07.010 Botschaft über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Bern, Schwyz, Glarus, Appenzell Innerrhoden und Waadt vom 10. Januar 2007

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen hiermit den Entwurf zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Gewährleistung der geänderten Verfassungen der Kantone Bern, Schwyz, Glarus, Appenzell Innerrhoden und Waadt mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

10. Januar 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-2587

629

Übersicht Nach Artikel 51 Absatz 1 der Bundesverfassung gibt sich jeder Kanton eine demokratische Verfassung. Diese bedarf der Zustimmung des Volkes und muss revidiert werden können, wenn die Mehrheit der Stimmberechtigten es verlangt. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels bedürfen die Kantonsverfassungen der Gewährleistung des Bundes. Die Gewährleistung wird erteilt, wenn die Kantonsverfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht. Erfüllt eine kantonale Verfassungsbestimmung diese Anforderungen, so ist die Gewährleistung zu erteilen; erfüllt eine kantonale Verfassungsnorm eine dieser Voraussetzungen nicht, so ist die Gewährleistung zu verweigern.

Die vorliegenden Verfassungsänderungen haben zum Gegenstand: im Kanton Bern: ­

Erteilung des Kantonsbürgerrechts;

im Kanton Schwyz: ­

Organisation der Gerichte;

im Kanton Glarus: ­

eingetragene Partnerschaft;

­

Gemeindestrukturreform;

im Kanton Appenzell Innerrhoden: ­

eingetragene Partnerschaft;

im Kanton Waadt: ­

Schutz des Lavaux;

­

Beteiligungen des Staates;

­

Richterwahlen.

Alle Änderungen entsprechen Artikel 51 der Bundesverfassung; sie sind deshalb zu gewährleisten.

630

Botschaft 1

Die einzelnen Revisionen

1.1

Verfassung des Kantons Bern

1.1.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Bern haben in der Volksabstimmung vom 25. September 2005 der Aufhebung von Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe f der Kantonsverfassung mit 193 309 Ja gegen 100 142 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2005 ersucht der Regierungsrat des Kantons Bern um die eidgenössische Gewährleistung.

1.1.2

Erteilung des Kantonsbürgerrechts

Bisheriger Text Art. 79 Abs. 1 Bst. f 1 Der Grosse Rat: f. erteilt das Kantonsbürgerrecht an Ausländerinnen und Ausländer;

Neuer Text Art. 79 Abs. 1 Bst. f Aufgehoben

Die in der Kantonsverfassung explizit verankerte Zuständigkeit des Grossen Rates zur Erteilung des Kantonsbürgerrechts an Ausländerinnen und Ausländer wird aufgehoben; diese Zuständigkeit wird künftig auf Gesetzesstufe festgelegt.

1.2

Verfassung des Kantons Schwyz

1.2.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Schwyz haben in der Volksabstimmung vom 21. Mai 2006 der Änderung der §§ 25 Ziffer I, 60, 61, 62, 63 und 83 Buchstabe d der Kantonsverfassung mit 20 868 Ja gegen 7268 Nein zugestimmt. Mit Schreiben vom 4. Juli 2006 ersucht der Regierungsrat des Kantons Schwyz um die eidgenössische Gewährleistung.

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1.2.2

Organisation der Gerichte

Bisheriger Text § 25 Ziff. I Bst. d, e und f I. Kantonale Organe d. Kantonsgericht e. Verwaltungsgericht f. Kantonales Strafgericht § 60 1 Das Kantonsgericht besteht aus dem Präsidenten und zwölf weiteren Mitgliedern.

2 Die Bezirke Schwyz, March und Höfe wählen auf die Dauer von vier Jahren je zwei und die übrigen Bezirke je einen Kantonsrichter.

3 Der Kantonsrat wählt drei Kantonsrichter.

§ 61 Das Verwaltungsgericht besteht aus dem Präsidenten und sechs weiteren Richtern.

§ 62 Das kantonale Strafgericht besteht aus dem Präsidenten und vier weiteren Richtern und ebensovielen Ersatzrichtern.

§ 83 Bst. d Der Bezirksgemeinde obliegen: d. Wahl der dem Bezirk zugeteilten Kantonsrichter und Ersatzmänner;

Neuer Text § 25 Ziff. I Bst. d, e und f I. Kantonale Organe d. Kantonale Gerichte e. und f. Aufgehoben § 60 1 Das Kantonsgericht ist die oberste kantonale Behörde der Zivil- und Strafrechtspflege. Es übt die Aufsicht über gerichtliche Behörden und weitere Justizaufgaben nach Gesetz aus.

2 Die Bezirke Schwyz, March und Höfe wählen auf die Dauer von vier Jahren je zwei und die übrigen Bezirke je einen Kantonsrichter. Der Kantonsrat wählt die weiteren Kantonsrichter.

§ 61 Das Verwaltungsgericht ist oberste kantonale Behörde der Verwaltungsrechtspflege. Es übt die Aufsicht über gerichtliche Behörden und weitere Justizaufgaben nach Gesetz aus.

§ 62 Das Strafgericht ist kantonale Behörde der erstinstanzlichen Strafrechtspflege.

§ 63 Das Gesetz kann weitere gerichtliche Behörden vorsehen. Es bestimmt deren Wahl und Aufgaben.

§ 83 Bst. d Der Bezirksgemeinde obliegen: d. Wahl der dem Bezirk zugeteilten Kantonsrichter;

632

Mit der Verfassungsänderung wird namentlich die Zahl der Richterinnen und Richter nicht mehr in der Verfassung festgelegt; die Grundzüge der Justizorganisation werden jedoch weiterhin in der Verfassung verankert.

1.3

Verfassung des Kantons Glarus

1.3.1

Kantonale Volksabstimmungen

Die Stimmberechtigten des Kantons Glarus haben in der Landsgemeinde vom 7. Mai 2006 den folgenden Verfassungsänderungen zugestimmt: ­

Änderung von Artikel 76 Absatz 1 der Kantonsverfassung (eingetragene Partnerschaft);

­

Änderung der Artikel 20 Absätze 2­4, 29 Absatz 1, 33 Absätze 2 und 3, 52 Absatz 4, 122, 128 Absatz 2 sowie 130 Absatz 4 der Kantonsverfassung, Aufhebung der Artikel 117 Absatz 3, 123, 124, 125, 126, 126a, 128 Absatz 3 sowie 145 Absatz 3 der Kantonsverfassung und Ergänzung durch die Artikel 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154 und 155 (Gemeindestrukturreform).

Mit Schreiben vom 27. Juli 2006 ersucht der Regierungsrat des Kantons Glarus um die eidgenössische Gewährleistung.

1.3.2

Eingetragene Partnerschaft

Bisheriger Text Art. 76 Abs. 1 1 Eltern und Kinder, Geschwister, Ehegatten, Grosseltern und Enkelkinder, Schwäger und Schwägerinnen sowie Schwiegereltern und Schwiegerkinder können nicht der gleichen Kantons- oder Gemeindebehörde angehören.

Neuer Text Art. 76 Abs. 1 1 Eltern und Kinder, Geschwister, Ehegatten, eingetragene Partnerinnen oder Partner, Grosseltern und Enkelkinder, Schwäger und Schwägerinnen sowie Schwiegereltern und Schwiegerkinder können nicht der gleichen Kantons- oder Gemeindebehörde angehören.

Durch die Verfassungsänderung wird das kantonale Recht im Bereich der Unvereinbarkeitsregelungen an das Bundesgesetz vom 18. Juli 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz, SR 211.231) angepasst.

633

1.3.3

Gemeindestrukturreform

Bisheriger Text Art. 20 Abs. 2­4 2 Das Kantonsbürgerrecht ist mit dem Gemeindebürgerrecht (Tagwensbürgerrecht) untrennbar verbunden.

3 Das Tagwensbürgerrecht umfasst das Stimmrecht im Tagwen, den Anteil am Tagwensgut und an den bürgerlichen Stiftungen sowie die Pflicht, zum Bestand des Tagwens und an dessen Haushalt beizutragen.

4 Das Gesetz regelt Erwerb und Verlust des Kantons- und des Tagwensbürgerrechts.

Art. 29 Abs. 1 Die öffentliche Sozialhilfe und das Vormundschaftswesen obliegen den Gemeinden, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

1

Art. 33 Abs. 2 und 3 2 Der Kanton und die Gemeinden können Kranken- und Pflegeheime führen oder unterstützen.

3 Das Gesetz regelt die Aufsicht des Kantons über die Kranken- und Pflegeheime.

Art. 52 Abs. 4 4 Der Kanton, die Orts- und Schulgemeinden erstellen Finanzplanungen.

Art. 117 Abs. 3 Die Ortsgemeinde, der Tagwen, die Schul­ und Fürsorgegemeinde sprechen sich bei der Aufstellung des Voranschlags, bei der Finanzplanung sowie bei der Erhebung von Abgaben gegenseitig ab.

3

Art. 122 Ortsgemeinde Die Ortsgemeinde umfasst die im Gemeindegebiet wohnhaften Personen.

2 Sie besorgt alle kommunalen Angelegenheiten, für die nicht der Bund, der Kanton oder eine andere Gemeinde zuständig ist.

1

Art. 123 Tagwen 1 Der Tagwen ist die Bürgergemeinde und umfasst die im Gebiet der Ortsgemeinde wohnhaften Tagwensbürger. Diese finden im Tagwen jederzeit Aufnahme.

2 Das Stimm- und Wahlrecht steht jedem in der Gemeinde wohnhaften Tagwensbürger zu, wenn er in kantonalen Angelegenheiten stimmberechtigt ist.

3 Der Tagwen kann den übrigen in der Gemeinde wohnhaften stimmberechtigten Personen das Stimm- und Wahlrecht einräumen.

4 Der Tagwen bestellt keine eigenen Organe. Die Behörden und Angestellten der Ortsgemeinde besorgen die Aufgaben des Tagwens.

5 Alle Mitglieder des Gemeinderates sind in den Angelegenheiten des Tagwens stimmberechtigt.

Art. 124 Aufgaben des Tagwens 1 Der Tagwen besorgt die bürgerlichen Angelegenheiten. Ihm obliegen insbesondere: a. die Beschlüsse über das Bürgerrecht; b. die Verwaltung und die Nutzung der Tagwensgüter, einschliesslich der bürgerlichen Stiftungen; c. die Förderung der allgemeinen Gemeindeinteressen.

2 Das Gesetz legt die Grundsätze der Bewirtschaftung und Nutzung der Tagwengüter fest.

3 Der Tagwen richtet keinen Bürgernutzen aus, soweit damit nicht die Leistung eines Gemeindewerkes abgegolten wird.

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Art. 125 Schulgemeinde 1 Die Schulgemeinde umfasst die im Schulgemeindegebiet wohnhaften Personen.

2 Sie besorgt alle Schulangelegenheiten der Gemeinde.

Art. 126 Fürsorgegemeinde Die Fürsorgegemeinde umfasst die im Fürsorgegebiet wohnhaften Personen.

2 Sie besorgt die Fürsorgeangelegenheiten der Gemeinde.

3 Sie hat die Pflicht, alle auf dem Gemeindegebiet anwesenden Hilfsbedürftigen zu betreuen und zu unterstützen, soweit nicht andere Gemeinden zuständig sind.

1

Art. 126a Gegenseitige Unterstützungspflicht Das Gesetz regelt die gegenseitige Unterstützungspflicht von Tagwen, Orts-, Schul- und Fürsorgegemeinde.

Art. 128 Abs. 2 und 3 In der Ortsgemeinde bildet der Gemeinderat die Vorsteherschaft, in der Schulgemeinde der Schulrat, in der Fürsorgegemeinde der Fürsorgerat und in der Kirchgemeinde der Kirchenrat.

3 Die Ortsgemeinde bestellt eine Vormundschaftsbehörde (Waisenamt), bestehend aus dem Präsidenten und mindestens vier Mitgliedern. Durch die Gemeindeordnung können die Aufgaben der Vormundschaftsbehörde dem Gemeinderat übertragen werden. Mehrere Gemeinden können eine gemeinsame Vormundschaftsbehörde einsetzen.

2

Art. 130 Abs. 4 4 Der Gemeindepräsident und die Mitglieder des Gemeinderates der Ortsgemeinde werden an der Urne nach dem Mehrheitswahlverfahren gewählt.

Art. 145 Abs. 3 Die bestehenden Tagwen Dorf, Matt und Ennetlinth in Linthal dürfen weiterhin, auch wenn sie sich zusammenschliessen, eigene Tagwensorgane bestellen.

3

Neuer Text Art. 20 Abs. 2­4 2 Das Kantonsbürgerrecht ist mit dem Gemeindebürgerrecht untrennbar verbunden.

3 Aufgehoben 4 Das Gesetz regelt Erwerb und Verlust des Kantons- und des Gemeindebürgerrechts.

Art. 29 Abs. 1 Die öffentliche Sozialhilfe und das Vormundschaftswesen sind Sache des Kantons. Die Gemeinden unterstützen den Kanton in der Wahrnehmung dieser Aufgaben, soweit dies für eine wirksame und kostengünstige Erfüllung dieser Aufgaben erforderlich ist.

1

Art. 33 Abs. 2 und 3 2 Der Kanton und die Gemeinden können Alters-, Pflege- und Krankenheime führen oder unterstützen.

3 Das Gesetz regelt die Aufsicht des Kantons über die Alters-, Pflege- und Krankenheime.

Art. 52 Abs. 4 Der Kanton und die Gemeinden erstellen Finanzplanungen.

4

Art. 117 Abs. 3 Aufgehoben

635

Titel vor Art. 122 Zweiter Abschnitt: Arten von Gemeinden Art. 122 1 Die Gemeinde nimmt alle öffentlichen Aufgaben wahr, für die weder Bund noch Kanton noch die Kirchgemeinden zuständig sind (Einheitsgemeinden).

2 Jede Gemeinde umfasst die in ihrem Gebiet wohnhaften Personen.

3 Die Gemeinde besorgt insbesondere auch alle Schulangelegenheiten, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.

Art. 123­126a Aufgehoben Art. 128 Abs. 2 und 3 In der Gemeinde bildet der Gemeinderat die Vorsteherschaft, in der Kirchgemeinde der Kirchenrat.

3 Aufgehoben 2

Art. 130 Abs. 4 4 Der Gemeindepräsident und die Mitglieder des Gemeinderates werden an der Urne nach dem Mehrheitswahlverfahren gewählt.

Art. 145 Abs. 3 Aufgehoben Neuer Titel vor Art. 147: Schluss- und Übergangsbestimmungen zur Änderung vom 7. Mai 2006 Art. 147 (neu) Inkrafttreten der Änderungen vom 7. Mai 2006 1 Die Änderungen vom 7. Mai 2006 treten am 1. Januar 2011 in Kraft.

2 Der Regierungsrat kann einzelne Bestimmungen oder Gruppen von Bestimmungen auf einen früheren Zeitpunkt in Kraft setzen.

Art. 148 (neu) Zusammenlegung von Gemeinden 1 Ab dem 1. Januar 2011 bestehen im Kanton noch die folgenden drei Gemeinden in der Form der Einheitsgemeinde (Zusammenschluss von Orts-, Schulgemeinde und Tagwen): Bilten, Mühlehorn, Obstalden, Filzbach, Niederurnen, Oberurnen, Näfels und Mollis; Netstal, Riedern, Glarus und Ennenda; Mitlödi, Sool, Schwändi, Schwanden, Haslen1, Luchsingen, Betschwanden, Rüti, Braunwald, Linthal, Matt, Engi und Elm.

2 Vorbehalten bleiben weitere freiwillige Zusammenschlüsse.

3 Die Stimmberechtigten der zusammengeschlossenen Gemeinden bestimmen den Namen der neuen Gemeinde.

4 Soweit die einzelnen Gemeinden gemäss Absatz 1 sich nicht bis zum 31. Dezember 2010 selber zusammenschliessen, erfolgt der Zusammenschluss ohne weitere Beschlussfassung auf den 1. Januar 2011.

5 Das Gemeindegesetz kann vorsehen, dass für eine Übergangsfrist von einer Amtsdauer Gemeinden, die gemäss Absatz 1 zusammengeschlossen werden, ein Anspruch auf mindestens einen Sitz in der Gemeindeexekutive zusteht. Der Anspruch kann für jede Gemeinde oder aber für eine Gemeindegruppe bestehen.

1

636

Der Zusammenschluss der Ortsgemeinden Nidfurn, Leuggelbach und Haslen tritt am 1. Juli 2006 in Kraft. Es rechtfertigt sich, dass der Landrat dies im Zuge der vorliegenden Bereinigung vorwegnimmt; «Haslen» umfasst also die Gemeinden Nidfurn, Leuggelbach und Haslen.

Art. 149 (neu) Zusammenlegung der Schulgemeinden und der Ortsgemeinden Soweit die Schulgemeinden bis 31. Dezember 2010 noch nicht mit den entsprechenden Ortsgemeinden vereinigt sind, erfolgt dieser Zusammenschluss ohne weitere Beschlussfassung auf den 1. Januar 2011 zur Einheitsgemeinde im Rahmen von Artikel 148 Absatz 1.

Art. 150 (neu) Zusammenlegung der Tagwen und der Ortsgemeinden Soweit die Tagwen bis 31. Dezember 2010 noch nicht mit den entsprechenden Ortsgemeinden vereinigt sind, erfolgt dieser Zusammenschluss ohne weitere Beschlussfassung auf den 1. Januar 2011 zur Einheitsgemeinde im Rahmen von Artikel 148 Absatz 1.

Art. 151 (neu) Aufhebung der Fürsorgegemeinden Mit Inkrafttreten von Artikel 29 Absatz 1 in der Fassung vom 7. Mai 2006 werden die noch bestehenden Fürsorgegemeinden aufgehoben. Der Regierungsrat kann vorsehen, dass die Übernahme des Sozialwesens durch den Kanton gemeindeweise und in Etappen erfolgt. Mit dieser Aufgabenübertragung fallen die Fürsorgevermögen zweckgebunden dem Kanton zu; eine Gemeinde ist dann von der Ablieferung des Fürsorgevermögens an den Kanton entbunden, wenn am 20. September 2005 eine selbständige Fürsorgegemeinde nicht mehr bestand oder deren Zusammenschluss mit der Ortsgemeinde rechtskräftig beschlossen war. Das Gesetz regelt die Einzelheiten.

Art. 152 (neu) Vormundschaftswesen Mit Inkrafttreten von Artikel 29 Absatz 1 in der Fassung vom 7. Mai 2006 werden die Vormundschaftsbehörden der Gemeinden aufgehoben. Das Gesetz kann vorsehen, dass diese Vormundschaftsbehörden vor dem Inkrafttreten anhängig gemachte Fälle noch zu Ende führen.

Es regelt die Einzelheiten.

Art. 153 (neu) Zuständigkeiten des Regierungsrates 1 Fehlt es einer Einheitsgemeinde bei Inkrafttreten der Änderung vom 7. Mai 2006 an den unerlässlichen Vorschriften, so trifft der Regierungsrat für die erforderliche Dauer die nötigen Anordnungen.

2 Der Regierungsrat als Aufsichtsbehörde nach Artikel 138 ff. Gemeindegesetz kann gestützt auf diese Verfassungsbestimmung alle Anordnungen treffen, welche in der Übergangsphase zwischen der Beschlussfassung durch die Landsgemeinde einerseits und der Errichtung von drei Einheitsgemeinden und der Übernahme der Aufgaben der bisherigen Fürsorgegemeinden und Vormundschaftsbehörden durch den Kanton bzw. der Auflösung der Fürsorgegemeinden andererseits
erforderlich sind oder der reibungslosen und sparsamen Umsetzung der neuen Gemeindestruktur dienen. Er hat namentlich darauf zu achten, dass Aktiven möglichst erhalten, wirkungsvoll und sparsam eingesetzt, sowie bestimmungsgemäss bzw. nicht derart verwendet werden, dass es zum Nachteil anderer Gemeinden gereicht.

3 Diese Bestimmung tritt mit der Annahme durch die Landsgemeinde in Kraft.

Art. 154 (neu) Änderung der Amtsdauer nach Artikel 78 Kantonsverfassung Das Gesetz kann Abweichungen von Artikel 78 (Amtsdauer und Wiederwahl) vorsehen, welche der Umsetzung und Einführung der am 7. Mai 2006 von der Landsgemeinde beschlossenen Gemeindestrukturreform dienen.

Art. 155 (neu) Ausgleich der Vermögensverhältnisse, Finanzierungsbeschluss 1 Die Landsgemeinde erlässt in einem besonderen Beschluss die Bestimmungen über die Art und die Finanzierung des Ausgleichs der unterschiedlichen Vermögensverhältnisse bei den sich zusammenschliessenden Gemeinden gemäss Artikel 148 Absatz 1. Sie bestimmt namentlich die Höhe des Kantonsbeitrages und legt den Höchstbetrag fest, der einer zusammengeschlossenen Gemeinde nach Artikel 148 Absatz 1 unter dem Titel des Ausgleichs unterschiedlicher Vermögensverhältnisse zukommen kann.

2 Dabei kann sie ihre Zuständigkeiten dem Landrat übertragen, insbesondere soweit es um die Anpassung der von ihr im Jahre 2006 festgelegten Beiträge an die Verhältnisse am 31. Dezember 2010 geht.

3 Diese Bestimmung tritt mit der Annahme durch die Landsgemeinde in Kraft.

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Mit dieser Verfassungsrevision werden im Kanton Glarus die Ortsgemeinden, Schulgemeinden und Tagwen zu Einheitsgemeinden zusammengelegt. Die Fürsorgegemeinden werden aufgehoben und das Fürsorgewesen dem Kanton übertragen.

Schliesslich wird die Anzahl der Gemeinden auf drei reduziert. Die Änderungen werden auf den 1. Januar 2011 in Kraft treten.

Der Landrat hatte der Landsgemeinde eine Vorlage mit der Schaffung von 10 Einheitsgemeinden unterbreitet, in der Landsgemeinde vom 7. Mai 2006 wurde ein Antrag zur Reduktion auf 3 Gemeinden gutgeheissen.

Reduziert ein Kanton die Anzahl seiner Gemeinden, so werden die betroffenen Gemeinden in ihrer Autonomie beeinträchtigt. Artikel 5 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung (SR 0.102) legt fest, dass bei jeder Änderung kommunaler Gebietsgrenzen die betroffenen Gebietskörperschaften vorher anzuhören sind, gegebenenfalls in Form einer Volksabstimmung.

Diese Frage betrifft das Zustandekommen der kantonalen Verfassungsnormen und nicht deren Inhalt, dessen Bundesrechtmässigkeit ausser Zweifel steht. Die Gewährleistungsbehörden haben im Jahre 1997 beschlossen, im Gewährleistungsverfahren darauf zu verzichten, die Form des Zustandekommens kantonaler Verfassungsänderungen zu überprüfen (AB 1997 S 228 f.). Anlass für diesen Entscheid waren damals Fragen der Einhaltung der Grundsätze der freien und unverfälschten Willenskundgabe. Die im Falle des Kantons Glarus vorliegende Situation ist vergleichbar mit derjenigen bei der Einhaltung der Grundsätze der freien und unverfälschten Willenskundgabe beim Zustandekommen kantonaler Verfassungsbestimmungen, denn die Verletzung der Gemeindeautonomie kann von den betroffenen Gemeinden ebenfalls gerichtlich angefochten werden. Es besteht daher kein Anlass, dass die Gewährleistungsbehörden das korrekte Zustandekommen kantonaler Verfassungsbestimmungen nicht überprüfen, wenn es um Fragen des Stimmrechts geht, es aber überprüfen, wenn andere Anforderungen an das Zustandekommen zur Diskussion stehen.

Zu ergänzen ist allerdings, dass es sich die Gewährleistungsbehörden bei ihrem Entscheid von 1997 vorbehalten haben, bei offensichtlichen, ins Auge springenden Unregelmässigkeiten beim Zustandekommen kantonaler Verfassungsbestimmungen auch künftig die Gewährleistung zu verweigern. Dem Landsgemeindememorial ist zu entnehmen,
dass im Hinblick auf die Gemeindestrukturreform im Kanton Glarus der Mitwirkung der Gemeinden in verschiedener Form Beachtung geschenkt wurde (S. 142 f. Landsgemeindememorial). Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, dass Artikel 5 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung nicht eingehalten wurde; auch haben wir keine Kenntnis von allfälligen Beschwerden wegen Verletzung der Gemeindeautonomie. Es sind daher keine offensichtlichen, ins Auge springenden Unregelmässigkeiten erkennbar, welche eine Verweigerung der Gewährleistung rechtfertigen würden.

1.4

Verfassung des Kantons Appenzell Innerrhoden

1.4.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Appenzell Innerrhoden haben in der Landsgemeinde vom 30. April 2006 der Änderung von Artikel 30 Absatz 9 der Kantonsverfassung zugestimmt. Mit Schreiben vom 1. Mai 2006 ersuchen Landammann und 638

Standeskommission des Kantons Appenzell Innerrhoden um die eidgenössische Gewährleistung.

1.4.2

Eingetragene Partnerschaft

Bisheriger Text Art. 30 Abs. 9 9 In derselben sowie in den Gerichten können nicht zugleich Eltern und Kinder, Geschwister, Ehegatten sowie Schwiegereltern und Schwiegerkinder sitzen (die Auflösung der Ehe hebt den Ausschliessungsgrund der beiden letztgenannten Verwandtschaftsverhältnisse nicht auf).

Neuer Text Art. 30 Abs. 9 9 In die Standeskommission und die Gerichte können nicht zugleich Einsitz nehmen: ­ zwei Personen, die miteinander verheiratet, in eingetragener Partnerschaft leben oder eine faktische Lebensgemeinschaft führen. Die Auflösung der Ehe bzw. der eingetragenen Partnerschaft hebt den Ausschliessungsgrund nicht auf; ­ verwandt in gerader Linie oder bis zum zweiten Grade in der Seitenlinie; ­ verschwägert in gerader Linie.

Durch die Verfassungsänderung wird das kantonale Recht im Bereich der Unvereinbarkeitsregelungen an das Bundesgesetz vom 18. Juli 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz, SR 211.231) angepasst. Die Unvereinbarkeitsregelungen werden zugleich auf faktische Lebensgemeinschaften ausgedehnt.

1.5

Verfassung des Kantons Waadt

1.5.1

Kantonale Volksabstimmung

Die Stimmberechtigten des Kantons Waadt haben in der Volksabstimmung vom 27. November 2005 folgende Änderungen der Kantonsverfassung angenommen: ­

Ergänzung der Kantonsverfassung durch Artikel 52a (Schutz des Lavaux) mit 127 079 Ja gegen 29 851 Nein,

­

Änderung von Artikel 108 der Kantonsverfassung (Beteiligungen des Staates) mit 95 960 Ja gegen 45 851 Nein;

­

Änderung von Artikel 131 Absätze 1 und 4 der Kantonsverfassung sowie Ergänzung durch Artikel 178 Absatz 4 (Richterwahlen) mit 131 970 Ja gegen 13 246 Nein.

Mit Schreiben vom 18. Januar 2006 ersucht der Staatsrat des Kantons Waadt um die eidgenössische Gewährleistung.

639

1.5.2

Schutz des Lavaux

Neuer Text Art. 52a (neu) 1 Die Region Lavaux zwischen Lutrive und Corsier wird zum Schutzgebiet erklärt.

2 Jede Verletzung des Schutzes kann von den Betroffenen und den Natur- und Heimatschutzverbänden verwaltungsrechtlich oder gerichtlich angefochten werden.

3 Die Ausführungsgesetzgebung hat sich genau an den geltenden Perimeter zu halten, namentlich durch die Erhaltung des Rebbaugebiets sowie des traditionellen Charakters der Dörfer und Weiler.

Die neue Verfassungsbestimmung bestätigt und sichert den Schutz der bedeutsamen Landschaft des Lavaux.

1.5.3

Beteiligungen des Staates

Neuer Text Art. 108 Abs. 2 (neu) 2 Das Gesetz sieht Ausnahmen vor.

Der geltende Artikel 108 der Kantonsverfassung verpflichtet den Grossen Rat, über jede einzelne staatliche Beteiligung an juristischen Personen einen Beschluss zu fassen. Da diese Regelung sich als zu starr erwiesen hat, wurde sie durch einen Absatz ergänzt, der die Festlegung von Ausnahmen auf Gesetzesstufe ermöglicht.

1.5.4

Richterwahlen

Bisheriger Text Art. 131 Abs. 1 und 4 1 Die Richter und die Ersatzrichter des Kantonsgerichts werden vom Grossen Rat gestützt auf eine Stellungnahme der Wahlvorbereitungskommission für die Dauer der Legislatur gewählt.

4 Die beisitzenden Richter der verwaltungsrechtlichen und öffentlichrechtlichen Abteilung des Kantonsgerichts werden vom Kantonsgericht ernannt.

Neuer Text Art. 131 Abs. 1 und 4 1 Die Richter und die Ersatzrichter des Kantonsgerichts werden vom Grossen Rat gestützt auf eine Stellungnahme der Wahlvorbereitungskommission für die Dauer von fünf Jahren ab 1. Januar des Jahres, das auf die Gesamterneuerung des Grossen Rates folgt, gewählt.

4 Das Gesetz regelt die Wahl der beisitzenden Richter der verwaltungsrechtlichen und öffentlichrechtlichen Abteilung des Kantonsgerichts.

Art. 178 Abs. 4 (neu) 4 Die Amtsdauer der Richter und der Ersatzrichter des Kantonsgerichts und des Verwaltungsgerichts wird bis zum 31. Dezember 2007 verlängert.

640

Die Änderung der Artikel 131 und 178 der Waadtländer Kantonsverfassung betrifft einerseits das Datum der Wahl der Richter des Kantonsgerichts und andererseits die Ernennung der beisitzenden Richter der öffentlichrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Abteilung dieses Gerichts.

2

Verfassungsmässigkeit

Die Prüfung hat ergeben, dass alle Bestimmungen der geänderten Kantonsverfassungen die Anforderungen von Artikel 51 der Bundesverfassung erfüllen; es ist daher allen diesen Änderungen die Gewährleistung zu erteilen.

Die Bundesversammlung ist nach den Artikeln 51 und 172 Absatz 2 der Bundesverfassung für die Gewährleistung der Kantonsverfassungen zuständig.

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