06.106 Botschaft zur Volksinitiative «für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz» vom 15. Dezember 2006

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative «für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz» Volk und Ständen mit der Empfehlung zu unterbreiten, die Initiative abzulehnen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

15. Dezember 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-0743

245

Übersicht Am 13. Januar 2006 reichte das Initiativkomitee «Pro Jugendschutz ­ gegen Drogenkriminalität» der Bundeskanzlei fristgerecht die erforderlichen Unterschriften zur eidgenössischen Volksinitiative «für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz» (im Folgenden Hanfinitiative) ein. Mit Verfügung vom 3. Februar 2006 hat die Bundeskanzlei das Zustandekommen der Hanfinitiative mit 105 994 gültigen Unterschriften festgestellt.

Nach der Hanfinitiative sollen einerseits der Konsum, der Besitz, der Anbau und der Erwerb psychoaktiver Substanzen der Hanfpflanze zum Eigenkonsum nicht mehr strafbar sein und andererseits der Anbau, die Herstellung, die Ein- und Ausfuhr sowie der Handel mit psychoaktiven Substanzen der Hanfpflanze vom Bund geregelt werden. Der Bund soll ebenfalls durch geeignete Massnahmen sicherstellen, dass der Jugendschutz angemessen berücksichtigt wird und Werbung für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze sowie Werbung für den Umgang mit diesen Substanzen verboten ist.

Obschon die Hanfinitiative Forderungen enthält, die in wesentlichen Teilen der bisherigen Haltung des Bundesrates in der Cannabisfrage entsprechen, empfiehlt der Bundesrat die Ablehnung der Initiative. Diese ablehnende Empfehlung bedeutet keine Haltungsänderung. Die Gesundheitskommission des Nationalrates hat entschieden, dem Parlament einen Vorschlag zur Hanffrage zu unterbreiten. Diesem Vorschlag will der Bundesrat nicht vorgreifen. Zudem sollte die Cannabisproblematik nicht losgelöst von der restlichen Suchtpolitik geregelt werden.

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Botschaft 1

Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative

1.1

Wortlaut der Initiative

Die Volksinitiative «für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz» hat den folgenden Wortlaut: Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Art. 105a (neu)

Hanf

Der Konsum psychoaktiver Substanzen der Hanfpflanze sowie ihr Besitz und Erwerb für den Eigenbedarf sind straffrei.

1

2

Der Anbau von psychoaktivem Hanf für den Eigenbedarf ist straffrei.

Der Bund erlässt Vorschriften über Anbau, Herstellung, Ein- und Ausfuhr von sowie Handel mit psychoaktiven Substanzen der Hanfpflanze.

3

Der Bund stellt durch geeignete Massnahmen sicher, dass dem Jugendschutz angemessen Rechnung getragen wird. Werbung für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze sowie Werbung für den Umgang mit diesen Substanzen sind verboten.

4

1.2

Zustandekommen und Behandlungsfristen

Die Volksinitiative «für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz» wurde am 6. Juli 2004 von der Bundeskanzlei vorgeprüft1 und am 13. Januar 2006 mit den nötigen Unterschriften eingereicht.

Mit Verfügung vom 3. Februar 2006 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Hanfinitiative mit 105 994 gültigen Unterschriften zu Stande gekommen ist2.

Die Hanfinitiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu keinen Gegenentwurf. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 20023 hat der Bundesrat somit spätestens bis zum 13. Januar 2007 dem Parlament eine Botschaft und einen Beschlussentwurf zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat gemäss Artikel 100 des Parlamentsgesetzes bis zum 13. Juli 2008 über Annahme oder Ablehnung der Hanfinitiative zu beschliessen.

1 2 3

BBl 2004 4223 BBl 2006 1889 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung; SR 171.10

247

1.3

Gültigkeit

Die Hanfinitiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 2 BV: a.

Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt die Anforderungen an die Einheit der Form.

b.

Zwischen den einzelnen Teilen der Hanfinitiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Hanfinitiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.

c.

Die Hanfinitiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts (ius cogens).

Zu untersuchen bleibt, ob die Hanfinitiative mit den von der Schweiz ratifizierten internationalen Übereinkommen im Drogenbereich kompatibel ist. Von der Untersuchung konkret betroffen sind das Einheitsübereinkommen von 19614 sowie das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen (Übereinkommen von 1988)5.

Der erste Teil der Hanfinitiative fordert die Straffreiheit des Cannabiskonsums.

Diese Forderung ist insofern unproblematisch, als keines der Übereinkommen die Strafbarkeit des Betäubungsmittelkonsums vorschreibt. Da jedoch umstritten ist, ob die Straffreiheit von Vorbereitungshandlungen (Besitz, Anbau, Erwerb) für den Eigenkonsum mit den einschlägigen internationalen Übereinkommen im Drogenbereich kompatibel ist, hat die Schweiz 2005 bei der Ratifikation des Übereinkommens von 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und psychotropen Stoffen einen entsprechenden Vorbehalt angebracht.

Die Regelung des Anbaus, der Herstellung und des Handels ­ im zweiten Teil der Hanfinitiative ­ wird dem Bund überlassen (Art. 105a Abs. 3). Zu regeln hätte der Bund den Cannabisanbau und -handel, der über den Bedarf des Eigenkonsums hinausgeht. Aufgrund des Initiativtextes wäre sowohl eine vollständige Entkriminalisierung des Handels und Anbaus von Betäubungsmittelhanf (Cannabis) und seiner Produkte denkbar als auch der Vorschlag des Bundesrates in seiner Botschaft von 20016, wonach Anbau und Handel im Betäubungsmittelgesetz (BetmG)7 verboten bleiben, die Strafverfolgung jedoch eingeschränkt würde. Da die vollständige Entkriminalisierung des Cannabishandels und -anbaus die von der Schweiz ratifizierten internationalen Betäubungsmittelübereinkommen verletzen würde, bleibt für eine völkerrechtskonforme Umsetzung der Initiative nur die - oder zumindest eine ähnliche - Regelung, die der Bundesrat im Rahmen der letzten Revision des BetmG in der Botschaft vom 9. März 2001 über die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vorgeschlagen hatte.

Der im dritten Teil der Initiative (Art. 105a Abs. 4) formulierte Jugendschutz und das Werbeverbot sind mit den internationalen Übereinkommen kompatibel.

4 5 6 7

248

Einheits-Übereinkommen von 1961 über die Betäubungsmittel; SR 0.812.121.0 SR 0.812.121.03 Botschaft vom 9. März 2001 über die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes; BBl 2001 3715 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe; SR 812.121

Mit der Assoziierung der Schweiz an Schengen hat die Schweiz sich verpflichtet, den Schengen-Besitzstand zu übernehmen8. Dieser umfasst u.a. den Betäubungsmittelbereich und basiert im Wesentlichen auf den Vorgaben der bereits genannten UNO-Betäubungsmittelkonventionen, die namentlich die Schaffung von Kontrollmechanismen für den Betäubungsmittelverkehr vorsehen. Die Hanfinitiative steht der Assoziierung der Schweiz an Schengen nicht entgegen.

Die Initiative ist für gültig zu erklären.

2

Ausgangslage für die Entstehung der Initiative

2.1

Grundzüge der Initiative

Inhaltlich verlangt die Hanfinitiative, dass einerseits der Konsum von psychoaktiven Substanzen der Hanfpflanze sowie Besitz, Anbau und Erwerb derselben für den Eigenbedarf straffrei werden sollen und andererseits der Bund die Vorschriften für den Anbau, die Herstellung, die Ein- und Ausfuhr und den Handel erlassen soll.

Zudem soll der Bund geeignete Massnahmen zum Schutz der Jugend treffen. Für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze und den Umgang mit diesen Substanzen gilt ein Werbeverbot.

Die Hanfinitiative nimmt damit die Stossrichtung des Bundesratsvorschlags für die Revision des BetmG von 2001 wieder auf.

2.2

Entwicklungen im Betäubungsmittelbereich seit der Botschaft des Bundesrates vom 9. März 2001

2.2.1

Entwicklungen auf politischer Ebene

Mit dem zweiten Nichteintretensentscheid des Nationalrates am 14. Juni 2004 scheiterte nach langen Vorarbeiten die geplante Revision des BetmG hauptsächlich wegen der kontroversen Cannabisproblematik.

Als Folge des Scheiterns der bundesrätlichen Vorlage hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates am 3. Februar 2005 ­ mit Zustimmung der ständerätlichen Gesundheitskommission vom 3. Mai 2005 ­ eine parlamentarische Initiative mit folgendem Inhalt angenommen: Die mehrheitsfähigen Elemente der gescheiterten BetmG-Revision sollen zügig gesetzlich verankert werden; in einer zweiten Phase werden dann die Cannabisfrage unter Einbezug der hängigen parlamentarischen Initiativen aufgenommen und Lösungsvorschläge erarbeitet.

Die Teilrevision des BetmG betreffend die mehrheitsfähigen Elemente der im Juni 2004 als Folge des zweimaligen Nichteintretens des Nationalrates gescheiterten BetmG-Revision ist zurzeit im Parlament hängig.

8

Siehe Botschaft zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen; BBl 2004 6072, insbesondere 6101 ff.

249

2.2.2

Statistische und gesellschaftliche Situation heute bezüglich Cannabis

Cannabis ist heute die am weitesten verbreitete illegale Substanz in der Schweiz.

Der Anteil der 15- bis 64-jährigen Personen, die in der jüngsten Gesundheitsbefragung (2002) angaben, aktuell Cannabisprodukte zu konsumieren, betrug 4,6 Prozent.

Die Polizei registrierte 2005 in der Schweiz 27574 Verstösse wegen Marihuana- und 7588 Verstösse wegen Haschischkonsums.

Aufgrund dieser Zahlen ist klar, dass ein gesundheitspolitisch bedingter Handlungsbedarf besteht. Die geltenden Gesetzesbestimmungen und deren Umsetzung haben nicht zum erwünschten Ziel ­ Abschreckung potentieller Konsumierender ­ geführt.

Die Forderung nach einem besseren Jugendschutz ist angesichts der hohen Zahl konsumierender Jugendlicher berechtigt. Eine Kontrolle des Cannabishandels und -anbaus wäre geeignet, den Schwarzmarkt einzudämmen und so zu einer besseren Überprüfung der Qualität der Cannabisprodukte sowie des Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehaltes zu führen. Mangels einer einheitlichen Lösung haben sich die kantonalen Vorgehensweisen in bezug auf die Verfolgung der Konsumentinnen und Konsumenten und die Tolerierung der Hanfläden unterschiedlich entwickelt. Einige Kantone (z.B. AG, BE, BL, GR, LU, TI) haben spezifische gesetzliche Regelungen betreffend Cannabis ausgearbeitet. Auch besteht nach wie vor eine grosse Heterogenität in der Anwendung des geltenden BetmG, einerseits, weil die Kantone den Cannabiskonsum unterschiedlich verfolgen und andererseits, weil die Bekämpfung des Anbaus und des Handels mit so genanntem Drogenhanf für die Strafverfolgungsbehörden aufwendig ist, da gemäss BetmG nach wie vor die Absicht der Betäubungsmittelgewinnung nachgewiesen werden muss.

Als Folge der soeben dargelegten Situation und der relativ hohen Konsumzahlen hat das Bundesamt für Gesundheit bereits heute ­ gestützt auf das geltende BetmG ­ verschiedene Präventionsprojekte und wissenschaftliche Studien initiiert, die laufend evaluiert werden: ­

Ein Projekt ist das Cannabismonitoring, welches als Begleitforschung zur Revision des BetmG Ende 2003 vom BAG in Auftrag gegeben wurde. Die Situation im Cannabisbereich wird laufend durch verschiedene Studien begleitet und evaluiert. Die Entwicklung der Cannabisproblematik in der Schweiz wird bis Ende 2008 verfolgt und wissenschaftlich begleitet.

­

Das BAG hat im Bereich der Cannabisprävention in den Settings Schulen, Gemeinden, Kantonen und Fachverbänden Projekte initiiert oder unterstützt.

Früherkennung und Frühintervention helfen ­ nebst rechtlichen Massnahmen ­ den Jugendschutz zu verbessern.

­

Das BAG unterstützt zwei multinationale Frühinterventions-Projekte (INCANT und Realize-it). Diese Projekte sollen die in den letzten Jahren gestiegenen Angebote an spezifischen Behandlungsmethoden von Cannabisabhängigen erforschen.

250

2.2.3

Situation in anderen Ländern

Was die Regelung des Umgangs mit Cannabis in anderen Ländern betrifft, so wird im Folgenden ein kurzer Überblick über ausgewählte Länder gegeben; allerdings kann in vielen Fällen nur eine Aussage über den Umgang mit Betäubungsmitteln generell gemacht werden, da viele Länder keine Unterscheidung zwischen Cannabis und anderen Betäubungsmitteln vornehmen. Es werden drei Kategorien unterschieden: ­

Eher restriktive Gesetzgebung: In Frankreich sind der Besitz und Konsum sämtlicher illegaler Betäubungsmittel sowie der Handel damit strafbar. Konsumentinnen und Konsumenten, die sich in eine Suchthilfe-Einrichtung begeben, kann die strafrechtliche Sanktion jedoch erlassen werden. Sie können einer Verurteilung entgehen, wenn sie eine medizinische, psychologische und soziale Hilfe in Anspruch nehmen und sich dabei an bestimmte Verpflichtungen halten. Ähnliche Regelungen bestehen auch in Griechenland, Finnland, Schweden und in der Schweiz.

­

Der Drogenkonsum ist teilweise verboten oder straflos: In Belgien, Irland, Grossbritannien, den Niederlanden, Luxemburg und Portugal ist der Drogenkonsum nur teilweise verboten, bzw. teilweise straflos. Belgien und das Vereinte Königreich haben ihre gesetzlichen Bestimmungen für verschiedene Verstösse geändert. 2004 kündigten die betreffenden Länder eine Verkürzung des Strafmasses für den nichtproblematischen Cannabisbesitz an.

Seit Februar 2005 werden die Ausnahmen zu dieser Verkürzung des Strafmasses in Belgien in einer Richtlinie präzisiert; diese sieht auch eine Strafverfolgung bei «Störung der öffentlichen Ordnung» (d.h. Cannabisbesitz an Aufenthaltsorten von Schülern oder in unmittelbarer Nähe davon sowie «augenfälliger» Besitz in öffentlichen Gebäuden und an öffentlichen Plätzen) vor. Bei Drogenkonsum in Spanien und Luxemburg können administrative Massnahmen angeordnet werden.

­

Der Drogenkonsum wird nicht strafrechtlich verfolgt: In Ländern wie Deutschland, Italien, Dänemark und Österreich besteht kein formelles gesetzliches Verbot des Konsums illegaler Betäubungsmittel. Im Mai 2004 wurde in einer Änderung des dänischen Betäubungsmittelgesetzes und in einem Rundschreiben des Generalstaatsanwalts festgelegt, dass der Besitz von Drogen für den Eigenkonsum fortan in der Regel eine Busse und nicht mehr (wie früher) eine Verwarnung zur Folge haben werde. In Italien wurde das Betäubungsmittelgesetz im Februar 2006 mit dem Ziel revidiert, die Drogenhändler konsequent zu verfolgen und Drogenabhängige in TherapieProgrammen mit sozialen Wiedereingliederungsmassnahmen zu betreuen.

Die neue Regierung beschloss Ende Juni 2006 eine Abkehr von der «NullToleranz-Politik» und die Wiedereinführung der Unterscheidung zwischen «harten» und «weichen» Drogen sowie die Erhöhung der Cannabismenge, die jemand besitzen kann, ohne wegen Verdachts auf Drogenhandel festgenommen zu werden.

Was den Cannabisanbau und -handel betrifft, haben einzig die Niederlande eine Regelung, welche mit dem Text der Hanfinitiative verglichen werden kann. In den Niederlanden ist der Verkauf von Cannabis zwar gesetzlich verboten, wird aber unter bestimmten Voraussetzungen toleriert; bis jetzt bestand keine ähnliche Regelung für den Cannabisanbau. Eine deutliche Mehrheit des niederländischen Parla251

ments legte kürzlich einen Vorstoss vor, der eine Tolerierung des Cannabisanbaus anstrebt. Dadurch soll die Kriminalität im Zusammenhang mit der Cannabisproduktion gesenkt werden. Zudem wäre die Erhebung von Abgaben denkbar. Der Vorstoss sieht auch die Tolerierung des Anbaus von Pflanzen im Rahmen eines behördlich überwachten Pilotprogramms in der Nähe der Stadt Maastricht vor. Die CoffeeShops, die zum Verkauf des Produkts berechtigt sind, wären verpflichtet, ihre Kundschaft über die Herkunft und die chemische Zusammensetzung des Produkts sowie über die Gefahren des Cannabiskonsums zu informieren.

Um die negativen Begleiterscheinungen des Cannabiskonsums einzudämmen, hat die niederländische Regierung folgende Prioritäten in einem «White paper on cannabis policy» festgelegt: Nationaler Aktionsplan für die Bekämpfung des Cannabiskonsums, strengere Anwendung der einschlägigen Gesetze und Vorschriften, härteres Vorgehen gegen den Drogentourismus und griffige Massnahmen zur Eindämmung der nicht zulässigen Cannabisproduktion, insbesondere für den Export.

3

Ziele und Inhalt der Initiative

Um die im Parlament blockierte Diskussion wieder zu lancieren, haben die Initiantinnen und Initianten die Hanfinitiative gestartet.

3.1

Ziele der Initiative

Die Initiantinnen und Initianten verfolgen mit ihrer Initiative vor allem drei Hauptziele: Straflosigkeit des Cannabiskonsums: Die Strafbarkeit des Cannabiskonsums ist gemäss den Initiantinnen und Initianten unverhältnismässig im Vergleich zum straffreien Alkohol- und Tabakkonsum und kriminalisiere eine viel zu hohe Zahl von Personen in der Schweiz.

Die Kontrolle des Angebotes: Durch eine Regelung und Kontrolle des Angebotes ­ zusammen mit der Aufhebung des Konsumverbotes ­ sollen die Zugänglichkeit und die Erhältlichkeit von Cannabis geregelt und eingeschränkt und damit auch der Schwarzmarkt von Cannabis bekämpft werden; dies in erster Linie mit dem Ziel, die Jugend besser zu schützen.

Mehr Prävention und Jugendschutz: Ein strenges Verkaufsverbot von Cannabis an unter 18-Jährige und ein Werbeverbot für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze bilden die Basis für eine bessere und glaubwürdigere Prävention.

252

3.2

Inhalt der vorgeschlagenen Regelung

Der Text der Hanfinitiative ist sehr knapp formuliert und enthält drei Hauptteile: ­

Der erste Teil (Art. 105a Abs. 1 und 2) enthält die Forderung nach Straffreiheit des Cannabiskonsums und der dazugehörigen Vorbereitungshandlungen für den Eigenkonsum (Anbau, Besitz, Erwerb). Nach geltendem BetmG ist der Konsum von Betäubungsmitteln ­ also auch von Cannabis ­ verboten. In leichten Fällen kann das Verfahren eingestellt oder von einer Strafe abgesehen werden (Art. 19a Ziff. 2). Gemäss Artikel 19b BetmG sind zudem die Vorbereitung des eigenen Konsums und die unentgeltliche Abgabe von Betäubungsmitteln zum gemeinsamen Konsum straffrei, wenn es sich um geringfügige Mengen handelt.

­

Die Regelung des Anbaus, der Herstellung, des Handels sowie der Ein- und Ausfuhr im zweiten Teil der Hanfinitiative wird dem Bund überlassen (Art. 105a Abs. 3). Aufgrund des Initiativtextes wäre sowohl eine vollständige Entkriminalisierung des Handels, der Herstellung, des Anbaus, sowie der Ein- und Ausfuhr von Betäubungsmittelhanf (Cannabis) und seiner Produkte denkbar als auch der bundesrätliche Vorschlag von 20019, wonach diese Tathandlungen im BetmG verboten bleiben, die Strafverfolgung jedoch eingeschränkt werden kann. Heute sind sie verboten.

­

Im dritten Teil der Initiative (Art. 105a Abs. 4) wird gefordert, dass den Anliegen des Jugendschutzes Rechnung getragen wird und ein Werbeverbot für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze sowie für den Umgang mit diesen Substanzen gelten soll. Im heutigen BetmG sind keine speziellen Regelungen für den Jugendschutz vorgesehen. Werbung für Cannabis und Cannabisprodukte, wenn es sich um Betäubungsmittel handelt, ist gemäss geltendem Recht verboten (Art. 19 Abs. 1 BetmG, Art. 56 Abs. 1 BetmV).

3.3

Erläuterung des Initiativtextes

3.3.1

Straffreiheit des Cannabiskonsums und seiner Vorbereitungshandlungen

Im ersten Teil verlangt die Initiative die Straflosigkeit des Konsums psychoaktiver Substanzen der Hanfpflanze. Diese Bestimmung bedarf bei der Bezeichnung «psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze» einer Klärung. Es ist sicher korrekt anzunehmen, dass die Initiantinnen und Initianten darunter den sogenannten «Drogenhanf» verstehen, dessen Konsum eine psychoaktive Wirkung auf die konsumierende Person hat; der sogenannte Faser- oder Industriehanf wird nicht als Betäubungsmittel konsumiert. Die Straflosigkeit des Cannabiskonsums würde im Falle

9

Botschaft vom 9. März 2001 über die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes; BBl 2001 3715

253

einer Annahme der Initiative sofort in Kraft treten, da die Bestimmung direkt anwendbar ist10.

Was die Vorbereitungshandlungen für den Eigenkonsum betrifft, wird im Initiativtext klar festgehalten, dass damit der Besitz, der Erwerb und Anbau für den Eigenbedarf gemeint sind. Es handelt sich somit eindeutig um Beschaffungshandlungen, die einzig dem eigenen Konsum dienen und die Weitergabe an Dritte ausschliessen.

In der Initiative werden keine Angaben dazu gemacht, wie die Abgrenzung zum kommerziellen Handel gemacht werden soll. Die Festlegung der Abgrenzungskriterien kann grundsätzlich auf zwei Arten stattfinden: Durch Rechtssatz (auf Stufe Gesetz oder Verordnung) oder es wird den Gerichten überlassen, die Kriterien für den straffreien Besitz, Anbau und Erwerb von Cannabis zu definieren (z.B. durch Festlegen einer Maximalmenge Cannabis, die eine Person auf sich tragen darf, damit es noch als Besitz zum Eigenkonsum gelten kann). Im ersten Fall kann die Bestimmung nicht sofort in Kraft gesetzt werden; es braucht vorgängig eine Konkretisierung auf Verordnungs- bzw. Gesetzesstufe. Im zweiten Fall bedürfte es keiner Konkretisierung auf Verordnungs- bzw. Gesetzesstufe; die Bestimmung über die Vorbereitungshandlungen könnte mit der Annahme der Initiative in Kraft treten11.

3.3.2

Regelung des Anbaus, der Herstellung, der Ein- und Ausfuhr sowie des Handels bezüglich psychoaktiven Substanzen der Hanfpflanze

Absatz 3 des Initiativtextes legt fest, dass der Bund die Regelung des Anbaus, der Herstellung, des Handels und der Ein- und Ausfuhr übernehmen soll. Diese Bestimmung bedarf sicher einer Konkretisierung auf Gesetzes- und voraussichtlich auch auf Verordnungsstufe. Wie bereits in Ziffer 1.3 aufgeführt, gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, diese Bestimmung inhaltlich umzusetzen12: ­

10

11

12

254

Legalisierung von Cannabis: Cannabisanbau und -handel sind rechtlich zulässig, d.h., gemäss BetmG nicht mehr strafbar. Klare Regelungen und flankierende Massnahmen gewährleisten dabei die Einhaltung von gesundheitspolitischen Zielen und den Jugendschutz. Im Rahmen der Abklärungen zur Revision des BetmG von 2001 wurde diese Option geprüft und auf Grund von Expertengutachten als nicht vereinbar mit dem Einheitsübereinkommen von 1961 befunden. Da eine Kündigung dieses Übereinkommens politisch wohl kaum in Frage kommt, ist die Legalisierung eine Option, die nicht weiterverfolgt wird.

Zum Problem der direkten Anwendbarkeit einer neuen Verfassungsbestimmung gegenüber dem vorbestandenen Gesetzesrecht s.etwa BBl 1987 II 1422 und 1997 II 658; Jean-François Aubert, 1991, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Bd. 1, Nachtrag, Nr. 449, Basel und Frankfurt a.M.; Yvo Hangartner, 2002, Art. 191, Rz 11, in St. Galler Kommentar, Zürich.

Welcher Weg der Umsetzung gewählt wird, hängt davon ab, ob das Parlament im Falle einer Annahme der Hanfinitiative beschliesst, im BetmG dem Bundesrat die Kompetenz einzuräumen in einer Verordnung die Vorbereitungshandlungen zu regeln.

Die Eidgenössische Kommission für Drogenfragen hatte im Cannabisbericht von Mai 1999 dieselben 2 Möglichkeiten geprüft und war zu denselben Schlüssen gekommen.

­

Eingeschränkte Strafverfolgungspflicht: im BetmG sind Handel, Herstellung, Anbau, Ein- und Ausfuhr von Cannabis nach wie vor verboten. Es wird jedoch eine gesetzliche Grundlage geschaffen, welche die wichtigsten Voraussetzungen festlegt, unter denen auf eine Strafverfolgung verzichtet wird (z.B. Meldepflicht bei Cannabisanbau, kein Verkauf an unter 18- resp.

16-Jährige, Höchstverkaufmenge pro Monat und Person etc.). Der Bundesrat würde in einer Vollzugsverordnung die Details für die Umsetzung dieser eingeschränkten Strafverfolgungspflicht festlegen. Diese Möglichkeit der Umsetzung von Artikel 105a Absatz 3 BV der Initiative entspricht dem in der Botschaft von 2001 vom Bundesrat vorgeschlagenen Modell. Verschiedene Experten haben den damalige Vorschlag des Bundesrates auf seine Konventionsverträglichkeit hin überprüft und als völkerrechtskonform beurteilt.13

Eine der zu klärenden Hauptfragen bei Absatz 3 ist sicher die Definition des sogenannten Drogenhanfs im Unterschied zum legalen Faserhanf. Als objektives Unterscheidungskriterium könnte der THC-Gehalt der Cannabispflanze dienen. Wie bereits in der Botschaft des Bundesrates von 2001 vorgeschlagen, müsste dann ein unterer THC-Grenzwert, ab welchem Cannabis als Betäubungsmittel gilt14, festgelegt werden.

3.3.3

Jugendschutz und Werbeverbot

Absatz 4 von Artikel 105a BV der Initiative legt fest, dass der Bund Massnahmen zum Jugendschutz sicherstellt und Werbung für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze sowie Werbung für den Umgang mit diesen Substanzen verboten werden.

Das Ziel von Jugendschutzmassnahmen ist der Schutz der Jugendlichen vor Substanzkonsum und Abhängigkeit. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Jugendschutzmassnahmen und Prävention notwendig. Dazu gehört auch die Früherfassung bei gefährdeten Jugendlichen. Ein Verkaufsverbot von Cannabis an Minderjährige erschwert den Zugang zu Cannabis und trägt so ebenfalls zum Jugendschutz bei.

Weitere Bestimmungen zum Jugendschutz haben bereits in den zurzeit im Parlament hängigen Entwurf der Teilrevision des BetmG Eingang gefunden.

13 14

Botschaft vom 9. März 2001 über die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, Ziffer 5; BBl 2001 3715 BGE 126 IV 198 ff: Das Bundesgericht hat mit Urteil vom 13. März 2000 entschieden, dass die Grenzwerte des Lebensmittel- oder Landwirtschaftsrechts als Massstab dafür dienen können, ab welchem Gehalt an THC ein Hanfprodukt als Betäubungsmittel gilt und nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe d geltendes BetmG nicht mehr in Verkehr gebracht werden darf. Mit diesem höchstrichterlichen Entscheid wurde die Rechtsunsicherheit weitgehend entschärft. Für den THC-Wert 0,3% spricht, dass er sich in der Öffentlichkeit bereits eingebürgert hat und weitgehend der europäischen Vorgabe entspricht. Eine Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Rechtsmedizin, Gruppe Forensische Chemie, war zum Schluss gekommen, dass ein Grenzwert von 1% THC angemessener wäre, da es auf Grund der genetischen Variabilität bei guten Entwicklungsbedingungen auch bei Faserhanf (Industriehanf) zu höheren Werten als 0,3% GesamtTHC- Gehalt kommen könne. Je tiefer der THC-Gehalt festgelegt wird, desto aufwendiger und teurer wird der Vollzug resp. die forensische Analytik. Zudem ist ein Missbrauch bei so tiefen Werten praktisch nicht gegeben.

255

Die Abschaffung der Bestrafung des Konsums muss mit der eindeutigen Botschaft verbunden werden, dass der Konsum von psychoaktiven Substanzen nie ohne Risiko ist, gesundheitsschädigend sein kann und unerwünscht ist.

Die Aufrechterhaltung des Werbeverbotes ist selbstverständlich und gehört zu den Massnahmen des Jugendschutzes. Eine Aufhebung oder Lockerung steht nicht zur Diskussion.

4

Würdigung der Initiative

4.1

Anliegen der Initiative

Die Hanfinitiative hat folgende Anliegen: Es sollen einerseits der Konsum, der Besitz, der Anbau und der Verkauf psychoaktiver Substanzen der Hanfpflanze zum Eigenkonsum nicht mehr strafbar sein und andererseits der Anbau, die Herstellung, die Ein- und Ausfuhr sowie der Handel mit psychoaktiven Substanzen der Hanfpflanze vom Bund geregelt werden. Der Bund soll ebenfalls durch geeignete Massnahmen sicherstellen, dass der Jugendschutz angemessen berücksichtigt wird und Werbung für psychoaktive Substanzen der Hanfpflanze sowie Werbung für den Umgang mit diesen Substanzen verboten ist.

4.1.1

Politische Würdigung

Grundsätzlich entspricht die Hanfinitiative der Stossrichtung der Botschaft des Bundesrates vom 9. März 2001 über die Änderung des BetmG und steht damit nicht im Widerspruch zur bisherigen Drogenpolitik des Bundesrates. Trotzdem empfiehlt der Bundesrat die Ablehnung der Initiative ohne Gegenentwurf. Nicht etwa, weil der Bundesrat seit 2001 seine in der Botschaft geäusserte Meinung geändert hat, sondern weil das Parlament - ausgehend von einer Parlamentarischen Initiative der Gesundheitskommission des Nationalrates - entschieden hat, nach der Betäubungsmittelgesetz-Revision einen Vorschlag zur Hanffrage zu erarbeiten (vgl. Ziff. 2.2.1).

Der Bundesrat als Exekutive respektiert mit seiner Empfehlung, die Initiative abzulehnen, den Willen des Parlaments, in einer zweiten Phase der BetmG-Revision konsensfähige Lösungsvorschläge für die Cannabisfrage zu erarbeiten. Ausserdem sieht sich der Bundesrat nicht in der Lage, einen mehrheitsfähigen Gegenvorschlag auszuarbeiten, da zum heutigen Zeitpunkt die Stossrichtung des Parlaments aufgrund der eingereichten parlamentarischen Vorstösse unklar ist.

4.1.2

Formale Würdigung

Aus formalen Gründen kann der Bundesrat keine Empfehlung zur Annahme der Initiative abgeben, da er der Überzeugung ist, dass die Cannabisfrage nicht auf Stufe Bundesverfassung geregelt werden sollte. Die Ausgestaltung des Betäubungsmittelrechts erfolgt im Wesentlichen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe. Die Verankerung einzelner Aspekte des gesamten Betäubungsmittelrechts auf Verfassungsstufe widerspricht dem rechtssystematischen Postulat, dass die in den Verfassungsbestimmungen verankerten Anliegen zumindest in den einzelnen Sachgebieten nach Möglichkeit gleichrangig sein sollten. Dieser Umstand darf den Initiantinnen und 256

Initianten aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, da auf eidgenössischer Ebene keine Gesetzesinitiative existiert.

4.1.3

Inhaltliche Würdigung

Eine spezielle Regelung für eine einzelne Substanz, wie sie die Initiative zum Inhalt hat, steht im Widerspruch zu den Erfordernissen einer zeitgemässen und wirksamen Suchtpolitik. Die in den letzten Jahren beobachtete Tendenz hin zum Mischkonsum, das heisst zum gleichzeitigen Konsum verschiedener (legaler und illegaler) Suchtmittel, verlangt im Rahmen einer kohärenten Suchtpolitik substanzunabhängige Massnahmen. Zu dieser Empfehlung kamen verschiedene Studien; erwähnt sei hier insbesondere der Fachbericht «psychoaktiv.ch» der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen15, der die Ausarbeitung eines Leitbilds Suchtpolitik als Grundlage für die künftige Gesetzgebung anregt und vorschlägt, eine ausschliesslich auf illegale Drogen ausgerichtete Politik zu verlassen. In eine ähnliche Richtung weist der Bericht «eine neue Suchtpolitik für die Schweiz?»16, der u.a. empfiehlt, dass ein nationales suchtpolitisches Leitbild erarbeitet werden soll.

4.2

Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme

4.2.1

Geschichtlicher und gesellschaftlicher Überblick und mögliche gesellschaftliche Auswirkungen bei Annahme der Initiative

Hanf wird seit etwa 5000 Jahren zur Fasergewinnung angebaut. Erste Berichte über die Anwendung der Inhaltsstoffe zu medizinischen oder rituellen Zwecken erscheinen bereits 400 v. Chr. in der Medizinischen Literatur; Cannabis wird darin vor allem als Medikament bei Epilepsie und Schmerzen beschrieben.

Bis in das erste Drittel des 20. Jahrhunderts war Cannabis, gewöhnlich in Form von alkoholischen Extrakten, ein leicht verfügbares Medikament; im 19. Jahrhundert eines der am häufigsten verschriebenen. An der Internationalen Opium-Konferenz von 1925 in Genf wurde auf Verlangen von Ägypten auch ein Cannabisverbot diskutiert. Im Gegensatz zum Schlafmohn kann Cannabis fast auf der ganzen Welt ohne Probleme angebaut werden, sodass eine nationale Kontrolle vollkommen ausreichen würde; das damalige Anliegen Ägyptens, Cannabis international zu verbieten, war ausschlaggebend dafür, dass Cannabis in die Liste der international kontrollierten Substanzen aufgenommen wurde.

Im späteren Einheitsabkommens von 1961 wurden dann die Erzeugung, der Besitz und der Handel von Cannabis nahezu weltweit verboten, nicht strafbar erklärt wurde der Konsum.

Im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Übereinkommens von 1961 hat die Schweiz dann trotzdem den Betäubungsmittelkonsum, inkl. den Cannabiskonsum, 1975 gesetzlich verboten.

15 16

Eidgenössische Kommission für Drogenfragen (EKDF), 2005, Von der Politik der illegalen Drogen zur Politik der psychoaktiven Substanzen, Bern.

Dr. Markus Spinatsch, Mai 2004, Bericht zuhanden des BAG.

257

Die Prävalenz des Cannabiskonsums steht gemäss internationaler Erfahrung in keinem direkten Zusammenhang mit der Bestrafung oder der Strafbefreiung des Konsums. Es lässt sich nicht nachweisen, dass Staaten mit einer eher restriktiven Cannabispolitik tiefere Konsumentenzahlen ausweisen als Staaten mit einer weniger restriktiven Cannabispolitik17.

Als Beispiel einer weniger restriktiven Politik können die Niederlande angeführt werden. Das in den Niederlanden seit Ende 1976 bestehende Coffee-Shop-Modell ist ansatzweise mit den Regelungen, wie sie von den Initianten vorgeschlagene werden, vergleichbar. Erklärtes Ziel der niederländischen Coffee-Shop-Politik ist die Trennung der Märkte von harten und weichen Drogen, womit die Umsteigegefahr bei Cannabiskonsumierenden verringert werden soll. Die aus den Niederlanden erhältlichen Daten weisen darauf hin, dass sich nach einer teilweise starken Zunahme des Cannabiskonsums Ende des letzten Jahrhunderts (von 15 % im Jahre 1992 auf 19 % im Jahre 200318) die Zahlen stabilisert bzw. abgenommen haben. In Frankreich, das eine eher her restriktive Drogenpolitik verfolgt, konnte ebenfalls eine starke Zunahme des Cannabiskonsums zwischen 1992 und 2002 festgestellt werden (von 11,3 % auf 26,2 %19.) Seit ca. 2002 haben die Zahlen über Cannabiskonsum in Europa eine Nivellierung oder sogar eine Reduktion erfahren.

Die beiden Beispiele lassen den Schluss zu, dass zwischen der Konsumhäufigkeit und dem erleichterten Zugang zu Cannabisprodukten kein linearer Zusammenhang besteht. Dies entspricht auch verschiedenen Studien, die zum Schluss kommen, dass kein Zusammenhang zwischen der Gesetzgebung eines Landes einerseits und dem Konsumverhalten andererseits besteht.

In der Schweiz ist heute trotz des Verbots der Cannabiskonsum bei Jugendlichen weit verbreitet und auch für einen nicht zu vernachlässigenden Teil der erwachsenen Bevölkerung zu einer Gewohnheit geworden. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die gesellschaftliche Akzeptanz des Cannabiskonsums zugenommen und der Cannabiskonsum selbst häufig ohne eigentliches Unrechtbewusstsein erfolgt20.

Die Strafbefreiung des Cannabiskonsums sowie die beschränkte Tolerierung von Anbau und Verkauf von Cannabis-Produkten könnte ­ gestützt auf die Erfahrungen der Niederlande ­ eine Erhöhung des Probierkonsums bei Adoleszenten
und jungen Erwachsenen mit sich bringen. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass dieser Probierkonsum bei der überwiegenden Mehrheit eine temporäre Erscheinung bliebe. Bei einer Annahme der Initiative wäre von zentraler Bedeutung, dass die Einhaltung des Verkaufsverbots an Minderjährige kontrolliert wird und parallel dazu eine Stärkung der flankierenden Massnahmen beispielsweise in Form von Präventionskampagnen und Ausbau der Früherfassungsangebote erfolgt.

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vgl. hierzu.die Botschaft vom 9. März 2001 über die Änderung des BetmG, Ziffern 1.2.1.2.4 bis 1.2.1.2.6; BBl 2001 3715.

EMCDDA, Reitox, Annual Report Netherland, 2004 EMCDDA, Statistical Bulletin 2005, Table GPS-1 part (i). Lifetime prevalence of drug use among all adults (15 to 64 years old), in nationwide surveys among the general population.

Vgl. Cannabisbericht der Eidg. Kommission für Drogenfragen, Mai 1999; sowie den Bericht der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA), 2004, Cannabis Stand der Dinge in der Schweiz. Letzterer kommt zum Schluss, dass sich «das Image der Hanfdroge im öffentlichen Bewusstsein» gewandelt habe; «Cannabis wird von vielen, vor allem jungen Leuten, als harmloses Genussmittel und als weitgehend akzeptierte Freizeitdroge betrachtet». Laut einer Umfrage der SFA wäre etwa die Hälfte der Bevölkerung bereit, den Cannabisgebrauch von Strafe zu befreien.

4.2.2

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Um die volkswirtschaftlichen Folgen einer Annahme der Hanfinitiative besser abschätzen zu können, hat das BAG eine Studie über die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) in Auftrag gegeben21. Ziel der RFA22 ist es, Kosten und Nutzen einer Vorlage für einzelne gesellschaftliche Gruppen und die Gesamtwirtschaft vorausschauend und systematisch zu untersuchen. Es muss hier klar festgehalten werden, dass die Folgerungen der Studie auf Schätzungen und Annahmen beruhen, da Cannabiskonsum und -markt heute illegal sind und daher zu viele unbekannte Grössen existieren (z.B. Grösse des Cannabismarktes, Kosten des illegalen Anbaus im Vergleich zu einem legalen Anbau etc.), um mehr als eine grobe Schätzung durchzuführen. Die Studie untersucht verschiedene Modelle und ihre Folgen; hier wird jedoch nur das Modell zusammenfassend erwähnt, welches der Hanfinitiative entspricht (Entkriminalisierung des Cannabiskonsums und seiner Vorbereitungshandlungen sowie die Einführung eines tolerierten Marktes bezüglich Verkauf und Anbau von Cannabis inkl. Erhebung einer Steuer/Lenkungsabgabe = regulierter Markt). Als Grundlagen für die ökonomischen Einschätzungen dienen den Autoren vor allem Studien aus Australien und den USA.

Die Studie kommt zu Schluss, dass bei einem derart regulierten Markt der Preis des Cannabis für den Endverbraucher um schätzungsweise 60 Prozent sinken würde.

Damit verbunden wäre eine geschätzte Zunahme der Konsumverbreitung von ca.

20 Prozent. Dadurch müsste im Bereich der Therapie mit zusätzlichen Kosten von 9,5 bis 16,9 Millionen Franken gerechnet werden. Die Kosten im Bereich Therapie dürften vor allem zu Lasten der Kantone (ev. Erweiterung der Therapieangebote) und Krankenkassen (Behandlungskosten) gehen.

Durch die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums, der Cannabisproduktion und des Cannabishandels im Rahmen eines tolerierten Marktes verringern sich die Kosten der Repression. Die Kosten für Repressionsmassnahmen beliefen sich im Jahr 2003 auf schätzungsweise 74,8 bis 106,5 Millionen Franken. Bei einem tolerierten Cannabismarkt könnte mit einer Einsparung der Repressionskosten zwischen 30 und 45 Millionen Franken gerechnet werden. Dabei handelt es sich vor allem um Kosten zur Kontrolle der Hanfproduzenten und der Verkaufstellen; hier wäre ein System denkbar, in welchem die kontrollierten Stellen
sich an den Kosten beteiligen würden, damit dem Staat keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Wird auf dem Verkauf von Cannabisprodukten eine Steuer erhoben, würden sich die Repressionskosten um lediglich zwischen 20 bis 35 Millionen Franken verringern, da die Kontrolle der Besteuerung mit finanziellen Aufwendungen verbunden ist.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es zwar auf der einen Seite zu Einsparungen als Folge des Wegfalls der Kosten für die Strafverfolgung des Cannabiskonsums kommen könnte, auf der anderen Seite jedoch der angenommene erhöhte 21

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Prof. Claude Jeanrenaud, Johanne Widmer, août 2006, Initiative populaire fédérale «pour une politique raisonnable en matière de chanvre protégeant efficacement la jeunesse»: analyse de l'impact économique, Institut de recherches économique de l'Université de Neuchâtel. Die Studie ist beim BAG, Abteilung Nationale Präventionsprojekte, 3003 Bern, erhältlich.

Die Regulierungsfolgenabschätzung stützt sich auf die Richtlinien des Bundesrates für die Darstellung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Vorlagen des Bundes vom 15.9.1999.

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Therapiebedarf und die Kontrollen zur Einhaltung der Vorgaben für Anbauer und Verkäufer (Kontrolle der Steuern, polizeiliche Kontrolle zur Verhinderung eines Schwarzmarktes, etc.) zu mehr Ausgaben führen würden. Die Annahme der Hanfinitiative hätte daher keine wesentlichen Einsparungen gegenüber der heutigen Situation zur Folge.

4.2.3

Auswirkungen auf internationales Recht und EU

Die vorliegende Initiative ist bei entsprechend gesetzlicher Ausgestaltung mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz kompatibel (vgl. hierzu bereits Ziff. 1.3).

In diesem Sinne dürfte die Annahme der Initiative kaum zu Problemen mit anderen Staaten führen, wie auch das Beispiel der Niederlande zeigt. Dies setzt allerdings voraus, dass der Cannabisexport ins Ausland verhindert wird.

Die Initiative eröffnet Möglichkeiten, die in Widerspruch zum internationalen Recht stehen. Die offene Formulierung der Initiative lässt neben dem Verbot des Anbaus und Handels von Cannabis andere Regelungen, wie zum Beispiel die teilweise oder vollständige Legalisierung von Cannabis, möglich erscheinen. Eine Legalisierung von Cannabis verstösst allerdings gegen veschiedene UNO-Konventionen, deren Kündigung für den Bundesrat nicht in Frage kommt. Sie sind unter anderem eine Voraussetzung für den Verbleib der Schweiz im Schengenabkommen.

4.3

Vorzüge und Mängel der Initiative

Die von den Initantinnen und Initianten angestrebte Strafbefreiung des Cannabiskonsums und seiner Vorbereitungshandlungen, sowie die gewünschte Kontrolle des Angebotes weisen viele Vorteile auf: ein heute bestehender Unterschied zwischen Gesetz und gelebter Realität würde wegfallen; die Annahme, dass ein Verbot eine generalpräventive Wirkung entfaltet, hat sich nicht bewahrheitet. Die Ungleichheiten zwischen den Kantonen in der Strafverfolgung des Cannabiskonsums einerseits und in der Schliessung resp. Tolerierung von Hanfläden andererseits würde verschwinden. Eine Kontrolle der Angebotsseite (Anbau, Produktion, Verkauf) würde zu einer Trennung der Märkte von weichen und harten Drogen führen und den Jugendschutz ermöglichen.

Demgegenüber wäre die Umsetzung der vorgeschlagenen Regelung sicher sehr komplex und der Aufwand für die Kontrolle und den Aufbau eines Kontrollsystems gross; mit einem entsprechenden Kostenaufwand wäre vor allem am Anfang zu rechnen. Um der bei den volkswirtschaftlichen Auswirkungen dargelegte Preissenkung beim Cannabis entgegenzuwirken, müsste voraussichtlich eine Lenkungsabgabe eingeführt werden. Daraus entstünde das Risiko, dass es trotz eines tolerierten Marktes weiterhin einen Schwarzmarkt für Hanf geben würde. Ein Schwarzmarkt könnte zudem auch beim verbotenen Verkauf an Jugendliche entstehen.

Zudem ist der Aspekt Jugendschutz sehr vage formuliert, sodass aus dem Initiativtext nicht klar hervorgeht, welche konkreten Massnahmen ergriffen werden sollen.

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5

Schlussfolgerungen

Aufgrund der erwähnten politischen Überlegungen (das Parlament ist gesetzgebende Instanz und hat signalisiert, sich der Problematik anzunehmen), gestützt auf verfassungsrechtliche Erwägungen (Cannabisregelungen gehören auf Gesetzes-, nicht auf Verfassungsstufe) und aus fachlichen Gründen (die Cannabisproblematik soll nicht als Teilaspekt losgelöst von der Suchtpolitik betrachtet werden) empfiehlt der Bundesrat die Volksinitiative «für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz» abzulehnen.

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