13.088 Botschaft zur Änderung des Vernehmlassungsgesetzes vom 6. November 2013

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Vernehmlassungsgesetzes.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2012

P

12.3649

Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (1) (N 19.06.2012, Geschäftsprüfungskommission NR)

2012

P

12.3650

Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (2) (N 19.06.2012, Geschäftsprüfungskommission NR)

2012

P

12.3651

Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (3) (N 19.06.2012, Geschäftsprüfungskommission NR)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. November 2013

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Ueli Maurer Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2013-1581

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Übersicht Der Bundesrat beantragt eine Reihe von Änderungen im Vernehmlassungsrecht und entspricht damit den Empfehlungen und drei Postulaten der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates. So sollen unter anderem die Rolle der Bundeskanzlei verstärkt, die Transparenz in der Berichterstattung über die Ergebnisse vergrössert und die Fristen bestimmter geregelt werden; die begriffliche Unterscheidung von Vernehmlassung und Anhörung soll fallengelassen werden.

Ausgangslage Das Vernehmlassungsverfahren hat in der Schweiz eine hohe Bedeutung und eine lange Tradition. Auf Gesetzesstufe geregelt wurde es aber erst 2005. Mit dem neuen Vernehmlassungsgesetz (VlG) sollte das Verfahren verwesentlicht und qualitativ verbessert werden. Zugleich wurde die Unterscheidung eingeführt zwischen Vernehmlassungen, die bei wichtigen Vorhaben von Bundesrat oder Parlament eröffnet werden, und Anhörungen, die Departemente, Ämter und Behördenkommissionen zu weniger wichtigen Vorhaben selbst beschliessen können. Während Vernehmlassungen verschiedenen Vorgaben des VlG und der dazugehörigen Verordnung genügen müssen, ist der Prozess der Anhörung nur punktuell geregelt. Nachdem sich in den vergangenen Jahren immer wieder Teilnehmende an Anhörungen und Vernehmlassungen über zu kurze Fristen, fehlende Transparenz bei der Auswahl der eingeladenen Adressaten und die unangemessene Gewichtung bei der Auswertung der Stellungnahmen beklagt hatten, beauftragten die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) im Jahr 2010 mit einer Evaluation.

Die Evaluation hat gezeigt, dass Anhörungen und Vernehmlassungen sowohl vonseiten der Bundesverwaltung als auch vonseiten der Adressaten als sinnvoll und nützlich erachtet werden, um verwaltungsexterne Kreise an der Meinungsbildung und Entscheidfindung des Bundes teilhaben zu lassen und um die sachliche Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz von Vorhaben des Bundes zu prüfen. Allerdings wurde auch deutlich, dass die gesetzlichen Vorgaben verschiedentlich missachtet werden, insbesondere beim Entscheid, ob zu einem Vorhaben eine Vernehmlassung oder eine Anhörung durchzuführen ist. Zudem ist die neu eingeführte Unterscheidung zwischen Anhörungen und Vernehmlassungen problematisch, da sie von vielen Adressaten nicht verstanden
wird und zu falschen Erwartungen führt. Die Erwartungen der Teilnehmenden werden insbesondere bei Anhörungen nicht erfüllt, womit nicht mehr gewährleistet ist, dass die Ziele des Verfahrens ­ Partizipation, Verbesserung der Vorlage sowie Akzeptanz ­ erreicht werden.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) stellte in ihrem Bericht vom 7. September 2011 an den Bundesrat fest, dass die Evaluation punkto Akzeptanz des Instruments keine grösseren Probleme zutage gebracht habe. Offenbar erachten sowohl die durchführenden Stellen innerhalb der Bundesverwaltung als auch die gängigen Adressaten eine Konsultation im Vernehmlassungs- oder Anhörungsverfahren im Grossen und Ganzen als sinnvoll und nützlich. Die Evalua-

8876

tion der PVK zeigte jedoch auf, dass in verschiedenen Bereichen des Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahrens Optimierungsbedarf besteht.

Inhalt der Vorlage Mit der Gesetzesvorlage sollen die vom Bundesrat am 15. Februar 2012 beschlossenen Massnahmen zu den Empfehlungen der GPK-N umgesetzt werden. Das VlG soll in diesem Sinne punktuell verbessert werden. Die Vorlage sieht folgende Schwerpunkte vor: ­

Rolle und Kompetenzen der Bundeskanzlei

Der Gesetzesentwurf (E-VlG) trägt zur Stärkung der Rolle der Bundeskanzlei bei der Vorbereitung von Vernehmlassungsvorlagen bei. Die federführenden Stellen sollen in der Verordnung ausdrücklich verpflichtet werden, die Vorlage der Bundeskanzlei rechtzeitig vor Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens zur Prüfung vorzulegen, damit die Bundeskanzlei jede Vorlage auf Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und auf Vollständigkeit prüfen kann.

­

Keine Unterscheidung mehr zwischen «Vernehmlassung» und «Anhörung»

Die bisherige begriffliche Unterscheidung zwischen «Vernehmlassung» und «Anhörung» wird fallengelassen. Stattdessen soll es zweierlei Vernehmlassungen geben: solche, die vom Bundesrat eröffnet werden, und solche ­ zu Vorhaben von untergeordneter Tragweite ­, die von einem Departement oder der Bundeskanzlei eröffnet werden. Als Vorhaben von untergeordneter Tragweite gelten insbesondere Vorhaben mit betont technischem oder administrativem Inhalt, bei denen die Vernehmlassung in erster Linie der Beschaffung von verwaltungsexternem Fachwissen und Grundlageninformationen dient. Mit der angepassten gesetzlichen Regelung werden die von den Departementen und der Bundeskanzlei zu eröffnenden Vernehmlassungsverfahren besser erfasst und damit von den durch den Bundesrat zu eröffnenden Vernehmlassungen klarer abgegrenzt: Bei beiden Typen von Vernehmlassungen sollen weitgehend die gleichen Regeln für das Verfahren gelten. Bei den durch die Departemente oder die Bundeskanzlei eröffneten Vernehmlassungen soll jedoch der Kreis der Adressaten ­ wie bisher ­ auf die durch das Vorhaben direkt betroffenen Personen und Organisationen beschränkt werden können. Die Unterscheidung, ob es sich bei der Vorlage um eine vom Bundesrat oder vom Departement eröffnete Vernehmlassung handelt, wird den Adressaten in den Begleitbriefen klar kommuniziert. Nur in Ausnahmefällen sollen nachgeordnete Einheiten der zentralen oder der dezentralen Bundesverwaltung Vernehmlassungen selbstständig eröffnen können.

­

Transparenz der Ergebniskommunikation

Die beiden Verfahren sollen weitgehend vereinheitlicht und im Gesetz präziser geregelt werden. Unklarheiten, die heute betreffend das Verfahren bei Anhörungen bestehen, werden damit beseitigt. Wie bei den heutigen Vernehmlassungen soll künftig das Ergebnis einer vom Departement oder einer nachgeordneten Verwaltungseinheit eröffneten Vernehmlassung von diesem zwingend in einem Ergebnisbericht festgehalten werden.

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­

Einführung einer Begründungspflicht bei einer Fristverkürzung

Die gesetzliche Mindestfrist bei Vernehmlassungen beträgt heute drei Monate. Sie wird unter Berücksichtigung von Ferien- und Feiertagen sowie Inhalt und Umfang der Vorlage angemessen verlängert. In der Evaluation wurden vor allem die kurzen Fristen in der Praxis bei den Anhörungen (Art. 10 VlG) kritisiert. Um einen eindeutigen Bezugsrahmen für alle Vernehmlassungen zu haben, werden im Gesetz verlängerte Mindestfristen während Ferien- und Feiertagen festgelegt. Bei einer Fristverkürzung soll die Dringlichkeit im Begleitschreiben an die Vernehmlassungsadressaten sachlich begründet werden.

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Inhaltsverzeichnis 1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Bericht GPK-N: Empfehlungen und Beurteilung 1.3 Stellungnahme des Bundesrates zum GPK-Bericht 1.4 Stellungnahme der GPK-N vom 19. Juni 2012 zur Stellungnahme des Bundesrates und Antwort des Bundesrates vom 5. September 2012 1.5 Vernehmlassung 1.5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 1.5.2 In der Vernehmlassung angesprochene Kernthemen und wichtigste Änderungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf 1.6 Begründung und Bewertung der beantragten Neuregelung 1.6.1 Massnahmen zur Transparenz der Ergebniskommunikation 1.6.2 Verzicht auf das konferenziell durchgeführte Verfahren 1.6.3 Vereinheitlichung des Verfahrens 1.7 Umsetzung 1.8 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

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3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf die Kantone 3.3 Andere Auswirkungen

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung

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5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

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Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG) (Entwurf)

8885 8888 8888 8890 8891 8891 8892 8893 8894 8894

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Das Vernehmlassungsverfahren hat einen festen und kaum angefochtenen Platz im Rechtsetzungsverfahren des Bundes. Auch die Kantone kennen ähnliche Verfahren, die in den letzten Jahren tendenziell sogar ausgebaut und stärker formalisiert wurden.1 Auf Bundesebene wurden wiederholt Diskussionen über Reformen des Vernehmlassungsverfahrens geführt. Bevor das geltende Vernehmlassungsrecht 2005 erlassen wurde, wiesen kritische Stimmen etwa darauf hin, dass das Vernehmlassungsverfahren inflationär verwendet werde, der Adressatenkreis zu gross und die eingehenden Antworten zu wenig hilfreich seien (weil zu ausführlich, zu technisch oder zu wenig politisch abgestützt) und dass der Nutzen insgesamt im Vergleich zum Aufwand zu gering sei, insbesondere weil politische Kompromisse im Parlament nicht vorweggenommen werden können.2 Die erhobene Kritik führte zur Forderung nach «Verwesentlichung» des Verfahrens.3 Diese Verwesentlichung wurde im Zuge der Neuregelung des Vernehmlassungsrechts angestrebt, die zum Erlass des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 20054 (VlG) und der Vernehmlassungsverordnung vom 17. August 20055 (VlV) führten, die seit 1. September 2005 in Kraft sind.

Bereits die im Rahmen der Neuregelung geführten Diskussionen zeigen, dass die Zielsetzungen und Bedürfnisse, die das Vernehmlassungsverfahren für die Verwaltung und die politischen Behörden erfüllen soll, mit den Zielsetzungen für die interessierten Kreise nur bedingt zur Deckung gebracht werden können. Für die politischen Behörden geht es darum, die politische Unterstützung für die Ziele des Vorhabens zu testen, ohne indessen den eigenen Entscheidungsspielraum für das weitere Vorgehen zu stark einzuschränken. Für die Verwaltung stehen naturgemäss die Verbesserung der Kenntnis der «Realien der Gesetzgebung», die Überprüfung der Machbarkeit des Vorhabens (Richtigkeit der zugrundeliegenden Annahmen, Wahl adäquater Regulierungsmechanismen) und die Umsetzbarkeit im Vordergrund.

Für die interessierten Kreise geht es vor allem auch um politische Einflussnahme, also darum, eigene Interessen in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Die Beteiligten wollen schliesslich den Aufwand für die Vernehmlassungen möglichst gering halten, gleichzeitig aber ein Maximum an für sie nützlichen Informationen daraus generieren. So möchte die Verwaltung beispielsweise
möglichst strukturierte, klare und damit leicht auswertbare Antworten innert möglichst kurzer Fristen, während die Adressaten möglichst grosse inhaltliche und zeitliche Freiheit bei der Ausgestaltung ihrer Stellungnahme behalten möchten.

1 2 3 4 5

Vgl. dazu etwa die Beiträge Caussignac, Schwaar, Loertscher sowie Nuspliger/Brunner in LeGes 2/2011, S. 205 ff.

Vgl. Kurt Nuspliger/Stephan Brunner, Das Vernehmlassungsverfahren in den Deutschschweizer Kantonen, LeGes 2/2011, 239­246, S. 240 mit weiteren Hinweisen.

Zur Entstehung des Vernehmlassungsgesetzes vgl. Thomas Sägesser, Handkommentar Vernehmlassungsgesetz, Bern 2006, Einleitung, Rz. 13 ff.

SR 172.061 SR 172.061.1

8880

Das Vernehmlassungsrecht muss somit diesen unterschiedlichen Ansprüchen Rechnung tragen und sie austarieren. Der Ausgleich zwischen den verschiedenen Ansprüchen der am Verfahren Beteiligten muss periodisch diskutiert und gegebenenfalls neu festgelegt werden. Nachdem nun einige Jahre Erfahrung mit den vernehmlassungsrechtlichen Regelungen von 2005 gesammelt werden konnten, ergibt sich aus verschiedenen ­ nachstehend kurz zusammengefassten ­ Gründen Anlass zu einer Anpassung der Rechtsgrundlagen.

In den letzten Jahren haben sich die Geschäftsprüfungskommissionen der eidgenössischen Räte mit dem Vernehmlassungsverfahren befasst und die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) mit einer Evaluation beauftragt. Die zuständige Subkommission der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) entschied hierauf, dass die PVK den Fokus der Untersuchung auf die Praxis der Bundesverwaltung bei Anhörungen legen soll. Gestützt auf den PVK-Bericht vom 9. Juni 20116 (PVK-Bericht) verabschiedete die GPK-N ihren Bericht vom 7. September 20117 mit verschiedenen Empfehlungen für eine Überprüfung der Vernehmlassungsgesetzgebung.

Die Delegationen des Bundesrates und der Konferenz der Kantonsregierungen haben am Föderalistischen Dialog vom 18. März 2011 einen Beschluss gefasst, eine gemeinsame Arbeitsgruppe Bund-Kantone einzusetzen, um auf technischer Ebene lösungsorientierte Vorschläge zur Verbesserung der Umsetzung des Bundesrechts durch die Kantone zu erarbeiten. Die Arbeitsgruppe hat in ihrem Bericht vom 13. Februar 20128 unter anderem auch Massnahmen vorgeschlagen, die zu einer besseren Berücksichtigung von Umsetzungsfragen im Rahmen von Vernehmlassungen und Anhörungen führen sollen. Die Empfehlungen betreffen namentlich die Gestaltung des erläuternden Berichts zu Vernehmlassungsentwürfen, die Vernehmlassungsunterlagen und die Ergebnisberichte. Anlässlich des Föderalistischen Dialogs vom 16. März 2012 wurde der Bericht zur Kenntnis genommen und die Umsetzung der empfohlenen Massnahmen beschlossen. Die Umsetzung der das Vernehmlassungsrecht betreffenden Empfehlungen wird im Wesentlichen auf Verordnungsebene erfolgen.

Der Bundesrat hat schliesslich aufgrund des Berichts «E-Demokratie und E-Partizipation»9 im Juni 2011 die Bundeskanzlei beauftragt, die Möglichkeit zur umfassenden elektronischen Durchführung
von Vernehmlassungen und Anhörungen zu prüfen und dazu einen Bericht vorzulegen. Eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe ist gegenwärtig mit der Ausarbeitung dieses Berichts beschäftigt.

6 7 8

9

BBl 2012 2361 BBl 2012 2351 Die Umsetzung von Bundesrecht durch die Kantone. Bericht und Anträge der gemeinsamen Arbeitsgruppe Bund-Kantone vom 13. Febr. 2012 zuhanden des Föderalistischen Dialogs vom 16. März 2012, www.bj.admin.ch > Themen > Staat & Bürger > Föderalismus www.bk.admin.ch > Themen > E-Demokratie und E-Partizipation

8881

1.2

Bericht GPK-N: Empfehlungen und Beurteilung

Auf der Basis des oben genannten PVK-Berichts gelangte die GPK-N in ihrem Bericht zu den folgenden Empfehlungen (E. 1­5): Rolle und Kompetenzen der Bundeskanzlei (E. 1) «Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die Rolle, die Aufgaben und die Kompetenzen der Bundeskanzlei hinsichtlich der Koordination der Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren, auch solcher, die von anderen Gesetzen als dem VlG geregelt werden, klar definiert sind. Er erarbeitet einen Vorschlag zur Erweiterung der Kompetenzen und des Instrumentariums der Bundeskanzlei in diesem Bereich und sorgt dafür, dass dieser die zur Erfüllung ihres Auftrags notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen.» Transparenz der Ergebniskommunikation (E. 2) «Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, zu prüfen, wie die Ergebnisse von Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren transparenter kommuniziert werden können. Er sorgt dafür, dass die Adressaten von Anhörungen aktiv und innert angemessener Frist über die Verfahrensergebnisse informiert werden.» Abschaffung des konferenziellen Verfahrens (E. 3) «Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, dem Parlament einen Vorschlag zur Abschaffung des konferenziellen Verfahrens für Anhörungen und Vernehmlassungen vorzulegen.» Einführung einer Begründungspflicht bei einer Fristverkürzung (E. 4) «Die GPK-N fordert den Bundesrat dazu auf, zuhanden des Parlaments einen Vorschlag zu erarbeiten, wonach die verfahrensführende Behörde im VlG verpflichtet wird, aus Dringlichkeitsgründen verkürzte Konsultationsfristen zu begründen.» Zweckmässigkeit der Unterscheidung von Vernehmlassung und Anhörung?

(E.5) «Die GPK-N erwartet vom Bundesrat eine Prüfung der Frage, ob es zweckmässig ist, weiterhin an zwei verschiedenen Verfahren festzuhalten, oder ob die Unterscheidung zwischen Vernehmlassung und Anhörung abgeschafft werden sollte.» ­

Variante: Abschaffung der Unterscheidung: Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Einführung einer Begründungspflicht (E. 5a) «Beschliesst der Bundesrat, die Unterscheidung zwischen Vernehmlassung und Anhörung abschaffen zu wollen, fordert die GPK-N, dass er dem Parlament eine entsprechende Rechtsänderung vorschlägt. Dabei ist zu regeln, wer für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist. Zudem prüft der Bundesrat die Einführung einer Pflicht für die verfahrensführende Behörde, ihren Eröffnungsentscheid unter Bezugnahme auf die Verfahrenszwecke von Artikel 2 VlG zu begründen.»

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­

Variante: Beibehaltung beider Verfahren: Konkretisierung des Anhörungsverfahrens (E. 5b) «Beschliesst der Bundesrat, an der Unterscheidung zwischen Vernehmlassung und Anhörung festzuhalten, fordert die GPK-N von ihm, dass er klare Vorgaben für das Anhörungsverfahren vorsieht. Im Rahmen der Neukonzipierung der gesetzlichen Grundlagen beachtet er folgende Elemente: 5b.1 Er beantragt dem Parlament die Aufhebung des zwingenden Charakters des Kriteriums der Normstufe (Art. 3 Abs. 1 VlG) und sorgt für eine transparente Auslegung des Kriteriums der Tragweite eines Vorhabens. Er leitet die notwendigen Schritte zur Harmonisierung der Verwaltungspraxis ein.

5b.2 Er sorgt dafür, dass die zuständige Behörde ihren Entscheid, ein Vernehmlassungs- oder Anhörungsverfahren zu eröffnen, unter Bezugnahme auf die Zwecke des Gesetzes begründet.

5b.3 Er legt dem Parlament einen Entwurf zur Anpassung des VlG vor, worin die Zuständigkeit für den Entscheid über die Eröffnung eines Anhörungsverfahrens geregelt wird.

5b.4 Er leitet eine Umbenennung des Anhörungsverfahrens ein.

5b.5 Er sorgt dafür, dass den Adressaten und der Bundesverwaltung die einschlägigen Regeln und die Unterschiede zwischen den beiden Verfahrensarten bekannt sind.

5b.6 Er sorgt dafür, dass das neu bezeichnete Verfahren klarer geregelt ist.»

1.3

Stellungnahme des Bundesrates zum GPK-Bericht

Der Bundesrat beschloss im Rahmen seiner Stellungnahme vom 15. Februar 201210 (STN-BR), die Empfehlungen im Bericht der GPK-N wie folgt umzusetzen: Rolle und Kompetenzen der Bundeskanzlei (E. 1) Beschluss Bundesrat: Teilweise Annahme von Empfehlung 1 im Sinne einer Verstärkung der Mitwirkungspflicht der Departemente. Teilweise Ablehnung betreffend die Erweiterung der Kompetenzen und des Instrumentariums der BK.

Transparenz der Ergebniskommunikation (E. 2) Beschluss Bundesrat: Annahme von Empfehlung 2 im Sinne der Aufnahme einer ausdrücklichen Pflicht zur aktiven Ergebniskommunikation bei «Anhörungen».

10

BBl 2012 2409

8883

Abschaffung des konferenziellen Verfahrens (E. 3) Beschluss Bundesrat: Ablehnung der Abschaffung des konferenziellen Vernehmlassungsverfahrens.

Einführung einer Begründungspflicht bei einer Fristverkürzung (E. 4) Beschluss Bundesrat: Annahme von Empfehlung 4 im Sinne der Aufnahme einer Pflicht zur Begründung von Fristverkürzungen in den Begleitschreiben an die Adressaten.

Unterscheidung Vernehmlassung / Anhörung ? (E. 5) Beschluss Bundesrat: Der Bundesrat erachtet es als nicht zweckmässig, weiterhin an zwei verschiedenen Verfahren festzuhalten. Abschaffung der begrifflichen Unterscheidung von Vernehmlassungen und Anhörungen gemäss Empfehlung 5a, aber festhalten an den beiden bewährten Instrumenten und ­ soweit sinnvoll ­ Vereinheitlichung des Verfahrens.

Vorgehen Der Bundesrat beschloss am 15. Februar 2012, die Empfehlungen 1, 2, 4 und 5a der GPK-N vom 7. September 2011 im Sinne seiner Stellungnahme umzusetzen, und beauftragte die Bundeskanzlei, in Zusammenarbeit mit den Departementen eine Änderung der Vernehmlassungsgesetzgebung auszuarbeiten und ihm bis Ende 2012 eine Vorlage zu unterbreiten.

Fast gleichzeitig verabschiedete die Arbeitsgruppe Bund-Kantone ihren Bericht zur Umsetzung von Bundesrecht durch die Kantone zuhanden des Föderalistischen Dialogs. Im Rahmen dieses Dialogs diskutierten die Vertreter des Bundesrats und der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) am 16. März 2012 diesen Bericht, der unter anderem die ungenügende Berücksichtigung von Umsetzungsfragen im Rahmen der Vernehmlassung bemängelt. Die von der Arbeitsgruppe empfohlenen Massnahmen im Bereich des Vernehmlassungsrechts wurden gutgeheissen. Ihre Umsetzung erfolgt jedoch nicht im Rahmen der vorliegenden Gesetzesnovelle, sondern soll im Rahmen der nachfolgenden Anpassungen auf Verordnungs- oder Weisungsstufe an die Hand genommen werden.

Um das Vernehmlassungsrecht anzupassen, hat die Bundeskanzlei eine interdepartementale Arbeitsgruppe eingesetzt mit dem Ziel, im Rahmen der vom Bundesrat gefassten Beschlüsse eine Änderung des VlG unter der Federführung der Bundeskanzlei vorzubereiten.

8884

1.4

Stellungnahme der GPK-N vom 19. Juni 2012 zur Stellungnahme des Bundesrates und Antwort des Bundesrates vom 5. September 2012

Stellungnahme der GPK-N und Antwort des Bundesrates: Inhaltliche Schwerpunkte Mit ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 201211 zur Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Februar 2012 (vgl. Ziff. 1.3) ersuchte die GPK-N den Bundesrat, zur Funktion der Bundeskanzlei vertieft Stellung zu nehmen. Weiter wies die GPK-N insbesondere auf das Problem der mangelnden Kenntnis der Vorgaben des Vernehmlassungsrechts bei den Adressaten hin und verlangte vom Bundesrat eine vertiefte Prüfung. Die GPK-N reichte mit ihrer Stellungnahme zudem drei Postulate ein.

In seiner Antwort vom 5. September 2012 an die GPK-N erläuterte der Bundesrat zur Umsetzung der Empfehlung 1 die Funktion der Bundeskanzlei bei der Prüfung von Vernehmlassungen. Demnach wird jede Vorlage vor Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens von der Bundeskanzlei auf Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und auf Vollständigkeit geprüft. Können sich die Bundeskanzlei und das zuständige Departement über wesentliche Punkte nicht einigen (zum Beispiel, ob zu einer bestimmten Vorlage ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen ist oder ob die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Vernehmlassungsfrist erfüllt sind), so muss der Bundesrat über diese Frage entscheiden (Art. 15 Abs. 3 der Regierungsund Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. Nov. 199812, RVOV). Soweit das Vernehmlassungsgesetz Ermessens- oder Auslegungsspielräume offen lässt, ist es kaum zu vermeiden, dass zwischen der Bundeskanzlei und den Departementen bisweilen Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung einzelner Vorschriften bestehen. Ähnliche Situationen können sich auch bei anderen Querschnittsmaterien zwischen dem sachlich zuständigen Departement und den übrigen Departementen oder der Bundeskanzlei (z.B. Öffentlichkeitsgesetzgebung, Datenschutzgesetzgebung, Subventionsgesetzgebung) ergeben. Auch in diesen Bereichen gibt es keine einzelne Verwaltungsstelle, die mit Weisungsbefugnis über die richtige Anwendung der jeweiligen Bestimmungen entscheiden kann.

Auch das revidierte VlG (E-VlG) lässt ­ wie bereits das geltende ­ bei der Wahl des Verfahrens gewisse, eng definierte Ermessensspielräume (z.B. die Möglichkeit nach Art. 3 Abs. 2 E-VlG, eine nicht zwingend vorgeschriebene Vernehmlassung durchzuführen, oder die Möglichkeit nach Art. 3a E-VlG, auf eine Vernehmlassung zu verzichten, oder
die Möglichkeit der Fristverkürzung bei Dringlichkeit nach Art. 7 Abs. 4 E-VlG). Das schafft eine gewisse Flexibilität bei der Handhabung des Vernehmlassungsverfahrens. Diese Flexibilität ist angesichts der verschiedenen Funktionen des Vernehmlassungsverfahrens und der dadurch möglichen Zielkonflikte unbedingt notwendig, wenn das Vernehmlassungsverfahren zweckmässig bleiben und seine Funktionen optimal erfüllen soll. Die Behörde, die den Entscheid über die Frage, ob eine Vernehmlassung durchzuführen sei, und über die Art und Weise ihrer Durchführung trifft, trägt dafür auch die (politische) Verantwortung. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es nicht zweckdienlich ­ und auch gar nicht möglich ­ ist, sämtliche Ermessensspielräume im Vernehmlassungsrecht zu eliminieren. Dass 11

12

BBl 2013 6259, Ziff. 3.2 (www.parlament.ch > Dokumentation > Berichte > BerichteAufsichtskommissionen > Geschäftsprüfungskommissionen GPK > Berichte-2012; Ziff. 3.2) SR 172.010.1

8885

bisweilen Auseinandersetzungen über Durchführung oder Nichtdurchführung einer Vernehmlassung (oder über die Form von deren Durchführung) auch Argumente in der politischen Auseinandersetzung über den Inhalt der Vorlage liefern können, liegt dabei in der Natur der Sache und nicht an mangelhaften gesetzlichen Grundlagen.

Zusammenfassend hielt der Bundesrat daher in seinem Schreiben an die GPK-N vom 5. September 2012 fest: Die Bundeskanzlei hat heute und auch nach der in Aussicht genommenen Anpassung des Vernehmlassungsrechts die Aufgabe, die Einhaltung der vernehmlassungsrechtlichen Vorgaben und die Vollständigkeit der Unterlagen zu prüfen. Wo Ermessensspielräume bestehen, liegt der endgültige Entscheid aber bei der eröffnenden Behörde. Künftig sollen klarere gesetzliche Regelungen der Zuständigkeiten und des Verfahrens sowie ein Ausbau im Bereich der internen Informationstätigkeit der Bundeskanzlei dazu beitragen, dass die Koordinations- und die Prüfungsaufgaben der Bundeskanzlei vereinfacht werden, weil die Anzahl der Vorschriften, die Interpretationsspielräume beinhalten, reduziert wird. Der Bundesrat zeigte sich überzeugt, dass die Umsetzung der Empfehlung 1 des GPK-Berichts mit den von ihm im Rahmen des vorliegenden Berichts vorgeschlagenen Anpassungen des VlG und der geplanten Anpassung der VlV sowie mit gewissen organisatorischen und technischen Vorkehrungen zu gewährleisten sei.

Zu den Massnahmen betreffend die Kommunikation der Verfahrensregeln gegenüber den Vernehmlassungsadressaten vgl. Ziff. 1.6.3 unten.

Zu den drei Postulaten im ergänzenden Bericht der GPK-N vom 19. Juni 2012 Die GPK-N unterbreitete dem Bundesrat in ihrem ergänzenden Bericht vom 19. Juni 2012 folgende drei Postulate: P 12.3649 GPK NR Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (1) Der Bundesrat wird beauftragt, zu überprüfen, wie dem legitimen Bedürfnis der an Konsultationsverfahren Teilnehmenden nach mehr Transparenz bei der Ergebniskommunikation entgegen gekommen werden kann, und darüber sowie über mögliche gesetzliche oder andere Massnahmen Bericht zu erstatten.

Die GPK erachtet es als ungenügend, was der Bundesrat zur Umsetzung ihrer Empfehlung 2 in Aussicht genommen hat, nämlich die Verankerung einer Pflicht zur Veröffentlichung der Ergebnisberichte und zur Information an die Teilnehmer über deren Publikation
bei Anhörungen (künftig: Vernehmlassungen der Departemente).

Sie erwartet eine Berichterstattung seitens der verfahrensführenden Verwaltungseinheit, die über die Auswirkungen der Eingaben in Konsultationsverfahren auf die ursprüngliche Vorlage Auskunft gibt.

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P 12.3650 GPK NR Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (2) Der Bundesrat wird beauftragt, zu überprüfen, ob es in Anbetracht der Bedeutung und den in der Praxis bestehenden Unsicherheiten im Umgang mit dieser Form der Konsultation [konferenzielles Verfahren] zweckmässig ist, an der Möglichkeit einer konferenziellen Durchführung festzuhalten. Im Weiteren ist zu klären, welche Auswirkungen ein Verzicht hätte. Darüber sowie über mögliche gesetzliche oder andere Massnahmen ist Bericht zu erstatten.

Die GPK-N war nicht überzeugt von der Argumentation des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme entgegen ihrer Empfehlung 3 in Aussicht stellte, am konferenziellen Verfahren festhalten zu wollen. Sie vertrat die Auffassung, dass die Evaluation der PVK klar aufgezeigt habe, dass die Entscheide, Konsultationsverfahren konferenziell durchzuführen, in der Vergangenheit regelmässig als wenig zweckmässig beurteilt wurden. Die vom Bundesrat angeführte Unmittelbarkeit des Verfahrens sei nicht von entscheidender Bedeutung, denn auch bei einer konferenziellen Vernehmlassung müsse nach Artikel 17 Absatz 2 VlV Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gewährt werden. Hingegen sei es denkbar, den Adressatenkreis bei Anhörungen (künftig: Vernehmlassungen der Departemente) einzuschränken, wenn eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen werde.

P 12.3651 GPK NR Anhörungs- und Vernehmlassungspraxis des Bundes (3) Der Bundesrat wird beauftragt, zu überprüfen, ob sowohl den Zielen von Konsultationen als auch den legitimen Flexibilitätsbedürfnissen seitens der verfahrensführenden Behörden mit einem oder zwei verschiedenen Verfahren besser Rechnung getragen wird und welche Auswirkungen ein konsequent vollzogener Systemwechsel zu nur einem Instrument hätte, und darüber sowie über mögliche gesetzliche oder andere Massnahmen Bericht zu erstatten.

Dabei ist die Möglichkeit der Aufnahme einer Bestimmung ins Vernehmlassungsgesetz zu berücksichtigen, wonach neben einer Fristverkürzung bei Dringlichkeit neu auch eine begründungspflichtige Einschränkung des Adressatenkreises im Hinblick auf die Zielerreichung der Konsultation möglich ist.

Die GPK-N begrüsst zwar grundsätzlich, dass die Verfahren nur noch auf Stufe Bundesrat oder Departement eröffnet werden sollen. Sie hält aber fest, dass sie nur verlangt hat,
es sei die Zweckmässigkeit von zwei unterschiedlichen Verfahren zu prüfen, und verweist darauf, dass sie den Bundesrat nicht aufgefordert habe, nur noch ein Konsultationsverfahren vorzusehen. Aus Sicht der Kommission rechtfertigt die unterschiedliche Zielsetzung der beiden Instrumente durchaus gewisse Verfahrensunterschiede, insbesondere auch unterschiedliche Adressatenkreise.

Am 5. September 2012 beschloss der Bundesrat in seiner Stellungnahme, diese drei Postulate ohne Begründung zur Annahme zu empfehlen. Entsprechend entschied der Nationalrat am 20. September 2012, die drei Postulate anzunehmen und dem Bundesrat zur Umsetzung zu überweisen.

8887

Der Bundesrat kommt der verlangten Berichterstattung mit der vorliegenden Botschaft nach und erfüllt damit die Anliegen der GPK-N gemäss den bereits genannten Postulaten und ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 2012 (vgl. Ziff. 1.6).

1.5

Vernehmlassung

Am 21. November 2012 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum Vorentwurf zu einer Änderung des Vernehmlassungsgesetzes (VE-VlG). Die Vernehmlassung dauerte bis zum 8. April 2013. Es sind insgesamt 64 Stellungnahmen eingegangen. Neben der KdK sowie der Schweizerischen Staatsschreiberkonferenz haben 17 Kantone eigene Stellungnahmen eingereicht. Sieben Parteien (BDP, CVP, EVP, FDP, Grüne, SPS und SVP) haben sich ebenso zur Vorlage geäussert wie die Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete. 18 weitere Eingaben erfolgten seitens der Dachverbände der Wirtschaft und von weiteren Organisationen.

17 ausserparlamentarische Kommissionen stellten zudem in separaten Eingaben Antrag auf Aufnahme in die Liste der ständigen Adressaten. Die Details zu den Ergebnissen der Vernehmlassung finden sich im Ergebnisbericht.13

1.5.1

Zusammenfassung der Ergebnisse

Eingaben der Kantone Für die Kantone als Vollzugsträger ist die Vernehmlassung als Instrument der Mitwirkung im Gesetzgebungsprozess von grosser Wichtigkeit. Es ist ihnen darum ein wichtiges Anliegen, frühzeitig in diesen Prozess eingebunden zu werden. Die Kantone unterstützten die Stossrichtung des VE. Insbesondere stimmten sie folgenden Punkten zu: Der Abschaffung des Anhörungsbegriffs, der Ablösung des schriftlichen durch das elektronische Vernehmlassungsverfahren, der Begründungspflicht bei Fristverkürzung und bei den konferenziellen Verfahren, der Verlängerung der dreimonatigen Mindestfrist bei Ferien- und Feiertagen sowie der verbesserten Transparenz im Verfahren. Dennoch betrachteten die KdK, sowie jeweils zahlreiche einzelne Kantone einige Punkte kritisch und beantragten dazu zum Teil konkrete Änderungen des Gesetzestextes:

13

­

Ausnahmen von der Pflicht, Vernehmlassungen durchzuführen (Art. 3 Abs. 3 VE): Die Ausnahmen sollen abschliessend im Gesetz geregelt (und teilweise gestrichen) werden.

­

Einschränkung des Adressatenkreises (Art. 4 Abs. 4 VE): Eine solche soll nicht möglich sein im Fall von Vernehmlassungen zu Verordnungen, die die Kantone besonders betreffen.

­

Eröffnung der Vernehmlassungen (Art. 5 Abs. 1 VE): Alle gesetzlich zwingend durchzuführenden Vernehmlassungen sind durch den Bundesrat zu eröffnen. Sonst ist zu befürchten, dass Anhörungsmechanismen durch die «Hintertür» wieder eingeführt werden. Die Departemente sollen nur Vernehmlassungen eröffnen, die nicht obligatorisch sind.

Der Ergebnisbericht ist publiziert auf: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2012 > Bundeskanzlei

8888

­

Form und Fristen (Art. 7 Abs. 1 und 2 VE): Die Kantone sind mehrheitlich für die Ablösung des schriftlichen durch das elektronische Verfahren. Sie schlagen vor, die Verlängerung über Ferien und Feiertage grosszügiger zu handhaben.

­

Durchführung konferenzieller Verfahren (Art. 7 Abs. 3 und 6 VE): Ein konferenzielles Verfahren kommt nur dann in Frage, wenn Dringlichkeit gegeben ist und eine blosse Fristverkürzung nicht zum Ziel führt.

­

Aufnahme, Gewichtung und Auswertung der Stellungnahmen (Art. 8 VE): Im Gesetz soll festgehalten werden, dass den Stellungnahmen der Kantone bei Vorhaben, die wesentlich die Interessen der Kantone betreffen oder von diesen vollzogen werden, besonderes Gewicht zukommt.

In prozeduraler Hinsicht waren die Kantone der Auffassung, dass sie schon bei der Erarbeitung der VE-VlG hätten einbezogen werden müssen und erwarten einen frühzeitigen Einbezug in die Revision der Vernehmlassungsverordnung (VlV).

Weiter machten sie mit Verweis auf die Bundesverfassung, das Sprachengesetz und das Publikationsgesetz geltend, dass die sprachlichen Aspekte im VlG stärker berücksichtigt werden sollten (rechtzeitige Verfügbarkeit der Vernehmlassungsunterlagen in allen Amtssprachen).

Eingaben von Parteien, gesamtschweizerischen Dachverbänden der Gemeinden, Städte und Berggebiete, gesamtschweizerischen Dachverbänden der Wirtschaft, interessierten Organisationen und ausserparlamentarischen Kommissionen Die 7 politischen Parteien (BDP, CVP, EVP, FDP, GRÜNE, SPS und SVP), welche ihre Stellungnahmen abgegeben haben, begrüssten mehrheitlich die punktuellen Anpassungen und die damit verbundenen Verbesserungen des Vernehmlassungsverfahrens. Die Parteien hatten dennoch einige Ergänzungen und kritische Bemerkungen zur Vorlage. Die BDP begrüsste zwar die Vorlage, zweifelte jedoch an der Notwendigkeit der Revision. Die Stossrichtung der Vorlage wurde auch in den eingegangenen Stellungnahmen der schweizerischen Dachverbände der Gemeinden, Städte und Berggebiete, der Dachverbände der Wirtschaft und der Organisationen befürwortet. Die Stellung nehmenden ausserparlamentarischen Kommissionen (APK) stimmten den Änderungen grundsätzlich zu, wollten jedoch in den ständigen Kreis der Vernehmlassungsadressaten aufgenommen werden.

Die Schwerpunkte aller eingegangenen Stellungnahmen lassen sich in folgende sechs Themenbereiche unterteilen: ­

Beschränkung des Vernehmlassungsverfahrens auf wichtige Erlasse (Art. 3 VE): Der SAV lehnte die Beschränkung des Vernehmlassungsverfahrens auf wichtige rechtsetzende Bestimmungen grundsätzlich ab und schlug folgende Umschreibung vor: «Gesetzesvorlagen (...) im Sinne von Art. 164 Abs. 1 der Bundesverfassung (...)». In diese Richtung gingen auch die Meinungen von economiesuisse und scienceindustries.

­

Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren (Art. 3 Abs. 3 VE): Die CVP verlangte, dass nur in ausserordentlichen Einzelfällen und aufgrund sachlich begründeter Dringlichkeit ausnahmsweise auf die Durchführung einer VL verzichtet werden darf. Die SVP beantragte, dass in keinem Fall auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden darf. Der SGV beantragte, die Ausnahmen nach denen auf eine VL verzichtet werden kann, abschliessend 8889

zu regeln. Der SAV, santésuisse, der SVV und economiesuisse teilten diese Auffassung.

­

Teilnahme am Vernehmlassungsverfahren und Einschränkung des Adressatenkreises (Art. 4 VE): Die FDP, Gemeindeverband sowie der Städteverband waren gegen die Möglichkeit, den Adressatenkreis einzuschränken.

Die GRÜNE Partei, die SPS sowie 2 Organisationen (SGV, Verband Schweizerischer Elektro-Installationsfirmen [VSEI]), verlangten, dass bei der Einschränkung des Adressatenkreises nach Artikel 4 Absatz 4 VE-VlG die Begründung schriftlich und nachvollziehbar kommuniziert wird. Die APK, welche sich im Rahmen der VL geäussert hatten, verlangten ausnahmslos in den Kreis der ständigen Adressaten aufgenommen zu werden.

Sie werden unterstützt von 3 Organisationen (KVschweiz, SGB, VSEI). Der Städteverband forderte, dass die Städte und Gemeinden zu allen Vorhaben zur Stellungnahme eingeladen werden.

­

Konferenzielle Vernehmlassungsverfahren (Art. 7 Abs. 3 Bst. b, Abs. 5 und 6 VE): Der SAV sprach sich für die Durchführung von konferenziellen Vernehmlassungen aus, jedoch nur in Fällen von klar begründeter und absoluter Dringlichkeit. Ähnlich äusserten sich 2 weitere Organisationen (economiesuisse, Schweizer Apothekerverband [pharmasuisse]). 4 Parteien (SVP, FDP, GRÜNE, EVP) sowie 6 Organisationen (SAB, Gemeindeverband, KVschweiz, SGB, VSE, swisspower) sprachen sich generell gegen konferenzielle Verfahren aus.

­

Fristen (Art. 7 VE): Die CVP forderte, dass die im Gesetzesentwurf vorgesehenen Vorgaben zur Fristverkürzung in der Praxis auch konsequent durchgeführt werden. Die FDP rügte den inflationären Umgang mit Fristverkürzungen in der bisherigen Praxis. Die SPS und zwei Organisationen (Centre Patronal, SGB) beantragten grosszügigere Fristverlängerungen. Die Regelung der Fristerstreckung über Ferien- und Feiertage wurde vom SVV abgelehnt, der geltende Recht bevorzugte. Die SVP und der SVV schlugen vor, dass bei Fristverkürzungen eine Mindestfrist von 2 Monaten eingeführt wird.

1.5.2

In der Vernehmlassung angesprochene Kernthemen und wichtigste Änderungen gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf

Zu den im Vernehmlassungsverfahren angesprochenen Kernthemen nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung: Katalog der Ausnahmen von der Pflicht, eine Vernehmlassung durchzuführen Der im VE-VlG vorgesehene Katalog möglicher Ausnahmen von der obligatorischen Durchführung einer Vernehmlassung wurde von den Vernehmlassungsadressaten unterschiedlich beurteilt. Der Bundesrat vertritt den Standpunkt, dass es in der Praxis gute Gründe dafür gibt, in bestimmten Einzelfällen eine Ausnahmeregelung im Gesetz zu verankern. Nach Prüfung der Ergebnisse schlägt er nun eine abschliessende Liste von klar umschriebenen Tatbeständen vor.

8890

Teilnahme an Vernehmlassungen und Möglichkeit einer Einschränkung des Adressatenkreises Wie in der Vernehmlassung gefordert, sollen die ausserparlamentarischen Kommissionen aufgrund ihrer Aufgabe und ihrer Fachkenntnisse als Teilnehmende angeschrieben und in die Liste der weiteren Adressaten aufgenommen werden.

Der Bundesrat ist aber der Meinung, dass der Adressatenkreis insbesondere bei fakultativen Vernehmlassungen eingeschränkt werden soll. Hingegen sind die Kantone bei obligatorischen Vernehmlassungen (Art. 3 Abs. 1 E-VlG) immer zu begrüssen.

Eröffnung von Vernehmlassungen Die Kompetenz zur Eröffnung von Vernehmlassungen, die nach dem Entwurf fakultativ sind, soll nach der Meinung des Bundesrats an das zuständige Amt delegiert werden können. Diese Arbeitsteilung entspricht der heutigen Arbeitsweise und Organisation einiger Departemente und sollte daher nicht ohne Not geändert werden.

Durchführen von konferenziellen Verfahren Nach Prüfung der Ergebnisse aus der Vernehmlassung und aufgrund der Empfehlung 3 der GPK-N (Ziff. 1.2.3) kommt der Bundesrat auf seinen Standpunkt (vgl.

Ziff. 1.3.3.) zurück und beantragt nun eine Abschaffung des ausschliesslich konferenziellen Verfahrens. Er schlägt hingegen eine Ergänzung zum Vernehmlassungsverfahren vor: Das Vernehmlassungsverfahren kann durch ein mündliches Verfahren ergänzt werden.

1.6

Begründung und Bewertung der beantragten Neuregelung

1.6.1

Massnahmen zur Transparenz der Ergebniskommunikation

Sowohl der Bericht der GPK-N als auch der Bericht der Arbeitsgruppe BundKantone zur Umsetzung des Bundesrechts verlangen Massnahmen zur Verbesserung der Transparenz der Ergebniskommunikation. Diese sollen primär die Transparenz im Bereich der heutigen Anhörungen verbessern.

Mit Artikel 8 Absatz 2 der hier beantragten Änderung des Vernehmlassungsgesetzes (E-VlG) wird die Pflicht zur Erstellung eines Ergebnisberichts für alle Vernehmlassungen klarer als im bisherigen Artikel 10 Absatz 2 VlG festgehalten (vgl. die entsprechenden Erläuterungen unten). In der Verordnung wird die bisherige Regelung zu Information und Veröffentlichung des Ergebnisberichts (Art. 21 VlV) künftig auch für die Vernehmlassungen der Departemente gelten.

Im Rahmen der Ausarbeitung der Verordnung wird dann auch festzulegen sein, wie die federführenden Verwaltungsstellen dazu verpflichtet werden sollen, den Vernehmlassungsadressaten über die Berücksichtigung ihrer Eingaben im weiteren Verfahren Auskunft zu geben. Bei Botschaften zu Erlassentwürfen ergibt sich die entsprechende Pflicht aus Artikel 141 Absatz 2 Buchstabe c des Parlamentsgesetzes

8891

vom 13. Dezember 200214 (ParlG). Im Rahmen einer geplanten Revision des Publikationsrechts15 soll überdies die Möglichkeit geschaffen werden, dass künftig Erläuterungen zu Bundesratsverordnungen an zentraler Stelle publiziert werden. Auf Verordnungstufe wird dabei genauer zu regeln sein, zu welchen Verordnungen solche Erläuterungen zu publizieren sind, in welchen Amtssprachen sie zu publizieren sind und wie die Qualität dieser Texte sichergestellt werden kann. In diesem Zusammenhang kann ohne Weiteres auch vorgesehen werden, dass diese Erläuterungen ­ gleich wie die Botschaften bei ans Parlament gerichteten Erlassentwürfen ­ Auskunft über die Berücksichtigung von Vernehmlassungsstellungnahmen geben müssen. Für weitere Vernehmlassungsgegenstände kann eine allgemein gehaltene diesbezügliche Verpflichtung vorgesehen werden.

Weitere Anpassungen im Sinne einer verbesserten Transparenz der Ergebniskommunikation werden sich auf Verordnungsebene auch aus der Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe Bund-Kantone (vgl. Ziff. 1.1 oben) ergeben. Die Arbeitsgruppe hat empfohlen, in der VlV eine Verpflichtung vorzusehen, dass im Ergebnisbericht der Umsetzung von geplanten Erlassen ein besonderes Kapitel gewidmet wird.

1.6.2

Verzicht auf das konferenziell durchgeführte Verfahren

Der Bundesrat anerkennt die Mängel des konferenziell durchgeführten Verfahrens wie faktische Beschränkung der Teilnehmenden, zu kurze Fristen aufgrund der Dringlichkeit, erheblicher organisatorischer Aufwand16. Nach Abwägung der Vorund Nachteile und in Kenntnis der Vernehmlassungsergebnisse hat er beschlossen, auf das ausschliesslich konferenzielle Verfahren (Art. 7 Abs. 3 Bst. b und Abs. 4 VlG) zu verzichten17. Er ist aber der Auffassung, dass die Vorteile und die Flexibilität des mündlichen Verfahrens dennoch beibehalten werden sollten: Das mündliche Verfahren soll daher als mögliche Ergänzung zum schriftlichen Verfahren im Gesetz vorgesehen werden (Art. 7 Abs. 2 E-VlG).

Der Bundesrat sieht den Vorteil eines mündlichen Meinungsaustausches primär darin, dass ein unmittelbarer Austausch mit den interessierten Kreisen ermöglicht wird (im Sinne eines «Hearings» oder eines «runden Tisches»). Der direkte Kontakt mit den interessierten Kreisen kann wesentlich zu einer konstruktiven Diskussion und damit zu einer schnelleren Problemlösung beitragen. Indem der mündliche Austausch lediglich ergänzend zum schriftlichen Verfahren hinzutritt, wird gewährleistet, dass die «Auftritte» einzelner Interessenvertreter kein unverhältnismässig grosses Gewicht erhalten.

Die Palette der verfügbaren Instrumente des Austausches mit interessierten Kreisen soll nicht ohne Not eingeschränkt werden. Wo es primär um die Beschaffung von verwaltungsexternem Sachwissen und Grundlageninformationen geht und der Kreis

14 15 16 17

SR 171.10 Vgl. die Botschaft vom 28. August 2013 zur Änderung des Publikationsgesetzes, BBl 2013 7057.

Vgl. auch PVK-Bericht, Ziff. 3.13, BBl 2012 2361, hier 2384.

Vgl. auch Stellungnahme der GPK-N vom 19. Juni 2012, Ziff. 3.3; BBl 2013 6259.

8892

der Betroffenen relativ klein und klar definiert ist, kann ein mündlicher Austausch neben dem schriftlichen Konsultationsverfahren zu mehr Klarheit führen.

Dass das mündliche Verfahren auch gewisse Nachteile aufweist, ist nicht zu bestreiten. Der Kreis der Teilnehmenden ist zwangsläufig auf eine kleine Anzahl begrenzt.

Der Aufwand für die Durchführung eines ergänzenden mündlichen Meinungsaustauschs ist relativ hoch, namentlich für die Vorbereitung und Durchführung sowie die Nachbearbeitung (Protokollerstellung). Doch der Bundesrat erachtet den im Einzelfall zu erzielenden Gewinn (z. B. Berücksichtigung von neuen Tatsachen) als höher als die erwähnten Nachteile. Diese werden zudem stark gemildert, weil das mündliche Verfahren nach dem vorliegenden Entwurf ausdrücklich ergänzenden Charakter hat.

1.6.3

Vereinheitlichung des Verfahrens

In der Vergangenheit hat sich als problematisch erwiesen, dass die Vernehmlassungsgesetzgebung die Anhörungen nur in wenigen Bestimmungen regelt. Dadurch bestehen verwaltungsintern und offensichtlich auch bei den Adressaten gewisse Unsicherheiten. Soll der Kritik Rechnung getragen werden, die im Bericht der GPKN (und im PVK-Bericht) bezüglich der Anhörungen erhoben wurde (insb. hinsichtlich Fristen und Transparenz der Ergebniskommunikation), so drängt sich eine klarere Regelung des Verfahrens auf.

Nachdem sich gezeigt hat, dass bereits der an sich deutliche terminologische Unterschied zwischen Vernehmlassung und Anhörung kaum zur Kenntnis genommen wird, gelangt der Bundesrat zum Schluss, dass ein weitgehend vereinheitlichtes Verfahren gegenüber einer differenzierten Regelung von verschiedenen Kategorien von Konsultationsverfahren wesentliche Vorteile hat. Es wird damit klar festgehalten, was eigentlich schon heute Praxis ist. Damit wird die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben für alle Beteiligten vereinfacht.

Punktuell wird eine Anpassung des Verfahrens der departementalen Vernehmlassungen an deren besondere Ausrichtung vorgesehen (Beschaffung von verwaltungsexternem Fachwissen und Grundlageninformationen; vgl. dazu die nachstehenden Ausführungen zu Art. 3 Abs. 2 E-VlG).

Eine Alternative würde darin bestehen, die verfahrensmässigen Anforderungen an die Anhörungen beziehungsweise an die departementalen Vernehmlassungen stärker zu lockern. Das würde bedeuten, dass der Verwaltung grosses Ermessen hinsichtlich der Form, der Frist und der Adressaten zukommen müsste. Damit könnte die Anhörung in Richtung eigentlicher «Hearings» entwickelt und deren Vorteile (Flexibilität, Direktheit, Schnelligkeit, Beschränkung auf Kernbotschaften) optimal genutzt werden. Im PVK-Bericht wurde indessen bereits deutliche Kritik geübt an der heutigen Praxis, die stark an den für die Vernehmlassungen geltenden Regeln orientiert ist. Daher scheint dieser Weg kaum gangbar. Geht es darum, spezifisch Informationen zu den «Realien der Gesetzgebung» oder zu detailbezogenen Umsetzungsfragen zu beschaffen, so wird generell die Ergänzung des Vernehmlassungsverfahrens durch (vor- oder nachgelagerte) gezielte Konsultationen die sinnvollste Lösung sein.

Die GPK-N hat in ihrer Stellungnahme besonderes Gewicht auf Massnahmen zur Kommunikation der Verfahrensregeln und insbesondere von Verfahrensunterschieden gegenüber den Vernehmlassungsadressaten gelegt (vgl. Ziff. 1.4 oben). Hierzu 8893

wird die Bundeskanzlei das entsprechende Internetangebot anpassen (z.B. eine Ergänzung um eine Sammlung «Häufig gestellter Fragen» zum Vernehmlassungsrecht). Eine weitere Möglichkeit, die Kenntnis des Vernehmlassungsrechts bei den interessierten Kreisen zu verbessern, ist die Erweiterung des bisher an die Verwaltung gerichteten Angebots der Bundeskanzlei, entsprechende Ausbildungsveranstaltungen durchzuführen.

Im Übrigen ist aber auch an die Eigenverantwortung der Vernehmlassungsteilnehmer zu erinnern: Kantone und weitere Organisationen, die regelmässig an solchen Verfahren teilnehmen, verfügen über entsprechend qualifiziertes Personal. Von ihnen kann daher verlangt werden, dass sie sich auch aktiv über die Rahmenbedingungen des Verfahrens informieren. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass es sich beim Vernehmlassungsverfahren von der Konzeption und der gelebten Praxis her nicht um ein Bürgerbeteiligungsverfahren, sondern um den Einbezug sachlich interessierter und grundsätzlich fachkundiger Kreise handelt. Die Vernehmlassungsgesetzgebung ist überschaubar, allgemein verständlich und durch Hilfsmittel erschlossen (insbesondere liegt eine Kommentierung dazu vor). Es ist den an Vernehmlassungen teilnehmenden Kreisen daher durchaus zuzumuten, dass sie die zur Verfügung stehenden Informationen aktiv nutzen und, wenn Unklarheiten bestehen, mit den für die Durchführung der Vernehmlassung oder für die Vernehmlassungsgesetzgebung zuständigen Bundesstellen Kontakt aufnehmen.

1.7

Umsetzung

Die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen erfolgt durch die an der Vorbereitung und Durchführung der Vernehmlassungsverfahren beteiligten Bundebehörden. Verwaltungsexterne Vollzugsträger sind nicht betroffen.

Im Rahmen der Umsetzungsmassnahmen ist der Kommunikation der erfolgten Änderungen an die wichtigsten Vernehmlassungsadressaten besonderes Gewicht beizumessen (vgl. auch Ziff. 1.5).

1.8

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die vorliegenden Botschaft erstattet Bericht zu den von der GPK-N mit ihren drei Postulaten (vgl. Ziff. 1.4) erteilten Prüfaufträgen. Mit der Botschaft wird daher beantragt, die Postulate abzuschreiben.

2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Der vorliegende Gesetzesentwurf (E-VlG) soll die Massnahmen umsetzen, die der Bundesrat als Reaktion auf die Empfehlungen der GPK-N beschlossen hat. Zugleich bietet er auch Gelegenheit, um einige Präzisierungen in das VlG aufzunehmen und gewisse Vorschriften aus dem geltenden Verordnungsrecht in das Gesetz zu überführen.

8894

Art. 1

Aufhebung der Bestimmung über den Geltungsbereich

Der im geltenden Absatz 2 verankerte Grundsatz, wonach das Gesetz auf alle Vernehmlassungen Anwendung findet, die vom Bundesrat oder von einer parlamentarischen Kommission eröffnet werden, ist angesichts der vorgesehenen Vereinheitlichung aller Vernehmlassungsverfahren gegenstandslos, denn es soll keine Anhörung mehr nach Artikel 10 VlG geben. Wer eine Vernehmlassung eröffnen kann, ist im revidierten Artikel 5 abschliessend geregelt. Artikel 1 Absatz 2 ist daher aufzuheben.

Durch den Wegfall von Absatz 2 ist Artikel 1 weitgehend inhaltslos geworden. Dass das Vernehmlassungsgesetz die Grundzüge des Vernehmlassungsverfahrens regelt (so der Inhalt des geltenden Abs. 1) ergibt sich bereits aus dem Titel des Gesetzes.

Die Bestimmung kann daher ganz aufgehoben werden.

Art. 3

Gegenstand des Vernehmlassungsverfahrens

Artikel 3 soll eine neue Struktur erhalten; er wird entsprechend der Neuregelung der Vernehmlassungsverfahren redaktionell überarbeitet und ergänzt. Absatz 1 listet die Vorhaben auf, bei denen eine Vernehmlassung zwingend durchgeführt werden muss (obligatorisches Vernehmlassungsverfahren; bisheriges Recht: Art. 3 VlG). Artikel 3 Absätze 1 Buchstaben a­c und 2 des geltenden Rechts werden redaktionell angepasst. Der geltende Absatz 2 wird in die neuen Buchstaben d und e eingebaut. In der folgenden Synopse zu Artikel 3 wird zum besseren Verständnis der Gesetzesänderung das geltende VlG dem E-VlG gegenübergestellt.

Geltendes VlG

E-VlG

Art. 3 Gegenstand des Vernehmlassungsverfahrens

Art. 3 Gegenstand des Vernehmlassungsverfahrens

Ein Vernehmlassungsverfahren findet statt bei der Vorbereitung von:

1

1

Ein Vernehmlassungsverfahren findet statt bei der Vorbereitung von:

a.

Verfassungsänderungen;

a.

Verfassungsänderungen;

b.

Gesetzesbestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 Buchstaben a­g der Bundesverfassung;

b.

Gesetzesvorlagen, die wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 der Bundesverfassung enthalten;

c.

völkerrechtlichen Verträgen, die nach den Artikeln 140 Absatz 1 Buchstabe b und 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung dem Referendum unterliegen oder wesentliche Interessen der Kantone betreffen.

c.

völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b oder nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung dem Referendum unterliegen oder wesentliche Interessen der Kantone betreffen;

d.

Verordnungen und anderen Vorhaben, die von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite sind;

8895

e.

Zu anderen Vorhaben wird ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt, wenn sie von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite sind oder wenn sie in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden.

2

Verordnungen und anderen Vorhaben, die nicht unter Buchstabe d fallen, aber einzelne oder alle Kantone in erheblichem Mass betreffen oder in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden.

Eine Vernehmlassung kann auch bei Vorhaben durchgeführt werden, die keine der Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen.

2

Ein Vernehmlassungsverfahren zu Verordnungserlassen wird bei den Kantonen durchgeführt, wenn sie in erheblichem Mass betroffen sind.

3

Abs. 1 Bst. d Im PVK-Bericht18 wird dargelegt, dass die Durchführung einer Vernehmlassung bei wichtigen Verordnungen in der Praxis nicht immer gewährleistet ist. Als Beispiel dazu wird die Passivrauchschutzverordnung vom 28. Oktober 200919 erwähnt, bei der eine Vernehmlassung hätte durchgeführt werden müssen, weil das Vorhaben gemäss der grossen Mehrzahl der Befragten in erheblichem Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen wird, von grosser politischer, finanzieller und wirtschaftlicher Tragweite ist und die Kantone davon in erheblichem Mass betroffen sind (Art. 3 Abs. 2 und 3 VlG). Der geltende Wortlaut von Artikel 3 Absatz 2 VlG umschreibt abstrakt, dass bei anderen Vorhaben von grosser politischer Tragweite eine Vernehmlassung durchzuführen ist. Absatz 2 dient als Auffangtatbestand für wichtige Vorhaben, die nicht unter die in den Absätzen 1 Buchstaben a­c und 3 aufgeführten Gegenstände fallen. Dazu gehören auch Verordnungen mit erheblicher politischer Bedeutung oder wichtigen Ausführungsbestimmungen, beispielsweise im Ausländer- und Asylbereich, im Bereich Strassenverkehr, zur Preisbekanntgabe oder im Bereich der beruflichen Vorsorge20. Da der Begriff der Verordnung in dieser Bestimmung nur implizit enthalten ist, soll die Aufzählung der in Absatz 1 aufgelisteten Gegenstände mit den wichtigen Verordnungen ergänzt werden. Dies entspricht auch dem Konzept von Artikel 147 der Bundesverfassung21 (BV), wonach unter anderem zur «Vorbereitung wichtiger Erlasse» die Kantone, die politischen Parteien und die interessierten Kreise zur Stellungnahme eingeladen werden22.

18 19 20 21 22

BBl 2012 2361, Ziff. 3.3.1, S. 2388 ff.

SR 818.311 BBl 2004 533, hier 549 SR 101 Sägesser, Die Bundesbehörden, Kommentar zu Art. 147 BV, Ziff. 115.

8896

Der erste Teil der «Auffangnorm» des geltenden Absatzes 2 wird in Absatz 1 Buchstabe d E-VlG aufgenommen. Zur Klarstellung des Gesetzeswortlautes werden neu auch die wichtigen Verordnungen im Wortlaut ausdrücklich erwähnt: Ein Vernehmlassungsverfahren findet nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe d E-VlG auch statt bei der Vorbereitung von Verordnungen, die von grosser politischer, finanzieller, wirtschaftlicher, ökologischer, sozialer oder kultureller Tragweite sind.

Abs. 1 Bst. e Nach dem geltenden Wortlaut (Art. 3 Abs. 3 VlG) wird bei den Kantonen zu Verordnungen eine Vernehmlassung durchgeführt, wenn sie in erheblichem Mass betroffen sind. Es wird nun vorgeschlagen, die beiden Gegenstände ­ Verordnungen nach Absatz 3 und andere Vorhaben, die ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden ­ unter Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e E-VlG zusammenzuführen.

Damit wird auch bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen Vorhaben, welche die Kantone in erheblichem Mass betreffen oder in erheblichen Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden, eine Vernehmlassung zwingend vorgeschrieben.

Abs. 2

Fakultative Durchführung einer Vernehmlassung

Aus der Evaluation der PVK ergibt sich, dass die Unterscheidung zwischen Anhörungen und Vernehmlassungen von den Adressaten schlecht wahrgenommen wird23.

Weiter gelangt die PVK in ihrem Bericht zum Ergebnis, dass die Abgrenzung des Begriffs der Anhörung zu den Vernehmlassungen und zu anderen Formen des Einbezugs verwaltungsexterner Kreise unklar ist24. Der Bundesrat hat sich für die Umsetzung der Empfehlung 5a der GPK-N entschieden und die folgenden Massnahmen beschlossen25: ­

Es soll nur noch die eine Kategorie der «Vernehmlassung» beibehalten werden. Vernehmlassungen werden je nach Gegenstand in der Regel entweder vom Bundesrat oder vom Departement eröffnet (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. a und b E-VlG). Das Departement kann zu seiner Entlastung bei Vorhaben von untergeordneter Bedeutung die Kompetenz zur Eröffnung solcher Verfahren an die zuständige Verwaltungseinheit übertragen (vgl. Art. 5 Abs. 2 E-VlG).

­

Das Verfahren soll vereinheitlicht werden: Für die beiden Verfahren sollen grundsätzlich die gleichen Regeln hinsichtlich Bekanntmachung, Frist, Öffentlichkeit und Transparenz gelten.

­

Nachgeordnete Verwaltungseinheiten können Vernehmlassungsverfahren über ihre Vorhaben eröffnen, soweit sie über eine delegierte Rechtsetzungsbefugnis verfügen (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. c E-VlG).

Für spezialgesetzlich geregelte «Anhörungen», soweit diese ausserhalb des Anwendungsbereiches von Artikel 3 fallen, gilt das VlG nicht. Das Gleiche gilt für das Mitwirkungsrecht der Kantone nach Artikel 45 BV26.

23 24 25 26

BBl 2012 2361, hier 2394, Ziff. 3.6 PVK-Bericht Ziff. 4.1 (BBl 2012 2361, hier 2396) STN-BR zu E. 5a (BBl 2012 2409, hier 2415) Vgl. dazu Sägesser, Kommentar VlG, Art. 1, Rz. 38­40

8897

Gleichzeitig schreibt Artikel 147 BV vor, dass ein Vernehmlassungsverfahren nicht zu jeder untergeordneten Angelegenheit, sondern nur bei wichtigen Erlassen, wichtigen völkerrechtlichen Verträgen und anderen Vorhaben von grosser Tragweite durchzuführen ist. Wie der Bundesrat bereits in der Botschaft vom 21. Januar 200427 erwähnt hat, steckt dahinter «die Idee, Verwaltung und Adressaten zu entlasten und ihnen eine Konzentration auf wesentliche Vorlagen zu ermöglichen. Die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens ist mit hohem Aufwand für sämtliche Beteiligten verbunden.» Wie bereits im geltenden Artikel 10 VlG stellt Artikel 3 Absatz 2 E-VlG in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b E-VlG klar, dass es bei Vorhaben von untergeordneter Bedeutung im Ermessen des zuständigen Departements liegt zu entscheiden, ob es ein Vernehmlassungsverfahren durchführen oder ob es Dritte auf anderem Weg in die Meinungsbildung und Entscheidfindung einbeziehen will. So sollen zu Vorhaben, die einen betont technischen oder administrativen Inhalt zum Gegenstand haben, anstelle von Vernehmlassungsverfahren auch andere Formen und Instrumente für die Konsultation und Mitwirkung Dritter an Vorhaben des Bundes oder für Diskussionen zwischen Bundesbehörden und Aussenstehenden weiterhin möglich und zulässig sein28. Vielfach geht es dabei auch um eine Form von Mitwirkungsverfahren, bei denen untergeordnete Verwaltungsstellen neue Ideen testen und Lösungen vorbereiten, ohne dass der Bundesrat oder das zuständige Departement sich bereits festlegen wollen. Es handelt sich dabei in der Praxis ausserdem häufig um Routinegeschäfte, die von geringem Umfang und geringer Komplexität sind oder bei denen ein beschränkter Kreis von Fachstellen oder Expertinnen und Experten sich zu technischen oder administrativen Vorhaben äussern soll. Dazu wird heute oft noch die Form eines Anhörungsverfahrens gewählt, obwohl dies nicht erforderlich ist.

Dasselbe gilt für informelle Konsultationen, die während der Ausarbeitung eines Vorentwurfs vor der eigentlichen Vernehmlassung durchgeführt werden. Dabei handelt es sich um informelle Kontakte, bei denen mit Fachstellen, Kantonsvertretern, Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts oder ausserparlamentarischen Kommissionen die Grundsätze eines Vorhabens des Bundes besprochen werden29.

Art. 3a

Verzicht auf eine Vernehmlassung

Nach dem geltenden Artikel 2 Absatz 2 VlG soll das Vernehmlassungsverfahren Aufschluss geben über die sachliche Richtigkeit, die Vollzugstauglichkeit und die Akzeptanz eines Vorhabens des Bundes. Artikel 3 VlG regelte bisher nur, wann ein Vernehmlassungsverfahren stattfinden muss. Nach Artikel 3a E-VlG soll nun neu auf ein Vernehmlassungsverfahren in bestimmten Fällen verzichtet werden können.

Der Verzicht ist im Antrag an den Bundesrat und gegebenenfalls in der Botschaft sachlich zu begründen (siehe Einleitungssatz). Die Aufzählung der möglichen Gründe ist abschliessend.

27 28 29

BBl 2004 533, hier 556 BBl 2004 533, hier 539 und 546 BBl 1998 1988

8898

Nach Buchstabe a kann eine Gesetzesvorlage mit dringendem Handlungsbedarf (beschleunigtes Verfahren nach Art. 85 Abs. 2 ParlG) oder ein Gesetzesentwurf, dessen Inkrafttreten keinen Aufschub duldet und der auf Antrag des Bundesrates oder einer parlamentarischen Kommission nach Artikel 165 Absatz 1 BV durch die Bundesversammlung als dringlich erklärt werden soll, von der Durchführung einer Vernehmlassung ausgenommen werden. Bei Vorhaben, deren Inkrafttreten voraussichtlich dringlich erklärt werden soll, ist die zuständige parlamentarische Kommission vorgängig anzuhören. Das Gleiche gilt für einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen Ratifizierung keinen Aufschub duldet.

Der Verzicht auf die Durchführung einer Vernehmlassung in diesen Fällen entspricht bereits gängiger Praxis und soll daher in das Gesetz aufgenommen werden.

Beispiele dafür sind: ­

Bundesgesetz vom 30. September 201130 über Massnahmen zur Abfederung der Frankenstärke und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit

­

Bundesgesetz vom 25. September 200931 über befristete konjunkturelle Stabilisierungsmassnahmen in den Bereichen des Arbeitsmarkts, der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der Kaufkraft

­

Änderung vom 30. September 201132 des Bankengesetzes (Stärkung der Stabilität im Finanzsektor; too big to fail)

Auf eine Vernehmlassung kann nach Buchstabe b verzichtet werden, wenn das Vorhaben vorwiegend die Organisation oder das Verfahren von Bundesbehörden oder die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundesbehörden betrifft. Diese Bestimmung wurde initiiert durch die parlamentarische Initiative der Staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-S) vom 22. März 201033 zur Verbesserungen der Organisation und der Verfahren des Parlamentes. In dieser parlamentarischen Initiative wurde ein neuer Artikel 3 Absatz 1bis VlG mit folgendem Wortlaut vorgeschlagen34: Auf ein Vernehmlassungsverfahren kann verzichtet werden, wenn das Vorhaben vorwiegend die Organisation oder das Verfahren von Bundesbehörden oder die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bundesbehörden betrifft.

1bis

Die Bestimmung wurde von den eidgenössischen Räten am 20. Juni 201335 so beschlossen. Daher ist sie aufgrund der mit der vorliegenden Änderung erfolgenden systematischen Anpassungen an dieser Stelle einzufügen.

Der Bundesrat eröffnet nach konstanter Praxis eine Vernehmlassung zu Gesetzesvorhaben nur dann, wenn es Aufschluss geben kann über die sachliche Richtigkeit, die Vollzugstauglichkeit sowie die Akzeptanz eines Vorhabens des Bundes und wenn die Voraussetzungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b VlG erfüllt sind36.

30 31 32 33 34 35 36

AS 2011 4497 AS 2009 5043 AS 2011 811 Pa.Iv. 10.440, BBl 2011 6793, hier 6820 BBl 2011 6823, hier 6826 BBl 2013 4735, Ziff. III BBl 2011 6829, hier 6834

8899

Kann er aber nach ständiger Praxis bei einem Vorhaben eindeutig davon ausgehen, dass keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf die sachliche Richtigkeit, die Vollzugstauglichkeit und die Akzeptanz eines Gesetzesentwurfs gewonnen werden können, so verzichtet er auf die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens. Diese Praxis soll nun in den Buchstaben c gesetzlich geregelt werden37. Ein Verzicht auf eine Vernehmlassung nach Buchstabe c kann erwogen werden, wenn keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise allgemein und der zuständigen Behörde bekannt sind. Dies gilt insbesondere, weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt wurde oder die konkrete Gesetzesvorlage offenkundig breite Akzeptanz findet.

Ein Verzicht auf eine Vernehmlassung zu dieser Kategorie ist selten und wird im Einzelfall festgelegt. Für einen Verzicht auf die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens können die folgenden Beispiele erwähnt werden: ­

Änderung vom 24. März 200638 des Bundesgesetzes über die Meteorologie und Klimatologie;

­

Änderung vom 23. März 200739 des Parlamentsgesetzes;

­

Änderung vom 17. Juni 201140 des Parlamentsgesetzes;

­

Änderung vom 17. Juni 201141 des ETH-Gesetzes

Wird auf die Durchführung einer Vernehmlassung gestützt auf diese Bestimmung verzichtet, so ist dieser Verzicht auf geeignete Weise zu kommunizieren, beispielsweise durch entsprechende Ausführungen in der Botschaft oder im erläuternden Bericht zur Verordnung. In der bevorstehenden Teilrevision der Vernehmlassungsverordnung ist diese Informationspflicht näher auszuführen.

Buchstabe d nimmt Bezug auf in der Schweiz allgemein akzeptierte völkerrechtliche Verträge ohne wesentlichen neuen Inhalt. Dabei müssen die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: ­

Der wesentliche Inhalt des Vertrags stimmt mit jenem früherer Verträge überein.

­

Der Vertrag gilt aufgrund einer sachlichen Einschätzung bestehender und allenfalls zukünftiger Umstände als unumstritten, d. h. als allgemein akzeptiert.

­

Die Begründung für den Verzicht auf eine Vernehmlassung wird in der Botschaft an die Bundesversammlung dargelegt.

Bei Abkommen aus folgenden thematischen Bereichen wird nach bisheriger Praxis auf eine Vernehmlassung verzichtet, wenn die soeben erwähnten Kriterien erfüllt sind: Rechtshilfeabkommen, Polizeiabkommen, Doppelbesteuerungsabkommen, Steuerinformationsabkommen und andere Fiskalabkommen, Freihandelsabkommen, Wirtschaftskooperationsabkommen ohne handelsrechtliche Präferenzen, Konventionen im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation, Sozialversicherungsabkommen, Investitionsschutzabkommen. Es ist jedoch immer im Einzelfall zu klären, 37 38 39 40 41

Vgl. Evaluationsbericht PVK, Ziff. 4.5, S. 2399 AS 2006 4881 AS 2007 4129 AS 2011 4537 AS 2011 4789

8900

ob die oben genannten Kriterien alle zutreffen. Falls nur eines der Kriterien nicht gegeben ist, muss eine Vernehmlassung durchgeführt werden.

Art. 4 Abs. 2 Bst. e und Abs. 4

Aufnahme der ausserparlamentarischen Kommissionen in die Adressatenliste und Einschränkung des Adressatenkreises

Die ausserparlamentarischen Kommissionen, die im Einzelfall aufgrund ihrer Aufgabe und ihrer Fachkenntnisse ein Interesse an eine Vernehmlassungsvorlage haben, sollen in Zukunft als Teilnehmende angeschrieben und in die Liste der weiteren Adressaten aufgenommen werden (Art. 4 Abs. 2 Bst. e E-VlG).

Bei Vorhaben, die nach ihrer Tragweite nicht als Vernehmlassungsvorhaben im Sinne von Artikel 3 Absätze 1 und 2 VlG gelten, soll in Analogie zu den bisherigen Anhörungen nur der Kreis der durch das Vorhaben direkt betroffenen Personen und Organisationen des öffentlichen oder privaten Rechts zur Stellungnahme eingeladen werden.

Einige Kantone wünschen gemäss dem PVK-Bericht, dass die Einladung auch bei den von den Departementen und der Bundeskanzlei eröffneten Vernehmlassungen an die Staatskanzleien geht, damit auch die politische Ebene informiert und eine Koordination innerhalb der Kantonsverwaltung möglich ist42. Dahingehend lautet auch eine Empfehlung der Arbeitsgruppe Bund-Kantone zur Umsetzung des Bundesrechts. Dieses Begehren wird in der Teilrevision der VlV umzusetzen sein.

Ebenso auf Verordnungsebene eingeführt werden soll die von der GPK-N verlangte Begründungspflicht bei einer Einschränkung des Adressatenkreises nach Artikel 4 Absatz 4 E-VlG und die entsprechende Pflicht zur Mitteilung an die Vernehmlassungsteilnehmenden.

Bei Vorhaben nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e kann der Adressatenkreis auf die betroffenen Vollzugsträger beschränkt werden. Hingegen sind die Kantone immer zu begrüssen, weil es sich um die obligatorische Durchführung einer Vernehmlassung handelt und einzelne oder alle Kantone direkt oder indirekt betroffen sein könnten.

Art. 5

Eröffnung

Bemerkungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens Das Vernehmlassungsverfahren wird durch den Beschluss der zuständigen Behörde eröffnet. Bei der Eröffnung von Vernehmlassungen zu bilateralen völkerrechtlichen Verträgen ist Folgendes zu beachten: Das Vernehmlassungsverfahren kann vor der Erteilung des Verhandlungsmandats oder nach der Unterzeichnung des Vertrags eröffnet werden. Es ist dabei auf die Interessen der Schweiz und die Haltung des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen.

Vor der Erteilung des Verhandlungsmandats Bei der Eröffnung vor der Erteilung des Verhandlungsmandats ist der frühe Einbezug der externen Kreise gewährleistet; durch die auf diese Weise bereits in der Verhandlung bekannten Eckpunkte kann ein Nachverhandeln vermieden werden.

42

PVK-Bericht Ziff. 3.2.3 (BBl 2012 2361, hier 2387)

8901

Hingegen kann die Öffentlichkeit des Mandats die Verhandlungsposition schwächen. Da die Vorlage zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig ist, kann die Vernehmlassung zudem mitunter zu einzelnen Punkten oder gar einer ganzen Vorlage erfolgen, die im Verlaufe der Verhandlungen dahinfallen.

Nach der Unterzeichnung Bei der Eröffnung nach der Unterzeichnung deckt sich der Vernehmlassungsgegenstand mit der tatsächlichen Vorlage. Diese ist allerdings nicht mehr verhandelbar, womit sich die Vernehmlassungsteilnehmer nur noch für oder gegen den Vertrag aussprechen können. Dennoch kann eine Vernehmlassung hier den Zweck von Artikel 2 VlG erfüllen, indem sie Aufschluss über die politische Akzeptanz eines Vorhabens gibt.

Die Beurteilung, welcher Zeitpunkt sachlich und verhandlungstaktisch angebracht ist, obliegt der zuständigen Verwaltungseinheit. Es ist jedoch sicherzustellen, dass zu einem Geschäft jeweils nur eine Vernehmlassung stattfindet.

Bemerkungen zum geänderten Art. 5 In Absatz 1 Buchstabe a wird präzisiert, zu welchen Gegenständen der Bundesrat Vernehmlassungen eröffnet: Er eröffnet die wichtigen Vernehmlassungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a­d E-VlG, die von der Verwaltung ausgehen.

Die Departemente oder die Bundeskanzlei eröffnen Vernehmlassungen zu Verordnungen und anderen Vorhaben, die nicht unter Absatz 1 Buchstabe d fallen, aber einzelne oder alle Kantone in erheblichen Mass betreffen oder in erheblichen Mass ausserhalb der Bundesverwaltung vollzogen werden, sowie zu Vorhaben, zu denen fakultativ eine Vernehmlassung durchgeführt werden kann (Art. 5 Abs. 1 Bst. b und 2 E-VlG).

Die Departemente können diese Eröffnungskompetenz (Art 3 Abs 1 Bst. e und 2 E-VlG) an die zuständige Verwaltungseinheit übertragen. (Art. 5 Abs. 2 E-VlG).

In Fällen, bei denen die Befugnis zur Rechtsetzung einer Verwaltungseinheit (Art. 6­8 RVOV) durch Gesetz übertragen worden ist, kann diese eine Vernehmlassung selber eröffnen (Art. 5 Abs. 1 Bst. c E-VlG).

Als Beispiel für die selbstständige Eröffnung von Vernehmlassungen ist das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic) zu erwähnen. Swissmedic ist eine dezentrale Verwaltungseinheit (Art. 7a Abs. 1 Bst. c, 8 Abs. 1 Bst. b und Anhang 1 Bst. B Ziff. II/2.2.3 RVOV), der nach Artikel 82 Absatz 2 des Heilmittelgesetzes vom 15. Dezember 200043 Rechtsetzungsbefugnisse
übertragen sind. Nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c E-VlG kann Swissmedic Vorhaben zu Verordnungen, die fachtechnischen Inhalts und von untergeordneter Bedeutung sind, selber eröffnen, was bereits ständiger Praxis entspricht.

Weitere dezentrale Verwaltungseinheiten wie das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) und das Eidgenössische Institut für Metrologie (METAS) haben die gesetzliche Aufgabe, die Gesetzgebung im jeweiligen Bereich vorzubereiten (Art. 2 Abs. 1 Bst. a IGEG44; Art. 3 Abs. 2 EIMG45). Es ist daher davon auszugehen,

43 44

SR 812.21 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über Statut und Aufgaben des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum; SR 172.010.31

8902

dass diese spezialisierten Verwaltungseinheiten im Rahme der Vorbereitung der entsprechenden Erlasse auch Vernehmlassungen eröffnen können , soweit es sich nicht um Erlasse nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a­d handelt (Art. 5 Abs. 1 Bst. c und 2 E-VlG).

Von den in den Jahren 2006­2012 jährlich nahezu hundert durchgeführten verwaltungsexternen Konsultationen waren etwa zwei Drittel Vorhaben von untergeordneter Tragweite. Angesichts dieser grossen Zahl sollten die Departemente und die Bundeskanzlei weiterhin derartige Konsultationen eröffnen und damit den Bundesrat entlasten.

Artikel 5 Absatz 4 E-VlG entspricht dem geltenden Artikel 5 Absatz 3 VlG (Pflicht der BK zur Koordination und zur Bekanntgabe der Vernehmlassungen). Er wird redaktionell angepasst.

Art. 6

Durchführung

Diese Bestimmung wurde redaktionell an den geänderten Artikel 5 E-VlG angepasst.

Art. 7

Form und Frist

Abs. 1

Form

Hier wird im ersten Satz «und» durch «oder» ­ im Sinne von «und/oder» ­ ersetzt.

Damit wird der Trend zu einer elektronisch durchgeführten Vernehmlassung aufgenommen, der in der Praxis zu beobachten ist. Zunehmend werden die Vernehmlassungsunterlagen in erster Linie in elektronischer Form zur Verfügung gestellt und die Stellungnahmen gehen in den allermeisten Fällen auch elektronisch ein. Das Adjektiv «schriftlich» wird gestrichen, weil es sich aus dem Zusammenhang ohnehin ergibt.

Im zweiten Satz wird eine Delegation an den Bundesrat vorgesehen. Wie oben dargelegt (Ziff. 1.1), hat der Bundesrat die Bundeskanzlei damit beauftragt, die Möglichkeit zu einer umfassenden elektronischen Durchführung von Vernehmlassungen und Anhörungen zu prüfen und dazu einen Bericht vorzulegen. Mit der hier vorgesehenen Regelung soll ermöglicht werden, ohne weitere Anpassung des Gesetzes auf die papiergestützte Durchführung von Vernehmlassungsverfahren zu verzichten, falls der Bundesrat zum Schluss kommen sollte, dass die technischen Voraussetzungen dafür vorliegen (Art. 7 Abs. 1 zweiter Satz E-VlG).

Abs. 2

Ergänzende Anhörungen

Die konferenzielle Vernehmlassung hat in verschiedenen Fällen zu Kritik Anlass gegeben46. In der Vernehmlassung verlangten zahlreiche Teilnehmende die Abschaffung dieses Instruments. Das Instrument soll daher in seiner bisherigen Form nicht weiter bestehen bleiben. Anstelle des konferenziellen Verfahrens47 wird neu in Absatz 2 vorgesehen, dass die schriftliche Konsultation durch eine oder mehrere Sitzungen mit den interessierten Kreisen ergänzt werden kann. Damit wird 45 46 47

Bundesgesetz vom 17. Juni 2011 über das Eidgenössische Institut für Metrologie; SR 941.27 Statt vieler: Bericht GPK-N, Ziff. 2.1.3 (BBl 2012 2351, hier 2355 f.)

Vgl. Sägesser, Kommentar VlG, Art. 7, Rz. 33.

8903

klargestellt, dass solche Sitzungen nur ergänzenden Charakter haben können. Dieses zusätzliche Instrument wird nicht mehr von der Dringlichkeit abhängig gemacht, da erfahrungsgemäss die heutigen konferenziellen Verfahren nicht unbedingt zu einer Zeitersparnis führen.

Durch diese Kombination wird das Vernehmlassungsverfahren optimiert (vgl. dazu Ziff. 1.5). Die Vorteile des mündlichen Austausches werden mit denjenigen des schriftlichen Verfahrens kombiniert48. Dies gilt insbesondere auch in Fällen, in denen die Vorlage keinen Aufschub duldet und die Frist nach Absatz 4 verkürzt werden muss. Damit wird die Empfehlung 3 der GPK-N umgesetzt49. Über die Sitzungen werden aus Gründen der Transparenz Protokolle geführt.

Abs. 3

Mindestfristen

Die gesetzliche Mindestfrist bei Vernehmlassungen beträgt heute drei Monate. Sie wird unter Berücksichtigung von Ferien- und Feiertagen sowie Inhalt und Umfang der Vorlage angemessen verlängert (Art. 7 Abs. 2 VlG).

Im PVK-Bericht50 werden vor allem die kurzen Fristen in der Praxis bei Anhörungen (Art. 10 VlG) kritisiert. Die PVK führt dazu aus51: «Bei allzu kurzen Fristen, die nicht nachvollziehbar begründet werden, entsteht bei ihnen (den Adressaten) der Eindruck, die verantwortliche Verwaltungsstelle sei gar nicht an einer fundierten Stellungnahme interessiert, sondern führe die Anhörung nur der Form halber durch.

Sie (die Adressaten) befürchten, dass die Meinungen schon gemacht sind und die Stellungnahmen nichts mehr ändern können. Im konkreten Fall führt dies dazu, dass die betreffende Vorlage schliesslich nicht gründlich auf ihre sachliche Richtigkeit und Vollzugstauglichkeit geprüft wird, weil die Stellungnahmen zu wenig fundiert sind oder nicht ernsthaft geprüft und verwertet werden. Unter Umständen ergeben sich dann später Probleme bei der Umsetzung. (...) Es ist bedenklich, dass verschiedene Adressaten ­ darunter insbesondere auch einige Kantone ­ angegeben haben, dass sie sich bei Anhörungen und Vernehmlassungen aufgrund der Rahmenbedingungen und kurzen Fristen teilweise nicht ernst genommen fühlen (und daher eher über andere Kanäle Einfluss zu nehmen versuchen). Die Äusserungen zeigen eine gewisse Frustration, die letztlich die Zielerreichung des Anhörungs- und Vernehmlassungsverfahren ­ die Beteiligung interessierter Kreise an der Meinungsbildung und Entscheidfindung, die Erhöhung der sachlichen Richtigkeit, Vollzugstauglichkeit und Akzeptanz von Vorhaben ­ beeinträchtigen und längerfristig zu einer Schwächung der Legitimität des Anhörungs- und Vernehmlassungsverfahrens als Instrument führen kann.» Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zur Empfehlung 5a der GPK-N52 erklärt, dass für die beiden Verfahren grundsätzlich die gleichen Regeln hinsichtlich Bekanntmachung, Frist, Öffentlichkeit und Transparenz gelten sollen. Eine Vereinheitlichung dränge sich namentlich bei den Fristen auf. In Anwendung dieses Grundsatzes wird in Artikel 7 Absatz 3 E-VlG die Angemessenheit der Verlängerung der Mindestfrist von drei Monaten konkretisiert. Ausgehend von der bisherigen Praxis zu den schriftlichen Vernehmlassungen wird eine Verlängerung von drei 48 49 50 51 52

Vgl. dazu: BBl 1998 3787, hier 3793 STN-BR zu E. 4 (BBl 2012 2409, hier 2413 f.)

Ziff. 1.1; Ziff. 3.2.2; Ziff. 3.2.4; Ziff. 3.6 (BBl 2012 2361) Ziff. 4.2 (BBl 2012 2361) STN-BR zu E. 5a (BBl 2012 2409, hier 2416)

8904

Wochen während der Sommerferien, zwei Wochen über Weihnachten und Neujahr sowie eine Woche über Ostern vorgeschlagen.

Da Beginn und Ende der Sommerferien in der Schweiz je nach Kanton und Sprachregion verschieden ist, soll das Vernehmlassungsverfahren entsprechend dem Beginn und Ende des Stillstandes der Fristen gemäss verschiedener Bundesgesetze (15. Juli­15. August) verlängert werden53.

Abs. 4

Verkürzung der Frist

Hinsichtlich Fristverkürzungen (Art. 7 Abs. 3 VlG) stellt die GPK-N ausdrücklich fest54, dass es in Ausnahmefällen zuweilen unumgänglich sei, von der gesetzlich vorgegebenen Frist abzuweichen. Sie hält indessen fest, dass ihrer Ansicht nach die Legitimität des Verfahrens geschwächt werde, wenn solche Fälle nicht begründet würden.

Eine Verkürzung der Vernehmlassungsfrist kann dann angeordnet werden, wenn das Vorhaben beispielsweise aus staatspolitischen Gründen keinen Aufschub duldet.

Dies trifft in der Regel zu, wenn das Vorhaben nicht im Einflussbereich der Schweiz steht, wie dies beispielsweise bei der Umsetzung einer ausländischen Rechtsentwicklung (z. B. Umsetzung des neuen US-Steuergesetzes FATCA) oder einer Empfehlung der EU zu einem bilateralen Abkommen der Fall sein kann. Keine Dringlichkeit liegt hingegen in denjenigen Fällen vor, in denen die Verwaltung unter Zeitdruck gerät, weil sie das Vorhaben ohne sachlich vertretbaren Grund nicht rechtzeitig in den Prozess der Vernehmlassung eingebracht hat, sodass sie die Frist nach Artikel 7 Absatz 3 E-VlG nicht einhalten kann. Die Anforderungen an die Dringlichkeit des Vorhabens sind bei einer fakultativen Durchführung einer Vernehmlassung (Art. 3 Abs. 2 E-VlG) allerdings weniger streng zu bewerten als beim Vorliegen eines Gegenstandes nach Artikel 3 Absatz 1 E-VlG.

Die Fristverkürzung ist sachlich zu begründen und den Vernehmlassungsadressaten im Begleitschreiben mitzuteilen. Damit wird die Empfehlung 4 der GPK-N umgesetzt55.

Art. 8 Abs. 2

Ergebnisbericht

Nach der geltenden Bestimmung (Art. 8 VlG wird neu Art. 8 Abs. 1 E-VlG) werden die Stellungnahmen zur Kenntnis genommen, gewichtet und ausgewertet. Die zuständigen Behörden müssen mindestens nach dem Zweckartikel des Gesetzes insoweit auf den Inhalt der Stellungnahme eingehen, als es sich um Hinweise auf die sachliche Richtigkeit, die Vollzugstauglichkeit und die Akzeptanz des Vorhabens handelt (Art. 2 Abs. 2 VlG). Die Pflicht zur Kenntnisnahme begründet keinen Rechtsanspruch auf materielle Berücksichtigung einer eingereichten Stellungnahme.

Bisher besteht auch keine Auskunfts- oder gar Begründungspflicht der Behörden, inwiefern eine Stellungnahme gewichtet oder bei der Anpassung der Vorlage

53

54 55

Art. 22a Abs. 1 Bst. b des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dez. 1968 (SR 172.021), Art. 46 Abs. 1 Bst. b des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (SR 173.110); Art. 145 Abs. 1 Bst. b der Zivilprozessordnung (SR 272) Ziff. 2.1.3 (BBl 2012 2351, hier 2356) STN-BR zu E. 4 (BBl 2012 2409, hier 2414 f.)

8905

berücksichtigt wird56. Nach Auffassung der GPK-N57 ist es nicht zweckmässig, den Einfluss bestimmter Akteure rechtlich festzuschreiben. Die Bewertung der Stellungnahmen der interessierten Kreise muss die Aufgabe des Bundesrates oder der verfahrensführenden Behörde bleiben.

Die Ergebnisse der Vernehmlassung sollen nach dem neuen Artikel 8 Absatz 2 E-VlG für alle Verfahren in Form eines Berichts zusammengefasst werden (vgl.

Art. 10 Abs. 2 VlG). Der Ergebnisbericht informiert über die eingereichten Stellungnahmen und fasst deren Inhalte übersichtlich und wertungsfrei zusammen (Art. 20 Abs. 1 VlV). Beim neuen Absatz 2 geht es um eine redaktionelle Präzisierung der geltenden Gesetzesbestimmung. Die «Arbeitsteilung» zwischen wertungsfrei informierendem Ergebnisbericht und politisch wertender Botschaft (im Fall einer Gesetzesvorlage) ist im Übrigen auch im Botschaftsleitfaden der Bundeskanzlei festgehalten.58 Art. 9 Abs. 1 Bst. b und c

Veröffentlichung des Ergebnisberichts

Aus Gründen der Transparenz soll das Protokoll über die Sitzungen nach Artikel 7 Absatz 2 E-VlG veröffentlicht werden (vgl. dazu analog das Protokoll über das konferenzielle Verfahren nach dem geltenden Art. 9 Abs. 1 Bst. b VlG).

In Buchstabe c wird klargestellt, dass der Ergebnisbericht veröffentlicht wird, nachdem die Behörde, welche die Vernehmlassung eröffnet hat, davon Kenntnis genommen hat. Damit wird die Praxis auf Gesetzesstufe vereinheitlicht.

Art. 10

Aufhebung der Bestimmung über Anhörungen

Durch die weitgehende Vereinheitlichung der beiden Verfahren (Vernehmlassungen und Anhörungen) wird Artikel 10 gegenstandslos und ist daher aufzuheben. In begrifflicher Hinsicht gibt es nurmehr den Begriff der Vernehmlassung.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Für den Bund ergeben sich aus der vorliegenden Revision des VlG keine erheblichen finanziellen oder personellen Auswirkungen. Durch die Vereinheitlichung der beiden Verfahren (Vernehmlassungen und Anhörungen) ist tendenziell insgesamt eine Verringerung der schriftlichen Verfahren zu erwarten. Bei vermehrtem Einsatz elektronischer Informations-, Kommunikations- und Archivierungsmittel (vgl. Art. 7 Abs. 1 E-VlG) dürfte der administrative Aufwand mittelfristig eher sinken. Demgegenüber ist indessen ein gewisser Mehraufwand für die Bundesverwaltung zu erwarten, der aber nur schwer bezifferbar ist. Dieser Mehraufwand wird einerseits durch die von der GPK-N verlangte zusätzliche Information der Verwaltung und der Öffentlichkeit über das Vernehmlassungsverfahren und andererseits durch die auf

56 57 58

Vgl. dazu Sägesser, Kommentar VlG, Art. 8, Rz. 16­39.

BBl 2012 2351, hier 2355 Botschaftsleitfaden. Leitfaden zum Verfassen von Botschaften des Bundesrates (Stand Juni 2013), www.bk.admin.ch > Dokumentation > Sprachen (Schema A, Ziff. 1.3).

8906

Verordnungsebene vorzusehende Verpflichtung der Verwaltung zur Auskunftserteilung über die Verwendung und Berücksichtigung der Stellungnahmen entstehen.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Aus der vorliegenden Revision des VlG ergeben sich keine unmittelbaren finanziellen, personellen und anderen Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden.

Immerhin sollte sich durch die vorgesehenen Massnahmen auch für die Kantone eine Vereinfachung der Abläufe und dadurch wiederum eine Reduktion des administrativen Aufwandes ergeben (vgl. Bemerkungen zu Art. 4 Abs. 2 Bst. e und 4 E-VlG hiervor).

Der Bericht der gemeinsamen Arbeitsgruppe Bund-Kantone vom 13. Februar 2012 zuhanden des Föderalistischen Dialogs befasst sich mit der Umsetzung des Bundesrechts durch die Kantone (vgl. Ziff. 1.1 oben). Darin wird unter anderem auch die fehlende Berücksichtigung von Umsetzungsfragen bei den Kantonen im Rahmen der Vernehmlassung bemängelt (vgl. vorstehende Ziff. 2.1, 2.2 und 2.2.4 ). Die von der Arbeitsgruppe empfohlenen Massnahmen werden im Rahmen der Teilrevision der VlV berücksichtigt und sind bereits in eine Anpassung des Botschaftsleitfadens59 eingeflossen.

3.3

Andere Auswirkungen

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Aussenpolitik sind mit der vorliegenden Revision des VlG nicht verbunden. Namentlich ergeben sich bezüglich der Mitwirkung der Kantone bei der Vorbereitung von aussenpolitischen Entscheiden keine Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht60.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 25. Januar 201261 zur Legislaturplanung 2011­2015 noch im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201262 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt. Der Erlass der Änderung des Vernehmlassungsgesetzes ist dennoch angezeigt, weil es um die Umsetzung von wichtigen Massnahmen bei der Durchführung von Vernehmlassungs- und Anhörungsverfahren handelt, die auf den Empfehlungen der GPK-N vom 7. September 2011 zur Vernehmlassungs- und Anhörungspraxis der Bunds und auf drei überwiesenen Postulaten der GPK-N vom 19. Juni 2012 (vgl. dazu Ziff. 1.4) beruhen (vgl. Ziff. 1.1­1.3).

59

60 61 62

Botschaftsleitfaden. Leitfaden zum Verfassen von Botschaften des Bundesrates (Stand Juni 2013), www.bk.admin.ch > Dokumentation > Sprachen (Schema A, Ziff. 1.3 und 1.6) Vgl. dazu BBl 2004 533; Ziff. 3.3 BBl 2012 481 BBl 2012 7155

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5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die vorliegende Umsetzung von Artikel 147 BV (Vernehmlassungsverfahren) auf Gesetzesstufe erfolgt unter der Berücksichtigung von Artikel 164 BV, wonach alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen sind.

5.2

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Der vorliegende Entwurf enthält in Artikel 7 Absatz 1 zweiter Satz E-VlG eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen: Der Bundesrat kann vorsehen, dass Vernehmlassungen ausschliesslich elektronisch durchgeführt werden, wenn die nötigen technischen Voraussetzungen gegeben sind.

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