04.476 Parlamentarische Initiative Schutz der Bevölkerung und der Wirtschaft vor dem Passivrauchen Bericht der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates vom 1. Juni 2007

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf für ein Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

1. Juni 2007

Im Namen der Kommission Der Präsident: Pierre Triponez

2007-1653

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Übersicht Zahlreiche Kantone haben in den letzten Jahren aufgrund der wissenschaftlich erwiesenen Gefährdung der Gesundheit durch das Passivrauchen und Forderungen der Bevölkerung nach einem besseren Schutz der Nichtraucherinnen und Nichtraucher gesetzliche Massnahmen in diesem Bereich getroffen. Am 8. Oktober 2004 reichte Nationalrat Felix Gutzwiller eine parlamentarische Initiative ein, die verlangt, dass der Schutz vor dem Passivrauchen an Arbeitsplätzen und in Räumen, die für die Nutzung durch die Allgemeinheit bestimmt sind, auf Bundesebene geregelt wird.

Mit dem vorgeschlagenen Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen wird ein Paradigmenwechsel herbeigeführt. Arbeitsplätze und geschlossene Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, sollen neu grundsätzlich rauchfrei sein. Diese Regelung gilt auch für Gastronomiebetriebe. Sowohl in öffentlichen Gebäuden wie in Restaurants und Bars bleibt jedoch die Einrichtung von so genannten Raucherräumen (Fumoirs) möglich, sofern sie abgeschlossen, ausreichend belüftet und besonders gekennzeichnet sind und darin keine Arbeitnehmenden beschäftigt werden. Ausnahmen sind ebenfalls für Einzelarbeitsplätze sowie wohnungsähnliche Einrichtungen (z.B. geschlossene Abteilungen psychiatrischer Kliniken, Strafvollzugsanstalten etc.) vorgesehen.

Nicht geschlossene öffentliche Räume (z.B. Garten- und Parkanlagen) und private Haushaltungen sind vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

Nationalrat Felix Gutzwiller reichte am 8. Oktober 2004 eine parlamentarische Initiative ein, die verlangt, dass Bevölkerung und Wirtschaft vor den gesundheitsschädigenden und einschränkenden Wirkungen des passiven Rauchens geschützt werden. Der Schutz vor dem Passivrauchen soll insbesondere an Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, in der öffentlichen Verwaltung, an den Arbeitsplätzen sowie in Räumen und Verkehrsmitteln, die für den freien Zugang beziehungsweise die Nutzung durch die Allgemeinheit bestimmt sind, gewährleistet werden und durch eine Änderung der bereits bestehenden Gesetzgebung erreicht werden.

Am 28. April 2005 gab die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) der parlamentarischen Initiative mit 14 gegen 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen Folge. Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates stimmte diesem Beschluss am 30. August 2005 einstimmig zu.

Die SKG-N beauftragte daraufhin am 21. Oktober 2005 eine Subkommission mit der Ausarbeitung einer Vorlage in Erfüllung der parlamentarischen Initiative. Als Mitglieder der Subkommission bestimmte die SGK-NR Ruth Humbel Näf (Präsidentin), Roland Borer, Toni Bortoluzzi, Jacqueline Fehr, Yves Guisan, Felix Gutzwiller, Hansjörg Hassler, Liliane Maury Pasquier und Silvia Schenker. Die Subkommission konstituierte sich am 8. Dezember 2005 und zog für ihre weiteren Arbeiten gemäss Artikel 112 Absatz 1 ParlG das Eidgenössische Departement des Innern und das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement bei. Nach einer ersten Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten einer gesetzlichen Umsetzung der Initiative am 12. Januar 2006 hörte die Subkommission am 13. März 2006 Vertreter der Stiftung pro aere und von GastroSuisse an. Am 5. Mai 2006 diskutierte die Subkommission erneut über Vor- und Nachteile der verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten und beschloss, beim Bundesamt für Justiz ein Rechtsgutachten dazu einzuholen. Gestützt auf dieses Gutachten gab die Subkommission am 19. Juni 2006 einer Ergänzung des Arbeitsgesetzes den Vorzug und leitete am 24. August 2006 einen entsprechenden Erlassentwurf und erläuternden Bericht an die SGK-NR weiter. Gleichzeitig beantragte sie der Kommission, eine Vernehmlassung zur vorgesehenen Änderung des Arbeitsgesetzes durchzuführen.

Am 7. September 2006 verschob
die SGK-NR die materielle Diskussion des Entwurfs der Subkommission auf einen späteren Zeitpunkt, beschloss jedoch mit 18 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung, diesen bei den Kantonen, den politischen Parteien und den interessierten Kreisen in eine Vernehmlassung zu geben.

Die Vernehmlassung wurde am 4. Oktober 2006 eröffnet und lief bis zum 9. Januar 2007. Zur Zusammenstellung der Vernehmlassungsergebnisse zog die Kommission gemäss Artikel 6 Absatz 2 VIG das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) bei.

An einer weiteren Sitzung vom 28. März 2007 diskutierte die Subkommission die Ergebnisse der Vernehmlassung. Sie beschloss einstimmig, der SGK-NR nicht nur ihren ersten Entwurf zu einer Änderung des Arbeitsgesetzes, sondern zusätzlich einen Entwurf zu einem Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen als Alternative zu unterbreiten.

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Am 1. Juni 2007 nahm die SGK-NR Kenntnis vom Bericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens und beschloss nach einer Diskussion der beiden Varianten mit 15 zu 4 Stimmen bei 0 Enthaltungen, auf eine gesamtschweizerische Regelung zum Schutz vor dem Passivrauchen einzutreten. Mit 16 zu 3 Stimmen bei 0 Enthaltungen gab sie anschliessend einer Regelung im Rahmen eines Spezialgesetzes den Vorzug und verabschiedete den vorliegenden Gesetzesentwurf mit 14 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Geltende Regelung

Auf Bundesebene wird der Schutz vor Passivrauchen über das Arbeitsrecht geregelt1: Artikel 6 des Arbeitsgesetzes2 (ArG) verpflichtet den Arbeitgeber, zum Schutze der Gesundheit der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebs angemessen sind.3 Unter Vorbehalt von Artikel 2 und 4 ArG gilt das Gesetz für alle privaten und öffentlichen Betriebe.

Nicht eingeschlossen sind namentlich die Betriebe der Landwirtschaft, der Gärtnerei, der Fischerei und private Haushaltungen (Art. 2 Abs. 1 ArG) sowie Familienbetriebe (Art. 4 ArG). Für bestimmte Betriebs- und Personenkategorien, die bezüglich Arbeits- und Ruhezeiten vom Geltungsbereich des ArG ausgeschlossen sind, gelten die Vorschriften über den Gesundheitsschutz dennoch.

Gestützt auf Artikel 6 ArG hat der Bundesrat in Artikel 19 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV 3)4 bestimmt, dass der Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten dafür zu sorgen hat, dass nichtrauchende Angestellte durch das Rauchen anderer Personen nicht belästigt werden. Die Anwendung von Artikel 19 ArVG 3 erfordert nicht ein grundsätzliches Rauchverbot am Arbeitsplatz und ist mit Einrichtungen wie Lüftungen, Trennwänden, Raucherzonen etc. vereinbar. Sind solche Einrichtungen nicht machbar oder fühlen sich die nichtrauchenden Angestellten weiterhin vom Rauch belästigt, können sie vom Arbeitgeber als letzte Massnahme verlangen, dass er ein allgemeines Rauchverbot erlässt. Ein Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 2006 präzisiert, dass die Schutzmassnahmen des Arbeitsgebers den Betriebsablauf und das Arbeitsklima im Betrieb nicht beeinträchtigen und keine Diskriminierung der Raucherinnen und Raucher darstellen sollen. Die Verhängung eines Rauchverbots sei aber stets zulässig, sofern es der Betriebssicherheit oder dem Schutz der nichtrauchenden Angestellten diene.5

1 2 3

4 5

Vgl. dazu den Bericht des Bundesrates zum Schutz vor Passivrauchen vom 10. März 2006, BBl 2006 3705 ff.

Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel, (Arbeitsgesetz, ArG); SR 822.11.

Artikel 82 des Unfallversicherungsgesetzes (UVG; SR 832.20) und Artikel 328 Absatz 2 des Obligationenrechts (OR; SR 220) enthalten ähnliche Formulierungen. Vgl. dazu den Bericht des Bundesrates vom 10. März 2006, BBl 2006 3706 ff.)

Verordnung 3 vom 18. August 1993 zum Arbeitsgesetz (Gesundheitsvorsorge, ArGV 3); SR 822.113.

Urteil 4C.354/2005/ruo.

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In der Praxis wird nur sehr selten aufgrund von Artikel 19 ArGV 3 Anzeige erstattet und gegen Zuwiderhandlungen vorgegangen.6 Ein Grund dafür, dass Arbeitnehmende ihre Rechte nicht geltend machen, mag darin liegen, dass sie unangenehme Konsequenzen am Arbeitsplatz ­ z.B. Mobbing durch Arbeitskollegen ­ befürchten. Ein weiterer Grund mag die mangelnde Kenntnis der geltenden Regelung bei den betroffenen Personen sein. Nur 40 Prozent der befragten Erwerbstätigen bejahten im Jahr 2004 die Frage, ob sie glauben, dass es zurzeit gesetzliche Bestimmungen gebe, die den Arbeitgeber verpflichten, die Nichtrauchenden am Arbeitsplatz vor dem Passivrauchen zu schützen.7 Wie auch der Bericht des Bundesrates zum Schutz vor Passivrauchen vom 10. März 2006 festhält, besteht das Problem der geltenden Regelung weniger auf der materiellen Ebene, sondern vielmehr in der Durchsetzbarkeit und der Anwendung vor Ort. Auch wenn vielerorts im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten Schutzmassnahmen zugunsten der nichtrauchenden Angestellten getroffen werden können, ist der Schutz vor dem Passivrauchen mit der geltenden gesetzlichen Regelung nicht an allen Arbeitsplätzen durchsetzbar. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Arbeitnehmende dem Rauch Dritter ausgesetzt sind, wie beispielsweise das Servierpersonal in vielen Restaurants.8

2.2

Gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen des Passivrauchens

Die gesundheitsschädigenden Folgen des Passivrauchens sind wissenschaftlich belegt. Es gibt keine Schwelle der Exposition, unterhalb welcher Tabakrauch unbedenklich wäre. Passivrauchen kann bei exponierten Nichtrauchern und Nichtraucherinnen Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma, Lungenentzündungen und andere Infektionen der Atemwege sowie plötzlichen Kindstod verursachen.9 Für die Schweiz existieren keine spezifischen Studien zur Mortalität von Personen, die Passivrauch ausgesetzt waren. Die passivrauchbedingte Morbidität (Erkrankung infolge des Passivrauchens) ist hingegen in der Schweiz verschiedentlich untersucht worden. Gemäss einer Schätzung des Bundesrates sterben in der Schweiz jedes Jahr mehrere hundert Personen infolge des Passivrauchens. Das sind mehr Opfer, als durch Gewaltakte, Aids oder illegale Drogen verursacht werden.

Auch der Bericht des Bundesrates vom 10. März 2006, der sich auf die heute gültigen Erkenntnisse abstützt, bezeichnet die Exposition der Bevölkerung gegenüber dem Passivrauchen als ein bedeutendes Gesundheitsrisiko, dessen effiziente Prävention nötig ist.

Die wirtschaftlichen Folgen des Passivrauchens sind beachtlich. Spezifisch für die Schweiz liegen auch hierzu keine wissenschaftlichen Studien vor. Ausländische Studien beziffern die wirtschaftlichen Folgen infolge von Gesundheitskosten und 6

7 8 9

Gestützt auf Artikel 342 Absatz 2 OR können Arbeitnehmende zur Durchsetzung der Gesundheitsvorschriften des Arbeitsrechts zu zivilrechtlichen Mitteln des Arbeitsvertragsrechts greifen.

Passivrauchen in der Schweizer Bevölkerung 2004 (Zusammenfassung), BAG, September 2005.

Vgl. auch Wegleitung des Seco zur Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz.

Vgl. für das Folgende den Bericht des Bundesrates zum Schutz vor Passivrauchen vom 10. März 2006, BBl 2006 3699 ff., und Anhang S. 3722 f.

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Einkommensverlusten bei Nichtrauchern und Nichtraucherinnen jedoch auf 10 Prozent der Kosten des aktiven Rauchens. Umgerechnet auf die Schweiz wären dies rund 500 Millionen Franken pro Jahr.

2.3

Forderung nach rauchfreien Restaurants und Arbeitsplätzen in der Bevölkerung

Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung raucht nicht. Die Zahl der Nichtraucher und Nichtraucherinnen hat in den letzten Jahren zugenommen. 2001 rauchten 33 Prozent der Bevölkerung zwischen 14 und 65 Jahren, 2006 waren es noch 29 Prozent. Auch unter den Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren ist die Zahl der Raucher und Raucherinnen zwischen 2001 und 2006 von 31 Prozent auf 25 Prozent zurückgegangen. Der Anteil derjenigen Personen, die mit dem Rauchen aufhören möchten, ist auf 53 Prozent im Jahr 2006 gestiegen.10 2004 waren 29 Prozent der 14- bis 65-jährigen Bevölkerung während mindestens sieben Stunden pro Woche dem Tabakrauch ausgesetzt.11 Die Passivrauchexposition ist in Restaurants, Cafés und Bars am höchsten. 85 Prozent der Bevölkerung waren im Jahr 2004 an diesen Orten dem Passivrauchen ausgesetzt. Diese Zahl hat sich seit 2001 kaum verändert, zugenommen hat hingegen die Zahl der Gäste, welche sich vom Tabakrauch belästigt fühlen: Mehr als die Hälfte der befragten Personen fühlen sich wegen des Tabakrauchs sehr stark oder ziemlich stark belästigt, unter den Nichtraucherinnen und Nichtrauchern sind es fast 70 Prozent. 68 Prozent der befragten Personen meiden wegen der verrauchten Luft mehr oder weniger häufig den Besuch von Gaststätten. Die Forderung nach gesetzgeberischen Lösungen hat sich verstärkt. 61 Prozent der Bevölkerung und 67 Prozent der Nichtrauchenden halten gesetzliche Bestimmungen, wonach in allen Restaurants Nichtraucherzonen vorhanden sein müssen, für notwendig. Befragt nach der Meinung über ein generelles Rauchverbot, um Gäste und Personal vor dem Tabakrauch anderer zu schützen, befürworteten im ersten Quartal des Jahres 2006 64 Prozent der befragten Personen ein Rauchverbot in Restaurants, Cafés und Bars.12 Der Wunsch nach rauchfreien Arbeitsplätzen ist in der Bevölkerung ebenfalls hoch.

Der Anteil der Erwerbstätigen, die am Arbeitsort dem Tabakrauch anderer Personen ausgesetzt sind, sank zwar von 2001­2004 von 54 Prozent auf 47 Prozent. Mehr als die Hälfte der nichtrauchenden Erwerbstätigen wünscht sich jedoch ein totales Rauchverbot am Arbeitsplatz oder mehr Nichtraucherzonen. Ein Drittel der Raucherinnen und Raucher unterstützt dieses Anliegen.

10

11 12

Der Tabakkonsum der Schweizer Wohnbevölkerung in den Jahren 2001 bis 2006.

Zusammenfassung des Forschungsberichts 2007 (Tabakmonitoring), Bundesamt für Gesundheit, Mai 2007.

Vgl. für das Folgende: Passivrauchen in der Schweizer Bevölkerung 2004. Zusammenfassung (Tabakmonitoring), Bundesamt für Gesundheit, September 2005.

Cf. Werbe- und Verkaufseinschränkungen für Tabakwaren, höhere Zigarettenpreise und Rauchverbote: Einstellung der Schweizer Bevölkerung 2003 - 2006. Zusammenfassung des Forschungsberichtsvon 2006 (Tabakmonitoring), Bundesamt für Gesundheit, September 2006.

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2.4

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die von der Subkommission vorgeschlagene Änderung des Arbeitsgesetzes fand in der Vernehmlassung ein positives Echo. Von 123 Teilnehmenden äusserten sich 77, darunter 15 Kantone, sechs Parteien (CVP, EDU, EVP, FDP, Grüne Partei, SP) und 24 Fachverbände und Fachorganisationen zustimmend zum Entwurf der Subkommission.

Die befürwortenden Parteien begrüssen die Revision des ArG als pragmatischen und effizienten Ansatz, der einem Bedürfnis der Bevölkerung entspreche. Die teilnehmenden Arbeitnehmerorganisationen (SGB, KV Schweiz, Travail.Suisse, Hotel & Gastro Union) stimmen einer Änderung des ArG bedingungslos zu. Der Schutz der Arbeitnehmenden vor dem Passivrauchen solle umfassend geregelt werden und müsse auch für das Gastgewerbe gelten, dessen Angestellte besonders stark vom Passivrauchen betroffen seien. Die Hotel & Gastro Union erwartet keine Schwierigkeiten bei der Durchsetzung eines Rauchverbots gegenüber den Gästen. Vorbehaltlose Unterstützung fand der Entwurf der Subkommission auch bei den Fachverbänden der Medizinalbranche und der Gesundheitsprävention. Die gültige Regelung in Artikel 19 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz sei bis anhin eines der wichtigsten Hindernisse zur Umsetzung eines effektiven Schutzes vor Passivrauchen gewesen, weil der Arbeitgeber nur im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten verpflichtet werde. Die Stiftung «pro aere» verweist in ihrer Antwort zudem auf eine in ihrem Auftrag durchgeführte Umfrage vom August 2006, wonach 88,9 Prozent der befragten Personen gesetzliche Bestimmungen gegen das Passivrauchen unterstützen und 78,2 Prozent eine Änderung des ArG im Sinne der Subkommission zustimmen.

Unter den 15 Kantonen, welche die Vorlage unterstützen, weisen einige (TG, VD, VS, ZG, ZH) darauf hin, dass das Arbeitsgesetz bezüglich seines Geltungsbereiches Lücken aufweise. Verschiedentlich (AG, LU, NW) wird gewünscht, dass der Begriff «Arbeitsplatz» geklärt werde, da Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch bei privaten Kunden tätig sein können oder im Freien, z.B. auf Baustellen, arbeiten.

Vier Kantone (BS, BL, OW, SH) sind für den Schutz vor dem Passivrauchen, vertreten jedoch die Auffassung, dass der in der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz verankerte Nichtraucherschutz genüge. Dieser Argumentation schliessen sich die ablehnenden Parteien (SVP, LPS) an. Die Eigenverantwortung
der Bürgerinnen und Bürger dürfe nicht ausgehöhlt werden.

Ebenfalls auf Ablehnung stiess der Entwurf zu einer Änderung des Arbeitsgesetzes bei den Spitzenverbänden der Arbeitgeberorganisationen (SGV, SAV, SBVg) und sämtlichen Arbeitgeberverbänden der Gastronomie- und Hotelbranche. Eine Regelung im Rahmen des ArG bedeute eine rechtsungleiche Behandlung der verschiedenen Arbeitgeber. Die Angestellten in der Landwirtschaft und Familienbetriebe wären der neuen gesetzlichen Regelung nicht unterstellt und die Zahl der vom ArG ausgenommenen Gastronomiebetriebe beliefe sich auf mehrere Tausend. Arbeitgeberorganisationen und Arbeitgeberverbände der Gastronomiebranche fordern deshalb, dass eine Spezialgesetzgebung geprüft werde. Befürchtet wird zudem, dass ein Rauchverbot in Gastronomiebetrieben zu Umsatzeinbussen führen und Vollzugsprobleme mit sich bringen würde.

Mit der Forderung nach einem Spezialgesetz begründen auch die drei ablehnenden Kantone AI, AR und BE ihre Haltung gegenüber einer Revision des Arbeitsgesetzes.

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Die Vertreter der Tabakindustrie anerkennen, dass Rauchen in der Öffentlichkeit Anlass zu Bedenken gibt, lehnen jedoch die vorgeschlagene Änderung des ArG als zu starre und deshalb nicht angemessene Lösung ab. Kritisch zum Entwurf der Subkommission äusserte sich ebenfalls der Schweizer Casino Verband. 50 Prozent der Spielbankgäste und ein höherer Anteil der Casinoangestellten seien gemäss einer Befragung Raucherinnen und Raucher. Die Einrichtung von Fumoirs sei deshalb in Casinos keine Lösung.

2.5

Aktuelle Entwicklung in der Schweiz

Auf Bundesebene existiert seit 2001 ein Nationales Programm zur Tabakprävention (NPTP 2001­2007), dessen Umsetzung vom Bundesrat beschlossen wurde. Ziel Nr. 3 des NPTP lautet: «Nichtrauchende haben überall und jederzeit die Möglichkeit, rauchfreie Luft einzuatmen. An Orten, wo sich die Bevölkerung notwendigerweise aufhalten muss (Ausbildungs- und Arbeitsplatz, öffentliche Verwaltung, Spitäler usw.), muss das Nichtrauchen als neue Norm gelten»13. Das Programm präzisiert allerdings nicht, wie diese Ziele erreicht und konkretisiert werden sollen.

In einigen Kantonen wie AG, BE, BL, BS, FR, JU, SH, TI, VD, VS und ZH gibt es Vorschriften, welche vor dem Passivrauchen schützen sollen. Es handelt sich dabei vor allem um Regelungen im Gastgewerbe und für die Verwaltung. Die meisten von ihnen sollen ­ wie die bestehende Regelung auf Bundesebene ­ nach den betrieblichen Möglichkeiten umgesetzt werden und garantieren deshalb keine grundsätzlich rauchfreien Arbeitsplätze. Seit 2005 werden die geltenden kantonalen Regelungen vielerorts als unbefriedigend empfunden. In fast allen Kantonen sind Vorstösse hängig oder bereits konkrete Bestrebungen im Gang, um den Schutz von Nichtraucherinnen und Nichtrauchern zu verbessern.

Eine Vorreiterrolle hat der Kanton Tessin übernommen. Das Tessiner Volk stimmte am 12. März 2006 mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 79,1 % einer Gesetzesrevision zu, wonach in allen öffentlich zugänglichen Gebäuden inklusive Restaurants und Bars ein Rauchverbot gilt. Erlaubt bleibt das Rauchen in Restaurants und Bars nur in abgetrennten und separat belüfteten Fumoirs und an Tischen im Freien. Die neue gesetzliche Regelung ist am 12. April 2006 mit einer Übergangsfrist von einem Jahr in Kraft getreten.

Nach dem Tessin stimmte auch der Kanton Solothurn mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 61 Prozent für ein Rauchverbot in Restaurants und Bars nach Tessiner Modell.

Die Regelung ist am 1. Januar 2007 mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren in Kraft getreten.

Die vom Bündner Parlament verabschiedete Revision des Gesundheitsgesetzes wiederum sieht ein Rauchverbot in öffentlichen bzw. öffentlich zugänglichen Räumen vor. Im Gegensatz zum Modell der Kantone Tessin und Solothurn soll hier das Gastgewerbepersonal in den Fumoirs arbeiten. Die Kantonsregierung entscheidet über den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Schliesslich hat auch der Kanton Zürich sein Gesundheitsgesetz geändert und ein Rauchverbot in Verwaltungsgebäuden, Schulen, Spitälern usw. eingeführt. Das Parlament sprach sich gegen ein Rauchverbot in Restaurationsbetrieben aus.

13

NPTP 2001­2007. S. 29.

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Die Kantone BE, NW, VS und ZG haben eine Vorlage, die ein Rauchverbot im Gastgewerbe vorsieht, in die Vernehmlassung geschickt. In den Kantonen GE, FR, NE, VD und ZH kamen entsprechende Volksinitiativen zustande. In den vier erstgenannten Kantonen ist die Einrichtung von Fumoirs gemäss Initiative möglich.

Motionen und Postulate, welche ein Rauchverbot im Gastgewerbe verlangen, wurden von den Parlamenten der Kantone AG, BL, LU, OW und UR angenommen.

In Bereichen des öffentlichen Lebens, wo Massnahmen zum Schutz vor dem Passivrauchen ohne Änderung der gesetzlichen Grundlagen umsetzbar sind (Spitäler, Universitäten, Schulen etc.), nahm die Zahl der Rauchverbote in den letzten Jahren zu. Laufend kommen neue Beispiele hinzu.14 Öffentliche Verkehrsmittel sowie Bahnhofshallen sind seit dem 11. Dezember 2005 in der ganzen Schweiz rauchfrei.

Auch private Unternehmen sind in jüngster Zeit bezüglich des Nichtraucherschutzes aktiv geworden. Der Pharmakonzern Novartis hat zum Beispiel seit dem 1. Januar 2006 das Rauchen auf dem ganzen Firmengelände verboten, die Migros und Manor führen seit Ende Mai 2006 nur noch rauchfreie Restaurants.

2.6

Neue gesetzliche Regelungen in Europa

Verschiedene europäische Länder kennen seit einigen Jahren gesetzliche Rauchverbote oder sind daran, solche einzuführen.

In Deutschland haben sich die 16 Bundesländer grundsätzlich darauf geeinigt, in öffentlichen Räumen und im Gastgewerbe ein Rauchverbot einzuführen; sie unterstützen die Absicht der Bundesregierung, das Arbeitsgesetz zur Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes entsprechend zu ändern. Die französische Regierung verabschiedete im November 2006 ein Dekret zur Umsetzung des Rauchverbots im Gesetz von 1991 (loi Evin); demnach dürfen Fumoirs ohne Bedienung nicht mehr als 35 m2 und nicht über 20 Prozent der Restaurantfläche einnehmen. Dem Gastgewerbe wird eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2008 eingeräumt.

Spanien hat eine Regelung, wonach in Restaurants mit über 100 m2 Grundfläche das Rauchen verboten ist, sofern keine Fumoirs eingerichtet sind. Dieses seit dem 1. Januar 2006 geltende Gesetz stellt Vollzugsprobleme, weil zum Beispiel Unklarheit darüber besteht, ob die Zone hinter der Theke zur Restaurantfläche zählt und weil das Gesetz in den einzelnen Regionen unterschiedlich ausgelegt wird.

Zusammengefasst besteht in folgenden Ländern für den Gastronomiebereich ein Rauchverbot (chronologisch, d.h. nach Datum der Inkraftsetzung aufgeführt): Irland (März 2004), Norwegen (Juni 2004), Italien (Januar 2005), Malta (April 2005), Schweden (Juni 2005), Spanien (Januar 2006), Schottland (März 2006), Litauen (Januar 2007), Wales und Nordirland (April 2007), Island, Estland und Finnland (Juni 2007), England (Juli 2007), Dänemark (August 2007), Frankreich (Januar 2008). Zudem haben verschiedene Länder, darunter Belgien und Luxemburg, bereits auf den Gastronomiebereich begrenzte Rauchverbote. In Irland, Schottland, Wales, England und Nordirland sind keine Fumoirs zugelassen; Ausnahmeregelungen sind für Hotelzimmer, Gefängnisse und psychiatrische Anstalten vorgesehen, da diese als wohnungsähnliche Einrichtungen gelten.

14

Universitäten Genf, Basel, Zürich, Lausanne und die ETHs Lausanne und Zürich usw.

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2.7

Erfahrungen mit der neuen rechtlichen Regelung in Europa

Die bisherigen Erfahrungen in europäischen Ländern, welche bereits ein Rauchverbot im Gastronomiebereich eingeführt haben, sind generell positiv.

In Irland, wo das Rauchverbot am 29. März 2004 eingeführt wurde, ergab eine Ende 2004 durchführte Kontrolle, dass 93 Prozent der Restaurants, Bars und Pubs tatsächlich rauchfrei waren. Die Zahl der Angestellten in Hotels und Restaurants ging von Juni 2004 bis Mai 2005 um 1,6 Prozent zurück. Im Vorjahr war sie um 1,6 Prozent gestiegen. Die Verkäufe in den Bars gingen von April 2004 bis März 2005 um 4,9 Prozent zurück ­ wobei ein Rückgang von 4,3 Prozent allerdings schon im Vorjahr und somit vor der Einführung des Rauchverbots zu verzeichnen war.15 Vor der Einführung des Rauchverbots waren von der Branche Verkaufsrückgänge von bis zu 30 Prozent befürchtet worden.

In der irischen Bevölkerung ist die Akzeptanz des Rauchsverbots in Restaurants markant gestiegen. Während im Juni 2003 lediglich 67 Prozent der befragten Personen ein Rauchverbot begrüssten, waren es im Februar 2005 ­ ein Jahr nach der Einführung ­ 93 Prozent. Unter den Raucherinnen und Rauchern sprachen sich zu diesem Zeitpunkt 80 Prozent für das Rauchverbot aus. 46 Prozent der befragten Raucherinnen und Raucher standen im Januar 2005 auch einem Rauchverbot in Pubs positiv gegenüber ­ vor der Einführung des Rauchverbots waren es nur 13 Prozent.16 Für Norwegen lässt sich ein ähnliches Fazit ziehen. Seit der Einführung des totalen Rauchverbots in Gaststätten am 1. Juni 2004 sind weder die Geschäftszahlen noch die Zahl der Angestellten der betroffenen Betriebe zurückgegangen.17 Die Akzeptanz des Rauchverbotes in Restaurants und Bars ist in der Bevölkerung von 54 Prozent (drei Monate vor der Einführung des Verbots) auf 68 Prozent (ein Jahr nach der Einführung) gestiegen. Auch 34 Prozent der Raucherinnen und Raucher befürworteten das Rauchverbot ein Jahr nach dessen Einführung.18 Für Italien liegen keine statistischen Erhebungen zu allfälligen wirtschaftlichen Auswirkungen des Rauchverbots in den Restaurants vor. Bemerkenswert ist auch hier die grosse Akzeptanz in der Bevölkerung. Umfragen zufolge waren im April 15

16

17

18

Retail Sales Index, Volume adjusted, Central Statistical Office, www.cso.ie/ releasespublications/documents/services/current/rsi_retrospective.xls (heruntergeladen am 8. Januar 2006) und Quaterly National Household Surveys, seasonaly adjusted, Central Statistical Office, www.cso.ie/px/pxeirestat/ database/eirestat/Quarterly%20National%20Household%20Survey/ Quarterly%20National%20Household%20Survey.asp (heruntergeladen am 8. Januar 2006).

Fong G. et al: Reductions in tobacco smoke pollution and increases in support for smokefree public places following the implementation of comprehensive smoke-free workplace legislation in the Republic of Ireland: findings from the ITC Ireland/UK survey. Tobacco Control, 2006, 15 (suppl III), iii51-iii58 und Smoke-free workplaces in Ireland: a one-year review. Office of Tobacco Control. Clane, March 2005.

Turnover index, Transport and tourism, Restaurants respectively Bars, Statistics Norway, www.ssb.no/english/subjects/08/03/20/sroi_en/arkiv/tab-2005-09-30-01-en.html, (heruntergeladen am 9. Januar 2006) und Hotels and restaurants, Structural statistics, Restaurants respectively Bars, Statistics Norway, www.ssb.no/english/subjects/10/11/ sthotell_en/tab-2006-05-22-04-en.html (heruntergeladen am 9. Januar 2006).

Norway's ban on smoking in bars and restaurants ­ A review of the first year. Directorate for Health and Social Affairs. Oslo, May 2005

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2005 90 Prozent der Befragten für ein Rauchverbot, unter den Raucherinnen und Rauchern waren es 76 Prozent.19 Gemäss neueren Untersuchungen in Norwegen sowie in Irland und Schottland hat sich die Gesundheit des Gastronomiepersonals seit Einführung des Rauchverbots erheblich verbessert. So wurden bereits ein Monat nach Einführung des Rauchverbots bedeutend weniger Atemwegssymptome, Lungenfunktionsstörungen und Entzündungsanzeichen festgestellt.20

2.8

Internationale Bestrebungen zum Schutz vor dem Passivrauchen

Am 21. Mai 2003 verabschiedete die Weltgesundheitsorganisation WHO ein Rahmenabkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (WHO-Tabakkonvention; Framework Convention on Tobacco Control, FCTC). Die WHO-Tabakkonvention enthält die Grundsätze, die in den nächsten Jahren weltweit für den Umgang mit Tabak und Tabakerzeugnissen gelten sollen. Artikel 8 der WHO-Tabakkonvention regelt den Schutz vor dem Passivrauchen und sieht Folgendes vor: «Die Vertragsparteien erkennen an, dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidität verursacht.» Und: «Jede Vertragspartei beschliesst in Bereichen bestehender innerstaatlicher Zuständigkeit nach innerstaatlichem Recht wirksame gesetzgeberische, ausführende, administrative und/oder sonstige Massnahmen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an geschlossenen öffentlichen Orten und gegebenenfalls an sonstigen öffentlichen Orten, führt solche Massnahmen durch und setzt sich auf anderen Zuständigkeitsebenen aktiv für die Annahme und Durchführung solcher Massnahmen ein.» Die WHO-Tabakkonvention wurde von 168 Staaten, darunter auch der Schweiz, unterzeichnet und bisher von 146 Staaten, inklusive der Europäischen Gemeinschaft, ratifiziert. Sie trat am 27. Februar 2005 in Kraft. Die Schweiz beabsichtigt, sie in nächster Zeit zu ratifizieren.

Solange die Schweiz die Konvention nicht ratifiziert hat, ist sie für unser Land nicht verbindlich. Da die Konvention keine unmittelbar anwendbaren Bestimmungen enthält, müssen die auf nationaler Ebene als notwendig erachteten Änderungen noch eingeführt werden.

2.9

Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen

Mit dem neuen Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen wird ein Paradigmenwechsel herbeigeführt. Statt der Freiheit des Rauchens wird die Freiheit des Nichtrauchens ins Zentrum gerückt. Ein totales Rauchverbot oder gar ein Konsumverbot wird nicht angestrebt. Es sollen jedoch jene Personen, die sich längere Zeit an 19 20

Gallus S. et al.: Effects of new smoking regulations in Italy. Annals of Oncology, 2006, 17, 346­347.

Menzies et al.: Respiratory symptoms, pulmonary function, and markers of inflammation among bar workers before and after a legislative ban on smoking in public places. Journal of the American Medical Association, 2006, 296 (14), 1742­1748.

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bestimmten Orten aufhalten (Arbeitsplatz, öffentlich zugängliche Gebäude, Restaurants, etc.) und nicht dem Tabakrauch anderer ausgesetzt sein wollen, vor dem unfreiwilligen Passivrauchen besser geschützt werden. Neu sollen diese Orte grundsätzlich rauchfrei sein. Die Stossrichtung der Vorlage entspricht den zahlreichen aktuellen Bestrebungen in den Kantonen und den verstärkten Forderungen der Bevölkerung nach rauchfreien Arbeitsplätzen.

Eine Regelung zum Schutz von dem Passivrauchen wäre auch im Rahmen des Arbeitsgesetzes möglich, wie dies der von der SGK-NR am 7. September 2006 in die Vernehmlassung gegeben Entwurf vorsah. Weil nicht alle Arbeitnehmende den Gesundheitsschutzvorschriften des Arbeitgsetzes unterstehen (ausgenommen sind z.B. Betriebe der landwirtschaftlichen Urproduktion und Fischereibetriebe) und weil das Arbeitsgesetz auf Familienbetriebe keine Anwendung findet, stiess diese Lösung bei den Vernehmlassungsteilnehmern teilweise auf Widerstand. Insbesondere die Arbeitgeberverbände der Gastronomiebranche forderten gleich lange Spiesse für alle Gastronomiebetriebe. Mit dem vorgeschlagenen Gesetzesentwurf besteht keine Ungleichbehandlung einzelner Betriebe mehr. Der Geltungsbereich des Gesetzes ist klar definiert und das Rauchverbot gilt lückenlos für alle Arbeitsplätze und alle geschlossenen Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind.

Gleichzeitig beachtet der vorgeschlagene Entwurf das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Ein totales Rauchverbot oder gar ein Konsumverbot wird nicht angestrebt.

Auch wenn an Arbeitsplätzen und in öffentlich zugänglichen Gebäuden der Grundsatz der Rauchfreiheit herrscht, besteht die Möglichkeit, abgeschlossene und belüftete Raucherräume, so genannte Fumoirs, einzurichten.

2.10

Nichteintreten: Begründung der Minderheit21

Eine Kommissionsminderheit (Bortoluzzi, Borer, Scherer Marcel, Triponez) wendet sich grundsätzlich gegen die Einführung eines Bundesgesetzes über den Passivrauchschutz.

Bereits heute seien Arbeitnehmende dem Passivrauchen nicht schutzlos ausgesetzt.

Artikel 19 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz verpflichte die Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass nichtrauchende Angestellte durch das Rauchen anderer Personen nicht belästigt werden. Als letzte Massnahme können nichtrauchende Arbeitnehmende vom Arbeitgeber verlangen, dass er ein allgemeines Rauchverbot erlässt (vgl. Ziff. 2.1). Durch eine konsequente Anwendung von Artikel 19 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz sei der Schutz vor dem Passivrauchen am Arbeitplatz gewährleistet und ein neues Gesetz deshalb überflüssig.

Während sich der grösste Teil der Bevölkerung an gewissen Orten, wie z.B.

Arbeitsplätzen und Ausbildungsstätten, zwangläufig aufhalten müsse, sei der Besuch von Restaurants und Bars freiwillig. Insbesondere im Gastronomie- und Hotelgewerbe solle deshalb auf Selbstverantwortung und Toleranz statt auf ein gesetzliches Rauchverbot gesetzt werden. Hoteliers und Restaurateure sollen als freie Unternehmer, die auch das betriebliche Risiko tragen, die Möglichkeit haben, selber die für 21

Die Begründung der Minderheitsanträge, die Änderungen des vorgeschlagenen Rechtserlasses verlangen, finden sich bei den entsprechenden Artikeln in Ziffer 3.

6196

ihre Betriebe und ihre Gäste optimale Regelung zu treffen. Eine Vielzahl von Gastronomiebetrieben habe bereits heute auf freiwilliger Basis Regelungen zum Schutz der nichtrauchenden Gäste getroffen. So steige auch die Anzahl der rauchfreien Restaurants ständig an.

3 Art. 1

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen Geltungsbereich

Das neue Bundesgesetz regelt den Passivrauchschutz in geschlossenen Räumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind oder als Arbeitsplätze mehrerer Personen dienen (Abs. 1). Um die öffentlich zugänglichen Räume zu präzisieren, werden sie in Absatz 2 nicht abschliessend aufgeführt. Die Definition des Arbeitplatzes ergibt sich aus dem Arbeitsgesetz.

Rauchen in offenen Räumen (z. B. Garten- und Parkanlagen) wird nicht von diesem Gesetz erfasst und bleibt deshalb erlaubt.

Zudem unterliegen nicht alle geschlossenen Räume dem Geltungsbereich des Gesetzes. Generell davon ausgenommen sind private Haushaltungen (Abs. 3).

Art. 1 Abs. 1 Minderheit (Borer, Bortoluzzi, Egerszegi, Meyer Thérèse, Scherer Marcel, Stahl, Triponez) Neben geschlossenen Räumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, soll das Gesetz explizit nur auf Arbeitsplätze mehrerer Personen anwendbar sein. Es sei transparenter, dies im Grundsatz festzuhalten, statt im Geltungsartikel alle Arbeitsplätze zu nennen und die Einzelarbeitsplätze in Artikel 2 Absatz 2 auszunehmen.

Art. 2

Rauchverbot

Grundsätzlich sind alle geschlossenen Räume, die öffentlich zugänglich sind oder als Arbeitsplätze dienen, rauchfrei (Abs.1). Die Schaffung von speziellen Räumen zum Rauchen (so genannte Raucherräume bzw. Fumoirs) ist jedoch möglich. Damit der Grundsatz der rauchfreien geschlossenen Räume nicht verletzt wird, ist die Einrichtung solcher Fumoirs nur denkbar, wenn diese physisch von den rauchfreien Räumen abgetrennt sind. Es wird verlangt, dass sie separiert und besonders gekennzeichnet sind, ausreichend belüftet werden und ­ sofern es sich um Fumoirs im Hotellerie- und Gastgewerbe handelt ­ keine Arbeitnehmende in Raucherräumen beschäftigt sind. Ebenfalls auf Anordnung des Arbeitgebers kann eine Ausnahme vom Rauchverbot für Arbeitsplätze gemacht werden, bei denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Einzelbüros verfügen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen für die Schaffung von Fumoirs erfüllt sind und die anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dadurch in keiner Weise beeinträchtigt oder belästigt werden (Abs. 2).

Der Bundesrat erlässt Vorschriften über die Beschaffenheit von Raucherräumen und die Anforderungen an die Belüftung. Im Weiteren regelt er die Verhältnisse an Zwangsaufenthaltorten sowie in Einrichtungen, die dem dauernden Verbleib oder einem längeren Aufenthalt dienen (Abs 3). Insbesondere sind spezielle Regelungen 6197

für wohnungsähnliche Einrichtungen (Alternativen zur Privatwohnung), beispielsweise für Hotelzimmer oder öffentliche sowie private Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, soziale und medizinisch-soziale Einrichtungen sowie für Zwangsaufenthaltsorte (z.B. Strafanstalten) vorzusehen.

Art. 2 Abs. 2 Minderheit (Borer, Bortoluzzi, Egerszegi, Meyer Thérèse, Scherer Marcel, Stahl, Triponez) Die Bedienung von Gästen in Raucherräumen grundsätzlich zu untersagen, würde bei den Betreibern von Restaurants und Bars jeglichen Anreiz für die Schaffung von Raucherräumen untergraben und zudem die rauchenden Gäste diskriminieren. Es soll daher den Betreibern selbst überlassen bleiben, ob sie in den Raucherräumen eine Bedienung der Gäste anbieten wollen oder nicht. Wie erste Zahlen aus dem Kanton Tessin belegen, sei davon auszugehen, dass ohnehin nur sehr wenig Gastbetriebe Raucherräume einrichten werden: von 2500 Betrieben hätten bisher nur 16 einen Antrag auf Einrichtung eines Fumoirs gestellt. Die Erwähnung von Einzelarbeitsplätzen erübrigt sich, weil der Geltungsbereich des Gesetzes gemäss der Minderheit zu Artikel 1 Absatz 1 auf mehrere Arbeitsplätze beschränkt ist.

Art. 2a

Raucherbetriebe

Minderheit (Borer, Bortoluzzi, Egerszegi, Meyer Thérèse, Parmelin, Scherer Marcel, Stahl, Triponez) Um dem wirtschaftlich schwierigen Umfeld gewisser Gastbetriebe und Nachtlokale Rechnung zu tragen, sollen diese auf Bewilligung hin auch als Raucherbetriebe geführt werden können. Eine Bewilligung soll erteilt werden, wenn eine Trennung von Raucher- und Nichtraucherräumen nachweislich nicht möglich oder unzumutbar ist. Dies treffe etwa dann zu, wenn eine Trennung baulich nicht möglich sei oder die Existenz des betroffenen Betriebs bedrohen würde. Durch die Pflicht zur Kennzeichnung von Raucherbetrieben werde der Gast eines Restaurants oder einer Bar die Wahl haben, bewusst einen Raucherbetrieb aufzusuchen oder ihn zu meiden.

Art. 3

Strafbestimmungen

Mit Busse wird bestraft, wer vorsätzlich entgegen dem Verbot gemäss Artikel 2 Absatz 1 raucht. Das Rauchverbot richtet sich somit in erster Linie an rauchende Personen (Abs. 1 Bst. a).

Strafbar macht sich zudem, wer vorsätzlich Raucherräume schafft, die den Voraussetzungen des Artikels 2 Absatz 2 nicht entsprechen (Abs. 1 Bst. b). Beispielsweise ist der Straftatbestand dann erfüllt, wenn der Betreiber oder die Betreiberin oder die für die Hausordnung verantwortliche Person vorsätzlich einen Raum als Raucherraum bezeichnet, der keine ausreichende Belüftung hat. Hingegen verstossen solche verantwortlichen Personen nicht gegen das Gesetz, wenn sie es unterlassen, für die Beachtung des Rauchverbotes zu sorgen. Wer es deshalb beispielsweise unterlässt, in seinem Restaurant gegen rauchende Gäste vorzugehen, kann deshalb nicht mit Busse bestraft werden.

6198

Bei beiden Straftatbeständen (Abs. 1 Bst. a­b) ist die Strafandrohung Busse. Es handelt sich somit um Übertretungstatbestände. Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) sind anwendbar (Busse höchstens 10 000 Franken). Nicht strafbar ist die fahrlässige Strafbegehung. Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone (Abs. 2).

Betreffend die Arbeitsplätze ist das Arbeitsgesetz zusätzlich anwendbar (Abs. 3).

Diese Bestimmungen finden sich in den Artikel 50­54 ArG (Verwaltungsverfügungen und -massnahmen bei der Kontrolle durch die Behörden oder bei Anzeigen) sowie in den Artikeln 55­58 ArG (Verwaltungsrechtspflege).

Die Strafbestimmungen finden sich in den Artikeln 59­62. Von Bedeutung sind insbesondere Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 60 Absatz 1 und 2, die Folgendes vorsehen: «Der Arbeitgeber ist strafbar, wenn er den Vorschriften über den Gesundheitsschutz (...) vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt» und «der Arbeitnehmer ist strafbar, wenn er den Vorschriften über den Gesundheitsschutz vorsätzlich zuwiderhandelt; gefährdet er dadurch andere Personen ernstlich, so ist auch die fahrlässige Widerhandlung strafbar.» Der Arbeitgeber wird nach diesen Bestimmungen mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse, der Arbeitnehmer mit Haft oder Busse bestraft.

Art. 3 Abs. 1 Bst. c Minderheit (Borer, Bortoluzzi, Egerszegi, Meyer Thérèse, Parmelin, Scherer Marcel, Stahl, Triponez) Sind Raucherbetriebe gemäss Artikel 2a zulässig, muss in den Strafbestimmungen entsprechend vorgesehen werden, dass Personen, die einen solchen Betrieb ohne Bewilligung führen oder als Inhaber oder Inhaberin einer Bewilligung der Kennzeichnungspflicht nicht nachkommen, mit Busse bestraft werden.

Art. 4

Vollzug

Der Bundesrat erlässt die Ausführungsbestimmungen (Abs. 1). Mit dem Vollzug der Bestimmungen werden die Kantone beauftragt (Abs. 2). Für die Organisation des Vollzugs sind sie selbst zuständig. Sie können sich dabei auf eine bereits vorhandene Vollzugsorganisation z.B. der Lebensmittel- oder Arbeitsgesetzgebung abstützen oder bei Bedarf auch neue Vollzugsstrukturen schaffen.

Art. 5

Referendum und Inkrafttreten

Das Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum (Abs. 1). Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten (Abs. 2). Es sind keine Übergangsfristen vorgesehen.

Art. 5 Abs. 2 Minderheit (Borer, Bortoluzzi, Meyer Thérèse, Scherer Marcel, Stahl) Um Gastbetrieben und Nachtlokalen genügend Zeit für die allfällige Einrichtung von Raucherräumen zu geben, sei eine Übergangsfrist von 2 Jahren vorzusehen.

6199

4

Auswirkungen

4.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf Bund und Kantone

Es sind keine unmittelbaren finanziellen oder personellen Auswirkungen auf die öffentliche Hand zu erwarten.

Der Vollzug dürfte für die Kantone keinen finanziellen Mehrbedarf mit sich bringen und mit keinem zusätzlichen Arbeitsaufwand verbunden sein, weil der soziale Druck sowohl von Seiten der Arbeitnehmerschaft als auch der Kundschaft namentlich in Restaurants und Bars sich merklich auf die die Einhaltung des Rauchverbots auswirken dürfte.

4.2

Kompatibilität mit den kantonalen Gesetzen

Nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes geht das Bundesrecht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.

Das neue Bundesgesetz schliesst aber nicht aus, dass die Kantone für nicht geschlossene Räume oder private Haushaltungen kantonale Vorschriften erlassen können.

4.3

Wirtschaftliche Auswirkungen

Zu den Folgen des Rauchverbots wurden mehr als 100 Studien publiziert, welche die Situation in den USA, insbesondere in New York, Kanada, Australien, Neuseeland, Irland und Norwegen untersuchen. Für die Gastronomiebranche scheint sich aus den bekannten Studien und Erfahrungen mit dem Rauchverbot am Arbeitsplatz eher ein positiver Trend abzuzeichnen, da die wirtschaftlichen Folgen für Restaurants und Bars in keinem der untersuchten Länder als bedeutend bezeichnet werden können und sogar leicht positiv sind.22 Ein Rauchverbot am Arbeitplatz hat positive Auswirkungen auf die Betriebskosten: Die Kosten für Reinigung, Schäden, Versicherungen etc. sinken, desgleichen die Kosten infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Angestellten.23 Mit der Einführung der neuen Regelung sind für Betriebe auch keine Investitionskosten verbunden. Da öffentlich zugängliche Räume und Arbeitsplätze grundsätzlich rauchfrei sind, müssen keine teureren, schwierig zu konzipierende und kaum wirksamen Lüftungssysteme installiert werden.

Schliesslich verringert die Einführung eines Rauchverbots generell die Anzahl der Raucherinnen und Raucher, und die durchschnittliche Anzahl konsumierter Zigaretten pro Raucherin bzw. Raucher nimmt ab.24

22 23 24

Vgl. Ziffer 2.7.

Vgl. Bericht des Bundesrates zum Schutz vor Passivrauchen vom 10. März 2006, BBl 2006 3701.

Vgl. Fichtenberg C., Glantz S.: Effect of smoke-free workplaces on smoking behaviour: systematic review. British Medical Journal 2002, 325, S. 188-191.

6200

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Das vorgeschlagene Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen ist mit dem europäischen Recht kompatibel.

Die Rahmenrichtlinie 89/391/EWG vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. Nr. L 183 vom 29/06/1989) lautet in Artikel 5, § 1 wie folgt: «Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen». Gemäss Artikel 6, § 1 «trifft der Arbeitgeber die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer erforderlichen Massnahmen» «ausgehend von folgenden allgemeinen Grundsätzen der Gefahrenverhütung: a.

Vermeidung von Risiken;

b.

Abschätzung nicht vermeidbarer Risiken;

c.

Gefahrenbekämpfung an der Quelle ...» (Art. 6, §2).

In der Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 2. Dezember 2002 zur Prävention des Rauchens und für Massnahmen zur gezielteren Eindämmung des Tabakkonsums (2003/54/EG) (ABl. Nr. L 22 vom 25.1.2003) werden die Mitgliedstaaten unter anderem aufgefordert, «auf geeigneter staatlicher oder nichtstaatlicher Ebene Rechtsvorschriften und/oder sonstige wirksame Massnahmen gemäss den nationalen Praktiken und Gegebenheiten einzuführen, die einen Schutz am Arbeitsplatz, in öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleisten».

6

Verfassungsmässigkeit

Das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen stützt sich auf Artikel 110 BV und Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe b BV.

Gestützt auf Artikel 110 BV kann der Bund Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie zum Verhältnis zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erlassen. Mit dieser Verfassungsgrundlage kann der Bund in Form von Verhaltensvorschriften auf allen Gebieten direkt und umfassend zugunsten des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Bestimmungen erlassen, unabhängig davon, ob es sich um den öffentlichen oder privaten Bereich handelt, so dass die Kompetenzbegründung für die arbeitsschutzrechtlichen Aspekte des Schutzes vor dem Passivrauchen gegeben ist.25 Gestützt auf Artikel 118 Absatz 2 Buchstabe b BV ist der Bund ermächtigt, Vorschriften zum Schutz vor den gesundheitsschädigenden Folgen von Passivrauchen zu erlassen. Damit trägt er zur Verhütung bösartiger Krankheiten (z.B. Krebserkrankungen) bei.26

25 26

Vgl. dazu Bundesamt für Justiz, Rechtsgutachten vom 8. Mai 2003, Frage der Grundlagen für eine Bundesgesetzgebung zum Schutze vor dem Passivrauchen, VPB 68.81.

Vgl. Bericht des Bundesrates zum Schutz vor Passivrauchen, BBl 2006 3695.

6201

Landesweite Massnahmen zum Schutz vor dem Passivrauchen müssen mit den Grundrechten vereinbar sein.27 Artikel 10 Absatz 2 BV garantiert wie Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) den Schutz der persönlichen Freiheit. Er verleiht dem Einzelnen unter anderem einen Anspruch auf eine selbstbestimmte Gestaltung der wesentlichen Aspekte seines Lebens. Es muss sich jedoch um einen elementaren Aspekt der Persönlichkeitsentfaltung handeln, wozu das Rauchen überall und zu jeder Zeit nicht gehört. Ob ein Rauchverbot in die von Artikel 10 Absatz 2 BV geschützte persönliche Freiheit eingreift, ist in der Lehre umstritten.28 Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom 29. März 2007 diese Rechtsfrage offen gelassen.29 Selbst bei der Annahme, dass das Verbot am Arbeitsplatz zu rauchen, den Schutzbegriff dieses Freiheitsrechts tangieren würde, könnte ein solcher Eingriff sicher nicht als schwerwiegend qualifiziert werden. Hingegen kann sich jede Person ­ auch wenn sie sich in einem Sonderstatusverhältnis (z.B.

Gefangener, Armeeangehöriger) befindet ­ die unfreiwilligem Passivrauchen ausgesetzt ist, auf den Anspruch auf körperliche Unversehrtheit als Teilgehalt der persönlichen Freiheit berufen.

Artikel 27 BV gewährleistet die Wirtschaftsfreiheit. Er schützt die freie Ausübung von privatwirtschaftlichen Tätigkeiten (z.B. Hotellerie und Gastgewerbe). Bestimmungen zum Schutz vor dem Passivrauchen in Einrichtungen, die privatwirtschaftlich betrieben werden, fallen in den Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit. Sie müssen somit die spezifischen Bedingungen erfüllen, welche gemäss Artikel 36 BV für die Einschränkung von Grundrechten erfüllt sein müssen: Eine Einschränkung von Grundrechten bedarf einer gesetzlichen Grundlage, muss im öffentlichen Interesse liegen oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und sie muss verhältnismässig30 sein. Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar. Die vorgeschlagene Massnahme zum Schutz vor dem Passivrauchen erfüllt diese Bedingungen: Sie erfolgt auf Gesetzesstufe und ist sowohl im öffentlichen Interesse wie durch den Schutz der Grundrechte Dritter gerechtfertigt, weil Passivrauchen erwiesenermassen gesundheitsschädigend ist. Die Massnahme ist verhältnismässig, weil sie Ausnahmen vom Grundsatz vorsieht (die Einrichtung von Fumoirs wird
in Betracht gezogen; wohnungsähnliche Einrichtungen und Zwangsaufenthaltsorte sind vom Grundsatz ausgenommen). Zudem wird der Kerngehalt der Wirtschaftsfreiheit und der persönlichen Freiheit mit einer Einschränkung des Rauchens nicht angetastet.

Ein Rauchverbot, wie es diese Vorlage vorsieht, ist deshalb legitim und tragbar.31

27

28 29 30

31

Vgl. Bericht des Bundesrates zum Schutz vor Passivrauchen vom 10. März 2006, BBl 2006 3713 f.; Jaag Tobias und Rüssli Markus: «Schutz vor Passivrauchen: verfassungsrechtliche Aspekte», S. 21 ff., AJP/PJA, Januar 2006; Auer Andreas «Le droit face à la political correctness : la constitutionnalité de l'initiative populaire genevois fumée passive et santé», S. 3 ff., AJP/PJA, Januar 2006.

Vgl. Jaag Tobias und Rüssli Markus, a.a.O, S. 28; Andreas Auer, a.a.O, S. 9 f.

Vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 29. März 2007, das noch nicht veröffenlicht ist.

Zur Verhältnismässigkeit der Genfer Volksinitiative «Fumée passive et santé», die das Rauchen «dans les lieux publics intérieurs ou fermés» ausnahmslos verbietet, Andreas Auer, a.a.O., S. 14 und Vincent Martenet, La validité de l'initiative populaire cantonale 129, 7 avril 2006, veröffentlicht in: Rapport de la Commission législative chargée d'étudier la validité de l'initiative populaire 129, Secrétariat du Grand Conseil, 6 juin 2006 (www.ge.ch/grandconseil/data/texte/IN00129B.pdf).

Vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 29. März 2007, das noch nicht veröffenlicht ist.

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