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4883 Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erteilung einer neuen Konzession für ein Netz elektrischer Strassenbahnen in Lugano und Umgebung.

(Vom 80. November 1945.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Durch Bundesbeschluss vom 1. Juli 1905 wurde der Gesellschaft elektrischer Tramways in Lugano die Konzession für den Bau und Betrieh eines Netzes elektrischer Strassenbahnen in Lugano und Umgebung erteilt (E. A. S.81, 184). Diese erste Konzession, deren Dauer auf 40 Jahre lautete, umfasste mehrere Linien, von denen aber nur einzelne gebaut wurden.

Die Konzession wurde durch Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1909 abgeändert (E. A. S. 25, 419) und am 27. Juni 1918 auf die Gemeinde Lugano übertragen (E. A. S. 34, 112). Infolge unbenutzten Ablaufes der für die Einreichung der vorschrütsmässigen Vorlagen angesetzten Frist fiel die Konzession am 1. Januar 1920 für verschiedene Linien dahin (E. A. S. 38, 117).

Der Bundesrat machte von der ihm in Art. 81 der Konzession erteilten Kompetenz Gebrauch, indem er eine Netzerweiterung durch den Bau der Linie Via Monte Ceneri-Schokoladefabrik Besso (Soldini) bewilligte (Beschluss vom 13. Mai 1927, E, A. S. 43, 52). Gegenwärtig gehören zu den Strassenbahnen von Lugano folgende Linien: 1. Piazza Manzoni (Municipio)-Paradiso mit Verbindung zur Salvatorebahn ; 2. Piazza Manzoni (Municipio)-Cassarate; 3. Piazza Manzoni (Municipio)-Mohno Nuovo-Cimitero; 4. Piazza Manzoni (Municipio)-Besso mit Verbindung zum Bahnhof SBB.

Da die Konzession von 1905 am 5. Oktober 1945 ablief, verlangte die Gemeinde Lugano mit Schreiben vom 10. September 1945 deren Erneuerung.

Die Gesuchstellerin macht geltend, dass die Aufrechterhaltung dieses öffentlichen Verkehrsunternehmens wegen der beträchtlichen Ausdehnung, die die Stadt Lugano seit 1905 genommen habe, und wegen der unbestreitbaren Nützlichkeit der Strassenbahn für Handel, Gewerbe und Fremdenverkehr der

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dortigen Gegend unbedingt nötig sei. Sie weist ferner darauf hin, dass beabsichtigt sei, das Strassenbahnnetz durch einen Trolleybus- oder Autobusbetrieb zu ergänzen, um noch gewisse weitere Quartiere der Stadt bedienen zu können. Ein diesbezügliches Konzessionsgesuch würde aber in die Kompetenz des Post- und Eisenbahndepartements fallen und von diesem daher unabhängig vom vorliegenden Erneuerungsgesuch behandelt.

In seiner Vernehmlassung vom 15. September 1945 sprach sich das Baudepartement des Kantons Tessin für die Erteilung der nachgesuchten neuen Strassenbahnkonzession aus.

Die Einstellung des Betriebes dieses öffentlichen Verkehrsunternehmens, dessen Nützlichkeit unbestritten ist, kommt selbstverständlich nicht in Frage.

Wir haben deshalb den Entwurf zu einer neuen Konzession ausgearbeitet und dabei die Bestimmungen der alten soweit wie möglich übernommen und sie den gegenwärtigen Verhältnissen angepasst.

Nachstehend sei kurz auf die Vorschriften hingewiesen, die neu sind : a. Die Konzession soll auf eine Dauer von 50 Jahren, d. h. bis zum 81. Dezember 1995 erteilt werden.

b. Die Unternehmung war schon nach dem Bundesbeschluss vom 25. Juni 1920 über vorübergehende Taxmassnahmen der schweizerischen Eisenbahnunternehmungen (E. A. S. 36, 60) ermächtigt, für den Personenverkehr Taxen zu erheben, die um 45% höher sind als die in der Konzession vorgesehenen.

Wir haben diesem Umstand in unserem Entwurf (Art. 14) Bechnung getragen, indem wir die Höchsttaxe für Personen auf 15 Ep. je Kilometer festgesetzt haben, während sie in der alten Konzession 10 Ep. betrug. Für das einer besondern Taxe unterworfene Gepäck sieht der bisherige Tarif 20 Ep. je Stück bis 80 kg vor und 40 Ep., wenn das Gewicht 30 kg übersteigt. In der neuen Vorschrift bleibt der Ansatz von 20 bzw. 40 Ep. bestehen, jedoch wird das Gewicht, von dem an die höhere Taxe zu entrichten ist, auf 40 kg heraufgesetzt, was eine Verbilligung gegenüber dem bisherigen Zustand bedeutet.

c. Die Benützung des öffentlichen Grundes, die früher auf einer Vereinbarung zwischen der alten Gesellschaft und der Gemeinde Lugano beruhte, bedarf, soweit es sich um das Gebiet dieser Stadt handelt, keiner Eegelung mehr, denn die Gemeinde, die heute selber Konzessionärin ist, besitzt das Verfügungsrecht über ihren öffentlichen Grund. Soweit Strassen benützt
werden, die sich auf dem Gebiet anderer Gemeinden befinden, ist das Dekret des Grossen Eates des Kantons Tessin vom 8. Juni 1899 massgebend.

ä. Die Rückkaufsbestimmungen sind dahingehend vereinfacht worden dass als Preis eine billige Entschädigung vorgesehen wird, die sowohl die ursprünglichen Anlagekosten ·-- unter Abzug des durch die Abnützung bedingten Minderwertes -- als auch den Ertragswert des Unternehmens berücksichtigt.

Im übrigen haben wir, mit einigen rein formalen Abänderungen, die Bestimmungen der alten Konzession beibehalten. Die zuständigen Behörden

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des Kantons Tessin und der Gemeinde Lugano haben sich mit dem Konzessionsentwurf einverstanden erklärt. Wir beehren uns deshalb, Ihnen die Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes über eine neue Konzession für ein Netz elektrischer Strassenbahnen in Lugano und Umgebung zu beantragen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den SO. November 1945.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Ed. v. Steiger.

Der Bundeskanzler:

Leimgruber.

478 (Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Erteilung einer neuen Konzession für ein Netz elektrischer Strassenbahnen in Lugano und Umgebung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Eingabe der Gemeinde Lugano vom 10. September 1945 einer Botschaft des Bundesrates vom 30. November 1945, beschliesst: I.

Der Gemeinde Lugano wird zu den nachstehenden Bedingungen eine neue Konzession zum Betrieb eines Netzes elektrischer Strassenbahnen in Lugano und Umgebung erteilt, welches folgende Linien umfasst: 1. Piazza Mansioni (Municipio)-Paradiso mit Verbindung zur Salvatorebahn; 2. Piazza Manzoni (Municipio)-Cassarate ; S. Piazza Manzoni (Municipio)-Molino Nuovo-Cimitero; 4. Piazza Manzoni (Municipio)-Besso mit Verbindung zum Bahnhof SBB.

Art. 1.

Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Strassenbahnen der Stadt Lugano gelten als Nebenbahnen im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899.

Art. 2.

Die Konzession wird auf die Dauer von 50 Jahren, d. h. bis zum 81. Dezember 1995, erteilt.

Art. 8.

Der Bundesrat kann nach Anhörung der Kantonsregierung unter den in der gegenwärtigen Konzession enthaltenen Bedingungen der Gemeinde den

479 Bau weiterer Linien und die Verlegung bestehender Linien auf dem Gebiete der Stadt Lugano und ihrer Umgebung bewilligen und ihr gestatten, den Betrieb auf einzelnen Linien des Strassenbahnnetzes zu beschränken oder ganz aufzuheben und die Bahneinrichtungen zu beseitigen.

Art. 4.

Die notwendigen Änderungen an den Einrichtungen des bestehenden Netzes und der Bau neuer Linien darf nur erfolgen auf Grund von Ausführungsplänen, die vorher dem Bundesrate vorgelegt und von ihm genehmigt worden sind.

Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 5.

In bezug auf die Benützung der öffentlichen Strassen für Anlage und Betrieb der Bahn gilt das Dekret des Grossen Bates des Kantons ïessin vom 8. Juni 1899.

Art. 6.

Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung des Baues und Betriebes der Bahn obliegt, hat diese zur Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 7.

Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Bahn, die in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben, und gegen welche die Verwaltung nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 8.

Die Spurweite der Bahn beträgt 1,0 Meter. Die Traktion ist elektrisch.

Art. 9.

Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch Bauarbeiten zutage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen usw., sind Eigentum des Kantons Tessin und an dessen Begierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10.

Der Konzessionärin ist im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Fahrzeiten festzusetzen. Immerhin sind alle Projekte,

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·welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, dein eidgenössischen Postund Eisenbahndepartement vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden. Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat bestimmt.

Art, 11.

Die Wagen führen nur eine Klasse, deren Typus durch den Bundesrat genehmigt werden muss.

' Art. 12.

Die Konzessionärin übernimmt die Beförderung von Personen sowie von Gepäck. Zum Waren- und Viehtransport ist sie nicht verpflichtet.

Art. 18.

Die Konzessionärin hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können diese nur nach vorher eingeholter Genehmigung des Bundesrates eingeführt werden.

Art. 14.

Für die Beförderung von Personen darf eine Taxe von 15 Rp. für jeden Kilometer der Bahnlänge bezogen werden.

Kinder unter 6 Jahren in Begleitung Erwachsener sind unentgeltlich zu befördern, wenn für sie kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Die Konzessionärin hat Abonnementsbülette zu ermässigten Taxen nach mit dem Bundesrat zu vereinbarenden Bestimmungen auszugeben.

Art. 15.

Handgepäck ist soweit frei, als es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck kann auf jeder-der in der Präambel der gegenwärtigen Konzession erwähnten Linien eine Taxe von 20 Ep. für jedes einzelne Stück bis 40 kg und 40 Bp. für jedes einzelne Stück über 40 kg bezogen werden.

Art. 16.

Bei der Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Art. 17.

Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen, die der Genehmigung durch den Bundesrat unterliegen.

481 Art. 18.

Der nach gegenwärtiger Konzession zulässige Höchstbetrag der Beförderungspreise ist verhältnismässig herabzusetzen, wenn der auf das Anlagekapital entfallende Jahresgewinn in sechs aufeinanderfolgenden Jahren im Durchschnitt und für jedes einzelne der drei letzten Jahre 6% übersteigt, sofern nicht die Unternehmung den Bedürfnissen der Bevölkerung durch Gewährung anderer Preiserleichterungen oder durch Einführung von Verkehrsverbesserungen genügend Eechnung trägt. Über das Mass der Herabsetzung entscheidet der Bundesrat.

Art. 19.

Die Konzessionärin ist verpflichtet: a. einen Reservefonds, dessen Mittel zur Bestreitung ausserordenthcher Ausgaben infolge von Naturereignissen, Unfällen und Krisen, sowie zur Deckung anfälliger Fehlbeträge dienen sollen, zu äufnen durch jährliche Rücklage von mindestens 5% des Jahreßgewinnes, bis 10% des Anlagekapitals erreicht sind; b. das Personal gegen Krankheit zu versichern; c. für das Personal eine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung zu unterhalten; d. die Eeisenden bei einer Anstalt oder einem Eisenbahnverband gegen diejenigen Unfälle zu versichern, für die sie gemäss den geltenden gesetzlichen Bestimmungen haftpflichtig ist.

Art. 20.

Für die Ausübung des Eückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch macht, des Kantons Tessin, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Bückkauf kann jederzeit erfolgen; er ist dem Gemeinderat von Lugano drei Jahre zum voraus schriftlich anzukündigen.

b. Durch den Rückkauf wird der Bund Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und aller übrigen Zugehör. Immerhin bleiben die Rechte Dritter hinsichtlich der Krankenkasse und der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversicherung vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung nicht Genüge getan werden, so ist ein verhältnismässiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Als Rückkaufspreis hat der Bund eine billige Entschädigung zu entrichten, welche die ursprünglichen Erstellungskosten, unter Abzug des auf Abnützung der Anlagen beruhenden Minderwertes, sowie den Ertragswert des Unternehmens berücksichtigt.

482 d. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen könnten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 21.

Hat der Kanton den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Becht, wie es im Artikel 20 vorgesehen ist, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Beeilten und Pf höhten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der Konzessionärin zu fordern berechtigt gewesen wäre.

n.

Die Bundesbeschlüsse vom 1. Juli 1905, 22. Dezember 1909, 27. Juni 1918 und der Bundesratsbeschluss vom 13. Mai 1927 über die Konzession für die elektrischen Strassenbahnen in Lugano und Umgebung (E. A. S. 21, 184; 25, 419; 34, 112; 43, 52) werden aufgehoben.

III.

Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge dieses Beschlusses, der am 5. Oktober 1945 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Erteilung einer neuen Konzession für ein Netz elektrischer Strassenbahnen in Lugano und Umgebung. (Vom 30.

November 1945.)

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06.12.1945

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