07.500 Parlamentarische Initiative Aufhebung der Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 3. Mai 2013

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Obligationenrechts. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

3. Mai 2013

Im Namen der Kommission Die Präsidentin: Anne Seydoux-Christe

2013-1226

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Übersicht Das geltende Recht enthält in den Artikeln 227a­228 des Obligationenrechts Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag. Seit dem Inkrafttreten dieser Regelungen im Jahre 1963 hat der Vorauszahlungsvertrag jegliche praktische Bedeutung verloren. Dies belegen ein Blick in die Literatur und das Fehlen entsprechender Rechtsprechung. Der Gesetzgeber gelangte bereits früher zu diesem Befund, welcher heute ­ wie die Vernehmlassung zeigte ­ einhellig geteilt wird.

Mangels praktischer Bedeutung und im Sinne einer materiellen Bereinigung des Bundesrechts schlägt die Kommission in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative die Aufhebung der Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag im Obligationenrecht vor. Gleichzeitig sollen auch die für Vorauszahlungskäufe geltenden Bestimmungen im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestrichen und dieses Gesetz entsprechend angepasst werden. Beides zusammen führt zu einer Vereinfachung des geltenden Rechts, ohne dass damit konkrete negative Folgen oder ein Rechtsverlust für diejenigen Personen verbunden wären, die mit den betreffenden Bestimmungen ursprünglich geschützt werden sollten.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Parlamentarische Initiative

Am 21. Dezember 2007 reichte der damalige Ständerat Philipp Stähelin eine parlamentarische Initiative ein, welche die Aufhebung der Bestimmungen des Obligationenrechts (OR)1 zum Vorauszahlungsvertrag (Artikel 227a­228 OR) verlangte. Als Begründung führte der Initiant aus, dass die Vertragsart des Vorauszahlungsvertrags heute nicht mehr in Gebrauch, sondern von alternativen Zahlungsmöglichkeiten wie Kreditkarten und Abzahlungsverträgen abgelöst worden sei. Die Bestimmungen seien daher weder notwendig noch dienlich. Vielmehr erschwerten sie eher den Rechtsverkehr. Ihre Aufhebung würde zu einer materiellen Bereinigung des Bundesrechts beitragen.

Am 19. Januar 2010 beschloss die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats einstimmig, der parlamentarischen Initiative gemäss Artikel 109 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes (ParlG)2 Folge zu geben. Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats stimmte diesem Beschluss am 25. Juni 2010 mit 17 zu 5 Stimmen zu (Art. 109 Abs. 3 ParlG).

1.2

Arbeiten der Kommission

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats befasste sich an ihrer Sitzung vom 5. Mai 2011 mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiative. Am 18. Juni 2012 nahm sie einstimmig einen Vorentwurf zu einer Änderung des OR sowie des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)3 an.

Zu diesem Vorentwurf wurde gemäss Bundesgesetz über das Vernehmlassungsverfahren (Vernehmlassungsgesetz, VlG)4 vom 17. September 2012 bis zum 21. Dezember 2012 ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt. Nach Kenntnisnahme des Berichts über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens5 hat die Kommission am 3. Mai 2013 einstimmig den beiliegenden Erlassentwurf angenommen und den vorliegenden Bericht verabschiedet.

Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit gemäss Artikel 112 Absatz 1 ParlG durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) unterstützt.

1 2 3 4 5

SR 220 SR 171.10 SR 241 SR 172.061 Der Bericht vom März 2013 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens ist abrufbar unter www.parlament.ch/d/dokumentation/berichte/vernehmlassungen/07500/Documents/ergebnisse-vernehmlassung-07-500-2013-03-d.pdf.

4633

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Ausgangslage

2.1.1

Gegenstand des Vorauszahlungsvertragsrechts

Mit dem am 1. Januar 1963 in Kraft getretenen Bundesgesetz über den Abzahlungsund den Vorauszahlungsvertrag vom 23. März 19626 wurden die mit wenigen Ausnahmen bis heute geltenden Regelungen zu Abschluss, Inhalt und Aufhebung des Vorauszahlungsvertrags in den Artikeln 227a­i und 228 OR eingeführt. Ursprung des Gesetzes bildeten zwei Vorstösse aus den Jahren 1949 (Nationalrat Aebersold) und 1953 (Nationalrat Rosset).7 Gemäss Artikel 227a Absatz 1 OR handelt es sich bei einem Vorauszahlungsvertrag um einen Kaufvertrag über eine bewegliche Sache, bei dem die Käuferin oder der Käufer den Kaufpreis zum Voraus in Teilzahlungen entrichtet und die Übergabe der Kaufsache erst nach Zahlung aller Raten erfolgt. Die Bezeichnung «Vorauszahlungsvertrag» wurde seit der Einführung der Bestimmungen kritisiert.8 Auch die Bezeichnungen Vorauszahlungskauf bzw. -vertrag, Vorzahlungsvertrag, Vorsparoder Sparkaufvertrag, Aussteuer- oder Aussteuersparvertrag, Ansparvertrag, Sparabonnement oder -vereinbarung oder ganz einfach Sparvertrag sind gebräuchlich.9 Kennzeichnend für den Vorauszahlungsvertrag ist eine «Sparklausel», d.h. der wirtschaftliche Zweck des Sparens, und zwar im Rahmen eines sog. Pränumerandogeschäfts, d.h. eines Rechtsgeschäfts mit Kreditierung, welche durch periodische Vorauszahlung erfolgt.10 Entsprechend finden die Bestimmungen Anwendung auf alle Rechtsgeschäfte und damit auch auf Dienstleistungsverträge, die den gleichen wirtschaftlichen Zweck verfolgen, auch wenn eine ausdrückliche Generalklausel fehlt.11 Nach Artikel 227i OR finden die Bestimmungen im kaufmännischen Verkehr keine Anwendung, d.h. wenn die Käuferin oder der Käufer als Einzelunterneh-

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11

AS 1962 1047 Botschaft des Bundesrates vom 26. Januar 1960 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Abzahlungs- und den Vorauszahlungsvertrag, BBl 1960 I 526 f.

Vgl. nur Hans Giger, Der Sparkaufvertrag, Winterthur 1960, S. 135; Hans Giger, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 1. Auflage 1992, Art. 227a N 10; Hans Giger, Vorauszahlungsvertrag, in: Festgabe Giger zum 65. Geburtstag, Bern 1994, S. 781 ff., S. 782.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 26. Januar 1960 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Abzahlungs- und den Vorauszahlungsvertrag, BBl 1960 I 526; Hans Giger, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 1. Auflage 1992, Art. 227a N 5.

Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 12. Juni 1978 über ein Konsumkreditgesetz, BBl 1978 II 492; Hans Giger, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 1. Auflage 1992, Vor Art. 226-228 N 24; Bernd Stauder, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 5. Auflage 2011, Art. 227­228 N 1, N 22 und N 24; Beat Schönenberger, Art. 228 OR, in: Amstutz et al.

(Hrsg.), Handkommentar Schweizer Privatrecht, 2. Auflage, Zürich 2012, Art. 228 OR N 1; Alessandro Maranta / Philippe Spitz, Art. 3 lit. k­n, in: Jung/Spitz (Hrsg.), Handkommentar UWG, Bern 2010, Art. 3 lit. k­n UWG N 40.

BGE 98 Ia 348; vgl. auch Alfred Koller, in: Guhl/Merz/Koller/Druey (Hrsg.), Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Auflage, Bern 2000, § 41 N 106; insb. fehlt seit Aufhebung des Abzahlungsrechts eine dem früheren Verweis in aArt. 228 OR auf eine aArt. 226a Abs. 1 OR entsprechende Bestimmung.

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men oder als Zeichnungsberechtigte bzw. Zeichnungsberechtigter eingetragen ist oder es sich bei der Kaufsache um Produktionsgüter handelt.12 Nicht unter das Vorauszahlungsvertragsrecht fallen andere Rechtsgeschäfte, auch wenn sie durch ein vergleichbares Element der Vorauszahlung seitens einer Konsumentin oder eines Konsumenten charakterisiert werden. So handelt es sich weder bei den sog. Prepaid-Verträgen bzw. -Guthaben im Mobilfunkgeschäft13 noch bei den verbreiteten Waren- oder Geschenkgutscheinen um Vorauszahlungsverträge im Sinne von Artikel 227a OR. Auch Bausparverträge14 oder Vorausfinanzierungsmodelle für Vaterschafts- oder Elternurlaub15 stellen keine Vorauszahlungsverträge im Sinne von Artikel 227a OR dar. Gleiches gilt auch für im Rahmen von Arbeits- oder Mandatsverträgen geleistete Vorauszahlungen.16

2.1.2

Entstehung und Hintergrund

Der Vorauszahlungsvertrag wurde in der Nachkriegszeit als Reaktion auf die damalige breite Kritik am Abzahlungsgeschäft entwickelt. Das Kaufen auf Vorauszahlung fand damals namentlich in der Möbel-, aber auch in der sog. Aussteuerbranche, d.h.

beim Verkauf von Wäscheaussteuern, Kleidern, Geschirr und Nähmaschinen, Verbreitung. Im Gegensatz und quasi als «Spiegelbild» zum Abzahlungskauf erhielt die Käuferin oder der Käufer den Kaufgegenstand nicht vor der Bezahlung, sondern erst, nachdem sie oder er den Kaufpreis in Raten im Voraus bezahlt hatte.

Der Vorauszahlungsvertrag erfreute sich vor allem unter Personen, die wenig kaufkräftig, sparwillig oder kreditfähig waren, beträchtlicher Beliebtheit und erlangte aufgrund intensiver und professioneller Werbemethoden und Vertriebssystemen zunehmende wirtschaftliche Bedeutung. Damit zeigten sich verschiedene Missstände, woraus sich das Bedürfnis nach einem Schutz der Käuferin oder des Käufers und nach Missbrauchsbekämpfung ergab und weshalb man die Einführung eines wirksamen Sozialschutzes für unumgänglich erachtete.17 So hatten sich eigentliche Vermarktungs- und Vertriebssysteme mit Reisenden sowie Genossenschaften von Herstellern zum gemeinschaftlichen Anbieten von Vorauszahlungsverträgen gebildet. Auch sehr junge Kundinnen und Kunden ohne jegliche Prüfung ihrer finanziel12

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17

Vgl. Hellmut Stofer, Grundsätzliche Bemerkungen zum BG über den Abzahlungs- und den Vorauszahlungsvertrag, in: Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1963, Basel 1963, S. 231 ff., S. 238; Hellmut Stofer, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, 2. Auflage, Basel 1972, 173 f.; restriktiver Hans Giger, Anwendungs- und Abgrenzungsprobleme der neuen Bestimmungen über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, SJZ 1964, S. 317 ff., S. 318 ff. und 334.

Vgl. zur Rechtsnatur des Mobilfunk- und Telekommunikationsvertrages Simon Faivre, Telekommunikationsverträge ­ ein Überblick, AJP 2005, S. 1239 ff., S. 1244 f.

Vgl. dazu die Botschaft zu den Volksinitiativen «Für ein steuerlich begünstigtes Bausparen zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum und zur Finanzierung von baulichen Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen (Bauspar-Initiative)» sowie «Eigene vier Wände dank Bausparen» vom 18. September 2009, BBl 2009 6975 sowie die Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 11. März 2012.

Postulat Fetz 11.3492 Freiwillige Elternzeit und Familienvorsorge.

Vgl. dazu auch die Ausführungen im Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates zu 10.443 Parlamentarische Initiative Indirekter Gegenentwurf zur Volksinitiative «Gegen die Abzockerei» vom 25. Oktober 2010, BBl 2010 8253 ff., 8291 f.

Botschaft des Bundesrates vom 26. Januar 1960 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Abzahlungs- und den Vorauszahlungsvertrag, BBl 1960 I 537 f.

4635

len Leistungsfähigkeit wurden zu langfristigen Verträgen ohne Rücktritts- oder Kündigungsrecht verleitet. Das Verlustrisiko bei Einzahlung der Raten an die Verkäuferin oder den Verkäufer erwies sich dabei als enorm, indem die Spargelder anderweitig verwendet wurden und die Käuferschaft bei Konkurs der Verkäuferin oder des Verkäufers sämtliche Vorauszahlungen verlor.

2.1.3

Frühere Revisionen

Anlässlich der Schaffung des Bundesgesetzes über den Konsumkredit (Konsumkreditgesetz, KKG)18 im Jahre 1993 wurden die Bestimmungen zum Abzahlungssowie zum Vorauszahlungsvertrag einbezogen und teilweise revidiert bzw. an die neuen Bestimmungen des KKG angepasst.19 Im Rahmen der Revision des KKG im Jahr 2001 wurde zwar das Abzahlungsrecht, nicht aber die Regelungen zum Vorauszahlungsvertrag aufgehoben. Diese Bestimmungen wurden lediglich insofern revidiert, als andernfalls Widersprüche und Lücken entstanden wären.20 Schliesslich erfolgte im Jahr 2008 eine Revision von Artikel 227i OR.21

2.2

Kritik

Gegen die geltenden Bestimmungen wird vorgebracht, dass der Vorauszahlungsvertrag heute in der Praxis nicht mehr gebräuchlich sei, sondern durch andere Vertragsarten und Finanzierungsmöglichkeiten abgelöst worden sei.

Schon anlässlich der Schaffung des Vorauszahlungsvertragsrechts in den 1960er Jahren wurde dessen Bedeutung als viel geringer als diejenige des Abzahlungsvertragsrechts betrachtet.22 Bei der Schaffung des Konsumkreditgesetzes weitere 15 Jahre später qualifizierte der Bundesrat den Vorauszahlungsvertrag bereits als «Rechtsgeschichte».23 Im Rahmen der Revision des Konsumkreditgesetzes Ende der 1990er Jahre erachtete man die Bedeutung unverändert als ausgesprochen gering, hielt die Bestimmungen aber noch für unverzichtbar.24 Zur praktischen Bedeutung bzw. Verbreitung des Vorauszahlungsvertrags, d.h. zur Anzahl der Vertragsabschlüsse sowie deren finanziellen Volumen, liegen keine Zahlen oder Statistiken vor. Die Vorauszahlungsverträge unterstehen keiner Meldepflicht, wie sie bspw. in den Artikeln 25­27 KKG für die Konsumkreditverträge vorgesehen ist. Mangels ersichtlicher Aktivitäten am Markt sowie fehlender Werbeund Vertriebsaktivitäten ist aber unverändert davon auszugehen, dass der Voraus-

18 19 20 21 22 23 24

AS 1994 367 Botschaft des Bundesrates vom 12. Juni 1978 über ein Konsumkreditgesetz, BBl 1978 II 492, 499 ff., 551 ff.

Botschaft des Bundesrates vom 14. Dezember 1998 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über den Konsumkredit, BBl 1999 III 3190 AS 2007 4791 Botschaft des Bundesrates vom 26. Januar 1960 betreffend den Entwurf zu einem Bundesgesetz über den Abzahlungs- und den Vorauszahlungsvertrag, BBl 1960 I 537 Botschaft des Bundesrates vom 12. Juni 1978 über ein Konsumkreditgesetz, BBl 1978 II 499 Botschaft des Bundesrates vom 14. Dezember 1998 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über den Konsumkredit, BBl 1999 III 3190

4636

zahlungsvertrag in der vom Gesetz typisierten Form heute in der Praxis inexistent und damit bedeutungslos ist.

Die heutige praktische Bedeutungslosigkeit des Vorauszahlungsvertrags belegt auch ein Blick in die «nahezu inexistente»25 Rechtsprechung dazu. Die Gerichte mussten sich, soweit ersichtlich oder bekannt, bis heute so gut wie gar nicht damit beschäftigen. So sind seit der Schaffung im Jahre 1963 lediglich vier einschlägige Entscheide des Bundesgerichts dazu bekannt.26 Auch aus der kantonalen Rechtsprechung ist keine nennenswerte Praxis ersichtlich.27 Gleich fällt die Beurteilung in der Lehre aus. Bereits drei Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesbestimmungen ging man von grossen Umsatzeinbussen des Vorauszahlungsgeschäfts aus, wobei der Niedergang infolge wachsender Unbeliebtheit bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesbestimmungen erkennbar war.28 Vorauszahlungskäufe gelten heute als aus dem Rechtsleben verschwunden, wozu auch die Entwicklung mit teilweise hoher Inflation beigetragen hat.29 So wird der Vorauszahlungsvertrag heute übereinstimmend als «obsolet» und «gegenstandslos» bezeichnet.30 Entsprechend lässt sich aus aktueller Zeit auch keine wissenschaftliche Auseinandersetzung dazu mehr beobachten und die Kommentare beschränken sich auf die Wiedergabe des Gesetzestextes sowie summarische Ausführungen allgemeiner Natur und zur Bedeutungslosigkeit des Vorauszahlungsvertrags sowie Verweise auf die ältere Literatur.

In der Vernehmlassung31 teilten ebenfalls sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Ansicht, dass der Vorauszahlungsvertrag heute in der Praxis bedeutungslos ist, mehr oder weniger ausdrücklich, auch wenn dazu keine Zahlen oder Statistiken vorliegen.

2.3

Rechtsvergleichung

Die Europäische Union kennt keine spezifischen Regelungen, die mit dem schweizerischen Vorauszahlungsvertrag vergleichbar sind. Insbesondere regelt die Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge, welche die frühere Richtlinie 87/102/EWG ablöste, lediglich eigentliche Kreditverträge zwischen Verbrauchern 25 26

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29 30

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So bspw. Bernd Stauder, a.a.O., Art. 227­228 N 3.

BGE 98 Ia 348; Erwähnung findet der Vorauszahlungsvertrag sodann noch in BGE 114 II 91 und 133 III 201 sowie BGer 4P.313/2005 vom 27. Februar 2005. Sodann hat sich das Bundesgericht in BGE 90 III 1 (Auszug aus dem Schreiben der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer an die kantonalen Aufsichtsbehörden vom 19. Mai 1964) zum Vorauszahlungsvertrag geäussert.

Vgl. lediglich Cour de justice Genève, Semaine judiciaire 1968, S. 71 ff.; Appellationsgericht BS, BJM 1965, S. 241 ff.

Hellmut Stofer, Kommentar zum Bundesgesetz zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, Ergänzungsband 1, Basel 1966, S. 21; Hans Giger, Anwendungs- und Abgrenzungsprobleme der neuen Bestimmungen über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, SJZ 1964, S. 317 ff., S. 318.

Alfred Koller, a.a.O., § 41 N 107.

Allen voran Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 9. Auflage, Bern 2010, S. 187; Bernd Stauder, a.a.O., Vor Art. 227­228 N 4; Luc Thévenoz/Franz Werro (Hrsg.), Commentaire romand, Code des obligations I, 2. Auflage, Basel 2012, art. 227 n 1; Beat Schönenberger, a.a.O., Art. 228 OR N 1; Wolfgang Ernst, in: Honsell (Hrsg.), Kurzkommentar Obligationenrecht, Basel 2008, Art. 228 N 1.

Bericht über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, März 2013, S. 3.

4637

und gewerblich oder beruflich tätigen Kreditgebern. Sie findet damit auf Vorauszahlungs- oder ähnliche Verträge keine Anwendung.32 Weitere (verbraucherspezifische) Richtlinien enthalten demgegenüber vergleichbare Bestimmungen. So sieht die Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher insbesondere ein allgemeines 14-tägiges Widerrufsrecht zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher für sog. Fernabsatzverträge und ausserhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge vor.33 Die Richtlinie 93/13/EWG regelt die Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln in Verbraucherverträgen. Darunter fallen gemäss Artikel 3 Absatz 3 und Anhang Buchstabe d, Buchstabe e und Buchstabe l insbesondere auch nicht im Einzelnen ausgehandelte Klauseln, wie sie das schweizerische Vorauszahlungsvertragsrecht in Artikel 227e, Artikel 227f und Artikel 227h OR umgekehrt positiv mittels entsprechender zwingender Rechte zugunsten der Käuferin oder des Käufers ausschliesst.

Das deutsche Recht regelt in Umsetzung des erwähnten EU-Rechts in den §§ 491­512 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)34 den Verbraucherdarlehensvertrag (§§ 491­505 BGB) sowie Finanzierungshilfen (§§ 506­508 BGB) und Ratenlieferungsverträge (§ 510 BGB) zwischen Unternehmer- und Verbraucherschaft. Dem schweizerischen Vorauszahlungsvertrag vergleichbare Regelungen fehlen, da vom EU-rechtlichen Kreditbegriff ausgegangen wird und daher stets eine Vorleistung des Unternehmens vorausgesetzt wird.35 § 27 des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes36, mit welchem in der Hauptsache die EU-Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt wird, enthält eine nicht dadurch vorgegebene37 besondere Bestimmung für Vorauszahlungskäufe. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern wird darin ein unbefristetes Rücktrittsrecht eingeräumt.

Dabei wird von einem dem schweizerischen Recht vergleichbaren «Vorauszahlungskaufvertrag» ausgegangen, wobei die Bestimmung im Unterschied zum schweizerischen Recht lediglich anwendbar ist, «sofern die Ware bloss durch Erklä32

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Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl 2008 L 133/66). Vgl. insb. Erwägungsgrund 12 sowie Art. 3 Bst. c der Richtlinie.

Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl 2011 L 304/64).

Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2011 (BGBl. I S. 1600) geändert worden ist; §§ 491­512 in der seit 11. Juni 2010 geltenden Fassung.

Vgl. nur Peter Bülow, in: Bülow/Artz, Verbraucherkreditrecht, 7. Auflage, München 2011, § 506 N 30. Auch von einem sog. Ratenlieferungsvertrag ist nicht auszugehen, zumal der Vorauszahlungsvertrag zwar eine zukünftige Leistung des Unternehmers vorsieht, diese aber grundsätzlich in einer einzigen Lieferung erfolgt; vgl. Peter Bülow, a.a.O., § 510 N 36, insb. mit Hinweis auf OLG Stuttgart 1.4.1980, NJW 1980, 1798, wonach ein Sparkaufvertrag/Ansparvertrag nicht unter die damalige Bestimmung von § 1 c AbzG fällt, wobei das OLG Stuttgart aber den Sparkaufvertrag im Ergebnis dennoch dem Abzahlungsrecht unterstellte.

Bundesgesetz vom 8. März 1979, mit dem Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden (Konsumentenschutzgesetz ­ KSchG), StF: BGBl. Nr. 140/1979.

Vgl. auch das Gutachten des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung zum Schutzniveau des Verbrauchers in Deutschland, Frankreich, Österreich, Brasilien, Japan, Grossbritannien USA (New York und Kalifornien) im Vergleich zur Schweiz, Lausanne Januar 2012, S. 109.

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rung der Vertragspartner bestimmbar oder der Preis nicht nach den Preisverhältnissen zur Zeit der Vertragsschliessung festgelegt und solange der Vertrag nicht beiderseits vollständig erfüllt ist.»38 In Frankreich fehlen dem schweizerischen Vorauszahlungsvertrag vergleichbare Regelungen. Bezüglich Vorauszahlungen von Konsumentinnen und Konsumenten regelt das französische Recht lediglich in Artikel L114-1 Absatz 4 des Code de la consommation, dass von der Konsumentin oder vom Konsumenten im Voraus bezahlte Beträge unter Vorbehalt abweichender Vereinbarung als Reugeld gelten, so dass die Konsumentin oder der Konsument bei Verlust dieser Beträge vom Vertrag zurücktreten kann, wohingegen die Unternehmerschaft diese bei ihrerseitigem Rücktritt doppelt zurückzuzahlen hat.39 Mangels Vorliegen eines Kredits gelangen die Bestimmungen über den Verbraucherkredit auf Vorauszahlungsverträge nicht zur Anwendung.40 Im Zuge des Inkrafttretens des EWR-Abkommens wurde in Liechtenstein das frühere, mit dem schweizerischen Recht vergleichbare Gesetz über den Abzahlungsund Vorauszahlungsvertrag (AVVG)41 aufgehoben und gleichzeitig das Konsumentenschutzgesetz (KSchG) geschaffen.42 Dieses enthält in § 38 eine mit der erwähnten österreichischen Regelung inhaltlich identische Regelung für Vorauszahlungskäufe.

Demnach steht der Konsumentin oder dem Konsumenten ebenfalls ein besonderes Rücktrittsrecht zu.

2.4

Beantragte Neuregelung

2.4.1

Aufhebung der Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag im Obligationenrecht

Mangels hinreichender Bedeutung und Gebrauch des Vorauszahlungsvertrags in der Praxis sollen die bestehenden Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag im Obligationenrecht (Artikel 227a­228 OR) ersatzlos gestrichen werden. Damit wird auch dem erklärten Ziel der parlamentarischen Initiative, wonach das Bundesrecht materiell bereinigt werden soll, vollumfänglich entsprochen.

2.4.2

Änderung des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb

Auf Vorauszahlungsverträge ebenfalls Anwendung finden Artikel 3 und 4 des UWG. Sie enthalten besondere Bestimmungen zu unlauteren Werbe- und Verkaufsmethoden und anderem widerrechtlichen Verhalten sowie zur Verleitung zu Ver38

39 40 41 42

Vgl. Hans Peter Lehofer, in: Kosesnik-Wehrel/Lehofer/Mayer/Langer (Hrsg.), KSchG Konsumentenschutzgesetz, 2. Auflage, Wien 2004, § 27 N 1 und 4; Georg Kathrein, in: Koziol (Hrsg.), Kurzkommentar zu ABGB, 3. Auflage, Wien 2010, § 27 N 1 f.

Jean Calais-Auloy / Henri Temple, Droit de la consommation, 8. Auflage, Paris 2010, N 323.

Stéphane Piedelièvre, Droit de la Consommation, Paris 2008, N 300.

Gesetz vom 18. November 1964 über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag (AVVG), LGBl. 1965 Nr. 6.

Gesetz vom 23. Oktober 2002 zum Schutz der Konsumenten (Konsumentengesetz, KSchG), LGBl. 2002 Nr. 164.

4639

tragsverletzung oder -auflösung bei Vorauszahlungskäufen. Im Zuge der Aufhebung des Vorauszahlungsvertragsrechts sind diese Regelungen für Vorauszahlungskäufe nicht mehr erforderlich, da die diesen Lauterkeitsregelungen zugrunde liegenden zwingenden gesetzlichen Bestimmungen entfallen. Konsequenterweise sind daher auch die Regelungen für Vorauszahlungskäufe im UWG zu streichen.

2.4.3

Ergebnisse der Vernehmlassung

In der Vernehmlassung begrüsste die grosse Mehrheit von 32 der insgesamt 38 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die beantragte Neuregelung ausdrücklich, namentlich sämtliche sich vernehmlassenden Kantone und Parteien. Als positiver Aspekt der Vorlage wurde insbesondere betont, dass damit eine Bereinigung des materiellen Bundesrechts verbunden ist. Negativ äusserten sich demgegenüber sechs Dachverbände und Organisationen, welche trotz praktischer Bedeutungslosigkeit zum heutigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit für eine Streichung der Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag bzw. gar eine damit einhergehende Schlechterstellung der Konsumentinnen und Konsumenten sahen.43

3

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

3.1

Obligationenrecht

Art. 227a­228 Da der Vorauszahlungsvertrag heute in der Praxis bedeutungslos ist, werden die entsprechenden Bestimmungen in den Artikel 227a­228 OR ersatzlos aufgehoben.

Mit der Aufhebung entfallen die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen und insbesondere die zahlreichen zwingenden Regelungen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Aufhebung. Mangels praktischer Bedeutung kann auch auf besondere Übergangsbestimmungen verzichtet werden.

Mit der Aufhebung der geltenden Bestimmungen unterliegen allfällige Vorauszahlungskaufverträge und allgemein alle Verträge mit Vereinbarung einer Vorauszahlung grundsätzlich den allgemeinen privatrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts. Zur Anwendung kommen vorab die Bestimmungen über den Kaufvertrag gemäss Artikel 184 ff. OR. Denkbar ist auch, dass ein Werkvertrag oder ein Auftrag mit ratenweiser Vorauszahlung vorliegt. Innerhalb der unverändert geltenden zwingenden Gesetzesbestimmungen (bspw. Art. 192 Abs. 3 OR, Art. 199 OR, Art. 370 Abs. 1 a.E. OR, Art. 400 OR, Art. 404 OR) resultiert damit für Vorauszahlungsverträge eine im Vergleich zum geltenden Recht weitergehende Vertrags(-inhalts-)freiheit und mehr Parteiautonomie. Insbesondere entfällt die teilweise kritisierte zwingende Schriftlichkeit für bestimmte materielle Gültigkeitsvoraussetzungen mit entsprechender Nichtigkeitsfolge. Es gilt nach der allgemeinen Regelung von Artikel 11 Absatz 1 OR der Grundsatz der Formfreiheit. Gleichzeitig entfallen auch die weiteren bestehenden Regelungen und Restriktionen zum vorzeitigen Bezugsrecht,

43

Vgl. für weitere Ausführungen den Bericht vom März 2013 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens.

4640

zum Nachforderungsrecht, zum Verzug, zur Vertragsdauer sowie zur Sicherung und Anlage der Vorauszahlungen bei einer Bank.

3.2

Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb

Art. 3

Unlautere Werbe- und Verkaufsmethoden und anderes widerrechtliches Verhalten

Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe m UWG handelt insbesondere unlauter, wer beim Angebot oder Abschluss von Konsumkreditverträgen und Vorauszahlungskäufen Vertragsformulare verwendet, die unvollständige oder unrichtige Angaben hinsichtlich bestimmter gesetzlich zwingend vorgeschriebener Vertragsangaben enthalten. Mit der Aufhebung der Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag im Obligationenrecht entfällt die gesetzliche Regelung des Vorauszahlungskaufs insgesamt und insbesondere auch die Pflicht, bestimmte Angaben zwingend im Vertrag aufzuführen. In der Bestimmung von Buchstabe m ist somit deren Anwendbarkeit auf Vorauszahlungskäufe zu streichen. Für Konsumkreditverträge gilt die Bestimmung unverändert.

Art. 4 Verleitung zu Vertragsverletzung oder -auflösung Nach Artikel 4 Buchstabe d UWG handelt insbesondere unlauter, wer eine Käuferin oder einen Käufer, die oder der einen Vorauszahlungskauf abgeschlossen hat, zu einem Widerruf oder einer Kündigung dieses Vertrags veranlasst, um selber mit ihr oder ihm einen solchen Vertrag abzuschliessen. Angesichts der Aufhebung der Bestimmungen zum Vorauszahlungsvertrag entfallen auch die gesetzlichen Regelungen zu Widerrufs- und Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht. Soweit Buchstabe d den Vorauszahlungskauf betrifft, sind die Bestimmungen daher zu streichen. Buchstabe d regelt weiterhin die Verleitung zum Widerruf von Konsumkreditverträgen.

Statt von «Käufer oder Kreditnehmer» ist daher neu lediglich vom «Konsumenten» die Rede.

4

Auswirkungen

Die beantragten Änderungen haben für den Bund, die Kantone und die Gemeinden keine finanziellen oder personellen Auswirkungen.

5

Verfassungsmässigkeit

Der Gesetzesentwurf stützt sich auf Artikel 122 der Bundesverfassung44, der dem Bund die Zuständigkeit im Bereich des Zivilrechts überträgt.

44

SR 101

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