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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Weichenwärters Fritz Lerch von Rüegsau, wohnhaft in Biel.

(Vom 9. März 1897.)

Tit.

Sonntag den 6. Oktober 1895 abends geriet der zwischen Biel und Neuenburg verkehrende Schnellzug bei seiner Ausfahrt aus dem Bahnhof Biel infolge falscher Weichenstellung auf das Drehscheibengeleise und stieß auf eine dort stationierte festgebremste Lokomotive.

Durch diesen Zusammenstoß wurde ein erheblicher Materialschaden verursacht und ein Reisender verletzt. Der Weichenwärter Fritz Lerch, der die fragliche Weiche zu bedienen hatte, wurde,, laut Urteil des Gerichtspräsidenten von Biel, d. d. 23. Dezember 1896, der fahrlässigen Gefährdung eines Eisenbahnzuges schuldig erklärt und in eine Gefängnisstrafe von 5 Tagen und zu einer Geldbuße von Fr. 20, sowie- zur Tragung eines Teils der Kosten verurteilt.

Mittelst Eingabe vom 22. Januar 1897 an den Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung ersucht der Verurteilte um Erlaß der Gefängnisstrafe. Er führt zur Begründung an, das Urteil sei ungemein hart; einen Verweis, eine Rüge oder gar eine Buße möge er ja verdient haben, aber die "Gefangenschaft hätte ihm erspart werden dürfen. Den Posten, an dem ihm das Unglück passiert sei, bekleide er zudem nur als Stellvertreter, er sei verheiratet, und es würde ihn und die Seinen tief betrüben, müßte er für ein Vergehen, das eher ein Unglück sei, eine entehrende Gefängnisstrafe antreten ; durch erhöhten Pflichteifer werde er gut zu machen suchen, was er wider Willen gefehlt.

Bundesblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

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In dem gerichtlichen Urteil ist das fahrlässige Verschulden des Petenten näher festgestellt und wird mit Bezug auf die Ausmessung der Strafe namentlich auch auf die ungeheure Gefahr hingewiesen, in die der Zug geraten war.

Wir sind der Ansicht, daß keine Veranlassung besteht, dem Gesuche zu entsprechen. Es würde den Interessen einer gesunden Rechtspflege widerstreiten, wenn die politischen Behörden die nach Vorschrift des Gesetzes von den Gerichten erlassenen Urteile ohne ganz zwingende GrUnde aufheben oder ändern wollten.

Wir beantragen daher, es sei auf das Begnadigungsgesuch nicht einzutreten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung, unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 9. März 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend das Begnadigungsgesuch des Weichenwärters Fritz Lerch von Rüegsau, wohnhaft in Biel. (Vom 9. März 1897.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1897

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

11

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

17.03.1897

Date Data Seite

925-926

Page Pagina Ref. No

10 017 784

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