10.511/10.517 Parlamentarische Initiativen Karenzfrist bei Mandaten und Funktionen für ehemalige Bundesräte/Einschränkung von Mandaten von ehemaligen Bundesräten und Bundesrätinnen Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 3. Mai 2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für ein Bundesgesetz über die Karenzfrist für ehemalige Bundesratsmitglieder und oberste Kader der Bundesverwaltung. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

3. Mai 2013

Im Namen der Kommission Der Präsident: Ueli Leuenberger

2013-1198

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Übersicht Auslöser dieser Vorlage ist die Sorge um die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Institution des Bundesrates, welche durch gewisse Tätigkeiten von ehemaligen Mitgliedern der Landesregierung beeinträchtigt werden können. Die Mitglieder des Bunderates sollen nicht in Verdacht geraten, im Hinblick auf die Übernahme lukrativer Ämter nach Ausscheiden aus dem Amt wirtschaftliche Sonderinteressen zu verfolgen und gewissen Unternehmen ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen.

Es soll deshalb neu im Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz (RVOG) festgehalten werden, dass zurückgetretene Mitglieder des Bundesrates während zwei Jahren nach Ausscheiden aus dem Amt keine bezahlten Auftrags- und Arbeitsverhältnisse mit Kapitalgesellschaften oder vergleichbaren Unternehmen eingehen dürfen. Ebenso dürfen die ehemaligen Bundesratsmitglieder in diesem zwei Jahren keine bezahlten Auftrags- und Arbeitsverhältnisse eingehen mit Organisationen oder Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die von der Finanzierung des Bundes abhängig sind.

Im Weiteren wird auch eine Regelung im Bundespersonalgesetz (BPG) vorgeschlagen betreffend die obersten Kader von Einheiten der Bundesverwaltung, die Aufsichts-, Veranlagungs- oder Vergabeentscheide treffen oder vorbereiten: In den Arbeitsverträgen mit Angehörigen des obersten Kader dieser Verwaltungseinheiten soll eine zweijährige Karenzfrist für Tätigkeiten bei bestimmten Arbeit- oder Auftraggebern vereinbart werden.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Die parlamentarischen Initiativen 10.511 und 10.517

Am 2. Dezember 2010 reichte NR Max Binder (V, ZH) die parlamentarische Initiative «10.511 Karenzfrist bei Mandaten und Funktionen für ehemalige Bundesräte» ein. Die Initiative verlangt die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, welche es zurückgetretenen Mitgliedern des Bundesrates untersagen, während einer Frist von vier Jahren nach ihrem Rücktritt bezahlte Mandate oder Funktionen in Wirtschaftsunternehmen anzunehmen, die nicht in eigenem Besitz stehen. Diese Karenzfrist solle auch für Institutionen gelten wie NGO, die während der Amtszeit finanzielle Beiträge des Bundes, insbesondere aus dem ehemaligen Departement, erhalten haben.

Am 9. Dezember 2010 reichte NR Susanne Leutenegger Oberholzer (S, BL) die parlamentarische Initiative «10.517 Einschränkung von Mandaten von ehemaligen Bundesräten und Bundesrätinnen» ein. Die Initiative verlangt die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, wonach aus dem Amt ausscheidende Mitglieder des Bundesrates nach Aufgabe ihres Amtes während einer Frist von zwei Jahren keine bezahlten Mandate bzw. Leitungsfunktionen in Wirtschaftsunternehmen annehmen dürfen, deren Tätigkeiten in einem engen Zusammenhang mit der früheren bundesrätlichen Tätigkeit stehen und/oder die in nennenswertem Umfang Aufträge des Bundes oder von bundesnahen Unternehmungen erhalten.

Sowohl der Initiant wie auch die Initiantin stellen in ihren Begründungen fest, dass wirtschaftliche Engagements von ehemaligen Bundesratsmitgliedern in jüngerer Zeit für Aufsehen und Unmut gesorgt haben. Mit der Einführung einer Karenzfrist solle sichergestellt werden, «dass die Mitglieder der Landesregierung während der Amtszeit keine gezielten wirtschaftlichen Sonderinteressen vertreten». Die Unabhängigkeit der Mitglieder des Bundesrates dürfe «auch nicht dem Anschein nach gefährdet sein.»

1.2

Die Vorprüfung der parlamentarischen Initiativen

Die Staatspolitische Kommission (SPK) des Nationalrates hat die Initiativen am 31. März 2011 vorgeprüft. Sie gab der pa.Iv. 10.511 (Binder) mit 15 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung Folge. Mit 18 zu 8 Stimmen fasste sie denselben Beschluss zur pa.Iv. 10.517 (Leutenegger Oberholzer). Die SPK erachtete die Schaffung von generellen Regeln für die wirtschaftliche Tätigkeit von ehemaligen Mitgliedern des Bundesrates als sinnvoll. Zum einen sah die Kommission die Gefahr der Begünstigung entsprechender Unternehmen, die vom Insiderwissen eines ehemaligen Regierungsmitglied profitieren könnten. Auf der anderen Seite sah sie auch die Gefahr, dass die Mitglieder des Bundesrates in der Unabhängigkeit der Ausübung ihres Amtes beeinträchtigt werden können, indem sie von bestimmten Unternehmen bereits während der Amtszeit umworben werden.

Dieser Auffassung schloss sich die SPK des Ständerates am 27. Juni 2011 an. Sie stimmte den beiden parlamentarischen Initiativen mit 6 zu 4 Stimmen bei zwei 5217

Enthaltungen (10.511) bzw. 7 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung (10.517) zu. Damit gab sie der Nationalratskommission grünes Licht für die Ausarbeitung einer Vorlage. Dabei äusserte sie zudem den Wunsch, dass auch die Schaffung analoger Regeln für höhere Bundesangestellte geprüft werde.

1.3

Arbeiten der SPK des Nationalrates

An ihrer Sitzung vom 8. September 2011 diskutierte die SPK des Nationalrates offene Fragen betreffend die Umsetzung der Initiativen. Im Rahmen dieser Beratungen wurde die Kommission seitens der Bundeskanzlei darauf hingewiesen, dass der Bundesrat in diesem Bereich bereits tätig sei und der Bundeskanzlei den Auftrag erteilt habe, ihm bis Ende November 2011 Vorschläge für einen entsprechenden «Verhaltenskodex» im Aide-mémoire für die Mitglieder des Bundesrats und den Bundeskanzler/die Bundeskanzlerin zu unterbreiten. Die SPK beschloss hierauf die Arbeiten zu sistieren, um dem Bundesrat Gelegenheit zu geben, über entsprechende Verhaltensregeln zu beschliessen.

Der Bundesrat beschloss am 23. November 2011, den Anhang 2 des Aide-mémoire für Mitglieder des Bundesrates, das Bestimmungen für ehemalige Mitglieder des Bundesrates sowie für ehemalige Bundeskanzler und Bundeskanzlerinnen enthält, mit einer allgemeinen Sorgfaltspflicht zu ergänzen. Mit dieser Sorgfaltspflicht soll den Stossrichtungen der beiden im Titel zitierten parlamentarischen Initiativen Rechnung getragen werden. Auf die Einführung einer konkreten Karenzfrist für bestimmte Mandate oder Funktionen ­ wie sie in den parlamentarischen Initiativen verlangt wird ­ wollte er verzichten.

Am 24. Februar 2012 beschloss die SPK, die Arbeiten zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung der Karenzfrist für Mitglieder des Bundesrates wieder aufzunehmen, da sie die vom Bundesrat erlassenen Verhaltensregeln als zu wenig griffig erachtete.

Die Kommissionssekretariat und die Verwaltung wurden von der Kommission beauftragt, im Sinne der am 8. September 2011 getroffenen Vorentscheide einen Gesetzesentwurf betreffend Karenzfrist bei Mandaten und Funktionen für ehemalige Mitglieder des Bundesrates und für höhere Bundesangestellte vorzubereiten.

An ihren Sitzungen vom 16. November 2012 und 17. Januar 2013 beriet die SPK einen Vorentwurf. Nach Kenntnisnahme der Stellungnahmen der Personalverbände des Bundes unterbreitet sie am 3. Mai 2013 mit 16 zu 7 Stimmen den vorliegenden Entwurf und Bericht dem Rat. Gleichzeitig übermittelt sie den Entwurf dem Bundesrat zur Stellungnahme.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Zweck der Regelung

Zweck des Verbots der Übernahme bestimmter Mandate unmittelbar nach Niederlegung des Bundesratsamtes ist es, einerseits jeden Anschein zu verhindern, dass amtierende Mitglieder des Bundesrates gezielt persönliche wirtschaftliche Sonderinteressen verfolgen und gewissen Unternehmen ungerechtfertigte Vorteile verschaffen könnten. Andererseits steht auch das Ansehen der Institution des Bundesrates im Vordergrund, das geschädigt werden kann durch gewisse Tätigkeiten, die Mitglieder 5218

des Bundesrates nach Ausscheiden aus dem Amt ausüben. Es ist davon auszugehen, dass mit den vorgeschlagenen Regelungen sowohl das Verhalten während der Ausübung des Amtes, als auch das Verhalten nach dem Ausscheiden aus dem Amt beeinflusst wird. Es geht somit nicht nur um die Vermeidung von Interessenskonflikten nach dem Rücktritt, sondern auch um die Vermeidung von Interessenskonflikten während der Amtsausübung. Nach dem Rücktritt geht es nicht primär um die Vermeidung von Interessenkonflikten (diese bestehen ja nur noch in beschränktem Ausmass, da die Betroffenen nicht mehr im Amt sind), sondern vielmehr um das Ansehen der Mitglieder des Bundesrates insgesamt.

2.2

Regelung für zurückgetretene Mitglieder des Bundesrates

Ehemalige Mitglieder des Bundesrates sollen während zwei Jahren nach Ausscheiden aus dem Amt keine bezahlten Auftrags- und Arbeitsverhältnisse mit Kapitalgesellschaften oder vergleichbaren Unternehmen eingehen dürfen. Die Regelung soll nur für zurückgetretene, nicht jedoch für nicht wiedergewählte Mitglieder des Bundesrates gelten. Da Letztere nicht beabsichtigt hatten, das Amt niederzulegen, kann davon ausgegangen werden, dass kein Anschein entstehen kann, sie hätten Sondierungen bezüglich Tätigkeiten nach Amtsniederlegung vorgenommen.

Im Weiteren dürfen die zurückgetretenen Bundesratsmitglieder in den zwei Jahren nach Amtsniederlegung keine bezahlten Auftrags- und Arbeitsverhältnisse mit Organisationen oder Personen des öffentlichen oder privaten Rechts eingehen, die von der Finanzierung des Bundes abhängig sind. Hingegen darf ein ehemaliges Bundesratsmitglied ohne Karenzfrist in einer Kapitalgesellschaft tätig sein, wenn es dort vor Amtsantritt eine Mehrheitsbeteiligung besass.

Es wird eine zweijährige Karenzfrist vorgeschlagen. Dadurch soll jeder Anschein vermieden werden, dass Bundesratsmitglieder bereits während ihrer Amtszeit Sondierungen bezüglich ihrer Tätigkeit nach Amtsniederlegung vornehmen und dadurch ihre Unabhängigkeit gefährden könnten. Auf der anderen Seite ist die Karenzfrist kurz genug angesetzt, dass die Wirtschaftsfreiheit der ausgeschiedenen Mitglieder nicht unverhältnismässig lange eingeschränkt wird.

2.3

Regelung für höhere Bundesangestellte bestimmter Verwaltungseinheiten

Auch bestimmte Anstellungen ehemaliger Kader der Bundesverwaltung hat in der Öffentlichkeit schon wiederholt zu Diskussionen Anlass gegeben. Die SPK erachtet es deshalb als angebracht, auch hierfür Regelungen vorzusehen.

Im BPG soll deshalb eine Regelung vorgesehen werden, wonach nur diejenigen Verwaltungseinheiten erfasst werden, die Aufsichts-, Veranlagungs-, Vergabeentscheide oder Entscheide von vergleichbarer Tragweite treffen oder vorbereiten. Mit den Angehörigen des obersten Kaders dieser Verwaltungseinheiten soll bei Abschluss des Arbeitsvertrages vereinbart werden, dass sie in den zwei Jahren nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses nicht bei einem Arbeitgeber oder für einen Auftraggeber tätig sind, der in den letzten zwei Jahren vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses massgeblich von einem der erwähnten Entscheide betroffen war.

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Als Beispiele können hier etwa die Anstellung eines ehemaligen FINMA-Mitarbeitenden bei eine Bank oder der Übertritt eines Mitarbeitenden des Bundesamtes für Sozialversicherungen zu einer Krankenkasse erwähnt werden.

2.4

Antrag der Minderheit I: Nichteintreten

Die Minderheit I beantragt, auf den Erlassentwurf nicht einzutreten. Sie sieht in der Vorlage ein klassisches Beispiel für eine Einzelfallgesetzgebung: Aufgrund von stossenden Einzelfällen sei das Bedürfnis entstanden, zu handeln. Der Weg der Gesetzgebung sei hier aber der falsche. Eine generell-abstrakte Regelung könne nie allen Fällen gerecht werden. Es sei durchaus möglich, dass einerseits auch unter der neuen Regelung inskünftig stossende Fälle auftreten werden, andererseits ein ehemaliges Mitglied des Bundesrates aufgrund des Wortlautes des Gesetzes auf die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit verzichten müsse, obwohl dies niemanden gestört hätte.

Auch sei der Vollzug des Gesetzes unklar. Wer kontrolliert die Tätigkeiten der ehemaligen Bundesratsmitglieder oder Bundesangestellten? Wer beurteilt, ob ein bestimmtes Mandat die gesetzlich vorgesehenen Kriterien erfüllt und nicht ausgeübt werden darf?

Die Gesetzgebung sei Ausdruck eines generellen Misstrauens gegenüber den öffentlichen Behörden. Durch die Vorlage werde das Vertrauen in die Behörden in keiner Weise gestärkt, sondern die Behördenmitglieder und Bundesangestellten würden im Gegenteil einem Generalverdacht ausgesetzt.

Mit dieser Gesetzgebung werde den ehemaligen Bundesratsmitgliedern zudem erlaubt, nach bereits zwei Jahren alle möglichen Mandate anzunehmen. Zur Lösung des Problems brauche es deshalb nicht den Gesetzgeber, sondern das Verantwortungsbewusstsein und die Sensibilität der betroffenen Personen.

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

Es wird eine Änderung des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010) und eine Änderung des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 2000 (BPG; SR 172.220.1) vorgeschlagen.

3.1

Änderung des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG; SR 172.010)

Die gesetzliche Regelung über das Verbot der Übernahme von Mandaten durch ehemalige Mitglieder des Bundesrates soll im RVOG aufgenommen werden. Die Regelung kann im 5. Titel, erstes Kapitel (Art. 58 ff. RVOG) aufgenommen werden.

Es wird vorgeschlagen, den mit Wirkung auf den 5. Dezember 2011 aufgehobenen Artikel 61a RVOG (AS 2011 4627; S. 4631) zu verwenden, da dieser in der Praxis kaum je angewendet wurde (vgl. «Immunität im Amt»: Sägesser, Kommentar zu RVOG, Rz. 21 zu Art. 61a) und daher bedenkenlos wieder verwendet werden darf.

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Art. 61a

Karenzfrist nach Rücktritt aus dem Amt

Abs. 1 Im Einleitungssatz von Absatz 1 wird klargestellt, dass es sich um ehemalige Mitglieder des Bundesrates handelt, die nach Rücktritt aus dem Bundesrat ausgeschieden sind (zur Begründung vgl. Ziff. 2.2).

Die Minderheit II schlägt eine Bestimmung vor, die auch für nicht wiedergewählte Mitglieder des Bundesrates gilt. Eine Unterscheidung nach der Art des Ausscheidens lässt sich nach Ansicht der Minderheit vor dem Hintergrund der Rechtsgleichheit nicht rechtfertigen. Geht es um die Vermeidung von Interessenkonflikten, so sei die Art und Weise des Ausscheidens aus dem Amt kein sachliches Unterscheidungskriterium.

Der in Absatz 1 verwendete Begriff der Kapitalgesellschaft umfasst nach dem Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) mit den Aktiengesellschaften, den Kommanditaktiengesellschaften und den Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Art. 49 Abs. 1 Bst. a DBG) eine gewisse Bandbreite der wirtschaftlich tätigen Unternehmen. Um die Anwendung jedoch nicht allein auf die Form der Kapitalgesellschaften einzuschränken, wird die Norm auf vergleichbare Unternehmen ausgedehnt, so dass damit jedes Unternehmen erfasst wird, das im Sinne des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 1995 (KG; SR 251) als Nachfrager oder Anbieter von Gütern und Dienstleistungen im Wirtschaftsprozess, unabhängig von ihrer Rechts- oder Organisationsform (Art. 2 Abs. 1bis KG) in Frage kommen kann. Als Beispiele dazu sind atypische Genossenschaften ­ wie die Migros ­, Investmentgesellschaften und Publikumsgesellschaften nach ausländischem Recht zu nennen.

Bst. a und b Es sollen Auftrags- und Arbeitsverhältnisse mit Unternehmen erfasst werden, deren Tätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der früheren bundesrätlichen Tätigkeit steht oder die in nennenswertem Umfang Aufträge des Bundes oder von bundesnahen Unternehmungen erhalten. Hat das Bundesratsmitglied im Laufe seiner Karriere mehreren Departementen vorgestanden, dann soll in Analogie zu Artikel 14a Absatz 1 BPG (vgl. unten) die Tätigkeit in denjenigen Departement massgebend sein, dem das Mitglied zuletzt vorstand.

Im Buchstaben b wird der Begriff des «nennenswerten Umfangs» der Aufträge des Bundes durch einen über vier Jahre ermittelten Durchschnittswert von mindestens einer Million Franken pro Jahr (Untergrenze) festgesetzt.
Der Ausdruck «bundesnahe Unternehmungen» wird im Gesetzesentwurf durch die rechtlich klare und abgrenzbare Umschreibung in Artikel 2 Absatz 4 RVOG konkretisiert. Demnach können durch die Bundesgesetzgebung Organisationen und Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die nicht der Bundesverwaltung angehören, mit Verwaltungsaufgaben betraut werden. Es handelt sich dabei um juristische Personen, die selbstständige Träger von Rechten und Pflichten sind, wie Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Dafür kommen externe Verwaltungsträger in Betracht, die Verwaltungsaufgaben erfüllen und nach der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 (RVOV; SR 172.010.1) nicht unter die Positivlisten nach den Anhängen 1 und 2 fallen (Art. 8 RVOV). Als Beispiele dazu können die Post, die RUAG, die SBB, die SRG und die Swisscom genannt werden. Für weitere Beispiele wird auf den 5221

Anhang zu den Auslegungsgrundsätzen des Büros des Nationalrates und des Büros des Ständerates vom 17. Februar 2006 zur Anwendung von Artikel 14 Buchstaben e und f des Parlamentsgesetzes (BBl 2010 3257; S. 3262 ff.) hingewiesen.

Abs. 2 Absatz 2 sieht eine Ausnahme vor für Mandate in Kapitalgesellschaften, bei denen das ehemalige Mitglied vor seiner Wahl in den Bundesrat eine Mehrheitsbeteiligung hatte. Ein ehemaliges Mitglied des Bundesrates soll damit die Möglichkeit haben, die Tätigkeit in «seinem» Unternehmen, welches vielleicht sein Lebenswerk darstellt, nach Ausscheiden aus dem Bundesratsamt wieder aufzunehmen. Da es sich um sein eigenes Unternehmen handelt, musste sich das Bundesratsmitglied während seiner Amtszeit auch nicht um die Gunst dieses Unternehmens bemühen, um nachher ein Mandat zu erhalten.

Die Minderheit III beantragt die Streichung dieses Absatzes. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Mandate in eigenen Betrieben anderes behandelt werden sollen, als solche in fremden Betrieben. Es könnte sogar die Frage gestellt werden, ob ein Bundesratsmitglied, welches früher ein eigenes Unternehmen besass, nicht eher dem Verdacht ausgesetzt sein könnte, seine Bundesratstätigkeit im Interesse dieses Unternehmens auszuüben.

Abs. 3 Im Gegensatz zu Absatz 1 werden in Absatz 3 auch Organisationen mit gemeinnützigem Charakter erfasst. Ehemalige Mitglieder des Bundesrates sollen innert der Karenzfrist keine bezahlten Auftrags- und Arbeitsverhältnisse mit NGO's eingehen dürfen, die während der Amtszeit des Bundesrates nennenswerte finanzielle Beiträge des Bundes erhalten haben.

Hier stellt sich die Frage, was alles unter dem Begriff einer NGO bzw. einer nichtstaatlichen Organisation zu subsumieren ist. Die Bandbreite der privaten Organisationen und Personen, die der Bund durch finanzielle Beiträge unterstützt, reicht von symbolischen Beiträgen bis zu mehreren Millionen Franken pro Jahr. Dabei handelt es sich stets um Personen und Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts, die ausserhalb der Bundesverwaltung stehen.

Wenn es Sinn und Zweck der Bestimmung sein soll, Interessenkonflikte eines ehemaligen Mitglieds des Bundesrates während der Karenzfrist zu vermeiden, ist es sinnvoll, das Kriterium der finanziellen Abhängigkeit von den Beiträgen des Bundes der betreffenden Person oder Organisation
im Gesetz aufzunehmen. Wie in den bereits erwähnten Auslegungsgrundsätzen der Büros der eidg. Räte festgelegt ist, besteht eine finanzielle Abhängigkeit, wenn zumindest 50 % der Einkünfte einer Organisation oder Person aus Beiträgen des Bundes besteht (BBl 2010 3257; S. 3259 Rz 11). Hier soll kumulativ ein zusätzliches Kriterium angefügt werden: Eine finanzielle Abhängigkeit vom Bund besteht demnach erst dann, wenn die Beiträge des Bundes nicht nur mindestens 50 % der Einkünfte ausmachen, sondern die Bundesbeiträge auch mehr als 500 000 Franken pro Jahr betragen. Damit sollen wirklich nur Organisationen erfasst werden, die namhafte Beiträge erhalten.

Abs. 4 (Minderheit IV) Nach Ansicht der Minderheit IV sollte es dem Bundesrat ermöglicht werden, in Einzelfällen Ausnahmen zu bewilligen. Es wäre äusserst stossend, wenn aufgrund

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des Wortlaut des Gesetzes ein ehemaliges Bundesratsmitglied auf die Ausübung einer Tätigkeit verzichten müsste, obwohl dies niemanden gestört hätte.

Die Mehrheit der Kommission lehnt diesen Vorschlag ab, da ansonsten die Regelungen unterlaufen werden könnten. Die Regelungen sind präzise gefasst und sie werden erlassen, damit sie eingehalten werden.

3.2 Art. 14a

Änderung des Bundespersonalgesetzes (BPG, SR 172.220.1) Karenzfrist für Angehörige des obersten Kaders nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses

Abs. 1 Gestützt auf Artikel 94b der Bundespersonalverordnung (BPV; SR 172.220.111.3) besteht bereits heute die Möglichkeit, mit Direktionsmitgliedern von Verwaltungseinheiten des Bundes ein Verbot einer Tätigkeit für bestimmte Arbeit- oder Auftraggeber für maximal zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Es soll hier im BPG eine Regelung aufgenommen werden, die sich an Artikel 94b BPV anlehnt. Dabei soll eine Verpflichtung vorgesehen werden, Tätigkeitsverbote zu vereinbaren. Ein solcher Ansatz hat nur konkrete, auf den betreffenden Tätigkeitsbereich zugeschnittene Beschränkungen zur Folge, bei denen tatsächlich eine gewisse Gefahr von Interessenskollisionen und Missbrauch besteht.

Die Bestimmung sieht vor, dass die zuständigen Behörden im Arbeitsvertrag von obersten Kadern bestimmter Verwaltungseinheiten ein maximal zweijähriges Verbot verankern. Durch das Verbot wird diesen Angestellten untersagt, für ein Unternehmen erwerbstätig zu sein, das in den zwei Jahren vor Dienstaustritt des betreffenden Angestellten von dessen Entscheiden betroffen war. Die Regelung kommt unabhängig davon zur Anwendung, ob die Angestellten nach Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses beim Bund mit einem neuen Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben oder mit einem externen Unternehmen im Auftragsverhältnis stehen.

Zur Bundesverwaltung gehören die Verwaltungseinheiten der zentralen und der dezentralen Bundesverwaltung nach Artikel 6­8 RVOV. Sie sind im Anhang 1 zur RVOV aufgelistet.

Der Bundesrat kann den Kreis nach Artikel 14a BPG in der BPV konkretisieren. In Artikel 94b BPV sind heute die Funktionen eines Direktors oder einer Direktorin, eines stellvertretenden Direktors oder einer stellvertretenden Direktorin, eines Vizedirektors oder einer Vizedirektorin aufgeführt. Der Kreis soll gegenüber dem geltenden Artikel 94b BPV in einer der nächsten Teilrevisionen der BPV auf die Generalsekretärinnen und Generalsekretäre sowie Mitglieder der Geschäftsleitungen erweitert werden, da diese vielfach weitreichende Kompetenzen haben.

Abs. 2 Der vorgeschlagene Absatz 2 lehnt sich an den Wortlaut von Artikel 160 Absatz 1 OR an. Es wird klargestellt, dass die Verwaltungseinheit die zu ergreifenden Sanktionen wählen kann.

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Die Höhe der vereinbarten Konventionalstrafe sollte im Arbeitsvertrag auf höchstens das doppelte Jahreseinkommens der angestellten Person festgelegt werden. Dadurch wird die Kongruenz zur zweijährigen Karenzfrist hergestellt.

Die Minderheit V beantragt die Streichung des vorgeschlagenen Artikels 14a BPG.

Die Regelung bedeute eine weitere Schwächung der Attraktivität von Kaderstellen im öffentlichen Dienst gegenüber von ­ viel besser bezahlten ­ Kaderstellen in der Privatwirtschaft.

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen haben keine personellen und finanziellen Auswirkungen.

5

Rechtliche Grundlagen

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Wirtschaftsfreiheit ­ und damit die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung ­ ist als Grundrecht in der Bundesverfassung verankert (Art. 27 BV). Dieses Grundrecht gewährleistet, dass seine Trägerinnen und Träger eigenständig darüber entscheiden können, wie sie ihren Lebensunterhalt sichern wollen und ob sie einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen, gelegentlich oder dauernd eine privatwirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen. Eine gesetzliche Einschränkung dieser Freiheit verlangt unter anderem, dass der Eingriff verhältnismässig sein soll (Art. 36 Abs. 3 BV). Dieses Kriterium misst sich am Verhältnis des Grundrechtseingriffs zum Zweck der Regelung, der dem öffentlichen Interesse bzw.

dem Schutz der Grundrechte dienen muss.

Vor dem Hintergrund des öffentlichen Interesses an einer glaubwürdigen Regierung, die das öffentliche Wohl vor Sonderinteressen stellt, ist die hier vorgenommene thematisch und zeitlich begrenzte gesetzliche Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit ehemaliger Mitglieder des Bundesrates zu rechtfertigen. Ebenfalls nur in konkreten, sachlich gerechtfertigten Einzelfällen wird die Wirtschaftsfreiheit von bestimmten Bundesangestellten vertraglich eingeschränkt, analog wie dies in der Privatwirtschaft auch geschieht.

5.2

Erlassform

Die vorgeschlagenen Regelungen betreffen die Rechte und Pflichten von ehemaligen Mitgliedern des Bundesrates und von ehemaligen höheren Bundesangestellten. Sie stellen zudem einen Eingriff in die in Artikel 27 BV gewährleistete Wirtschaftsfreiheit dar. Gemäss Artikel 164 Absatz 1 Buchstabe b und c BV enthalten die vorgeschlagenen Regelungen somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen und sind somit in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen.

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