Umsetzung der Armee XXI im Bereich der Ausbildung Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 10. Oktober 2006

Originalsprache: Französisch 2006-2686

2987

Abkürzungsverzeichnis AB

Amtliches Bulletin

ALB XXI

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Konzeption der Armee XXI vom 24.10.2001 (Armeeleitbild XXI; BBl 2002 926)

Art.

Artikel

BPG

Bundespersonalgesetz vom 24.3.2000 (SR 172.220.1)

C4ISTAR

Command, Control, Computers, Communication, Informations/Intelligence, Surveillance, Target Acquisition, Reconnaissance (integriertes Führungssystem)

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

FIS HE

Führungsinformations-System Heer

FUM

Führungsausbildung der unteren Milizkader

GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

GST

Generalstab

LVb

Lehrverband

V Mil Pers

Verordnung des VBS vom 9.12.2003 über das militärische Personal (SR 172.220.111.310.2)

VBA

Verbandsausbildung

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

z.B.

zum Beispiel

2988

Bericht 1

Einführung: Das Ausbildungsmodell der Armee XXI

Die am 1. Januar 2004 in Kraft getretene Armeereform XXI bezweckte die Anpassung an die geänderte sicherheitspolitische Lage sowie an neue gesellschaftliche Entwicklungen und finanzielle Auflagen. Ausserdem ging es darum, Mängel der Armee 95 im Ausbildungsbereich zu beheben1, hatte sich doch gezeigt, dass die 15-wöchige Rekrutenschule und die im Zweijahresrhythmus erfolgenden Wiederholungskurse nicht genügten, um ein ausreichendes Ausbildungsniveau sicherzustellen.

Mit der Armee XXI wurde der Einjahres-Rhythmus für Wiederholungskurse wieder eingeführt und die Dauer der Rekrutenschule auf 21 Wochen heraufgesetzt (oder je nachdem 18 Wochen). Ausserdem wurde die Organisation gründlich überarbeitet: Im Gegensatz zum vorgängig massgebenden Grundsatz, wonach «Lehrlinge von Lehrlingen» ausgebildet wurden, sieht die Armee XXI eine Professionalisierung der Grundausbildung vor. Die Rekrutenschule läuft nun in drei Teilen ab. Während der ersten zwei Teile ­ d.h. während der Allgemeinen Grundausbildung (7 Wochen) und der Funktionsbezogenen Grundausbildung (6 Wochen) ­ werden die Rekruten nicht mehr durch Milizkader, sondern ausschliesslich durch Berufs- und Zeitmilitärs betreut. Nach Abschluss der Grundausbildung werden die Rekruten zu Soldaten befördert. Erst ab der 14. Woche, d.h. während des dritten und letzten Teils der Schule ­ der Verbandsausbildung (VBA, je nachdem 5 oder 8 Wochen) ­ wird die Führungsverantwortung von Milizkadern übernommen.

Die Armee 95 war auch durch einen ständigen Kadermangel geprägt. Die Gründe waren der durch die Grösse der Armee verursachte hohe Bedarf sowie die insbesondere für Offiziere lange Ausbildungsdauer. Daher wurden die Militärkarrieren gründlich überdacht und attraktiver gestaltet. Generell wurde mit der Armee XXI die totale Dauer der Kaderausbildung verkürzt und auf den Anfang der Karriere konzentriert. Anstatt eine Reihe von Ausbildungen und Praxiseinsätzen während mehreren Jahren zu absolvieren (Abverdienen), besucht der Kaderanwärter nun eine ununterbrochene Ausbildung vom Rang des Rekruten bis zum Rang des Offiziers oder Unteroffiziers (siehe Kapitel 5). Der Kaderanwärter hat zwar das Recht, seine Ausbildung aufzuteilen, grundsätzlich besucht er jedoch in einem Block eine fünf- bis zwölfmonatige Ausbildung. Diese Konzentration der Ausbildung auf den Anfang der
Laufbahn ermöglicht es, die Last der militärischen Pflichten zu reduzieren, wenn familiäre und berufliche Aufgaben dazukommen. Eine Kaderfunktion lässt sich somit heute einfacher mit den neuen familiären (z.B. Änderung der Vaterrolle) und beruflichen Gegebenheiten (z.B. Internationalisierung des Arbeitsmarktes) der Milizkader vereinbaren. Die Attraktivität der militärischen Laufbahnen wurde überdies mit folgenden Massnahmen erhöht: Die Sätze der Entschädigung für den Erwerbsausfall wurden angehoben, die Führungsausbildung der Kader (FUM2) zertifiziert und im Zivilbereich anerkannt, und die Gradstrukturen wurden im Sinne einer erhöhten Differenzierung angepasst.

1 2

Siehe Botschaft des Bundesrates zur Armeereform XXI und zur Revision der Militärgesetzgebung (BBl 2002 858).

«Führungsausbildung der unteren Milizkader».

2989

Unter den anderen Reformen der Armee XXI im Ausbildungsbereich ist die Einführung eines neuen Rekrutierungssystems zu erwähnen, mit dem die Eignung der Rekruten für den Dienst getestet wird. Die Rekrutierung findet nun an sieben permanenten Standorten statt, und ihre Dauer wurde verlängert. Nach einem Informationstag kann sie bis zu drei Tagen dauern. Die Evaluation des körperlichen, psychischen und intellektuellen Potenzials wurde ausgedehnt und umfasst neuerdings eine Einschätzung der Eignung und des Interesses der Stellungspflichtigen für eine Kaderlaufbahn oder für einen Einsatz als Zeitmilitär.

Die Armee XXI sieht ferner nicht mehr zwei, sondern drei Starts der Rekrutenschulen pro Jahr vor; damit sollen die Infrastrukturen besser ausgelastet werden. In Zukunft fallen die Zeiten weg, während denen die Waffenplätze praktisch ungenutzt blieben: Eine neue Schule beginnt, während die vorhergehende noch ihre VBA durchführt.

Schliesslich führt die Armee XXI die Kategorie des Durchdieners ein, der seinen obligatorischen Militärdienst (inkl. Wiederholungskurse) in der Regel ohne Unterbrechung durchführt. Durchdiener leisten ihren Einsatz generell im Bereich der militärischen Sicherheit.

2

Ziel der Untersuchung und Vorgehen

Im Rahmen ihres Jahresprogramms 2004 beschloss die Subkommission EDA/VBS, eine Infanterierekrutenschule zu besuchen, um die Umsetzung der Armee XXI an Ort und Stelle zu beurteilen und eine allgemeine Bilanz des neuen Systems für die Rekrutierung, Ausbildung und Betreuung der Rekruten zu ziehen.

Die Subkommission stattete Anfang November 2004 der Infanterie-Rekrutenschule 11 in Neuchlen-Anschwilen einen Besuch ab. Es handelte sich um eine der ersten Schulen, die im System der Armee XXI durchgeführt wurden. Insgesamt erhielt die Subkommission bei ihrem Besuch einen positiven Eindruck: Im Team der Berufsmilitärs herrschten Einigkeit und Motivation, die Rekruten waren müde, aber begeistert. Die Subkommission hielt ausserdem fest, dass genügend neue Milizkader vorhanden waren und dass sich die Qualität der Rekrutenausbildung verbesserte.

Bei dem Besuch wurden jedoch auch Probleme hinsichtlich der Planung der Rekrutenbestände und dem Arbeitsvolumen der Berufsmilitärs festgestellt. Aus diesem Grund beschloss die Subkommission ein Jahr später, eine zweite Rekrutenschule zu besuchen, und zwar im Oktober 2005 die Verbandsausbildung der Infanterie 3 in Bure. Bei dieser Gelegenheit traf die Subkommission auch den Kommandanten der Infanterie-Durchdienerschule in Aarau. Beim zweiten Besuch ging es darum zu prüfen, wie sich die Lage entwickelt hatte und in welchem Umfang gewisse «Kinderkrankheiten» korrigiert werden konnten. Da der Besuch in Neuchlen-Anschwilen in den ersten Wochen der Rekrutenschule stattgefunden hatte, bezweckte der zweite Besuch auch, sich über die Situation während einer VBA ins Bild zu setzen, während der die Führung der Verbände von den Milizkadern wahrgenommen wird.

Die von der Subkommission geführten Gespräche haben bestätigt, dass die Armee XXI wesentliche Fortschritte gebracht hat, sie haben das Augenmerk jedoch auch auf bedeutsame Schwierigkeiten gelenkt, die noch zu bewältigen sind. Diese stehen im Zusammenhang mit der Situation der Berufsmilitärs, der Ausbildung der Milizkader und dem Status der Zeitmilitärs. Um die betreffenden Fragen zu klären, hat die 2990

Subkommission Gespräche mit den folgenden Personen geführt (in chronologischer Reihenfolge, Funktion zur Zeit des jeweiligen Gesprächs): ­

Divisionär Hans-Ulrich Solenthaler, Ausbildungschef Heer

­

Daniel Gafner, Personalchef Verteidigung

­

Oberst i.Gst. Peter Bolliger, Stellvertretender Personalchef Verteidigung, Chef Grundlagen militärisches Personal, VBS

­

Divisionär Heinz Aschmann, Chef Ausbildungsführung im Führungsstab der Armee

­

Korpskommandant Christophe Keckeis, Chef der Armee

­

Bundesrat Samuel Schmid, Vorsteher des VBS

Die GPK-N hat darauf verzichtet, eine Liste aller Personen zu erstellen, mit denen sich die Subkommission bei den Besuchen in den Rekrutenschulen unterhalten hat.

Die Anzahl angehörte Personen beläuft sich auf mehrere Dutzend, da sich die Subkommission gesondert mit sämtlichen Kategorien des auf dem Waffenplatz stationierten militärischen Personals unterhielt ­ von den Rekruten über die Zeitmilitärs und die Milizkader bis hin zu den Berufsmilitärs. Die Subkommission hat ausserdem eine Kopie der Protokolle der Sitzungen der Sicherheitspolitischen Kommission zum Thema der Berufsmilitärs erhalten.

Am 5. September 2006 hat die Subkommission ihre Feststellungen in einem Berichtsentwurf festgehalten. Dieser Entwurf wurde dem Vorsteher des VBS unterbreitet, mit der Bitte zu prüfen, ob der Bericht formelle oder materielle Fehler enthalte, welche korrigiert werden müssten, und ob einer Veröffentlichung schützenswerte Interessen entgegenstünden. Der Vorsteher des VBS hat seine Bemerkungen mit Schreiben vom 25. September 2006 mitgeteilt. Seine Anregungen wurden von der Subkommission teilweise berücksichtigt.

Der Schlussbericht der Subkommission wurde der GPK-N am 10. Oktober 2006 vorgelegt, die diesen einstimmig bei zwei Enthaltungen mitsamt seinen Schlussfolgerungen und Empfehlungen guthiess. Die Kommission beschloss, den Bericht dem Bundesrat zur Stellungnahme sowie den Sicherheitspolitischen Kommissionen zur Information weiterzuleiten.

Abschliessend ist festzuhalten, dass die Untersuchung der GPK-N sich auf die Ausbildung in den Lehrverbänden konzentriert hat. Die höhere Kaderausbildung der Armee, die Ausbildung in den Wiederholungskursen oder die Stabsausbildung der Grossen Verbände waren davon nicht betroffen. Auch die Situation der Fachberufsoffiziere und ­unteroffiziere sowie der Berufssoldaten wurde nicht untersucht. Wenn in diesem Bericht also von Berufskadern oder Zeitkadern die Rede ist, sind darunter ausschliesslich Kader zu verstehen, die für die Ausbildung in den Lehrverbänden des Heeres und der Luftwaffe engagiert sind.

2991

3

Berufsmilitärs

Mit der Armee XXI wurde das ehemalige Instruktorenkorps durch die Berufsoffiziere und ­unteroffiziere ersetzt. Diese haben keinen eigenen Status mehr, sondern sind wie alle Angestellten des Bundes dem Bundespersonalgesetz3 und den dazugehörigen Verordnungen unterstellt. Auch wenn die Personen weitgehend dieselben geblieben sind, widerspiegelt die neue Bezeichnung einen Wandel ihres Berufs, der durch die verschiedenen Reformen der Armee XXI bestimmt wurde.

Einerseits ist das Pflichtenheft der Berufsmilitärs wesentlich anspruchsvoller geworden. Neben ihren Ausbildungsaufgaben haben die Berufsmilitärs heute auch Führungs-, Planungs- und Organisationsaufgaben zu übernehmen, die zuvor von den Milizkadern wahrgenommen wurden. Der Schulkommandant führt höhere Bestände als in der Vergangenheit; er hat heute auch Verantwortungen im Bereich der Personalverwaltung wahrzunehmen, etwa die Rekrutierung der Zeitmilitärs und die Planung ihrer Einsätze. Der Kompaniekommandant führt nun eine Mannschaft von rund fünfzehn Zeitmilitärs und Berufsunteroffizieren. Letztere können, unterstützt von einigen Zeitmilitärs, einem Zug vorstehen ­ eine Aufgabe, die herkömmlicherweise Offizieren vorbehalten ist. Von Lehrern in Uniform sind die Berufsmilitärs zu Chefs, Ausbildnern und Instruktoren geworden. Diese neuen Aufgaben verlangen von den Berufsmilitärs einen sehr hohen Einsatz und eine ununterbrochene Präsenz in den Schulen.

Im Allgemeinen reagieren die Berufsmilitärs positiv auf ihre neuen Aufgaben und sind mit ihrem Beruf zufrieden. Die Arbeitsbelastung ist hingegen sehr hoch, besonders während der ersten sieben Wochen der Rekrutenschule, wo die Berufsmilitärs allein die Führung wahrnehmen (mit Ausnahme der Unterstützung durch überzählige Unteroffiziere der Armee 95; siehe unten). Entgegen den Erwartungen geht die Arbeitsbelastung während der VBA, in der die Milizkader die Führungsaufgabe übernehmen, nicht massgeblich zurück. Die Betreuung der Milizkader erfordert nämlich beträchtliche Ressourcen, umso mehr als deren Ausbildung massgebliche Schwächen hinsichtlich der praktischen Erfahrung aufweist (siehe Kapitel 5). Oft beginnt der Tag der Berufsmilitärs mit dem Wecken der Truppen um 5 Uhr 30 und endet mit dem Abendverlesen um 22 Uhr. So kommt es häufig vor, dass die Arbeitszeit über 70 Stunden pro Woche beträgt,
und dies während der ganzen Dauer der Schulen.

Die neue Organisation der Rekrutenschulen führt zu einem strengen Rhythmus während des ganzen Jahres. Mit dem Übergang zu drei Rekrutenschulen pro Jahr fielen die Ruhephasen zwischen den einzelnen Schulen weg. Für die Berufsmilitärs bedeuteten diese Unterbrüche Zeit für Ausbildung und Ferien. Heute sind die Zeiten für Ruhe, Vorbereitung und Ausbildung kürzer und schwieriger zu planen. Das Privat- und Familienleben wird zudem durch eine oft grössere Distanz zwischen Ausbildungs- und Wohnort erschwert, die sich aus der Reduktion der Anzahl Waffenplätze ergibt.

Die Schulen folgen dicht aufeinander, und während den Schulen ist die Auslastung permanent. Insgesamt sind die Berufsmilitärs der Ansicht, dass sie während des ganzen Jahres einer richtiggehenden Durchhalteübung unterzogen werden, deren Ende nicht abzusehen ist. Die GPK-N hat mehrere Militärs getroffen, die Anzeichen von Überlastung und Erschöpfung aufwiesen.

3

Bundespersonalgesetz vom 24. 3.2000 (SR 172.220.1; BPG).

2992

Der Wandel der Aufgaben der Berufsmilitärs hätte durch eine Aufstockung der Bestände kompensiert werden sollen. Das Armeeleitbild XXI sah vor, die Zahl der Berufsmilitärs4 von 3300 auf rund 4000 zu erhöhen, und diejenige der Zeitmilitärs von 150 auf etwa 10005. Diese Aufstockung der Bestände bildete eine der wesentlichen Grundlagen des neuen Ausbildungskonzepts. Aufgrund von Sparmassnahmen des Bundes, die nach der Annahme der Armeereform XXI beschlossen wurden, mussten die Ziele hinsichtlich der Bestände jedoch nach unten revidiert werden. Am 1. Januar 2006 betrug der Bestand der Berufsmilitärs 3093 Stellen, darunter ein Kontingent von rund 100 Stellen, die bis Ende 2008 befristet sind (40 Offiziere, 60 Unteroffiziere). Der Gesamtbestand der Zeitmilitärs (1083 am 25.8.2006) erreicht zwar das Ziel des Leitbildes, enthält jedoch ein Zusatzkontingent von rund 290 Zeitmilitärs, das Ende 2007 wegfällt. Dazu kommt, dass ca. 70 Stellen von Berufsmilitärs sowie ca. 120 Stellen von Zeitmilitärs, die in der Bestandesplanung 2006 vorgesehen waren, zur Zeit nicht besetzt sind, sodass der Besetzungsfaktor der Stellen über alle Lehrverbände hinweg unter eins liegt. Laut Schätzung des Chefs der Armee fehlen für eine einwandfrei funktionierende Armee XXI insgesamt rund 450 Berufsmilitärs.

Die zu niedrigen Bestände im Ausbildungsbereich verschärfen das Problem der Arbeitsbelastung der Berufsmilitärs. Es ist für die Mitarbeitenden auch sehr schwierig, ihren Posten vorübergehend zu verlassen, sei es für einen Urlaub, eine Weiterbildung oder einen Auslandeinsatz. Der Personalmangel betrifft sowohl das Heer als auch die Luftwaffe.

Tabelle 1 Vergleich der realen und der geplanten Bestände im Ausbildungsbereich

Berufsoffiziere9 Berufsunteroffiziere9 Zeitmilitärs

Armeeleitbild XXI6

Stand am 1.1.2004

Stand am 1.1.2005

Planung 20067

Stand am Planung 25.8.20066 20076

Planung 20088

1440 1540

1096 1060

1085 1044

1050 1061

1059 1001

1050 1060

n.c.

n.c.

1250

903

980

1200

1083

1200

n.c.

Der Wandel des Berufsbilds der Berufsmilitärs ging einher mit einer Kürzung der Lohn- und Sozialleistungen: Verringerung der Verpflegungsentschädigung, Erhöhung der Beiträge für die 2. Säule, begrenzte Zuteilung von Dienstfahrzeugen oder auch die Reduktion der Leistungen im Fall einer vorzeitigen Pensionierung. Insbesondere die Auflösung der Militärversicherung ab 2006 (Krankenkasse) löst bei den

4 5 6 7 8 9

Inkl. Fachberufsoffiziere und -unteroffiziere.

BBl 2002 1034.

Planung mit Zeithorizont 2010.

Inkl. Offiziere und Unteroffiziere in der Grundausbildung und befristete Zusatzkontingente.

Die Planungszahlen werden Ende Oktober 2006 vorliegen.

Ohne Fachberufsoffiziere und -unteroffiziere.

2993

Berufsmilitärs, welche diese als einen integralen Bestandteil ihres Einkommens ansahen10, eine grosse Unzufriedenheit aus.

Der Mangel an klaren beruflichen Perspektiven verunsichert insbesondere die jungen Berufsmilitärs. Während vielen Jahren gewährleistete die Militärlaufbahn einen kontinuierlichen Aufstieg. Die Laufbahnpläne des VBS erzeugten einen gewissen Karriere-Automatismus: Ein Berufsoffizier konnte praktisch davon ausgehen, bis in den Rang des Obersten vorzurücken. Da es inzwischen zu viele Offiziere der oberen Hierarchiestufen gibt und weil die Armeestrukturen verändert worden sind, ist eine solche Laufbahn heute jedoch nicht mehr gewährleistet. Die berufliche Beförderung spielt sich in Zukunft im Rahmen von fünf Einsatzgruppen (E1 bis E5) ab. Jeder Übertritt erfolgt nach einem Auswahlverfahren, dessen absolute Richtschnur der Bedarf ist: Nur wenn in der nächsthöheren Einsatzgruppe Bedarf gemäss dem Stellenplan besteht, kann jemand befördert werden. Das VBS ist der Ansicht, dass für das Gros der Berufsoffiziere heute ein realistisches Berufsziel eine Funktion der Einsatzgruppe E3 ist (stellvertretender Schulkommandant, Gruppenchef bei der Ausbildung der höheren Kader), mit dem militärischen Grad Oberstleutnant. Diese Situation, welche voraussichtlich andauern wird, lässt den jungen Militärs weniger Hoffnung auf einen schnellen Aufstieg in Verantwortungsposten. Schliesslich wird auch die Absicht des VBS, den Berufsmilitärs die Möglichkeit zu mehreren Stellenrotationen zu bieten ­ z.B. im Rahmen eines Auslandeinsatzes oder eines Einsatzes in der Privatwirtschaft ­ durch die gegenwärtigen Unterbestände eingeschränkt.

Ferner sieht das Gesetz vor, dass Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere ­ mit Ausnahme der höheren Stabsoffiziere ­ im Alter von 58 Jahren in Rente gehen können. Diese vorzeitige Pensionierung wird als unerlässliche Kompensation für die Flexibilität und das Engagement, welche von den Berufsmilitärs verlangt werden, sowie für das Fernsein von ihren Familien angesehen. Ausserdem sollen mit dieser vorzeitigen Pensionierung gewissermassen auch die während des gesamten Dienstverhältnisses geleisteten Überstunden kompensiert werden. Die Militärs machen sich Sorgen, dass dieses Privileg möglicherweise im Rahmen der zurzeit durch die Eidgenössischen Räte diskutierten Revision des
Bundesgesetzes über die Pensionskasse des Bundes11 in Frage gestellt werden könnte. Für manche Berufsmilitärs schien die vorzeitige Pensionierung ein wichtiges Element bei der Wahl ihres Berufs zu sein.

Schliesslich ist anzumerken, dass diese Revision für die Berufsmilitärs, wie auch für das übrige Bundespersonal, Auswirkungen auf die dereinstige Höhe der Rente haben könnte.

Insgesamt muss festgehalten werden, dass sich unter den Berufsmilitärs eine starke Demotivation breitgemacht hat, da sie sich zu wenig wertgeschätzt fühlen. Manche Berufsmilitärs sind nicht mehr bereit, das gegenwärtige System zu unterstützen, und einige haben der GPK-N auch offen gesagt, dass sie aktiv nach einer neuen Stelle suchen. Diese Unzufriedenheit erklärt sich durch das Zusammentreffen der verschiedenen oben erwähnten Elemente: die Müdigkeit aufgrund der Überlastung, die Einschränkungen hinsichtlich der Lebensqualität, der Mangel an klaren beruflichen Perspektiven sowie die Verschlechterung des Verhältnisses zwischen der Arbeitsbe10

11

Die Berufsmilitärs können ihre Kasse nicht frei wählen. Am 16.11.2005 legte der Bundesrat die Prämie der Militärversicherung auf 256 Franken pro Monat fest. Für die niedrigen Gehälter sind Prämienkürzungen vorgesehen. Darüber hinaus haben sämtliche Versicherte eine Prämie für Nichtberufsunfälle von max. 74 Franken monatlich zu bezahlen.

Bundesgesetz vom 23.6.2000 über die Pensionskasse des Bundes (PKB-Gesetz; SR 172.222.0).

2994

lastung und den dafür gebotenen Leistungen. Schliesslich belastet sie auch der Rückgang des Ansehens der Armee in der Gesellschaft, und sie beklagen einen Mangel an interner Kommunikation sowie mangelndes Zuhören seitens der Hierarchie.

Während die Zahl der Kündigungen 2003 noch 14 betrug, zählte man 2004 deren 23 und 2005 deren 35. 2006 waren bereits am 31. Juli 32 Kündigungen zu verzeichnen.

Diese Kündigungen betreffen vor allem junge, qualifizierte Militärs am Anfang ihrer Karriere; dazu kommt, dass in den Jahren 2005 und 2006 mehrheitlich Offiziere kündigten. Neben den oben erwähnten Gründen für die Unzufriedenheit wurden auch familiäre Probleme im Zusammenhang mit der Versetzungspflicht als Kündigungsgrund aufgeführt. Der Chef der Armee hat ausserdem darauf hingewiesen, dass die Überlastung der Berufsmilitärs den Korpsgeist und den Dialog zwischen den Militärs und ihren Vorgesetzten beeinträchtige. Er betonte, dass auch in der Vergangenheit Militärs manchmal Angebote aus dem Privatsektor erhalten hätten, dass sie jedoch von ihren Vorgesetzten zurückgehalten wurden, welche sich die Zeit nahmen, mit ihnen zu sprechen und sie zu überzeugen, in der Armee zu bleiben.

Tabelle 2 Entwicklung der Anzahl Weggänge Kündigungen

Entlassungen

Pensionierungen

2003

14

­

64

78

2004

23

­

53

76

2005

34

1

78

113

2006*

32

­

39

71

*

Total

Stand am 31.7.2006

Nach Ansicht der GPK-N ist die Entwicklung der Zahl der Kündigungen besorgniserregend. Sie ist ein deutliches Zeichen für die Enttäuschung, die unter den Berufsmilitärs herrscht.

Eine hohe Anzahl Kündigungen beeinträchtigt auch das Funktionieren des Karrieresystems der Armee. In einem funktionsbezogenen System kann ein Weggang nämlich durch die Anstellung einer externen Person, die ähnliche Qualifikationen aufweist, ersetzt werden. Im Militärkorps hingegen muss ein Weggang intern ersetzt und durch die Rekrutierung einer neuen Person, deren Grundausbildung ein bis drei Jahre erfordert, kompensiert werden. Die Ersetzung eines Weggangs ist somit kostspielig und benötigt Zeit. Der Know-how-Verlust ist beträchtlich, zumal oft gute Militärs den Dienst verlassen.

Die Anzahl nachkommender Berufsoffiziere und ­unteroffiziere reicht gerade aus, um die Weggänge zu kompensieren, erlaubt jedoch keine Erhöhung der Bestände, obwohl dies dringend nötig wäre. 2005 verzeichnete das VBS 113 Weggänge, gleichzeitig beendeten nur 34 Offiziere und 60 Unteroffiziere ihre Grundausbildung.

2006 belaufen sich diese Zahlen auf 71 (Stand am 31.7.2006) respektive 34 und 24.

2995

Die Schwierigkeit, neue gute Kader zu rekrutieren, ist nicht neu; sie wurde schon in zwei früheren Berichten der GPK-N hervorgehoben12. Tabelle 3 zeigt, dass die Anzahl neuer Kader über die Jahre hinweg stark schwankt, sie wird namentlich durch die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt beeinflusst. Das gute Funktionieren der Armee XXI hängt jedoch ­ noch mehr als in der Vergangenheit ­ von einem in qualitativer und quantitativer Hinsicht ausreichendem Nachwuchs ab. In dieser Hinsicht stellt die GPK-N mit Besorgnis fest, dass insbesondere die Unteroffiziersanwärter nur zu einem kleinen Teil das Niveau von Anfang der 1980er Jahre erreicht. Bei den Offizieren liegt die Anzahl Anwärter, die einen vollständigen Ausbildungszyklus absolvieren (Bachelor, drei Jahre) über dem Durchschnitt der letzten Jahre. Allerdings war die Anzahl der Anwärter, die bereits über einen Hochschulabschluss verfügen und daher zu einem kürzeren Ausbildungszyklus zugelassen werden (Diplom, ein Jahr), noch nie zuvor so niedrig.

Tabelle 3 Entwicklung der Anzahl neuer Berufsoffiziere und -unteroffiziere Berufsoffiziere

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Berufsunteroffiziere

Bachelor

Diplom

Total

22 17 28 13 25 15 17 32 28 21 30 15 35

11 18 8 11 12 17 11 20 14 13 4 n.b.

n.b.

33 35 36 24 37 32 28 52 42 34 34 n.b.

n.b.

31 42 41 50 32 45 58 49 46 60 24 27 n.b.

In Zukunft wird der Stellenabbau im VBS hauptsächlich Zivilpersonal betreffen.

Mehrere Faktoren erfordern jedoch eine Anpassung der Bestände im Ausbildungsbereich:

12

­

Die zusätzlichen Kontingente an Zeitmilitärs (289 Stellen) und Berufsmilitärs (100 Stellen) werden Ende 2007 respektive Ende 2008 auslaufen.

­

Heute sind rund 6000 Unteroffiziere aus Überbeständen der Armee 95 während der ersten sieben Wochen der Rekrutenschule als AusbildungsUnteroffiziere engagiert, mit dem Ziel, die mangelnden Bestände des militärischen Personals zu kompensieren. Die meisten von ihnen werden ab

Bericht der GPK-N vom 16.4.1998 über das Instruktionskorps, BBl 1998 4336 und Bericht der GPK-N vom 22.5.1985 zur Frage des Instruktorenmangels, AB 1985 N 1020.

2996

ca. 2010 nicht mehr zur Verfügung stehen13. Dasselbe Problem wird sich auch für den Betrieb der Schulen stellen; der entsprechende Bedarf wurde bisher durch überzählige Soldaten der Armee 95 gedeckt.

­

Die für Auslandeinsätze bestimmten Bestände ­ und damit auch die Zahl der im Ausland eingesetzten Berufskader ­ sollen laut dem Beschluss des Bundesrates vom 11. Mai 2005 ansteigen.

­

Die neuen Systeme der Spitzentechnologie, welche das VBS erwerben will (z.B. C4ISTAR, FIS HE), werden neue Kapazitäten und die Verlagerung von hunderten von Stellen erfordern.

In Anbetracht dieser Probleme vertritt der Vorsteher des VBS die Ansicht, dass die einzige Lösung darin besteht, mehr Personal für die prioritären Aufgaben einzusetzen. Angesichts der Budgetrestriktionen, welche die Armee belasten, sieht er vor, diese Ressourcen durch Restrukturierungen und departementsinterne Reorganisationen aufzutreiben.

Die angekündigten Massnahmen zielen in drei Richtungen:

13

14

15

1.

Restrukturierungen innerhalb des Verteidigungsbereichs, z.B.: ­ flachere Gestaltung der Kommandostruktur, z.B. in den Kaderschulen: ­ Zentralisierung der Offiziersausbildung14: ­ Zusammenlegung der Lehrverbände Panzer und Artillerie (bereits umgesetzt); ­ Fusion der Lehrverbände Führungsunterstützung Heer und Führungsunterstützung Luftwaffe; ­ Verlagerung der Ausbildung der Artillerie nach Bière.

2.

Neubesetzungen innerhalb des Corps der Berufsmilitärs: ­ Der «Front» der Ausbildung wird gegenüber den «zentralen Bereichen»15 Priorität gegeben: Reduktion der zentralen Stäbe um rund 350 Stellen zugunsten des in der Ausbildung engagierten militärischen Personals, Anstellungsstopp von Berufsoffizieren und Berufsunteroffizieren in den Stäben, Versetzung jüngerer Berufsoffiziere und ­ unteroffiziere aus den Stäben an die Ausbildungsfront; ­ Versetzung «überzähliger» Obersten und Oberstleutnants an die Ausbildungsfront oder in Stäbe; ­ Ausgleich von Berufsoffizieren und Berufsunteroffizieren innerhalb der Lehrverbände.

Siehe «Überprüfung der Zielsetzungen der Armee», Zwischenbericht des VBS per 31.12.2005 an die Bundesversammlung gemäss Artikel 149b des Militärgesetzes, Kapitel 8.4.2.

Siehe Botschaft des Bundesrates über Änderungen der Armeeorganisation und des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Verbesserung des Bundeshaushaltes (Rechtliche Anpassungen zur Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 der Armee), vom 31.5.2006, BBl 2006 6229.

Zur Zeit sind etwa 77 % der Berufsmilitärs in der Ausbildung engagiert, gegenüber 12 % in den Stäben. Die übrigen Bestände sind in der Grundausbildung (9 %), bilden sich im Ausland aus (1,3 %), nehmen an Auslandseinsätzen teil (<0,4 %) oder üben eine Funktion ausserhalb des Bereichs Verteidigung aus (<0,3 %).

2997

3.

Rekrutierungsbemühungen: ­ Intensivierung der Rekrutierungsbemühungen (z.B. Prämie von 1000 Franken für jeden Mitarbeiter des VBS, der die Unterzeichnung eines neuen Vertrags ermöglicht); ­ Schaffung eines neuen Kursus «berufsbegleitende Ausbildung»16, um Anwärtern, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, die Laufbahn des «Ausbildungsoffiziers» zu eröffnen; ­ unter gewissen Bedingungen: Verpflichtung von Zeitoffizieren als «Ausbildungsoffiziere» mit einer auf einige Wochen beschränkten Grundausbildung; ­ Revision der Zulassungskriterien für die militärische Laufbahn.17

Der Chef der Armee hat Personalabbauvorgaben für die ihm direkt unterstellten Organisationseinheiten erlassen. Ein detailliertes und beziffertes Konzept bezüglich der Personalab- und umbauplanung im Bereich Verteidigung liegt jedoch nicht vor.

Gemäss Auskunft des VBS sollte ein solches Konzept Ende Oktober 2006 vorhanden sein.

Um die Situation des Militärpersonals zu erleichtern, hat der Vorsteher des VBS auch Lohnmassnahmen zugunsten des militärischen Personals für die Jahre 2006 bis 2010 angeordnet18 und zusammen mit dem EFD verschiedene Massnahmen zur Kompensierung der Leistungsverringerungen geprüft.

Schliesslich wurde das Projekt «Neues Berufsbild Militärpersonal» lanciert, mit dem Ziel, das Profil der Berufsmilitärs zu klären, die Verwaltung und die Planung der Militärlaufbahn zu verbessern und verschiedene Fragen zu untersuchen, wie z.B.

welche Bedingungen vorhanden sein müssen, um eine Berufsoffiziers- oder Berufsunteroffiziersausbildung zu absolvieren. Das Projekt sollte Ende 2006 abgeschlossen werden.

4

Zeitmilitärs

Fast alle Zeitmilitärs sind heute im Ausbildungsbereich engagiert (943 Stellen). In den wenigsten Fällen werden sie in Bereitschaftsformationen (KatastrophenhilfeFormationen, 66 Stellen) und in weiteren Einheiten (74 Stellen, z.B. in Stäben, Rekrutenzentren, etc.) eingesetzt.

16

17

18

Nach mindestens drei Jahren Einsatz als Zeitoffizier absolviert der Anwärter ein Ausbildungsjahr an der Militärschule, gefolgt von einem mindestens dreijährigen Engagement in der Ausbildung. Nach einer Zulassungsprüfung besucht der Anwärter dann eine weitere Ausbildung von einem Jahr an der Militärschule.

Ein Unteroffiziersgrad reicht in Zukunft aus, um die Ausbildung an der Berufsunteroffiziersschule zu absolvieren (früher war ein höherer Unteroffiziersgrad erforderlich); das Bacherlor-Studium an der Militärakademie wird neu auch Leutnants offenstehen (früher war der Grad eines Oberleutnants erforderlich).

Die Zulage beträgt 3000 Franken pro Jahr. Die Zeitmilitärs haben Anrecht auf eine lineare Erhöhung des Anfangslohnes um 1800 Franken. Siehe Art. 3 und 5 der Verordnung des VBS vom 11.11.2005 über Lohnmassnahmen zu Gunsten des militärischen Personals in den Jahren 2006­2010 (SR 172.220.111.342.2).

2998

Die Zeitmilitärs werden auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags mit einer Maximaldauer von fünf Jahren beschäftigt. Laut Art. 10 der Verordnung des VBS über das militärische Personal19 können als Zeitmilitärs Personen angestellt werden, die: a.

Angehörige der Armee sind;

b.

gute Qualifikationen aus den bisherigen Militärdienstleistungen besitzen;

c.

einen untadeligen Leumund besitzen;

d.

als tauglich für die Berufsversicherung der Militärversicherung erklärt worden sind; und

e.

eine Eignungsabklärung für Zeitmilitärs bestanden haben.

Im Allgemeinen ist heute ein Einsatz als Zeitmilitär notwendig, um Berufsmilitär werden zu können. Für das VBS ermöglicht diese Bedingung, die Anwärter mit den Realitäten des Berufs zu konfrontieren und ihre Eignung besser einzuschätzen, bevor sie für eine sehr kostspielige Grundausbildung engagiert werden.

Für die Rekrutierung der Zeitmilitärs und die Leitung ihrer Einsätze sind die Schulkommandanten zuständig. Manche Anwärter bewerben sich spontan bei den Schulen, häufiger jedoch werden sie in Rekrutenschulen oder Kaderkursen direkt angefragt. Die Eignung der Rekruten für einen Einsatz als Zeitmilitär wird im Übrigen bei der Aushebung getestet. Die Zeitmilitärs werden an ihrem Einsatzort ausgebildet; eine zentralisierte Ausbildung hat sich als ungeeignet erwiesen.

Die Arbeitszeit der Zeitmilitärs richtet sich nach dem Bedarf; im Jahresdurchschnitt beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 45 Stunden (Art. 20 V Mil Pers). Dies bedeutet, dass die Zeitmilitärs im Gegensatz zu den Berufsmilitärs Anrecht darauf haben, ihre Überstunden zu kompensieren. Die Gespräche der GPK-N haben jedoch gezeigt, dass sich diese Bestimmung in der Praxis schwer anwenden lässt. Die oft beträchtliche Überzeit lässt sich häufig nicht vollständig kompensieren, vor allem auf Grund der mangelnden Bestände.

Bei gleichem Rang erhalten die Zeitmilitärs weniger Lohn als die Berufsmilitärs. So ist zum Beispiel ein Berufsoffizier, der seine Grundausbildung abgeschlossen hat, der Lohnklasse 22 zugeteilt, ein als Einheitskommandant engagierter Zeitmilitär der Lohnklasse 16. Ausserdem sind die Zeitmilitärs nicht zu den gleichen Entschädigungen berechtigt wie die Berufskader (Vergütung der Fahrkosten, bezahlte Besuchsreisen, Vergütung bei Unterkunft in Kasernen usw.), und sie kommen nicht in den Genuss einer vorzeitigen Pensionierung. Im Allgemeinen werden die Zeitmilitärs mit der Truppe untergebracht und verpflegt, und sie verfügen nicht über dieselben Infrastrukturen wie die Berufsmilitärs, z.B. einen eigenen Arbeitsplatz oder ein Dienstfahrzeug.

Die von der GPK-N angehörten Zeitmilitärs sind der Meinung, dass ihre Gehaltsbedingungen den Verantwortlichkeiten, die sie hinsichtlich Führung, Material und Arbeitszeit übernehmen, nicht entsprechen. Ein Zeitmilitär, der Personal zu führen, mehrere Millionen Franken an Material zu verwalten
und oft eine über sieben Tage verteilte wöchentliche Arbeitszeit von über 70 Stunden zu leisten hat, kann sich mit einem Gehalt von CHF 3'800 nicht zufrieden geben. Die Aufhebung der Übernahme der Krankenversicherung und die Erhöhung der Verpflegungsspesen bedeuten einen 19

Verordnung des VBS vom 9.12.2003 über das militärische Personal (SR 172.220.111.310.2; V Mil Pers).

2999

beträchtlichen finanziellen Verlust (bis zu 10 % des Nettolohns). Viele Zeitmilitärs haben offenbar finanzielle Schwierigkeiten. Wie die Berufsmilitärs leiden die Zeitmilitärs zudem an Freizeitmangel sowie an einem eingeschränkten Privat- und Familienleben.

Die Kommission hat festgestellt, dass die Gründe, sich als Zeitmilitär zu verpflichten, sehr unterschiedlich sind. Schematisch können drei Gruppen von Personen unterschieden werden. Die ersten engagieren sich für eine beschränkte Dauer (ein, zwei oder drei Jahre); sie haben eine klare Zukunftsperspektive im Zivilbereich und sehen ihr Engagement als eine willkommene Unterbrechung oder als eine Erfahrung, die später geltend gemacht werden kann. Andere sehen den Einsatz als eine Auszeit vor einer unsicheren beruflichen Neuorientierung oder verpflichten sich, um eine schwierige finanzielle Situation oder mangelnde Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt zu überbrücken. Die letzte Gruppe hat ausdrücklich vor, eine militärische Laufbahn einzuschlagen.

Die von der GPK-N geführten Gespräche haben vor allem Probleme bei den letzten beiden Gruppen von Zeitmilitärs aufgezeigt. Beim zweiten Besuch der Kommission standen viele von ihnen kurz vor dem Ende ihres Vertragsverhältnisses und mussten sich mit mangelnden beruflichen Aussichten abfinden, insbesondere in der Armee.

Anscheinend besteht eine Diskrepanz zwischen dem, was zum Zeitpunkt der Anstellung «versprochen» wird ­ z.B. eine Karriere als Berufsmilitär oder die Möglichkeit fortdauernder Ausbildung ­ und der konkreten Wirklichkeit.

Laut ihrem Vertrag können die Zeitmilitärs von einer Co-Finanzierung einer beruflichen Weiterbildung profitieren20. Dieses Angebot verfolgt das Ziel, die Wiedereingliederung der Zeitmilitärs in den Arbeitsmarkt zu fördern. In der Praxis erlauben ihnen die Rahmenbedingungen (Arbeitszeit nach Bedarf des Dienstes, ungenügende und schwer planbare Kompensation der Überstunden) nicht, eine externe Weiterbildung zu absolvieren. Zur Zeit beanspruchen nur 84 Zeitmilitärs von 1083 (d.h.

7,8 %) die Finanzierung einer Weiterbildung. Gelegentlich werden Weiterbildungskurse von der Armee angeboten, es besteht jedoch kein strukturiertes Programm.

Die angehörten Zeitmilitärs beklagen, ihnen werde keine Laufbahnentwicklung angeboten, insbesondere in der Instruktion, wo viele Zeitmilitärs
ihre Zukunft sähen.

Die Zeitmilitärs sind über die Durchführung der Aufnahmeprüfungen für die militärische Karriere nicht informiert und stossen auf Schwierigkeiten, wenn es darum geht, die Qualifikationen zu erwerben, die ihnen den Zugang zu den Kaderschulen ermöglichen. Für Militärs, die 35 oder älter sind, ist diese Situation um so schlimmer. Die Zeitmilitärs haben das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken, und sind der Meinung, im zivilen Erwerbsleben, wo die Wiedereingliederung nach fünf Jahren «Isolation» als programmierter Misserfolg wahrgenommen wird, wenig Chancen zu haben. Ihre militärische Erfahrung würde im zivilen Sektor nur bei einer Bewerbung bei der Polizeischule oder im Security-Bereich geschätzt. Sie fühlen sich vom System «verraten» und geben ihrer Enttäuschung Ausdruck. Es gibt Zeitmilitärs, die es bereuen, eine dauerhafte Berufsstelle im Zivilleben verlassen zu haben.

Über drei Viertel der Zeitmilitärs üben ihre Funktion während einem bis zwei Jahren aus. Ein Zeitmilitär wird für eine maximale Dauer von 5 Jahren angestellt. Der Vertrag kann jedoch unter der Voraussetzung erneuert werden, dass der Militär 20

Die Co-Finanzierung beträgt 1500 Franken im 2. und 3. Jahr, 2000 Franken im 4. Jahr und 3000 Franken im 5. Jahr.

3000

während eines Monats einer entgeltlichen Tätigkeit nachgekommen ist ­ ca. zwei Drittel der Zeitmilitärs erneuern ihren Vertrag. Im Prinzip wird die Anstellung auf fünf Jahre beschränkt, um den zunehmenden Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, welche die Zeitmilitärs bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt antreffen.

Die GPK-N hat allerdings mehrere Zeitmilitärs getroffen, welche aufeinanderfolgende Verträge hatten, die diese Limite überschritten; in einem Fall begann der betroffene Militär seinen zweiten Fünfjahresvertrag. Die Zeitmilitärs heben die Schwierigkeit hervor, eine Anstellung für einen Monat zu finden; sie empfinden diese Bedingung als Schikane.

Das Ansehen der Zeitmilitärs bei den anderen Militärpersonalkategorien ist nuanciert. Einerseits wird zugegeben, dass sie für einen einwandfreien Ablauf der Rekrutenschule unabdingbar sind. Manche Berufsmilitärs erwähnen gute Erfahrungen mit den Zeitmilitärs; auch ihre Aufgaben und ihre Rolle in der Instruktion sind mittlerweile klar. Andererseits kultivieren die meisten Berufsmilitärs ein gewisses Misstrauen und scheinen die Zeitmilitärs eher als ein notwendiges Übel zu betrachten.

Die Berufsmilitärs heben hervor, dass nicht alle Zeitmilitärs über die erforderlichen Sozialkompetenzen verfügen, und dass manche diesen Weg infolge einer schwierigen wirtschaftlichen und beruflichen Situation wählen. Nach Ansicht der Berufsmilitärs bringt die Tatsache, dass die Zeitmilitärs ihre Überstunden kompensieren müssen, erhebliche organisatorische Probleme mit sich. Ausserdem weisen sie auf die Kosten für die Ausbildung der Zeitmilitärs hin und stellen das Kosten-NutzenVerhältnis eines Einsatzes von weniger als zwei Jahren in Frage.

Die GPK-N ist der Ansicht, dass die Berufsmilitärs relevante Fragen aufwerfen, dass ihre Aussagen jedoch auch relativiert werden müssen. Man kann sich fragen, inwiefern die Berufsmilitärs, die sich von ihrer Hierarchie sehr schlecht behandelt und im Stich gelassen fühlen, gegenüber diesen «Pseudo-Berufsmilitärs», die zur Kompensierung ihrer Überstunden berechtigt sind und in welche die Armee in Form neuer Stellen weiterhin investiert, einen gewissen Groll hegen. Überdies ist gut denkbar, dass in einem Korps wie der Armee die Vorstellung, «Hilfspersonal» wie die Zeitmilitärs wolle Karriere machen, seitens der Berufsmilitärs ein gewisses Unverständnis, wenn nicht sogar eine gewisse Geringschätzung auslösen kann.

5

Milizkader

Die Selektion der für den Beförderungsdienst bestimmten Rekruten wird während der ersten sieben Wochen der Rekrutenschule vorgenommen. Dazu führt der verantwortliche Berufsmilitär mit jedem Rekruten mindestens ein individuelles Gespräch. Er stützt sich auch auf die vom Rekrutierungszentrum durchgeführte Evaluation (für den Beförderungsdienst «tauglich» oder «untauglich»).

Die zum Beförderungsdienst selektionierten Rekruten verlassen die Rekrutenschule am Ende der 7. Woche, d.h. nach Beendigung der Allgemeinen Grundausbildung.

Sie gehen mit einer Empfehlung zum Weitermachen als Offizier oder Unteroffizier an die Anwärterschule. Nach Abschluss der zehnwöchigen Anwärterschule werden die Soldaten an die Offiziers- oder Unteroffiziersschule weitergeleitet.

­

Die Unteroffiziersanwärter besuchen die Unteroffiziersschule für eine Dauer von vier Wochen und kehren dann in eine Rekrutenschule zurück, die zu diesem Zeitpunkt in der 7. Woche angelangt ist. Bis zur 13. Woche absolvie3001

ren sie ein Praktikum, währenddessen sie in die Instruktion integriert werden, ohne indes dafür Verantwortung zu tragen. Zu diesem Zeitpunkt sind sie nach wie vor Gruppenführeranwärter und führen ihre Ausbildung fort.

­

Die Offiziersanwärter absolvieren eine Ausbildung an der Offiziersanwärterschule (5 Wochen), einen zentralen Offizierslehrgang in Bern (4 Wochen) und schliesslich die eigentliche Offiziersschule (15 Wochen). Nach Abschluss der Offiziersschule kehren sie in eine sich in der 13. Woche, d.h.

eine Woche vor Beginn der VBA befindende Rekrutenschule zurück.

Die Unteroffiziers- und Offiziersanwärter besuchen während der 13. Woche der Rekrutenschule zusammen einen Kadervorkurs (1 Woche). Nach dessen Abschluss erhalten die Kaderanwärter ihren Grad (Wachtmeister respektive Leutnant).

Während der VBA, d.h. von der 14. bis zur 18. oder 21. Woche (je nach Waffengattung) absolvieren die Milizkader ihren Praktischen Dienst (Abverdienen) als Gruppenführer respektive als Zugführer. Dabei übernehmen sie die Führungsverantwortung, auch wenn die Berufsmilitärs weiterhin präsent sind, um Unterstützung zu bieten und eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten.

Die Ausbildung eines Gruppenführers dauert demnach rund neun Monate (je nach Waffengattung 35 oder 37 Wochen), jene eines Zugführers rund ein Jahr (je nach Waffengattung 51 oder 53 Wochen). Während dieser Zeit sammelt ein Unteroffizier 13 oder 15 Wochen Führungserfahrung, ein Offizier 6 oder 8 Wochen. In Übereinstimmung mit dem Ziel einer Harmonisierung mit der Berufslaufbahn wurde die Ausbildung eines Milizkaders sehr stark verkürzt; unter der Armee 95 hatte die Ausbildung eines Offiziers rund 20 Wochen länger gedauert.

Die Untersuchungen der GPK-N haben gezeigt, dass die Reform der Ausbildung der Kader ihr Hauptziel teilweise erreicht hat, nämlich den Mangel an Nachwuchs, insbesondere bei den Offizieren, zu verringern. Bei den Besuchen in den Schulen haben die Militärs betont, dass es genug Kaderanwärter gebe und dass diese motiviert seien. Es müssen weniger Anwärter zum Weitermachen gezwungen werden.

Das neue Verfahren zur Kaderselektion fordert den Berufsmilitärs während der ersten sieben Wochen der Schule einen beträchtlichen Aufwand ab, ermöglicht es jedoch, die besten Leute zu motivieren und auszuwählen. Es ist festzuhalten, dass die Berufsoffiziere die von den Rekrutierungszentren eingereichten Evaluationen als nutzdienlich und zutreffend beurteilen.

Dagegen brachten die befragten Milizkader die Meinung zum Ausdruck, dass der Abgang an die Anwärterschule in der 8. Woche zu rasch erfolge. Eine grössere Armeeerfahrung hätte sie vielleicht dazu bewogen, eine andere Wahl zu treffen.

Das neue Modell der Kaderausbildung erlaubt es, die militärische Laufbahn besser mit der beruflichen Laufbahn in Einklang zu bringen, hat jedoch den Nachteil, dass die Kader bei Aufnahme ihrer Funktion über wesentlich weniger
Erfahrung verfügen. Während die Kaderausbildung früher grösstenteils beim Abverdienen im Feld erfolgte, ist die Instruktion der Kader bei der Armee XXI in erster Linie theoretisch.

Im Moment, wo die Leutnants die Führung ihres Zugs übernehmen, besteht ihre praktische Erfahrung nur in ihren sieben ersten Wochen Rekrutenschule und dem einwöchigen Kadervorbereitungskurs. Die Unteroffiziersanwärter treten in der 8. Woche wieder in die Rekrutenschule ein und erwerben somit fünf zusätzliche Wochen Erfahrung. Nach allgemeiner Ansicht ­ und besonders nach Ansicht der betroffenen Kader ­ ist dies eindeutig zu wenig. Das Problem ist bei den Offizieren 3002

besonders gross, jedoch haben die Gespräche gezeigt, dass auch die Unteroffiziere unter diesem Mangel leiden. Die Milizkader fühlen sich für die Führung zu wenig vorbereitet und haben Mühe, sich gegenüber den Soldaten durchzusetzen, die häufig kompetenter sind als sie. Zahlreiche Milizkader sind über diesen Missstand enttäuscht und prangern die theoretische Natur der Führungsausbildung (FUM) an.

Für die GPK-N ist es schwierig, im Einzelnen festzulegen, wie ein Gleichgewicht zwischen der theoretischen Ausbildung und der praktischen Militärerfahrung weiterzuführen wäre. Die Ansichten zu diesem Thema gehen auseinander. Der Chef der Armee hat darauf hingewiesen, dass manche Personen mehr Wert auf die menschlichen Qualitäten der Kader legen, während andere Mühe damit hatten, von einem unerfahrenen Kader geführt zu werden. Nichtsdestoweniger ist die Kommission der Ansicht, dass ein guter Mittelweg gefunden werden muss; selbst ein talentiertes Kader, das über eine gute theoretische Ausbildung verfügt, wird es schwer haben, sich durchzusetzen, wenn es von seinen Untergebenen fachliche Unterstützung verlangen muss.

Das Modell der ununterbrochenen Ausbildung führt auch dazu, dass die Kader zwischen dem Zeitpunkt ihres Eintritts in die Rekrutenschule und dem Abschluss ihrer Ausbildung sozusagen keine bedeutsame Lebens- und Führungserfahrung erwerben. Grundsätzlich muss dieser Mangel durch die Qualität der theoretischen Kaderausbildung wettgemacht werden. In der Praxis kann die Ausbildung die fehlende Erfahrung nicht wettmachen. Im Vergleich zu früher erweisen sich die persönlichen Fähigkeiten und die Persönlichkeit der Anwärter als noch ausschlaggebender hinsichtlich der Frage, ob sie sich durchsetzen und ihre Truppe führen können.

Die Situation der Milizkader wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sie die Führung in der zweiten Hälfte der Schule übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Beziehungen innerhalb der Gruppe oder des Zuges, die sie führen sollen, bereits geknüpft, und gemeinsame Gewohnheiten haben sich entwickelt. Somit sind die Milizkader nicht in der Lage, den Aufbau der Gruppe zu beeinflussen, um ihre Autorität schrittweise durchzusetzen. Ausserdem führt der Wechsel von der Führung durch Berufsmilitärs zur Führung durch Milizkader bei den Truppen zu einer gewissen Instabilität. Die Milizsoldaten
sagen aus, sie hätten den Eindruck, «wieder bei Null zu beginnen», wenn sie unter der Führung der Milizkader in die VBA einsteigen. Dies wirkt sich auf die Motivation der Soldaten aus.

Obwohl die Berufsmilitärs während der VBA eigentlich eine Hintergrundrolle zu spielen hätten, sind sie aufgerufen, eine ganz beträchtliche Zeit darauf zu verwenden, Kompanieübungen zu begleiten und die Schwächen der Milizoffiziere und ­ unteroffiziere wettzumachen. Paradoxerweise stellt die VBA für die Berufsmilitärs daher eine ebenso intensive Arbeitsperiode dar wie der Beginn der Rekrutenschule.

Dies kann eine gewisse Frustration hervorrufen; gerade sind die Schwierigkeiten der ersten Wochen überwunden, und die Truppe hat sich gut eingespielt, schon sind die Berufsmilitärs wieder mit elementaren Organisations- und Betreuungsproblemen konfrontiert.

Das VBS ist sich des Problems der mangelnden Führungserfahrung bewusst. Mitte August 2006 hat der Chef der Armee beschlossen, dass der Praktische Dienst der Unteroffizieranwärter in der 1. Woche der Rekrutenschule beginnt, und nicht mehr erst in der 8. Woche. Diese Massnahme soll 2008 in Kraft treten. Was die Offizieranwärter anbelangt hat ein im Lehrverband Infanterie durchgeführter Pilotversuch positive Resultate gezeitigt: Nach neun Wochen (statt fünfzehn) verlassen die zu3003

künftigen Zugführer die Offiziersschule und treten in eine Rekrutenschule in der achten Woche (Anfang der Funktionsgrundausbildung) über. Im Grad eines Oberwachtmeisters tragen sie dabei noch keine volle Führungsverantwortung für einen Zug. Dieser Versuch soll in modifizierter Form ab 2008 zur Standardlösung werden.

Je nach Truppengattung soll das Führungspraktikum in der 1. oder 5. RS-Woche beginnen.

6

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die durch die GPK-N in diesem Bericht aufgezeigten Probleme sollen die beträchtlichen Fortschritte, welche die Armee XXI aus Sicht der Rekruten gebracht hat, nicht in den Hintergrund drängen. Das neue Rekrutierungssystem funktioniert zur Zufriedenheit sämtlicher Beteiligter. Die Rekruten sind besser orientiert und stärker motiviert. Nur wenige verlassen die Schule frühzeitig: rund 6­10 %, hauptsächlich aus medizinischen Gründen. Die Qualität der in den Rekrutenschulen vermittelten Grundausbildung hat sich stark verbessert. Die Betreuung ist professioneller geworden, und die Verbandsausbildung wurde durch die Schaffung einer eigenen Etappe (VBA) optimiert. Die modulare Organisation des Unterrichts in der Grundausbildung vereinfacht die Planung.

Die neue Ausbildung der Kader ohne Unterbruch wurde gut aufgenommen; es gibt mehr freiwillige Anwärter auf eine Kaderfunktion, die überdies besser geeignet sind.

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die vom Rekrutierungsdienst vorgenommene Beurteilung des Potenzials der Rekruten als nutzdienlich erachtet wird.

Schliesslich scheinen die anfänglichen Fehler im Personal- und Verwaltungsbereich der Vergangenheit anzugehören. Die Überbestände der Armee 95, die anlässlich der ersten Rekrutenschulen von 2004 Probleme bereiteten, haben sich stark verringert, was eine Normalisierung der Situation ermöglicht hat. Die Schulkommandanten sind der Meinung, dass sie nun über zuverlässige Daten für die Planung der Rekrutenbestände verfügen.

Es ist deshalb nicht das Anliegen der Kommission, die Reform generell in Frage zu stellen. Sie will aber auf konzeptionelle Fehler in gewissen Teilbereichen sowie auf Faktoren hinweisen, welche die Nachhaltigkeit des Systems gefährden könnten.

6.1

Berufsmilitärs und Milizkader

Die Besuche der GPK-N in zwei Rekrutenschulen mit einem Abstand von einem Jahr haben gezeigt, dass sich die erkannten Probleme bezüglich der Situation der Berufsmilitärs weiterhin verschärft haben. Beim ersten Schulbesuch waren die Militärs zurückhaltend und relativierten die Situation, indem sie die Freude an ihrem Beruf und ihren Willen, die Aufgaben trotz der hohen Arbeitsbelastung zu erfüllen, betonten. Beim zweiten Besuch hoben sie immer noch ihre Zufriedenheit mit der Arbeit hervor, taten jedoch auch ihre anhaltende Müdigkeit und ihre wachsende Unzufriedenheit kund. Die Kommission kam zur Überzeugung, dass sich die Situation keineswegs verbessert, sondern sich sogar zusätzlich verschlechtert hatte.

3004

Die GPK-N ist sich bewusst, dass verschiedene Problemkreise keineswegs neu sind und immer wieder Anlass zu Diskussionen geben, ohne dass sie definitiv gelöst werden könnten. Schon zwei Mal wurden Inspektionen der GPK-N21 zu Problemen durchgeführt, die auch im vorliegenden Bericht geschildert werden: Mangel an geeigneten und fähigen Instruktoren, intensive Berufsbelastung, unregelmässige Arbeitszeit und die damit verbundene erschwerte Integration im sozialen Umfeld.

Auch wenn die damaligen Erkenntnisse nicht mehr in jeder Beziehung von aktueller Bedeutung sind, ist doch festzuhalten, dass viele Feststellungen zumindest teilweise auch heute noch gelten. Der Übergang zur Armee XXI hat die Probleme also nicht verursacht; er hat jedoch zum Teil ihr Ausmass vergrössert. In ihrer Analyse vertritt die Kommission daher die Ansicht, dass zwischen den Faktoren, welche direkt auf die Armee XXI zurückzuführen sind, und denen, welche typischerweise mit einer Militärkarriere oder der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung zusammenhängen, unterschieden werden muss. Während für die ersteren einfacher konkrete Lösungen gefunden werden können, ist bei den anderen Bescheidenheit an den Tag zu legen und die Besonderheit der aktuellen Schwierigkeiten zu relativieren.

Die Kommission ist sich ausserdem bewusst, dass es bei den aufgeworfenen Problemen teilweise auch um berufliche Besitzstandswahrung geht. Der durch die Armee XXI ausgelöste tiefgreifende Wandel des Berufsbildes ruft auch Ablehnungsreflexe hervor, die umso verständlicher sind, als er von einer Reduktion der Leistungen des Arbeitgebers und von einem geringeren Ansehen des Berufs in der Bevölkerung begleitet wird. Eine solch grundlegende Veränderung erfordert auch einen Wandel der Mentalität und somit einen Prozess, der nicht von einem Tag auf den anderen stattfinden kann. Die GPK-N schätzt überdies die neuen Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Berufsmilitärs sowie das von ihnen geforderte höhere Engagement als durchaus positiv ein. Aus diesen Gründen hat sich die GPK-N bemüht, nicht bereits nach ihrem ersten Besuch in einer Rekrutenschule ein Urteil zu fällen und hat ein Jahr abgewartet, bis sie ihren zweiten Besuch durchgeführt hat. Bei ihrem zweiten Besuch haben jedoch die Verschlimmerung der Situation sowie die Tatsache, dass manche Probleme von
sämtlichen befragten Personalkategorien aufgeworfen wurden ­ vom Rekruten über die Milizkader und die Schulkommandanten bis zum Zeitmilitär ­ der Kommission bestätigt, dass die Kritiken berechtigt sind.

So muss anerkannt werden, dass den Berufsmilitärs heute praktisch ununterbrochen eine sehr hohe Arbeitsbelastung auferlegt wird. Unter der Armee 95 oder der Armee 61 war eine Rekrutenschule für die Milizkader, die darin Führungsaufgaben wahrnahmen, sehr anstrengend. Man muss sich nun vorstellen, dass Berufsmilitärs diese Aufgabe heute bis zu drei Mal jährlich wahrnehmen, ohne dabei wie die Milizkader von der mit dem steigenden Grad verbundenen Motivation oder der Perspektive auf eine beschränkte Dienstdauer zu profitieren.

So ist die GPK-N besorgt hinsichtlich der Fähigkeit des Militärpersonals, eine solche Arbeitsbelastung auf die Dauer auszuhalten, sowie hinsichtlich des Eindrucks, den demotivierte Militärs den Rekruten vermitteln. Nach Ansicht der GPK-N droht ein System, das eine wöchentliche Arbeitszeit von regelmässig über 70 Stunden voraussetzt, langfristig mehr Probleme zu verursachen als zu lösen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Müdigkeit und die Enttäuschung der Berufsleute 21

Siehe Fussnote 12.

3005

auf die Qualität und Glaubwürdigkeit der Instruktion und auf die Motivation der Rekruten auswirken. Ausserdem können diese Faktoren zu möglicherweise folgeträchtigen Fehlern führen. Sie wirken sich überdies auf die Attraktivität des Militärberufs aus und damit auf die Rekrutierung neuer Berufskader. Die wachsende Anzahl der Kündigungen verursacht Kosten, verstärkt das Problem der mangelnden Bestände, beeinträchtigt das Funktionieren des Laufbahnsystems und nährt das Gefühl der Unzufriedenheit der aktiven Militärs.

Nach Ansicht der GPK-N nimmt die heutige Situation Züge eines Teufelskreises an, der dringend durchbrochen werden muss. Ansonsten stellt sich die Frage, ob das aktuelle System langfristig bestehen kann. Die Kommission hält es für unabdingbar, dass der Bundesrat über Massnahmen nachdenkt, welche die Situation der Berufsmilitärs rasch verbessern, und welche die Herausforderungen hinsichtlich der Bestände zu bewältigen helfen (siehe Kapitel 3).

In dieser Hinsicht begrüsst die Kommission die vom VBS beschlossenen Massnahmen, um Personal für die «Ausbildungsfront» frei zu machen (siehe Kapitel 3).

Diese Massnahmen habe noch nicht ihre volle Wirkung gezeitigt, die Kommission ist sich jedoch der organisatorischen und besonders der menschlichen Schwierigkeiten eines solchen Prozesses bewusst. Die GPK-N unterstützt auch die Beschlüsse des VBS, welche die Militärkarriere für einen breiteren Kreis öffnen sollen. Die Kommission ist überzeugt, dass die Diversifikation der Ausbildungsgänge und die Änderung der Zulassungskriterien es ermöglichen wird, das Offizierskorps zu bereichern. Selbst nach Ansicht des VBS besteht noch ein gewisses Verbesserungspotenzial bei der Rekrutierung.

Generell hat die Kommission den Eindruck, dass sich das VBS der Probleme der Berufsmilitärs bewusst geworden ist. Zu Beginn der Untersuchung der GPK-N neigte das VBS dazu, die Probleme unter den «Kinderkrankheiten» der Armee XXI einzuordnen und technische Massnahmen vorzuschlagen, um sie zu lösen. Die Kommission konnte sich inzwischen davon überzeugen, dass das VBS diese Probleme prioritär behandelt und dass es die menschliche Dimension erkannt hat. In seinem Gespräch mit der Kommission hat der Chef der Armee seine Besorgnis hinsichtlich des Vertrauensverlusts der Berufsmilitärs ausgedrückt und die Meinung geäussert,
der Grad ihrer Zufriedenheit habe einen kritischen Punkt erreicht. Der Vorsteher des VBS hat seinerseits die Komplexität der Situation seines Departements und den engen finanziellen Handlungsspielraum in Erinnerung gerufen. Er hob hervor, dass auf Grund der Sparmassnahmen die notwendigen Mittel für die Armee XXI nur mittels langer und schwieriger Restrukturierungen freigesetzt werden können. Sowohl der Chef der Armee als auch der Vorsteher des VBS haben das Parlament um Geduld und Verständnis gebeten.

Die GPK-N ist sich bewusst, dass die Verringerung der Arbeitsbelastung des Militärpersonals ein komplexes Problem ist und dass zusätzliche Bestände nicht von heute auf morgen aufgetrieben werden können. Allerdings ist die Kommission der Ansicht, dass die Situation auch durch Korrekturen am Ausbildungskonzept der Armee XXI verbessert werden könnte. Im Fall von Schwierigkeiten bei der Anstellung einer ausreichenden Zahl von Berufskadern sah das Armeeleitbild XXI die Möglichkeit vor, Übergangsmodelle einzusetzen: «Das Ausbildungsmodell muss in den Lehrverbänden je nachdem zur Verfügung stehenden militärischen Personal allenfalls schrittweise realisiert werden. In der Übergangsphase sind angepasste

3006

Modelle möglich (z.B. Kader aus der Armee 95, Ausbilderpool, Unterstützung der Berufs- durch Milizkader)».22 Während das VBS entschieden hat, Kader aus der Armee 95 einzusetzen, ist die Kommission der Ansicht, dass auch die anderen Übergangsmodelle ­ insbesondere die Unterstützung durch Milizkader ­ geprüft werden sollten.

In diesem Zusammenhang begrüsst die GPK-N den Entscheid des Chefs der Armee, die Unteroffizieranwärter bereits in der ersten Woche der Rekrutenschule einzusetzen. Die GPK-N ist überzeugt, dass mit dieser Massnahme das Problem der mangelnden militärischen Erfahrung der Kader entschärft und die Belastung der Berufsmilitärs reduziert wird. Die Kommission ist der Ansicht, dass diese Massnahme auf die Offizieranwärter erweitert werden soll. Es geht der GPK-N nicht darum, zum alten System der Armee 95 zurückzukehren, in dem die Milizkader die Führungsverantwortung inne hatten, sondern vielmehr darum, das Praktikum der Kader in der heutigen Form der funktionsbezogenen Grundausbildung, auszudehnen. Die GPK-N möchte auch die Zertifizierung der FUM nicht in Frage stellen; falls keine andere Lösung gefunden werden kann, ist eine Verlängerung der gesamten Ausbildungsdauer der Offiziere ins Auge zu fassen, wie im Fall der Unteroffiziere. Allfällige Personalfragen müssen geklärt werden, damit diese Änderungen 2008 in Kraft treten kann.

Den Milizkadern gibt diese Lösung eine Länge Vorsprung auf die neuen Rekruten, womit sich ihre Chancen, sich durchzusetzen, verbessern. Die Berufsmilitärs werden ihrerseits von der Unterstützung während der Grundausbildung profitieren, und sehr wahrscheinlich wird der Betreuungsaufwand während der VBA ebenfalls zurückgehen. Obwohl eine solche Änderung teilweise dem Prinzip der Armee XXI widersprechen würde, ist die GPK-N überzeugt, dass sie eine notwendige Korrektur darstellt.

Die Kommission hat auch über die Möglichkeit nachgedacht, die Rückkehr zum Modell von zwei Rekrutenschulen pro Jahr zu empfehlen. Sie hat jedoch darauf verzichtet, da sie der Ansicht war, dass dies eine grundsätzliche Änderung des Systems bedeuten würde, die auch wesentliche Nachteile mit sich brächte: Die Schulen wären grösser, die Armee würde mehr Ausbildungsplätze benötigen und die ganze Rüstungsplanung müsste neu überdacht werden. Die GPK-N unterstützt jedoch die Idee, für gewisse Waffengattungen auf eine Schule zu verzichten (z.B.

Grenadiere, Durchdiener, Instandhaltungsschulen).

6.2

Zeitmilitärs

Die GPK-N war beeindruckt von der grossen Unzufriedenheit der Zeitmilitärs, welche sie bei ihrem zweiten Besuch in einer Rekrutenschule angetroffen hat. Die von der Kommission in der Folge angehörten Vertreter des VBS relativieren die festgestellten Probleme ausnahmslos. Sie gaben zwar zu, dass es zumindest anfänglich zu Reibungen mit den Berufsmilitärs kam und dass ein gewisses Misstrauen von Seiten der Berufsmilitärs bestehe, fügten jedoch hinzu, die Situation habe sich verbessert und variiere auch stark je nach Schule und Einsatzstandort. Die Kritiken der Zeitmilitärs widerspiegelten auch insbesondere die Qualität der Führung und Betreuung des Militärpersonals an ihrem Einsatzstandort. Hinsichtlich der mangeln22

BBl 2002 1028 f.

3007

den beruflichen Perspektiven der Zeitmilitärs stellen die Vertreter des VBS fest, dass mit zunehmender Anstellungsdauer auch die Erwartungen der Zeitmilitärs steigen.

Sie verweisen jedoch auf die festgelegte Dauer ihrer Verträge und erinnern daran, dass das VBS nicht gezwungen ist, ihnen eine unbefristete Anstellung zu bieten. Die Bedingungen für den Einstieg in eine Berufslaufbahn seien ausserdem klar geregelt.

Die GPK-N ist sich bewusst, dass ihre Feststellungen relativer Natur sind. Dennoch findet sie, dass sie ernst genommen werden sollten; die Kommission ist überdies der Ansicht, dass sie Ausdruck allgemeiner Mängel bei der Betreuung der Zeitmilitärs sind.

Das Schweizer Modell der Zeitmilitärs basiert auf demjenigen der deutschen Streitkräfte, welche eine grosse Anzahl Zeitmilitärs anstellen. In Deutschland beträgt die Einsatzdauer zwischen vier und zwanzig Jahre, doch die Laufbahn ist so konzipiert, dass eine einfache Rückkehr ins Zivilleben möglich ist. Ein Fachamt berät die Militärs vom Einsatzbeginn weg und diskutiert mit ihnen ihre Laufbahnplanung. Die Laufbahn sieht reservierte Zeitperioden ­ manchmal Jahre ­ für eine Ausbildung vor, die zu beruflichen Qualifikationen führt, welche im Zivilbereich eingesetzt werden können. Die Zeitmilitärs können ausserdem noch mehrere Jahre nach Ende ihres Einsatzes von Finanzhilfen oder Weiterbildungen profitieren.

In der Schweiz besteht hingegen keine standardisierte Laufbahn. Die maximale Einsatzdauer von fünf Jahren sollte grundsätzlich verhindern, dass die Chancen der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt gefährdet werden. Die GPK-N ist jedoch der Ansicht, dass ein Einsatz von vier oder fünf Jahren, wenn er nicht angemessen geplant ist, die Wiedereingliederung bereits beeinträchtigt. Die Kommission hält es daher für notwendig, dass das VBS sicherstellt, dass zum Zeitpunkt der Rekrutierung eines Zeitmilitärs einen Berufsplan besteht. Gegebenenfalls müssen Weiterbildungsmassnahmen mit dem betreffenden Zeitmilitär vereinbart werden. Natürlich erhöht sich die Notwendigkeit einer Betreuung mit der Einsatzdauer des Zeitmilitärs; sie wird umso grösser, wenn das VBS die Verlängerung eines Vertrags auf mehrere Jahre hinaus akzeptiert. Die Erneuerung eines Vertrags darf nicht ein Mittel sein, um den Schwierigkeiten der Wiedereingliederung in den
Zivilbereich zu entfliehen; diese Fragen müssen zu Beginn des Einsatzes geklärt werden, und eine Verlängerung darf nur gewährt werden, wenn an ihrem Ende klare Perspektiven bestehen.

Ausserdem muss das VBS vermeiden, falsche Hoffnungen hinsichtlich der Karriereperspektiven der Zeitmilitärs in der Armee zu wecken. In dieser Hinsicht können Stelleninserate oder Informationsbroschüren, welche die Zeitmilitärs unter dem Slogan «Zukunft mit Sicherheit» an der Seite von Berufsmilitärs zeigen, möglicherweise irreführend sein. Nach Ansicht der GPK-N muss das VBS in diesem Bereich völlig transparent sein; die Zeitmilitärs müssen sowohl zum Zeitpunkt ihrer Anstellung, als auch während der Ausübung ihrer Tätigkeit eine realistische Einschätzung ihres Potenzials erhalten. Gegebenenfalls müssen Fortbildungsmassnahmen vereinbart werden können. Die Zeitmilitärs müssen auch fair über den Ablauf der Aufnahmeprüfungen für die militärische Karriere informiert werden, und sie müssen, falls sie dies wünschen, Gelegenheit erhalten, daran teilzunehmen. Ferner hofft die GPK-N, dass eine konsequente Durchsetzung der Anforderung für Berufsmilitärs, zuvor einen Einsatz als Zeitmilitär geleistet zu haben, mit der Zeit auch dazu führen wird, dass die Antagonismen zwischen den beiden Kategorien überwunden werden können und die Solidarität gestärkt werden kann.

3008

Die Kommission weist zudem auf organisatorische Schwierigkeiten bei der Einsatzplanung für die Zeitmilitärs hin. Weil die wöchentliche Arbeitszeit der Zeitmilitärs durchschnittlich 45 Stunden betragen muss, werden die Berufsmilitärs, die ihnen grundsätzlich erlauben müssen, ihre Überstunden zu kompensieren, vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Diese Regelung ist in der Praxis oft nicht umzusetzen. Deshalb sollte man sich nach Ansicht der GPK-N überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, auf diese Vorgabe zu verzichten und dafür andere Gratifikationen vorzusehen.

Die Arbeiten der GPK-N haben ausserdem ein Problem bezüglich des KostenNutzen-Verhältnisses der Zeitmilitärs aufgezeigt. Die Gesprächspartner der Kommission äusserten generell die Ansicht, dass ein Einsatz von weniger als zwei Jahren für die Armee nicht rentabel sei. Über drei Viertel der Zeitmilitärs werden aber höchstens zwei Jahre lang beschäftigt. Ein längerer Einsatz der Zeitmilitärs wirft allerdings die Frage der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf. Mit zunehmender Dauer müssen die Anforderungen an die Personen und an ihre Laufbahnplanungen höher sein. Nach Auffassung der GPK-N muss der Bundesrat angesichts dieser beiden Alternativen eine kohärente Politik verfolgen. Schematisch betrachtet könnte die Armee einerseits kürzere Einsätze bevorzugen, was weniger Probleme in Bezug auf die Berufsbegleitung der Zeitmilitärs, dafür aber ein schlechteres KostenNutzen-Verhältnis und eine regere Personalrotation nach sich zöge. Auf der anderen Seite könnte die Armee eine längere Einsatzdauer vorziehen, was ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis und eine geringere Personalrotation zur Folge hätte, dafür würden aber in erhöhtem Masse berufliche Begleitmassnahmen nötig.

Die GPK-N hat generell den Eindruck erhalten, dass das VBS die Zeitmilitärs als Hilfspersonal betrachet, für welches auf Grund der begrenzten Einsatzdauer keine besonderen Massnahmen nötig sind. Die Rekrutierung, die Anstellung und die Betreuung der Zeitmilitärs erfolgt vollständig dezentral und ist Sache der Schulkommandanten. Die Aussagen der Vertreter des VBS blieben vage und wenig kritisch, was die geringe Bedeutung zeigt, welche diesem Thema zugemessen wird. Die Kommission konnte keine Strategie oder Vision für die Betreuung der Zeitmilitärs feststellen. Die Zeitmilitärs
sind aber aus dem Ausbildungssystem nicht wegzudenken, und ihre Bestände sind ähnlich gross, wie diejenigen der Berufsmilitärs. Die Rekrutierung von qualifizierten Zeitmilitärs ist heute schon schwierig, wird jedoch bei einem wirtschaftlichen Aufschwung noch problematischer werden. Falls die Armee weiterhin eine hohe Zahl von Zeitmilitärs einsetzen will, erwartet die GPK-N vom Bundesrat, dass er für diese eine kohärente Strategie und Personalpolitik entwickelt und die Attraktivität dieser Dienstform verbessert.

Die GPK-N betrachtet die Frage der Zeitmilitärs allerdings nicht isoliert; für die Kommission stellt die Personalpolitik der Berufs- und Zeitmilitärs ein Ganzes dar.

Die Probleme der Zeitmilitärs und der Berufsmilitärs sind eng miteinander verknüpft und müssen in einer allgemeineren Reflexion über die Organisation des Karrieresystems behandelt werden. Trotz den wichtigen am Karrieresystem angebrachten Änderungen ­ Verzicht auf gewisse Privilegien, Beförderung gemäss Bedarf, «Akademisierung» des Berufs usw. ­ stellt die Kommission fest, dass bestimmte Grundprobleme nicht gelöst werden konnten: Überzahl an höheren Offizieren, Unangemessenheit der Grundausbildung im Hinblick auf die späteren Einsätze der Berufsmilitärs, Rekrutierungsschwierigkeiten usw. Mit der im Rahmen der Armee XXI erfolgten Professionalisierung haben diese Probleme ein neues Ausmass angenommen. Das laufende Projekt «Neues Berufsbild Militärpersonal» bringt vor allem 3009

Detailkorrekturen. Wie die GPK-N bereits 1998 empfohlen hatte, ist sie jedoch der Ansicht, dass das Karrieresystem der Armee grundsätzlich zu überdenken ist. Sie lädt deshalb den Bundesrat ein, Vorschläge vorzulegen, die eine Alternative zum heutigen System bieten und den offenen Fragen in Bezug auf die Zeitmilitärs Rechnung tragen. Eine Variante könnte beispielsweise darin bestehen, eine wesentlich längere Einsatzdauer der Zeitmilitärs vorzusehen. Diese würde jedoch entsprechende Begleitmassnahmen erfordern. Wie der Bundesrat in seinem Armeeleitbild XXI festhielt: «Es muss alles daran gesetzt werden, die Attraktivität des Berufsstandes zu verbessern, um die Erosion zu stoppen und den notwendigen Ausbau sicherzustellen»23.

6.3

Zukünftige Entwicklung der Armee

Angesichts der heutigen Lage der Berufsmilitärs ist die GPK-N der Meinung, dass jegliche künftige Entwicklung der Armee eingehend auf deren Auswirkungen im Personalbereich hin untersucht werden muss. Der Mittelbedarf sowie allfällige Umstrukturierungsmassnahmen müssen sorgsam geprüft und geplant werden.

In seiner Botschaft zur Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 der Armee hält der Bundesrat fest, dass «die Umsetzung der AO-Revision24 zu keinem personellen Mehrbedarf [führt]. Das Einsparpotenzial an Mitarbeitenden in der Ausbildung und Logistik fliesst in die Personalab- und -umbauplanung des Departementsbereichs Verteidigung ein. Die im Bereich Friedensförderung aufzubauenden personellen Kapazitäten werden im Rahmen der beschlossenen Personalvorgaben realisiert.»25 Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass zum personellen Abbau und Umbau im Verteidigungsbereich noch kein ausführliches und klar beziffertes Planungskonzept existiert. In den Augen der GPK-N ist es fragwürdig, diesen Entwicklungsschritt vorzusehen und die entsprechende Botschaft dem Parlament zu unterbreiten, ohne die damit zusammenhängenden personellen Auswirkungen eingehend geprüft zu haben. Nach Auffassung der GPK-N handelt es sich hier um einen entscheidenden Faktor für den Erfolg der Armee-Entwicklung. Deshalb beauftragt die GPK-N das VBS, so rasch wie möglich eine detaillierte Personalplanung im Bereich Verteidigung zu erstellen. Zudem ersucht sie die SiK-S, bei der Beurteilung der Revision der AO die Machbarkeit und die Umsetzbarkeit dieser Planung zu berücksichtigen.

Da noch nicht im Detail festgelegt wurde, zu welchen Resultaten die verschiedenen Restrukturierungsmassnahmen führen sollen, ist es für die GPK-N schwierig, eine definitive Einschätzung dieser Massnahmen abzugeben. Es ist ihr auch nicht möglich, die Auswirkungen der Anwesenheit der Milizkader von Beginn der Rekrutenschule an auf die Arbeitsbelastung der Berufsmilitärs im Einzelnen abzuschätzen.

Dennoch wird die GPK-N das Gefühl nicht los, dass die geplanten Massnahmen nicht ausreichen werden, um der strukturellen Natur der festgestellten Probleme gerecht zu werden. Die Kommission anerkennt zwar, dass ein grosser Teil der Probleme nicht im ursprünglichen Konzept der Armee XXI begründet sind, sondern in den später vom Parlament beschlossenen Sparmassnahmen. Jedoch vertritt die 23 24 25

BBl 2002 1029 Verordnung der Bundesversammlung vom 4.10.2002 über die Organisation der Armee (Armeeorganisation, AO; SR 513.1).

BBl 2006 6239.

3010

GPK-N die Ansicht, dass diese neue finanzielle Vorgabe den Bundesrat veranlassen sollte, die Armee XXI einer kritischen Grundsatzprüfung zu unterziehen. In Anbetracht der Feststellungen, welche die Kommission vor Ort gemacht hat, bestehen ernsthafte Zweifel an der Nachhaltigkeit des heutigen Systems.

Schliesslich muss festgehalten werden, dass der finanzielle Rahmen keinerlei Handlungsspielraum offen lässt. In seiner Botschaft zur Umsetzung des Entwicklungsschrittes 2008/11 der Armee hebt der Bundesrat hervor, dass, falls die Mittelzusprache gegenüber dem Finanzplan 2007­2009 weiter gesenkt werden müsste, dies eine «grundlegende Überarbeitung der Konzeption der Armee und damit eine Neuausrichtung ihres Auftrags» erfordern würde.26 In Anbetracht dieser Situation und aufgrund ihrer Feststellungen ist die GPK-N der Ansicht, dass der Bundesrat das Bestehen eines Missverhältnisses zwischen den Aufgaben, der Grösse und der Mittel der Armee anerkennen muss. Deshalb ersucht sie den Bundesrat, die Probleme zu antizipieren und Alternativen zum aktuellen System vorzuschlagen. Für die Kommission sind politische Entscheide hinsichtlich der Grösse und der Aufgaben der Armee sowie hinsichtlich der Aufteilung zwischen Rüstungs-, Betriebs- und Personalausgaben langfristig unabdingbar.

6.4

Empfehlungen

Ausgehend von ihren Feststellungen überweist die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates dem Bundesrat folgende Empfehlungen: Empfehlung 1

Berufsmilitärs

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates lädt den Bundesrat ein, Massnahmen zu treffen, welche die Situation der Berufsmilitärs hinsichtlich Arbeitsbelastung, beruflicher Perspektiven und Weiterbildungsmöglichkeiten rasch verbessern. Der Bundesrat prüft insbesondere, welche Korrekturen dafür am Ausbildungskonzept der Armee XXI vorgenommen werden müssen.

Empfehlung 2

Zeitmilitärs

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, für eine bessere berufliche Begleitung der Zeitmilitärs zu sorgen. Bei der Rekrutierung eines Zeitmilitärs muss sichergestellt werden, dass einen Berufsplan besteht. Gegebenenfalls müssen Weiterbildungsmassnahmen vereinbart werden.

Der Bundesrat wird zudem aufgefordert, die nötigen Massnahmen zu treffen, welche es den Zeitmilitärs ermöglichen, eine Ausbildung zu absolvieren (z.B.

reservierte Zeitperioden für die Ausbildung, Co-Finanzierung nach Ende des Einsatzes). Schliesslich müssen die Zeitmilitärs eine realistische und transparente Einschätzung ihres Potenzials für eine militärische Karriere erhalten; falls sie dies wünschen, müssen sie ausserdem Gelegenheit haben, an den Aufnahmeprüfungen für die militärische Karriere teilzunehmen.

26

BBl 2006 6239

3011

Empfehlung 3

Militärberufe

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, Vorschläge vorzulegen, welche die Attraktivität des Militärsberufs erhöhen und eine kohärente Strategie zum System der Zeitmilitärs miteinschliessen.

Empfehlung 4

Einsatzplanung für das Militärpersonal

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, Massnahmen aufzuzeigen, mit denen er gewährleisten will, dass angesichts der angekündigten Herausforderungen (z.B. Auslaufen der zusätzlichen Kontingente an Berufsmilitärs, Entlassung aus der Militärdienstpflicht der Unteroffiziere aus den Überbeständen der Armee 95, erhöhter Bedarf bei anderen Einsätzen) genügend Berufspersonal im Bereich der Ausbildung zur Verfügung steht. Die GPKN verlangt insbesondere, dass so rasch wie möglich sowohl für den Fall der Annahme wie auch für jenen der Ablehnung des Entwicklungsschrittes 2008/11 eine detaillierte Einsatzplanung für das Militärpersonal erstellt wird.

Empfehlung 5

Zukünftige Entwicklung der Armee

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, die Armee hinsichtlich ihrer Grösse und ihrer Aufgaben, des verfassungsrechtlichen Rahmens sowie der zur Verfügung stehenden Mittel und ihrer Verteilung einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Der Bundesrat hält die Schlussfolgerungen in einem Bericht an das Parlament fest, in welchem er auch die Probleme antizipiert und Alternativen zum aktuellen System vorschlägt.

Empfehlung 6

Ausbildung der Milizkader

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, den Praktischen Dienst der Offizieranwärter von der 1. Woche der Rekrutenschule an beginnen zu lassen. Diese Änderung soll die Zertifizierung der FUM nicht in Frage stellen; falls nötig ist die gesamte Ausbildungsdauer der Offiziere zu verlängern.

3012

Empfehlung 7

Verzicht auf eine Rekrutenschule für gewisse Waffengattungen

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates lädt den Bundesrat ein, zu prüfen, ob für gewisse Waffengattungen auf die Durchführung einer der drei jährlichen Rekrutenschulen zu verzichten ist.

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates erwartet, vom Bundesrat bis Ende 2006 über seine auf Grund der Erwägungen und Empfehlungen dieses Berichts getroffenen Massnahmen informiert zu werden.

10. Oktober 2006

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates: Der Kommissionspräsident: Kurt Wasserfallen, Nationalrat Der Präsident der Subkommission EDA/VBS: Jean-Paul Glasson, Nationalrat Der Sekretär der Geschäftsprüfungskommissionen: Philippe Schwab Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS: Sarah Scholberg

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