06.105 Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 8. Dezember 2006

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

8. Dezember 2006

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Moritz Leuenberger Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-0829

265

Übersicht Das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe geht auf eine Initiative des Genfers Jean-Jacques Gautier zurück. Die Schweiz hat bei der Ausarbeitung des Fakultativprotokolls, das am 18. Dezember 2002 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde, eine sehr aktive Rolle gespielt.

Wie auch das Europäische Übereinkommen vom 26. November 1987 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (SR 0.106) soll das Fakultativprotokoll durch ein System von Besuchen zur Verhütung von Folter beitragen. Im Unterschied zum europäischen Modell beruht das Fakultativprotokoll auf zwei Säulen, einer internationalen und einer nationalen. Die internationale ist der Unterausschuss für Prävention, der zum bestehenden Ausschuss gegen Folter gebildet wird, die nationale ein oder mehrere von den Vertragsstaaten zu schaffende «nationale Präventionsmechanismen».

Die Schweiz hat das Fakultativprotokoll nach Konsultation der Kantone am 25. Juni 2004 unterzeichnet. Mit Beschluss vom 23. September 2005 hat der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ermächtigt, ein Vernehmlassungsverfahren über die Ratifikation des Fakultativprotokolls sowie die entsprechende Ausführungsgesetzgebung durchzuführen. Sämtliche Kantone, von einer Ausnahme abgesehen die politischen Parteien sowie die überwiegende Mehrheit der weiteren Vernehmlasser haben die Ratifikation und die rasche innerstaatliche Umsetzung des Fakultativprotokolls befürwortet.

Der Bundesrat schlägt im Einvernehmen mit den Kantonen vor, auf Bundesebene die Kommission zur Verhütung von Folter als «nationalen Präventionsmechanismus» neu zu schaffen. Dezentrale Lösungen wurden eingehend geprüft und verworfen. Die Kommission besteht aus zwölf Mitgliedern, die auf 4 Jahre gewählt sind.

Ihre Aufgaben und Befugnisse sind weitgehend durch das Fakultativprotokoll vorgegeben. Die Kommission hat namentlich ein uneingeschränktes Recht, alle Orte ­ samt den zugehörigen Einrichtungen und Anlagen ­ zu besuchen, an denen sich Personen befinden können, denen die Freiheit entzogen ist.

Nach Eingang der 20. Ratifikation ist das Fakultativprotokoll am 22. Juni 2006 in Kraft getreten. Am 24. Oktober 2006 hatten es 28 Staaten ratifiziert und 54 unterzeichnet.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

266

1 Allgemeiner Teil 1.1 Einleitung 1.2 Das internationale normative Umfeld 1.3 Die Haltung der Schweiz zum Fakultativprotokoll 1.3.1 Die Haltung des Bundesrats 1.3.2 Vernehmlassungsverfahren 1.4 Überblick über den Inhalt des Fakultativprotokolls und das Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter 1.4.1 Das Fakultativprotokoll 1.4.2 Das Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter

268 268 268 269 269 269

271

2 Kommentar zu den einzelnen Teilen des Fakultativprotokolls und zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen 2.1 Das Fakultativprotokoll 2.2 Das Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter

272 272 274

3 Auswirkungen 3.1 Auswirkungen für Bund, Kantone und Gemeinden 3.2 Finanzielle Auswirkungen

278 278 278

4 Legislaturplanung

278

5 Verfassungsmässigkeit

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Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Fakultativprotokolls zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Entwurf)

281

Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

287

270 270

267

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Einleitung

Die Idee zum Fakultativprotokoll zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (hiernach: Fakultativprotokoll) geht auf eine Initiative des Genfers JeanJacques Gautier zurück, der das «Comité contre la torture» gründete (Ausschuss gegen Folter, heute «Association pour la prévention de la torture», APT, Vereinigung zur Verhütung von Folter). Jean-Jacques Gautier wollte mit einer wirkungsvollen internationalen Institution die Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung weltweit beseitigen. Die Arbeiten im Rahmen der Vereinten Nationen wurden 1992 aufgenommen. Nachdem die Arbeiten in der Kommission für Menschenrechte vorübergehend bis 2001 wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Schaffung eines Gremiums blockiert waren, wurde im Januar 2002 eine Kompromisslösung gefunden. Das System des Fakultativprotokolls zur Verhütung von Folter beruht nunmehr auf zwei Säulen, einer internationalen und einer nationalen. Die internationale ist der Unterausschuss für Prävention, der zum bestehenden Ausschuss gegen Folter gebildet wird, die nationale ein oder mehrere von den Vertragsstaaten zu schaffende «nationale Präventionsmechanismen». Das Fakultativprotokoll wurde am 18. Dezember 2002 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 127 gegen 4 Stimmen (USA, Marshall-Inseln, Niger, Palau) bei 42 Enthaltungen angenommen. Es ist am 22. Juni 2006 nach der 20. Ratifikation in Kraft getreten. Am 24. Oktober 2006 hatten es 28 Staaten ratifiziert und 54 unterzeichnet.

1.2

Das internationale normative Umfeld

Die Schweiz ist Vertragsstaat zweier internationaler Übereinkommen, die spezifisch die Verhütung von Folter und von anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe anstreben.

Ausschliesslich den Mitgliedstaaten des Europarats offen steht das Europäische Übereinkommen vom 26. November 1987 zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (SR 0.106). Es ist für die Schweiz am 1. Februar 1989 in Kraft getreten. Mit diesem regionalen Instrument wurde der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) geschaffen, der die Behandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, mit regelmässigen und, falls erforderlich, unangekündigten Besuchen überprüft. Nach jedem Besuch erstellt der CPT einen Bericht über seine Feststellungen und gibt Empfehlungen ab. Das Europäische Übereinkommen weist viele Ähnlichkeiten mit dem Fakultativprotokoll auf, schreibt aber nicht die Einführung eines nationalen Präventionsmechanismus vor. Gleichwohl hat der CPT wiederholt darauf hingewiesen, dass die Schaffung eines solchen nationalen Präventionsmechanismus ein wesentliches Element zum Schutz der Personen darstellt, denen die Freiheit entzogen ist (vgl. Bericht zum periodischen Besuch in der Schweiz vom 5. bis 15. Februar 2001, § 39 [CPT/Inf (2002) 4]).

268

Am 26. Juni 1987 in Kraft getreten ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1984 (SR 0.105; hiernach CAT). Es verpflichtet die Vertragsstaaten, dem Ausschuss gegen Folter als vertraglich geschaffenem Gremium in regelmässigen Abständen Bericht zu erstatten über die Massnahmen, die sie getroffen haben, um ihren Verpflichtungen aus dem CAT nachzukommen. Jeder Vertragsstaat kann ausserdem die Zuständigkeit des Ausschusses gegen Folter anerkennen, Mitteilungen zur Prüfung entgegenzunehmen, in denen ein anderer Vertragsstaat oder einzelne Personen geltend machen, der fragliche Vertragsstaat komme seinen Verpflichtungen aus dem CAT nicht nach (Art. 21 und 22 CAT). Beim CAT handelt es sich somit um ein Instrument, mit dem die Verletzung einer Bestimmung sanktioniert wird, nachdem sie erfolgt ist. Anders als das Europäische Übereinkommen schafft das CAT kein System von Besuchen. Genau diese Lücke soll das Fakultativprotokoll schliessen.

1.3

Die Haltung der Schweiz zum Fakultativprotokoll

1.3.1

Die Haltung des Bundesrats

Obwohl damals noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen, war die Schweiz bei der Ausarbeitung und Verabschiedung des Fakultativprotokolls eine treibende Kraft.

Die Schweiz hat das Fakultativprotokoll nach Konsultation der Kantone am 25. Juni 2004 unterzeichnet. Ihre Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene hängt daher davon ab, dass sie es nun auch möglichst rasch ratifiziert und innerstaatlich umsetzt.

Damit bringt sie ihre Solidarität im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Folter auf weltweiter Ebene zum Ausdruck.

1.3.2

Vernehmlassungsverfahren

Mit Beschluss vom 23. September 2005 hat der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) ermächtigt, ein Vernehmlassungsverfahren über die Ratifikation des Fakultativprotokolls sowie die entsprechende Ausführungsgesetzgebung durchzuführen. Das EJPD hat daraufhin die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien sowie die interessierten Verbände und Organisationen zur Stellungnahme bis Ende 2005 eingeladen.

Zur Stellungnahme eingeladen wurden 63 Adressaten. 56 Antworten sind eingegangen, darunter 2 ausdrückliche Verzichte auf eine inhaltliche Stellungnahme. Stellung genommen haben 26 Kantone, 8 Parteien, darunter alle Bundesratsparteien, und 22 Organisationen (2 Verzichte).

Die Ratifikation des Fakultativprotokolls wurde überwiegend begrüsst (26 Kantone, 7 Parteien, 14 Organisationen), vereinzelt abgelehnt (SVP, CP, CVAM, SAGV und SGV). 4 Kantone, 6 Parteien und 7 Organisationen plädieren für eine rasche Ratifikation. Die vorgeschlagene Ausführungsgesetzgebung stiess bei den Kantonen, 7 Parteien und 14 Organisationen auf grundsätzliche Zustimmung. Dies gilt insbesondere für den Vorschlag, mit der Kommission zur Verhütung von Folter (hiernach: Kommission) eine Kommission des Bundes als nationalen Präventionsmechanismus einzusetzen. Vereinzelt wurde gefordert, dass die Schweiz das Fakul269

tativprotokoll mustergültig umzusetzen habe; Gegner der Ratifikation wollten demgegenüber eine allfällige Umsetzung auf das Minimum reduziert sehen. Verschiedene Vernehmlasser forderten, dass neben den bereits in den Vernehmlassungsentwurf1 übernommenen Bestimmungen des Fakultativprotokolls weitere in der Ausführungsgesetzgebung ausdrücklich erwähnt werden, so namentlich die Zusammenarbeit zwischen dem nationalen Präventionsmechanismus und dem Unterausschuss für Prävention sowie die Regelung der von den Behörden zu treffenden Folgemassnahmen. Umstritten waren der allfällige Entschädigungsanspruch der Kommissionsmitglieder und die Frage, ob der Kommission ein ständiges Sekretariat beigeordnet werden soll.

1.4

Überblick über den Inhalt des Fakultativprotokolls und das Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter

1.4.1

Das Fakultativprotokoll

Das Fakultativprotokoll soll dazu beitragen, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu verhindern. Mit diesem Instrument wird ein weltweites System zur Verhütung von Folter geschaffen. Es beruht auf einer internationalen und einer innerstaatlichen Säule. Die Vertragsstaaten verpflichten sich zum einen, ohne Einschränkung Besuche und Kontrollen durch ein internationales Gremium zur Verhütung von Folter zu gestatten, und zum andern, ein oder mehrere innerstaatliche Organe zur Verhütung von Folter zu schaffen.

Auf internationaler Ebene fungiert der Unterausschuss für Prävention. Er setzt sich aus 10 bis 25 Mitgliedern zusammen, die von den Vertragsstaaten für vier Jahre gewählt werden. Seine Mitglieder müssen unabhängig und unparteiisch sein. Der Unterausschuss für Prävention kann Besuche an allen Orten durchführen, die der Hoheitsgewalt oder Kontrolle der Vertragsstaaten unterstehen und in denen sich Personen befinden oder befinden könnten, denen die Freiheit entzogen ist. Er hat ein Programm für regelmässige Besuche in den Vertragsstaaten zu erarbeiten. Im Übrigen enthält das Fakultativprotokoll keine Vorgaben zur Häufigkeit der Besuche in den Vertragsstaaten. Eine Reihe von Verpflichtungen der Vertragsstaaten soll dem Unterausschuss für Prävention erleichtern, seinen Auftrag zu erfüllen. Nach seinem Besuch unterbreitet der Unterausschuss dem Vertragsstaat und gegebenenfalls dem innerstaatlichen Gremium vertraulich seine Empfehlungen und Feststellungen. Er kann auch die Vertragsstaaten im Zusammenhang mit der Einrichtung von nationalen Präventionsmechanismen beraten und ihnen entsprechende Unterstützung anbieten.

Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, innerhalb eines Jahres nach Ratifikation des Fakultativprotokolls einen oder mehrere nationale Präventionsmechanismen einzurichten (Art. 17). Diese Frist kann auf maximal 5 Jahre verlängert werden (Art. 24).

Die Befugnisse der nationalen Präventionsmechanismen sind jenen des Unterausschusses für Prävention nachgebildet. Die nationalen Präventionsmechanismen dürfen Kontakte mit dem Unterausschuss für Prävention unterhalten, ihm Auskünfte erteilen und sich mit ihm treffen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, ihre Jahres1

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http://www.bj.admin.ch/bj/de/home/themen/sicherheit/gesetzgebung/folter__uno_.html

berichte zu veröffentlichen und zu verbreiten (Art. 23). Zum Umfang der nationalen Präventionsmechanismen enthält das Fakultativprotokoll keine Angaben. Es verpflichtet die Vertragsstaaten lediglich, sicherzustellen, dass diese ohne Beeinflussung durch die Behörden funktionieren und dass das Personal dieser Mechanismen unabhängig ist und über die notwendigen Fähigkeiten und Fachkenntnisse verfügt.

Zu diesem Zweck verpflichten sich die Vertragsstaaten, die erforderlichen Mittel für die Arbeit der nationalen Präventionsmechanismen bereitzustellen, über die diese selbständig verfügen können. Ausserdem müssen sich die Vertragsstaaten um eine ausgewogene Beteiligung der Geschlechter und um eine angemessene Vertretung ethnischer Gruppen und Minderheiten im Land bemühen. Schliesslich müssen die Vertragsstaaten bei der Schaffung der nationalen Präventionsmechanismen die Grundsätze betreffend Stellung und Tätigkeit nationaler Einrichtungen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte beachten (Art. 18).

Das Fakultativprotokoll postuliert ferner, dass sich der Unterausschuss für Prävention und die nach regionalen Übereinkommen eingerichteten Stellen absprechen und zusammenarbeiten (Art. 31), damit Doppelspurigkeiten vermieden werden. Gleiches gilt mit Bezug auf die nationalen Präventionsmechanismen (vgl. Art. 11 Bst. c, 20 Bst. f). Die Bedeutung dieser Zusammenarbeit hat auch der CPT in seinem 13. Geschäftsbericht ausdrücklich hervorgehoben (CPT/Inf [2003] 35, § 21 f.). Es kann also davon ausgegangen werden, dass der Unterausschuss, der CPT und der innerstaatliche Mechanismus der Schweiz Kontakte unterhalten, um ihre jeweiligen Aktivitäten bestmöglich zu koordinieren. Der CPT nennt denn auch in seinem 16. Geschäftsbericht Modalitäten einer solchen ressourcenschonenden Zusammenarbeit (CPT/Inf [2006] 35, Préface).

1.4.2

Das Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter

Der Bundesrat erachtet es als nicht angezeigt, dass die Schweiz die Verlängerungsmöglichkeiten des Fakultativprotokolls für die innerstaatliche Umsetzung ausschöpft. Genehmigung und Ratifikation des Fakultativprotokolls und dessen innerstaatliche Umsetzung sollen vielmehr gleichzeitig behandelt werden.

Das Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter schafft ein einziges Gremium als nationalen Präventionsmechanismus. Der Bundesrat hat sich nach gründlicher Prüfung dezentraler Varianten für diese Bundeslösung entschieden, die in der Vernehmlassung beinahe einstimmig begrüsst wurde. Für diese Variante spricht neben den Kosten- und Effizienzvorteilen gerade im vorliegenden Bereich auch, dass die Methoden und Prüfstandards gesamtschweizerisch einheitlich festgelegt und umgesetzt werden können.

Die Kommission entspricht den Anforderungen des Fakultativprotokolls in Bezug auf Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Kompetenzen. Die Finanzierung übernimmt der Bund. Die Kommission besteht aus 12 Mitgliedern, die vom Bundesrat auf jeweils 4 Jahre ernannt werden. In dieser Grösse kann sie in Delegationen gegliedert jährlich 20­30 Besuche vornehmen. Angesichts der bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten bei allfälligen Missbräuchen ist es nach Auffassung des Bundesrats nicht angezeigt, die Kommission zu einem umfassenden Kontrollinstrument auszubauen, wie dies im Vernehmlassungsverfahren vereinzelt gefordert wurde.

271

2

Kommentar zu den einzelnen Teilen des Fakultativprotokolls und zu den einzelnen Gesetzesbestimmungen

2.1

Das Fakultativprotokoll

Teil I: Allgemeine Grundsätze (Art. 1­4) Artikel 1 statuiert das Besuchssystem als Instrument zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe.

Die entsprechenden Besuche und die weiteren im Fakultativprotokoll festgelegten Aufgaben hat der in Artikel 2 vorgesehene Unterausschuss zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (im Folgenden: Unterausschuss für Prävention) wahrzunehmen. Als Grundlagen für seine Tätigkeit gelten die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen (SR 0.120) sowie die einschlägigen universellen Normen, welche die Behandlung von Personen betreffen, denen die Freiheit entzogen ist. Artikel 3 bestimmt, dass jeder Vertragsstaat zusätzlich einen oder mehrere nationale Präventionsmechanismen zu schaffen hat. Artikel 4 bildet die Grundlage für die Verpflichtung der Vertragstaaten, dem Unterausschuss für Prävention und dessen innerstaatlichen Pendants uneingeschränkten Zugang zu allen Orten zu gewähren, an denen sich Personen befinden können, denen die Freiheit entzogen ist; Absatz 2 definiert den Begriff der Freiheitsentziehung.

Teil II: Der Unterausschuss für Prävention (Art. 5­10) In diesem Teil des Fakultativprotokolls werden die Zusammensetzung des Unterausschusses für Prävention sowie die Stellung, Wahl und Amtsdauer seiner Mitglieder geregelt. Der Unterausschuss besteht zunächst aus 10 Mitgliedern; die Mitgliederzahl erhöht sich auf 25, sobald die Zahl der Vertragsstaaten 50 übersteigt. Die Mitglieder haben unabhängig, unparteiisch sowie fachlich und menschlich hinreichend qualifiziert zu sein. Zudem ist auf eine repräsentative Zusammensetzung des Unterausschusses für Prävention zu achten; insbesondere darf diesem jeweils nur ein Staatsangehöriger oder eine Staatsangehörige desselben Staats angehören (Art. 5).

Wahlorgan ist die Versammlung der Vertragsstaaten; jeder Vertragsstaat hat das Recht, zwei Personen, von denen mindestens eine über seine Staatsangehörigkeit verfügen muss, zur Kandidatur vorzuschlagen (Art. 6). Artikel 7 regelt das Verfahren der alle zwei Jahre stattfindenden Wahlen. Eine spezielle Kollisionsregel befasst sich mit der Möglichkeit, dass zwei Kandidierende mit derselben Staatsangehörigkeit die erforderliche Mehrheit der
Stimmen erzielen. Bei einer Vakanz während der Amtszeit darf der Vertragsstaat, der das betreffende Mitglied vorgeschlagen hat, für die Zeit bis zur nächsten Versammlung der Vertragsstaaten eine geeignete Person vorschlagen; dieser Vorschlag gilt als genehmigt, sofern nicht die Mehrheit der Vertragsstaaten innert 6 Wochen nach Benachrichtigung durch den Depositar sich dagegen ausspricht (Art. 8). Die Mitglieder werden für eine feste Amtsdauer von 4 Jahren gewählt, mit einmaliger Wiederwahlmöglichkeit (Art. 9). Nach der erstmaligen Bestellung des Unterausschusses für Prävention wurden gemäss Artikel 9 dritter Satz durch das Los die fünf Mitglieder bestimmt, deren Amtszeit nach 2 Jahren endet; dies soll zu einer angemessenen Rotation beitragen. In Artikel 10 werden Konstituierung, Einberufung und Beschlussfassung des Unterausschusses für Prävention geregelt.

272

Teil III: Mandat des Unterausschusses für Prävention (Art. 11­16) Artikel 11 listet die Aufgaben des Unterausschusses für Prävention auf. Dieser besucht selber in den Vertragsstaaten Orte, an denen sich Personen im Freiheitsentzug befinden können. Des Weiteren ist das Mandat des Unterausschusses für Prävention auf die Sicherstellung des bestmöglichen Funktionierens der nationalen Präventionsmechanismen ausgerichtet. Er berät und unterstützt die Vertragsstaaten bei der Einrichtung dieser Mechanismen. Dazu gehören auch Empfehlungen zur Stärkung der Funktionsfähigkeit der nationalen Präventionsmechanismen. Ferner sind seine Kontakte mit diesen direkt, wo nötig vertraulich, und umfassen insbesondere Empfehlungen und Stellungnahmen betreffend Massnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Personen, denen die Freiheit entzogen ist. Ebenso ist der Unterausschuss beauftragt, mit allen Gremien, die im Bereich Folterprävention tätig sind, zusammenzuarbeiten.

Die weiteren Bestimmungen von Teil III bezwecken, dem Unterausschuss für Prävention zu ermöglichen, sein Mandat effektiv wahrzunehmen. Dies gilt vorab für die Verpflichtungen der Vertragsstaaten, von eng umschriebenen Ausnahmesituationen abgesehen den uneingeschränkten Zugang zu allen Orten des Freiheitsentzugs zu gewährleisten, alle nach Auffassung des Unterausschusses für Prävention relevanten Informationen herauszugeben, diesem unbeaufsichtigte Gespräche mit allen Personen, die seines Erachtens sachdienliche Hinweise geben können, zu ermöglichen, seine Empfehlungen zu prüfen und die Möglichkeiten ihrer Umsetzung zu diskutieren (Art. 12 und 14). Der wirksamen Mandatserfüllung dient auch der uneingeschränkte Schutz vor Sanktionen für Informanten des Unterausschusses für Prävention (Art. 15). Das Besuchsprogramm und die Durchführung von Besuchen und allfälligen Anschlussbesuchen werden in Artikel 13 geregelt. Artikel 16 befasst sich mit der Öffentlichkeit der Tätigkeit des Unterausschusses für Prävention. Seine Empfehlungen und Bemerkungen sind vertraulich. Sein Bericht sowie die Stellungnahme des betreffenden Vertragsstaates werden auf Ersuchen des Letzteren veröffentlicht. Die Veröffentlichung personenbezogener Daten bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der betreffenden Person. Auf Antrag des Unterausschusses für Prävention kann der Ausschuss gegen
Folter eine öffentliche Erklärung abgeben oder einen Bericht veröffentlichen, wenn der betreffende Vertragsstaat sich einer konstruktiven Zusammenarbeit verweigert. In jedem Fall öffentlich ist der zuhanden des Ausschusses gegen Folter zu verfassende jährliche Tätigkeitsbericht.

Teil IV: Nationale Präventionsmechanismen (Art. 17­23) Die Vorgaben zur Ausgestaltung der nationalen Präventionsmechanismen sind knapp und offen gehalten. Die Vertragsstaaten können somit diese unerlässliche Ergänzung zum Unterausschuss für Prävention so ausgestalten, dass sie bestmöglich auf die Situation im eigenen Land abgestimmt ist. Grundsätzlich hat jeder Vertragsstaat ein Jahr nach Inkrafttreten des Fakultativprotokolls oder dessen Ratifikation einen oder mehrere nationale Präventionsmechanismen zu schaffen (Art. 17; zur Möglichkeit des Aufschubs siehe die Ausführungen zu Teil V). Nach Artikel 18 müssen die nationalen Präventionsmechanismen funktional und personell unabhängig, sachkompetent besetzt und hinreichend dotiert sein; die Vertragsstaaten haben darüber hinaus die Grundsätze betreffend die Stellung und Tätigkeiten nationaler Einrichtungen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte zu beachten.

Die Mindestbefugnisse der nationalen Präventionsmechanismen (Art. 19), die Verpflichtungen der Vertragsstaaten gegenüber den nationalen Präventionsmechanis273

men (Art. 20 und 22), der Schutz von Informanten vor jeglichen Nachteilen und der Umgang mit personenbezogenen Daten (Art. 21) entsprechen den in Bezug auf den Unterausschuss für Prävention geltenden Regeln (vgl. die Ausführungen zu Teil III).

Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass das Recht der nationalen Präventionsmechanismen auf freien Zugang zu allen Orten des Freiheitsentzugs keinen Einschränkungen unterliegt; die nationalen Präventionsmechanismen haben ferner ausdrücklich das Recht, zu Erlassen und Erlassentwürfen Stellung zu nehmen.

Gemäss Artikel 23 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, den Jahresbericht der nationalen Präventionsmechanismen zu veröffentlichen und zu verbreiten.

Teil V: Erklärung (Art. 24) Das Fakultativprotokoll sollen auch Staaten ratifizieren dürfen, die es im Zeitpunkt der Ratifikation noch nicht in allen Punkten umgesetzt haben. Die Durchführung der Teile III und IV des Fakultativprotokolls kann durch Erklärung um bis zu 3 Jahre aufgeschoben werden. Der Ausschuss gegen Folter kann diese Periode auf begründeten Antrag hin um 2 Jahre verlängern.

Teil VI: Finanzielle Bestimmungen (Art. 25 und 26) Die Kosten der Tätigkeit des Unterausschusses für Prävention gehen zu Lasten der Vereinten Nationen, deren Generalsekretär für die Bereitstellung hinreichender Ressourcen besorgt sein muss (Art. 25). Nach Artikel 26 werden Präventionsmassnahmen aus einem eigens geschaffenen Sonderfonds mitfinanziert, der durch freiwillige Beiträge finanziert werden kann.

Teil VII: Schlussbestimmungen (Art. 27­37) Die Artikel 27­37 weisen als Schlussbestimmungen vertragstechnischen Charakter auf. Sie regeln nach dem Vorbild anderer Übereinkommen Einzelheiten, insbesondere des Beitritts zum Fakultativprotokoll (Art. 27), des Inkrafttretens (Art. 28), der Kündigung (Art. 33), der Änderung (Art. 34) sowie der Vorrechte und Immunitäten der Mitglieder des Unterausschusses für Prävention (Art. 35 und 36). Für die Schweiz würde das Fakultativprotokoll am dreissigsten Tag nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft treten.

Artikel 30 hält fest, dass Vorbehalte zum Fakultativprotokoll nicht zulässig sind.

Gemäss Artikel 31 sind der Unterausschuss für Prävention sowie nach regionalen Übereinkommen errichtete Stellen, zum Beispiel der CPT, gehalten, Doppelarbeit zu vermeiden; dies gilt kraft Artikel 11 Buchstabe c auch in Bezug auf die nationalen Präventionsmechanismen.

2.2 Art. 1

Das Bundesgesetz über die Kommission zur Verhütung von Folter Gegenstand

Die Bestimmung entspricht Artikel 1 des Vernehmlassungsentwurfs, der auf breite Zustimmung gestossen ist. Absatz 1 benennt den nationalen Präventionsmechanismus, Absatz 2 situiert dessen Auftrag. Die Bundeslösung hindert die Kantone nicht daran, nach dem Muster der Kantone Tessin und Genf kantonale parlamentarische Kommissionen zu schaffen, die damit beauftragt werden, bestimmte Orte des Frei274

heitsentzugs zu besuchen. Indes haben solche Kommissionen nicht den Status eines nationalen Präventionsmechanismus.

Art. 2

Aufgaben

Die Bestimmung umschreibt die durch das Fakultativprotokoll vorgegebenen Aufgaben der Kommission. Sie lehnt sich an Artikel 2 des Vernehmlassungsentwurfs an, der zu punktuellen Kommentierungen Anlass gab. Gemäss dem redaktionell überarbeiteten Buchstaben a hat die Kommission die Situation von Personen im Freiheitsentzug regelmässig durch Kontrollen vor Ort zu überprüfen. Sie kann den zuständigen Stellen Empfehlungen abgeben, die allgemein die Behandlung und Situation solcher Personen betreffen (Bst. b). Aus Buchstabe c folgt, dass sie bei Rechtsetzungsarbeiten in ihrem Aufgabenbereich einzubeziehen ist. Buchstabe d auferlegt der Kommission die Erstellung eines öffentlich zugänglichen Jahresberichts; die Zuständigkeit für dessen Publikation und Verbreitung obliegt neu in Übereinstimmung mit dem Fakultativprotokoll dem Bundesrat (Art. 9 Abs. 1).

Buchstabe e ist neu und statuiert entsprechend den Bestimmungen des Fakultativprotokolls ausdrücklich das Recht und die Pflicht der Kommission zur Koordination und Zusammenarbeit mit dem Unterausschuss für Prävention und dem CPT.

Art. 3

Freiheitsentzug

Die Bestimmung wurde gegenüber Artikel 3 des Vernehmlassungsentwurfs redaktionell überarbeitet. Sie entspricht materiell der Legaldefinition des Freiheitsentzugs nach Artikel 4 Absatz 2 des Fakultativprotokolls. Letztere erfasst alle Formen des Festhaltens im Zusammenhang mit Straf-, Zivil- und Administrativverfahren und demzufolge auch den Freiheitsentzug in Polizeiposten, Gefängnissen, Zentren für Minderjährige, Einrichtungen für die Administrativhaft, Zentren für die Inhaftierung von Asylsuchenden und in psychiatrischen Einrichtungen.

Art. 4

Status

Absatz 1 verankert die funktionale, Absatz 2 die persönliche Unabhängigkeit der Kommission.

Art. 5

Zusammensetzung

Nach Absatz 1 umfasst die Kommission 12 Mitglieder. Angesichts des skizzierten Besuchsprogramms (vgl. oben Ziff. 1.4.2) votierten verschiedene Vernehmlasser für eine Vergrösserung. Da indes die Kommission nicht als umfassendes Kontrollinstrument zu verstehen ist, besteht hierzu kein Grund.

Absatz 2 sichert die interdisziplinäre Zusammensetzung der Kommission. In der Vernehmlassung wurde die Ausweitung der vertretenen Berufsgruppen ebenso gefordert wie der Ausschluss bestimmter Berufe. Auch wurde postuliert, die Erfahrungen der Mitglieder ins Zentrum zu stellen. Diesem Anliegen trägt die neue Formulierung Rechnung. Hingegen wäre es nicht zweckmässig, einzelne Berufsgruppen, wie zum Beispiel ehemalige Leiter von Strafanstalten, von der Mitgliedschaft auszuschliessen und damit deren Sachkompetenz und Erfahrungsschatz nicht zu nutzen.

275

Absatz 3 verankert das Erfordernis der ausgewogenen Vertretung beider Geschlechter und der Sprachregionen. Entgegen der Kritik einzelner Vernehmlasser verlangt das Fakultativprotokoll keine Geschlechterparität.

Art. 6

Vorschlagsrecht, Ernennung und Amtszeit

Die Bestimmung entspricht Artikel 6 des Vernehmlassungsentwurfs. Der Bundesrat ernennt die Mitglieder des Ausschusses auf Vorschlag des EJPD und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA; Abs. 1). Weiter können sich Nichtregierungsorganisationen an die zuständigen Departemente wenden, um Kandidatinnen und Kandidaten vorzuschlagen (Abs. 2). Diese Instanzen prüfen die Kandidaturen nach eigenem Ermessen. Die Amtszeit der Mitglieder beträgt vier Jahre und kann zweimal erneuert werden (Abs. 3). Die Ernennung von Nachfolgern sollte stufenweise erfolgen, um die Kontinuität zu gewährleisten. Angesichts der vergleichsweise kleinräumigen Verhältnisse der Schweiz wäre es nicht angezeigt, wie beim Unterausschuss für Prävention nur eine einzige Wiederwahl zuzulassen.

Art. 7

Konstituierung und Arbeitsweise

Die Bestimmung entspricht Artikel 7 des Vernehmlassungsentwurfs. Sie konkretisiert die Unabhängigkeit der Kommission. Dazu gehört die Selbstkonstituierung in Absatz 1 (vorbehältlich der Ernennung der ersten Präsidentin oder des ersten Präsidenten durch den Bundesrat, Art. 13). Die eigenverantwortliche Festlegung von Organisation und Arbeitsmethoden (Abs. 2) erlaubt es der Kommission, sich stets auf die bestmögliche Aufgabenerfüllung auszurichten. Absatz 3 sichert die Autonomie der Kommission auch dort, wo diese zur Aufgabenerfüllung auf zusätzliche Sach- und Sprachkompetenz angewiesen ist. Aus diesem Grund ist es angezeigt, dass die Kommission und nicht die besuchten Anstalten die Kosten für beigezogene Fachleute und Dolmetscher und Dolmetscherinnen zu tragen hat.

Mehrere Vernehmlasser erachteten die Einschätzung des zeitlichen Aufwands für die Besuche als zu optimistisch; der Bundesrat teilt diese Auffassung nicht. Je 4 Kantone und Parteien sowie 10 Organisationen forderten die Schaffung eines von der öffentlichen Hand finanzierten ständigen Kommissionssekretariats. Ein solches wird indes weder vom Fakultativprotokoll verlangt, noch sieht es der Bundesrat als für die Aufgabenerfüllung unbedingt erforderlich an.

Art. 8

Befugnisse der Kommission

Die Bestimmung entspricht inhaltlich Artikel 8 des Vernehmlassungsentwurfs.

Redaktionell wurde sie im Lichte der Anregungen im Vernehmlassungsverfahren überarbeitet. Absatz 1 betont nunmehr den Anspruch der Kommission auf Zugang zu allen Informationen, die sie zur Aufgabenerfüllung als unerlässlich erachtet. Das Zugangsrecht zu allen Orten des Freiheitsentzugs figuriert in Absatz 2; dass die Kommission solche selbstverständlich unangemeldet aufsuchen darf, wird neu ausdrücklich gesagt. Nicht erforderlich ist es, darüber hinaus auf Gesetzesstufe die Modalitäten des Rechtes der Kommission auf Zugang zu den Einrichtungen des Freiheitsentzugs zu regeln. Das Recht auf unbeaufsichtigte Gespräche mit Personen im Freiheitsentzug oder mit anderen Personen, die sachdienliche Auskünfte erteilen könnten (Abs. 3), folgt aus der Natur der wahrzunehmenden Aufgabe und entspricht im Übrigen den Vorgaben des Fakultativprotokolls. Nicht erforderlich ist es dem276

gegenüber, den umfassenden Schutz von Informanten der Kommission oder des Unterausschusses für Prävention vor jeglichen Sanktionen ausdrücklich im Gesetz zu verankern; die bestehende Regelung in den Artikeln 15 und 21 Absatz 1 des Fakultativprotokolls wird als ausreichend erachtet.

Art. 9

Obliegenheiten der Behörden

Die Bestimmung ist neu. Während der Vernehmlassungsentwurf (Art. 2 Bst. d) der Kommission die Publikation und Verbreitung ihres Jahresberichts auferlegte, obliegt diese Aufgabe nach Artikel 23 des Fakultativprotokolls dem jeweiligen Vertragsstaat; gemäss Absatz 1 ist neu der Bundesrat dafür zuständig. Entsprechend den Anregungen mehrerer Vernehmlasser und in Übereinstimmung mit Artikel 22 des Fakultativprotokolls statuiert Absatz 2 die Pflicht der zuständigen Behörden, die Empfehlungen der Kommission zu prüfen und mit ihr die Möglichkeiten der Umsetzung zu diskutieren.

Art. 10

Datenschutz

Die Bestimmung entspricht Artikel 9 des Vernehmlassungsentwurfs, der kaum zu Bemerkungen Anlass gab. Absatz 1 umschreibt die Voraussetzungen, unter denen die Kommission Personendaten bearbeiten darf. Die Bearbeitung auch besonders schützenswerter Personendaten ist zulässig, sofern ein Zusammenhang mit der Situation der Personen im Freiheitsentzug besteht und sie zur Erfüllung der Kommissionsaufgaben erforderlich ist. Absatz 2 entspricht Artikel 21 Absatz 2 zweiter Satz des Fakultativprotokolls.

Art. 11

Amts- und Berufsgeheimnis

Die Bestimmung entspricht Artikel 10 des Vernehmlassungsentwurfs, welcher keine grundlegende Kritik erfuhr. Absatz 1 stellt klar, dass die Mitglieder der Kommission und die von ihr beigezogenen Personen unter Artikel 320 des Strafgesetzbuches fallen (StGB; SR 311.0). Ob sie als Berufsleute auch unter Artikel 321 StGB fallen, bestimmt diese Norm selbständig. Absatz 2 weist die Zuständigkeit zur Entbindung von beiden Geheimnissen zu (nach Art. 320 Ziff. 2 und Art. 321 Ziff. 2 StGB).

Art. 12

Finanzierung

Absatz 1 regelt die Finanzierung der Kommission. Gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf (Art. 11) wird aus Transparenzgründen die Finanzierung durch den Bund mit dem Anspruch der Kommission auf die zur Aufgabenerfüllung nötigen Mittel ergänzt. Diese Angleichung des Wortlauts an die Vorgaben von Artikel 18 Absatz 3 des Fakultativprotokolls bleibt jedoch ohne inhaltliche Auswirkungen. Die in der Vernehmlassung teilweise geforderte Regelung des Budgetumfangs ginge demgegenüber über das vom Fakultativprotokoll Geforderte hinaus. Selbstredend hindert die Bestimmung die Kantone nicht daran, der Kommission Beiträge zu leisten.

Die Absätze 2 und 3 entsprechen Artikel 6 Absatz 4 des Vernehmlassungsentwurfs, welcher kontrovers diskutiert wurde. 9 Kantone, 3 Parteien und 14 weitere Vernehmlasser fordern, dass den Kommissionsmitgliedern ein unbedingter Entschädigungsanspruch eingeräumt wird. Der Bundesrat trägt diesem Anliegen insoweit Rechnung, als denjenigen Kommissionsmitgliedern, die nicht als Angestellte einer 277

öffentlichen Verwaltung bereits voll entlöhnt sind, für ihren Einsatz ein Taggeld ausgerichtet wird.

Art. 13

Übergangsbestimmung

Die Bestimmung entspricht Artikel 12 des Vernehmlassungsentwurfs. 3 Vernehmlasser sehen in der vorgeschlagenen Befugnis des Bundesrats eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Kommission. Dem ist zu entgegnen, dass sehr oft die Person eines ersten Präsidenten oder einer ersten Präsidentin erheblich zum Erfolg einer neuen Institution beitragen kann.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen für Bund, Kantone und Gemeinden

Das Fakultativprotokoll schafft keine neuen materiellrechtlichen Verpflichtungen.

Indes sind Bund und Kantone verpflichtet, dem nationalen Präventionsmechanismus uneingeschränkten Zugang zu allen Orten zu gewähren, an denen sich Personen befinden können, denen die Freiheit entzogen ist.

3.2

Finanzielle Auswirkungen

Die Tätigkeit des Unterausschusses für Prävention wird aus dem ordentlichen Haushalt der Vereinten Nationen finanziert, sodass in dieser Hinsicht die Ratifikation des Fakultativprotokolls keine zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen nach sich zieht.

Die Mitglieder der Kommission haben Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen (Art. 12 Abs. 2 des Gesetzesentwurfs). Bei rund 30 Besuchen jährlich schätzt der Bundesrat die anfallenden Jahreskosten auf höchstens 184 000 Franken. Davon entfallen 72 000 Franken auf Reisen und Übernachtungen, 25 000 Franken auf Auslagen für Expertinnen und Experten sowie Dolmetscherinnen und Dolmetscher und 15 000 Franken auf die Publikation des Jahresberichts. Die vorgesehene Taggeldentschädigung für die Kommissionsmitglieder, die nicht als Angestellte einer öffentlichen Verwaltung bereits voll entlöhnt sind, beläuft sich auf höchstens 72 000 Franken (Annahme: nur taggeldberechtigte Kommissionsmitglieder, durchschnittlich 20 Arbeitstage je Kommissionsmitglied, Taggeld von 300 Franken). Die Kosten der Kommission werden je zur Hälfte von EJPD und EDA getragen und sind innerhalb des Budgets und der Finanzplanung der betroffenen Departemente zu kompensieren.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im Bericht über die Legislaturplanung (BBl 2004 1149) und im Bericht über die Jahresziele des Bundesrates 2006 angekündigt und steht im Einklang mit dem ständigen Ziel des Bundesrates, die Menschenrechte in der Schweiz und auf internationaler Ebene zu fördern und zu schützen (Art. 54 Abs. 2 der Bundesverfassung [BV; SR 101]).

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5

Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 54 BV verfügt der Bund über eine allgemeine Zuständigkeit im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten, die ihn ermächtigt, völkerrechtliche Verträge abzuschliessen. Auf dieser Grundlage abgeschlossene Verträge sind für den Bund verbindlich, und nur der Bund hat sich für allfällige Vertragsverletzungen auf internationaler Ebene zu verantworten. Die in einem solchen Vertrag enthaltenen Bestimmungen sind hingegen aus innerstaatlicher Sicht sowohl für den Bund als auch für die Kantone verbindlich. Gestützt auf Artikel 49 Absatz 2 BV hat der Bund über ihre Einhaltung und Umsetzung durch die Kantone zu wachen. Indes hat der Abschluss eines Vertrags keine Auswirkungen auf die in der BV festgelegte Aufteilung der Zuständigkeiten. Der innerstaatliche Vollzug von Verträgen obliegt folglich derjenigen Staatsebene, die in der BV dafür vorgesehen ist.

Mit der Ratifikation des Fakultativprotokolls verpflichtet sich die Schweiz, einen innerstaatlichen Mechanismus einzurichten, der mit der Durchführung der Besuche beauftragt ist. Diesem Gremium muss ein uneingeschränkter Zugang zu allen Orten des Freiheitsentzugs, zu allen Personen, denen die Freiheit entzogen ist, und zu allen damit zusammenhängenden Informationen garantiert werden. Das Gremium überprüft unter Berücksichtigung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz die Behandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen ist. Ausserdem unterbreitet es den zuständigen öffentlichen Stellen Empfehlungen und Vorschläge zur Verbesserung der Lage dieser Personen und zu den einschlägigen geltenden Rechtsvorschriften oder Erlassentwürfen. Es handelt sich um einen Mechanismus, der ausschliesslich eine Aufsichtsfunktion zu übernehmen hat; hingegen kann er nicht direkt und verbindlich in Bezug auf die Modalitäten des Vollzugs von freiheitsentziehenden Massnahmen intervenieren, die überwiegend in die Zuständigkeit der Kantone fallen. Das Fakultativprotokoll wirkt sich somit nicht auf den Vollzug von freiheitsentziehenden Massnahmen aus. Die Kontrolle des Vollzugs von internationalen Verpflichtungen gehört aber zur allgemeinen aussenpolitischen Zuständigkeit des Bundes.

Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 BV). Zu dieser Kategorie gehören insbesondere
die grundlegenden Bestimmungen über die Aufgaben und die Leistungen des Bundes (Art. 164 Abs. 1 Bst. e BV) und die Organisation und das Verfahren der Bundesbehörden (Art. 164 Abs. 1 Bst. g BV). Bei der Umsetzung des Fakultativprotokolls müssen vorab folgende Punkte geregelt werden: die Einrichtung des nationalen Präventionsmechanismus, dessen Zuständigkeiten, Aufgaben und Unabhängigkeit, das Wahlorgan, die Finanzierung sowie die Vertraulichkeit der zu sammelnden Informationen. Es handelt sich somit um wichtige Bestimmungen gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV, die in Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass verschiedene Bestimmungen des Fakultativprotokolls für eine direkte Anwendbarkeit hinreichend bestimmt sind. Die innerstaatliche Umsetzung des Fakultativprotokolls hat demnach durch Bundesgesetz zu erfolgen.

Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge fällt nach Artikel 54 Absatz 1 BV in die Zuständigkeit des Bundes. Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen dem fakultativen Referendum völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bun279

desgesetzen erfordert. Das Fakultativprotokoll bedarf zu seiner Umsetzung des Erlasses eines Bundesgesetzes. Der Genehmigungsbeschluss untersteht deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.

Gemäss Artikel 141a Absatz 2 BV kann diesfalls die Bundesversammlung die Gesetzesänderungen, die der Umsetzung dienen, in den Genehmigungsbeschluss aufnehmen. Der Entwurf des vorliegenden Genehmigungsbeschlusses umfasst daher auch den Entwurf des Bundesgesetzes über die Kommission zur Verhütung von Folter.

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