zu 06.413 Parlamentarische Initiative Verbindliche Wirkung der Motion Bericht vom 12. Januar 2007 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 28. Februar 2007

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 12. Januar 2007 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates betreffend die verbindliche Wirkung der Motion nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Februar 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2007-0120

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Mit Bericht vom 12. Januar 2007 legt die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) eine parlamentarische Initiative vor, mit der sie dem Motionsrecht mehr Nachachtung verschaffen will. Durch eine Änderung von Artikel 122 des Parlamentsgesetzes (ParlG) soll die Berichterstattungs- und Begründungspflicht verschärft werden, falls der Bundesrat eine angenommene Motion ausnahmsweise nicht erfüllen will. Künftig soll der Bundesrat in diesen Fällen seinen Abschreibungsantrag in einem besonderen Bericht begründen. Lehnen beide Räte den Abschreibungsantrag ab, so bleibt der Auftrag weiterhin bestehen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Für den Bundesrat ist es eine Selbstverständlichkeit, die vom Parlament überwiesenen Motionen des Parlaments ­ wenn immer möglich ­ umzusetzen. Der Bundesrat hält fest, dass er ­ entgegen der Darstellung im Bericht der Kommission ­ seinen Berichterstattungspflichten gegenüber dem Parlament stets nachgekommen ist. In Artikel 122 Absatz 1 ParlG ist festgelegt, zu welchem Zeitpunkt der Bundesrat zur Berichterstattung verpflichtet ist: «Ist eine Motion nach zwei Jahren noch nicht erfüllt, so berichtet der Bundesrat der Bundesversammlung jährlich darüber, was er zur Erfüllung des Auftrages bisher unternommen hat und wie er den Auftrag zu erfüllen beabsichtigt.» Hinsichtlich der im Bericht erwähnten Beispiele hat sich der Bundesrat an die gesetzliche Regelung gehalten: Es handelt sich also nicht um Fälle der «Missachtung des Willens des Parlaments durch den Bundesrat». So wurde die Motion 04.3433 der SPK-S (Presseförderung mittels Beteiligung an den Verteilungskosten) am 17. März 2005 überwiesen. Da sie nicht älter als zwei Jahre ist, besteht nach Artikel 122 Absatz 1 ParlG auch noch keine Pflicht zur Berichterstattung. Der Bundesrat hat jedoch die Umsetzung dieser Motion an die Hand genommen und ist dabei zu anderen Schlussfolgerungen gelangt. Bei dieser Gelegenheit hat er mitgeteilt, dass er die Abschreibung der Motion beantragen werde. Über die Motion 03.3180 der RK-S (Sterbehilfe und Palliativmedizin) muss erstmals im Bericht des Bundesrates über die Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte (Sammelbericht) für das Jahr 2006 Bericht erstattet werden, da sie vom Ständerat am 17. Juni 2003 und vom Nationalrat am 10. März 2004 überwiesen wurde. Beide genannten Vorstösse sind zudem in Anhang 2 des Sammelberichts vom 10. März 2006 aufgeführt. Die Information über den Stand der Motionen ist somit vollumfänglich gewährleistet. Auch für die weiteren Beispiele, mit Ausnahme von 05.3001, die im Bericht der SPK-N aufgeführt sind, gilt, dass die zweijährige Frist noch nicht abgelaufen ist. Die Motion 05.3001 (umfassende Gesetzesgrundlage für das System der Nachrichtendienste) stellt kein gutes Beispiel für die Missachtung des Willens des Parlaments durch den Bundesrat dar. Die Motion wurde im Herbst 2005 von den Räten in einen Prüfungsauftrag umgewandelt. Der Bundesrat hat daraufhin das Anliegen geprüft und am 31. Januar 2007 einen entsprechenden Bericht1 zuhanden 1

Bericht in Erfüllung der in einen Prüfungsantrag abgeänderten Motion über umfassende Gesetzesgrundslagen für das System der Nachrichtendienste

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des Parlaments verabschiedet. Das Anliegen des Parlaments wurde demnach vollumfänglich erfüllt.

Der Bundesrat erinnert daran, dass das geltende Recht über die Motionen erst seit 1. Dezember 2003 in Kraft ist. Auch damals wurde zur Begründung der Stärkung des Motionsrechts vorgebracht, der Bundesrat betrachte überwiesene Motionen «immer weniger als verbindliche Aufträge, die zeit- und sachgerecht zu erledigen sind» (BBl 2001 3506). Die mit der vorliegenden parlamentarischen Initiative angestrebte «verbindliche Wirkung» von Motionen wurde bereits damals und trotz den vom Bundesrat wiederholt vorgebrachten Bedenken2 gesetzlich verankert. So sind auch Motionen im Zuständigkeitsbereich des Bundesrates zulässig und die Umwandlung von Motionen in Postulate wurde ausgeschlossen.

Entgegen der Auffassung der Kommission sieht der Bundesrat keinen unmittelbaren Anlass für eine erneute Änderung des Motionsrechts. Folgende Gründe sprechen aus seiner Sicht dagegen:

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Die Berichterstattungspflicht ist genügend geregelt. Der jährliche Bericht des Bundesrates über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte gibt einen Gesamtüberblick über alle vom Parlament überwiesenen Motionen und Postulate. Der Anhang 1 zu diesem Bericht gibt einen Überblick über alle im Berichtsjahr abgeschriebenen Motionen und Postulate.

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Im Rahmen der Bundesverwaltungsreform wird der Bereich der Berichterstattung gegenwärtig überprüft mit dem Ziel, die Anzahl Berichte zu reduzieren und dadurch einen Effizienzgewinn innerhalb der Bundesverwaltung zu erreichen. Die Einführung neuer Berichte oder neuer Berichterstattungspflichten im Bereich der Motionen stünde in Widerspruch zu diesem Anliegen und würde zu einer Mehrbelastung sowohl in der Bundesverwaltung als auch beim Parlament führen, das diese Berichte zu prüfen hat.

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Vermehrte Berichterstattungspflichten führen zu zusätzlichem personellen und finanziellen Aufwand. Der Bundesrat erachtet daher die Aussage in Ziffer 3 des Berichts, wonach die vorgesehene Änderung des Parlamentsrechts keine unmittelbaren finanziellen oder personellen Auswirkungen habe, nicht als zutreffend. Er ist der Auffassung, dass zusätzliche Aufwendungen angesichts der knappen Ressourcen in der Bundesverwaltung und der noch bevorstehenden Sparmassnahmen nicht angebracht sind.

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Die im Bericht der SPK-N aufgeführten Fälle3, in denen der Bundesrat einen speziellen Bericht vorgelegt hat, zeigen, dass der Bundesrat von sich aus die Initiative ergriffen und der Bundesversammlung einen separaten Bericht über den Abschreibungsantrag vorgelegt und ausführlich begründet hat. Im Einzelfall soll das auch weiterhin möglich bleiben. Einer ausdrücklichen Anpassung des Parlamentsgesetzes bedarf es dazu nicht.

Stellungnahme des Bundesrates vom 9. Juni 1997 zum Zusatzbericht der Staatspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte zur Verfassungsreform, BBl 1997 1484, hier 1500; Stellungnahme des Bundesrates vom 22. August 2001 zum Parlamentsgesetz, BBl 2001 5428, hier 5453 ff.

Bericht des Bundesrates vom 25. Oktober 1995 zur Abschreibung der Motion Delalay, 92.3249, Generelle Steueramnestie (95.077), publiziert in BBl 1995 IV 1642, und Bericht des Bundesrates vom 25. Juni 2003 zur Abschreibung der Motionen Neirynck, 00.3277, und Paupe 01.3334 Gleichbehandlung belgischer und schweizerischer Rentner (im BBl nicht publiziert).

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Die Anpassungen im Bereich des Differenzbereinigungsrechts betreffen in erster Linie das parlamentsinterne Verfahren, weshalb sich der Bundesrat nur zurückhaltend dazu äussert. Aus seiner Sicht ist der mit einer entsprechenden Gesetzesanpassung verbundene Aufwand indessen im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt.

Antrag des Bundesrates Aus der Sicht des Bundesrates hat sich das bisherige Instrumentarium hinsichtlich der Berichterstattungspflicht und der Abschreibungsanträge bewährt. Der Bundesrat lehnt deshalb die angestrebte Verschärfung der Berichterstattungs- und Begründungspflicht im Motionsrecht ab und beantragt, auf die vorgeschlagene Änderung des Parlamentsgesetzes nicht einzutreten.

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