des Umsetzungserlasses

3053 3053 3054 3054 3054

Glossar

3055

Bundesbeschluss über die Genehmigung des Protokolls von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile (Nagoya-Protokoll) und dessen Umsetzung (Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz) (Entwurf)

3057

Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) (Beilage)

3059

Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt

3063

3014

Botschaft 1

Grundzüge des Vertrages

1.1

Ausgangslage

Das an der 10. Vertragsparteienkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity ­ CBD) in Nagoya verabschiedete und am 11. Mai 2011 im UN-Hauptsitz in New York von der Schweiz unterzeichnete Protokoll über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile (NagoyaProtokoll) ist das Resultat langjähriger Bestrebungen, das dritte Ziel des Übereinkommens, den Vorteilsausgleich, mit einem völkerrechtlich verbindlichen Instrument zu konkretisieren. Gleichzeitig sollte eine internationale Harmonisierung der Zugangsregelungen zu genetischen Ressourcen für klare, transparente und einfache Verfahren für den Zugang zu genetischen Ressourcen sowie für deren Nutzung sorgen.

Da die Nutzung genetischer Ressourcen in gewissen Fällen auch auf dem traditionellen Wissen indigener oder ortsansässiger Gemeinschaften beruht (z.B. traditionelles Wissen über die Heilwirkung einer Pflanze), bilden auch Bestimmungen über den Zugang und den Vorteilsausgleich bei der Nutzung von sich auf genetische Ressourcen beziehendem traditionellem Wissen wichtige Bestandteile des Nagoya-Protokolls.

Das so genannte ABS (Access and Benefit-Sharing) stellt einen wichtigen Mechanismus dar, damit die Biodiversität weltweit erhalten und nachhaltig genutzt werden kann. Es sind oft die ärmeren Länder des Südens, die den grössten Reichtum an genetischen Ressourcen besitzen. Ohne genügend an den Vorteilen aus der Nutzung ihrer Ressourcen teilhaben zu können, fehlt ihnen ein Anreiz, ihre Biodiversität zu erhalten und nachhaltig zu nutzen.

Das Nagoya-Protokoll wird nicht nur einen Beitrag leisten, dass genetische Ressourcen und sich darauf beziehendes traditionelles Wissen fair genutzt und Vorteile geteilt werden, sondern auch, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen für die Forschung und die Landwirtschaft sowie für die Pharma-, Kosmetik-, Lebensmittelund Biotechindustrie erleichtert und langfristig gesichert wird. Ferner wird es die Rechtsicherheit im Umgang mit genetischen Ressourcen erhöhen und somit dem unrechtmässigen Erwerb und der unrechtmässigen Nutzung ­ oft auch «Biopiraterie» genannt2 ­ entgegenwirken.

2

Erklärung von Bern. Wir Biopiraten ­ Warum die Erhaltung der biologischen Vielfalt Gerechtigkeit braucht. (2010): www.evb.ch/p16992.html

3015

1.2

Entstehung des Nagoya-Protokolls

1.2.1

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt

Auf internationaler Ebene wurde die Bedeutung des ABS für den weltweiten Erhalt der Biodiversität und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile seit geraumer Zeit anerkannt. Die Grundzüge sind im Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD)3 enthalten (insbesondere in Art. 8 Bst. j und Art. 15), das 1992 verabschiedet wurde. Das Übereinkommen trat für die Schweiz am 19. Februar 1995 in Kraft und zählt heute 193 Vertragsparteien.

Seit der 4. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens (COP 4) 1998 bemühte sich die internationale Gemeinschaft, die Bestimmungen über das ABS im Rahmen des Übereinkommens zu konkretisieren. An der COP 5 im Jahr 2000 wurde dazu speziell eine Arbeitsgruppe über das ABS etabliert (Ad Hoc Open-ended Working Group on Access and Benefit-sharing). Ein erster Durchbruch gelang im Jahre 2002 an der COP 6 mit der Verabschiedung der so genannten Bonner Leitlinien4 über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile.

1.2.2

Die Bonner Leitlinien über das ABS

Die Bonner Leitlinien dienten den Vertragsparteien dazu, Staaten und übrigen Akteuren, geeignete Strategien und Abläufe über den Zugang zu genetischen Ressourcen und den Vorteilsausgleich zu erarbeiten. Obwohl die Bonner Leitlinien rechtlich nicht bindend sind, unterstützten sie in der Vergangenheit mehrere Vertragsparteien, rechtliche, administrative oder politische Massnahmen zu ergreifen, um die ABS-Bestimmungen der CBD auf nationaler Ebene umzusetzen. Auch in der Schweiz konnten in mehreren Bereichen anhand der Bonner Leitlinien freiwillige Massnahmen zur Umsetzung des ABS eingeführt werden (vgl. unten Ziff. 3.3 und 4.1). Mit wenigen Ausnahmen lag bis anhin der Schwerpunkt der Umsetzung des ABS in anderen Vertragsparteien mehr im Bereich der Zugangsregelungen und weniger im Bereich des Vorteilsausgleichs oder der Einhaltung der innerstaatlichen Vorschriften über das ABS (vgl. unten Ziff. 1.5). Der freiwillige Ansatz der Bonner Leitlinien reichte nicht aus, um die ABS-Bestimmungen der CBD in allen Sektoren sowie für die Nutzung und für das Bereitstellen der genetischen Ressourcen umzusetzen.

1.2.3

Das internationale Regime über das ABS

Nach der Annahme der freiwilligen Bonner Leitlinien über das ABS rief die internationale Gemeinschaft im September 2002 am Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg dazu auf, neue Verhandlungen zu lancieren, um ein internationales Regime über den Vorteilsausgleich zu erarbeiten. Das entsprechende Mandat 3 4

SR 0.451.43 Secretariat of the Convention on Biological Diversity (2002). Bonn Guidelines on Access to Genetic Resources and Fair and Equitable Sharing of the Benefits Arising out of their Utilization. Montreal. www.cbd.int/abs/bonn

3016

für ein internationales Regime über das ABS wurde 2004 an der COP 7 verabschiedet und 2008 an der COP 8 bekräftigt. Das internationale Regime sollte auch anderen internationalen Abkommen über das ABS Rechnung tragen. In der Tat wurde 2001 im Rahmen der FAO ein Spezialabkommen verabschiedet, der internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (IV-PGREL)5, der den Zugang und den Vorteilsausgleich für 64 der wichtigsten Nutz- und Kulturpflanzen regelt. Die Thematik ABS gewann jedoch auch im Rahmen anderer Arbeiten der FAO an Bedeutung (z.B. Erklärung von Interlaken über tiergenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft6) und fand Eingang in eine Reihe von Prozessen und Verhandlungen in anderen Foren, insbesondere in die Arbeiten über genetische Ressourcen, traditionelles Wissen, und Folklore der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO)7, in Arbeiten betreffend den Austausch von pandemischen Grippeviren der Weltgesundheitsorganisation (WHO)8 und in die Arbeiten betreffend handelsbezogene Aspekte des geistigen Eigentums der Welthandelsorganisation (WTO)9. Im Rahmen der CBD wurde an der COP 9 schliesslich ein intensives Arbeitsprogramm ausgearbeitet (Roadmap), welches gewährleisten sollte, dass die Ausarbeitung und die Verhandlungen des internationalen Regimes über das ABS bis zur COP 10 (Nagoya, Japan, 2010) abgeschlossen werden kann.

Dieses Arbeitsprogramm sah drei Treffen der ABS-Arbeitsgruppe vor, drei Expertentreffen (technical and legal expert groups), regionale und interregionale Informationsveranstaltungen mit den beiden permanenten Vorsitzenden der ABS-Arbeitsgruppe sowie eine Reihe von Studien, welche vom CBD-Sekretariat in Auftrag gegeben wurden. Trotz einem intensivem Fahrplan mussten nach dem letzten offiziellen Treffen der ABS-Arbeitsgruppe zusätzliche Treffen organisiert werden, damit das Nagoya-Protokoll an der COP 10 schliesslich basierend auf einem Kompromissvorschlag der japanischen Regierung angenommen werden konnte10.

1.3

Inhalt des Nagoya-Protokolls

Das Nagoya-Protokoll regelt insbesondere den Zugang zu genetischen Ressourcen und zu sich darauf beziehendem traditionellen Wissen (Access), die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung dieser Ressourcen bzw. dieses Wissens ergebenden Vorteile (Benefit-Sharing) sowie die Einhaltung der Pflichten in Bezug auf innerstaatliche Vorschriften über das ABS (Compliance). Es besteht aus 27 Paragraphen in der Präambel, 36 Artikeln und einem Annex.

Die Präambel nennt die Grundsätze, auf denen das Protokoll basiert, namentlich die relevanten Artikel der CBD. Sie bekräftigt die souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen Ressourcen sowie die Rechte indigener und ortsansässiger Gemeinschaften, insbesondere betreffend das traditionelle Wissen, das sich auf 5 6 7 8 9 10

SR 0.910.6 Globaler Aktionsplan für Tiergenetische Ressourcen und Erklärung von Interlaken: ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/010/a1404g/a1404g00.pdf WIPO Intergovernmental Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore (IGC): www.wipo.int/tk/en/igc/ Pandemic Influenza Preparedness (PIP) Framework: www.who.int/influenza/pip/en/ Trade-related aspects of intellectual property rights of WTO: www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/trips_e.htm COP 10 Decision X/1 Access to genetic resources and the fair and equitable sharing of benefits arising from their utilization: www.cbd.int/decision/cop/?id=12267

3017

genetische Ressourcen bezieht. Weiter betont die Präambel die Bedeutung der genetischen Ressourcen für unterschiedliche Zwecke und in unterschiedlichen Sektoren, und sie anerkennt die Arbeiten und Abkommen über das ABS in anderen Foren, insbesondere den internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft.

Artikel 1 nennt als Ziel des Protokolls das dritte Anliegen der CBD, «die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile». Er betont in diesem Zusammenhang den Beitrag eines angemessenen Zugangs zu genetischen Ressourcen, einer angemessenen Weitergabe der einschlägigen Technologien sowie einer angemessenen Finanzierung zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zur nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile.

Artikel 2 bestimmt die Begriffe, welche grundsätzlich dieselben sind wie diejenigen der CBD. Neu definiert wurde der Begriff «Nutzung der genetischen Ressourcen» als «das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschliesslich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens». Als Teil dieser Definition wurden sodann die Unterbegriffe «Biotechnologie» und «Derivate» definiert.

Artikel 3 umschreibt den Geltungsbereich des Protokolls. Dieses ist anwendbar auf genetische Ressourcen laut Artikel 15 der CBD sowie auf sich darauf beziehendes traditionelles Wissen, das in den Geltungsbereich der CBD fällt. Im Entscheid zur Annahme des Protokolls wurde festgehalten, dass humangenetische Ressourcen ­ entsprechend der CBD ­ nicht in den Geltungsbereich des Protokolls fallen11.

Artikel 4 behandelt das Verhältnis des Nagoya-Protokolls zu völkerrechtlichen Übereinkünften und anderen internationalen Regelungen. Der Artikel bekräftigt Rechte und Pflichten von Vertragsparteien unter anderen Übereinkünften und hält fest, dass das Protokoll wechselseitig stützend zu anderen relevanten Übereinkünften und unter Beachtung laufender einschlägiger Arbeiten anderer Organisationen implementiert werden soll. Zudem hält er fest, dass andere gegenwärtige oder zukünftige spezifische ABS-Übereinkünfte oder internationale Regelungen, die im Einklang mit den Zielen der CBD und des Nagoya-Protokolls
stehen, Vorrang haben.

Artikel 5 regelt die ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile. Grundsätzlich sollen Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen sowie aus deren späteren Verwendung oder Vermarktung ergeben, mit der Vertragspartei, die diese Ressourcen zur Verfügung stellt, das heisst dem Ursprungsland dieser Ressourcen oder einer Vertragspartei, welche die genetischen Ressourcen in Übereinstimmung mit der CBD erworben hat, ausgewogen und gerecht geteilt werden. Falls indigene oder ortsansässige Gemeinschaften Träger dieser Ressourcen sind oder falls Vorteile aus der Nutzung des sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissens entstehen, sollen diese Vorteile mit den betroffenen Gemeinschaften geteilt werden. Die Aufteilung erfolgt zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen (Mutually Agreed Terms ­ MAT) und kann sowohl aus monetären als auch aus nicht-monetären Vorteilen bestehen. Jede Vertragspartei soll dabei Massnahmen ergreifen, um diese Prinzipien des Vorteilsausgleichs umzusetzen.

11

COP-Entscheid X/1, Absatz 5 (UNEP/CBD/COP/DEC/X/1).

3018

Artikel 6 regelt den Zugang zu genetischen Ressourcen und betont die souveränen Rechte der Staaten in Bezug auf ihre natürlichen Ressourcen. Grundsätzlich soll der Zugang zu genetischen Ressourcen nach innerstaatlichen Gesetzen oder sonstigen Vorschriften über das ABS jeder einzelnen Vertragspartei erfolgen, welche die Ressourcen zur Verfügung stellt. Das Protokoll fordert jedoch von denjenigen Vertragsparteien, welche für den Zugang eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung (Prior Informed Consent ­ PIC) verlangen, die Einhaltung gewisser Standards. Diese sollen für Rechtssicherheit, Klarheit und Transparenz in der innerstaatlichen Zugangsregulierung sorgen. Entscheide müssen kostenwirksam und innerhalb eines angemessenen Zeitraumes gefällt werden. Ferner muss eine Genehmigung (oder ein gleichwertiges Dokument) beim Zeitpunkt des Zugangs ausgestellt werden, die belegt, dass der PIC erteilt und MAT vereinbart wurden.

Schliesslich müssen klare Regeln und Verfahren bestehen, wie MAT erstellt werden können. Diese Bestimmungen des Protokolls tragen somit zu einer gewissen Standardisierung und Vereinfachung des Zugangs bei.

Artikel 7 bestimmt, dass Vertragsparteien, sofern angebracht, Massnahmen ergreifen sollen, damit einerseits der Zugang zu sich auf genetische Ressourcen beziehendem traditionellem Wissen mit dem PIC oder mit Billigung und Beteiligung der indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften erfolgt und andererseits MAT vereinbart werden.

Artikel 8 enthält spezielle Erwägungen für die Ausarbeitung von Gesetzen und sonstigen Vorschriften über das ABS, damit (a) Biodiversitätsforschung gefördert und insbesondere nicht-kommerzielle Forschung erleichtert wird, (b) Notfallsituationen, in denen die Human-, Tier-, oder Pflanzengesundheit gefährdet sein könnte, beachtet werden und (c) die Bedeutung genetischer Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und ihre besondere Rolle für die Ernährungssicherheit berücksichtigt werden.

Artikel 9 hält fest, dass die Vertragsparteien Nutzer und Bereitsteller genetischer Ressourcen ermutigen sollen, die sich ergebenden Vorteile für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile einzusetzen.

Laut Artikel 10 soll erwogen werden, ob ein globaler multilateraler Mechanismus zur Aufteilung der Vorteile
in grenzüberschreitenden Situationen oder in Situationen, in denen PIC nicht erteilt oder erlangt werden kann, nötig ist. Diese Vorteile sollen für die weltweite Erhaltung der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandeile eingesetzt werden.

Artikel 11 beschreibt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, wenn gleiche genetische Ressourcen in mehr als einer Vertragspartei vorkommen oder wenn das gleiche, sich auf genetische Ressourcen beziehende traditionelle Wissen von einer oder mehreren indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften in mehreren Vertragsparteien geteilt wird.

Artikel 12 enthält weitere Bestimmungen betreffend das sich auf genetische Ressourcen beziehende traditionelle Wissen. Diese beschreiben die Zusammenarbeit mit indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften sowie die Anerkennung derer Gewohnheitsregeln, Gemeinschaftsvereinbarungen und -verfahren.

Artikel 13 verpflichtet die Vertragsparteien, eine nationale Anlaufstelle für das ABS und eine oder mehrere zuständige nationale Behörden für das ABS zu benennen, und beschreibt deren Funktionen und Verantwortungen.

3019

Artikel 14 sieht die Einrichtung einer internationalen Informationsstelle (ABSClearing-House) für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile vor und präzisiert die Informationen, welche dieser geliefert werden müssen.

Artikel 15 und 16 enthalten Bestimmungen betreffend die Einhaltung der innerstaatlichen Vorschriften über das ABS. Jede Vertragspartei soll Massnahmen ergreifen, die gewährleisten, dass der Zugang zu den innerhalb ihres Hoheitsbereichs genutzten genetischen Ressourcen laut den innerstaatlichen Gesetzen oder sonstigen Vorschriften über das ABS der anderen Partei mit dem so genannten PIC erfolgt ist und MAT vereinbart worden sind, bzw. dass der Zugang zu dem sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissen mit PIC oder mit Billigung und Beteiligung der indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften erfolgt ist und dass MAT vereinbart worden sind. Ferner sollen zur Behandlung von Fällen, in denen die angenommenen Massnahmen nicht eingehalten werden, angemessene, wirksame und verhältnismässige Massnahmen angewendet werden.

Artikel 17 beschreibt Massnahmen, um die Nutzung der genetischen Ressourcen zu überwachen und die Transparenz in Bezug auf ihre Nutzung zu verbessern. Der Artikel verpflichtet jede Vertragspartei, eine oder mehrere Kontrollstellen (so genannte Checkpoints) einzuführen, an welchen Informationen über die Nutzung der genetischen Ressourcen gesammelt und weitergeleitet werden (Informationen im Zusammenhang mit dem PIC, der Quelle der genetischen Ressource, der Etablierung der MAT bzw. dem international anerkannten Konformitätszertifikat). Angemessene, wirksame und verhältnismässige Massnahmen sollen angewendet werden, falls diese Informationspflichten nicht eingehalten werden. Zugangsbewilligungen oder gleichwertige Dokumente sollen der ABS-Informationsstelle weitergeleitet werden, wodurch ein international anerkanntes Konformitätszertifikat etabliert wird.

Artikel 18 enthält eine Reihe von Bestimmungen betreffend MAT sowie zur Durchsetzung vertraglicher Rechte und Pflichten.

Artikel 19 und 20 ermutigen Vertragsparteien, Implementierungshilfen auszuarbeiten, damit ABS-Transaktionen erleichtert werden. Dazu zählen Mustervertragsklausen, Verhaltensregeln, Leitlinien und bewährte Verfahren oder Normen.

Artikel 21 verlangt, dass jede Vertragspartei Massnahmen
zur Schärfung des Bewusstseins für die Bedeutung genetischer Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissens ergreift.

Artikel 22 betrifft den Aufbau und den Ausbau der Kapazitäten zur Durchführung des Protokolls in Entwicklungsländern, vor allem in den am wenigsten entwickelten Staaten und den kleinen Inselstaaten, sowie in Vertragsparteien mit Wirtschaftssystemen, die sich im Übergang befinden. Der Bedarf und die nationalen Prioritäten im Bereich der Kapazitäten sollen mittels Selbstbewertungen der Vertragsparteien festgelegt werden.

Artikel 23 beschreibt die Weitergabe von Technologie, die Zusammenarbeit und die Kooperation, um die Ziele des Protokolls zu erreichen. Diese Verpflichtungen stehen im Einklang mit den relevanten Artikeln der CBD.

Artikel 24 ermutigt Nicht-Vertragsparteien, diesem Protokoll beizutreten und der Informationsstelle über das ABS geeignete Informationen zu liefern.

Artikel 25 legt als Finanzierungsmechanismus des Protokolls denjenigen der CBD fest.

3020

Artikel 26­36 enthalten eine Reihe von institutionellen Bestimmungen, die über weite Strecken denjenigen des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt12 entsprechen. Sie bestimmen die Organe des Nagoya-Protokolls, die Nebenorgane und das Sekretariat.

Dabei sind keine neuen Strukturen vorgesehen. Die Vertragsparteienkonferenz der CBD dient gleichzeitig als Tagung der Vertragsparteien des Protokolls. Desgleichen fungiert das Sekretariat der CBD als Sekretariat des Nagoya-Protokolls, wobei sich die Vertragsparteien die Kosten teilen. Ferner beschreiben diese Artikel die Modalitäten für die Umsetzung des Protokolls, einschliesslich die Berichterstattung, die Verfahren und Mechanismen zur Förderung der Einhaltung der Pflichten laut Protokoll sowie die Überprüfung der Wirksamkeit des Protokolls. Das Protokoll tritt am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt der Hinterlegung des fünfzigsten Ratifikationsinstruments in Kraft.

Der Anhang beschreibt beispielhaft eine Reihe von möglichen monetären und nichtmonetären Vorteilen, die zu MAT laut Artikel 5 geteilt werden sollen.

1.4

Die aktuelle Rechtslage in der Schweiz

Gemäss Artikel 54 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV)13 trägt der Bund im Rahmen seiner auswärtigen Angelegenheiten zur Linderung von Not und Armut in der Welt und zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen bei. Der Umweltschutz (Art. 74 BV) sowie der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt und die Erhaltung ihrer Lebensräume in der natürlichen Vielfalt (Art. 78 Abs. 4 BV) stellen umfassende Bundeskompetenzen dar.

Die Grundzüge der Regelung der Nutzung von genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens sind im Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD)14 enthalten (insbesondere in Art. 8 Bst. j und Art. 15), welches für die Schweiz am 19. Februar 1995 in Kraft trat. Im Bereich der pflanzengenetischen Ressourcen für die Ernährung und Landwirtschaft trat für die Schweiz am 20. Februar 2005 der internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (IV-PGREL)15 in Kraft.

Auf Gesetzesstufe wird einzig im Patentrecht mittels des transparenzerhöhenden Quellenoffenlegungserfordernisses auf das ABS Bezug genommen.16 Artikel 49a Patentgesetz (PatG)17 besagt, dass das Patentgesuch Angaben enthalten muss über die Quelle der genetischen Ressource, zu welcher der Erfinder oder der Patentbewerber Zugang hatte, sofern die Erfindung direkt auf dieser Ressource beruht (Abs. 1 Bst. a). Dasselbe gilt für die Quelle von traditionellem Wissen indigener oder lokaler Gemeinschaften, zu dem der Erfinder oder der Patentbewerber Zugang hatte, sofern die Erfindung direkt auf solchem Wissen beruht (Abs. 1 Bst. b). Ist die Quelle weder dem Erfinder noch dem Patentbewerber bekannt, so muss der Patentbewerber dies schriftlich bestätigen (Abs. 2). Wer vorsätzlich falsche Angaben nach 12 13 14 15 16 17

SR 0.451.431 SR 101 SR 0.451.43 SR 0.910.6 Vgl. Kraus Daniel/Rüssli Markus, Access and Benefit Sharing User Measures in the Swiss Legal Order, BAFU, 2009.

Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (SR 232.14)

3021

Artikel 49a macht, wird mit Busse bis zu 100 000 Franken bestraft, wobei der Richter die Veröffentlichung des Urteils anordnen kann (Art. 81a PatG). Die Verpflichtung zur Quellenangabe soll im Bereich des ABS eine grössere Transparenz und damit die Überprüfung erlauben, ob die anwendbaren ABS-Vorschriften eingehalten worden sind, so die Botschaft vom 23. November 200518 zur Änderung des Patentgesetzes. Damit verfügt die Schweiz mit dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) bereits über eine Stelle («Checkpoint») im Sinne von Artikel 17 des Nagoya-Protokolls. Obwohl das Patentgesetz zurzeit eine der europaweit strengsten und umfassendsten Offenlegungspflichten vorsieht, wird bereits in der Botschaft zu dessen Änderung auf den Regelungsbedarf in anderen Rechtsbereichen hingewiesen und ausgeführt, dass patentrechtliche Massnahmen für sich alleine nicht genügen, da sie nur Teilaspekte der ABS-Problematik zu lösen vermögen.19 In der Tat finden viele Nutzungen von genetischen Ressourcen statt, ohne dass diese zu Patentanmeldungen führen.

Im Bereich des Zugangs zu den genetischen Ressourcen in der Schweiz ist die schweizerische Gesetzgebung konform mit Artikel 15 CBD20. Basierend auf den souveränen Rechten über ihre natürlichen Ressourcen und in Übereinstimmung mit Artikel 15 Absatz 5 der CBD verzichtete die Schweiz bis anhin darauf, ein generelles Zugangs- bzw. so genanntes PIC-Verfahren einzuführen. Allerdings kommen die Zugangsbestimmungen des IV-PGREL)21 auf pflanzengenetische Ressourcen in den staatlichen Genbanken sowie auf Ressourcen, die im Rahmen der Umsetzung des nationalen Aktionsplans (NAP)22 unterstützt werden, zur Anwendung. Ferner ist gemäss Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik 2014­17 bereits eine Delegationsnorm zugunsten des Bundesrats vorgesehen, im Zusammenhang mit internationalen Verpflichtungen Zugangs- und Vorteilsausgleichsregelungen betreffend pflanzen- und tiergenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft zu erlassen.23 Das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG)24 bezweckt insbesondere den Schutz der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt sowie ihrer biologischen Vielfalt und ihres natürlichen Lebensraums (Art. 1 Bst. d). Es unterstellt das Sammeln wildwachsender Pflanzen und das Fangen frei lebender Tiere dann einer kantonalen
Bewilligung, wenn dies zu Erwerbszwecken geschieht (Art. 19) oder wenn geschützte Arten betroffen sind (Art. 22 Abs. 1). Damit enthält das NHG bereits Bestimmungen, die gewissen Nutzungsaspekte von genetischen Ressourcen regeln.

Diese Bestimmungen liegen jedoch im Artenschutz begründet und stellen keine ABS-Vorschriften als solche dar, womit das in der Biodiversitätskonvention sowie dem Nagoya-Protokoll vorgesehene PIC/MAT-Verfahren nicht zur Anwendung kommt.

18 19 20 21 22 23 24

BBl 2006 1, 81 BBl 2006 1, 80 Vgl. Ducor Philippe, L'accès aux ressources génétiques en droit suisse, BUWAL, 2003, Schriftenreihe Umwelt Nr. 359 SR 0.910.6 www.cpc-skek.ch/deutsch/nap_projekte/infos.html BBl 2012 2075 Bundesgesetz vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (SR 451)

3022

Alle anderen Gesetze enthalten keine Regelungen oder Bestimmungen über das ABS. Das Umweltschutzgesetz (USG)25 bezweckt, Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen zu schützen sowie die natürlichen Lebensgrundlagen, insbesondere die biologische Vielfalt und die Fruchtbarkeit des Bodens, dauerhaft zu erhalten (Art. 1 Abs. 1). Für den Umgang mit Organismen legt es fest, dass dieser nur so erfolgen darf, dass die Umwelt oder der Mensch nicht gefährdet sowie die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung nicht beeinträchtigt werden (Art. 29a Abs. 1).

Diese Bestimmung bezieht sich auf das Gefahrenpotenzial der Organismen selbst (bzw. ihrer Stoffwechselprodukte und Abfälle), etwa aufgrund ihrer Pathogenität oder Invasivität. Unter Berücksichtigung von grammatikalischen, systematischen, historischen und teleologischen Auslegungselementen würde es hingegen zu weit gehen, diese Bestimmung auch in dem Sinne auszulegen, dass die Vorteile im Zusammenhang mit der Nutzung genetischer Ressourcen ausgewogen und gerecht geteilt werden müssen mit der Argumentation, dass ansonsten die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt in anderen Vertragsstaaten von CBD bzw. des Nagoya-Protokolls gefährdet sein könnten.

Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES-Übereinkommen)26 und die in der Schweiz damit einhergehenden Bestimmungen im Tierschutzgesetz (TSchG)27 und die Artenschutzverordnung (ASchV)28 regeln den Import und Export sowie die Buchführungspflicht im Handel mit Arten, welche in den Anhängen des CITES-Übereinkommens aufgeführt sind, und enthalten keine Regelungen oder Bestimmungen über das ABS.

Regelungen betreffend genetische Ressourcen fehlen schliesslich auch im Gentechnikgesetz (GTG)29, im Waldgesetz (WaG)30, im Jagdgesetz (JSG)31 sowie im Bundesgesetz über die Fischerei (BGF)32. Die beiden letztgenannten Gesetze enthalten insbesondere Schutz- und Schonbestimmungen für gewisse Tierarten, womit auch hier der Zugang zu genetischen Ressourcen aus Artenschutzgründen beschränkt ist, ohne dass ein eigentliches PIC-/MAT-Verfahren zur Anwendung kommt.

1.5

Überblick über das Recht auf internationaler Ebene und dasjenige der Europäischen Union

1.5.1

Auf internationaler Ebene

Über 50 Vertragsparteien der CBD, insbesondere aus Entwicklungsländern, haben bereits ABS-Gesetze bzw. -Regulierungen auf nationaler Ebene eingeführt33. Diese Länder, einschliesslich etwa Australien sowie die USA als Nicht-Vertragspartei der 25 26 27 28 29 30 31 32 33

Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (814.01) Übereinkommen vom 3. März 1973 über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (SR 0.453) Tierschutzgesetz vom 16. Dezember 2005 (SR 455) Artenschutzverordnung vom 18. April 2007 (SR 453) Bundesgesetz vom 21. März 2003 über die Gentechnik im Ausserhumanbereich (SR 814.91) Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über den Wald (SR 921.0) Bundesgesetz vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (SR 922.0) Bundesgesetz vom 21. Juni 1991 über die Fischerei (SR 923.0) Vgl. die entsprechende Datenbank unter: www.cbd.int/abs/measures.shtml

3023

CBD, konzentrierten sich bis anhin insbesondere auf die Regelung des Zugangs zu ihren eigenen genetischen Ressourcen. Von den Industrienationen hat Norwegen seit Juli 2009 eine umfassende Gesetzgebung angenommen, die sowohl den Vorteilsausgleich aus der Nutzung genetischer Ressourcen aus anderen Ländern als auch den Zugang zu inländischen genetischen Ressourcen regelt34. Norwegen und einige weitere Länder besitzen auch schon Regelungen über traditionelles Wissen. Ein ausführlicher internationaler Überblick über das nationale Recht in verschiedenen Staaten zum Zeitpunkt der Annahme des Nagoya-Protokolls findet sich in der Studie «Overview of National and Regional Measures on Access to Genetic Resources and Benefit-Sharing: Challenges and Opportunities in Implementing the Nagoya Protocol»35.

Ferner haben seit der Annahme des Nagoya-Protokolls 92 Vertragsparteien der CBD das Protokoll unterzeichnet, und 11 Staaten haben das Protokoll bereits ratifiziert36.

Die meisten Vertragsparteien der CBD, einschliesslich Industriestaaten arbeiten zurzeit intensiv an Massnahmen zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls. Schliesslich hält das Ziel 16 des Strategischen Plans 2010­2020 der Biodiversitätskonvention37 fest, dass das Nagoya-Protokoll bis 2015 in Kraft gesetzt und wirksam umgesetzt werden soll.

1.5.2

Auf der Ebene der Europäischen Union

In der Europäischen Union (EU) haben gewisse Länder bereits vor der Annahme des Nagoya-Protokolls rechtliche Anpassungen betreffend genetische Ressourcen in ihrer Gesetzgebung vorgenommen (z.B. Portugal, Belgien, Schweden), andere halten die Ziele der Erhaltung der biologischen Vielfalt, deren nachhaltigen Nutzung sowie des Vorteilsausgleichs zumindest in ihren Biodiversitätstrategien fest (z.B.

Deutschland). Ferner empfiehlt Erwägungsgrund 27 der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen38, dass bei einer Erfindung, die biologisches Material pflanzlichen oder tierischen Ursprungs zum Gegenstand hat oder derartiges Material verwendet, die Patentanmeldung gegebenenfalls Angaben zum geografischen Herkunftsort dieses Materials umfassen sollte, falls dieser bekannt ist. Die Prüfung der Patentanmeldungen und die Gültigkeit der Rechte aufgrund der erteilten Patente bleiben hiervon unberührt. Damit ist das Offenlegungserfordernis der Richtlinie 98/44/EG weniger umfassend als das Offenlegungserfordernis gemäss dem schweizerischen Patentgesetz (siehe auch Ziff. 1.4).

34 35

36 37 38

Act relating to the management of biological, geological and landscape diversity (Nature Diversity Act), Chapter VI. www.wipo.int/wipolex/en/text.jsp?file_id=179529 Vgl. Jorge Cabrera Medaglia, Frederic Perron-Welch and Olivier Rukundo (2012).

Overview of National and Regional Measures on Access to Genetic Resources and Benefit-Sharing: Challenges and Opportunities in Implementing the Nagoya Protocol.

Centre for International Sustainable Development Law: www.sib.admin.ch/uploads/media/Overview_of_ABS_Measures_2011.pdf Liste der Staaten, die das Protokoll unterzeichnet oder bereits ratifiziert haben: www.cbd.int/abs/nagoya-protocol/signatories/ CBD Strategic Plan for Biodiversity 2011­2020, including Aichi Biodiversity Targets: www.cbd.int/doc/strategic-plan/2011-2020/Aichi-Targets-EN.pdf Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, ABl 1998 L 213/13.

3024

Die EU und 24 ihrer Mitgliedstaaten haben das Nagoya-Protokoll bis heute unterzeichnet. Die Europäische Kommission hat aufgrund einer ausführlichen Beurteilung der voraussichtlichen Auswirkungen mehrerer Optionen einen Vorschlag für eine EU-Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates ausgearbeitet.39 Dieser sieht unter anderem die Einführung einer Sorgfaltspflicht vor für alle Nutzerinnen und Nutzer (Nutzende) von genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens sowie eine Meldepflicht beim Zeitpunkt der Marktzulassung bzw. der Vermarktung von Produkten, die auf der Basis dieser Ressourcen oder dieses Wissens entwickelt wurden. Ferner soll ein System zuverlässiger Sammlungen von genetischen Ressourcen (Union trusted collections) aufgebaut werden. Der Vorschlag sieht weiter vor, dass gewisse Bereiche durch Durchführungsrechtsakte weiter konkretisiert werden sollen. Der EU-Regulierungsvorschlag deckt sich folglich weitgehend mit dem Entwurf des Bundesrates betreffend die Gesetzesänderungen im NHG. Da die Schweizer Nutzende viele genetische Ressourcen insbesondere auch mit EU-Mitgliedstaaten austauschen, ist es sinnvoll, dass die Schweizer Regulierungen im Bereich der genetischen Ressourcen so weit wie möglich mit denjenigen der EU harmonisiert werden.

1.6

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Vernehmlassung40 dauerte vom 16. Mai 2012 bis am 6. September 2012. Insgesamt wurden 205 Adressaten angeschrieben. 74 der angeschriebenen sowie 6 nicht angeschriebene Stellen antworteten auf die Vernehmlassung. Unter diesen insgesamt 80 Antwortenden befinden sich: 24 Kantone, 5 in der Bundesversammlung vertretene politischen Parteien, 2 gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, 4 Dachverbände der Wirtschaft, 12 Umweltschutzorganisationen und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, 18 weitere Wirtschaftsverbände und Fachorganisationen, 8 Organisationen der Wissenschaft und der Forschung, je eine eidgenössische und kantonale Kommission und 5 von der Vorlage betroffene Unternehmungen.

Die Vorlage stösst bei 62 der Stellungnehmenden grundsätzlich auf Zustimmung. In 7 Fällen wird die Vorlage abgelehnt, und in 11 Fällen wird auf eine Position verzichtet. Rund 90 % der Stellungnehmenden befürworten also die Ratifikation des Nagoya-Protokolls und die vorgeschlagenen NHG-Änderungen. In 8 Fällen erfolgt die Zustimmung ohne Vorbehalt. 54 Stellungnehmende stimmen zu, bringen aber im Einzelnen Bemerkungen, Ergänzungen, Anträge oder Vorbehalte vor.

Sowohl economiesuisse, der Schweizerische Bauernvernband als auch die grosse Mehrheit der Wirtschaftsverbände (scienceindustries, Interpharma, etc.), der Wissenschafts- und Forschungsorganisationen (Akademien der Wissenschaften Schweiz, Schweizer Nationalfonds, etc.) und der betroffenen Unternehmungen (Novartis, Roche, Syngenta, etc.) begrüssen es grundsätzlich, dass die Schweiz das Nagoya-Protokoll ratifiziert und umsetzt. Auch die Umweltschutzorganisationen 39

40

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Europäischen Union: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0576:FIN:DE:PDF Der vollständige Bericht zur Vernehmlassung kann auf der Internetseite der Bundeskanzlei heruntergeladen werden: www.admin.ch/ch/d/gg/pc/ind2012.html#UVEK

3025

und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit (Schutzorganisationen) stimmen der Vorlage mit Bemerkungen und Änderungsanträgen zu. Mit Ausnahme zweier Kantonen stösst die Vorlage auch bei den Kantonen auf Zustimmung. Ähnlich wie die Schutzorganisation unterstützen auch die Grünen, die SP und die EVP die Vorlage. Trotz den positiven Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände und des Schweizerischen Bauernverbandes lehnen die SVP und die FDP die Ratifikation des Nagoya-Protokolls hingegen ab.

Die Zustimmenden betonen unter anderem, dass die Ratifizierung des Protokolls Rechtssicherheit bringe und den langfristigen Zugang zu genetischen Ressourcen aus anderen Vertragsparteien gewährleiste. Dies habe positive Auswirkungen auf Forschung und Wirtschaft in der Schweiz. Ferner erachten sie die Einführung einer Sorgfaltspflicht und einer Meldepflicht beim Zeitpunkt der Marktzulassung bzw. der Vermarktung als zweckmässige und angemessene Instrumente zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls. Schliesslich ermögliche die Umsetzung des Nagoya-Protokolls den gerechten Vorteilsausglich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens und trage so zum globalen Erhalt der Biodiversität bei. Die wichtigsten Anträge der Zustimmenden betreffen den sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Gesetzesänderungen. Die einen beantragen, dass dieser weiter präzisiert und eingeschränkt werde, die anderen erachten den Zeitpunkt der Nutzung einer genetischen Ressource als Auslöser der neuen Verpflichtungen, dies anstelle des Zeitpunkts des Zuganges zu dieser Ressource auf dem Gebiet einer Vertragspartei. Ferner wird beantragt, dass weiter präzisiert werden sollte, was unter der ausgewogenen und gerechten Aufteilung der Vorteile verstanden werden müsse.

Die ablehnende Minderheit (rund 9 % der Antwortenden) sehen in der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls keinen Nutzen für die Schweiz. Insbesondere sei der Zugang zu genetischen Ressourcen im Ausland nicht garantiert. Ferner befürchten sie, dass die Forschung, die Unternehmen und die Verwaltung mit administrativem Mehraufwand belastet werden. Und schliesslich glauben sie, dass die positive Wirkung auf den globalen Erhalt der Biodiversität illusorisch sei.

Die wichtigsten Anliegen und Bemerkungen der Stellungnehmenden werden unter
den relevanten Kapiteln dieser Vorlage weiter kommentiert. Die Anpassungen der Vorlage, die aufgrund der Stellungnahmen vorgenommen worden sind, sind explizit erwähnt.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln des Protokolls

2.1

Nutzung der genetischen Ressourcen und andere Begriffe

Grundsätzlich gelten im Nagoya-Protokoll dieselben Begriffe, die bereits im Übereinkommen über die biologische Vielfalt definiert sind. So versteht man «genetische Ressource» als «genetisches Material von tatsächlichem oder potentiellem Wert» und «genetisches Material» als «jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält». Diese breite Definition der genetischen Ressourcen, die Tiere, Pflanzen, Bakterien und andere Organismen oder Teile davon umfasst, erklärt die signifikante Bedeutung und Verwendung der genetischen Ressourcen in unterschiedlichen Sektoren, insbesondere in der 3026

Forschung, in der Landwirtschaft sowie in der Pharma-, Kosmetik-, Lebensmittelund Biotechindustrie. Sie stellen zum Beispiel die Grundlage jeder Pflanzensorte oder Tierrasse in der Landwirtschaft dar und enthalten neue Wirkstoffe für Medikamente und Kosmetikprodukte.

Neu definiert das Nagoya-Protokoll im Artikel 2 den Begriff «Nutzung der genetischen Ressourcen» als «das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschliesslich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens» sowie den Begriff «Derivate» als «eine natürlich vorkommende biochemische Verbindung, die durch Genexpression oder den Stoffwechselprozess biologischer oder genetischer Ressourcen entstanden ist, auch wenn sie keine funktionalen Erbeinheiten enthält». Der Begriff «Derivate», der Gegenstand langwieriger Diskussionen während den Verhandlungen war, kommt allerdings im operationellen Teil des Protokolls nicht vor. Die Definition dient vielmehr der Klärung des Begriffes Derivate, der in der Definition «Biotechnologie» vorkommt. Die Schweiz hat diese neuen Begriffe wesentlich mitbestimmt und mitgetragen, da sie einerseits Klarheit in die Anwendung des Protokolls bringen und andererseits eine Ausweitung des Geltungsbereiches einschlägiger Artikel der CBD verhindern. Entsprechend fallen biologische Ressourcen, welche nicht als genetische Ressourcen genutzt werden nicht unter den Geltungsbereich des Protokolls. Ferner sollte der Zugang zu biochemischen Substanzen bzw. Derivaten nur dann geregelt sein, wenn diese direkt aus genetischen Ressourcen isoliert werden oder bereits an MAT gebunden sind.41 Aufgrund der souveränen Rechte über die natürlichen Ressourcen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die innerstaatlichen ABSVorschriften gewisser Länder durchaus auch auf isolierte biochemische Substanzen Anwendung finden werden bzw. bereits Anwendung finden.42

2.2

Zugang zu genetischen Ressourcen

Wie bereits die CBD bekräftigt auch das Nagoya-Protokoll die souveränen Rechte der Vertragsparteien in Bezug auf ihre natürlichen Ressourcen. Die Vertragsparteien können folglich den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen grundsätzlich selbst bestimmen und regeln. Laut dem Protokoll hat der Zugang mit einer auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorherigen Zustimmung der berechtigten Vertragspartei (PIC) zu erfolgen, sofern diese nichts anderes bestimmt (Art. 6). Diejenigen Vertragsparteien, die PIC für den Zugang zu ihren Ressourcen verlangen, verpflichten sich jedoch gleichzeitig, Massnahmen zu ergreifen, die für Rechtssicherheit, Klarheit und Transparenz in ihren Zugangsregulierungen sorgen. Dazu sollen Informationen, wie der PIC zu beantragen ist, zur Verfügung gestellt werden, und Entschei-

41

42

Vgl. Matthias Buck and Clare Hamilton. The Nagoya Protocol on Access to Genetic Resources and the Fair and Equitable Sharing of Benefits Arising from their Utilization to the Convention on Biological Diversity. Review of European Community & International Environmental Law, 20 (1), 2011.

Vgl. Jorge Cabrera Medaglia, Frederic Perron-Welch and Olivier Rukundo (2012).

Overview of National and Regional Measures on Access to Genetic Resources and Benefit-Sharing: Challenges and Opportunities in Implementing the Nagoya Protocol.

Centre for International Sustainable Development Law: www.sib.admin.ch/uploads/media/Overview_of_ABS_Measures_2011.pdf

3027

de sollen kostenwirksam und innerhalb eines angemessenen Zeitraumes gefällt werden.

Zum Zeitpunkt des Zugangs soll eine Genehmigung oder ein gleichwertiges Dokument ausgestellt werden, und es sollen Regeln und Verfahren, wie MAT verlangt und vereinbart werden, eingeführt werden. Die Genehmigung oder das gleichwertige Dokument gemäss Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe e des Protokolls muss dem ABSClearing-House weitergeleitet werden, und stellt somit ein international anerkanntes Konformitätszertifikat dar (Art. 17 Abs. 2). Dieses Zertifikat dient insbesondere als Nachweis für die Nutzenden einer genetischen Ressource, dass der Zugang dazu im Einklang mit den anwendbaren ABS-Vorschriften stattgefunden hat (vgl. unten Ziff. 2.4).

Ferner sollen vereinfachte Massnahmen für den Zugang zu genetischen Ressourcen für nicht-kommerzielle Forschung eingeführt und ein zügiger Zugang zu genetischen Ressourcen in Notfallsituationen, in denen die Human-, Tier-, oder Pflanzengesundheit gefährdet sein könnte, sichergestellt werden (Art. 8). Das Protokoll soll somit längerfristig zu einer gewissen Standardisierung der innerstaatlichen Zugangsregelungen sowie zu einer Vereinfachung des Zugangs zu genetischen Ressourcen führen. Die Umsetzung der darin beschriebenen Massnahmen dürfte insbesondere dem Forschungs- und Innovationsstandort Schweiz entgegenkommen. Klare und einfache Zugangsregelungen wurden in den Verhandlungen sowohl von der Schweizer Delegation als auch von Forschungs- und Industrievertretern gefordert.

2.3

Ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile

Grundsätzlich sollen die Vorteile, die sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens sowie aus deren späteren Verwendung und Vermarktung ergeben, zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen (MAT) geteilt werden (Art. 5). Die MAT sollen dabei beim Zeitpunkt des Zuganges zu den genetischen Ressourcen ausgehandelt werden (Art. 6 Abs. 3 Bst. e). Der Vorteilsausgleich ist folglich vertraglich geregelt, und er kann sowohl aus monetären (z.B. Zahlungen, Lizenzgebühren, Forschungsmittel) und/oder nichtmonetären Vorteilen (z.B. Zusammenarbeit, Wissen, Technologien) bestehen (vgl.

auch Anhang des Protokolls). Die Vertragsparteien sind jedoch verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, damit diese Vorteile geteilt werden. Der bilaterale Ansatz des Vorteilsausgleichs soll es ermöglichen, für alle Beteiligten (Nutzende und Bereitsteller) die bestmöglichen Vorteile zu definieren. Falls diese in der Aushandlung der Verträge gleiche Voraussetzungen oder zumindest eine ähnliche Verhandlungsmacht besitzen, ist dieses bilaterale Vorgehen aus ethischen Überlegungen ein gerechter und fairer Ansatz des Vorteilsausgleichs.43 Die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile sollen für den Erhalt der biologischen Vielfalt und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile eingesetzt werden, wozu die Vertragsparteien ausdrücklich ermutigt werden (Art. 9). Allerdings wurde während der Verhandlungen auch erkannt, dass der bilaterale Ansatz des Vorteilsausgleichs in gewissen Fällen (z.B. wenn die gleiche genetische Ressource oder das sich darauf beziehende traditionelle Wissen unter mehreren Vertragsparteien bzw. indigenen 43

Vgl. Bachmann Andreas, Ethical Aspects of Access and Benefit-Sharing (ABS), 2011, Bericht zuhanden des BAFU

3028

und ortsansässigen Gemeinschaften geteilt wird) nicht praktikabel ist, weshalb ein zusätzlicher Artikel 10 angenommen wurde, der die mögliche Einführung eines globalen multilateralen Mechanismus zur Aufteilung der Vorteile für diese Situationen vorsieht sowie ein Artikel 11, laut welchem die Vertragsparteien in solchen Fällen sich zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bemühen sollen. Ob ein solcher Mechanismus jedoch nötig ist und wie er gegebenenfalls genau ausgestaltet sein soll, kann erst von den Vertragsparteien des Protokolls nach dessen Inkrafttreten bestimmt werden.

2.4

Einhaltung der innerstaatlichen ABS-Vorschriften

Bestimmungen betreffend die Einhaltung der innerstaatlichen ABS-Vorschriften und der ABS-Verträge (Compliance) befinden sich in einer Reihe von Artikeln des Nagoya-Protokolls (insbesondere Art. 15­18). Grundsätzlich halten diese fest, dass die Nutzer genetischer Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens sich an die jeweiligen innerstaatlichen Gesetze oder sonstigen Vorschriften über das ABS in den anderen Vertragsparteien halten müssen.

Artikel 15 und 16 verpflichten jede Vertragspartei, Massnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass der Zugang zu den innerhalb ihres Hoheitsbereichs genutzten genetischen Ressourcen gemäss den innerstaatlichen Gesetzen oder sonstigen Vorschriften über das ABS der anderen Partei mit dem so genannten PIC erfolgt ist und MAT vereinbart worden sind bzw. dass der Zugang zu dem sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissen mit PIC oder mit Billigung und Beteiligung der indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften erfolgt ist und dass MAT vereinbart worden sind. Ferner sollen angemessene, wirksame und verhältnismässige Massnahmen (z.B. Sanktionen) ergriffen werden, falls die oben ergriffenen Massnahmen nicht eingehalten werden. Mit der Ausnahme, dass die Vertragsparteien bei der Nichteinhaltung dieser Pflichten zusammenarbeiten sollen (Art. 15 Abs. 3) und dass die ergriffenen Massnahmen gesetzlicher, administrativer oder politischer Natur sein können, überlässt das Protokoll die tatsächliche Wahl und Ausgestaltung der Massnahmen den einzelnen Vertragsparteien. Ferner sollen die jeweiligen ABS-Verträge bzw. die MAT eingehalten werden. Dazu beschreibt Artikel 18 einerseits Bestimmungen, die in die Verträge aufzunehmen sind, um deren Durchsetzung zu erleichtern, andererseits Massnahmen, um allfällige Streitigkeiten zu bereinigen.

Zur Unterstützung der Einhaltung dieser Pflichten soll laut Artikel 17 des NagoyaProtokolls die Nutzung der genetischen Ressourcen überwacht werden. Dazu muss jede Vertragspartei einen oder mehrere «Checkpoints» (Kontrollstellen) bestimmen.

Dank diesen «Checkpoints» sollen Informationen über die Nutzung von genetischen Ressourcen gesammelt oder erhalten werden können. Gemäss Artikel 17 Absatz 1 umfassen diese Informationen Angaben über den PIC und MAT, die Nutzung der genetischen Ressourcen oder die
Quelle, wobei es den Vertragsparteien überlassen ist zu bestimmen, welche Information an die jeweilige Kontrollstelle geliefert werden soll. Die Angabe der «Quelle» ist bei Patentanmeldungen in der Schweiz bereits erforderlich (vgl. Ziff. 1.4). Ferner enthalten die Absätze 2­4 dieses Artikels Einzelheiten über das so genannte international anerkannte Konformitätszertifikat, welches belegen soll, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen mit PIC erfolgt ist und dass MAT vereinbart worden sind. Dieses Zertifikat entsteht durch die Registrierung 3029

der Zugangsbewilligung im ABS-Clearing-House; es dient in erster Linie den Nutzenden als Nachweis, dass die genutzten Ressourcen legal erworben worden sind.

Die Schweiz hat sich während der Verhandlungen nicht nur für klare und einfache Zugangsregelungen und Vorteilsausgleichbestimmungen, sondern stets auch für umsetzbare und verhältnismässige Compliance-Massnahmen ausgesprochen. Die in den Compliance-Artikeln beschriebenen Massnahmen greifen den bereits im Schweizer Patentgesetz vorgesehenen Ansatz auf (siehe Ziff. 1.4).

2.5

Informationsaustausch

Ein wichtiges Element des Nagoya-Protokolls betrifft den Informationsaustausch über die geltenden ABS-Vorschriften sowie über die genutzten genetischen Ressourcen. Das Nagoya-Protokoll bestimmt in Artikel 13, dass jede Vertragspartei eine nationale Kontaktstelle (Anlaufstelle) sowie eine oder mehrere zuständige nationale Behörden festlegen soll. Deren Rolle und Funktionen sind im Detail in diesem Artikel beschrieben. Ferner bestimmt das Nagoya-Protokoll in Artikel 14, dass für den Informationsaustausch ein ABS-Clearing-House (die ABS-Informationsstelle) aufgebaut werden soll. Der Artikel beschreibt sowohl die verbindlichen Informationen (ABS-Gesetze und andere -Vorschriften, Informationen über die nationalen ABS-Kontaktstellen und zuständigen nationalen Behörden sowie betreffend die erteilten Bewilligungen), die dem ABS-Clearing-House geliefert werden müssen, als auch weitere Informationen (z.B. Mustervertragsklauseln, Verhaltensregeln und bewährte Verfahren, Methoden zur Überwachung der genetischen Ressourcen sowie Informationen über zuständige Behörden der indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften). Ausserdem sollen zur Unterstützung der Einhaltung der Pflichten ebenfalls Informationen über die genutzten genetischen Ressourcen an das ABS-Clearing-House sowie an die einschlägigen nationalen Behörden weitergeleitet werden (Art.17). Dabei sollen der Datenschutz und die Geschäftsgeheimnisse gewährt bleiben, d.h. nur nicht vertrauliche Informationen sollen weitergeleitet werden.

Generell kommt dem ABS-Clearing-House nicht nur eine zentrale Rolle für die Implementierung des Nagoya-Protokolls zu, sondern es wird auch zur Erhöhung der Transparenz bei der Nutzung der genetischen Ressourcen und somit zur Einhaltung der anwendbaren ABS-Vorschriften beitragen.

2.6

Verhältnis zu völkerrechtlichen Übereinkünften und anderen internationalen Regelungen

Artikel 4 regelt im Detail das Verhältnis des Nagoya-Protokolls zu völkerrechtlichen Übereinkünften und anderen internationalen Regelungen. Er bekräftigt Rechte und Pflichten von Vertragsparteien unter anderen völkerrechtlichen Übereinkünften und hält fest, dass das Protokoll gegenseitig unterstützend zu anderen relevanten Übereinkommen und unter Beachtung laufender einschlägiger Arbeiten anderer Organisationen implementiert werden soll. Zudem hält Artikel 4 fest, dass andere gegenwärtige oder zukünftige spezifische ABS-Übereinkünfte oder internationale Regelungen, die im Einklang mit den Zielen der CBD und des Nagoya-Protokolls stehen, Vorrang haben. Dazu zählen zum Beispiel das multilaterale System des Internationalen Vertrages über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und 3030

Landwirtschaft der FAO44 oder das Rahmenwerk der WHO für den Austausch von Grippeviren und den Zugang zu Impfstoffen (Pandemic Influenza Prepardeness Framework)45. Mit anderen Worten wurde das Nagoya-Protokoll als subsidiäres («default») System ausgearbeitet, das grundsätzlich Anwendung auf alle genetische Ressourcen und das sich darauf beziehende traditionelle Wissen findet, solange nicht andere, spezifischere ABS-Instrumente, welche im Einklang mit den Zielen der CBD und des Nagoya-Protokolls sind, zur Anwendung kommen (vgl. auch Ziff. 2.1). Dieser Artikel trägt somit den Eigenheiten der einzelnen Bereiche, in welchen genetische Ressourcen genutzt werden, Rechnung und erlaubt eine optimale Umsetzung der ABS-Bestimmungen der CBD in allen Sektoren. Weitere sektorielle Ansätze finden sich insbesondere in Artikel 8, der unter anderem die Bedeutung der Forschung und von genetischen Ressourcen für die Ernährung und Landwirtschaft anerkennt sowie in Artikel 19, der unter anderem auch sektorielle Mustervertragsklauseln vorsieht.

2.7

Sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen

Da in gewissen Fällen traditionelles Wissen über eine genetische Ressource massgebend für deren Nutzung ist (z.B. bei der Suche nach neuen Wirkstoffen aus einer Medizinalpflanze, die von indigenen Gemeinschaften traditionell verwendet wird), wurden auch eine Reihe von Bestimmungen über sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen (associated traditional knowledge) ins NagoyaProtokoll aufgenommen. Im Gegensatz zu den Begriffen «genetische Ressource» und «Nutzung der genetischen Ressourcen» ist der Begriff «sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen» jedoch nicht definiert. Ableitend aus Artikel 8j der CBD und übereinstimmend mit den Erläuterung betreffend traditionelles Wissen im Schweizer Patentgesetz46 kann der Begriff «traditionelles Wissen» umschrieben werden als «die Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche von eingeborenen und lokalen Gemeinschaften in Entwicklungs- und Industrieländern, welche diese Gemeinschaften über Generationen geschaffen, verbessert und an die sich ändernden Bedürfnisse und Umwelteinflüsse angepasst sowie, häufig in mündlicher Form, an die nachfolgende Generation weitergegeben haben». Sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen kann als das traditionelle Wissen über die Eigenschaften einer genetischen Ressource verstanden werden (z.B. das traditionelle Wissen über die Heilwirkung einer Pflanze). Eine weitere Klärung des Begriffes sowie der Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Nutzung von sich auf genetische Ressourcen beziehendem traditionellem Wissen sollten die Verhandlungen liefern, die zurzeit im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum stattfinden47, sowie das Arbeitsprogramm der CBD über Artikel 8j48.

Die Bestimmungen zum traditionellen Wissen, das sich auf genetische Ressourcen bezieht, sind in einer Reihe von Artikeln des Nagoya-Protokolls enthalten, insbe44 45 46 47 48

SR 0.910.6 Pandemic Influenza Preparedness (PIP) Framework: www.who.int/influenza/pip/en/ BBl 2006 1, 80 WIPO Intergovernmental Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore (IGC): www.wipo.int/tk/en/igc/ www.cbd.int/traditional/

3031

sondere in Artikel 3, 5, 7, 12 und 16 (siehe auch Ziff. 1.3). Generell stärken diese Artikel die Rechte indigener und ortsansässiger Gemeinschaften bezüglich des sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissens, was ein grosses Anliegen sowohl der Vertreter und der Vertreterinnen der indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften als auch der Zivilgesellschaft war; diese Bestimmungen tragen auch der Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker49 Rechnung.

2.8

Finanzierungsmechanismus

Artikel 25 des Protokolls legt als Finanzierungsmechanismus des Protokolls denjenigen der CBD fest. Die CBD regelt die finanziellen Mittel und den Finanzierungsmechanismus in Artikel 20 und 21. Die Schweiz, wie die übrigen OECD-Länder, unterstützt hierbei die Globale Umweltfazilität (GEF) als ständige Institution für den Finanzierungsmechanismus50. Im Rahmen der Ressourcenallokation von GEF-5 (2010­2014) sind auch für den Aufbau und Ausbau der Kapazitäten und für die Bewusstseinsschärfung zu Themen im Zusammenhang mit dem ABS bereits Mittel vorgesehen. Zudem wurde auf Initiative Japans ein zusätzlicher, zeitlich befristeter Fonds im Rahmen der GEF geschaffen, der so genannte Nagoya-ProtokollImplementierungsfonds. Dieser hat zum Ziel, Länder beim Ratifizierungsprozess zu unterstützen und wird von der Schweiz mitgetragen. Finanzierungsmechanismus des Protokolls ist somit die GEF.

3

Die Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz

Die Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz erfordert eine Mischung von gesetzgeberischen Massnahmen sowie von Vollzugs- und weiteren Massnahmen, um erstens die Einhaltung der Pflichten in Bezug auf innerstaatliche ABS-Vorschriften und den Vorteilsausgleich zu gewährleisten (Umsetzung von Art. 5, 15 und 16; vgl. oben Ziff. 2.3 und 2.4) und zweitens, um Informationen über genutzte genetische Ressourcen bzw. des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens zu sammeln sowie Informationen über die geltenden ABS-Vorschriften bereitzustellen (Umsetzung von Art. 13, 14 und 17; vgl. oben Ziff. 2.5). Drittens verlangt die Umsetzung des Protokolls nach Massnahmen, um Zugangs- und Vorteilsausgleichsregelungen betreffend genetische Ressourcen in der Schweiz zu ermöglichen (Art. 6 und 8, vgl. oben Ziff. 2.2) und, viertens, die internationale Zusammenarbeit im Bereich des ABS zu stärken (Art. 11, 15, 16, 22 und 23). In den folgenden Kapiteln sind sowohl die rechtlichen Anpassungen (Ziff. 3.1 und 3.2) als auch weitere Massnahmen zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls näher erläutert (Ziff. 3.3).

49 50

United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples: www.un.org/esa/socdev/unpfii/documents/DRIPS_en.pdf BBl 2010 4779

3032

3.1

Grundzüge der erforderlichen rechtlichen Anpassungen

In der Schweiz werden genetische Ressourcen und sich darauf beziehendes traditionelles Wissen in der Forschung und in zahlreichen Wirtschaftssektoren genutzt (vgl.

oben Ziff. 2.1). Folglich strahlen die Verpflichtungen des Nagoya-Protokolls in diverse Regelungsbereiche aus. Das Protokoll ist jedoch nicht direkt anwendbar auf die Nutzenden und muss ins nationale Recht umgesetzt werden. Um nicht in allen relevanten Bereichen legiferieren zu müssen, sondern diese mit allgemeingültigen Bestimmungen abdecken zu können, soll das Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) mit einem neuen Abschnitt 3c ergänzt werden, der sich dem Thema genetische Ressourcen widmet. Mit der Ergänzung des NHG wird die Schweiz erstens eine Sorgfaltspflicht einführen, damit diejenigen, die gemäss dem Nagoya-Protokoll genetischen Ressourcen bzw. das sich darauf beziehende traditionelle Wissen nutzen oder unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung erzielen, die innerstaatlichen ABSVorschriften anderer Vertragsparteien einhalten und Vorteile ausgewogen und gerecht teilen (zur Umsetzung von Art. 5, 15 und 16; vgl. oben Ziff. 2.3 und 2.4).

Die Schweiz wird mit der Ergänzung des NHG zweitens eine zentrale Stelle am BAFU einrichten, an welcher die Einhaltung der Sorgfaltspflicht vor der Marktzulassung oder der Vermarktung der genutzten Ressourcen bzw. des genutzten Wissens gemeldet wird, und sie wird weitere Stellen bezeichnen, an welchen die Einhaltung der Meldepflicht überprüft wird (Meldepflicht zur Umsetzung von Art. 17; vgl.

oben Ziff. 2.5). Drittens wird die Schweiz die Möglichkeit erhalten, den Zugang zu den eigenen genetischen Ressourcen im Inland zu regeln und an den daraus entstehenden Vorteilen teilzuhaben (zur Umsetzung von Art. 6 und 8 des NagoyaProtokolls, vgl. oben Ziff. 2.2). Ferner werden die Vollzugs- und Strafbestimmungen des NHG angepasst.

Der Wortlaut der Gesetzesänderungen zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls lehnt sich weitgehend an denjenigen des Protokolls an, wobei insbesondere auch die Begriffe so zu verstehen sind, wie diese im Protokoll definiert sind (Ziff. 2.1).

Gestützt auf diese Gesetzesänderungen werden anschliessend auf Verordnungseben Ausführungsbestimmungen erlassen. Diese werden sich weitgehend an die Erläuterungen zu den einzelnen Gesetzesänderungen gemäss Ziffern 3.2.3­3.2.6 halten. Die betroffenen
Kreise sollen dabei in die Ausarbeitung dieser Bestimmungen einbezogen werden, was von einzelnen Stellungnehmenden in der Vernehmlassung ausdrücklich erwünscht wurde.

Im Rahmen der Vernehmlassung erachteten einzelne Stellungnehmende ferner das NHG als falschen Regelungsort für die Umsetzung des Nagoya-Protokolls. Das NHG ist jedoch der geeignetste Ort, um die erforderlichen gesetzlichen Bestimmungen einzuführen. Das Nagoya-Protokoll ist ein Instrument der Biodiversitätskonvention und hat mitunter zum Ziel, die biologische Vielfalt zu erhalten und die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile zu sichern. Das NHG enthält bereits Bestimmungen, um die einheimische Tier- und Pflanzenwelt sowie ihre biologische Vielfalt und ihren natürlichen Lebensraum zu schützen. Ferner regelt das NHG bereits heute gewisse Nutzungsaspekte, wie z.B. die Stärkung der nachhaltig betriebenen Wirtschaft in Regionalen Naturpärken (Art. 23g NHG) oder die kommerzielle Nutzung von Pflanzen und Tieren (Art. 19 NHG). Die Alternativen, die gesetzlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen einzufügen oder ein eigenes Gesetz dafür zu schaffen, wurden eingehend geprüft, erwiesen sich jedoch aufgrund des Geltungsbereichs anderer Gesetze und des Sachzusammenhangs mit anderen Gesetzen (insbesondere 3033

des USG51 und des GTG52) sowie der Verhältnismässigkeit ­ ein selbstständiges Gesetz hätte geschaffen werden müssen ­ als ungeeignet.

3.2

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen im Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG)

Ingress Entsprechend der Ergänzung des NHG zur Umsetzung des Protokolls von Nagoya soll dieses im Ingress aufgeführt werden. Im Übrigen ist der geltende Ingress an die totalrevidierte Bundesverfassung53 (BV) bzw. die neue Praxis anzupassen. Gemäss dem Beschluss der Redaktionskommission des Parlaments soll der Ingress von Bundesgesetzen, die vor dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung erlassen worden sind, anlässlich von Teilrevisionen formell angepasst werden. Gemäss geltender Praxis werden im Ingress eines Bundesgesetzes einzig die formell kompetenzbegründenden, zur Rechtsetzung ermächtigenden Bestimmungen der BV aufgeführt; ist dies nicht der ganze Artikel, sondern sind es nur einzelne Absätze oder Buchstaben davon, werden nur diese aufgeführt. Die materiellen Verfassungsbestimmungen, die konkretisiert werden sollen oder die für den betroffenen Rechtsbereich gelten, werden nicht zu den Rechtsgrundlagen gezählt. An diese Praxis ist auch das NHG anzupassen, wobei einzig Artikel 78 Absatz 4 BV als formell kompetenzbegründende Bestimmung aufzuführen ist. Vor diesem Hintergrund ist auf einen Verweis auf Artikel 54 Absatz 2 BV, wie dies im Rahmen der Vernehmlassung insbesondere von den Schutzorganisationen gefordert wurde, zu verzichten.

Art. 1

Einleitungssatz und Buchstabe dbis

Da das Anliegen des Nagoya-Protokolls im Zweckartikel des NHG nicht explizit zum Ausdruck kommt, soll Artikel 1 mit einem zusätzlichen Buchstaben dbis ergänzt werden. Danach dient des NHG insbesondere auch dazu, die Ziele der CBD durch die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile zu fördern. Gleichzeitig wird der Verweis im Einleitungssatz von Artikel 1 an die totalrevidierte Bundesverfassung angepasst. Im Rahmen der Vernehmlassung forderten insbesondere die Schutzorganisationen, die drei Ziele der Biodiversitätskonvention, d.h. die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile sowie den Vorteilsausgleich, als eigenständige Ziele in den Zweckartikel aufzunehmen. Allerdings wird der Schutz der einheimischen Biodiversität bereits von Artikel 1 Buchstabe d erfasst. Auf eine Neufassung bzw. -strukturierung der biodiversitätsbezogenen Ziele des NHG soll zumindest im Rahmen dieser Vorlage verzichtet werden, da eine solche die Anpassung einer ganzen Reihe weiterer Artikel des NHG nach sich ziehen würde.

51 52 53

SR 814.01 SR 814.91 SR 101

3034

Art. 23n

Sorgfaltspflicht

In Umsetzung des Nagoya-Protokolls (Art. 5, 15 und 16) wird mit Artikel 23n im NHG eine Sorgfaltspflicht eingeführt. Diese sieht vor, dass diejenigen, die gemäss Nagoya-Protokoll genetische Ressourcen nutzen oder unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung erzielen (kurz Nutzende), die nach den Umständen gebotene Sorgfalt anwenden, um zu gewährleisten, dass der Zugang zu diesen Ressourcen rechtmässig erfolgt ist und dass Vorteile aus deren Nutzung ausgewogen und gerecht geteilt werden (Abs. 1). Die Nutzung genetischer Ressource ist im Absatz 2 definiert.

Rechtmässig erfolgt ist der Zugang dann, wenn er im Einklang mit den innerstaatlichen ABS-Vorschriften derjenigen Vertragspartei des Protokolls von Nagoya erfolgt ist, welche die Ressource bzw. das Wissen zur Verfügung gestellt hat (Abs. 3). Falls festgestellt wird, dass die Sorgfaltspflicht nicht erfüllt ist, so hat der Nutzende diese nachträglich zu erfüllen oder die Nutzung einzustellen (Abs. 4). Der Bundesrat wird auf Verordnungsebene weiter regeln, welche Informationen zur Einhaltung der Sorgfaltspflicht aufgezeichnet und allenfalls an nachfolgende Nutzende weitergegeben werden soll (Abs. 5).

Absatz 1 und 2 beschreiben den Anwendungsbereich der Sorgfaltspflicht und bestimmen, für wen diese gilt und worauf sie sich bezieht. Die Sorgfaltspflicht gilt sowohl für diejenigen, die gemäss Nagoya-Protokoll eine genetische Ressource nutzen, als auch für diejenigen, die unmittelbar Vorteile aus der Nutzung einer genetischen Ressource erzielen. Aus Absatz 2, der die Definition «Nutzung der genetischen Ressourcen» in Artikel 2 des Nagoya-Protokolls wiedergibt, geht hervor, dass diejenigen, die eine genetische Ressource nutzen, diejenigen sind, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der biochemischen und/oder genetischen Zusammensetzung einer genetischen Ressource betreiben (siehe auch Ziff. 2.1). Dazu zählen in erster Linie Forschende an Universitäten, in der Industrie oder in anderen Institutionen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die genetische Ressource für kommerzielle oder nicht-kommerzielle Zwecke genutzt wird. Da diejenigen, die Vorteile aus der Nutzung einer genetischen Ressource erzielen, jedoch nicht zwingendermassen dieselben sind wie jene, die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen Ressource durchführen, soll die
Sorgfaltspflicht zur Umsetzung von Artikel 5 des Nagoya-Protokolls auch für Erstere zur Anwendung kommen. Dazu zählen auch diejenigen, die Vorteile aus biochemischen Substanzen erzielen, sofern diese aus einer Nutzung einer genetischen Ressource entstanden sind (z.B. wer einen biochemischen Wirkstoff, der auf der Nutzung einer genetischen Ressource basiert, in einem Medikament oder in einem Kosmetikprodukt vermarktet). Um sicherzustellen, dass der Anwendungsbereich der Sorgfaltspflicht (und der Meldepflicht, vgl. zu Art. 23o NHG unten) verhältnismässig bleibt, findet die Sorgfaltspflicht nur auf diejenigen Anwendung, die unmittelbar Vorteile aus der Nutzung einer genetischen Ressource erzielen.

Die Sorgfaltspflicht kommt folglich nicht zur Anwendung, wenn die genetischen Ressourcen weder im Sinne von Absatz 2 genutzt werden noch unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung entstehen. Damit wird sichergestellt, dass die Verwendung einer gentischen Ressource als Handels- oder Konsumgut nicht unter die Sorgfaltspflicht fällt, sofern diese nicht im Sinne des Nagoya-Protokolls genutzt wird (siehe auch Ziff. 2.1). Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass derjenige, der eine Frucht aus den Tropen in die Schweiz importiert und diese hier als Lebensmittel verkauft, nicht der Sorgfaltspflicht unterstellt ist, derjenige, der an den Wirkstoffen aus dieser Frucht forscht oder diese Frucht weiterentwickelt jedoch schon. Ferner untersteht 3035

eine Apothekerin, die ein Medikament basierend auf einer genutzten genetischen Ressource einer Firma X verkauft, nicht der Sorgfaltspflicht, die Firma X, die das Medikament erstmals in Verkehr bringt, hingegen schon. Weiter unterliegt ein Gärtner, der eine genetische Ressource in Form einer Zierpflanze anbaut, ohne unmittelbare Vorteile daraus zu erzielen, nicht der Sorgfaltspflicht, ein Züchter, der dieselbe genetische Ressource weiterentwickelt, jedoch schon. Ebenso unterliegt eine Forscherin, die eine genetische Ressource in einem biotechnologischen Verfahren als Konsumgut verwendet (z.B. Plasmide, Vektoren) nicht der Sorgfaltspflicht, ein Forscher, der die genetische Ressource im Sinne von Absatz 2 nutzt, jedoch schon.

Gemäss Artikel 25d NHG kommt die Sorgfaltspflicht ferner nicht zur Anwendung, wenn der Zugang zu einer genetischen Ressource vor dem Inkrafttreten des NagoyaProtokolls für die Schweiz erfolgt ist (siehe Ziff. 3.2.9). Schliesslich gilt die Sorgfaltspflicht auch nicht für genetische Ressourcen, die aus einem Land stammen, welches nicht Vertragspartei des Nagoya-Protokolls ist (Drittland, siehe auch unten Abs. 3) oder für eine genetische Ressource, die unter einer anderen internationalen Regelung für einen bestimmten Zweck erfasst ist, die gemäss Artikel 4 des NagoyaProtokolls Vorrang gegenüber dem Protokoll hat. Dazu zählen insbesondere die unter dem multilateralen System des IV-PGREL geregelten Ressourcen. Zusammenfassend bleibt die Rechtslage in Bezug auf genetische Ressourcen, zu denen der Zugang vor Inkrafttreten der neuen NHG-Bestimmungen erfolgt ist, die aus einem Drittland stammen oder die unter eine andere internationale Regelung fallen, unverändert.

Die Buchstaben a und b von Absatz 1 bestimmen, worauf sich die Sorgfaltspflicht bezieht: Gemäss Buchstabe a soll der Zugang zu den genetischen Ressourcen rechtmässig erfolgt sein (siehe dazu Abs. 3 unten). Gemäss Buchstabe b sollen Vorteile ausgewogen und gerecht geteilt werden. Das Nagoya-Protokoll beschreibt nicht weiter, was ausgewogen und gerecht ist (siehe auch Ziff. 2.3). Mit Bezug auf Buchstabe b gilt es folglich insbesondere darauf zu achten, dass im Einklang mit den innerstaatlichen ABS-Vorschriften der Bereitstellerländer die Vorteile so geteilt werden, wie diese in den MAT bzw. in den ABS-Verträgen vereinbart
worden sind.

Im Rahmen der Vernehmlassung waren mehrere Stellungnehmende der Ansicht, dass gewisse genetische Ressourcen nicht unter den Geltungsbereich des NagoyaProtokolls fallen und dass der Geltungsbereich der Sorgfaltspflicht deshalb weiter auf Gesetzesstufe zu präzisieren bzw. einzuschränken sei (z.B. Schädlinge, Nützlinge, pathogene Organismen). Laut Artikel 3 des Nagoya-Protokolls findet das Nagoya-Protokoll Anwendung auf genetische Ressourcen unter dem Geltungsbereich von Artikel 15 der CBD. Aufgrund der Definitionen laut Artikel 2 des NagoyaProtokoll (siehe Ziff. 2.1) können weder Schädlinge noch Nützlinge oder pathogene Organismen, die gemäss Nagoya-Protokoll genutzt werden, vom Geltungsbereich des Nagoya-Protokolls ausgeschlossen werden. Hingegen fallen aufgrund dieser Artikel insbesondere folgende genetische Ressourcen nicht unter den Geltungsbereich des Protokolls: Genetische Ressourcen, die als Konsumgut gehandelt werden; genetische Ressourcen, die ausserhalb staatlicher Hoheitsgebiete (z.B. auf Hochsee, im tiefen Meeresboden oder im Geltungsbereich des Antarktis-Vertrags) erworben worden sind; sowie genetische Ressourcen des Menschen54. Von einer weiteren Präzisierung des Geltungsbereiches der Sorgfaltspflicht oder einem Ausschluss 54

IUCN Environmental Policy and Law Paper No. 83, pp. 74.

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gewisser genetischer Ressourcen von der Sorgfaltspflicht ist aufgrund des Verweises auf das Nagoya-Protokoll im Absatz 1 abzusehen.

Ferner hielten mehrere Stellungnehmende fest, dass nicht genügend klar sei, was unter einer ausgewogenen und gerechten Aufteilung der Vorteile verstanden werden müsse. Laut den einen geht es lediglich darum sicherzustellen, dass MAT vereinbart worden sind, andere fordern eine Wiederholung des Prinzips des Vorteilsausgleichs gemäss Artikel 5 Absatz 1 des Nagoya-Protokolls oder sogar eine materielle Überprüfung des Vorteilsausgleichs. Letzteres würde jedoch weiter gehen als die Anforderungen gemäss den Artikeln 15 und 16 des Nagoya-Protokolls, welche lediglich festhalten, dass jede Vertragspartei Massnahmen ergreifen soll, die gewährleisten, dass MAT vereinbart worden sind. Ferner würde eine materielle Überprüfung des Vorteilsausgleichs den administrativen Aufwand für die Verwaltung ebenso wie für die Nutzenden massiv erhöhen. Im Rahmen der Vernehmlassung wurde von mehreren Stellungnehmenden jedoch explizit gefordert, dass der administrative Aufwand zu Umsetzung des Nagoya-Protokolls so klein wie möglich gehalten werden solle.

Im Rahmen der Umsetzung des Artikels 23o Absatz 1 Buchstabe b wird es deshalb ausreichen, wenn mindestens die ABS-Verträge bzw. die Dokumente, in denen die MAT festgehalten werden, aufbewahrt werden. Eine materielle Überprüfung des Vorteilsausgleichs wird sich gegebenenfalls durch die Umsetzung des NagoyaProtokolls in den Bereitstellerländern ergeben.

Absatz 3 definiert, was unter einem rechtmässigen Zugang verstanden wird. Rechtmässig ist der Zugang zu genetischen Ressourcen dann, wenn er gemäss dem Nagoya-Protokoll im Einklang mit den innerstaatlichen ABS-Vorschriften derjenigen Vertragspartei des Protokolls steht, welche die Ressource zur Verfügung gestellt hat. Gemäss Artikel 5 und 6 des Nagoya-Protokolls ist die Vertragspartei, welche genetische Ressourcen zur Verfügung stellt, dasjenige Land, welches Ursprungsland der genetischen Ressource ist, oder welches die Ressource im Einklang mit der CBD erworben hat (Bereitstellerland). Laut den Begriffsbestimmungen in der CBD, die auch für das Nagoya-Protokoll gelten, ist das Ursprungsland der genetischen Ressource dasjenige Land, das diese genetische Ressource unter In-situ-Bedingungen besitzt. Im
Rahmen der Umsetzung der Sorgfaltspflicht geht es folglich darum zu gewährleisten, dass die jeweiligen ABS-Vorschriften der Bereitstellerländer eingehalten werden bzw. worden sind. Ob dabei für den Zugang zu einer gentischen Ressourcen PIC und MAT erforderlich sind oder nicht, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung der innerstaatlichen ABS-Vorschriften des Bereitstellerlandes ab.

Aufgrund der souveränen Rechte der Vertragsparteien und in Übereinstimmung mit Artikel 6 des Nagoya-Protokolls kann ein Land entscheiden, freien Zugang zu seinen genetischen Ressourcen zu gewähren (siehe auch Ziff. 2.2).

Absatz 4 hält fest, dass in den Fällen, in denen die Anforderungen nach Absatz 1 nicht erfüllt sind, der Nutzende für deren nachträgliche Erfüllung zu sorgen hat.

Unterlässt er dies, so hat er darauf zu verzichten, die betroffenen genetischen Ressourcen weiter zu nutzen oder unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung zu erzielen.

Im Einklang mit Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c des Vorschlags für eine EU-Verordnung55 und zur Erhöhung der Rechtssicherheit hat der Nutzende die Sorgfalts55

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Europäischen Union: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0576:FIN:DE:PDF

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pflicht nachträglich zu erfüllen, falls festgestellt wird, dass diese nicht erfüllt ist.

Unterlässt er dies, so hat er die Nutzung der betroffenen genetischen Ressource bzw.

das Erzielen der Vorteile aus deren Nutzung einzustellen. Folglich werden die Vollzugsbehörden fehlbare Personen anweisen können, nachträglich die erforderliche Zustimmung für die Nutzung genetischer Ressourcen bzw. von sich darauf beziehendem traditionellem Wissen einzuholen und eine Vereinbarung betreffend den Vorteilsausgleich abzuschliessen. Falls diesen Pflichten nicht nachgekommen wird, kann die Vollzugsbehörde zum Beispiel die Verwendung der Produkte, deren Entwicklung auf genutzten genetischen Ressourcen basiert, verbieten und in Verbindung mit Artikel 292 Strafgesetzbuch (StGB)56 einen Strafantrag auf Büssung der betroffenen Person stellen. Damit kann sowohl der Sorgfaltspflicht bei der nichtkommerziellen als auch bei der kommerziellen Nutzung genetischer Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens Beachtung verschafft werden (siehe auch Ziff. 3.2.7 unten).

Laut Absatz 5 regelt der Bundesrat, welche Informationen im Rahmen der Umsetzung der Sorgfaltsplicht aufzuzeichnen und weiterzugeben sind. Grundsätzlich ist es die Aufgabe derjenigen, die gemäss Nagoya-Protokoll genetische Ressourcen nutzen oder unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung erzielen, Informationen aufzuzeichnen und aufzubewahren, die belegen, dass die Sorgfaltspflicht eingehalten wird. Zur Erleichterung dieser Aufgabe sowie zur Erhöhung der Rechtssicherheit für Schweizer Nutzende soll in relevanten Verordnungen auf die Sorgfaltspflicht gemäss Abschnitt 3c des NHG hingewiesen werden. Ferner sieht der Bundesrat vor, weiter zu präzisieren, welche minimalen Informationen über genutzte genetische Ressourcen aufgezeichnet werden müssen. Diese Informationen werden unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob und wie eine Vertragspartei den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen national geregelt hat oder nicht. In allen Fällen soll mindestens der Name der Nutzenden, die genutzte genetische Ressource, der Zeitpunkt des Zuganges zu dieser Ressource sowie deren Quelle aufgezeichnet werden (vgl. auch Art. 23o Abs. 2). Der Begriff der «Quelle» ist dabei ähnlich zu verstehen, wie dieser in der Botschaft zur Revision des Patentgesetzes ausführlich
erläutert worden ist57.

In Übereinstimmung mit dem Nagoya-Protokoll ist als Quelle primär das Bereitstellerland der genetischen Ressource aufzuzeichnen. In gewissen Fällen ist es jedoch denkbar, dass das Bereitsellerland nicht bekannt ist oder ­ wenn überhaupt ­ nur mit unverhältnismässig grossem Aufwand in Erfahrung gebracht werden kann. Dies könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn eine genetische Ressource von einem Drittland erworben wird, bereits seit mehreren Jahren in Ex-situ-Sammlungen vorhanden und schlecht dokumentiert ist oder durch Züchtung weiterentwickelt worden ist (z.B. eine pflanzengenetische Ressource in der Landwirtschaft oder im Gartenbau). In solchen Fällen soll anstelle des Bereitstellerlandes die Quelle aufgezeichnet werden, aus welcher die genetische Ressource unmittelbar erworben worden ist (z.B.

56 57

SR 311.0 BBl 2006 1, Seite 81: «Der Begriff (source) ist so weit wie möglich zu verstehen und umfasst den geografischen Herkunftsort gemäss Erwägungsgrund 27 der EG-Biotechnologie-Richtlinie, das (country of origin) und das im Sinn von Artikel 2 CBD sowie andere Quellen wie z.B. Genbanken, botanische Gärten, Datenbanken und wissenschaftliche Publikationen. Als Quelle der genetischen Ressource kann schliesslich auch das durch den Internationalen Vertrag der FAO geschaffene multilaterale System angegeben werden. ... Folglich ist als Quelle im Sinne von Artikel 49a E-PatG primär zu nennen das Land, welches die genetischen Ressourcen zur Verfügung stellt, bzw. die eingeborene oder lokale Gemeinschaft, von welcher das traditionelle Wissen stammt.»

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Name und Ort der Ex-situ-Sammlung). Findet der Zugang zu einer genetischen Ressource im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei des Nagoya-Protokolls statt, welche den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen geregelt hat, soll zusätzlich das gemäss Nagoya-Protokoll ausgestellte international anerkannte Konformitätszertifikat aufbewahrt werden. Falls kein solches Zertifikat ausgestellt worden ist, soll mindestens die Genehmigung oder ein gleichwertiges Dokument als Nachweis dafür dienen, dass ein PIC vorliegt und MAT vereinbart worden sind.

Ferner sollen die Nutzenden in allen Fällen abklären, ob derjenige, der die genetische Ressource anbietet, laut dem Nagoya-Protokoll dazu berechtigt ist. Dies ist insbesondere auch dann wichtig, wenn der Zugang zu einer genetischen Ressource im Hoheitsgebiet eines Drittlandes stattfand oder wenn bereits genutzte genetische Ressourcen aus Ex-situ-Sammlungen übernommen werden, damit verhindert werden kann, dass Drittländer oder Ex-situ-Sammlungen zur Drehscheibe von gemäss dem Nagoya-Protokoll unrechtmässig erworbenen genetischen Ressourcen werden. Dazu soll vom Anbieter eine Erklärung eingeholt werden können, die bestätigt, dass die angebotene genetische Ressource konform mit dem Nagoya-Protokoll bzw. mit den innerstaatlichen Vorschriften über ABS erworben und weitergegeben worden ist.

Die Verantwortung für rechtmässiges Handeln liegt somit auch beim Anbieter der genetischen Ressource, was im Rahmen der Vernehmlassung von einzelnen betroffenen Kreisen zur Gewährleistung der Verhältnismässigkeit ausdrücklich gefordert wurde.

Schliesslich sollen auch Informationen aufgezeichnet werden, die belegen, dass Vorteile ausgewogen und gerecht geteilt werden. Dabei sollen mindestens die ABSVerträge bzw. die Dokumente, in welchen die MAT festgehalten worden sind, aufbewahrt werden (vgl. oben).

Art. 23o

Meldepflicht

Zur Unterstützung der Einhaltung der innerstaatlichen ABS-Vorschriften muss jede Vertragspartei Massnahmen treffen, um die Nutzung der genetischen Ressourcen zu überwachen (Art. 17 Nagoya-Protokoll). Im Vordergrund steht dabei die Benennung eines oder mehrerer so genannter «Checkpoints» (Kontrollstellen), von welchen Informationen im Zusammenhang mit der Einhaltung der innerstaatlichen ABS-Vorschriften gesammelt oder erhalten werden (siehe auch Ziff. 2.4). Artikel 23o NHG dient der Umsetzung dieser Bestimmungen. Dazu wird vom BAFU eine zentrale Meldestelle aufgebaut, welcher die Einhaltung der Sorgfaltspflicht vor der Marktzulassung für eine genutzte genetische Ressource oder, falls eine solche nicht erforderlich ist, vor der Vermarktung derselben gemeldet werden muss. Diese Meldung kann behördlich weitergeleitet werden; nicht vertrauliche Angaben, wie die genutzte genetische Ressource und deren Quelle, können veröffentlicht werden. Ferner soll die Einhaltung der Meldepflicht an weiteren Stellen überprüft werden können.

Absatz 1 definiert, was, wo und wann gemeldet werden soll. Er hält, fest dass die Einhaltung der Sorgfaltspflicht vor der Marktzulassung oder, falls eine solche nicht erforderlich ist, vor der Vermarktung von Produkten, deren Entwicklung auf genutzten genetischen Ressourcen basiert, dem BAFU gemeldet werden muss. Zur Erleichterung der Meldungen ist eine einfache elektronische Datenbank beim BAFU vorgesehen, in welcher die Nutzenden die Informationen selbst eintragen können. Es ist vorgesehen, dass unmittelbar nach der Meldung eine Registernummer als Beleg für die Meldung ausgelöst wird. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die 3039

Zulassungsverfahren für Produkte, deren Entwicklung auf genutzte genetische Ressourcen basiert, durch die Meldepflicht nicht verzögert werden. Sofern die Bestätigung der Meldung mit einer Verfügung oder Dienstleistung der Bundesverwaltung verbunden ist, kann der Bundesrat in Übereinstimmung mit Artikel 46a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG)58 regeln, dass eine angemessene Gebühr auf die Meldung erhoben wird.

Die Meldung besteht grundsätzlich aus den Informationen, welche laut Artikel 23n aufgezeichnet werden, und betrifft diejenigen, die genetische Ressourcen nutzen oder unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung erzielen (siehe Ziff. 3.2.3). Zur Unterstützung von Forschung und Innovation und in Übereinstimmung mit dem NagoyaProtokoll (Art. 8) und der CBD (Art. 12) wird die Meldepflicht erst vor der Marktzulassung bzw. vor der Vermarktung einer genutzten genetischen Ressource zur Anwendung kommen. Zur Vermarktung zählen insbesondere das Verkaufen von genutzten genetischen Ressourcen sowie alle anderen Rechtsgeschäfte, die monetäre Vorteile aus genutzten genetischen Ressourcen bringen, zum Beispiel Lizenzen, Pfandverträge oder ähnliche Rechtsgeschäfte. Da der Zeitpunkt der Meldung vor der Vermarktung erfolgen soll, wird die Meldepflicht insbesondere auch bereits durch das Beantragen einer Marktzulassungsbewilligung ausgelöst (vgl. auch Ausführungen zu Abs. 4 unten). Zur Erhöhung der Rechtssicherheit für die Nutzenden soll es zudem möglich sein, auf freiwilliger Basis die Einhaltung der Sorgfaltspflicht auch dann zu melden, wenn keine Vermarktung vorgesehen ist, z.B. bei nichtkommerziellen Forschungsprojekten. Bei Patentanmeldungen kommt die Meldepflicht hingegen nicht zur Anwendung. Einerseits besteht im Patentgesetz bereits eine Quellenoffenlegungspflicht (vgl. Ziff. 1.4), welche durch eine zusätzliche Meldepflicht beim BAFU unnötig dupliziert würde, andererseits erfolgen Patentanmeldungen in der Regel zeitlich weit vor der Vermarktung; ein Grossteil der erteilten Patente bzw. der damit geschützten Erfindungen werden gar nie einer Vermarktung zugetragen. Zudem gewähren Patente ­ im Gegensatz zu Marktzulassungsbewilligungen ­ ihrem Inhaber lediglich ein Verbotsrecht, sodass diese Dritte von der Benutzung der geschützten Erfindung ausschliessen können; im Gegensatz zu
Marktzulassungsbewilligung gewähren Patente dem Inhaber hingegen keinerlei Gebrauchsrecht. Wie bereits oben erwähnt, gilt es jedoch zu beachten, dass Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit Patenten (z.B. die Erteilung von Lizenzen), die zu monetären Vorteilen führen, die Meldepflicht beim BAFU auslösen.

Absatz 2 hält fest, dass Informationen im Zusammenhang mit der Einhaltung der Sorgfaltspflicht weitergeleitet werden können und dass gewisse gemeldete Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden. Laut Artikel 15 Absatz 3 des Nagoya-Protokolls sind die Vertragsparteien verpflichtet, in Fällen, in denen ein mutmasslicher Verstoss gegen anwendbare ABS-Vorschriften stattgefunden hat, zusammenzuarbeiten. Deshalb soll mit diesem Absatz die Möglichkeit geschaffen werden, dass in solchen Fällen Informationen im Zusammenhang mit der Einhaltung der Sorgfaltspflicht an die internationale Informationsstelle (das ABS-ClearingHouse) sowie an zuständige nationale Behörden von Vertragsparteien des NagoyaProtokolls weitergeleitet werden können. Zusätzlich sollen gewisse Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden. Im Rahmen der Vernehmlassung forderten die Schutzorganisationen wie auch die Grüne Partei Schweiz (GPS), dass die in Artikel 17 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls aufgeführten Angaben der Meldung 58

SR 172.010

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veröffentlicht werden sollen. Eine Parallelität zu dieser Bestimmung wäre jedoch zweckfremd, da sich diese Angaben auf den minimalen Inhalt des internationalen Konformitätszertifikates beziehen. Die darin enthaltenen Informationen sind von den Bereitstellerländern an das ABS-Clearing-House zu leiten, sofern diese Länder den Zugang zu ihren genetischen Ressourcen von einem PIC abhängig gemacht haben.

Sie sollten ferner bereits über das ABS-Clearing-House öffentlich zugänglich sein, falls es sich nicht um vertrauliche Informationen handelt, was explizit in Artikel 17 Absatz 4 des Nagoya-Protokolls festgehalten wird. Dennoch wurde der Absatz 2 aufgrund der Vernehmlassungsresultate präzisiert. So werden in jedem Fall, der Name der meldenden Person (im Normalfall der juristischen Person), das zu vermarktende Produkt, die genutzte genetische Ressource, der Zeitpunkt des Zugangs zu derselben sowie deren Quelle öffentlich zugänglich gemacht. Weitere nicht vertrauliche Informationen können allenfalls gemäss dem Öffentlichkeitsgesetz59 eingesehen werden.

Absatz 3 bestimmt, dass der Bundesrat weitere Stellen bezeichnet, an welchen die die Einhaltung der Meldepflicht überprüft wird. Zudem kann er Ausnahmen von der Meldepflicht vorsehen. Damit die Meldung der Einhaltung der Sorgfaltspflicht ans BAFU tatsächlich erfolgt, soll in den bestehenden Zulassungs- und Bewilligungsverfahren u.a. von Produkten, deren Entwicklung auf genutzten genetischen Ressourcen basiert, die Einhaltung der Meldepflicht überprüft werden. Laut einer vom BAFU in Auftrag gegebenen Studie über mögliche Nutzermassnahmen im schweizerischen Recht bieten sich in der Schweiz dafür mehrere Verfahren an60. Es handelt sich dabei insbesondere um Verfahren betreffend die Zulassung von Medikamenten61, Pflanzenschutzmitteln62, Düngern63, Futtermittelzusatzstoffen64, gewissem pflanzlichem Vermehrungsmaterial65, Lebensmitteln66, Biozidprodukten67 und ganz allgemein den Umgang mit Organismen in der Umwelt68. Die Stellen zur Überprüfung der Einhaltung der Meldepflicht betreffen folglich insbesondere das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic) sowie das BAFU. Die Aufgabe dieser Stellen beschränkt sich auf die Überprüfung, ob die Einhaltung der Sorgfaltspflicht beim BAFU
gemeldet worden ist oder nicht, und beinhaltet nicht die Überprüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflicht als solche. Dazu soll in den entsprechenden Verordnungen auf die Sorgfaltspflicht und auf die Meldepflicht laut NHG (Art. 23n­p) 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68

SR 152.3 Vgl. Kraus Daniel/Rüssli Markus, Access and Benefit Sharing User Measures in the Swiss Legal Order, BAFU, 2009.

Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittel (Arzneimittelverordnung, VAM; SR 812.212.21) Verordnung vom 12. Mai 2010 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (Pflanzenschutzmittelverordnung, PSMV; SR 916.161) Verordnung vom 10. Januar 2001 über das Inverkehrbringen von Düngern (DüngerVerordnung, DüV; SR 916.171) Verordnung vom 26 Oktober 2011 über die Produktion und das Inverkehrbringen von Futtermitteln (Futtermittel-Verordnung; SR 916.307) Verordnung vom 7. Dezember 1998 über die Produktion und das Inverkehrbringen von pflanzlichem Vermehrungsmaterial (Vermehrungsmaterial-Verordnung; SR 916.151) Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung vom 23. November 2005 (LGV; SR 817.02) Verordnung vom 18. Mai 2005 über das Inverkehrbringen von und den Umgang mit Biozidprodukten (Biozidprodukteverordnung, VBP; SR 813.12) Verordnung vom 10. September 2008 über den Umgang mit Organismen in der Umwelt (Freisetzungsverordnung, FrSV; SR 814.911)

3041

hingewiesen und in den entsprechenden Gesuchformularen angegeben werden, ob eine genetische Ressource genutzt und eine Meldung gemacht worden ist oder nicht.

Falls eine Meldung erforderlich war, kann die Gesuchstellerin die Registernummer angeben, die als Bestätigung der Meldung über die Einhaltung der Sorgfaltspflicht von der zentralen Meldestelle erteilt worden ist. Falls die zuständige Bewilligungsbehörde feststellt, dass keine Meldung an die zentrale Meldestelle erfolgt ist, obwohl eine Meldung hätte erfolgen sollen, wird die Gesuchstellerin aufgefordert, bis zum Abschluss des Zulassungsverfahrens der Bewilligungsbehörde eine Meldung und die Registernummer vorzulegen. Dadurch erfährt das Bewilligungsverfahren keine unnötigen Verzögerungen. Ohne die Bestätigung der Meldung bis zum Abschluss des Verfahrens wird hingegen keine Bewilligung erteilt. Ferner leiten die Stellen, an welchen die Einhaltung der Meldepflicht überprüft wird, die von der Gesuchstellerin gemachten Angaben der zentralen Meldestelle beim BAFU mit. Abgesehen von diesem Informationsaustausch führt die Überprüfung der Meldepflicht praktisch zu keinem Mehraufwand in den bestehenden Verfahren. Die zentrale Meldestelle beim BAFU kann insbesondere bei mutmasslichen Verstössen gegen die Meldepflicht die Einhaltung dieser Pflicht überprüfen und die NHG-Bestimmungen vollziehen, dies auch in den Fällen, für welche keine Marktzulassungsverfahren bestehen (siehe auch Ziff. 3.2.8). Ausnahmen von der Meldepflicht kann der Bundesrat dann vorsehen, wenn die Überprüfung oder die Einhaltung der Sorgfaltspflicht auf andere Weise sichergestellt ist. Dies könnte bei einer allfälligen Einführung eines Zugangsregimes für genetische Ressourcen im Inland (vgl. Art. 23q NHG) oder im Zusammenhang mit ausländischen Verfahren, beispielsweise in der Europäischen Union, der Fall sein. Ferner könnte die Schweiz anhand dieser Bestimmung analog zum Vorschlag der EU69 ein System sogenannter zuverlässiger Sammlungen von genetischen Ressourcen aufbauen, welche die Einhaltung der Sorgfaltspflicht sicherstellen könnten.

Art. 23p

Traditionelles Wissen

Wie bereits unter Ziffer 2.7 erläutert, ist das Protokoll auch auf das sich auf genetische Ressourcen beziehende traditionelle Wissen anwendbar (vgl. insbesondere Art. 3, 5, 7, 12 und 16 des Nagoya-Protokolls). Die mit Artikel 23n und 23o NHG eingeführten Massnahmen gelten deshalb grundsätzlich auch für das sich auf genetische Ressourcen beziehende traditionelle Wissen von indigenen oder ortsansässigen Gemeinschaften. In diesem Zusammenhang können auch Gemeinschaftsvereinbarungen der relevanten Mitglieder von indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften in Bezug auf den Zugang zu sich auf genetische Ressourcen beziehendem traditionellem Wissen und Gemeinschaftsvereinbarungen in Bezug auf die Aufteilung der Vorteile zu den innerstaatlichen ABS-Vorschriften zählen. Wie bei der Nutzung von genetischen Ressourcen wird der Bundesrat die minimalen Informationen bezeichnen, welche zur Einhaltung der Sorgfaltsplicht betreffend sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen aufgezeichnet werden müssen und allenfalls weitergegeben werden können. Dabei sollen mindestens die Quelle des sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissens aufgezeichnet bzw.

aufbewahrt werden; aufgezeichnet und aufbewahrt werden sollen auch die Dokumente, in denen die indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften ihre Zustimmung 69

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Europäischen Union: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0576:FIN:DE:PDF

3042

geben, sowie die Dokumente des Vorteilsausgleichs, sofern dies laut den innerstaatlichen Vorschriften über ABS in den Vertragsparteien, in deren Hoheitsgebiet sich diese indigenen und ortsansässigen Gemeinschaften befinden, vorgeschrieben ist (vgl. auch Art. 16 des Nagoya-Protokolls).

Im Rahmen der Vernehmlassung forderten die Mehrheit der Schutzorganisationen und andere Stellungnehmende, dass Artikel 23n und 23o nicht nur für das sich auf genetische Ressourcen beziehende traditionelle Wissen indigener oder ortsansässiger Gemeinschaften gelten sollen, sondern auch für deren genetische Ressourcen. In der Tat verweist das Nagoya-Protokoll in einer Reihe von Artikeln (Art. 5.2, 6.2, 6.3.e) auch auf Massnahmen betreffend genetische Ressourcen indigener oder ortsansässiger Gemeinschaften, dies jedoch nur sofern diese im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht stehen. Eine spezifische Referenz zu genetischen Ressourcen indigener oder ortsansässiger Gemeinschaften in Artikel 23q ist deshalb nicht nötig, da der Verweis auf die innerstaatlichen Vorschriften in Artikel 23n bereits impliziert, dass allenfalls auch die Zustimmung indigener oder ortsansässiger Gemeinschaften erforderlich ist, sofern dies in den innerstaatlichen Vorschriften in den Bereitstellerländer festgehalten wird. Weitere Anträge im Rahmen der Vernehmlassung, wie etwa eine Präzisierungen der Regelungen betreffend das traditionelle Wissen sowie der Ausschluss von traditionellem Wissen, das öffentlich zugänglich ist, können zum jetzigen Zeitpunkt nicht berücksichtigt werden. Wie bereits unter Ziffer 2.7 erläutert, müssen diesbezüglich in den laufenden Verhandlungen, die zurzeit im Rahmen der Weltorganisation für geistiges Eigentum70 oder in anderen Foren stattfinden, vorerst entsprechende Lösungen gefunden werden.

Art. 23q

Genetische Ressourcen im Inland

Gemäss Artikel 15 Absatz 5 der Biodiversitätskonvention und Artikel 6 Absatz 1 des Nagoya-Protokolls bedarf der Zugang zu genetischen Ressourcen eine auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung der betroffenen Vertragspartei, sofern diese nichts anderes bestimmt hat (siehe auch Ziff. 2.2). In Ergänzung zu der in der Botschaft zur Agrarpolitik 2014­201771 vorgesehenen Delegationsnorm zugunsten des Bundesrates betreffend die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der genetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft, soll mit Artikel 23q NHG der Bundesrat ermächtigt werden, den Zugang zu den genetischen Ressourcen im Inland auch für Bereiche ausserhalb des Landwirtschaftsbereiches regeln zu können; er kann den Zugang zu genetischen Ressourcen im Inland von einer Meldung oder von einer Bewilligung sowie zusätzlich von einer Vereinbarung, welche die Nutzung der genetischen Ressourcen und die Aufteilung der sich daraus ergebenden Vorteile abhängig machen. Falls der Bundesrat von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, würde auch die Schweiz an den Vorteilen, die sich aus der Nutzung ihrer Biodiversität ergeben, teilhaben können. Ferner ist das Ziel der CBD sowie des Nagoya-Protokolls nebst der ausgewogenen und gerechten Aufteilung der Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergeben, auch deren Erhaltung und nachhaltige Nutzung. Mit Absatz 2 wird der Bund deshalb die Möglichkeit erhalten, die Erhaltung der genetischen Ressourcen in der Schweiz sowie deren nachhaltige Nutzung auch für Bereiche ausserhalb des Landwirtschaftsberei70 71

WIPO Intergovernmental Committee on Intellectual Property and Genetic Resources, Traditional Knowledge and Folklore (IGC): www.wipo.int/tk/en/igc/ BBl 2012 2075

3043

ches zu unterstützen (z.B. Stammsammlungen von Mikroorganismen aus Schweizer Umweltproben). Letzeres wurde im Rahmen der Vernehmlassung von einigen Stellungnehmenden explizit begrüsst und gefordert.

Ob der Bundesrat von seiner Ermächtigung Gebrauch macht und für welche genetischen Ressourcen er gegebenenfalls ein Zugangsregime einführt, hängt von den Ergebnissen vertiefter Abklärungen ab, welche im Rahmen der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie der Schweiz durchgeführt werden sollen. Insbesondere muss geprüft werden, ob die erzielten Vorteile aus der Nutzung hiesiger genetischer Ressourcen überhaupt genügend hoch sind, um die Einführung eines Zugangsverfahrens zu rechtfertigen und ob analog zum EU-Verordnungsentwurf72 ein System zuverlässiger Sammlungen von genetischen Ressourcen (Union trusted collections) aufgebaut werden soll. Um vorerst einen besseren Überblick über die Nutzungen der genetischen Ressourcen in der Schweiz zu erhalten, würde sich insbesondere auch ein Meldeverfahren eignen. Stellt sich heraus, dass ein Bewilligungsverfahren sich lohnen würde, so muss Artikel 6 des Nagoya-Protokolls beachtet werden. Ferner müsste das Verfahren so ausgestaltet sein, dass Genehmigungen oder gleichwertige Dokumente als Nachweis der Entscheide dem ABS-Clearing-House im Sinne eines international anerkannten Konformitätszertifikats weitergeleitet würden (Art. 17 Abs. 2 Nagoya-Protokoll). Schliesslich müssten Vereinfachungen für den Zugang zu genetischen Ressourcen für nicht-kommerzielle Forschung gelten, ein rascher Zugang zu genetischen Ressourcen in Notfallsituationen sichergestellt sein sowie die Bedeutung der genetischen Ressourcen für die Ernährung und Landwirtschaft berücksichtigt werden (Art. 8 Nagoya-Protokoll, vgl. auch Ziff. 2.2).

Gemäss Artikel 13 Absatz 2 des Nagoya-Protokolls soll zudem eine oder mehrere zuständige nationale Behörden bestimmt werden, die für den Zugang zu genetischen Ressourcen zuständig sind. Diese Funktion soll das UVEK bzw. BAFU übernehmen, da das BAFU auch federführend für die Umsetzung des Nagoya-Protokolls ist.

Art. 24a

Strafbestimmungen

Gemäss dem neuen Absatz 2 von Artikel 24a NHG soll die vorsätzliche Falschangabe oder Missachtung der Meldepflicht mit Busse bis zu 100 000 Franken und bei Fahrlässigkeit mit Busse bis zu 40 000 Franken bestraft werden können. Obwohl im Rahmen der Vernehmlassung mehrere Stellungnehmende diese Strafandrohung für zu gering hielten, soll in Anlehnung an Artikel 81a Absatz 1 PatG73 an dieser Bussenhöhe festgehalten werden. Analog zum Absatz 2 der letztgenannten Bestimmung soll der Richter auch die Veröffentlichung des Urteils anordnen können. Ferner wird der Bund im Rahmen des Vollzugs der Sorgfaltspflicht und der Meldepflicht gestützt auf Artikel 23n Absatz 4 sowie Artikel 24h Absatz 3 NHG Verwaltungshandlungen vornehmen können, damit den Pflichten nachgekommen wird (vgl.

bereits oben Ziff. 3.2.3). So kann er fehlbare Personen anweisen, nachträglich die erforderliche Zustimmung für die Nutzung genetischer Ressourcen bzw. von sich darauf beziehendem traditionellem Wissen einzuholen bzw. eine Vereinbarung betreffend den Vorteilsausgleich abzuschliessen. Falls diesen Pflichten nicht nach72

73

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in der Europäischen Union: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0576:FIN:DE:PDF SR 232.14

3044

gekommen wird, kann der Bund zum Beispiel die Verwendung der Produkte, die auf genutzten genetischen Ressourcen bzw. genutztem sich auf genetische Ressourcen beziehendem traditionellem Wissen basieren, verbieten und in Verbindung mit Artikel 292 Strafgesetzbuch (StGB)74 einen Strafantrag auf Büssung der betroffenen Person stellen. Damit kann insbesondere auch der Sorgfaltspflicht bei der nichtkommerziellen Nutzung genetischer Ressourcen Beachtung verschafft werden (siehe auch Art. 23n Abs. 4). Mit diesen Massnahmen werden Artikel 5 Absätze 2, 3 und 5, Artikel 15 Absatz 2, Artikel 16 Absatz 2 sowie Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer ii, zweiter Satz des Nagoya-Protokolls umgesetzt.

Art. 24f­24h

Vollzug

Der Bereich genetische Ressourcen (Abschnitt 3c NHG) soll aufgrund seines Zusammenhangs mit internationalen Übereinkommen und der verfassungsmässigen Zuständigkeit des Bundes für auswärtige Angelegenheiten in die Vollzugskompetenz des Bundes fallen (Art. 24h Abs. 3 NHG). Der Vollzug soll nicht flächendeckend sein, sondern schwerpunktmässig bei mutmasslichen Verstössen gegen die eingeführten Massnahmen stattfinden. Die Gebühren, welche durch die Vollzugsmassnahmen entstehen, werden demjenigen angerechnet, der diese Massnahmen verursacht. In Fällen, in denen Kantonen im Rahmen bestehender Verfahren bereits Vollzugsaufgaben obliegen, etwa bei der Überwachung der Sorgfaltspflicht im Bereich der geschlossenen Systeme (Labors, Produktionsanlagen, Gewächshäuser, Tieranlagen; vgl. Art. 23 Einschliessungsverordnung75), kann der Bund für die Überprüfung der Sorgfaltspflicht auch die Kantone im Sinne einer Teilaufgabe beiziehen. Für den Vollzug der Meldepflicht hingegen ist der Bund zuständig, d.h.

das BAFU im Rahmen von Artikel 23o NHG. Hilfsweise kommen auch anderen Bundesstellen Vollzugsaufgaben zu, indem sie im Rahmen bestehender (Gesuchs-) Verfahren sicherstellen, dass die gegebenenfalls erforderliche Meldung beim BAFU erfolgt ist (siehe Ausführungen dazu unter Ziff. 3.2.4). Eine systematische Überprüfung der genannten Pflichten (z.B. durch regelmässige Kontrollen in den Betrieben), wie dies im Rahmen der Vernehmlassung teilweise gefordert wurde, ist gemäss Artikel 15 und 16 des Nagoya-Protokolls nicht erforderlich. Zudem würde eine solche Kontrolle den administrativen Aufwand für Bund und Kantone massiv erhöhen. Gleichzeitig halten gewisse Stellungnehmende den administrative Aufwand zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls bereits mit dem vorgesehen Ansatz bereits für zu hoch. Vor diesem Hintergrund ist auf eine regelmässige Kontrolle in den Betrieben zu verzichten. Die nähere Ausgestaltung des Vollzugs bei einer allfälligen Regelung des Zugangs zu genetischen Ressourcen in der Schweiz müsste gemäss der Kompetenzdelegation von Artikel 23q NHG durch den Bundesrat auf Verordnungsstufe erfolgen.

Da das NHG bisher keinen gesonderten Abschnitt mit Vollzugsbestimmungen enthielt und dieses Manko insbesondere in der Lehre kritisiert worden ist, soll Abschnitt 5 NHG neben dem soeben beschriebenen Artikel 24h Absatz
3 NHG mit allgemeinen Vollzugsbestimmungen ergänzt werden. Diese lehnen sich weitgehend an die bestehenden Bestimmungen im Umweltschutzgesetz (USG)76 und im Gewäs74 75 76

SR 311.0 Verordnung vom 9. Mai 2012 über den Umgang mit Organismen in geschlossenen Systemen (ESV; SR 814.912).

SR 814.01

3045

serschutzgesetz (GSchG)77 an und bilden die bewährte Praxis ab. Nach Artikel 24f NHG vollziehen die Kantone das NHG, soweit dieses den Vollzug nicht dem Bund überträgt (vgl. analog Art. 36 USG und Art. 45 GSchG). Artikel 24g NHG überträgt dem Bund die Vollzugsaufsicht und die Vollzugskoordination zwischen den betroffenen Akteuren in Kantonen und Bundesverwaltung (vgl. Art. 38 USG und Art. 46 GSchG). Artikel 24h NHG schliesslich führt neben der Bundeszuständigkeit im Bereich genetische Ressourcen (Abs. 3; vgl. Art. 41 Abs. 1 USG und Art. 48 Abs. 3 GSchG) den allgemeinen Koordinationsstandard ein, wonach die nach einem anderen Bundesgesetz oder Staatsvertrag zuständige Bundesbehörde auch für das NHG zuständig ist, wenn beim Vollzug des anderen Bundesgesetzes oder Staatsvertrags auch Aufgaben aus dem NHG zu vollziehen sind (Abs. 1 und 2; vgl. die ähnlichen Formulierungen in Art. 41 Abs. 2 und 3 USG sowie Art. 48 Abs. 1 und 2 GSchG).

Um die inhaltliche Kohärenz der Umsetzung des NHG in den betroffenen fachlichen Bereichen des NHG sicherzustellen, hört sie die entsprechenden Fachstellen des Bundes im Rahmen der Koordinationsregelung des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG78; Art. 62a) an. Mit der Einführung von Artikel 24h Absatz 1 NHG kann der entsprechende bisherige Artikel 3 Absatz 4 NHG aufgehoben werden, was in Artikel 7 Absatz 1 NHG eine Ergänzung der Abkürzungen mit der ausgeschriebenen Bezeichnung der betroffenen Bundesämter bedingt. Ausdrücklich wird festgehalten, dass die Vollzugsbehörden des Bundes die Natur- und Heimatschutzmassnahmen der Kantone berücksichtigen (Abs. 4; vgl. Art. 41 Abs. 4 USG).

Art. 25d

Übergangsbestimmung

Schliesslich wird mit Artikel 25d NHG eine Übergangsbestimmung eingeführt, damit die vorgeschlagenen Massnahmen (Sorgfaltspflicht und Meldepflicht) betreffend genetischen Ressourcen nicht rückwirkend anwendbar sind. Die Sorgfaltspflicht bezieht sich folglich nur auf denjenigen Zugang zu genetischen Ressourcen, der nach Inkrafttreten der neuen Artikel 23n und 23o NHG erfolgt ist (siehe auch Ziff. 3.2.3). Die Bestimmung stellt folglich sicher, dass die Sorgfaltspflicht, die einen Bezug zur Vergangenheit aufweist («... gewährleisten, dass der Zugang zu den Ressourcen rechtmässig erfolgt ist») nicht über das Datum des Inkrafttretens dieser Bestimmung hinauswirkt. So erfasst die Sorgfaltspflicht nicht die genetischen Ressourcen, die seit langer Zeit bereits in Genbanken in der Schweiz aufbewahrt werden. Insofern unterscheidet sich Artikel 25d NHG von einer herkömmlichen Übergangsbestimmung.

Im Rahmen der Vernehmlassung begrüssten mehrere Stellungnehmende ausdrücklich, dass für die vorgesehenen Massnahmen keine Rückwirkung vorgesehen ist.

Insbesondere die Schutzorganisationen halten jedoch fest, dass der Auslöser für den Vorteilsausgleich der Zeitpunkt der Nutzung der genetischen Ressource sein sollte und nicht der Zeitpunkt des Zuganges. Diese Auslegung beruht unter anderem auf Artikel 5 Absatz 1 des Nagoya-Protokolls, sie lässt jedoch andere relevante Artikel des Protokolls ausser Acht. Dessen Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe e hält zum Beispiel explizit fest, dass MAT zum Zeitpunkt des Zuganges zur genetischen Ressourcen zu vereinbaren sind. Ferner wird der Zusammenhang zwischen dem Zugang zu genetischen Ressourcen und dem Vorteilsausgleich auch in der Präambel anerkannt und ist 77 78

SR 814.20 SR 172.010

3046

durch das Ziel des Protokolls gegeben. Die Nutzung als Auslöser des Vorteilsausgleichs zu definieren, wäre neben einer rechtlich heiklen Rückwirkung zulasten gewisser Nutzenden zudem mit praktischen Schwierigkeiten verbunden, da oft nicht klar wäre, mit wem MAT zu vereinbaren wären. Dies würde den bilateralen Ansatz des Vorteilsausgleichs, wie er im Protokoll vorgesehen ist, in Frage stellen.

Art. 23j

Park- und Produktelabel

Diese Änderung hat keinen Zusammenhang mit dem Nagoya-Protokoll. Absatz 2 dieser Bestimmung aus dem Abschnitt 3b NHG betreffend Pärke von nationaler Bedeutung weist in seiner französischen Fassung aufgrund eines redaktionellen Versehens einen gegenüber der deutschen und italienischen Fassung verkürzten Wortlaut auf und muss in der französischen Fassung komplettiert werden.

3.3

Weitere Aspekte der Umsetzung

3.3.1

Massnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und des Vorteilausgleichs

In der Vernehmlassung regten unterschiedliche Kreise an, dass Massnahmen vorzuschlagen seien, um den Zugang zu genetischen Ressourcen und die Ausarbeitung von ABS-Verträgen zu erleichtern. Dazu hat der Bund bereits nach der Annahme der Bonner Leitlinien über ABS eine nationale Kontaktstelle über ABS am BAFU eingerichtet, die den Nutzenden in der Schweiz unter anderem Informationen über den Zugang zu genetischen Ressourcen im Ausland und über die Ausarbeitung von Vorteilsausgleichsverträgen zur Verfügung stellt (Musterverträge, Verhaltensregeln, etc., vgl. auch Ziff. 3.3.2). Die nationale Kontaktstelle über ABS wird auch nach der Ratifizierung des Nagoya-Protokolls eine zentrale Rolle spielen, um den Zugang zu genetischen Ressourcen und die Ausarbeitung von ABS-Verträgen zu erleichtern.

Sie wird dazu den Nutzenden auch weiterhin vorhandene Informationen über Zugangsregelungen, Verhaltensregeln und Musterverträge abgeben. In der Tat werden die Vertragsparteien gemäss den Artikeln 19 und 20 des Protokolls explizit ermutigt, Musterverträge und Verhaltensregeln auszuarbeiten und zu verwenden.

Für genetische Ressourcen für die Ernährung und die Landwirtschaft wird sich das BLW ferner in Zusammenarbeit mit dem BAFU auf internationaler Ebene für Umsetzungsansätze einsetzen, die im Einklang mit den Zielen der CBD und des Nagoya-Protokolls stehen. Damit soll beigetragen werden, dass eine pragmatische Lösung für die nicht unter den IV-PGREL fallenden genetischen Ressourcen für die Ernährung und die Landwirtschaft gefunden wird, was insbesondere auch vom Schweizerischen Bauernverband erwartet wird.

3.3.2

Nicht-kommerzielle Forschung

Die kommerzielle Nutzung einer genetischen Ressource bzw. von sich darauf beziehendem traditionellem Wissen beginnt in vielen Fällen mit einem nicht-kommerziellen Forschungsprojekt, in dem Forschende genetische Ressource aus dem Ausland beziehen. Die akademische Forschung ist folglich nicht nur eine wichtige Akteurin in der Erforschung und für den Erhalt der Biodiversität, sondern auch in 3047

ABS-relevanten Handlungen. Dabei fallen in der akademischen Forschung insbesondere nicht-monetäre Vorteile an, die geteilt werden können (z.B. Forschungszusammenarbeit, Wissenstransfer, gemeinsame Publikationen, etc.) und bereits heute in vielen Forschungsprojekten geteilt werden.79 Es ist davon auszugehen, dass nur ein kleiner Prozentsatz der stattfindenden Biodiversitäts-Forschung direkt zu kommerziell verwertbaren Ergebnissen führt.

Laut Artikel 8 des Nagoya-Protokolls sollen die Vertragsparteien bei der Ausarbeitung von Gesetzen und sonstigen Vorschriften über das ABS denn auch darauf achten, dass die Biodiversitätsforschung gefördert und insbesondere der Zugang zu genetischen Ressourcen für nicht-kommerzielle Forschungsprojekte erleichtert wird.

Ferner sollen die Vertragsparteien ­ im Einklang mit Artikel 12 der CBD ­ Forschung fördern, die zu Erhaltung und nachhaltiger Nutzung der biologischen Vielfalt beiträgt. Im Sinne dieser Bestimmungen untersteht die nicht-kommerzielle Forschung zwar der Sorgfaltspflicht nach Artikel 23n des NHG, nicht aber der Meldepflicht nach Artikel 23o NHG (siehe Ziff. 3.2.3 und 3.2.4). Allerdings soll zur Erhöhung der Rechtssicherheit auch bei nicht-kommerziellen Forschungsprojekten eine freiwillige Meldung an die zentrale Meldestelle beim BAFU möglich sein. Eine weitergehende Sonderregelung oder sogar einen Ausschluss der akademischen Forschung vom Geltungsbereich der Sorgfaltspflicht, wie dies von einzelnen Stellungnehmenden im Rahmen der Vernehmlassung gefordert worden ist, wäre jedoch nicht im Einklang mit der CBD bzw. mit dem Nagoya-Protokoll. Ferner würde ein solcher Ausschluss die Zusammenarbeit mit der Industrie erschweren, wenn nicht sogar verhindern, da diese auf genetische Ressourcen angewiesen ist, die legal erworben wurden und gut dokumentiert sind. Zur Unterstützung von Forschung und Innovation bemüht sich der Bund ferner, die Umsetzung der ABS-Pflichten in der akademischen Forschung zu erleichtern. In der Tat arbeitet das BAFU bereits seit der Annahme der Bonner Leitlinien über das ABS80 eng mit der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SCNAT) zusammen. Letztere publizierte unter anderem Verhaltensregeln und Musterverträge für die nicht-kommerzielle Forschung und führt ein ABS-Sensibilisierungsprogramm für Forschende durch.81 Kürzlich
verabschiedete auch der internationale Forschungsrat ICSU (International Council for Science) Empfehlungen über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die Aufteilung der Vorteile.82 Zur Erleichterung der Umsetzung der Sorgfaltspflicht im Bereich der nicht-kommerziellen Forschung werden sich die Akademien der Wissenschaften Schweiz weiter für die Sensibilisierung der Forschenden einsetzen und in den entsprechenden Richtlinien auf die neuen ABS-Verpflichtungen hinweisen.

Ferner soll in den Gesuchformularen der staatlichen Forschungsförderung auf die neuen ABS-Bestimmungen im NHG hingewiesen werden, und es soll eine formale Bestätigung der Gesuchstellenden verlangt werden, dass die ABS-Vorschriften eingehalten werden, falls genetische Ressourcen bzw. sich darauf beziehendes tra79

80

81 82

Susette Biber-Klemm, Sylvia I. Martinez, Anne Jacob (2010) Access to Genetic Resources and Sharing of Benefits ­ ABS Program 2003 to 2010, Swiss Academy of Sciences, Bern, Switzerland.

Secretariat of the Convention on Biological Diversity (2002). Bonn Guidelines on Access to Genetic Resources and Fair and Equitable Sharing of the Benefits Arising out of their Utilization. Montreal. www.cbd.int/abs/bonn Website on Access and Benefit Sharing & Non-Commercial Academic Research, Swiss Academy of Sciences, Bern, Switzerland. http://abs.scnat.ch International Council for Science ICSU Advisory Note on Access and Benefit-Sharing

3048

ditionelles Wissen aus einem Nagoya-Protokoll-Land genutzt werden. Zusätzlich sollen die Forschungsorgane in den Erläuterungen zu den Gesuchsunterlagen die eingebenden Stellen auf die neuen gesetzlichen Bestimmungen im NHG sowie auf die ABS-Verpflichtungen hinweisen. Für eine allfällige Überprüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflicht wird auch im Bereich der nicht-kommerziellen Forschung das BAFU zuständig sein. Falls diese Massnahmen nicht genügen, prüft der Bund, inwieweit weitere rechtliche Massnahmen nötig sind, damit sich die Forschenden an die innerstaatlichen ABS-Vorschriften in den Bereitstellerländern halten und Vorteile ausgewogen und gerecht geteilt werden.

3.3.3

Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern

Zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls müssen die Kapazitäten in Entwicklungsländern, vor allem in den am wenigsten entwickelten Staaten und den kleinen Inselstaaten, sowie in Vertragsparteien mit Wirtschaftssystemen, die sich im Übergang befinden, aufgebaut und weiter ausgebaut werden (Art. 22 Nagoya-Protokoll).

Ferner verpflichten sich die Vertragsparteien zur Zusammenarbeit und Kooperation in technischen und wissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsprogrammen einschliesslich biotechnologischer Forschungstätigkeiten, um das Ziel des Protokolls zu erreichen (Art. 23 Nagoya-Protokoll).

Im Bereich des ABS haben bis heute insbesondere das BAFU und das SECO eine Reihe von Initiativen zur Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern unterstützt.

Das SECO finanzierte zum Beispiel das so genannte ABS-Management Tool, welches sowohl für Nutzende und Bereitsteller sowie auch für Regierungen eine Hilfe darstellt, um ABS-Projekte zu realisieren bzw. um die nötigen Kapazitäten zur Implementierung aufzubauen.83 Im Rahmen der Umsetzung des Nagoya-Protokolls werden solche Aktivitäten fortgesetzt. Ferner ist vorgesehen, dass zum Auf- und Ausbau der Kapazitäten die ABS-Thematik in die Programme der Entwicklungszusammenarbeit des SECO und der DEZA gemäss ihren Kompetenzen aufgenommen und aus den für die öffentliche Entwicklungshilfe (Aide publique au développement ­ APD) relevanten Mitteln finanziert werden.

4

Auswirkungen

4.1

Auswirkungen auf den Bund

4.1.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Ratifizierung und Umsetzung des Nagoya-Protokolls bringt für den Bund auf nationaler und internationaler Ebene zusätzliche Aufgaben mit sich, welche durch Gebühren für die Vollzugsarbeiten bei mutmasslichen Verstössen gegen die vorgesehenen Massnahmen teilweise haushaltsneutral kompensiert werden (siehe auch Ziff. 2.5 und 3). Insbesondere muss der Bund eine nationale Kontaktstelle über das ABS betreiben, die bereits nach der Annahme der Bonner Leitlinien über das

83

ABS-Management Tool Best Practice Standard and Handbook for Implementing Genetic Resource Access and Benefit-sharing Activities. www.iisd.org/pdf/2007/abs_mt.pdf

3049

ABS84 2002 im Bundesamt für Umwelt (BAFU) und mit mehreren Aufgaben beauftragt ist: Sie ist erstens für die Kontakte mit dem Sekretariat der CBD zuständig; zweitens muss sie Informationen für die Gesuchsteller bereitstellen, die Zugang zu genetischen Ressourcen und sich darauf beziehendem traditionellem Wissen suchen (z.B. die nationalen Rechtsvorschriften über das ABS), und drittens muss sie dafür sorgen, dass der internationalen Informationsstelle über das ABS (ABS-ClearingHouse) alle vorgeschriebenen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden (z.B. nationale Rechtsvorschriften über das ABS, allenfalls Informationen über die genutzten genetischen Ressourcen). Ferner wird jede Vertragspartei ermutigt, Implementierungshilfen auszuarbeiten, damit ABS-Transaktionen erleichtert werden, und Massnahmen zur Schärfung des Bewusstseins für die Bedeutung genetischer Ressourcen und sich auf genetische Ressourcen beziehenden traditionellen Wissens einzuführen (Artikel 19­21 des Nagoya-Protokolls). Schliesslich muss jede Vertragspartei eine oder mehrere zuständige nationale Behörden bezeichnen, die allenfalls für die Gewährung des Zugangs zu genetischen Ressourcen zuständig sind.

Ferner ist die Kontaktstelle auch für den Vollzug der neuen Gesetzesbestimmungen zuständig und muss diesen koordinieren (siehe Ziff. 3). Dazu zählen das Betreiben und der Unterhalt der nationalen Meldestelle sowie gegebenenfalls das Überprüfen der Einhaltung der Sorgfaltspflicht und der Meldepflicht. Auf internationaler Ebene wird sich der Bund insbesondere im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit sowie im Rahmen der Vertragsparteienkonferenzen zum Nagoya-Protokoll einbringen müssen.

Damit diese neuen Aufgaben der ABS-Kontaktstelle sichergestellt werden können, bedarf das BAFU eines unbefristeten, zusätzlichen Personalaufwands von 200 Stellenprozenten, resp. 360 000 Franken (inkl. Personalnebenkosten). Ferner fallen beim Bund Ausgaben von jährlich 350 000 Franken an, wovon 150 000 Franken für die jährlichen Beiträge ans Sekretariat und für die internationale Zusammenarbeit verwaltungsintern kompensiert werden und 200 000 Franken für den nationalen Vollzug (siehe auch Ziffer 3.2) plafonderhöhend ab Voranschlag 2014 eingestellt werden. Durch eine Gebührenerhebung für die Vollzugsarbeiten im Zusammenhang mit der Sorgfalts- und
Meldepflicht werden die neu beantragten Ressourcen teilweise haushaltsneutral kompensiert.

Die schweizerischen Beiträge an den Finanzierungsmechanismus werden im Rahmen der nächsten Wiederauffüllung der Globalen Umweltfazilität (GEF) verhandelt und mit dem nächsten Rahmenkredit für die globale Umwelt (2014) aus den APDrelevanten Mitteln beantragt.

84

Secretariat of the Convention on Biological Diversity (2002). Bonn Guidelines on Access to Genetic Resources and Fair and Equitable Sharing of the Benefits Arising out of their Utilization. Montreal. www.cbd.int/abs/bonn

3050

4.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren

Für die Kantone bringt die Inkraftsetzung des Protokolls aufgrund des für diesen Bereich vorgesehenen Bundesvollzugs keine erhebliche Erweiterung ihrer Aufgaben, da sie im Vollzug höchstens für bestimmte Teilaufgaben beigezogen werden.

Darunter könnten zum Beispiel Stichproben zur Überprüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflicht zählen, welche im Rahmen bestehender Vollzugsverfahren durchgeführt werden könnten. Auf Gemeinden und urbane Zentren in der Schweiz hat das Protokoll keine Auswirkungen.

4.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Volkswirtschaftliche Beurteilung (VOBU) ergab, dass die Ratifizierung des Protokolls durch die Schweiz mit den vorgesehenen Massnahmen sich längerfristig positiv auf die Schweiz auswirken wird85. Genetische Ressourcen sowie das sich darauf beziehende traditionelle Wissen werden in der Schweiz in unterschiedlichen Sektoren genutzt (z.B. in der Forschung, in der Landwirtschaft sowie in der Pharma-, der Kosmetik-, der Lebensmittel- und der Biotech-industrie, siehe auch Ziff. 2.1). Durch die Umsetzung des Nagoya-Protokolls in der Schweiz wird ein klarer rechtlicher Rahmen für die Nutzung dieser Ressourcen bzw. dieses Wissens geschaffen. Die Einführung der Sorgfaltspflicht sowie der Meldepflicht könnte für gewisse Nutzende zwar zu einem geringen Mehraufwand führen (schätzungsweise 2.5 Stunden pro Meldung gemäss VOBU), dieser sollte sich jedoch dank der erhöhten Rechtssicherheit und dank einem erleichterten Zugang zu diesen Ressourcen bzw. zu diesem Wissen mehr als ausgleichen. Ferner hat die Meldung, dass die Sorgfaltspflicht gemäss Artikel 23o NHG eingehalten worden ist, erst vor der Vermarktung bzw. vor der Marktzulassung von Produkten, deren Entwicklung auf genutzten genetischen Ressourcen basiert, zu erfolgen (siehe Ziff. 3.2.4). Folglich wird Forschung und Innovation an genetischen Ressourcen in der Schweiz speziell berücksichtigt und im Vergleich zu kommerziellen Nutzungen erleichtert und gefördert. Informationen, welche von der nationalen Kontaktstelle über ABS den Nutzenden zur Verfügung gestellt werden, können insbesondere auch für KMUs und Forschende den Zugang zu genetischen Ressourcen in anderen Vertragsparteien erleichtern.

Die Vorteile, die geteilt werden müssen, können sowohl monetärer (z.B. Zahlungen, Lizenzgebühren, Forschungsmittel) als auch nicht-monetärer (z.B. Zusammenarbeit, Wissen, Technologien) Natur sein; sie werden zwischen Nutzenden und Bereitstellern zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen (MAT) vertraglich geregelt, was sowohl für die Nutzenden als auch für die Anbieter genetischer Ressourcen zu einer «Win-Win-Situation» führen kann. Dabei sind insbesondere auch nicht-monetäre Vorteile, die bei der Nutzung genetischer Ressourcen anfallen und geteilt werden, laut bestehenden ABS-Aktivitäten von zentraler Bedeutung86.

85 86

Ratifikation des Nagoya-Protokolls ­ Volkswirtschaftliche Beurteilung. Referenz/ Aktenzeichen: L053-1705 (Dokument erhältlich auf Anfrage beim BAFU) Access and Benefit-Sharing in Practice: Trends in Partnerships Across Sectors.

www.cbd.int/doc/publications/cbd-ts-38-en.pdf

3051

Der Entwurf für eine Änderung des NHG (siehe Ziff. 3.2.6) lässt offen, ob der Bundesrat den Zugang zu den genetischen Ressourcen im Inland über die bestehenden Bestimmungen hinaus regeln wird. Eine solche Regelung würde es der Schweiz einerseits ermöglichen, aus der Nutzung ihrer eigenen Ressourcen Vorteile zu erzielen, die für den Erhalt und für die nachhaltige Nutzung der Biodiversität eingesetzt werden könnten; andererseits würde eine derartige Regelung zu einem zusätzlichen administrativen Aufwand führen. Im Rahmen der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie der Schweiz87 soll weiter abgeklärt werden, ob und für welche genetischen Ressourcen der Bundesrat den Zugang sinnvollerweise weiter regeln soll.

Eine Nicht-Ratifizierung des Protokolls würde sich hingegen negativ auf die Schweiz auswirken. Einerseits könnte der Zugang zu genetischen Ressourcen für die Schweizer Nutzende erschwert oder unter Umständen sogar verweigert werden.

Andererseits könnten aufgrund fehlender klarer Rechtslage Vorwürfe der so genannten «Biopiraterie» gegen Schweizer Unternehmen und Forschungsinstitutionen zunehmen88. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Nagoya-Protokolls hängen jedoch auch von der Umsetzung des Protokolls in anderen Ländern ab. Die Nutzenden in der Schweiz müssten sich selbstverständlich auch bei einer NichtRatifizierung des Protokolls durch die Schweiz an die innerstaatlichen ABSVorschriften der Bereitstellerländer halten. Bei einer Nicht-Ratifizierung könnten sie jedoch nicht von einer erhöhten Rechtssicherheit bei der Nutzung der genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens profitieren.

Schliesslich würde die Schweiz bei einer Nicht-Ratifizierung ohne zusätzliche ABSMassnahmen ihre Verpflichtungen im Bereich des ABS, die sie als Vertragspartei der CBD 1994 eingegangen ist, nicht erfüllen.

4.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die Umwelt

Die Ratifikation des Nagoya-Protokolls durch die Schweiz wird sich positiv auf die Gesellschaft und Umwelt auswirken. Sie schafft die Voraussetzung, dass Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen und des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens ergeben, ausgewogen und gerecht mit denjenigen geteilt werden, die diese Ressourcen bzw. dieses Wissen halten und zur Verfügung stellen.

Darunter zählen insbesondere auch Entwicklungsländer und indigene Gemeinschaften. Somit entsteht ein positiver Anreiz, um die biologische Vielfalt global zu erhalten und ihre Bestandteile nachhaltig zu nutzen, und idealerweise werden dazu auch finanzielle Ressourcen bereitgestellt. Ferner trägt das Nagoya-Protokoll dazu bei, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen langfristig gesichert bleibt und erleichtert wird. Dies ist insbesondere auch zur Anpassung an den Klimawandel und für die Ernährungssicherheit von enormer Bedeutung. In der Tat geht die internationale Staatengemeinschaft davon aus, dass mit zunehmendem Klimawandel der Zugang zu genetischen Ressourcen sowie die gegenseitige Abhängigkeit aller Staaten in Bezug auf diese Ressourcen weiter an Bedeutung gewinnen wird (z.B. für neue Resistenzgene gegen Krankheiten und Schädlinge an Kulturpflanzen oder zur Ent87 88

Strategie Biodiversität Schweiz: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01660/index.html?lang=de Erklärung von Bern. Wir Biopiraten ­ Warum die Erhaltung der biologischen Vielfalt Gerechtigkeit braucht. (2010): www.evb.ch/p16992.html

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wicklung von erneuerbaren Energien). Schliesslich trägt das Nagoya-Protokoll auch zur Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele und zur Armutsbekämpfung bei.

Letzteres könnte zum Beispiel erreicht werden, indem Vorteile für bessere Infrastrukturen in Entwicklungsländern oder für Beiträge an finanziell schwache Kleinbauern zur Erhaltung der genetischen Ressourcen eingesetzt würden. Die Ratifizierung des Nagoya-Protokolls ist folglich nicht zuletzt auch aus entwicklungspolitischer Überlegung von Bedeutung für die Schweiz.

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Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201289 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201290 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Die Vorlage steht jedoch im Einklang mit dem Ziel Nr. 23 der Legislaturplanung 2011­2015, welches u.a. die Konkretisierung der Strategie zur Erhaltung und Förderung der Biodiversität91 als Massnahme vorsieht.

Eines der wichtigen Ziele dieser Strategie ist die Ratifikation des Nagoya-Protokolls.

Die Vorlage steht ferner im Einklang mit der Strategie des Bundes über die nachhaltige Entwicklung92.

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Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 ParlG93; Art. 7a Abs. 1 RVOG94). Eine solche Delegation der Kompetenz zur Genehmigung des vorliegenden Protokolls an den Bundesrat besteht nicht; für die Genehmigung des Protokolls ist daher die Bundesversammlung zuständig. Die Ratifikation des Nagoya-Protokolls steht zudem im Einklang mit Artikel 54 Absatz 2 BV, wonach der Bund in auswärtigen Angelegenheiten zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen beiträgt, und mit dem Nachhaltigkeitsgrundsatz von Artikel 73 BV.

Die Änderung des NHG stützt sich auf Artikel 78 Absatz 4 BV, wonach der Bund die Befugnis hat, Vorschriften zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt und zur Erhaltung ihrer Lebensräume in der natürlichen Vielfalt zu erlassen.

89 90 91 92 93 94

BBl 2012 481 BBl 2012 7155 Strategie Biodiversität Schweiz: www.bafu.admin.ch/publikationen/publikation/01660/index.html?lang=de Strategie Nachhaltige Entwicklung 2012­2015: www.are.admin.ch/themen/nachhaltig/00262/00528/index.html?lang=de SR 171.10 SR 172.010

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6.2

Erlassform

6.2.1

Erlassform des Genehmigungsbeschlusses

Nach Art. 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssten.

Das vorliegende Protokoll verlangt Anpassungen auf Stufe Bundesgesetz (NHG).

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Vertrags ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

6.2.2

Erlassform des Umsetzungserlasses

Nach Artikel 141a Absatz 2 BV können die Gesetzesänderungen, die der Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags dienen, der dem fakultativen Referendum untersteht, in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden. Die im Entwurf vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen dienen der Umsetzung des NagoyaProtokolls und ergeben sich unmittelbar aus den darin enthaltenen Verpflichtungen.

Der Entwurf des Umsetzungserlasses kann deshalb in den Genehmigungsbeschluss aufgenommen werden.

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Glossar95 ABS

Abkürzung für Access and Benefit-Sharing. Als ABS bezeichnet man den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung dieser Ressourcen ergebenden Vorteile.

Bereitstellerland

Vertragspartei des Nagoya-Protokolls, die eine genetische Ressource zur Verfügung stellt, das heisst das Ursprungsland dieser Ressource oder eine Vertragspartei, die die genetischen Ressourcen in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen erworben hat.

Biotechnologie*

Jede technologische Anwendung, die biologische Systeme, lebende Organismen oder Derivate daraus benutzt, um Erzeugnisse oder Verfahren für eine bestimmte Nutzung herzustellen oder zu verändern.

CBD

Abkürzung für Convention on Biological Diversity, die englische Übersetzung für das Übereinkommen über die biologische Vielfalt.

COP

Abkürzung für Conference of the Parties, die englische Übersetzung für die Konferenz der Vertragsparteien der CBD.

Derivat*

Eine natürlich vorkommende biochemische Verbindung, die durch Genexpression oder den Stoffwechselprozess biologischer oder genetischer Ressourcen entstanden ist, auch wenn sie keine funktionalen Erbeinheiten enthält.

Drittland

Land, welches das Nagoya-Protokoll nicht ratifiziert hat.

Genetische Ressourcen*

Genetisches Material von tatsächlichem oder potenziellem Wert.

Genetisches Material*

Jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält.

Genutzte genetische Ressourcen

Genetische Ressourcen, an deren biochemischen oder genetischen Zusammensetzung gemäss der Definition «Nutzung der genetischen Ressourcen» Forschungsund Entwicklungstätigkeiten durchgeführt worden sind, einschliesslich biotechnologische Verfahren.

95

Die mit einem Sternchen (*) markierte Begriffe des Glossars basieren auf Definitionen im Nagoya-Protokoll oder im Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Die anderen Begriffe werden anhand relevanter Artikel des Nagoya-Protokolls beschrieben, stehen für Abkürzungen oder sind im Botschaftstext näher erläutert.

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IV-PGREL

Abkürzung für Internationaler Vertrag für Pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft der FAO

MAT

Abkürzung für Mutually Agreed Terms, die englische Übersetzung für einvernehmlich festgelegten Bedingungen

Nutzende

Diejenigen, die gemäss dem Nagoya-Protokoll eine genetische Ressource bzw. sich darauf beziehendes traditionelles Wissen nutzen oder unmittelbar Vorteile aus deren Nutzung erzielen.

Nutzung der genetischen Ressourcen*

Das Durchführen von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten an der genetischen und/oder biochemischen Zusammensetzung genetischer Ressourcen, einschliesslich durch die Anwendung von Biotechnologie im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt.

PIC

Abkürzung für Prior Informed Consent, die englische Übersetzung für die auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung.

Sich auf genetische Ressourcen beziehendes traditionelles Wissen

Traditionelles Wissen über eine genetische Ressource, zum Beispiel das traditionelle Wissen über die Heilwirkung einer Pflanze.

Traditionelles Wissen

Die Kenntnisse, Innovationen und Gebräuche von eingeborenen und lokalen Gemeinschaften in Entwicklungs- und Industrieländern, welche diese Gemeinschaften über Generationen geschaffen, verbessert und an die sich ändernden Bedürfnisse und Umwelteinflüsse angepasst sowie, häufig in mündlicher Form, an die nachfolgende Generation weitergegeben haben.

Ursprungsland der genetischen Ressource*

Das Land, das diese genetischen Ressourcen unter In-situ-Bedingungen besitzt.

Vorteilsausgleich

Die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen oder aus der Nutzung des sich darauf beziehenden traditionellen Wissens ergebenden Vorteile (auch Benefit-Sharing oder Aufteilung der Vorteile genannt).

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