Die Verteidigungsattachés Bericht des Bundesrates an die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 21. September 2007

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Der vorliegende Bericht des Bundesrates wurde als Folge der Inspektion der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates und des entsprechenden Berichts vom 23. Mai 2006 erstellt. Er ersetzt die Stellungnahme des Bundesrates vom 29. September 2006. Der Bundesrat dankt Ihnen für die eingehende Analyse des Verteidigungsattaché-Dienstes.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. September 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

Vorbemerkung: Die in diesem Bericht verwendeten Funktionsbezeichnungen (Verteidigungsattaché, Missionschef usw.) beziehen sich auf beide Geschlechter.

2007-2014

6759

Zusammenfassung Mit Bericht vom 23. Mai 2006 empfahl die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) dem Bundesrat, das «heutige System der Verteidigungsattachés (VA) hinsichtlich Aufgaben, Organisation, Effizienz, Zweckmässigkeit und sicherheitspolitischen Nutzen der Schweiz auf internationaler Ebene zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten». Dabei seien sämtliche Bereiche der Sicherheitspolitik einzubeziehen, die Tätigkeit und Mittel im Ausland darzustellen, eine zweckmässige Organisation vorzuschlagen und das Berufsbild zu stärken.

Die prägenden Faktoren des sicherheitspolitischen Umfeldes (Globalisierung, Vernetzung der Information, technologische Entwicklungen, Risikospektrum etc.)

und die damit verbundenen Anforderungen an die Schweizer Armee machen es nötig, sowohl im aussen- wie auch im sicherheitspolitischen Umfeld über ein differenziertes und handlungsfähiges Instrumentarium zu verfügen. Damit können die Interessen der Schweiz vertreten und Entwicklungen, die diesen Interessen zuwiderlaufen, erkannt und es kann darauf angemessen reagiert werden. Der Verteidigungsattaché-Dienst erbringt dabei folgende Leistungen: 1.

Aufbau und Betrieb eines krisenresistenten sicherheitspolitisch-militärischen Netzwerkes und Beschaffung und Beurteilung von entscheidrelevanten Informationen für Bundesrat und Bundesverwaltung (inkl. Nachrichtendienste des VBS).

2.

Partnerschaftsmanagement. Bei der Bewältigung von Risiken und Gefahren, internationalen Krisen und Katastrophen ist die Schweiz auf Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern angewiesen. Die durch den VA-Dienst erbrachten Leistungen liegen in der Beurteilung allfälliger Zusammenarbeitspartner, bei der Umsetzung der Zusammenarbeit und bei der Gewährleistung der Nachhaltigkeit.

3.

Projektmanagement vor Ort. Im Rahmen der regionalen militärischen Kooperation leistet der Verteidigungsattaché in den verschiedenen Projektphasen einen Beitrag zum Gelingen der Projekte und verringert das Risiko, dass Projekte nicht bedürfnisgerecht umgesetzt werden bzw. ihre eigene Nützlichkeit überleben.

4.

Sicherstellung und Evaluation von Ausbildungsplätzen für Angehörige der Schweizer Armee im Ausland und Vermittlung von Einsatzerfahrungen.

5.

Beitrag zu Sicherstellung von Kontinuität und Nachhaltigkeit von Direktbesuchen auf sicherheitspolitischer und militärischer Ebene.

6.

Beratung des Missionschefs in sicherheitspolitischen und militärischen Fragen.

6760

Die Unterstellung unter den Chef Internationale Beziehungen Verteidigung erlaubt eine integrale Steuerung, die durch die Schaffung des Steuerungsausschusses der Leistungsbezüger (Stufe Amtsdirektoren) gestärkt wurde und sich bewährt. Für die operationelle Führung ist der Chef Einsatz VA verantwortlich. Durch die Schaffung der Stelle «inhaltliche Steuerung» in diesem Bereich, und des Tasking-Ausschusses hat sich die Führung des VA-Dienstes und die Koordination mit den wichtigsten Leistungsbezügern wesentlich verbessert.

Das Dispositiv der schweizerischen Verteidigungsattachés orientiert sich an den Informations- und Kooperationsbedürfnissen (für Ausbildung, Rüstungsbeschaffung, militärische Friedensförderung und Unterstützung humanitärer Hilfeleistungen von VBS und Armee) sowie an den Bedürfnissen von VBS und Armee bei der Bewältigung von Krisen und Konflikten.

Es wird ein VA-Dispositiv ins Auge gefasst, das sehr viel weniger Seitenakkreditierungen (ca 30 statt 56) aufweist. Um schon lange erkannte und bisher nicht abgedeckte Bedürfnisse im VA-Dispositiv zu befriedigen, müssen einzelne Posten auf Stellvertreter verzichten. Mit der gleichen Anzahl Personal werden weniger Staaten besser abgedeckt, wobei die Anpassungen schrittweise erfolgen. Im Übrigen hat die GPK-N selber festgestellt, dass es nicht in erster Linie um Ressourceneinsparungen gehe.

Die Schweiz hat bisher keine Erfahrungen mit dem Einsatz von Reiseattachés. In einem zweijährigen Versuch sollen Erfahrungen gesammelt und ausgewertet werden, damit anschliessend ein Entscheid durch den Chef VBS getroffen werden kann.

Was Synergien bzw. die Zusammenarbeit mit anderen im Sicherheitsbereich tätigen Vertretern (z.B. Polizeiattachés, Migrationsverantwortliche) anbelangt, kommt der Bundesrat zum Schluss, dass diese Funktionen sich sowohl im Aufgabenbereich als auch im Netzwerk gegenseitig ergänzen, jedoch nicht ersetzen. Die Synergien sollen gestärkt werden durch eine Verbesserung des Informationsaustausches innerhalb der Bundesverwaltung in Bern, aber auch durch gemeinsame Ausbildungssequenzen. Die Schaffung von Sicherheitsattachés wird als nicht zielführend erachtet.

Die im Bericht detailliert vorgestellten Massnahmen wurden umgehend eingeleitet und werden teilweise bereits umgesetzt.

Im Bereich Kriegsmaterialexportkontrolle wurden bereits
Massnahmen getroffen, welche die Verteidigungsattachés betreffen. Dazu gehören die verbesserte gegenseitige Information, die Schaffung eines «Single Point of Contact» beim SECO für Berichte der Verteidigungsattachés und die Schaffung der Möglichkeit des Einsatzes von Botschaftspersonal (inkl. VA) zur Überprüfung, ob von der Schweiz geliefertes Kriegsmaterial beim richtigen Empfänger angekommen und dort verblieben ist. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass VA auch zur Abklärung von bedeutenden Voranfragen eingesetzt werden können.

Zur Wahrung schweizerischer Interessen dürfen und sollen die VA im Rahmen der Gesetze Kontakte zwischen schweizerischen Rüstungsfirmen und ausländischen Verwaltungsstellen in ihren Akkreditierungsstaaten herstellen. Die Entscheidfreiheit des Bundesrates und des SECO wird dadurch nicht tangiert.

6761

Nach Überprüfung aller Aspekte des Verteidigungsattaché-Dienstes kommt der Bundesrat zum Schluss, dass dieser einen wichtigen Nutzen erbringt, der nicht durch andere Stellen erbracht werden kann. Der Bundesrat ist überzeugt, dass mit der Umsetzung der getroffenen Massnahmen die Effizienz des VA-Dienstes nachhaltig gesteigert wird. Deshalb ersucht er die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates, das Geschäft abzuschreiben.

6762

Bericht 1

Einleitung

1.1

Veranlassung

In ihrem Bericht vom 23. Mai 2006 empfahl die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) dem Bundesrat, das «heutige System der Verteidigungsattachés (VA) hinsichtlich Aufgaben, Organisation, Effizienz, Zweckmässigkeit und sicherheitspolitischen Nutzen der Schweiz auf internationaler Ebene zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten». Dabei seien sämtliche Bereiche der Sicherheitspolitik einzubeziehen, die Tätigkeit und Mittel im Ausland darzustellen, eine zweckmässige Organisation vorzuschlagen und das Berufsbild zu stärken.

1.2

Zielsetzung

Ziel dieses Berichtes ist es, den schweizerischen Verteidigungsattaché-Dienst (VADienst) in den Gesamtkontext der sicherheitspolitischen und militärischen Interessenwahrung und -vertretung zu stellen und auf dieser Basis sowie im Lichte der Empfehlungen der GPK-N das aktuelle System zu überprüfen. Dabei sollen auch bereits getroffene Massnahmen auf Ihre Zweckmässigkeit hin beurteilt werden.

2

Sicherheitspolitische Herausforderungen im Wandel

Die Schweiz als international vernetzte Wirtschaftsnation ist abhängig von einem stabilen Umfeld, von einer verlässlichen internationalen Rechtsordnung und vom friedlichen Zusammenleben der Völker. Verschiedene Entwicklungen, darunter die wachsende wirtschaftliche Globalisierung und die weltweite gesellschaftliche Vernetzung haben die Rahmenbedingungen für staatliches Handeln insgesamt und damit auch für die Vertretung sicherheitspolitischer und militärischer Interessen im Besonderen stark verändert. Zunehmender Stabilität und Integration in Europa stehen Instabilität und Zerfall staatlicher und sozialer Ordnungen in anderen für die Schweiz wichtigen Regionen der Welt gegenüber.

2.1

Prägende Faktoren des sicherheitspolitischen Umfeldes

2.1.1

Veränderung des Risikospektrums

Eine konventionelle militärische Bedrohung der Schweiz ist derzeit nicht erkennbar.

Andere Gefahren und Bedrohungen wie Terrorismus, die Folgen der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Auswirkungen regionaler Konflikte und zerfallender staatlicher Ordnungen an entfernten Orten sind aber Realität und wirken sich auf die Sicherheit der Schweiz aus (Abhängigkeit der Schweiz von offenen und sicheren Märkten, von sicheren Energiequellen und -transferrouten, Konsequenzen von Konflikten auf Migrationsströme, Menschen- und Drogenhan6763

del). Die Bewältigung dieser Risiken ist national und international eine Verbundaufgabe1.

Im nationalen Zusammenhang wurde mit der Schaffung des Sicherheitsausschusses des Bundesrates (SiA) und von Zusammenarbeitsplattformen zwischen dem EDA und dem Strategischen Nachrichtendienst (SND) einerseits, dem SND und dem Dienst für Analyse und Prävention (DAP) des EJPD anderseits, Mittel zur koordinierten, gesamtstaatlichen Bewältigung dieser neuen Risiken und Gefahren geschaffen. International stehen der Schweiz im sicherheitspolitischen und militärischen Bereich neben den multilateralen Instrumenten zur Risikobewältigung (Mitgliedschaft in UNO und OSZE, Militärbeobachter, SWISSCOY, Partnerschaft für den Frieden, friedenserhaltende Massnahmen etc.) auch bilaterale Instrumente zur Verfügung (klassische diplomatische Mittel, Entwicklungszusammenarbeit, aber auch Verteidigungsattachés).

2.1.2

Globalisierung

Die Globalisierung hat nicht nur die Wirtschaft verändert, sondern auch die internationalen Beziehungen geprägt. Weltweite direkte und unmittelbare Kontakte bis auf höchste politische und militärische Ebene sind eher die Regel als die Ausnahme. Die Internationalisierung der Märkte, besonders der Rohstoff- und Energiemärkte, haben aber auch zur Konsequenz, dass Konflikte in fernen Regionen sich direkt auf die Interessen der Schweiz auswirken können. Globalisierung ist einer der Motoren für Wirtschaftswachstum, bringt aber auch mit sich, dass neue Ungleichheiten entstehen, bzw. bestehende Ungleichheiten sich verschärfen und zu Instabilitäten, Konflikten und Kriegen führen können.

Die Globalisierung fordert den Staat als Organisationsform sowie die Instrumente der staatlichen Interessenwahrung heraus. Sie unterstreicht die Notwendigkeit der Diplomatie zur aktiven Vertretung schweizerischer Interessen im Ausland. Dies gilt auch für den Verteidigungsattachédienst.

2.1.3

Vernetzung der Information

Mit der Globalisierung geht die weltweite Vernetzung der Information einher.

Dadurch sind viele Informationen via Internet direkt und zeitverzugslos verfügbar, die vorher mit anderen Mitteln, höherem Aufwand und Zeitverzug beschafft werden mussten. Der Markt an zeitverzugloser Information führt dazu, dass Rohinformationen ohne Überprüfung von Richtigkeit und Zusammenhängen an Benutzer abgegeben werden. Dieses Phänomen wird durch eine Vielzahl von Datenbanken, Websites und Para-Journalismus, in welchem persönliche Meinungen, Gerüchte etc.

verbreitet werden, noch verstärkt. Elektronische Suchmaschinen und Verarbeitungsinstrumente erleichtern zwar die Suche, können aber das Problem der Verifikation, der Authentifizierung, der Priorisierung, der Redundanz und der Auswertung nicht lösen. Diese Aufgaben bleiben dem Benützer der Information überlassen und stellen bei der Bewältigung neuer Risiken und Gefahren (z.B. Terrorismus) hohe Ansprüche.

1

Aussenpolitischer Bericht, Juni 2007, BBl 2007 5531

6764

So können trotz Einsatzes modernster Technologien weder die Nachrichtendienste noch die für internationale Beziehungen zuständigen Instanzen auf eigene Netzwerke und Sensoren, wie sie u.a. die VA darstellen, verzichten. Die Datenmengen stellen ausserdem hohe Ansprüche an Beschaffung, Aufbereitung (Übersetzung etc.), Triage, Beurteilung, Verarbeitung und Verbreitung, damit die für Entscheide notwendigen Grundlagen zeitgerecht erstellt werden können und der Staat nicht Objekt von Informationsmanipulationen oder sogar der Informationskriegsführung wird.

2.1.4

Technologische Entwicklung

Die technologische Entwicklung und die weltweite Verlagerung von Produktionsstätten und -kapazitäten haben seit Jahrzehnten zur Konsequenz, dass die Schweizer Industrie nicht mehr in der Lage ist, die gesamten durch die Armee benötigten Rüstungsgüter und Dienstleistungen selbst herzustellen oder zu entwickeln. Daher ist die Schweizer Armee ­ auch aufgrund steigender Investitionskosten und eines sinkenden Verteidigungsbudgets ­ auf ausländische Produkte und Dienstleistungen bzw. auf gemeinsame Entwicklungen mit ausländischen Partnern angewiesen2.

Voraussetzung eines gesicherten Zuflusses an benötigten Gütern und Dienstleistungen ist neben der kontinuierlichen Analyse der technologischen Entwicklungen im Rüstungsbereich auch ein internationales Beziehungsnetz. Dieses wird durch die Armasuisse unter Nutzung der schweizerischen Botschaften im Ausland und der Verteidigungsattachés sichergestellt.

2.2

Neuerungen in Krisenmanagement und Interessenvertretung

2.2.1

Neue Ansätze im internationalen Krisen- und Konfliktmanagement

Um der Veränderung des Risikospektrums Rechnung zu tragen hat die internationale Gemeinschaft ihre Mittel und Wege angepasst, bzw. Lehren und Konsequenzen aus Misserfolgen gezogen (Kosovo, Bosnien, Ruanda etc.). Zu den neuen Ansätzen gehören u.a. Konfliktnachsorge und (Wieder-)Aufbau von demokratischen staatlichen Ordnungen bzw. die Schaffung der dazu notwendigen Voraussetzungen. Die «Sicherheitssektor-Reform» (Reform zur Herstellung oder Stärkung der demokratischen Kontrolle von Streitkräften, Polizei, Nachrichten- und Sicherheitsdiensten etc.) aber auch eine Vielzahl von zivilen, polizeilichen und militärischen Beiträgen an den Wiederaufbau international verlässlicher staatlicher Partner sind wichtige Elemente. Die Schweiz (und auch die Schweizer Armee) hat nicht nur an der Entwicklung und Anpassung dieser Instrumente mitgewirkt, sondern ist auch an der Umsetzung von Projekten beteiligt.

2

Grundsätze des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS; 29. November 2002, BBl 2003 414

6765

Das Mitwirken am internationalen Krisenmanagement bzw. an Konfliktnachsorge und Wiederaufbau setzt ­ neben operationellen Fähigkeiten ­ eigenständige Lagebeurteilungs- und Entscheidfindungskapazitäten mit steuerbaren Sensoren und Auswertungskapazität voraus.

2.2.2

Interessenvertretung

Im Umfeld der Schweiz verstärkt sich mit der Erweiterung von EU und NATO die Integration im wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bereich. Für die Schweiz ergibt sich aus der Nichtmitgliedschaft in EU und NATO die Notwendigkeit, ihre Interessen auch im sicherheitspolitischen und militärischen Bereich primär auf bilateraler Basis zu vertreten.

Eine nachhaltige Interessenvertretung setzt ein eigenes Netzwerk von gut qualifizierten Vertretern mit Direktzugang voraus. Dieses Netzwerk stellen u.a. die Schweizer Botschaften bzw. das SECO mit ihren Spezialisten im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Bereich sicher, die Verteidigungsattachés leisten im Rahmen der Botschaften ihren Beitrag an die sicherheitspolitische und militärische Interessenvertretung.

2.3

Sicherheitskooperation und Defence Diplomacy

Das aussen- und sicherheitspolitische Instrumentarium muss in der Lage sein, Entwicklungen, die unseren Interessen entgegenlaufen, zu erkennen, in ihren Konsequenzen einzuschätzen und angemessen darauf zu reagieren. Die Veränderungen des strategischen Umfeldes der Schweiz und die Veränderungen im Krisenmanagement und in der Interessenvertretung lassen erkennen dass, ­

die Sicherheitspolitik der Schweiz international vernetzt sein muss, damit die Interessen wirksam vertreten werden können;

­

eine Vielzahl an Gefahren und Risiken nur in nationaler und internationaler Kooperation und unter Einsatz ziviler und militärischer Mittel und Kompetenzen wirksam und effizient bekämpft werden können;

­

die internationalen Aktivitäten der Schweizer Armee eine gesamtheitliche Koordination und Steuerung verlangen;

­

das moderne Umfeld auch für den territorialen Verteidigungsauftrag eine vielfältige internationale Kooperation verlangt.

Der Begriff «Defence Diplomacy» umfasst dabei die Summe der Aktionsfelder und Beiträge der Streitkräfte in der bilateralen und multilateralen Sicherheitskooperation und der sicherheitspolitischen und militärischen Interessenvertretung. Zu den wichtigsten Voraussetzungen, welche Defence Diplomacy und Sicherheitskooperation überhaupt ermöglichen gehören: 1.

ein krisenresistentes sicherheitspolitisches und militärisches Netzwerk

2.

eine eigenständige Lagebeurteilungskapazität

3.

ein nachhaltiges Partnerschaftsmanagement und

4.

die Fähigkeit für glaubwürdige operationelle Einsätze im Ausland.

6766

Mit der Veränderung des Risikospektrums haben sich auch die Anforderungen an die Armee verändert. Neben dem Auftrag der Landesverteidigung erhalten Konfliktprävention, Krisenbewältigung, Vorgehen gegen asymmetrisch kämpfende Gegner und Katastrophenhilfe zunehmendes Gewicht. Auch militärische Leistungen beim Wiederaufbau von staatlichen Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen nehmen an Bedeutung zu. Diesen Entwicklungen kann sich auch die Schweizer Armee nicht entziehen.

Die Schaffung einer darüber hinausgehenden gesamtheitlichen, alle sicherheitsrelevanten Bereiche umfassenden «Security Diplomacy» ­ wie von der GPK-N angeregt ­ ist nicht zuletzt abhängig von den Bedürfnissen, die sich aus der Überprüfung der Departementsstrukturen durch den Bundesrat ergeben und kann nicht Gegenstand dieses Berichtes sein.

3

Aufgaben, Funktion und Leistungen des Verteidigungsattachédienstes

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates bekundete Mühe, den konkreten Mehrwert der Arbeit der VA zuhanden der politischen und militärischen Behörden zu eruieren und empfahl die Nützlichkeit des Systems der Verteidigungsattachés ausgehend von den Erwartungen der Behörden und von festgeschriebenen Bedürfnissen zu beurteilen.

3.1

Leistungen und Nutzen des Verteidigungsattachédienstes

3.1.1

Krisenresistentes und bündnisunabhängiges Netzwerk, Informationsbeschaffung und Auswertung

Die VA bauen ein auf die Bedürfnisse der schweizerischen Sicherheitspolitik und der Armee ausgerichtetes krisenresistentes und bündnisunabhängiges Netzwerk auf, betreiben dieses und sorgen für dessen leistungs- und wirkungsorientierte Weiterentwicklung. Dieses Netzwerk ist gleichzeitig Leistung der VA und Voraussetzung für deren weitere Tätigkeiten. Es basiert auf dem Direktzugang zu Verteidigungsministerien und Generalstäben. Dieser Zugang ist für Krisenfrüherkennung und -bewältigung und für die bilaterale Zusammenarbeit wichtig. Der VA kann im Falle von krisenhaften Entwicklungen die Handlungsoptionen seiner Akkreditierungsstaaten ausloten, Konsequenzen für die Schweiz beurteilen und die Interessen der Schweiz bereits frühzeitig einbringen bzw. auf Entwicklungen, die nicht im Sinne der Schweiz laufen, hinweisen. Die Bereitschaft zum Austausch von Informationen ist Ausdruck des Vertrauens, das nur durch beständige Kontakte geschaffen und aufrechterhalten werden kann. Da die Schweiz mit vielen Staaten militärische Informationsschutzabkommen (Nachbarstaaten, Spanien, Belgien, Niederlande, Grossbritannien, den nordischen Staaten, den USA und Kanada etc.) abgeschlossen hat, ist erfahrungsgemäss die Bereitschaft der Gesprächspartner, auch vertrauliche Informationen auszutauschen, viel höher als gegenüber den Medien.

6767

Ein wesentlicher und nicht substituierbarer Teil des Netzwerkes bilden die informellen Kontakte mit den vor Ort residierenden VA anderer Staaten. Damit können zusätzliche Informationen gewonnen und Informationen und Erkenntnisse aus dem Akkreditierungsraum verglichen und allenfalls erhärtet werden.

Die Akkreditierung erlaubt dem Verteidigungsattaché die volle Bewegungs- und Reisefreiheit3 und gibt ihm die Möglichkeit, sich über Ereignisse und allfällige Zusammenarbeitsbedürfnisse direkt vor Ort zu informieren.

Staaten vertreten in ihrer Informationspolitik und -praxis gegen aussen grundsätzlich ihre eigenen Interessen. Dies gilt insbesondere gegenüber Medien und offiziell verbreiteten und zugänglichen Informationen (Internet, Datenbanken). Bei der Informationsbeschaffung und Auswertung generiert der VA für die Schweiz folgenden Nutzen: 1.

Akkreditierung und Direktzugang sowie ihre Einbindung der VA in die Entscheidstrukturen des VBS erlauben es den VA, exklusive Informationen im sicherheitspolitischen und militärischen Bereich zu beschaffen und diese in die Gesamtlagebeurteilung von Bundesrat und Verwaltung, einschliesslich der Nachrichtendienste des VBS und der Botschaft vor Ort, einzubringen.

Die Schweiz hat als Nichtmitglied von NATO und EU nur beschränkten institutionellen Zugang zu den nachrichtendienstlichen Verbundsystemen und dem institutionellen Informationsaustausch unter den Mitgliedstaaten.

Die Verbindungen des VA-Dienstes zu Verteidigungsministerien und Generalstäben erlauben es, entscheidrelevante Informationen auf bilateralem Wege zu beschaffen.

2.

Bei krisenhaften Entwicklungen und bei Katastrophen sind die VA in der Lage, unmittelbar Informationen aus eigener Anschauung zu beschaffen und vor Ort zu überprüfen. Die für allfällige Eskalationen einer Krise und für die Sicherheitsbedürfnisse der Schweiz relevanten Handlungsoptionen von Konfliktparteien und von Partnern bei der Krisen- und Konfliktbewältigung können durch die VA direkt mit den sicherheitspolitischen und militärischen Entscheidträgern besprochen und die Konsequenzen für die Schweiz aufgezeigt und beurteilt werden.

3.

Art, Umfang und Tiefe der durch den VA zu beschaffenden sicherheitspolitischen und militärischen Informationen orientieren sich ausschliesslich an den Bedürfnissen von Bundesrat, VBS und Botschaft und können direkt gesteuert werden. So kann ein Mehrwert erbracht werden, der durch andere Institutionen nicht bzw. nicht zeit- und bedürfnisgerecht erbracht werden kann.

3.1.2

Beziehungsmanagement

Zur Bewältigung der meisten Bedrohungen und Gefahren ist die Schweiz auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern angewiesen. Der VA erbringt folgenden Nutzen für die Beziehungen zu Partnern:

3

Wiener Übereinkommen vom 18.04.1961 über diplomatische Beziehungen; SR 0.191.01; Art. 26.

6768

1.

Die Beurteilung von Fähigkeiten und Möglichkeiten allfälliger Zusammenarbeitspartner im Lichte schweizerischer Bedürfnisse. Diese Beurteilung hat viele Facetten und reicht von der Beurteilung der grundsätzlichen Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Schweiz, über die Analyse von Hintergründen, Motiven und Bedingungen für die Zusammenarbeit, der Bestimmung von Zusammenarbeitsfeldern und Ansprechpartnern bis hin zur teilweise sehr kurzfristigen Abklärung von technischen Möglichkeiten bzw.

der Verfügbarkeit von spezialisiertem Personal und Material (etwa im Fall von Katastrophen). Im militärischen und sicherheitspolitischen Bereich kann dies nur durch einen institutionell und personell gut vernetzten Verteidigungsattaché erbracht werden. Für Einsätze zur Katastrophenhilfe identifiziert der VA in Zusammenarbeit mit der Schweizer Botschaft und den lokalen (Militär- und Sicherheits-)Behörden zunächst die Bedürfnisse vor Ort und übermittelt diese direkt an die zuständigen Stellen. Bis zum Aufbau der regulären Kommandostruktur des eintreffenden Hilfskontingents dient der VA als Kontakt- und Koordinationsstelle zwischen den Elementen des VBS und den lokalen Behörden.

2.

Durch seinen Zugang zu den Entscheidträgern in Verteidigungsministerien und Generalstäben und seiner Kenntnisse der schweizerischen Bedürfnisse kann der VA die Entscheidfindung in seinen Akkreditierungsstaaten unterstützen und zur zeitgerechten und effizienten Entscheidfindung beitragen.

Bei Bedarf (und soweit es die Schweiz betrifft) kann er auf dringlichen Entscheidbedarf hinweisen bzw. Entscheide unter Zeitdruck durch persönliche Einflussnahme beschleunigen. Der Mehrwert äussert sich in der Entscheideffizienz bzw. dem Zeitgewinn bei der Umsetzung der Entscheide.

3.

In der Umsetzung der Zusammenarbeit leistet der VA einen Beitrag zum Einbezug aller involvierten Kooperationspartner und -stellen. Die institutionellen Voraussetzungen und Kompetenzen sind häufig anders als in der Schweiz ausgestaltet. Die Kenntnis der Zuständigkeiten und der Verantwortlichen und der Direktzugang durch den VA erbringt eine durch andere Personen oder Institutionen nicht zu ersetzenden Einsparung an Zeit und Energie, steigert damit die Effizienz entsprechender Operationen bzw. ermöglicht deren Zeitgerechtigkeit.

4.

Besonders in der Konflikt-, Krisen- und Katastrophenbewältigung, aber auch im Beziehungsmanagement im allgemeinen, spielt die Kontinuität der Kontakte eine wichtige Rolle, damit nicht bei jedem Zusammenarbeitsbedürfnis die notwendigen Netzwerke neu aufgebaut und die gegenseitigen Vertrauensverhältnisse neu etabliert werden müssen. Der Nutzen, den der VA als Vertreter von VBS und Armee erbringt, besteht in der Sicherstellung der notwendigen institutionellen und personellen Kontinuität mit den zuständigen Stellen in den Akkreditierungsstaaten und in der Schweiz.

6769

3.1.3

Beiträge zur Umsetzung der militärischen Ausbildungszusammenarbeit und der Kooperationsvorgaben des Chefs der Armee

Für die Schweiz ist die Kooperationsfähigkeit eine wesentliche Voraussetzung zur Wahrung der politischen und militärischen Handlungsfreiheit und Solidarität. Deshalb erliess der Chef VBS, 2003, Weisungen für die militärische Ausbildungszusammenarbeit mit dem Ausland (MilAZA). Diese sind die Grundlage für die Vorgaben des Chefs der Armee zur internationalen Kooperation der Armee.

In diesem Kontext erbringen die Verteidigungsattachés folgende Leistungen: 1.

Vermittlung von direkten, spezialisierten und ausgewerteten Erkenntnissen und Erfahrungen aus den Streitkräftereformen in ihren Akkreditierungsstaaten. Diese fliessen in die sicherheits- und militärpolitischen Analysen und in die Doktrin der Schweizer Armee ein.

2.

Unterstützung bei der Auswahl internationaler Kooperationspartner der Armee.

3.

Beschaffung konkreter, öffentlich nicht zugänglicher Analysen und Erfahrungswerte in einzelnen Kooperationsbereichen, wie z.B. Entwicklung von Strategie und Doktrin, von militärischen Standardisierungs- und Interoperabilisierungsprozessen, von Führungs- und Kommandostrukturen und der dazugehörigen Planungs- und Einsatzprozesse in ihren Akkreditierungsstaaten.

3.1.4

Regionale militärische Kooperation

Im Rahmen der Regionalen militärischen Kooperation (RMK) unterstützt die Schweiz ausländische Streitkräfte nach einer Krise oder einem Krieg in den Bereichen Abrüstung, Aufbau von verlässlichen, demokratisch kontrollierten militärischen Strukturen und Institutionen sowie der Schaffung eigener Kapazitäten der Friedensförderung.

Der Verteidigungsattaché leistet in den verschiedenen Projektphasen von der Bedürfnisermittlung vor Ort bis hin zur Umsetzung und Evaluation der Projekte einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Projekte und verringert das Risiko, dass Projekte nicht bedürfnisgerecht umgesetzt werden, bzw. ihre eigene Nützlichkeit überleben.

3.1.5

Aus- und Weiterbildung im Ausland und Austausch von Einsatzerfahrungen

Damit die Aus- und Weiterbildung von Schweizer Offizieren und Unteroffizieren im Ausland den Bedürfnissen der Armee genügt, bedarf es der kontinuierlichen Verfolgung des Ausbildungsangebotes. Aufgrund des Zuganges zu den zuständigen ausländischen Verwaltungsstellen bzw. der Kommandos der Ausbildungsinstitutionen verfügt der VA nicht nur über die ohnehin im Internet abrufbaren Informationen zu aktuellen Kursen, sondern auch über den Stand der Planung und kann so zur besseren Nutzung künftiger Angebote beitragen. Zusätzlich ist der VA Kontaktpunkt im 6770

Ausland für die militärischen Ausbildungsinstitutionen der Schweiz und Disziplinarvorgesetzter der zur Ausbildung in die Akkreditierungsstaaten entsandten Angehörigen der Armee.

Es wird für die Schweizer Armee zunehmend schwieriger, Ausbildungen im Bereich des Kernauftrages «Verteidigung» auf schweizerischem Territorium durchzuführen.

Für einen Teil dieser Ausbildung stehen Simulatoren zur Verfügung. Diese können jedoch die praktischen Erfahrungen von Kommandanten und Mannschaften im Felde nicht ersetzen. Diesbezüglich ist die Schweiz teilweise auf Ausbildungsmöglichkeiten im Ausland angewiesen. Der VA trägt mit seinen Kontakten zur Planung, Durchführung und Umsetzung derartiger Ausbildungen bei. Ausserdem kann der VA-Dienst alternative Angebote aus Staaten, mit welchen noch keine Absprachen bestehen, aufzeigen bzw. gegebenenfalls einholen.

Da die Schweizer Armee nur über wenig direkte Erfahrungen aus Konflikt- und Krisengebieten verfügt, sind für sie Einsatzerfahrungen ausländischer Streitkräfte wichtig. Diese sind jedoch häufig gar nicht, nicht zeitgerecht oder nicht im notwendigen Detaillierungsgrad öffentlich zugänglich. Durch eigene Beobachtungen, Kontakte mit militärischen Feldkommandanten und den für die Operationsführung zuständigen Stellen in den Generalstäben sowie durch Erfahrungsaustausch mit der VA-Gemeinschaft leistet der VA einen wesentlichen Beitrag zum Transfer des notwendigen Know-how.

3.1.6

Direktkontakte auf hoher Ebene

Zur Wahrnehmung sicherheitspolitischer und militärischer Interessen im Ausland sind direkte Kontakte und Erfahrungsaustausch zwischen politisch und militärisch verantwortlichen Chefs von zentraler Bedeutung. Dazu gehören die Kontakte des Chefs VBS und des Chefs der Armee, aber auch Kontakte und Stabsgespräche zu Planung, Operationen, Rüstung etc. Damit diese Kontakte zustande kommen und ihren Zweck erfüllen, sind die Dienstleistungen der Verteidigungsattachés von erheblicher Bedeutung. Aufgrund der spezifischen Strukturen und Zuständigkeiten in den Verteidigungsministerien und Generalstäben identifiziert der VA Gesprächspartner, Gesprächsthemen und -bedürfnisse. Dazu sind detaillierte Kenntnisse sowohl der schweizerischen Strukturen als auch des Systems und der Funktionsträger der besuchten Staaten nötig. Der VA erarbeitet ­ zusammen mit dem Missionschef im Falle von Besuchen des Chefs VBS ­ das Besuchsprogramm und trägt zum Besuchsdossier bei. Der VA leistet ausserdem einen Beitrag zur Umsetzung von Vereinbarungen.

3.1.7

Beratung des Missionschefs

Der Verteidigungsattaché ist als Spezialist in die jeweilige Botschaft integriert. In dieser Funktion leistet er den sicherheitspolitischen und militärischen Beitrag zur Lage- und Risikobeurteilung der Botschaft und zur Interessenvertretung vor Ort. Ein besonders deutliches Beispiel stellen die Leistungen des für die Beziehungen zu Israel zuständigen Verteidigungsattachés bei der Evakuation von Schweizer Touristen aus dem Libanon anlässlich des israelischen Angriffes dar. Dank seiner direkten Beziehungen zum Kommando der israelischen Luftwaffe gelang es ihm sicherzustel6771

len, dass die Evakuationsroute während der Evakuation nicht bombardiert wurde.

Gleichzeitig stellte der im Libanon akkreditierte VA die Kontakte zur libanesischen Armee sicher. Ein weiteres Beispiel ist die Ausbildung von schweizerischem Botschaftspersonal im Bereich Schutzmassnahmen (Schutzmasken) durch die VA.

3.1.8

Beurteilung des Nutzens der VA-Arbeit

Der grundsätzliche Nutzen der Verteidigungsattachés wurde in verschiedenen Arbeitsgruppen unter Einbezug aller Leistungsbezüger (VBS-intern aber auch unter Einbezug, des EDA, des EJPD und des SECO) vertieft analysiert und beurteilt.

Aufgrund der Bedürfnisse wurde zunächst ein detailliertes Leistungsprofil erstellt.

Anschliessend wurden die Leistungen durch die Leistungsbezüger mit den Kategorien zwingend, wichtig und nützlich beurteilt. Ausserdem wurde die Frage geprüft, welche Leistungen durch andere Stellen (Diplomaten des EDA, Polizeiattachés, Migrationsverantwortliche) substituierbar sind.

Der dabei festgestellte Nutzen der Arbeit der Verteidigungsattachés ergibt sich aus: 1.

den oben aufgeführten exklusiven Dienstleistungen,

2.

der Erhöhung der Reaktionsfähigkeit der sicherheitspolitischen und militärischen Führung in Krisen aufgrund frühzeitiger, zuverlässiger Lagebeurteilungen,

3.

einer Verbesserung der Beurteilungsgrundlagen der strategischen Führung, sowie

4.

der Erhöhung der Handlungsfähigkeit vor Ort im Falle von Krisen, Katastrophen und Konflikten.

Eine finanzielle Quantifizierung dieses Nutzens wäre schwierig. In jenen Bereichen, wo dies ansatzweise möglich ist (z.B. entstehen durch Vermittlung von Ausbildungsmöglichkeiten im Ausland der Armee Minderkosten, da diese Ausbildung nicht selbst organisiert und durchgeführt werden muss), zeigen eigene Berechnungen, dass die Einsparungen substanziell sind. Der Wert des Beziehungsnetzes, der Dienstleistungen im Partnerschaftsmanagement, der Beiträge zur Lagebeurteilung oder zur regionalen militärischen Kooperation, sowie der Gewinn, der sich nach Rückkehr eines VA aus dessen Erfahrungen und Kontakten für das VBS und die Schweizer Armee schöpfen lässt, sind nicht bezifferbar, in ihrer Gesamtheit jedoch für VBS und Armee unverzichtbar und nicht substituierbar.

4

Führung und Unterstellung des VA-Dienstes

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfahl in ihrem Bericht eine Neugestaltung und Vereinfachung der Führungsstrukturen.

6772

4.1

Führung und Unterstellung

Dem Chef Internationale Beziehungen im Stab des Chefs der Armee obliegt die Gesamtverantwortung für die Führung des VA-Dienstes. Der Direktor des Strategischen Nachrichtendienstes ist verantwortlich für die Steuerung und Koordination der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung der Verteidigungsattachés. Der Chef Einsatz VA leitet den eigentlichen Einsatz der VA-Posten und ist verantwortlich für: 1.

Operationelle Führung der VA-Posten. Dazu gehört die einheitliche Beauftragung, Steuerung, Fokussierung und Qualitätskontrolle, aber auch die personelle und administrative Führung des VA-Dienstes unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Leistungsbezüger.

2.

Ordnungsgemässe Organisation, Durchführung und bedürfnisgerechte Anpassung von Rekrutierung und Selektion künftiger VA. Der Entscheid über eine Zulassung zum VA-Dienst wird durch die Selektionskommission unter der Leitung des C IB V getroffen. Die Ernennung zum Verteidigungsattaché erfolgt mittels Versetzungsschreiben durch den Chef VBS.

3.

Ausbildung künftiger VA. Er hat insbesondere sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Leistungsbezüger und die Einsatzerfahrungen der aktiven VA angemessen in die Ausbildung einfliessen.

4.

Bedürfnisgerechte Weiterentwicklung des VA-Dienstes.

Im Rahmen der Gesamtanalyse des VA-Dienstes wurden auch alternative Unterstellungsmodelle (inkl Unterstellung unter zivile Instanzen) für den VA-Dienst geprüft.

Aufgrund des spezifisch sicherheitspolitisch-militärischen Leistungsprofils der VA und der Aufgabenzuweisung des Bereiches Internationale Beziehungen Verteidigung durch die Armeeführung bzw. der Aufgabenteilung zwischen der IBV und der Direktion für Sicherheitspolitik (DSP) wurde die seit September 2002 bestehende Unterstellung unter die IB V als zweckmässig beurteilt.

4.2

Führungsverantwortlichkeiten, -strukturen und -mittel

Um die Führungsprozesse zu verbessern und die Interessen der Leistungsbezüger besser zu berücksichtigen, wurden folgende Anpassungen umgesetzt: 1.

Per 1. Januar 2006 wurde ein Steuerungsausschuss unter Leitung des Chefs Internationale Beziehungen Verteidigung geschaffen. Dem Steuerungsausschuss, der alle 3 Monate tagt, gehören an: der Chef Internationale Beziehungen Verteidigung (Vorsitz), der Direktor Sicherheitspolitik VBS, der Direktor Strategischer Nachrichtendienst und der Chef Einsatz Verteidigungsattachés. Bei Bedarf können weitere Vertreter beigezogen werden (z.B. Chef MND, SECO, EDA). Der Steuerungsausschuss ist das oberste Beratungs- und Konsultationsorgan des Chefs Internationale Beziehungen Verteidigung für den Verteidigungsattaché-Dienst. Es behandelt alle strategischen Fragen bezüglich Gesamtkorps, Ausrichtung und Personalmanagement des VA-Dienstes.

6773

2.

Bereits seit 2003 besteht der sog. «Tasking»-Ausschuss. Dieser tagt alle 3 Wochen und ist das Mittel des Chefs Einsatz VA, um eine gesamtheitliche Interessenvertretung durch den VA-Dienst sicherzustellen. Gemäss etabliertem Pflichtenheft werden Koordinationsbedarf, Synergien und Alternativen identifiziert und der Gesamteinsatz optimiert. Diese Koordination erlaubt dem Chef Einsatz VA die Gesamtsteuerung des VA-Dienstes und das Festlegen der Prioritäten unter Berücksichtigung der Interessen der Leistungsbezüger und der Belastungen der VA-Posten. Im Tasking-Ausschuss sind folgende Institutionen vertreten: Chef Einsatz VA (Vorsitz), IB V (inhaltliche Steuerung, Streitkräftebeziehungen und Militärprotokoll), die Direktion für Sicherheitspolitik, der Strategische Nachrichtendienst, der Militärische Nachrichtendienst und der Luftwaffennachrichtendienst.

3.

Per 1. Juli 2006 konnte im Einsatz Verteidigungsattachés die Stelle der «inhaltlichen Steuerung» geschaffen und besetzt werden. Zu deren Aufgaben gehören Leitung und Koordination der Auftragserteilung an die schweizerischen Verteidigungsattachés im Ausland und Erfolgskontrolle. Dadurch kann eine einheitliche Beauftragung und nachhaltige inhaltliche Steuerung und Fokussierung sichergestellt werden.

4.

Die nun jährlich stattfindende VA-Konferenz, welche mit Synergien zur Botschafterkonferenz durchgeführt wird, ermöglicht die unmittelbare Einflussnahme des Chefs Internationale Beziehungen Verteidigung und der Leistungsbezüger zur Sicherstellung eines kohärenten Auftretens und der inhaltlichen Ausrichtung des VA-Dienstes. Durch Direktkontakte wird zusätzlich das persönliche Feedback verstärkt.

5.

Mit allen VA-Posten werden ­ auch unter Einbezug des Missionschefs ­ spezifische Jahreszielsetzungen vereinbart, und gemäss LOBE findet in der Jahreshälfte ein Lenkungsgespräch statt. Das systematische Feedback erfolgt sowohl in den monatlichen Postenbesprechungen des Chefs Einsatz VA als auch bei den einzelnen Berichten durch die Leistungsbezüger sowie in der Jahresbeurteilung, welche Leistungsbezüger und Botschafter einschliesst.

Durch diese Mechanismen ist eine einheitliche, effiziente, schlanke und kostengünstige Führung des Verteidigungsattaché-Dienstes sichergestellt. Ein durch moderne Übermittlungsmittel ermöglichter strukturierter Zugriff wichtiger Leistungsbezüger (DSP, SND, MND, LWND) zu den Verteidigungsattachés in klar definierten Fällen (v.a. kurze Zeitverhältnisse bei Informationsbeschaffungen) und unter Absprache mit dem Chef Einsatz VA schränkt die Führung keineswegs ein, sondern erhöht die Reaktionsfähigkeit und somit den Mehrwert des VA-Dienstes. Damit die Berichterstattung allen Leistungsbezügern zeitgerecht zur Verfügung gestellt werden kann, schaffen die Internationalen Beziehungen Verteidigung die notwendigen Voraussetzungen und stellen eine elektronische Plattform zur Verfügung, welche den Sicherheitsbedürfnissen des VA-Dienstes und der Leistungsbezüger Rechnung trägt.

Am Einsatzort sind die Verteidigungsattachés dem Missionschef als bevollmächtigtem Vertreter des Gesamtbundesrates unterstellt. Der Missionschef trägt die Gesamtverantwortung für die Mission in den Gaststaaten. Im Sinne einer einheitlichen Interessenwahrung wird der Missionschef in die Beauftragung der VA einbezogen.

Die Jahresziele des Missionschefs werden in die Gesamtziele der VA integriert. Der VA hat gegenüber dem Missionschef zudem eine Informationspflicht. Die Weisungen für die operationellen Tagesgeschäfte erhalten die VA direkt von der IB V unter 6774

Kenntnisgabe an den Missionschef. Der Missionschef hat auch Zugang zur gesamten Berichterstattung der VA. Einzelne sensitive Berichte werden von den VA jedoch direkt ­ unter Kenntnisgabe an den Bereich Einsatz VA ­ an die zuständige Stelle im Bern (v.a. SND) weitergeleitet.

4.3

Konsequenzen

Die dargestellten Massnahmen erlauben eine einheitliche Führung, bei welcher der Chef Internationale Beziehungen Verteidigung die integrale Verantwortung trägt und die geforderten Leistungen ­ besonders die Berichterstattung ­ zuhanden der Leistungsbezüger zeit- und bedürfnisgerecht sichergestellt werden. Engpässe und konkurrierende Prioritäten können schnell erkannt und mit den Betroffenen gelöst und Schlüsselinformationen weitergeleitet werden.

5

Dispositiv der Verteidigungsattachés

Die Geschäftsprüfungskommission hält das gegenwärtige Netz der Verteidigungsattachés für zu ausgedehnt und ist der Meinung, das Dispositiv sei auf das wirklich Notwendige zu beschränken und das nur Wünschbare sei auszuschliessen. Aufgrund ihres beschränkten Einflussbereiches und ihrer begrenzten Möglichkeiten müsste die Schweiz ausschliesslich mit jenen Ländern eine militärische Diplomatie unterhalten, mit denen sie gemeinsame Werte verbindet.

In der Folge wurden die Stationierungskriterien, die Postenprofile und das bestehende Postennetz inklusive der Seitenakkreditierungsstaaten unter Einbezug aller Leistungsbezüger sowohl des VBS als auch des EDA und des EJPD radikal überprüft und neu beurteilt.

5.1

Kriterien für die Stationierung von Verteidigungsattachés

Aus den Interessen der schweizerischen Sicherheitspolitik und der Armee ergeben sich folgende Kriterien und Anforderungen für die Beurteilung des Dispositivs: 1.

die Informationsbedürfnisse von VBS und Armee zur frühzeitigen Erkennung von Gefährdungen sicherheitspolitischer und militärischer Interessen und als Voraussetzung des Beziehungsmanagements

2.

die Kooperationsbedürfnisse von VBS und Armee, sowie

3.

die Bewältigung von Krisen und Konflikten mit Auswirkungen auf die Schweiz aber auch von Umwelt- und zivilisatorischen Katastrophen.

Für die Stationierung der Verteidigungsattachés ergibt sich aus diesen Kriterien das Bedürfnis nach Stationierung von VA in Krisen- und Konfliktregionen mit Auswirkungen auf die Schweiz und in Staaten, mit denen die Schweiz eine substanzielle Kooperation hat. Eine Stationierung von VA ausschliesslich in Staaten, welche die gleichen Werte verfolgen, ist nicht zielführend, weil der VA-Dienst dadurch seine Funktion als Sensor zur Früherkennung von Gefährdungen und bei der Bewältigung von Krisen und Konflikten nicht mehr wahrnehmen könnte.

6775

5.2

Postenprofile

Aus den drei Kriterien ergeben sich unterschiedliche Profile für die geographische Positionierung und die personelle Besetzung. Zur Abdeckung der Informationsbedürfnisse, aber auch zur Bewältigung von Krisen, Konflikten und Katastrophen ist eine Präsenz in der Konflikt- bzw. Krisenregion notwendig. Dies kann durch Hauptakkreditierung in einem regional einflussreichen Staat mit gutem Zugang zur gesamten Region und eine Seitenakkreditierung im von der Krise betroffenen Staat erfolgen. Diese Art der Stationierung hat den Vorteil, dass sie Zugang zu den Entscheidträgern der regional einflussreichen Staaten erlaubt und gleichzeitig die Möglichkeit der direkten Lagebeurteilung vor Ort im Krisengebiet ermöglicht. Im Bereich des Partnerschaftsmanagements ist eine direkte Präsenz in Nachbarstaaten und anderen europäischen Hauptstädten zentral. Da die Handlungen der Grossmächte auf die Entwicklung von Krisen und Konflikten, aber auch auf deren Bewältigung oft den entscheidenden Einfluss haben, ist die Stationierung von VA auch dort von hoher Bedeutung für Früherkennung und Krisenmanagement.

Die folgende Tabelle zeigt einen Überblick über die unterschiedlichen Profile der VA-Arbeit in Regionen, die für die Schweiz wichtig sind und in welchen sich die Schweiz aussen- und sicherheitspolitisch engagiert: Region

Bearbeitungsschwerpunkte Verteidigungsattaché

Westeuropa

Partnerschaftsmanagement; militärische Ausbildungszusammenarbeit; Direktkontakte auf hoher Ebene; militärische und sicherheitspolitische Aus- und Weiterbildungsprogramme; Austausch von Einsatzerfahrungen; Beiträge zur strategischen Lagebeurteilung; Beiträge zu Früherkennung und Krisenmanagement

Grossmächte

Partnerschaftsmanagement; militärische Ausbildungszusammenarbeit; Direktkontakte auf hoher Ebene; Beiträge zur strategischen Lagebeurteilung; militärische und sicherheitspolitische Aus- und Weiterbildungsprogramme; Austausch von Einsatzerfahrungen

Osteuropa

Sicherheitspolitische und militärische Informations- und Grundlagenbeschaffung (staatliche Stabilität, neue Risiken und Gefahren); Beiträge zu Früherkennung und Krisenmanagement, Beiträge zur strategischen Lagebeurteilung; regionale militärische Kooperation

Balkan

Sicherheitspolitische und militärische Informations- und Grundlagenbeschaffung, Berichterstattung (staatliche Stabilität, Konsequenzen für die Schweiz/SWISSCOY, Migration, Terror, Drogen- und Menschenhandel); regionale militärische Kooperation (Programme in Bosnien und Herzegowina, Albanien)

Naher und Mittlerer Osten

Sicherheitspolitische und militärische Informations- und Grundlagenbeschaffung, Berichterstattung (Beurteilung der Konflikte und der Auswirkungen auf die Schweiz; Migration, Terror, gewaltbereiter Islamismus)

6776

Region

Bearbeitungsschwerpunkte Verteidigungsattaché

Nordafrika

Sicherheitspolitische und militärische Informations- und Grundlagenbeschaffung, Berichterstattung (Beurteilung der laufenden Konflikte und potentieller Konfliktherde, Bevölkerungswachstum und -struktur, und der Auswirkungen auf die Schweiz; Auswanderungsdruck, Terror, gewaltbereiter Islamismus)

Afrika südlich der Sahara

Sicherheitspolitische und militärische Informations- und Grundlagenbeschaffung, Berichterstattung (Beurteilung der laufenden Konflikte und potentieller Konfliktherde, Bevölkerungswachstum und -struktur, und der Auswirkungen auf die Schweiz; Auswanderungsdruck, Terror, gewaltbereiter Islamismus); regionale militärische Kooperation; Unterstützung von Vermittlungsbemühungen (Sudan)

Asien

Sicherheitspolitische und militärische Informations- und Grundlagenbeschaffung, Berichterstattung (Beurteilung der laufenden Konflikte und potentieller Konfliktherde, Bevölkerungswachstum und -struktur, und der Auswirkungen auf die Schweiz; Auswanderungsdruck, Terror, gewaltbereiter Islamismus; Proliferationsgefahr von Massenvernichtungsmitteln); Katastrophenhilfe

5.3

Seitenakkreditierungen

Seitenakkreditierungen sind ein kostengünstiges Mittel, um die Interessen von VBS und Armee in möglichst vielen Staaten zu vertreten, allfälligen Beschränkungen des Zugangs etwa zu Krisengebieten zuvorzukommen und ein initiales Beziehungsnetz aufrecht zu erhalten. Ohne Akkreditierung haben staatliche Behörden jederzeit die Möglichkeit, mit administrativen Massnahmen die Einreise zu verweigern und/oder die Reisefreiheit einzuschränken. Gemäss Wiener Konvention4 gewährt jedoch der Empfangsstaat allen Mitgliedern einer Mission grundsätzlich volle Bewegungs- und Reisefreiheit in seinem Hoheitsgebiet. Mit dieser Regelung wird es für einen Akkreditierungsstaat ­ auch in einer Krisensituation ­ wesentlich schwieriger, einem Verteidigungsattaché die Einreise zu verweigern oder die Reisefreiheit einzuschränken. Seitenakkreditierungen bedingen zwar Abwesenheiten des VA im Hauptakkreditierungsstaat, haben aber den Vorteil dass der VA besser die Probleme der gesamten Region einschätzen und in die Lagebeurteilung einbringen kann. Die bisherige Regelung sah pro Hauptakkreditierungsstaat im Durchschnitt vier bis fünf Seitenakkreditierungen vor; in Extremfällen sechs.

Eine detaillierte Überprüfung durch die Leistungsbezüger und die Befragung der Missionschefs und der VA hat die Analyse der Geschäftsprüfungskommission bestätigt, dass trotz Prioritätensetzung das Netz der Seitenakkreditierungen zu ausgedehnt ist und nicht in der verlangten Tiefe bearbeitet werden kann. Aus diesem Grund erachtet es der Bundesrat als notwendig, die Zahl der Seitenakkreditierungen massiv zu reduzieren und auf maximal drei pro Hauptakkreditierung zu beschrän4

Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen; SR 0.191.01; Art. 26.

6777

ken. Die Gesamtzahl wird deshalb von derzeit 56 auf ca. 30 Seitenakkreditierungen reduziert. Der Bundesrat nimmt im Interesse einer seriösen Bearbeitung dabei auch Nachteile in Kauf. Der Wegfall von Seitenakkreditierungen etwa im Baltikum, in Osteuropa und Zentralasien hat zur Folge, dass die dort laufenden Projekte anderweitig betreut werden müssen und der VA seine Rolle als Frühwarnelement in diesen Regionen nicht mehr wahrnehmen kann.

5.4

Reiseattachés

Die Schweiz hat bisher keine Erfahrungen mit dem Einsatz von Reiseattachés.

Erfahrungen aus anderen Staaten gibt es nur vereinzelt und sie können ­ aufgrund teilweise sehr unterschiedlicher Einsatzkonzepte ­ nur begrenzt auf die Schweiz übertragen werden. Die Frage des Ersatzes von Verteidigungsattachéposten bzw.

von Seitenakkreditierungen durch Reiseattachés (Roving Attachés) wurde durch alle Leistungsbezüger geprüft. Ergebnis dieser Prüfung ist, dass in einem zweijährigen Versuch Erfahrungen gesammelt werden sollen, damit anschliessend ein gut abgestützter Entscheid getroffen werden kann.

Um den Versuch mit Reiseattachés erfolgreich durchzuführen, sind zwei Voraussetzungen zu schaffen: 1.

Damit die Reiseattachés ihre Funktion glaubwürdig und wirksam wahrnehmen können, ist es zwingend, dass sie nach denselben Kriterien selektioniert und ausgebildet werden wie residente Verteidigungsattachés.

2.

Damit die Einheitlichkeit der Interessenvertretung bzw. der Auftragserteilung auch bei den Reiseattachés sichergestellt werden kann, sind dieselben Unterstellungsverhältnisse wie bei residenten Verteidigungsattachés vorzusehen.

Reiseattachés können residente Verteidigungsattachés weder in Hauptakkreditierungsstaaten noch in für die Schweiz besonders wichtigen Seitenakkreditierungsstaaten ersetzen. Dies aus verschiedenen Gründen: 1.

Reiseattachés verfügen nicht über ein durch längere Präsenz geschaffenes und durch Kontinuität gefestigtes vertieftes Beziehungsnetz und die direkte Erfahrung vor Ort. Da sie nicht permanent im Akkreditierungsstaat anwesend sind, sind sie auch in der kontinuierlichen Verfolgung von Entwicklungen eingeschränkt.

2.

Reiseattachés haben ­ neben ihrer Tätigkeit als VA ­ Verpflichtungen an ihrem angestammten Arbeitsplatz wahrzunehmen. Die residenten Verteidigungsattachés stehen ausschliesslich für VA-Aufgaben zur Verfügung; sie haben keine Verantwortungen und Verpflichtungen anderen Funktionen und Dienststellen gegenüber und stehen zur Verfügung, wann und wo sie benötigt werden.

3.

Um seine tägliche Aufgabe zu erfüllen, befasst sich der residente VA ohnehin nicht ausschliesslich mit dem Hauptakkreditierungsstaat, sondern auch mit regionalen Fragen und Problemen. Die so erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen fliessen auch in die Lagebeurteilung im Hauptakkreditierungsstaat ein und stellen ­ auch gegenüber der Botschaft ­ einen gewichtigen Mehrwert dar.

Reiseattachés vermögen diese Aspekte nicht gleichermassen zu erfüllen

6778

4.

5.5

Finanziell werden Reiseattachés, vor allem im Vergleich zu Seitenakkreditierungen, nicht grosse Einsparungen bringen. Lohnkosten und Spesen unterscheiden sich vom jetzigen System nicht; hingegen dürften Reisekosten und Reisezeit etwas höher ausfallen (Reisen ab Bern statt regionale Reisen).

Die teilweise Ersetzung von Seitenakkreditierungen durch Reiseattachés ist allerdings auch nicht finanziell begründet.

Konsequenzen

Aus diesen Schlussfolgerungen und den sicherheitspolitischen und militärischen Interessen der Schweiz ergeben sich folgende Konsequenzen: 1.

Das Stationierungskonzept muss sich zwingend nach den Kernkriterien (Informationsbedürfnisse, Kooperationsbedürfnisse und Bewältigung von Krisen und Konflikten) ausrichten. Schlüsselregionen sind durch residente Verteidigungsattachés abzudecken.

2.

Im Sinne einer klaren Prioritätensetzung wird auf fast die Hälfte der Seitenakkreditierungen verzichtet. In Regionen, wo ausgewiesene sicherheitspolitische Interessen der Schweiz zu vertreten sind, soll mit bestehenden Mitteln die Präsenz durch residente VA gegebenenfalls ergänzt werden. Diese Anpassungen erfolgen im Rahmen der bestehenden Personalressourcen des VA-Dienstes (z.B. durch Umnutzung von VA-Stellvertreter-Stellen als residente VA). Die Kosten für die Umsetzung werden im Rahmen des ordentlichen Budgets des VBS getragen.

3.

Die Anzahl der Seitenakkreditierungen ist ­ aufgrund vorgegebener Prioritäten und Absprachen mit allen Leistungsbezügern ­ von derzeit 56 auf ca. 30 zu reduzieren. Ein Verteidigungsattaché soll in maximal drei Staaten seitenakkreditiert sein. Jeder dieser Seitenakkreditierungen ist eine klare Priorität zuzuordnen. Die Reduktion der Seitenakkreditierungen und damit eine wesentliche Entlastung der Posten kann bereits unmittelbar nach Vorliegen des Bundesratsentscheides vorgenommen werden.

4.

Das angepasste Dispositiv wird ab erstem Quartal 2008 durch den Bundesrat umgesetzt. Das Dispositiv wird kontinuierlich alle zwei Jahre durch die Internationalen Beziehungen Verteidigung unter Einbezug aller Leistungsbezüger überprüft.

5.

Die Anpassungen sollen wenn immer möglich mit der Ablösung eines Verteidigungsattachés vorgenommen werden, damit die Veränderungen auch arbeitsvertragsrechtlich nachvollzogen werden können.

6.

Um Erfahrungen zu sammeln soll während zwei Jahren ein Reiseattaché im Sinne eines Versuches eingesetzt werden.

7.

Die Anpassungen sollen spätestens 2010 abgeschlossen sein.

Es wird ein VA-Dispositiv ins Auge gefasst, das sehr viel weniger Seitenakkreditierungen (ca 30 statt 56) aufweist. Um schon lange erkannte und bisher nicht abgedeckte Bedürfnisse im VA-Dispositiv zu befriedigen, müssen einzelne Posten auf Stellvertreter verzichten. Mit der gleichen Anzahl Personal werden weniger Staaten besser abgedeckt, wobei die Anpassungen schrittweise erfolgen.

6779

6

Rekrutierung, Selektion, Ausbildung und Karriereplanung der Verteidigungsattachés

Der Bundesrat hat mit Genugtuung die Feststellung der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates zur Kenntnis genommen dass das Rekrutierungs- und Ausbildungssystem von sehr guter Qualität ist. Die GPK-N forderte aber eine Stärkung des Berufsbildes durch eine systematische Karriereplanung und die konsequente Nutzung des «Return on Investment» und regte die Schaffung einer Fachkarriere an.

6.1

Rekrutierung und Selektion von Verteidigungsattachés

Die Rekrutierung von gut qualifizierten Berufsoffizieren und zivilen Mitarbeitern des VBS als Verteidigungsattachés ist nur möglich, wenn diese Einsätze im Gesamtrahmen der Aufträge von VBS und Armee wichtig und sinnvoll sowie Teil einer systematischen Karriereplanung sind und als Anreiz für die persönliche Weiterentwicklung wahrgenommen werden. Dabei ist unabdingbar, dass alle angehenden Verteidigungsattachés ­ ungeachtet ihres Ranges, ihrer vorhergehenden Funktion und Erfahrung ­ die Selektion und die vollständige Ausbildung durchlaufen. Die Stationen Rekrutierung ­ Selektion ­ Ausbildung ­ Einsatz ­ Rückkehr müssen als gesamtheitlicher Prozess und Teil einer systematischen Karriereplanung wahrgenommen werden, in welcher ein Element das andere bedingt. Dabei muss sowohl den Bedürfnissen des Arbeitgebers bzw. des VA-Dienstes als auch jener der Arbeitnehmer Rechnung getragen werden. Entsprechend ist auf den Ersteinsatz von Personen kurz vor der Pensionierung zu verzichten, da ihre Erfahrungen nach der Rückkehr der Bundesverwaltung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Die Erfahrung zeigt, dass immer wieder sehr gute Offiziere von ausserhalb des VBS als Verteidigungsattachés rekrutiert werden konnten. Die Funktion als VA sollte grundsätzlich allen geeigneten Offizieren ­ inkl Milizoffizieren, welche nicht im VBS bedienstet sind ­ offen stehen.

6.2

Karriereplanung und Rückkehr aus dem Einsatz

Dem Bedürfnis nach Karriereplanung wurde bisher mit punktuellen Massnahmen (Absprachen innerhalb der Verwaltung in Einzelfällen bzw. Übernahme einzelner VA und Stv VA durch die bisherigen Dienststellen) nur unsystematisch, nicht immer rechtzeitig und damit ungenügend Rechnung getragen. Die Grundlage zur Verbesserung dieser Situation und zur systematischen Karriereplanung wurde im Juni 2006 durch einen Entscheid des Chefs der Armee geschaffen. Dieser hält fest, dass 1.

operationelle Auslandeinsätze ­ im Unterschied zu Ausbildungsaufenthalten ­ qualifizierten Einsätzen im Inland gleichgestellt werden;

2.

operationelle Auslandeinsätze zu Beförderungsbedingungen werden, und dass

3.

die Internationalen Beziehungen Verteidigung in Zusammenarbeit mit dem Führungsstab, dem Planungsstab, den Teilstreitkräften und der Einsatz- und Laufbahnsteuerung des Departementsbereiches Verteidigung eine laufende

6780

Liste über Einsatzmöglichkeiten im Ausland und deren Anforderungsprofile führen.

Als Konsequenz werden seit Ende 2006 Berufsoffizieren und zivilen Angestellten des VBS, die sich in einem Auslandeinsatz befinden, Einsatzoptionen für die Zeit nach ihrer Rückkehr aufgezeigt. Vor Abreise wird ein Spektrum von grundsätzlichen Einsatzmöglichkeiten mit Prioritäten vereinbart, ergänzt durch eine Verpflichtung der Herkunftsorganisation zur Rückübernahme. Während des Einsatzes finden regelmässig Gespräche über Einsatzmöglichkeiten nach der Rückkehr statt und im letzten Einsatzjahr wird die Folgeverwendung vertraglich festgelegt.

Damit auch Kandidaten von ausserhalb des VBS Möglichkeiten zum Weitereinsatz im Rahmen des VBS aufgezeigt werden können, müssen diese Kandidaten im Assessment zusätzlich auf mögliche Anschlussverwendungen im VBS bzw. in der Armee geprüft werden.

6.3

Aus- und Weiterbildung der Verteidigungsattachés

Der Verteidigungsattaché-Dienst ist kein Karrieredienst im Sinne des EDA, in den junge Leute nach ihrem Studium eintreten und während verschiedenen Einsätzen im In- und Ausland Erfahrungen sammeln können. Aufgrund der hohen Visibilität des Verteidigungsattachés im Ausland unmittelbar nach Einsatzbeginn verlangt das Stellenprofil Berufs- und Lebenserfahrung sowie militärische Breitenerfahrung.

Ausserdem ist die Fehlertoleranz von Beginn an gering. Diese Umstände begründen die Wichtigkeit der Ausbildung und setzen gleichzeitig hohe Anforderungen.

Die Ausbildung der Verteidigungsattachés dauert rund ein Jahr und trägt den modernen Erkenntnissen der Erwachsenenbildung, einem breiten Sicherheitsbegriff und vor allem den Bedürfnissen der Leistungsbezüger Rechnung. Die hohe Qualität ist beizubehalten.

Der Gesamteinsatz als Verteidigungsattaché ist im Rahmen der Karriereplanung als Weiterbildung und Kompetenzerweiterung im Hinblick auf nachfolgende Funktionen zu betrachten. Ausserdem wird im Rahmen der jährlichen lohnorientierten Beurteilung eine Standortbestimmung durchgeführt, welche die Personal- und Karriereentwicklung zum Inhalt hat. Die jährliche Verteidigungsattachékonferenz, die seit 2003 parallel und mit Synergien zur Botschafterkonferenz des EDA durchgeführt wird, entspricht zwei grundlegenden Bedürfnissen. Einmal wird dem Bedürfnis nach Abstimmung und persönlichen Gesprächen sowohl mit Vertretern der Bundesverwaltung in Bern als auch mit Vertretern des EDA und VA-Kollegen, die in derselben Region tätig sind, Rechnung getragen. Zudem werden die neusten sicherheitspolitischen und militärischen Entwicklungen in der Schweiz und die sich daraus für die VA ergebenden Konsequenzen aufgezeigt, was dem Bedürfnis nach Weiterbildung zumindest teilweise Rechnung trägt.

6781

6.4

Anpassungsbedarf

Um diesen Standard beizubehalten, ist eine ständige Überprüfung des Anforderungsprofils, der Selektion und der Ausbildung nötig. Es ist vorgesehen, im Einzelfall zusätzlich durch eine postenspezifische Weiterbildung die Qualität der Arbeit der VA zu verbessern.

Das differenzierte Auswahlverfahren sowie die obligatorische Ausbildung sind für alle VA-Kandidaten zwingend (inklusive HSO).

7

Sonderfragen

7.1

Synergien mit anderen Attachés

In Ihrem Bericht empfahl die GPK-N, die Synergien zwischen den Funktionen der Verteidigungsattachés und der verschiedenen Angestellten des Bundes, die in anderen Sicherheitsbereichen im Ausland tätig sind (Polizeiattachés, Migrationsfachleute usw.) zu verbessern.

Zunächst ist festzuhalten, dass Aufgabenbereiche, Anforderungsprofile und Netzwerke in den Akkreditierungsstaaten sich stark unterscheiden und die Funktionen nicht gegenseitig austauschbar sind. Während die Verteidigungsattachés im sicherheitspolitisch-militärischen Bereich arbeiten und entsprechend auch ihr Netzwerk aufbauen und bewirtschaften, besteht der Hauptauftrag der Polizeiattachés in der operationellen polizeilich-justiziellen Zusammenarbeit (z.B. Direktkontakte FBIfedpol). Auf die Frage der Terrorbekämpfung übertragen heisst das, dass der Verteidigungsattaché im Rahmen seines Auftrages in Krisenregionen bzw. in Regionen, in welchen die staatliche Ordnung und Stabilität zu zerbrechen droht, sich mit der Frage des Entstehens, Hintergründen, Anfängen und Entwicklung von terroristischen Organisationen und Bewegungen und Möglichkeiten zur Förderung von Stabilität und Rechtsstaatlichkeit befasst, während die Polizeiattachés die operationelle Zusammenarbeit zwischen den Justiz- und Polizeiorganen der Schweiz und ihren Akkreditierungsstaaten (z.B. Rechtshilfegesuche, Auslieferungsverfahren, Voruntersuchungen etc.) sicherstellen. Analoges gilt für die Migrationsfachleute.

Entsprechend ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an Kompetenzen und Erfahrungen des eingesetzten Personals.

Die Zusammenarbeit kann jedoch verbessert werden: zum einen durch eine Verbesserung der Zusammenarbeit innerhalb der Bundesverwaltung in Bern, zum anderen auch durch eine Intensivierung der gemeinsamen Ausbildung und schliesslich durch die Förderung der Zusammenarbeit in den Akkreditierungsstaaten. Innerhalb der Bundesverwaltung soll der gegenseitige Informationsaustausch verbessert werden.

Zur engeren Vernetzung der schweizerischen Nachrichtendienste wurden Zusammenarbeitsplattformen zwischen dem Strategischen Nachrichtendienst (SND) und dem Dienst für Analyse und Prävention des EJPD (DAP) geschaffen.

Bereits jetzt stehen angehenden Polizeiattachés Ausbildungssequenzen des VALehrganges offen. In Zukunft sollen Polizeiattachés und Migrationsfachleuten des EJPD grundsätzlich alle Ausbildungsteile offen stehen.

6782

Durch teilweise gemeinsame Ausbildung wird das persönliche Kennenlernen gefördert und damit eine Basis für die gute Zusammenarbeit im Einsatzgebiet geschaffen.

Diese Zusammenarbeit kann und soll zudem durch regelmässige gemeinsame Rapporte und Absprachen unter Leitung des Missionschefs weiter gefördert werden.

7.2

Verteidigungsattachés und Rüstungsindustrie

7.2.1

Verteidigungsattaché und Kriegsmaterialexportkontrolle

Für die Geschäftsprüfungskommission war die Rolle der Verteidigungsattachés im Rüstungsbereich nicht klar. Sie verlangte eine Präzisierung.

Als Konsequenz von Informationen (u.a. von VA), wonach die Vereinigten Arabischen Emirate M-109-Panzerhaubitzen, die ihr die Schweiz aus überzähligen Beständen der Armee verkauft hatte, entgegen den Vereinbarungen Marokko überlassen hatte, wurde im September 2005 eine interdepartementale Arbeitsgruppe unter Leitung des Staatssekretariates für Wirtschaft (SECO) eingesetzt. In ihrem Bericht vom 22. Dezember 20055 empfahl sie unter anderem, dass das VBS bezüglich bedeutender Bewilligungsverfahren durch das SECO konsultiert bzw. informiert wird. Die praktischen Möglichkeiten zur Überprüfung des Verbleibs von exportiertem Kriegsmaterial seien bisher nicht ausgeschöpft worden. Botschaften und Verteidigungsattachés müssten die nötige Wachsamkeit und Aufmerksamkeit walten lassen, wenn sich in ihrem geographischen Zuständigkeitsbereich konkret die Frage des Verbleibs von aus der Schweiz exportiertem Kriegsmaterial stelle, und sie hätten dem SECO sämtliche diesbezüglichen Hinweise unaufgefordert zukommen zu lassen.

Zur Verbesserung der Situation wurden in Zusammenarbeit mit dem SECO bereits folgende Massnahmen eingeleitet:

5

1.

Das SECO benannte einen einzigen Kontaktpunkt, an welchen die schweizerischen Verteidigungsattachés die diesbezüglichen Informationen unaufgefordert weiterzuleiten haben. Die Verteidigungsattachés wurden diesbezüglich instruiert.

2.

Das SECO verpflichtete sich, die Verteidigungsattachés über bedeutende Exportvorhaben aus der Schweiz in ihre Akkreditierungsstaaten zu informieren.

3.

Auf Veranlassung des SECO setzen EDA und VBS das Personal der Schweizer Auslandvertretungen (einschliesslich Verteidigungsattachés) für «Post Shipment Inspections» (d.h. für Inspektionen zur Überprüfung des Verbleibs von geliefertem Rüstungsmaterial) ein.

Zuständigkeiten und Verfahren zur Behandlung von Kriegsmaterialexporten. Bericht der Interdepartementalen Arbeitsgruppe vom 22. Dezember 2005. Anhang der Pressemitteilung vom 10. März 2006 des SECO: «Überschüssiges Kriegsmaterial»; /www.seco.admin.ch/aktuell/00277/01164/01980/index.html?lang=de&msg-id=3659

6783

Die Verteidigungsattachés können bereits bei der Beurteilung von bedeutenden Voranfragen für Rüstungsexporte beigezogen werden. Sie können beurteilen, ob geplante Rüstungsexporte in operativ-taktische bzw. logistische Konzepte und Planungen der Empfängerstaaten passen. Diese Beurteilung lässt Rückschlüsse bzgl.

allfälliger Absichten für einen Weiterexport zu.

7.2.2

Verteidigungsattaché und Rüstungsindustrie

In den Grundsätzen des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS6 ist festgehalten, dass die Schweiz trotz Auslandabhängigkeit im Rüstungsbereich auf Autonomie, d.h. auf eine inländische Industriebasis in spezifischen Bereichen, angewiesen ist. Damit diese Industriebasis und auch deren Arbeitsplätze in der Schweiz erhalten werden, sind die schweizerischen Rüstungsbetriebe auf Absatzmärkte im Ausland angewiesen.

Die Verteidigungsattachés haben in diesem Bereich keine eigenständige Aufgabenstellung oder Funktion zu erfüllen. Insbesondere treten sie nicht als Interessenvertreter einzelner Betriebe oder Produkte auf. Sie dürfen und sollen jedoch im Rahmen der geltenden Rechtslage (insbesondere Kriegsmaterialexportgesetz, Kriegsmaterialverordnung und Güterkontrollgesetz) zur Herstellung von Kontakten zwischen schweizerischen Rüstungsproduzenten und relevanten Verwaltungsstellen in ihren Akkreditierungsstaaten beitragen. Die Entscheidfreiheit von Bundesrat und SECO bezüglich allfälliger Exporte wird dadurch nicht beeinträchtigt.

8

Konsequenzen

Aufgrund dieser Analyse kommt der Bundesrat zu folgenden Erkenntnissen:

6

1.

Der Verteidigungsattachédienst ist ein unverzichtbares Instrument zur Wahrung der schweizerischen sicherheitspolitischen und militärischen Interessen.

Er erbringt einen wesentlichen Nutzen durch Aufbau, Betreuung und Konsolidierung eines Netzwerkes, durch Beiträge zur Lagebeurteilung, durch Management von Kooperation mit ausländischen Streitkräften, bei der Bewältigung von Krisen und Katastrophen, durch Austausch von Einsatzerfahrungen und Vermittlung von militärischen Aus- und Weiterbildungen im Ausland sowie durch Unterstützung der Kontakte auf Stufe Chef VBS, Chef der Armee und dessen Direktunterstellten. Diese Dienstleistungen verlangen einen besonderen Erfahrungshintergrund und eine spezifische Ausbildung sowie die Akkreditierung bei den Verteidigungsministerien und den Generalstäben in den Gaststaaten. Die Aufgaben des Verteidigungsattachédienstes können nicht durch andere Instanzen übernommen werden.

2.

Der Chef Internationale Beziehungen Verteidigung hat sicherzustellen, dass die Leistungen, insbesondere im Bereich der Informationsbeschaffung und -auswertung, den Bezügern zeit- und bedürfnisgerecht zur Verfügung gestellt werden. Die Koordinationsorgane (Steuerungsausschuss und TaskingAusschuss) erlauben es den wichtigsten Leistungsbezügern, ihre Bedürfnisse

Grundsätze des Bundesrates für die Rüstungspolitik des VBS; 29. November 2002, BBl 2003 414.

6784

an den Verteidigungsattachédienst zeit- und stufengerecht einzubringen und zu koordinieren. Diese Führungsinstrumente haben sich in der Zwischenzeit schon bewährt und sind beizubehalten.

3.

Das Dispositiv der Verteidigungsattachés wurde in Zusammenarbeit mit allen Leistungsbezügern (VBS und Armee, Nachrichtendiensten, EDA, EJPD, SECO etc.) überprüft und wird angepasst. Es wird ein VA-Dispositiv ins Auge gefasst, das sehr viel weniger Seitenakkreditierungen (ca 30 statt 56) aufweist. Um schon lange erkannte und bisher nicht abgedeckte Bedürfnisse im VA-Dispositiv zu befriedigen, müssen einzelne Posten auf Stellvertreter verzichten. Mit der gleichen Anzahl Personal werden weniger Staaten besser abgedeckt, wobei die Anpassungen schrittweise erfolgen. Das angepasste Dispositiv wird ab erstem Quartal 2008 umgesetzt.

4.

Trotz erkennbarer Nachteile von Reiseattachés, verglichen mit residenten Verteidigungsattachés, sollen in einem zweijährigen Versuch Erfahrungen gesammelt, ausgewertet und dem Chef VBS darüber Bericht erstattet werden. Der Chef VBS entscheidet anschliessend darüber, ob Reiseattachés weiterhin eingesetzt werden sollen.

5.

Rekrutierung ­ Selektion ­ Ausbildung ­ Einsatz ­ Rückkehr müssen als gesamtheitlicher Prozess bzw. als Teil einer systematischen Karriereplanung wahrgenommen werden. Als Konsequenz werden seit Ende 2006 Berufsoffizieren und Zivilpersonal des VBS, die sich in einem operationellen Auslandeinsatz befinden, Einsatzoptionen aufgezeigt; diese werden in jährlichen Personalgesprächen präzisiert und im Jahr vor der Rückkehr muss der neue Arbeitsvertrag vorliegen. Die hohe Qualität der Ausbildung soll beibehalten werden. Weiter ist vorgesehen, im Einzelfall durch eine postenspezifische Weiterbildung während des Einsatzes die Qualität der Arbeit der VA weiter zu verbessern.

6.

Die Funktion des Verteidigungsattachés ist nicht mit anderen Attachés (Polizeiattachés, Migrationsfachleute) austauschbar, da Aufgabenbereiche, Anforderungsprofil und die für die Aufgabenerfüllung notwendigen Netzwerke grosse Unterschiede aufweisen. Synergien sollen jedoch sowohl durch Verbesserung des Informationsaustausches innerhalb der Bundesverwaltung in Bern und auf den jeweiligen Botschaften als auch durch verstärkte gemeinsame Ausbildung geschaffen werden. Die Schaffung eines eigentlichen Sicherheitsattachés wird als nicht zielführend erachtet.

7.

Bezüglich Kriegsmaterialexporten wurden eine Reihe von Massnahmen ergriffen. Dazu gehören die Verbesserung der gegenseitigen Information, die Schaffung eines «Single Point of Contact» für Meldungen der Verteidigungsattachés und die Möglichkeit des Einsatzes von Personal der Botschaften (inkl. VA) für «Post-Shipment Inspections». Die VA können zudem bereits in die Bearbeitung von Voranfragen durch das SECO einbezogen werden.

6785

Was den Verkauf von Material, das dem Kriegsmaterialexport- oder Güterkontrollgesetz unterliegt, durch private Rüstungsfirmen ins Ausland anbelangt, haben die VA keine eigenständige Aufgabe oder Funktion. Da der Weiterbestand dieser Firmen und ihrer Expertise jedoch für die Schweizer Armee wichtig sein kann, dürfen und sollen die schweizerischen Verteidigungsattachés im Rahmen der geltenden Gesetze zur Wahrung schweizerischer Interessen und zur Umsetzung politischer Entscheide Kontakte in ihrem Akkreditierungsstaaten herstellen und Beziehungen schaffen.

Der Bundesrat ist überzeugt, dass mit der Überprüfung und den getroffenen Massnahmen die Effizienz des Verteidigungsattachédienstes nachhaltig gesteigert werden kann und ersucht die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates, das Geschäft abzuschreiben.

6786