12.089 Botschaft zur Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Turkmenistan vom 21. November 2012

Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 8. Oktober 2012 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. November 2012

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Eveline Widmer-Schlumpf Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

2012-2567

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Übersicht Am 8. Oktober 2012 hat die Schweiz mit Turkmenistan ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unterzeichnet.

Dieses Abkommen trägt zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu einem Land bei, das nicht nur in geopolitischer Hinsicht, sondern auch im Bereich der Energieversorgung eine interessante Stellung einnimmt. Insgesamt und insbesondere in Bezug auf die Besteuerung der Betriebstätten und Unternehmensgewinne konnten zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden.

Das Abkommen folgt im Wesentlichen dem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der schweizerischen Abkommenspraxis auf diesem Gebiet.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben den Abschluss dieses Abkommens begrüsst.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1 Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

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2 Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

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3 Würdigung

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4 Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens

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5 Finanzielle Auswirkungen

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6 Verfassungsmässigkeit

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Bundesbeschluss über die Genehmigung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Turkmenistan (Entwurf)

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Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

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Botschaft 1

Allgemeine Überlegungen über die Weiterentwicklung der Abkommenspolitik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen sind ein wichtiges Mittel der Steuerpolitik. Gute Abkommen erleichtern die Tätigkeit unserer Exportwirtschaft, fördern Investitionen in der Schweiz und tragen damit zum Wohlstand in der Schweiz und im Partnerland bei.

Die Politik der Schweiz im Bereich der Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich seit jeher nach dem Standard der OECD, weil dieser am besten geeignet ist, das Wohlstandsziel zu erreichen. Sie zielt hauptsächlich darauf ab, die Zuständigkeiten bei der Besteuerung natürlicher und juristischer Personen klar zuzuweisen, die Quellensteuer auf Zinsen, Dividenden und Lizenzgebühren möglichst tief zu halten und allgemein Steuerkonflikte zu verhindern, die sich auf international tätige Steuerpflichtige nachteilig auswirken könnten. Dabei musste die Schweiz schon immer den goldenen Mittelweg zwischen günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen im eigenen Land einerseits und internationaler Anerkennung ihrer Steuerordnung anderseits finden. Gute Schweizer Lösungen können wertlos werden, wenn sie international keine Anerkennung finden.

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Ausgangslage, Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Turkmenistan ist reich an natürlichen Ressourcen wie insbesondere Gas (viertgrösstes Gasvorkommen weltweit) und Öl. Die Wirtschaft Turkmenistans beruht, obwohl das Land zu einem grossen Teil von Wüste bedeckt ist, noch stark auf der Landwirtschaft. Turkmenistan gehört zu den grossen Baumwollproduzenten der Welt.

Turkmenistan gehört im IWF, in der Weltbank, in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sowie im GEF (Global Environment Facility) zur Stimmrechtsgruppe unter Schweizer Vorsitz.

Am 2. April 2009 ist das Abkommen vom 15. Mai 20081 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung Turkmenistan über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen in Kraft getreten, um die Rechtssicherheit für Investoren zu verbessern und ein günstiges Klima für ausländische Kapitalanlagen zu schaffen. Derzeit ist ein Abkommen über Handel und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern in Verhandlung.

1999 nahmen die Schweiz und Turkmenistan Verhandlungen im Hinblick auf ein Doppelbesteuerungsabkommen auf. 2004 fand eine zweite Verhandlungsrunde statt.

Die Verhandlungen konnten jedoch erst im Dezember 2011 wieder aufgenommen werden. Sie führten am 15. Dezember 2011 zur Paraphierung eines Abkommensentwurfs. Das Abkommen wurde am 8. Oktober 2012 in Bern unterzeichnet.

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SR 0.975.276.0

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Würdigung

Der Abkommen entspricht weitgehend dem OECD-Musterabkommen und der schweizerischen Abkommenspolitik. Die vereinbarten Lösungen mussten jedoch in einigen Punkten, beispielsweise der Residualsteuer auf den Lizenzgebühren, der diesbezüglichen Abkommenspolitik Turkmenistans Rechnung tragen. Insgesamt und insbesondere in Bezug auf die Besteuerung der Betriebstätten und Unternehmensgewinne konnten zufriedenstellende Ergebnisse erzielt werden.

Die neue Bestimmung zum Informationsaustausch entspricht dem OECD-Standard und lässt damit den Informationsaustausch auf konkrete Anfragen zu, auch wenn diese auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen aufgrund zahlreicher Indizien davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Die Schweiz wird solche Anfragen erst ab Inkrafttreten des Steueramtshilfegesetzes vom 28. September 20122 beantworten. Diese Bestimmung untermauert gegenüber der internationalen Gemeinschaft die von der Schweiz seit 2009 auf dem Gebiet der Amtshilfe eingegangenen Verpflichtungen. Sie positioniert die Schweiz als einen Staat, der sich Turkmenistan gegenüber in diesem Bereich als kooperationswillig erweist.

Das Abkommen trägt zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zu einem Land mit einer interessanten Stellung nicht nur in geopolitischer Hinsicht, sondern auch im Energieversorgungsbereich bei. Aus Sicht der Schweiz ist ein möglichst baldiges Inkrafttreten des Abkommens wünschenswert. Durch das Abkommen können sich Schweizer Unternehmen wettbewerbsfähig gegenüber der ausländischen Konkurrenz positionieren, die in Turkmenistan präsent ist oder dort investieren will. Zudem trägt der Abkommen zur Erweiterung des Abkommensnetzes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion bei.

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Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln des Abkommens

Der Abkommen folgt sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht weitgehend dem Musterabkommen der OECD zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (nachfolgend «OECD-Musterabkommen») sowie der schweizerischen Abkommenspraxis. Nachfolgend werden nur die wichtigsten Besonderheiten erläutert.

Art. 2

Unter das Abkommen fallende Steuern

Der materielle Anwendungsbereich des Abkommens umfasst die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Die politische Organisation Turkmenistans basiert auf «administrativ-territorialen Unterabteilungen». Ziffer 1 des Protokolls zum Abkommen (nachfolgend «Protokoll») hält fest, dass sich der Ausdruck, der in den Artikeln 2, 4, 17 und 19 verwendet wird, auf Turkmenistan bezieht.

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BBl 2011 6233, 2012 8237

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Die schweizerische Verrechnungssteuer auf Gewinnen aus Lotterien und Glücksspielen wird der schweizerischen Abkommenspraxis entsprechend vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen. In diesen Fällen gilt somit nur das innerstaatliche Recht des jeweiligen Vertragsstaats.

Art. 5

Betriebstätte

Es konnte eine Lösung verankert werden, die grundsätzlich dem OECD-Musterabkommen folgt, einschliesslich der Dauer von zwölf Monaten in Absatz 3.

Art. 7

Unternehmensgewinne

Der Artikel folgt den früheren Empfehlungen des OECD-Musterabkommens, von denen die Verhandlungsdelegationen 2004 ausgingen. Turkmenistan ist noch nicht bereit, die im Juli 2010 eingeführte OECD-Fassung von Artikel 7 zu übernehmen, die Betriebsstätten weitgehend wie unabhängige Unternehmen behandelt und die Gewinnzuteilung nach den für verbundene Unternehmen entwickelten Verrechnungspreisgrundsätzen vornimmt.

Art. 9

Verbundene Unternehmen

Entsprechend der schweizerischen Abkommenspolitik in diesem Bereich wurde der Abschnitt von Artikel 9 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens übernommen und der (in der Regel implizit enthaltene) Grundsatz der Zustimmung des Staates, der die Berichtigung vornehmen muss, ausdrücklich festgehalten.

Art. 10

Dividenden

In Übereinstimmung mit dem OECD-Musterabkommen ist für Beteiligungen von Gesellschaften von mindestens 25 Prozent am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft ein Satz von 5 Prozent vorgesehen. Für Portfoliodividenden gilt ein Residualsatz von 15 Prozent.

Art. 11

Zinsen

Trotz Insistierens seitens der Schweiz bezüglich eines Nullsatzes oder zumindest eines auf 5 Prozent reduzierten Residualsatzes für bestimmte Zinskategorien wie Zinsen aus dem Verkauf gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen auf Kredit oder Zinsen für Bankdarlehen war die turkmenische Seite nicht zu einer Änderung ihrer diesbezüglichen Abkommenspolitik bereit.

Im Rahmen der Gesamtlösung wurde ein Residualsatz von 10 Prozent, ohne Befreiungen, vorgesehen. Dieser Satz entspricht dem OECD-Musterabkommen.

Art. 12

Lizenzgebühren

Es ist ein Residualsatz von 10 Prozent vorgesehen. Bei der Definition der Lizenzgebühren konnte die Schweizer Delegation die von turkmenischer Seite gewünschte Aufnahme des Leasings verhindern. Leasinggebühren fallen somit unter Artikel 7.

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Art. 13

Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen

Absatz 4 sieht wie andere Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz vor, dass die Gewinne aus der Veräusserung von Beteiligungen an einer Gesellschaft, deren Aktiven direkt oder indirekt hauptsächlich aus Immobilien mit Sitz in einem Vertragsstaat stammen, in diesem Staat besteuert werden können. Der Artikel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23 Abs. 1 Bst. a) hält zudem fest, dass die Schweiz die Befreiung nur dann gewährt, wenn die tatsächliche Besteuerung in Turkmenistan nachgewiesen ist.

Art. 14

Selbstständige Arbeit

Wie andere Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz enthält auch das Abkommen mit Turkmenistan neben dem Kriterium der festen Einrichtung in Absatz 1 Buchstabe b einen Aufenthalt von mindestens 183 Tagen im betreffenden Steuerjahr als zusätzlichen Anknüpfungspunkt.

Art. 17

Künstler und Sportler

Die Besteuerung am Ort, wo der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit ausübt, ist auch auf Einkünfte anwendbar, die einer anderen Person als dem Künstler oder Sportler selbst zufliessen. Diese Regelung gilt nicht in jenen Fällen, in denen eindeutig kein Missbrauch vorliegt (keine unmittelbare Beteiligung des Künstlers oder des Sportlers am Gewinn).

Eine Besteuerung im Tätigkeitsstaat ist aber ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers zu einem erheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.

Art. 18

Ruhegehälter

Entsprechend der schweizerischen Abkommenspolitik hält Ziffer 4 des Protokolls ausdrücklich fest, dass diese Bestimmungen auch auf Kapitalleistungen Anwendung finden.

Art. 23

Vermeidung der Doppelbesteuerung

Turkmenistan wird zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode anwenden.

Die Schweiz wendet generell die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt an. Entsprechend ihrer Abkommenspraxis behält sich die Schweiz jedoch das Recht vor, Gewinne aus der Veräusserung von Immobiliengesellschaften zu besteuern, wenn diese Gewinne nicht nachweislich in Turkmenistan besteuert wurden. Für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren ist die pauschale Steueranrechnung vorgesehen.

Art. 25

Verständigungsverfahren

Diese Bestimmung folgt weitgehend dem OECD-Musterabkommen, enthält jedoch keine Schiedsklausel. Die Schweiz hatte entsprechend ihrer Abkommenspolitik die Aufnahme einer Schiedsklausel in das Abkommen gefordert. Turkmenistan lehnte diesen Vorschlag, der seiner Abkommenspolitik widerspricht, jedoch ab. Das 353

Abkommen sieht deshalb nur das Verständigungsverfahren zwischen den zuständigen Behörden vor.

Art. 26

Informationsaustausch

Im Zuge der Globalisierung der Finanzmärkte und insbesondere vor dem Hintergrund der Finanzkrise hat die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich an Bedeutung gewonnen. Die Schweiz unterstützt entsprechende Bemühungen. Mit dem Rückzug ihres Vorbehalts zu Artikel 26 des OECD-Musterabkommens hat sich die Schweiz am 13. März 2009 politisch verpflichtet, den internationalen Standard in diesem Bereich zu übernehmen.

Der Abkommensentwurf übernimmt weitgehend den Wortlaut von Artikel 26 des OECD-Musterabkommens. Abweichungen bestehen hinsichtlich der Einschränkung des materiellen Anwendungsbereichs des Informationsaustausches auf Steuern, die unter das Abkommen fallen und um die Steuerbehörden der Vertragsstaaten ausdrücklich zu ermächtigen, von Banken, anderen Finanzinstituten, Bevollmächtigten und Treuhändern sowie zur Ermittlung von Beteiligungsverhältnissen die notwendigen Informationen anfordern zu können. Die Abweichungen sind mit dem internationalen Standard bei der Amtshilfe vereinbar.

Absatz 1 hält den Grundsatz des Informationsaustausches fest. Auszutauschen sind die Informationen, die für die Durchführung des Abkommens oder die Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts auf dem Gebiet der unter das Abkommen fallenden Steuern voraussichtlich erheblich sind. Durch die Beschränkung auf voraussichtlich erhebliche Informationen sind «fishing expeditions» ausgeschlossen. Zudem ist der ersuchende Staat gehalten, seine eigenen Untersuchungsmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor er den anderen Staat um Informationen ersucht.

Nicht erforderlich für die Anwendung dieser Bestimmung ist die Ansässigkeit der steuerpflichtigen Person in der Schweiz oder in Turkmenistan, sofern eine wirtschaftliche Anknüpfung in einem der Vertragsstaaten besteht.

Absatz 2 befasst sich mit dem Grundsatz der Geheimhaltung. Diese Bestimmung hält fest, dass die ausgetauschten Informationen nur Personen und Behörden zugänglich gemacht werden dürfen, die mit der Veranlagung, Erhebung, Durchsetzung, Strafverfolgung oder Entscheidung über Rechtsmittel hinsichtlich der vom Abkommen umfassten Steuern befasst sind. Die Aufsichtsbehörden gehören nicht zu dieser Kategorie. Die Informationen dürfen somit auch der steuerpflichtigen Person selbst oder der von ihr bevollmächtigten Person offenbart werden.

Absatz 3 sieht
beim Informationsaustausch gewisse Einschränkungen zugunsten des ersuchten Staates vor. Der ersuchte Staat muss weder Verwaltungsmassnahmen durchführen, die über seine eigenen Gesetze und seine eigene Praxis hinausgehen, noch muss er Verwaltungsmassnahmen durchführen, die nach Recht oder Praxis des ersuchenden Staates nicht zulässig wären. Im Fall der Schweiz bedeutet dies, dass das rechtliche Gehör der Betroffenen sowie die Rechtsmittel geschützt sind. Der ersuchte Staat braucht ferner keine Auskünfte zu erteilen, die nach dem Recht oder der normalen Verwaltungspraxis des einen oder des anderen Vertragsstaates nicht beschafft werden könnten. Schliesslich kann der ersuchte Staat die Auskunft verweigern, wenn sie wirtschaftliche Geheimnisse betrifft oder die öffentliche Ordnung (Ordre public) verletzt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die ausgetauschten Informationen vom ersuchenden Staat nicht ausreichend geheim gehalten werden.

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Absatz 4 hält fest, dass der ersuchte Staat auch Informationen ermitteln und austauschen muss, die er nicht für eigene Steuerzwecke benötigt. Der Informationsaustausch beschränkt sich folglich nicht nur auf Informationen, die auch den Steuerbehörden des ersuchten Vertragsstaates von Nutzen sind.

Absatz 5 enthält besondere Bestimmungen zu Informationen, die von Banken oder anderen Intermediären gehalten werden oder die Beteiligungsverhältnisse an juristischen Personen betreffen. Solche Informationen sind ungeachtet der Einschränkungen von Absatz 3 auszutauschen. So hat der ersuchte Staat die Informationen auch dann einzuholen und auszutauschen, wenn sie nach seinen Gesetzen oder seiner Verwaltungspraxis nicht erhältlich wären. Entsprechend kann die Schweiz den Informationsaustausch nicht unter Hinweis auf das schweizerische Bankgeheimnis verweigern.

In Fällen von Steuerbetrug besitzt die Schweiz aufgrund des Strafverfahrens im innerstaatlichen Recht die nötigen Mittel zur Durchsetzung der Herausgabe der durch Absatz 5 erfassten Informationen. Der Austausch dieser Informationen setzt jedoch gemäss diesem Abkommen keinen Steuerbetrug mehr voraus. Damit die Umsetzung der abkommensrechtlichen Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten gewährleistet werden kann, wird mit dem letzten Satz die notwendige rechtliche Grundlage für die Befugnis geschaffen, die ersuchten Informationen zu erlangen.

Das Protokoll hält das Subsidiaritätsprinzip und das Verbot von «fishing expeditions» ausdrücklich fest (Ziff. 5 Bst. a und b).

Ausserdem regelt es im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Ziff. 5 Bst. b). Notwendig sind insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person (z.B. eine Bank), in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet.

Bis vor Kurzem war gemäss dem internationalen Standard der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. International haben jedoch Diskussionen kürzlich bei der OECD dazu geführt, dass der Standard erweitert wird und konkrete Anfragen auch zugelassen werden, wenn sie auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen aufgrund zahlreicher Indizien davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im
ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Die Schweiz wird solche Anfragen erst ab Inkrafttreten des Steueramtshilfegesetzes vom 28. September 2012 beantworten. Die im Abkommen eingeführten Bestimmungen entsprechen dem erweiterten Standard.

Die Verpflichtung eines Vertragsstaates zum spontanen oder automatischen Informationsaustausch wird ausdrücklich ausgeschlossen, ohne den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit eines automatischen oder spontanen Informationsaustausches zu nehmen, wenn ihr innerstaatliches Recht dies vorsieht (Ziff. 5 Bst. c).

Buchstabe d schliesslich hält die Garantie der Verfahrensrechte der Steuerpflichtigen fest (Ziff. 5 Bst. d).

Bei den Verhandlungen im Dezember 2011 hat die Schweizer Delegation die turkmenische Seite darüber informiert, dass einem Amtshilfeersuchen, das auf illegal beschafften Daten (einer Bank) beruht, keine Folge geleistet wird.

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Art. 29

Inkrafttreten

Das Abkommen tritt nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft. Seine Bestimmungen finden auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar nach dem Inkrafttreten des Abkommens beginnen.

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Finanzielle Auswirkungen

In jedem Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen. Für die Schweiz ergeben sich Einbussen durch die teilweise Rückerstattung der Verrechnungssteuer und durch die Anrechnung der turkmenischen Quellensteuern auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren. Die mangels geeigneter Statistiken nicht bezifferbaren Einbussen werden jedoch dank der durch die Vereinbarung bewirkten Verbesserung der Attraktivität des Standorts Schweiz teilweise ausgeglichen, was sich in zusätzlichen Einnahmen bei den direkten Steuern auswirken dürfte.

Die Kantone und die interessierten Wirtschaftskreise haben das Abkommen begrüsst. Insgesamt trägt es in positiver Weise zum Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen bei und unterstützt damit die wesentlichen Ziele der schweizerischen Aussenhandelspolitik.

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Verfassungsmässigkeit

Verfassungsgrundlage für das Abkommen ist Artikel 54 der Bundesverfassung (BV)3, der die Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten dem Bund zuweist.

Nach Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des Abkommens zuständig. Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterstehen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Das Abkommen ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, kann aber jederzeit unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten auf das Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Es sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20024 gilt eine Bestimmung eines Staatsvertrags dann als rechtsetzend, wenn sie auf unmittelbar verbindliche und generell-abstrakte Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt.

Es wird Amtshilfe nach dem internationalen Standard im erweiterten Umfang gewährt, wie dies der jüngeren Abkommenspolitik der Schweiz auf diesem Gebiet entspricht.

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SR 101 SR 171.10

Das Abkommen zieht wichtige neue Verpflichtungen für die Schweiz nach sich und enthält gegenüber bisherigen Vereinbarungen mit anderen Staaten damit wichtige Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Turkmenistan wird deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterstellt.

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