Vollzug der Kriegsmaterialgesetzgebung: Entscheide des Bundesrates vom 29. Juni 2005 sowie die Wiederausfuhr von Panzerhaubitzen nach Marokko Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 7. November 2006

2006-2883

2117

Abkürzungsverzeichnis AB N Abs.

Art.

AS BBl Bst.

BV d.h.

EDA EFD EVD f.

ff.

GPK-N KMG KMV mm Nr.

ParlG S.

SECO SR UNO VAE VBS Vgl.

z.B.

2118

Amtliches Bulletin Nationalrat Absatz Artikel Amtliche Sammlung Bundesblatt Buchstabe Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101) das heisst Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten Eidgenössisches Finanzdepartement Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement folgende fortfolgende Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (SR 514.51) Verordnung vom 25. Februar 1998 über das Kriegsmaterial (SR 514.511) Millimeter Nummer Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung (SR 171.10) Seite Staatssekretariat für Wirtschaft (EVD) Systematische Rechtssammlung des Bundesrechts United Nations Organization (Vereinte Nationen) Vereinigte Arabische Emirate Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport vergleiche Zum Beispiel

Bericht 1

Einleitung

Nachdem der Bundesrat am 29. Juni 2005 vier Beschlüsse in Bezug auf Kriegsmaterialexporte nach Irak, Indien/Pakistan und Südkorea gefasst hatte1, wandte sich Nationalrat Josef Lang mit einer Aufsichtseingabe an die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N). In seiner Eingabe vom 1. Juli 2005 bezweifelte er die Rechtmässigkeit dieser Entscheide und forderte die GPK-N auf, diese zu überprüfen. Mit Schreiben vom 2. September 2005 erweiterte er seine Eingabe auf die Klärung der Ereignisse zur mutmasslichen Lieferung von 40 ursprünglich durch die Schweiz an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) verkauften Panzerhaubitzen M-109 an Marokko.

Die Geschäftsprüfungskommissionen üben gemäss Artikel 169 der Bundesverfassung (BV)2 und Artikel 26 des Parlamentsgesetzes (ParlG)3 im Auftrag der eidgenössischen Räte die Oberaufsicht aus über die Geschäftsführung des Bundesrates und der Bundesverwaltung, der eidgenössischen Gerichte und der anderen Träger von Aufgaben des Bundes. Insbesondere überprüfen sie die Rechtmässigkeit der Behördentätigkeit (Art. 26 Abs. 3 Bst. a ParlG). Die Geschäftsprüfungskommissionen prüfen Aufsichtseingaben auf ihre Relevanz für die parlamentarische Oberaufsicht. Enthalten diese Hinweise auf wichtige Mängel in der Geschäftsführung der beaufsichtigten Institutionen, so treten sie in der Regel darauf ein.

Sowohl bei den erwähnten Bewilligungen des Bundesrates wie auch bei der Weitergabe der Panzerhaubitzen M-109 durch die VAE an Marokko handelt es sich um Vollzugsfragen im Bereich der Kriegsmaterialgesetzgebung, die somit in den Kompetenzbereich der Geschäftsprüfungskommissionen fallen. Die GPK-N beschloss dementsprechend am 24. August 2005 auf die Aufsichtseingabe von Nationalrat Josef Lang einzutreten und wies die Eingabe zur näheren Abklärung ihrer zuständigen Subkommission EFD/EVD zu.

Die Subkommission behandelte die Eingabe zwischen Anfang September 2005 und Anfang November 2006 an sieben Sitzungen. Sie hörte Vertreterinnen und Vertreter des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartments (EVD), des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sowie des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) an. Der Vorsteher des EVD äusserte sich zwei Mal vor der Subkommission zu den umstrittenen Bundesratsbeschlüssen. Die neue Vorsteherin des EVD wurde im September 2006 noch zur Wiederaufnahme der Kriegsmaterialexporte in die VAE angehört.

1 2 3

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 29.6.2005.

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. .4.1999 (BV; SR 101).

Bundesgesetz vom 13.12.2002 über die Bundesversammlung (ParlG; SR 171.10).

2119

2

Gegenstand der Aufsichtseingabe

2.1

Beschlüsse des Bundesrates

Bei den vier Beschlüssen handelte es sich einerseits um Voranfragen von Firmen an die zuständige Bewilligungsbehörde im Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), andererseits um die Bewilligung eines Kriegsmaterialausfuhrgesuchs und eines Gesuchs zur Vermittlung von Kriegsmaterial. Das SECO legte die Voranfragen und die Gesuche dem Bundesrat vor. Die Beschlüsse des Bundesrates vom 29. Juni 2005 ermächtigten das SECO, die Voranfragen und die Gesuche positiv zu beantworten4.

Die Beschlüsse betrafen folgende Gegenstände: 1.

Gesuch für die Ausfuhr von 180 Schützenpanzern5 M-113 in die VAE, welche diese der irakischen Regierung schenken wollten.

2.

Voranfrage zu einem Export nach Indien: Vergabe von Lizenzen für den Bau von Fliegerabwehrkanonen im Kaliber 35 mm und die partielle Zulieferung von Bauteilen dazu.

3.

Gesuch für die Vermittlung von 736 Schützenpanzern M-113 zuzüglich Ersatzteile nach Pakistan zur Verwendung bei UNO-Einsätzen der pakistanischen Truppen im Ausland.

4.

Voranfrage zu einer vorübergehenden Ein- und Wiederausfuhr zwecks Unterhaltsarbeiten an 50­100 Gefechtsköpfen zu Luft-Luft-Lenkwaffen des Typs «Sidewinder» von und nach Südkorea.

Voranfragen sind keine formellen Ausfuhrgesuche. Sie wurden bisher jedoch gleich wie Ausfuhrgesuche behandelt.

2.2

Weitergabe von 40 Panzerhaubitzen durch die Vereinigten Arabischen Emirate an Marokko

Aus den Altbeständen der schweizerischen Armee wurden im Jahr 2004 im Anschluss an das ordentliche Bewilligungsverfahren 40 Panzerhaubitzen M-109 über die RUAG (Rüstungsbetrieb des Bundes) an die VAE verkauft. Die VAE verpflichteten sich mit einer «Nichtwiederausfuhr-Erklärung», diese Panzerhaubitzen nicht weiterzugeben.

Im Frühling/Sommer 2005 tauchten Gerüchte auf, dass sich die Panzerhaubitzen in Marokko befänden. Es kamen auch Gerüchte auf, dass das VBS schon zum Zeitpunkt, als das Bewilligungsverfahren noch nicht abgeschlossen war, über Hinweise einer möglichen Weitergabe der Panzerhaubitzen an Marokko verfügte. Überprüfungen ergaben in der Folge, dass sich die Panzerhaubitzen unterdessen tatsächlich in Marokko befinden (Die Schweiz bewilligt seit Jahren keine Kriegsmaterialausfuhren nach Marokko).

4

5

Auch bei positiver Beantwortung einer Voranfrage muss noch ein Ausfuhrgesuch eingereicht werden; erst dann entscheiden die Bundesbehörden über die definitive Bewilligung der Kriegsmaterialausfuhr.

Der Schützenpanzer M-113 wird auch als Mannschaftstransportwagen bezeichnet, weil er dem sicheren Transport von Truppen dient.

2120

Die Aufsichtseingabe lud die GPK-N ein, das Verhältnis zwischen dem SECO und dem VBS sowie ihre jeweiligen Rollen in diesem Geschäft zu untersuchen.

3

Rechtliche Beurteilung

3.1

Beschlüsse des Bundesrates

3.1.1

Rechtsgrundlagen der Bewilligungen

Die Ausfuhr von Kriegsmaterial untersteht einer Bewilligungspflicht und wird im Bundesgesetz vom 13. Dezember 1996 über das Kriegsmaterial (KMG)6; sowie in der dazugehörigen Verordnung vom 25. Februar 1998 über das Kriegsmaterial (KMV)7 geregelt. Voranfragen sind in der Kriegsmaterialgesetzgebung nicht vorgesehen. Sie entsprechen jedoch einem Informationsbedürfnis potentieller Exporteure und wurden bisher in der Praxis gleich wie formelle Ausfuhrgesuche behandelt.

Die Kriegsmaterialgesetzgebung verfolgt mehrere Ziele, die bei der Erteilung von Bewilligungen zu berücksichtigen sind. So bestimmt Artikel 1 KMG, dass die internationalen Verpflichtungen der Schweiz zu erfüllen und die aussenpolitischen Grundsätze der Schweiz8 zu wahren sind. Dabei soll in der Schweiz eine an die Bedürfnisse ihrer Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität im Bereich der Kriegsmaterialproduktion aufrechterhalten werden können.

Artikel 22 KMG führt aus, dass die Herstellung, die Vermittlung, die Ausfuhr und die Durchfuhr von Kriegsmaterial für Empfänger im Ausland bewilligt werden, wenn dies dem Völkerrecht, den internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik nicht widerspricht.

Die Erteilung von Bewilligungen ist gemäss Artikel 25 KMG ausgeschlossen, wenn entsprechende Zwangsmassnahmen nach dem Embargogesetz vom 22. März 20029 erlassen worden sind.

Artikel 5 KMV konkretisiert die Bewilligungskriterien bei Auslandgeschäften und bei der Übertragung von Immaterialgüterrechten. Zu berücksichtigen sind: «a. die Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität;

6 7 8

9

b.

die Situation im Innern des Bestimmungslandes; namentlich sind zu berücksichtigen die Respektierung der Menschenrechte und der Verzicht auf Kindersoldaten;

c.

die Bestrebungen der Schweiz im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit;

d.

das Verhalten des Bestimmungslandes gegenüber der Staatengemeinschaft, insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Völkerrechts;

Bundesgesetz vom 13.12.1996 über das Kriegsmaterial (KMG; SR 514.51) Verordnung vom 25.2.1998 über das Kriegsmaterial (KMV; SR 514.511) Diese finden ihre Verfassungsgrundlage insbesondere in Artikel 54 BV. Vgl. auch Aussenpolitischer Bericht 2000 vom 15. .11.2000 des Bundesrates; Präsenz und Kooperation: Interessenswahrung in einer zusammenwachsenden Welt, BBl 2001 261 (insbesondere S.

292 ff.).

Bundesgesetz vom 22..3.2002 über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (SR 946.231).

2121

e.

die Haltung der Länder, die sich zusammen mit der Schweiz an internationalen Exportkontrollregimes beteiligen.»

3.1.2

Argumente des Bundesrates

Die Beurteilung der umstrittenen Voranfragen und Gesuche hat aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen anhand der gesetzlichen Kriterien für jeden Fall separat zu erfolgen. Dabei wird in der Praxis insbesondere nach Empfängerland, nach konkreten Empfängern und nach Verwendungszweck unterschieden.

VAE/Irak Der Bundesrat begründete seinen positiven Entscheid damit, dass die neuformierten irakischen Sicherheitskräfte mit angemessenen Mitteln zu ihrem Schutz ausgerüstet sein müssten, damit sie ihre Aufgaben erfüllen und so zu stabileren Verhältnissen im Irak beitragen könnten.

Im Weiteren hatte der UNO-Sicherheitsrat die UNO-Mitgliedstaaten aufgefordert, der irakischen Regierung beim Aufbau wirksamer eigener Polizei-, Grenz- und Objektschutzdienste zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit behilflich zu sein (Resolution Nummer 1546 vom 8. Juni 2004). Dies war für den Bundesrat ein wichtiges Argument zugunsten der Ausfuhrbewilligung. Damit verstiess eine solche Ausfuhr auch nicht gegen internationale Embargomassnahmen.

Allerdings wollte der Bundesrat gewisse Garantien, dass die Schützenpanzer nicht zweckentfremdet würden. Die Behandlung des Dossiers wurde in der Folge sistiert, als ersichtlich war, dass diese Garantien nicht erbracht werden konnten.

Indien und Pakistan Im Anschluss an die Atomversuche von Indien und Pakistan verfügte der Bundesrat im Juni 1998, dass keine neuen Ausfuhrgesuche für Kriegsmaterial in diese beiden Staaten mehr bewilligt werden dürften. Mit seinem Entscheid vom 29. Juni 2005 hob der Bundesrat einerseits die Sonderbehandlung der beiden Länder auf und führte das reguläre Verfahren gemäss der geltenden Kriegsmaterialgesetzgebung für Indien und Pakistan wieder ein. Andererseits bewilligte er auch die erwähnte Voranfrage zu Indien wie auch die Vermittlung der Schützenpanzer nach Pakistan.

Der Bundesrat nahm anhand der gesetzlichen Kriterien eine Interessenabwägung vor. Dabei stellte er fest, dass die Beziehung zwischen den beiden Ländern sehr gespannt bleibt und der Kaschmir-Konflikt noch ungelöst ist. Andererseits haben die Spannungen zwischen den beiden Ländern abgenommen, und es wurden konstruktive vertrauensbildende Massnahmen ergriffen.

In die Erwägung floss auch die Überlegung ein, ob sich die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität eine gewisse
Zurückhaltung auferlegen sollte. Zugunsten einer Praxisänderung sprach, dass viele europäische Länder die Kriegsmaterialausfuhr in diese beiden Länder wieder zulassen und die schweizerische Rüstungsindustrie nicht benachteiligt werden sollte.

Bei der Voranfrage betreffend die Ausfuhr nach Indien ging es um Fliegerabwehrkanonen, also um defensive Waffen. Der Bundesrat berücksichtigte diese Tatsache in seinen Erwägungen.

2122

Die positive Antwort auf das Gesuch zur Vermittlung der Schützenpanzer nach Pakistan begründete er mit der ausschliesslichen Verwendung für die UNO-Einsätze pakistanischer Truppen im Ausland, deren Schutz durch die Schützenpanzer wesentlich verbessert werden könnte. Pakistan stellt der UNO eines der grössten SoldatenKontigente für die friedenssichernden Missionen zur Verfügung. Für die Schweiz als Mitglied der UNO ist es wichtig, die UNO-Missionen zu unterstützen. Ausschlaggebend für den Entscheid war, dass die Schützenpanzer nicht die pakistanische Armee ausserhalb der UNO-Einsätze stärken. In diesem Bereich hat Pakistan der Schweiz Zusicherungen gegeben, die über die üblichen Bedingungen hinausgehen. So stimmte Pakistan zu, die Mannschaftswagen getrennt vom regulären Kriegsmaterial aufzubewahren, und den schweizerischen Behörden wurde ein jederzeitiges Kontrollrecht vor Ort zugesichert. Der Vorsteher des EVD gab jedoch zu, dass nach dem Entscheid des Bundesrates gewisse Zweifel in dieser Frage aufkamen.

Südkorea Der Bundesrat traf seinen Entscheid auf der Grundlage, dass Südkorea weder die internationale Sicherheit noch die regionale Stabilität gefährdet, das Verhalten des Landes gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft konstruktiv ist und dass mehrere Länder Rüstungsgüter in dieses Land liefern (insbesondere Schweden, das auch Mitglied der Neutral Nations Supervisory Commission [NNSC] ist). Er stellte sich auch hier die Frage, ob die schweizerische Neutraliät einer positiven Antwort auf die Voranfrage im Wege stehe und gelangte zum Schluss, dass das Neutralitätsrecht nur in einem bewaffneten Konflikt Anwendung findet. Seit über 50 Jahren haben jedoch keine Kampfhandlungen zwischen Nord- und Südkorea stattgefunden.

Die Ablehnung von Ausfuhrgesuchen früherer Jahre nach Südkorea hatte der Bundesrat noch damit begründet, dass eine solche Ausfuhr Zweifel an der Unparteilichkeit und Glaubwürdigkeit der guten Dienste der Schweiz in der Region wecken könnte. Aufgrund der angeführten Argumente kam er jedoch im Jahr 2005 zu einem anderen Schluss.

Ein weiteres Argument zugunsten der positiven Antwort auf die Voranfrage sah der Bundesrat auch im Beitrag dieses Geschäfts zum Erhalt des spezifischen Knowhows der schweizerischen Rüstungsindustrie. Die Schweizer Armee benutzt dieselben Gefechtsköpfe, so dass dieses Geschäft auch im Interesse der Landesverteidigung ist (Art. 1 KMG).

3.1.3

Beurteilung der Geschäftsprüfungskommission

Die GPK-N beschränkte sich bei ihren Abklärungen auf die Frage, ob die positive Beantwortung der Gesuche und Voranfragen durch den Bundesrat rechtmässig und auch zweckmässig war. Das Bewilligungsverfahren an sich war nicht Gegenstand der Untersuchung der GPK-N.

Unterdessen sind die zwei Bewilligungen gegenstandslos geworden10. Das Gesuch um Lizenzvergabe nach Indien wurde am 28. Juli 2005 bewilligt. Zum SüdkoreaGeschäft wurde bisher kein formelles Gesuch eingereicht. Aus der Perspektive der 10

Die VAE sind nicht mehr am Kauf der 180 Schützenpanzer M-113 interessiert. Auch bezüglich der Lieferung von 736 Schützenpanzern M-113 nach Pakistan kam kein Vertrag zustande.

2123

parlamentarischen Oberaufsicht bleibt die Frage des rechtmässigen und zweckmässigen Handelns des Bundesrates aber weiterhin von Bedeutung.

Allgemeine Ausführungen Die schweizerische Kriegsmaterialgesetzgebung enthält verschiedene Zielsetzungen, die je nach konkretem Gesuch bzw. konkreter Voranfrage nicht ohne weiteres gleichzeitig erfüllt werden können. So kann beispielsweise ein Ausfuhrgeschäft dem Fachwissen der schweizerischen Rüstungsindustrie dienen und somit im Interesse der Landesverteidigung sein, jedoch dem Völkerrecht widersprechen. In einem solchen Fall ist der Wortlaut des Artikels 22 KMG jedoch klar: Es dürfen nur Gesuche bewilligt werden, die sowohl dem Völkerrecht wie auch den internationalen Verpflichtungen und den Grundsätzen der schweizerischen Aussenpolitik nicht widersprechen.

Die Grundsätze der schweizerischen Aussenpolitik wurden durch den Bundesrat gestützt auf die Bundesverfassung11 in seinem aussenpolitischen Bericht 2000 für die Jahre 2000­2010 definiert12. Demnach hat die Schweiz neben dem Oberziel der Wahrung der Unabhängigkeit und Wohlfahrt der Schweiz folgende fünf aussenpolitische Ziele zu verfolgen: ­

Friedliches Zusammenleben der Völker;

­

Achtung der Menschenrechte und Förderung der Demokratie;

­

Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen;

­

Wahrung der Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland;

­

Linderung von Not und Armut in der Welt13.

Artikel 5 KMV konkretisiert die in Artikel 22 KMG festgelegten Bewilligungskriterien. Dieser Artikel der Verordnung führt fünf nicht abschliessende Beurteilungselemente auf, welche von den für die Bewilligung zuständigen Behörden zu «berücksichtigen» sind14. Die Bewilligungsbehörden haben somit bei der Beantwortung der Frage, wie sie diese Beurteilungselemente im konkreten Fall gewichten, einen Ermessensspielraum. Dies trifft insbesondere auch in Bezug auf das Anliegen, eine an die Bedürfnisse der schweizerischen Landesverteidigung angepasste industrielle Kapazität aufrecht zu erhalten, zu. Mit anderen Worten: In solchen Fällen sind sowohl aussenpolitische wie sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interessen abzuwägen15.

11 12 13 14

15

Präambel, Art. 2 Abs. 1­4, 54 Abs. 2 und 101 BV.

Aussenpolitischer Bericht 2000 des Bundesrates; Präsenz und Kooperation: Interessenswahrung in einer zusammenwachsenden Welt, 15.11.2000, BBl 2001 261.

Ebenda S. 294.

Diese nicht abschliessenden Beurteilungskriterien waren ursprünglich Teil des Artikels 21 des Entwurfs des Bundesrates vom 15.2. 1995 zur Revision des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial (Botschaft vom 15.2.1995 zur Volksinitiative «für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» und zur Revision des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial; BBl 1995 II 1025). Auf Antrag der vorberatenden Kommission des Nationalrates wurden die Beurteilungskriterien im KMG-Entwurf gestrichen. Der Antrag von Nationalrätin Haering Binder, klare Ausschlusskriterien im KMG zu verankern, wurde bei der Beratung im Nationalrat abgelehnt (AB 1996 N 121 f.).

BBl 1995 II 1062.

2124

Die allgemeine Praxis zur Wahrung der Menschenrechte im Zusammenhang mit der Bewilligung von Kriegsmaterialausfuhren wird durch die involvierten Verwaltungseinheiten des EDA folgendermassen gehandhabt: Nur wenn systematisch von Staates wegen gefoltert, die Todesstrafe für nicht schwerwiegende Delikte ausgesprochen oder die Meinungsäusserungsfreiheit systematisch unterdrückt wird, handelt es sich um systematische Menschenrechtsverletzungen, die einer Lieferung von Kriegsmaterial in das betreffende Land absolut entgegenstehen16. Bei Ländern, in denen die Menschenrechtsverletzungen nicht systematisch, aber regelmässig begangen werden, ist die Beurteilung der Ausfuhrgesuche problematischer. Im Zusammenhang mit einem konkreten Fall wurde auch schon nach der Empfängerbehörde des Landes unterschieden: Eine Behörde dieses Landes war für Menschenrechtsverletzungen bekannt, eine andere Behörde gab als Empfängerin zu keinen Bedenken Anlass.

Diese Praxis wird durch die schweizerischen Behörden schon seit mehreren Jahren angewandt und wurde gegenüber den Geschäftsprüfungskommissionen auch ausgeführt. Aus Sicht der GPK-N ist dem Kriterium der Einhaltung der Menschenrechte bei der Beurteilung von Ausfuhrgesuchen in Zukunft ein grösseres Gewicht beizumessen. Die Differenzierung zwischen «systematischen» und «regelmässigen» Menschenrechtsverletzungen ist für die GPK-N nicht nachvollziehbar. Auch die in der Praxis gehandhabte Unterscheidung zwischen einzelnen Behörden eines Landes ist nach Ansicht der GPK-N sehr problematisch.

Empfehlung 1 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, bei seinen Entscheidungen wie auch bei den durch die zuständigen Verwaltungseinheiten zu treffenden Bewilligungsentscheiden gemäss Kriegsmaterialgesetzgebung dem Kriterium der Menschenrechtslage im betroffenen Land ein grösseres Gewicht beizumessen und in diesem Bereich auf eine Unterscheidung zwischen einzelnen Behörden eines Landes zu verzichten.

Es stellt sich die Frage, wie das Beurteilungselement der Entwicklungszusammenarbeit (Art. 5 Bst. c KMV) zu bewerten ist. Im Revisionsentwurf zum Kriegsmaterialgesetz des Bundesrates war das Kriterium der Entwicklungszusammenarbeit in der Form des heute geltenden Artikels 5 Buchstabe c KMV vorgesehen17. Der dazugehörigen Botschaft des Bundesrates vom 15. Februar 1995 kann entnommen werden, dass das Kriterium vom Bundesgesetz vom 30. Juni 1972 über das Kriegsmaterial18 (Art. 11 Abs. 1 Bst. b) übernommen wurde19. Diese Bestimmung sah vor, 16

17 18

Der Bundesrat fasste die Praxis in seiner Antwort zur Interpellation Jutzet «Waffenexporte» (98.3098) folgendermassen zusammen: «Wie bereits unter dem KMG von 1972 wird die Einhaltung der Menschenrechte auch unter dem neuen KMG ein wichtiges Bewilligungskriterium für den Export von Kriegsmaterial sein. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Menschenrechtslage kein absolutes Kriterium für die Bewilligung oder Verweigerung von Auslandgeschäften darstellt. Artikel 5 KMV bestimmt, dass die Menschenrechtslage berücksichtigt werden muss. Nach der bisherigen Praxis hiess dies, dass keine Bewilligungen erteilt werden, wenn die Menschenrechte in einem Empfängerstaat schwerwiegend und systematisch verletzt werden. Diese Praxis wird grundsätzlich auch mit dem neuen Recht beibehalten werden.» Vgl. BBl 1995 II 1094.

AS 1973 108.

2125

dass in der Regel die Ausfuhrbewilligung nur erteilt würde, wenn mit der Kriegsmateriallieferung die Bestrebungen der Entwicklungszusammenarbeit nicht beeinträchtigt würden. Diese sachliche Verknüpfung ist sinnvoll.

Das Bewilligungsverfahren trägt dieser Konzeption des Kriegsmaterialgesetzes Rechnung, indem nicht alleine das SECO für die Bewilligung zuständig ist, sondern auch das Einvernehmen des EDA erforderlich ist (Art. 14 Abs. 2 KMV). Bei Vorliegen von sicherheits- oder rüstungspolitischen Dimensionen ist zusätzlich die Zustimmung der zuständigen Stellen des VBS notwendig (Art. 14 Abs. 2 Bst. a KMV).

Angesichts des Ermessensspielraums und der Sensibilität im Bereich der Kriegsmaterialausfuhr ist es ebenfalls konsequent, dass bei fehlender Einigkeit dieser Dienststellen das Gesuch dem Bundesrat unterbreitet werden muss (Art. 14 Abs. 4 KMV). In der gleichen Logik ist auch die Bestimmung des Artikels 29 Absatz 2 KMG zu sehen, wonach der Bundesrat über Gesuche mit erheblicher aussen- oder sicherheitspolitischer Tragweite entscheiden muss. Schon in seiner Botschaft vom 15. Februar 1995 zur Revision des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial wies der Bundesrat darauf hin, dass die Bewilligungserteilung nicht auf ein juristisches Problem reduziert werden kann, sondern dass es sich letztlich ­ ausser in Routinefällen ­ um einen politischen Entscheid handelt, der aufgrund einer Interessenabwägung erfolgen muss20. Dies entspricht der Konzeption des heute geltenden Kriegsmaterialgesetzes. Das Parlament war sich dieser Konzeption bewusst, als es über die entsprechenden Artikel der Revisionsvorlage Beschluss fasste.21 Eine Bewilligung darf sodann ebenfalls nicht erteilt werden, falls dadurch das Embargogesetz verletzt würde (wie es Art. 25 KMG in Erinnerung ruft). Gegenüber den hier untersuchten Empfängerstaaten existierten zum Zeitpunkt der Entscheide des Bundesrates keine entprechenden Massnahmen, so dass ein Verstoss gegen das Embargogesetz durch die Beschlüsse des Bundesrates vom 29. Juni 2005 ausgeschlossen werden kann.

Hingegen stellt sich bei jedem der vier Beschlüsse des Bundesrates die Frage, ob er gegen Artikel 22 KMG, also gegen das Völkerrecht, die internationalen Verpflichtungen oder die Grundsätze der schweizerischen Aussenpolitik verstiess.

VAE/Irak Die GPK-N stiess auf keinerlei Hinweise,
die einen Verstoss gegen das Völkerrecht oder die internationalen Verpflichtungen der Schweiz nahelegen würden. Der Bundesrat beruft sich bei seinem Entscheid auf die UNO-Sicherheitsratsresolution Nr. 1546 vom 8. Juni 2004, welche die Mitgliedstaaten auffordert, die irakischen Behörden zu unterstützen22. Die Schweiz als Mitglied der UNO hat eine gewisse Pflicht, diese Resolution im Rahmen des Möglichen umzusetzen. Der Bundesrat erachtete die positive Beantwortung des Ausfuhrgesuchs ebenfalls als Beitrag zur Verbesserung des Friedens und der regionalen Stabilität gemäss Artikel 5 Buch19 20 21 22

Vgl. BBl 1995 II 1074.

BBl 1995 II 1062.

Vgl. Botschaft des Bundesrates, BBl 1995 II 1062 ff. und auch AB 1996 N 120 ff.

Die Resolution betont, wie wichtig es sei, «irakische Polizei-, Grenzschutz- und Objektschutzdienste unter der Kontrolle des Innenministeriums Iraks sowie, im Fall der Objektschutzdienste, anderer irakischer Ministerien aufzubauen, die die öffentliche Ordnung und die Sicherheit aufrechterhalten, einschliesslich durch Bekämpfung des Terrorismus»; vgl.

Ziffer 16 der Resolution.

2126

stabe a KMV. Insofern steht dieser Entscheid auch nicht im Widerspruch zu den aussenpolitischen Leitlinien und Zielen der Schweiz, wie sie im aussenpolitischen Bericht 2000 des Bundesrates dargelegt wurden.

Die UNO-Resolution wurde im Jahr 2004 verabschiedet. Dennoch schloss der Bundesrat, wie er in seinem vertraulichen Bericht an die Geschäftsprüfungskommissionen über die Einzelheiten der Kriegsmaterialausfuhr im Jahr 2004 ausführte, damals Kriegsmaterialexporte in den Irak aus23. Er argumentierte u.a. mit der schlechten Sicherheitslage und der ungenügenden Respektierung der Menschenrechte. Aus Sicht der GPK-N hat sich an dieser Situation bis heute nichts Wesentliches geändert.

Allerdings wurde am 30. Januar 2005 eine irakische Nationalversammlung durch das irakische Stimmvolk gewählt, die bis zum Sommer 2005 einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten hatte. Dies war dem Bundesrat zum Zeitpunkt seines Entscheids bekannt. Die ersten Wahlen für ein neues vierjähriges Parlament sollten Mitte Dezember 2005 folgen. Die sich festigenden demokratischen Staatsstrukturen sprachen sicher zugunsten der positiven Beantwortung des Ausfuhrgesuchs. Beim Vorhandensein mehr oder weniger stabiler und demokratischer Strukturen hätte die Lieferung der Schützenpanzer an die irakischen Sicherheitskräfte einen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage leisten können.

Indes sollten mit schweizerischem Kriegsmaterial keine Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Der Bundesrat hätte also vor der Bewilligung der Kriegsmaterialausfuhr Sicherheiten haben müssen, dass die irakischen Sicherheitskräfte die Schützenpanzer ausschliesslich zu ihrem Schutz in Ausübung ihrer Aufgaben gemäss der UNO-Resolution benutzen würden24. In diesem Sinne äusserte sich auch der Vorsteher des EVD vor der GPK-N. Da die End-User-Erklärung zum Zeitpunkt des Bundesratsbeschlusses noch nicht in Übereinstimmung mit der UNO-Resolution war, wurde die Bewilligung durch das SECO nicht ausgestellt. Weil insbesondere gewisse Fragen betreffend Endnutzung unbeantwortet blieben, sistierte der Bundesrat auf Antrag des Vorstehers EVD die Bewilligung am 24. August 2005.

Aus Sicht der GPK-N lag der Entscheid zwar im Ermessen des Bundesrates, doch hätte er das Gesuch nicht bewilligen sollen. Die Situation bezüglich des demokratischen Neuaufbaus der staatlichen
Strukturen, der Kontrollmöglichkeiten der irakischen Behörden gegenüber ihren Sicherheitsdiensten, des menschenrechtskonformen Verhaltens der Sicherheitskräfte und der gewährten Sicherheiten stand aus Sicht der GPK-N zu diesem Zeitpunkt einer Bewilligung im Weg.

Indien Die GPK-N konsultierte zur Beurteilung der bundesrätlichen Argumentation zugunsten der Aufhebung des grundsätzlichen Exportverbots und der positiven Beantwortung der Voranfrage für die Lizenzvergabe nach Indien bzw. die Ausfuhr von Bestandteilen die Ablehnungsgründe der Jahre 2000­2004, wie sie der Bundesrat selbst in seinen jährlichen Berichten über die Kriegsmaterialausfuhr gegenüber den Geschäftsprüfungskommissionen anführte. Sie stellte dabei fest, dass in all diesen Berichten die Kernwaffenversuche und die Selbstdeklaration Indiens als Nuklear-

23 24

Der Bericht wurde im ersten Quartal 2005 fertiggestellt und den Geschäftsprüfungskommissionen am 27.4.2005 präsentiert.

Vgl. FN 20.

2127

macht, die weder dem Kernwaffensperrvertrag25 noch jenem über das vollständige Verbot der Kernversuche (Kernwaffenteststoppvertrag)26 beigetreten war, wichtige und immer wieder angeführte Gründe für das Ausfuhrverbot darstellten. Als weiterer Grund wurde der ungelöste Kaschmir-Konflikt mit Pakistan vorgebracht, der wiederholt militärisch eskalierte und zudem zu Übergriffen der Ordnungskräfte und zu Menschenrechtsverletzungen führte. Auch die Tatsache, dass Indien ein Schwerpunktland der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit ist, spielte eine Rolle.

Hauptgrund für die Aufhebung des grundsätzlichen Ausfuhrverbots des Bundesrates war, dass andere Länder zunehmend wieder Kriegsmaterial an Indien liefern und es deshalb keinen Sinn ergäbe, wenn die Schweiz alleine am Ausfuhrverbot festhielte.

Die Haltung anderer Länder ist gemäss Artikel 5 Buchstabe e KMV ein durch das Recht vorgesehenes Beurteilungskriterium. Allerdings sind bis heute weder Indien noch Pakistan dem Kernwaffensperrvertrag oder dem Kernwaffenteststoppvertrag beigetreten. Obwohl das grundsätzliche Ausfuhrverbot des Bundesrates sicherlich auch im Licht der damaligen Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft auf die Atomwaffentests von Indien und Pakistan gesehen werden muss, ist es angesichts des Nichtbeitritts von Indien und Pakistan zu den erwähnten Vertragswerken äusserst unbefriedigend, dass nun der Bundesrat das Ausfuhrverbot aufgehoben hat. Die Bundesratsentscheide (Erlass und Aufhebung des Ausfuhrverbots) mögen zwar unter dem Aspekt des Artikels 5 Buchstabe e KMV kohärent erscheinen, doch unter den Aspekten der Buchstaben a und d desselben Artikels (Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität / Verhalten des Bestimmungslandes gegenüber der Staatengemeinschaft) ist die Aufhebung des Verbots aus Sicht der GPK-N zu kritisieren.

Kriegsmaterialexporte nach Indien oder Pakistan unterstehen nun also wieder dem ordentlichen Bewilligungsverfahren der schweizerischen Kriegsmaterialgesetzgebung, d.h. die Bewilligungsgesuche sind einzeln zu prüfen und anhand der vorgegebenen Kriterien zu evaluieren. Im Zusammenhang mit der Ende Juni 2005 bewilligten Voranfrage stellt sich also die Frage, ob sich die Lage in Indien bezüglich des Kaschmir-Konflikts, der Menschenrechtssituation sowie
der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit seit dem Jahr 2004 wesentlich verändert hat. Bei der Anhörung von Vertretern des EDA durch die GPK-N bestätigten diese, dass sich die Spannungen zwischen Pakistan und Indien seit dem Jahr 1998 deutlich verringert hätten. In den Stellungnahmen der zuständigen Dienststellen des EDA zu den Voranfragen wurde jedoch auch zu bedenken gegeben, dass der Kaschmir-Konflikt trotz Fortschritten weiter bestehe und die Lage instabil sei.

Renommierte internationale Organisationen wie das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge oder Human Rights Watch gehen auch im Jahr 2005 von wiederholten schweren Menschenrechtsverletzungen der indischen Sicherheitskräfte in Kaschmir und im Nordosten des Landes aus27. Die Lage scheint sich zumindest in diesen Regionen nicht verbessert zu haben. Allerdings handelt es sich bei der durch den 25 26

27

Vertrag vom 1.7.1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (SR 0.515.03).

Der Kernwaffenteststopp-Vertrag (engl.: Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty, CTBT) ist ein noch nicht in Kraft getretener internationaler Vertrag über ein umfassendes Verbot von Nuklearversuchen. Er wurde von der Genfer Abrüstungskonferenz ausgearbeitet und am 14.9.1996 von der UNO-Generalversammlung angenommen.

Vgl. http://www.unhcr.org/cgibin/texis/vtx/home/opendoc.htm?tbl=RSDCOI&page=research&id=3ae6a6760 und http://hrw.org/english/docs/2006/01/18/india12272.htm.

2128

Bundesrat positiv beantworteten Voranfrage um die Lizenzvergabe für den Bau von Fliegerabwehrkanonen im Kaliber 35 mm und die partielle Zulieferung von Bauteilen dazu. Dass es sich dabei um Verteidigungswaffen handelt, war gemäss dem Vorsteher des EVD ein Kriterium zugunsten der Voranfrage. Das Kriegsmaterialgesetz unterscheidet nicht zwischen offensiven und defensiven Waffen. Wie aus den Materialien zu entnehmen ist, war dies jedoch für den Bundesrat schon bei der Vorlage des Revisionsentwurfs zum Kriegsmaterialgesetz ein Beurteilungsaspekt für die Behandlung von Bewilligungsgesuchen28. Aus Sicht der GPK-N ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Fliegerabwehrkanonen nicht für die erwähnten Menschenrechtsverletzungen in Indien missbraucht werden können.

Die Kommission ist deshalb der Ansicht, dass im konkreten Fall aus rechtlicher Sicht einer positiven Beantwortung der Voranfrage nichts entgegenstand. Nichtsdestotrotz hält sie den Entscheid des Bundesrates aufgrund der oben angeführten Punkte für problematisch.

Pakistan Bezüglich der Aufhebung des grundsätzlichen Ausfuhrverbots nach Pakistan kann auf die entsprechenden Ausführungen zu Indien verwiesen werden.

In der Kriegsmaterialberichterstattung des Bundesrates an die Geschäftsprüfungskommissionen der Jahre 2000­2004 wurden als Ablehnungsgründe neben der Atomwaffenproblematik immer wieder der ungelöste Kaschmir-Konflikt, die damit verbundenen Spannungen, die Bedrohung der regionalen Stabilität, die schlechte Menschenrechtslage sowie die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz in Pakistan genannt.

Wie bei den Ausführungen zu Indien schon festgehalten wurde, hat sich die Spannung zwischen Pakistan und Indien seit dem Jahr 1998 deutlich verringert, wobei die zuständigen Dienststellen des EDA auch zu bedenken gaben, dass der KaschmirKonflikt trotz Fortschritten weiter bestehe und die Lage instabil sei. Die Menschenrechtslage in Pakistan wird insbesondere durch Nichtregierungsorganisationen als schlecht bezeichnet, wobei staatliche Akteure dazu beitrügen. Auch die Rechtsstaatlichkeit lasse zu wünschen übrig29.

Die Schweiz verfolgt im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in Pakistan weiterhin langfristige Ziele, wobei die Armutsbekämpfung und die Unterstützung besonders benachteiligter Bevölkerungsgruppen im Zentrum stehen.

Die allgemeine
Beurteilung von Pakistan in diesen drei Bereichen spricht aus Sicht der GPK-N gegen die Ausfuhr von Kriegsmaterial in dieses Land.

Im Gegensatz zu Indien ging es beim zu beurteilenden Bundesratsentscheid zur Vermittlung von 736 Schützenpanzern und Lieferung von Ersatzteilen nach Pakistan nicht um Kriegsmaterial für die regulären Truppen, sondern ausschliesslich um Kriegsmaterial für UNO-Einsätze der pakistanischen Armee im Ausland. Pakistan hatte der Schweiz zugesichert, die Schützenpanzer nur zu diesem Zweck einzusetzen und sie auch nicht weiterzugeben. Sie sollten in Taxila (Pakistan) gelagert werden, und die Schweiz sollte zu diesem Ort Zugang haben. Der Bundesrat sprach sich aufgrund dieser Eigenheiten für eine positive Antwort auf das Vermittlungsgesuch 28 29

Vgl. BBl 1995 II 1062.

Vgl. z.B. die Einschätzung von Human Rights Watch (http://hrw.org/english/docs/2006/01/18/pakist12254_txt.htm).

2129

aus und sah darin einen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit und der regionalen Stabilität im Sinne des Artikels 5 Buchstabe a KMV. Der Bundesrat gab diesem Beurteilungselement somit ein sehr starkes Gewicht und behandelte es vorrangig.

In der GPK-N wurden Befürchtungen geäussert, dass ­ auch wenn die ausschliessliche Verwendung der Schützenpanzer für UNO-Einsätze gewährleistet werden könnte ­, die Lieferung der Fahrzeuge zumindest indirekt auch die regulären Truppen stärken würde, indem Pakistan für UNO-Einsätze verwendetes Kriegsmaterial fortan für andere Zwecke einsetzen könne.

Angesichts der möglichen indirekten Stärkung der regulären Truppen und den mit der Zusicherung eines eingeschränkten Einsatzes verbundenen Problemen hätte nach Meinung der GPK-N der Bundesrat das Vermittlungsgesuch nicht bewilligen sollen.

Der Entscheid lag jedoch im Ermessensspielraum des Bundesrates, wie er von der Kriegsmaterialgesetzgebung vorgesehen ist.

Südkorea Die Voranfrage betraf ein Gesuch auf vorübergehende Ein- und anschliessende Wiederausfuhr gemäss Artikel 12 Buchstaben c und d KMG. Gesuche dieser Art werden wie Bewilligungsgesuche für Kriegsmaterialexporte behandelt.

Sowohl in den Kriegsmaterialberichten des Bundesrates (Jahre 2000­2004) wie in seiner Antwort vom 18. Mai 2005 zur Interpellation 05.308530werden Gründe aufgeführt, die einer Bewilligung eines Kriegsmaterialgeschäfts mit Südkorea entgegenstehen. Insbesondere waren dies der formell noch anhaltende Krieg zwischen den beiden Korea die damit verbundene hohe Konzentration an Waffen sowie die seit 1953 durch die Schweiz geführte, aktive Friedenspolitik auf der koreanischen Halbinsel.31 In seinem Kriegsmaterialbericht 2004 führte der Bundesrat aus: «Lieferungen von Kriegsmaterial könnten unter diesen Umständen die Neutralität und Glaubwürdigkeit des schweizerischen Engagements gefährden»32. Der Vertreter des EDA bestätigte diese ablehnende Haltung an der Sitzung der Geschäftsprüfungskommissionen zum Kriegsmaterialbericht 2004 des Bundesrates (diese fand am 27. April 2005 statt).

Im Jahr 2002 wurde eine Voranfrage zu einem ähnlichen Geschäft, nämlich für den Umbau (Verbesserungen) und die Reparatur an TOW Missiles33 durch das SECO/EDA abgelehnt.

Der Bundesrat ist Ende Juni 2005 mit seiner positiven Antwort
zur Voranfrage von einer langjährigen konstanten Praxis abgewichen. Bis Ende des Jahres 2004 erachtete er die Lage in der Region aufgrund der hohen Konzentration von schweren Waf30 31

32 33

Interpellation 05.3085 «Kriegsmaterial für Südkorea», von Nationalrat Paul Günter am 16.3. 2005 eingereicht.

«Angesichts der Tatsache, dass noch kein Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea abgeschlossen ist, sowie der spezifischen Rolle, welche die Schweiz als Mitglied der neutralen Überwachungskommission (NNSC) einnimmt, verfolgt der Bundesrat die Politik, kein Kriegsmaterial an Südkorea zu liefern (obwohl viele Länder, die sich wie die Schweiz an internationalen Exportkontrollregimes beteiligen, dies schon seit langem tun).» Bericht des Bundesrates an die Geschäftsprüfungskommissionen über die Einzelheiten der Kriegsmaterialausfuhr im Jahr 2004, S. 18 (nicht publiziert).

Tube-launched, optically tracked, wire-guided missiles = Raketen, die gegen gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt werden können

2130

fen auf der koreanischen Halbinsel noch als unsicher und gespannt. Ein paar Monate später hob er das Verhalten Südkoreas gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft als konstruktiv heraus und sah im Verhalten des Landes keine Beeinträchtigung der regionalen Stabilität.

Obwohl der Bundesrat die Bewilligung von Kriegsmaterialausfuhren nach Südkorea insbesondere aus Gründen der Unparteilichkeit der Schweiz im betrachteten Zeitraum vom Jahr 2000 bis Mitte Mai 2005 kategorisch ausgeschlossen hatte, nahm er Ende Juni 2005 mit der Bewilligung der Voranfrage eine radikale Praxisänderung vor. Der Bundesrat argumentierte nun nicht mehr neutralitätspolitisch, sondern führte aus, dass aus dem Neutralitätsrecht, das nur bei einem bewaffneten Konflikt zur Anwendung komme, keine Ablehnungsgründe abgeleitet werden könnten34. Am formellen Kriegszustand zwischen den beiden Ländern hatte sich allerdings nach wie vor nichts geändert.

Letztlich ging für den Bundesrat bei dieser Voranfrage das Interesse an der Aufrechterhaltung einer an die Bedürfnisse der Landesverteidigung angepassten industriellen Kapazität der Schweiz (Art. 1 KMG) den neutralitätspolitischen Bedenken vor. Dieser Entscheid war aber auch durch das Exportverhalten anderer Länder sowie durch die Art des Geschäfts (vorübergehende Einfuhr zwecks Unterhaltsarbeiten) bestimmt. Die GPK-N ging der Frage nach, ob eine solche Bewilligung die aussenpolitischen Grundsätze der Schweiz verletzt. Die Neutralitätspolitik gehört unzweifelhaft zu den aussenpolitischen Grundsätzen der Schweiz.

Auch hier ist aus rechtlicher Sicht festzustellen, dass der Bundesrat innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Ermessensspielraums entschieden hat. Vor dem Hintergrund der aktiven und langjährigen Friedensbemühungen der Schweiz in der Region erachtet die GPK-N den Entscheid des Bundesrates jedoch als falsch. Diese Beurteilung findet in den Atombombentests von Nordkorea im Oktober 2006 ihre Bestätigung.

Empfehlung 2 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, seine Praxisänderung im Bereich der Bewilligungen für Kriegsmaterialexporte nach Südkorea vertieft zu begründen und klare Kriterien für die Berücksichtigung der Neutralitätspolitik bei den Bewilligungsentscheiden zu definieren.

3.2

Lieferung von Panzerhaubitzen an die VAE und Weitergabe an Marokko

Gewisse Aspekte der Ereignisse rund um die Lieferung der 40 Panzerhaubitzen M-109 an die VAE und der Weitergabe an Marokko wurden durch die GPK-N im Rahmen ihrer Untersuchung zu den Verteidigungsattachés zu einem früheren Zeitpunkt abgeklärt35. Die GPK-N stellte in dieser Untersuchung fest, dass schon vor der Bewilligung der Ausfuhr der Haubitzen in die VAE durch das SECO im VBS Hin34 35

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 29.6.2005.

Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates über die Verteidigungsattachés vom 23.5.2006 (http://www.parlament.ch).

2131

weise existierten, dass die VAE beabsichtigten, die M-109 allenfalls der marokkanischen Armee zu Ausbildungszwecken zur Verfügung zu stellen. Die RUAG intervenierte in der Folge bei den Behörden der VAE, um sie auf die Nichtwiederausfuhrverpflichtung aufmerksam zu machen. Dass die VAE trotz dieser Intervention der RUAG weiterhin am Kauf der M-109 interessiert waren und schliesslich auch eine Nichtwiederausfuhrerklärung abgaben, wurde vom VBS so interpretiert, dass sie die Haubitzen für sich beschaffen wollten und keine Weitergabe beabsichtigten.

Das für die Bewilligung des Haubitzenverkaufs zuständige EVD erhielt die Informationen über die etwaige Absicht der VAE, die Haubitzen Marokko zu überlassen, erst Ende März 2005, so dass es diese Hinweise bei der Beurteilung des Ausfuhrgesuchs nicht berücksichtigen konnte36.

Die im Rahmen der Aufsichtseingabe durchgeführten Abklärungen bestätigten, dass die Informationen nicht vom VBS zum EVD gelangten. Die GPK-N ist der Ansicht, dass solche Situationen nicht vorkommen dürfen und dass die Zusammenarbeit zwischen dem VBS und dem EVD in solchen Fällen klar geregelt werden muss.

Betreffend die Rolle der RUAG stützte sich die GPK-N auf die Angaben des EVD und des VBS. Die neue, in der Medienmitteilung des Bundesrates vom 3. Juli 2006 enthaltene Information, dass die RUAG gemäss Angaben der VAE über den Export nach Marokko informiert gewesen sei, konnte im Rahmen der Abklärungen der GPK-N nicht mehr überprüft werden. Der Bundesrat hat jedoch beschlossen, die Rolle der RUAG in dieser Angelegenheit prüfen zu lassen. Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die Kommission über das Resultat seiner Abklärungen zu informieren.

Im Weiteren stellte die GPK-N bei ihrer Untersuchung zur Aufsichtseingabe fest, dass dem SECO zum Zeitpunkt der Bewilligung der Ausfuhr keine Informationen vorlagen, dass die VAE die Panzerhaubitzen Marokko zur Verfügung stellen wollten. Auch war es im Besitz einer Nichtwiederausfuhr-Erklärung der VAE, welche aus Sicht der schweizerischen Behörden eine Weitergabe der Haubitzen ausschloss37. Die massgebenden Beurteilungskriterien im Rahmen des Bewilligungsverfahrens (Art. 1, 22 und 25 KMG sowie Art. 5 KMV) standen der Ausfuhrbewilligung nicht entgegen. Aus Sicht der GPK-N war die Erteilung der Ausfuhrbewilligung durch das SECO in diesem Zeitpunkt
rechtmässig. Man hätte sich allerdings fragen können, ob die Beschaffung gebrauchten Kriegsmaterials dieses Typs mit der Militärstruktur und -strategie der VAE sowie mit ihrer grossen Kaufkraft im Einklang standen. Die GPK-N ist der Überzeugung, dass gerade bei solchen Fragen der Strategische Nachrichtendienst konsultiert werden sollte.

Nach dem Aufkommen der Gerüchte über die Weitergabe der Panzerhaubitzen an Marokko intervenierte das SECO mehrfach bei den zuständigen Behörden der VAE.

Es stellte sich heraus, dass die VAE in der zur «Verfügungstellung der Panzerhaubitzen zu Trainingszwecken» keine Verletzung der Nichtwiederausfuhr-Erklärung erkannten, solange die Haubitzen in ihrem Besitz blieben. Das SECO bemühte sich weiterhin, die Rückführung der Haubitzen in die VAE zu erwirken. Diese Bemühungen wurden durch die GPK-N begrüsst.

Ende Mai 2006 informierten die VAE den Vorsteher des VBS, dass sie die Panzerhaubitzen Marokko geschenkt hätten38. Die VAE erläuterten in ihrem Schreiben 36 37 38

Ebenda S. 16 f.

Im Sinne des Art. 18 KMG.

Vgl. Medienmitteilung des Bundesrates vom 3.7.2006.

2132

gegenüber den Schweizer Behörden, sie seien ausgegangen, die Ausfuhrermächtigung der USA als Herstellerland der Panzerhaubitzen reiche für die Ausfuhr nach Marokko aus. Im selben Schreiben bedauern die VAE diese Fehlinterpretation und entschuldigen sich für die der Schweiz daraus entstandenen Unannehmlichkeiten.

Der Bundesrat veröffentlichte diese Informationen am 3. Juli 2006. Die Schenkung der Panzerhaubitzen durch die VAE an Marokko stellt aus Sicht der GPK-N eine Verletzung der Nichtwiederausfuhrerklärung durch die VAE dar. Angesichts der Entschuldigung der VAE und der im März 2006 verschärften Massnahmen des Bundesrates ist die Kommission der Ansicht, dass solche Verletzungen der Nichtwiederausfuhrerklärungen nicht mehr vorkommen sollten. Bei Verletzungen von Nichtwiederausfuhrerklärungen sind Konsequenzen zu ziehen. Insbesondere ist während einer gewissen Zeit auf die Bewilligung von Kriegsmaterialausfuhren in das betroffene Land zu verzichten.

Allgemein lässt sich feststellen, dass der Bundesrat die Problematik erkannt hat und zu Recht beschloss, in Zukunft die Nichtwiederausfuhrerklärungen präziser zu formulieren und auch die Vor-Ort-Kontrollen zu verstärken39.

Empfehlung 3 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, bei Verletzungen von Nichtwiederausfuhrerklärungen entsprechende Konsequenzen für die betreffenden Staaten vorzusehen.

4

Schlussfolgerungen

Die schweizerische Kriegsmaterialgesetzgebung verfolgt unterschiedliche Ziele, die im konkreten Einzelfall in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen können.

Sie will deshalb bewusst flexibel auf Anfragen zur Bewilligung von Kriegsmaterialexporten reagieren können. Das KMG räumt dem Bundesrat und der Bundesverwaltung bei der Beurteilung von Kriegsmaterialausfuhrgesuchen demnach einen grossen Ermessensspielraum ein. Der Bundesrat hat in seiner KMV die Beurteilungselemente konkretisiert und auch Verfahren festgelegt, die sicherstellen sollen, dass alle betroffenen Behörden der Bundesverwaltung im Rahmen des Bewilligungsverfahrens konsultiert werden und dass bei Uneinigkeit oder bei Gesuchen mit erheblicher aussen- oder sicherheitspolitischer Tragweite der Bundesrat entscheidet.

Letzteres ist durch Artikel 29 Absatz 2 KMG vorgegeben. Vor diesem rechtlichen Hintergrund gelangte die GPK-N zum Schluss, dass der Bundesrat mit seinen Entscheiden zu den Gesuchen und Voranfragen kein Recht verletzt hat. Eine allfällige bindende Einengung des Ermessensspielraums des Bundesrates und der zuständigen Verwaltungseinheiten hätte auf Gesetzesstufe zu erfolgen.

Hingegen kritisiert die Kommission die Gewichtung der einzelnen Beurteilungselemente; dabei handelt es sich letztlich auch um eine politische Beurteilung.

Aufgrund seiner Entscheide vom 29. Juni 2005, der dadurch verursachten öffentlichen Diskussion sowie der Vorkommnisse rund um die Panzerhaubitzenlieferung 39

Beschluss des Bundesrates vom 10. März 2006.

2133

in die VAE beauftragte der Bundesrat eine interdepartementale Arbeitsgruppe mit der Überprüfung des Bewilligungsverfahrens und insbesondere des Instruments der Nichtwiederausfuhr-Erklärung. Am 10. März 2006 nahm der Bundesrat vom Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe40 Kenntnis. Er beschloss bezüglich der Verwendung des überschüssigen Kriegsmaterials folgende Grundsätze: ­

In erster Wahl wird das überschüssige Kriegsmaterial wieder an das ursprüngliche Herkunftsland verkauft oder diesem kostenlos und ohne Auflagen überlassen.

­

In zweiter Wahl und bei Vorliegen des Einverständnisses des Herkunftslandes wird das Kriegsmaterial unter Beibringung einer NichtwiederausfuhrErklärung an Staaten verkauft, die wie die Schweiz allen internationalen Exportkontrollregimen angehören.

­

Als letzte Wahl wird es in der Schweiz gelagert und allenfalls verwertet.

In Zukunft sollen die Nichtwiederausfuhr-Erklärungen auch die Leihe und Schenkungen ausschliessen. Ferner soll sichergestellt werden, dass die Regierung des Importlandes die Erklärung auch tatsächlich als verpflichtend betrachtet. Der Bundesrat hat die involvierten Dienste zu verstärkter Zusammenarbeit angehalten, damit die Einhaltung der Nichtwiederausfuhr-Erklärungen besser überwacht wird. Der Bundesrat will zukünftig grundsätzlich nur noch über konkrete Ausfuhrgesuche entscheiden und sich nicht mehr wie in der Vergangenheit auch zu Voranfragen bezüglich der Aussichten für ein Ausfuhrgesuch äussern. Im Weiteren hat der Bundesrat das EVD beauftragt, im Rahmen der geplanten Änderung der Kriegsmaterialverordnung auch eine Präzisierung der Kriterien für die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen zu prüfen.

Die GPK-N begrüsst grundsätzlich die Entscheide des Bundesrates für eine restriktivere Handhabung der Bewilligungspraxis. Die Problematik der Verwendung von überschüssigem Kriegsmaterial wird dadurch entschärft. Allerdings ist für die GPK-N die Rückführung von überschüssigem Kriegsmaterial in das Herkunftsland problematisch, da die Schweiz danach keine Kontrolle mehr über die weitere Verwendung des Kriegsmaterials hat. Hingegen stimmt die GPK-N mit dem Bundesrat überein, dass die Bewilligungskriterien überprüft werden müssen. Damit soll verhindert werden, dass Bewilligungen von Gesuchen im Bereich der Kriegsmaterialgesetzgebung das Ansehen der Schweiz im Ausland schädigen.

Empfehlung 4 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, überschüssiges Kriegsmaterial in erster Linie in der Schweiz zu verwerten. Eine Rückgabe an das Herkunftsland sollte nur ins Auge gefasst werden, falls davon auszugehen ist, dass dieses Land das Kriegsmaterial nicht weitergibt.

40

Bericht der Interdepartementalen Arbeitsgruppe (IDA) über die Zuständigkeiten und Verfahren zur Behandlung von Kriegsmaterialexporten vom 22.12.2005 (http://www.evd.admin.ch/imperia/md/content/rapports/matdeguerre/bericht_kriegs material_d_.pdf).

2134

Empfehlung 5 Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die Kriterien für die Erteilung der Ausfuhrbewilligungen zu präzisieren und dabei insbesondere auch die Empfehlung 1 des Berichts der GPK-N (stärkere Gewichtung der Menschenrechtslage) sowie ihre Festellungen zu den weiteren Bewilligungen zu berücksichtigen.

Wichtig erscheint ihr ebenfalls, dass die Zusammenarbeit zwischen allen Verwaltungseinheiten, die für die Prüfung der Bewilligungsgesuche relevante Informationen besitzen, klar geregelt wird. Auch die Verbesserungen des Instruments der Nichtwiederausfuhr-Erklärungen stellen einen richtigen Schritt dar.

Die GPK-N ersucht den Bundesrat, zum vorliegenden Bericht und zu den darin enthaltenen Schlussfolgerungen bis Ende Februar 2007 Stellung zu nehmen.

7. November 2006

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Der Vize-Präsident: Nationalrat Pierre-François Veillon Der Sekretär der Geschäftsprüfungskommissionen: Philippe Schwab Die Präsidentin der Subkommission EFD/EVD: Nationalrätin Brigitta M. Gadient Der Sekretär der Subkommission EFD/EVD: Christoph Albrecht

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