07.021 Botschaft zum Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Republik Brasilien über Rechtshilfe in Strafsachen vom 28. Februar 2007

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses zu dem am 12. Mai 2004 in Bern unterzeichneten Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Republik Brasilien über Rechtshilfe in Strafsachen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. Februar 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-1637

2023

Übersicht Ausgangslage Eine effiziente Bekämpfung der Kriminalität geschieht heute immer mehr mit den Instrumenten der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung und Vernetzung der Lebensverhältnisse nimmt auch die Kriminalität zunehmend grenzüberschreitende Dimensionen an. Die neuen Technologien, insbesondere im Bereich der Kommunikation und der Datenübermittlung, erleichtern kriminelle Aktivitäten über die Staatsgrenzen hinaus. Je nach Art der Delikte ist ausserdem vermehrt die Tätigkeit von strukturierten Organisationen festzustellen. All dies führt dazu, dass der einzelne Staat die Herausforderungen, die im Zusammenhang mit einer wirksamen Verbrechensbekämpfung bestehen, immer weniger allein zu bewältigen vermag. Um dem daraus resultierenden drohenden Verlust an Sicherheit entgegenzuwirken, muss schrittweise ein weltweites Netzwerk von bilateralen Abkommen auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen aufgebaut werden. Der Abschluss des Vertrages mit Brasilien ist ein weiterer Beitrag im Hinblick auf dieses Ziel. Er stellt ausserdem die Weiterführung der bereits eingeleiteten Zusammenarbeit mit dem grössten Staat Lateinamerikas dar, da die Schweiz und Brasilien bereits 1932 einen Auslieferungsvertrag abgeschlossen haben.

Im Rahmen der Beziehungen mit Brasilien steht insbesondere der Wille der Schweiz im Vordergrund, künftig ein wirksameres Vorgehen gegen Delikte wie Korruption, Drogenhandel, Geldwäscherei sowie Frauen- und Kinderhandel zu ermöglichen.

Dies ist von grosser Bedeutung, da die Schweiz ­ wie die Statistiken der letzten Jahre zeigen ­ mit Brasilien im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen umfangreiche Beziehungen unterhält.

Inhalt des Vertrages Der Vertrag schafft eine völkerrechtliche Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit der beiden Staaten bei der Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung strafbarer Handlungen. Im vertraglich vereinbarten Umfang sind die Vertragsparteien zur Leistung von Rechtshilfe verpflichtet. Bisher konnte die Schweiz Brasilien lediglich auf der Grundlage des mit diesem Staat abgeschlossenen Auslieferungsvertrages (Art. XVII; SR 0.353.919.8) und des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG; SR 351.1) Rechtshilfe gewähren.

Der Vertrag liegt auf
der Linie der Rechtshilfeverträge, welche die Schweiz unlängst mit den Philippinen sowie mit Hongkong, Ägypten, Peru und Ecuador abgeschlossen hat. Wie diese orientiert er sich am Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (EUeR; SR 0.351.1) sowie am IRSG, deren wichtigste Grundsätze er übernimmt. Darüber hinaus berücksichtigt er die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Der Vertrag erfordert keine Änderungen des geltenden Rechts.

2024

Verschiedene Bestimmungen dienen der Vereinfachung und Beschleunigung der Rechtshilfeverfahren und der Verbesserung des Rechtshilfeverkehrs zwischen den beiden Staaten überhaupt.

2025

Inhaltsverzeichnis Übersicht

2024

1 Allgemeiner Teil 1.1 Ausgangslage 1.2 Verlauf der Verhandlungen 1.3 Überblick über den Inhalt des Vertrages 1.4 Würdigung des Vertrages

2027 2027 2028 2028 2029

2 Erläuterungen zu den wichtigsten Bestimmungen des Vertrages 2.1 Titel I: Allgemeine Bestimmungen 2.2 Titel II: Rechtshilfeersuchen 2.3 Titel III: Zustellung und Erscheinen 2.4 Titel IV: Strafregister und Austausch von Strafnachrichten 2.5 Titel V: Verfahren 2.6 Titel VI: Unaufgeforderte Übermittlung und Anzeigen zum Zweck der Strafverfolgung oder der Einziehung 2.7 Titel VII: Schlussbestimmungen

2030 2030 2033 2036 2038 2039

3 Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen für Bund und Kantone 3.2 Wirtschaftliche Auswirkungen

2042 2042 2042

4 Legislaturplanung

2042

5 Verhältnis zum europäischen Recht

2042

6 Rechtliche Aspekte 6.1 Verfassungsmässigkeit 6.2 Vernehmlassung

2043 2043 2044

Bundesbeschluss zur Genehmigung des Vertrages zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Republik Brasilien über Rechtshilfe in Strafsachen (Entwurf)

2045

Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Republik Brasilien über Rechtshilfe in Strafsachen

2047

2026

2040 2041

Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Der Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Föderativen Republik Brasilien über Rechtshilfe in Strafsachen (im Folgenden der «Vertrag») ist ein Instrument zur Verbrechensbekämpfung im Interesse einer verstärkten Sicherheit. Der einzelne Staat vermag die Herausforderungen, die im Zusammenhang mit einer wirksamen Verbrechensbekämpfung bestehen, immer weniger allein zu bewältigen.

Brasilien ist der grösste Staat Lateinamerikas. Wie die Statistiken der letzten Jahre zeigen, unterhält die Schweiz mit Brasilien im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen umfangreiche Beziehungen. Die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den beiden Staaten wird gegenwärtig auf internationaler Ebene durch Artikel XVII des Auslieferungsvertrages geregelt, den die Schweiz und Brasilien am 23. Juli 1932 abgeschlossen haben1. In dieser Bestimmung ist die Möglichkeit vorgesehen, dass sich die beiden Staaten auf diplomatischem Weg Rechtshilfeersuchen in Strafsachen übermitteln. Die zahlreichen Ersuchen, die gegenwärtig zwischen Brasilien und der Schweiz gestellt werden, weisen Mängel auf, die mit dem Vertrag behoben werden.

Dies erfolgt durch gewisse Klärungen sowie durch eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens, das mit dem Vertrag zwischen den beiden Staaten institutionalisiert wird. Der Vertrag bringt insbesondere die notwendigen Klärungen für die betroffenen Behörden. So enthalten beispielsweise gewisse Ersuchen, die von den brasilianischen Behörden übersandt werden, gegenwärtig nur eine lückenhafte Darstellung des Sachverhalts, so dass die Schweizer Behörden nicht überprüfen können, ob der jeweilige Sachverhalt dem Erfordernis der doppelten Strafbarkeit entspricht, das eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährung von Rechtshilfe darstellt. Mit der genauen und detaillierten Regelung im Vertrag wird dieser Mangel behoben.

Demzufolge besteht der Zweck des Vertrages in einer wirksameren Verbrechensbekämpfung, indem die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten verbessert, ausgebaut, geklärt, vereinfacht und beschleunigt wird. Dabei geht es insbesondere um die Bekämpfung der Korruption, des Drogenhandels, der Geldwäscherei sowie des Frauen- und Kinderhandels. Die Bestimmungen des Vertrages beziehen sich indessen auch auf alle anderen strafbaren Handlungen.

Der Vertrag übernimmt die
wesentlichen Grundsätze des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen und des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Gleichzeitig berücksichtigt er die neuesten Entwicklungen im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Bei diesen Entwicklungen geht es beispielsweise um Einvernahmen per Videokonferenz, um die Schaffung von Zentralbehörden, die direkte Beziehungen unterhalten, um die Aufhebung von Formerfordernissen und um die unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen. In den in letzter Zeit abgeschlossenen Verträgen ist beispielsweise keine Bestimmung vorhanden, welche die Einvernahmen per 1

SR 0.353.919.8

2027

Videokonferenz und die unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen regelt. Dies gilt zum Beispiel für den Vertrag mit Peru2, der seit 1998 in Kraft ist, oder den seit 1999 geltenden Vertrag mit Ecuador3.

1.2

Verlauf der Verhandlungen

Der Vertrag ist das Ergebnis zweier Verhandlungsrunden, die im Mai 2003 in Brasilia und im August 2003 in Bern durchgeführt wurden. Zu Beginn wollte die brasilianische Delegation als Ausgangsbasis für die Verhandlungen den auf dem angloamerikanischen Recht beruhenden Vertrag heranziehen, den sie mit den Vereinigten Staaten abgeschlossen hatte. Sie erklärte sich schliesslich bereit, dem Muster des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zu folgen. Darin wurden moderne Bestimmungen integriert, die in der Praxis von Bedeutung sind.

1.3

Überblick über den Inhalt des Vertrages

Der Vertrag regelt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Brasilien bei der Aufdeckung, Verfolgung und Ahndung strafbarer Handlungen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, einander in diesem Bereich weitestgehende Rechtshilfe zu leisten.

Bisher konnte die Schweiz der Föderativen Republik Brasilien lediglich auf der Basis von zwei Rechtsgrundlagen Rechtshilfe gewähren: zum einen auf der Grundlage von Artikel XVII des zwischen der Schweiz und Brasilien abgeschlossenen Auslieferungsvertrages (mit diesem Artikel wurde einzig die Möglichkeit geschaffen, dass sich die beiden Staaten auf diplomatischem Weg ein Rechtshilfeersuchen übermitteln können) und zum andern auf der Grundlage des Bundesgesetzes über internationale Rechtshilfe in Strafsachen.

Die Schwierigkeiten, die bei der Gewährung von Rechtshilfe aufgetreten sind, rechtfertigen einen Vertrag, der die für eine reibungslose Abwicklung des Verfahrens erforderlichen Klärungen sowie eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens gewährleistet.

Der Vertrag ist ein modernes und effizientes Instrument. Er liegt auf der Linie der bilateralen Rechtshilfeverträge, welche die Schweiz in letzter Zeit abgeschlossen hat4. Wie diese orientiert er sich am Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und am IRSG, deren wesentlichen Grundsätze er übernimmt.

Demzufolge erfordert der Vertrag keine Änderungen dieses Gesetzes. Der Vertrag berücksichtigt auch die neuesten Entwicklungen im Bereich des innerstaatlichen Rechts der Schweiz und im Zusammenhang mit dem Zweiten Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (ETS Nr. 182)5.

2 3 4 5

SR 0.351.964.1 SR 0.351.932.7 Rechtshilfeverträge mit den Philippinen (SR 0.351.964.5), Hongkong (SR 0.351.941.6), Ägypten (SR 0.351.932.1), Peru und Ecuador.

SR 0.351.12 (in Kraft seit 1. Febr. 2005).

2028

Der Vertrag enthält die folgenden wesentlichen Neuerungen: ­

Es sind Zentralbehörden vorgesehen (Art. 1 Abs. 2 und Art. 23), die direkt Informationen untereinander austauschen. Dies ermöglicht insbesondere bei problematischen Rechtshilfeersuchen einen Zeitgewinn. Die Praxis zeigt, dass die Ersuchen der brasilianischen Behörden oft ungenügend begründet sind. Durch die direkten Kontakte wird es möglich sein, diese rascher nachbessern zu lassen.

­

Gegenstände und Vermögenswerte, die vorsorglich beschlagnahmt wurden, können im Hinblick auf deren Einziehung oder Rückgabe an den Anspruchsberechtigten dem ersuchenden Staat herausgegeben werden (Art. 12).

­

Unter bestimmten Bedingungen können Beweismittel und Informationen dem anderen Vertragsstaat übermittelt werden, ohne dass dieser vorgängig ein Rechtshilfeersuchen eingereicht hat (Art. 29).

­

Zeugen, Sachverständige und, sofern sie zustimmen, auch strafrechtlich verfolgte Personen können per Videokonferenz einvernommen werden, wenn es nicht zweckmässig oder möglich ist, dass sie persönlich im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates erscheinen können (Art. 21).

­

Es besteht nun ein zusätzlicher Ablehnungsgrund: Im Vertrag ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Rechtshilfe abgelehnt werden kann, wenn ernsthafte Gründe zur Annahme bestehen, dass im Rahmen des ausländischen Strafverfahrens die Garantien nicht berücksichtigt werden, die im Internationalen Pakt der UNO vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte festgehalten sind (Art. 3 Abs. 1 Bst. f). Die Schweiz und Brasilien haben diesen Pakt beide ratifiziert.

Die im ersten und im dritten Teil des IRSG enthaltenen Verfahrensvorschriften bilden die Grundlage für die Anwendung des Vertrages.

1.4

Würdigung des Vertrages

Der Vertrag bildet einen integrierenden Bestandteil der Politik der Schweiz zum kontinuierlichen Ausbau des weltweiten bilateralen Vertragsnetzes im Bereich der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit auf diesem Gebiet soll ein weiterer Beitrag zu einer noch wirksameren Verbrechensbekämpfung geleistet werden.

Der Vertrag steht im Einklang mit bewährten Bestimmungen und Grundsätzen im Rechtshilfebereich. Er enthält wichtige Grundsätze des schweizerischen Rechtshilferechts wie die doppelte Strafbarkeit, die Spezialität sowie den Vollzug der Rechtshilfemassnahmen nach dem Prozessrecht des ersuchten Staates. Er statuiert auch die Möglichkeit bei Verfahren, die einen Abgabebetrug beinhalten, Rechtshilfe zu gewähren. Durch die Aufnahme neuer Bestimmungen berücksichtigt dieser bilaterale Vertrag gleichzeitig auch die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Rechtshilfe. Es konnten verschiedene Regelungen aufgenommen werden, die der Vereinfachung, Beschleunigung und Verbesserung des Rechtshilfeverfahrens dienen.

Gewisse Bestimmungen, die bereits im IRSG enthalten sind, wurden in den Vertrag übernommen und so auf eine völkerrechtliche, für beide Vertragsstaaten gleichermassen geltende Grundlage gestellt.

2029

Mit dem Vertrag wird ein modernes, griffiges Instrument geschaffen, das den Bedürfnissen der Praxis Rechnung trägt. Durch die Integration von Bestimmungen, die eine verbesserte Zusammenarbeit der Strafjustizbehörden der beiden Staaten vorsehen bzw. zur Folge haben, legt der Vertrag das Fundament für eine wirksamere Verbrechensbekämpfung. Dieser Effizienzgewinn darf aber nicht auf Kosten der Grundrechte realisiert werden, die den betroffenen Personen zustehen. Entsprechend wurde die Dimension der Menschenrechte im Vertrag durch die Aufnahme einer neuen Bestimmung zusätzlich verstärkt. Einem für unser Land wichtigen Anliegen wird damit Rechnung getragen.

Der Vertrag bildet jedoch nur ein Element im Kampf gegen die Kriminalität. Neben dem Vertrag existiert auch noch die Komponente der polizeilichen Zusammenarbeit.

Um die Beziehungen zwischen der Schweiz und Brasilien auch auf dem polizeilichen Sektor zu verstärken, hat die Schweiz im Februar 2005 einen schweizerischen Verbindungsbeamten in Brasilia stationiert.

2

Erläuterungen zu den wichtigsten Bestimmungen des Vertrages

2.1

Titel I: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1

Verpflichtung zur Rechtshilfe

Auf der Grundlage des Völkerrechts verpflichtet Absatz 1 die Vertragsstaaten, einander im grösstmöglichen Umfang Rechtshilfe in Strafsachen zu gewähren.

Somit ist einem Rechtshilfeersuchen stattzugeben, wenn keine Ausschluss- oder Ablehnungsgründe nach den Artikeln 2 und 3 bestehen.

Absatz 2 regelt den Austausch der Liste der zuständigen Behörden zwischen der Schweiz und Brasilien, welche Rechtshilfeersuchen vorlegen können. Damit sollen Mängel behoben werden, die in der Praxis aufgetreten sind. Diese Bestimmung muss im Zusammenhang mit Art. 23 gelesen werden und räumt kein Recht zum direkten Verkehr zwischen den Strafverfolgungsbehörden ein.

Absatz 3 enthält die gemäss dem Vertrag möglichen Rechtshilfemassnahmen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine Generalklausel den Behörden die Möglichkeit einräumt, alle anderen Massnahmen anzuordnen, die nicht ausdrücklich aufgeführt sind, sofern eine solche Massnahme mit den Zielen des Vertrages vereinbar und für die Vertragsstaaten annehmbar ist (Bst. i). In der Schweiz kann eine solche Massnahme bei Bedarf angeordnet werden, sofern die vom innerstaatlichen Recht vorgegebenen Grenzen eingehalten werden. Die oben erwähnte Generalklausel bietet eine gewisse Flexibilität im Einzelfall und ermöglicht die Berücksichtigung von besonderen Bedürfnissen und künftigen Entwicklungen.

Art. 2

Nichtanwendbarkeit

In dieser Bestimmung ist festgehalten, auf welche Fälle der Vertrag nicht anwendbar ist. Dabei handelt es sich um die Auslieferung, die Verhaftung oder die Inhaftierung strafrechtlich verfolgter oder verurteilter Personen und die Fahndung nach solchen Personen sowie die Vollstreckung von Strafurteilen.

2030

Art. 3

Gründe für die Ablehnung oder den Aufschub der Rechtshilfe

Diese Bestimmung enthält eine umfassende Aufzählung der Gründe, welche die Ablehnung von Rechtshilfe rechtfertigen. Dabei handelt es sich um klassische Ablehnungsgründe, die als Kann-Vorschriften formuliert sind, damit zum einen eine möglichst weit gehende Rechtshilfe gewährt werden kann, zum andern aber auch eine gewisse Flexibilität gewährleistet ist, damit der Entwicklung des Rechts Rechnung getragen werden kann. Was die Frage anbelangt, ob der ersuchte Staat die Rechtshilfe in den aufgezählten Fällen abzulehnen hat, ergibt sich die Antwort in jedem Einzelfall aus dem innerstaatlichen Recht. Für die Schweiz orientiert sich die Liste der Ablehnungsgründe an den massgebenden Bestimmungen, insbesondere an den Artikeln 1a, 2 und 3 IRSG. Diese Bestimmungen sehen grundsätzlich eine Unzulässigkeit von Rechtshilfeersuchen vor, die auf einem der Gründe beruhen, die eine Ablehnung des Ersuchens rechtfertigen. Der Vertrag sieht hingegen keinen Ablehnungsgrund auf Grund der Verjährung einer strafbaren Handlung vor. Dies im Gegensatz zu Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c IRSG.

Nach Absatz 1 Buchstaben a und b kann die Rechtshilfe abgelehnt werden, wenn sich das ausländische Verfahren auf eine politische Straftat oder auf eine ausschliesslich nach der Militärgesetzgebung strafbare Handlung bezieht. Dasselbe gilt, wenn die Ausführung des Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen des ersuchten Staates zu beeinträchtigen (Bst. d). Gemäss der schweizerischen Rechtsauffassung umfasst der Begriff «öffentliche Ordnung» auch die Einhaltung der Menschenrechte. Dazu gehören insbesondere das Recht auf Leben, das Verbot von Folter und jeder anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung sowie die grundlegenden Verfahrensgarantien. Auf weltweiter Ebene sind diese Garantien insbesondere im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 19666 über bürgerliche und politische Rechte enthalten.

Der Vertrag enthält in Absatz 1 Buchstabe c eine spezielle Regelung bezüglich der Fiskaldelikte, die das Resultat zäher Verhandlungen darstellt. Die brasilianische Delegation hatte lange Zeit auf einer umfassenden Rechtshilfe im Bereich der gesamten Fiskaldelikte insistiert. Die beiden Delegationen einigten sich schliesslich darauf, dass
Rechtshilfe nur gewährt werden kann, sofern das Strafverfahren einen Abgabebetrug beinhaltet (vgl. dazu auch Art. 3 Abs. 3 IRSG). Im Weiteren wurde im zweiten Satz von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c zuhanden der brasilianischen Justizbehörden der Umfang der Rechtshilfe, den die Schweiz im Bereich der Fiskaldelikte leisten kann, mit folgendem Wortlaut präzisiert: «Bezieht sich das Ersuchen nur teilweise auf Fiskaldelikte, kann der ersuchte Staat die Verwendung von Informationen und vorgelegten Beweismitteln für diesen Teil einschränken.» Wenn die zuständigen brasilianischen Behörden ein Rechtshilfeersuchen für einen Sachverhalt stellen, der nach schweizerischem Recht einer Veruntreuung, einem Abgabebetrug oder einer Steuerhinterziehung gleichkommt ­ und falls die weiteren Bedingungen des Vertrages zur Gewährung von Rechtshilfe erfüllt sind7 ­, so leistet die Schweiz Rechtshilfe nur für diejenigen Tatbestände, die nach schweizerischem Recht eine 6 7

Internationaler Pakt vom 16. Dez. 1966 über bürgerliche und politische Rechte (SR 0.103.2).

Nach Art. 24 Abs. 1 Bst. d des Vertrags, z.B. eine ausreichende Beschreibung des Sachverhalts (Zeitpunkt, Ort und Umstände, unter denen das Delikt begangen wurde).

Siehe zu den Voraussetzungen des Abgabebetrugs auch BGE 125 II 250.

2031

Veruntreuung oder einen Abgabebetrug darstellen. In Bezug auf eine nach schweizerischem Recht vorliegende Steuerhinterziehung dürfen die gelieferten Beweise aber nicht benutzt werden. Mit anderen Worten heisst das, dass die Schweiz bei Abgabebetrug und anderen Delikten des gemeinen Rechts Rechtshilfe leisten kann, im Falle aller anderen Fiskaldelikte die Rechtshilfe jedoch ablehnen muss. Diese Regelung stimmt mit dem in Artikel 13 des Vertrages geregelten Spezialitätsprinzip überein.

Danach dürfen durch Rechtshilfe erlangte Auskünfte, Schriftstücke oder Gegenstände im ersuchenden Staat nicht in Strafverfahren wegen strafbarer Handlungen verwendet werden, bei denen Rechtshilfe nicht zulässig ist. Nach Artikel 5 Absatz 1 des Vertrages ist zudem das Recht des ersuchten Staates massgebend dafür, ob ein ausländischer Sachverhalt den Tatbestand des Abgabebetruges erfüllt. Diese Bestimmung ermöglicht der Schweiz eine Fortsetzung der bewährten Politik im Bereich der Fiskaldelikte.

In Anwendung von Absatz 1 Buchstaben e und f kann die Rechtshilfe auch abgelehnt werden, wenn ernsthafte Gründe zur Annahme bestehen, dass die Ausführung des Ersuchens dazu führen würde, dass eine Person wegen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres Geschlechts oder ihrer politischen Anschauungen benachteiligt würde oder dass im Rahmen des ausländischen Strafverfahrens die Garantien nicht berücksichtigt werden, die im erwähnten UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte festgehalten sind.

Im Vergleich mit den bilateralen Rechtshilfeverträgen, welche die Schweiz bislang abgeschlossen hat, stellt Buchstabe f eine Neuerung dar. Diese muss in Verbindung mit dem Ablehnungsgrund bezüglich der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung gebracht werden (Bst. d). Wie bereits ausgeführt wurde, umfasst der Begriff «öffentliche Ordnung» insbesondere auch die Einhaltung der Menschenrechte und der grundlegenden Verfahrensgarantien, die im UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte festgehalten sind. Durch die ausdrückliche Erwähnung des Pakts ­ dem seit 1992 sowohl die Schweiz8 als auch Brasilien9 angehören ­ in Buchstabe f wird die Rechtssicherheit gestärkt, indem darauf hingewiesen wird, dass die Rechtshilfe bei Missachtung einer Garantie des Pakts abgelehnt werden kann. Eine solche Bestimmung hat
Signalwirkung und führt zu einer zusätzlichen Stärkung der Dimension der Menschenrechte, deren Schutz und Erhaltung die Schweiz grosse Bedeutung beimisst. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann sich ein Angeklagter ­ wenn er sich im Hoheitsgebiet eines Staates befindet, der einen anderen Staat um Rechtshilfe ersucht hat, und wenn die erwähnten Garantien nachweislich verletzt wurden ­ auf eine Verletzung des UNO-Paktes II berufen10. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Brasilien die Abschaffung der Todesstrafe auf Verfassungsebene verankert hat (ausser in Kriegszeiten).

Absatz 2 räumt dem ersuchten Staat die Möglichkeit ein, die Rechtshilfe aufzuschieben, wenn sich die Ausführung eines Ersuchens nachteilig auf ein hängiges Strafverfahren in diesem Staat auswirken würde. In der Praxis sind solche Situationen jedoch selten.

8 9 10

Seit 18. Juni 1992.

Seit 24. Jan. 1992.

BGE 129 II 271 E. 6.1 mit weiteren Hinweisen.

2032

Absatz 3 regelt das zu befolgende Verfahren, wenn der ersuchte Staat die Rechtshilfe ablehnen oder aufschieben will. Bevor er einen negativen Entscheid fällt, muss er gemäss Buchstabe a den ersuchenden Staat über die Gründe informieren, die ihn veranlassen, die Ausführung des Rechtshilfeersuchens abzulehnen oder aufzuschieben. Parallel dazu muss der ersuchte Staat im Sinne von Buchstabe b prüfen, ob und unter welchen Bedingungen er die Rechtshilfe trotzdem gewähren kann; diese Bedingungen müssen vom ersuchenden Staat gegebenenfalls eingehalten werden.

Art. 4

Ne bis in idem

Im Wesentlichen ist «ne bis in idem» ein allgemeiner Grundsatz, der darauf abzielt, eine zweifache Strafverfolgung wegen derselben Tat zu verhindern. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Rechtshilfe abgelehnt werden kann, wenn sich das Ersuchen auf eine strafbare Handlung bezieht, auf Grund deren die verfolgte Person im ersuchten Staat bereits rechtskräftig freigesprochen oder verurteilt wurde, sofern eine allfällig verhängte Sanktion noch vollzogen wird oder bereits vollzogen ist. Die Rechtshilfe kann jedoch unter verschiedenen Voraussetzungen gewährt werden: wenn die strafbaren Handlungen teilweise oder vollständig auf dem Gebiet des ersuchenden Staates begangen wurden (sofern sie zu einem gewissen Teil auf dem Gebiet des ersuchten Staates begangen wurden) oder wenn die strafbaren Handlungen einer Straftat entsprechen, die gegen die Sicherheit oder andere wesentliche Interessen des ersuchenden Staates gerichtet ist.

2.2 Art. 5

Titel II: Rechtshilfeersuchen Anwendbares Recht

In Absatz 1 ist der Grundsatz festgelegt, wonach die Ersuchen nach dem Recht des ersuchten Staates ausgeführt werden. In der Schweiz erfolgt die Ausführung entsprechend dem IRSG und dem massgebenden Verfahrensrecht der Kantone und des Bundes.

Unter bestimmten Voraussetzungen kann von dem in Absatz 1 festgelegten Grundsatz abgewichen werden. Absatz 2 sieht vor, dass bei der Ausführung eines Rechtshilfeersuchens auf ausdrücklichen Wunsch des ersuchenden Staates ein Verfahren gemäss dessen eigenen Regeln angewandt werden kann, sofern das Recht des ersuchten Staates dem nicht entgegensteht. Mit der Möglichkeit, vom oben erwähnten Grundsatz abzuweichen, soll verhindert werden, dass im ersuchenden Staat die Verwendung von Beweismitteln, die im Rahmen der Rechtshilfe erlangt werden, an unverhältnismässigen Schwierigkeiten auf Grund der Nichteinhaltung eines in diesem Staat obligatorischen Verfahrens scheitert oder dadurch behindert wird. Die gleiche Zielsetzung bildet die Grundlage von Artikel 65 IRSG zur Anwendung von ausländischem Recht im schweizerischen Rechtshilfeverfahren.

2033

Art. 6

Zwangsmassnahmen

Gemäss dieser Bestimmung müssen Rechtshilfeersuchen, deren Ausführung Zwangsmassnahmen11 erfordern, grundsätzlich angenommen werden. Die Rechtshilfe kann indessen abgelehnt werden, wenn die im Ersuchen beschriebenen Handlungen nicht die objektiven Tatbestandsmerkmale einer Handlung aufweisen, die sowohl nach dem Recht des ersuchten Staates wie des ersuchenden Staates strafbar ist12. Das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit als Vorbedingung für eine Zwangsmassnahme ist für die Schweiz ein wesentlicher Grundsatz. Dieser ist in der Erklärung der Schweiz zu Artikel 5 Absatz 1 EUeR und in Artikel 64 IRSG enthalten.

Art. 7

Vorläufige Massnahmen

Diese Bestimmung orientiert sich an Artikel 18 IRSG. In der Praxis der Rechtshilfe ist sie von erheblicher Bedeutung, da sie sehr rasche Interventionen ermöglicht, um im Rahmen einer effizienten Rechtshilfe die ersten benötigten Massnahmen zur Verbrechensbekämpfung zu realisieren. Diese Massnahmen können beispielsweise in der Sperrung eines Bankkontos oder im Bereich der Spitzentechnologie im Schutz von Informationen bestehen, die rasch vernichtet werden könnten.

Absatz 1 sieht vor, dass die zuständige Behörde des ersuchten Staates auf Verlangen des ersuchenden Staates vorläufige Massnahmen anordnet. Damit eine solche Massnahme angeordnet werden kann, dürfen keine offensichtlichen Gründe vorliegen, die eine Ablehnung der Rechtshilfe erfordern.

In dringenden Fällen können vorläufige Massnahmen gemäss Absatz 2 auch angeordnet werden, bevor das Rechtshilfeersuchen formell eingereicht wird. In solchen Fällen ist es ausreichend, dass ein Ersuchen angekündigt ist. Es muss jedoch ausgehend von den übermittelten Informationen geprüft werden können, ob alle Voraussetzungen für die Anordnung solcher Massnahmen erfüllt sind. Der ersuchende Staat muss bezüglich der Einreichung seines formellen Rechtshilfeersuchens eine Frist festlegen. Wird das Ersuchen nicht innerhalb der gesetzten Frist eingereicht, so werden die vorläufigen Massnahmen aufgehoben.

Art. 8

Anwesenheit von Personen, die am Verfahren teilnehmen

Personen und Behördenvertreter, die am ausländischen Verfahren teilnehmen, können bei der Ausführung des Ersuchens anwesend sein, wenn der ersuchende Staat ein entsprechendes Gesuch gestellt hat. Diese Bestimmung orientiert sich an Artikel 4 EUeR. Wenn die Schweiz der ersuchte Staat ist, werden die Einzelheiten in Artikel 65a IRSG geregelt. In Artikel 8 Absatz 4 ist festgehalten, dass die Personen, 11

12

Gemäss dem schweizerischen Konzept umfasst diese Kategorie alle Massnahmen, die mit einem im Verfahrensrecht vorgesehenen Zwang verbunden sind. Abgesehen von der Durchsuchung und der Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten geht es dabei insbesondere um das Erscheinen von nichtkooperativen Zeugen, um Zeugenaussagen unter Zwang oder um die Preisgabe von Geheimnissen, die durch das Gesetz geschützt sind.

Die doppelte Strafbarkeit bedeutet nicht, dass die der Person zur Last gelegten Handlungen von den Gesetzgebungen der beiden Staaten vom gleichen rechtlichen Standpunkt aus beurteilt werden müssen oder dass die Tatbestandsmerkmale der Straftat, die diesen Handlungen entspricht, in den beiden innerstaatlichen Rechtsordnungen identisch sein müssen. Es reicht aus, dass der im Rechtshilfeersuchen dargelegte Sachverhalt sowohl im ersuchten Staat als auch im ersuchenden Staat eine strafbare Handlung darstellt (vgl. BGE 126 II 409, E. 6c. cc, mit weiteren Hinweisen).

2034

die am ausländischen Verfahren teilnehmen, nicht über Tatsachen in Kenntnis gesetzt werden dürfen, die der Schweigepflicht unterliegen, bevor die zuständige Behörde über die Gewährung und den Umfang der Rechtshilfe entschieden hat. Die schweizerische Behörde, die für die Ausführung des Rechtshilfeersuchens zuständig ist, muss zu diesem Zweck die notwendigen Vorkehrungen treffen.

Art. 9

Zeugenaussagen im ersuchten Staat

Gemäss Artikel 9 muss die Einvernahme von Zeugen im ersuchten Staat nach dem Recht dieses Staates erfolgen. In Absatz 1 ist festgelegt, dass die betroffene Person die Aussage verweigern kann, wenn das Recht des ersuchenden Staates dies zulässt.

Für solche Fälle sieht Absatz 2 vor, dass der ersuchende Staat bestätigen muss, dass die betroffene Person das Recht hat, die Aussage zu verweigern. In Absatz 3 ist diesbezüglich festgelegt, dass die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts keinerlei gesetzliche Sanktionen zur Folge haben darf.

Art. 12

Herausgabe von Gegenständen und Vermögenswerten

Diese Bestimmung ist in der Praxis von erheblicher Bedeutung. Sie legt fest, dass Gegenstände und Vermögenswerte, die vorsorglich beschlagnahmt wurden, im Hinblick auf deren Einziehung dem ersuchenden Staat herausgegeben werden können. Die Herausgabe erfolgt nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates, in der Schweiz nach Artikel 74a IRSG.

Artikel 12 ergänzt die Bestimmung, die üblicherweise zur Herausgabe von Unterlagen zu Beweiszwecken zu finden ist. Im vorliegenden Vertrag ist diese Bestimmung in Artikel 10 enthalten. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass die vorsorgliche Beschlagnahmung von Gegenständen und insbesondere von Vermögenswerten im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens letztlich nur sinnvoll ist, wenn anschliessend die Möglichkeit besteht, diese dem ersuchenden Staat herauszugeben, der sie dann einzieht oder dem rechtmässigen Eigentümer zurückgibt.

Art. 13

Beschränkte Verwendung

Diese Bestimmung orientiert sich an Artikel 67 IRSG.

Sie definiert den Grundsatz der Spezialität, der für die Schweiz von grosser Bedeutung ist. Artikel 13 legt fest, auf welche Weise die durch Rechtshilfe erlangten Informationen und Beweismittel im ersuchenden Staat verwendet werden dürfen.

Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass im Rahmen der Rechtshilfe übermittelte Unterlagen anschliessend vom ersuchenden Staat in einem Verfahren verwendet werden, für das ihm keine Rechtshilfe gewährt worden wäre.

So ist in Absatz 1 festgehalten, dass der ersuchende Staat die durch Rechtshilfe erlangten Informationen und Beweismittel nur in einem Verfahren wegen strafbarer Handlungen verwenden darf, bei denen Rechtshilfe zulässig ist. Für die Schweiz besteht der Hauptzweck dieser Bestimmung darin, dass die übermittelten Informationen nicht in Verfahren wegen Fiskaldelikten verwendet werden dürfen, es sei denn, es handle sich um einen Fall von Abgabebetrug, der gemäss der schweizerischen Rechtsordnung ebenfalls sanktioniert wird13. Das Verbot, die übermittelten 13

Vgl. Art. 3 Abs. 3 IRSG.

2035

Informationen zu verwenden, gilt auch für Handlungen, die als politische oder militärische Straftaten gelten.

In Absatz 2 ist festgelegt, dass jede weitere Verwendung von übermittelten Informationen der vorherigen Zustimmung der Zentralbehörde des ersuchten Staates bedarf.

In diesem Absatz sind auch diejenigen Fälle aufgeführt, bei denen diese Zustimmung nicht erforderlich ist.

2.3

Titel III: Zustellung und Erscheinen

Art. 14­20

Zustellung von Verfahrensurkunden und Erscheinen vor Gericht

Die Bestimmungen zur Zustellung von Verfahrensurkunden und Gerichtsentscheidungen sowie die Bestimmungen zum Erscheinen von Zeugen oder Sachverständigen im ersuchenden Staat wurden aus Kapitel III des EUeR übernommen (Art. 7­10 und 12).

Im Vergleich mit den 15 aufeinander folgenden Tagen, die in Artikel 12 Absatz 3 EUeR vorgesehen sind, erweitert der Vertrag den zeitlichen Geltungsbereich des freien Geleits in Artikel 18 Absatz 3: Der Schutz, den die betroffene Person im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates vor jeglicher Strafverfolgung oder sonstiger Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit wegen Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates geniesst, endet, wenn die betreffende Person während 30 aufeinander folgenden Tagen die Möglichkeit gehabt hat, das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu verlassen, und diese Möglichkeit nicht genutzt hat. Dieser Zeitraum entspricht der Frist, die in den Rechtshilfeverträgen mit Australien, Hongkong14 und den Philippinen15 festgelegt worden ist.

Art. 19

Zeugenaussage im ersuchenden Staat

Eine Person, die auf Grund einer Vorladung im ersuchenden Staat erscheint, um dort als Zeuge auszusagen, hat die Zeugenaussage zu leisten, wenn ihr nicht nach dem Recht des ersuchenden Staates oder des ersuchten Staates ein Verweigerungsrecht zusteht. Die Erfüllung der Verpflichtung zur Zeugenaussage und zur Herausgabe von stichhaltigen Beweismitteln kann durch Zwangsmassnahmen garantiert werden.

Artikel 19 ist das Gegenstück zu Artikel 9, der sich auf Zeugenaussagen im ersuchten Staat bezieht.

Art. 20

Zeitweilige Überführung inhaftierter Personen

Diese Bestimmung übernimmt den Inhalt von Artikel 11 Absätze 1 und 3 EUeR, wobei gleichzeitig in Absatz 4 expressis verbis hinzugefügt wird, dass die Zeit, während der die betreffende Person im ersuchenden Staat inhaftiert ist, an ihre Untersuchungshaft und ihre Strafe im ersuchten Staat angerechnet wird. Diese Bestimmung wurde im Interesse der überführten Person festgelegt. Eine vergleich14 15

Art. 15 des Rechtshilfevertrages mit Australien (SR 0.351.915.8) und Art. 21 des Rechtshilfevertrages mit Hongkong (SR 0.351.941.6).

Art. 17 des Rechtshilfevertrages mit den Philippinen (SR 0.351.964.5).

2036

bare Bestimmung findet sich in den Rechtshilfeverträgen mit Australien16 und den Philippinen17.

Art. 21

Einvernahme per Videokonferenz

Diese Bestimmung orientiert sich an Artikel 9 des Zweiten Zusatzprotokolls zum EUeR18. Auf bilateraler Ebene hat die Schweiz im Rahmen des mit Italien19 abgeschlossenen Zusatzprotokolls zum EUeR zum ersten Mal eine solche Regelung getroffen. Der Vertrag mit den Philippinen enthält ebenfalls eine solche Bestimmung20. Die vorliegende Regelung ist insbesondere wegen der grossen Distanz zwischen der Schweiz und Brasilien und, wie bereits am Anfang dieser Botschaft ausgeführt wurde, wegen der umfangreichen Beziehungen gerechtfertigt, die im Rahmen der Rechtshilfe zwischen den beiden Staaten bestehen.

Artikel 21 regelt die Einvernahme per Videokonferenz von Zeugen und Sachverständigen sowie unter bestimmten Umständen von strafrechtlich verfolgten Personen. Mit dieser Bestimmung werden die Fortschritte genutzt, die im Bereich der Telekommunikation erzielt wurden. Durch die Zulassung von Einvernahmen mit Hilfe einer direkten Videoverbindung können Personen im ersuchten Staat einvernommen werden, in dem sie ihren Wohnsitz haben. Damit ist es nicht mehr notwendig, dass sie persönlich im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates erscheinen. Diese Bestimmung gelangt zur Anwendung, wenn es nicht zweckmässig oder unmöglich ist, dass die Person im Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates erscheint. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die betreffende Person ins Ausland geflüchtet ist, weil sie im Staat, der um ihre Einvernahme ersucht, eine strafrechtliche Verfolgung zu befürchten hat. Eine Einvernahme per Videokonferenz kann auch in Betracht gezogen werden, wenn die Anwesenheit eines Zeugen für die Durchführung eines anderen Verfahrens im ersuchten Staat unerlässlich ist oder wenn ein Zeuge, der in einem der beiden Vertragsstaaten inhaftiert wurde, an einen Drittstaat ausgeliefert werden soll. Darüber hinaus gibt es weitere Gründe, die eine Einvernahme per Videokonferenz rechtfertigen können: Flucht- oder Kollusionsgefahr, die Gewährleistung des Schutzes eines Zeugen oder das Alter oder der Gesundheitszustand der betroffenen Person. Und wenn eine Person eine lange Reise unternehmen muss, damit die Einvernahme vor Ort durchgeführt werden kann, stellt sich ­ insbesondere angesichts der Reiseentschädigungen, die der Person ausgerichtet werden müssen ­ unter Umständen die Frage, ob es nicht unverhältnismässig sei,
die Person zum persönlichen Erscheinen zu zwingen.

Die Absätze 1­7 regeln die Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen. Sie legen die Bedingungen fest, unter denen eine solche Videokonferenz durchzuführen ist, und regeln das Verfahren, das in diesem Zusammenhang zu befolgen ist21.

16 17 18 19

20 21

Art. 13 Abs. 4 des Vertrags mit Australien.

Art. 21 Abs. 4 des Vertrags mit den Philippinen.

SR 0.351.12 Art. VI des Vertrages vom 10. Sept. 1998 zwischen der Schweiz und Italien zur Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und zur Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.945.41).

Art. 22 des Vertrags mit den Philippinen.

Die Übernahme der Kosten, die im Zusammenhang mit einer Einvernahme per Videokonferenz anfallen, wird in Art. 28 Abs. 1 Bst. d des Vertrages geregelt.

2037

Wenn die in Absatz 1 festgelegten Bedingungen erfüllt sind, kann der Staat, bei dem ein Ersuchen um eine Einvernahme per Videokonferenz eingereicht wurde, einer solchen Einvernahme zustimmen.

Was die wesentlichen Regeln für eine Einvernahme per Videokonferenz anbelangt, so ist insbesondere Absatz 5 Buchstabe a zu erwähnen, demgemäss die Grundprinzipien der Rechtsordnung des ersuchten Staates während der Einvernahme eingehalten werden müssen. Wenn die Schweiz der ersuchte Staat ist, muss ihre Justizbehörde insbesondere dann eingreifen, wenn sie feststellt, dass die Justizbehörde des ersuchenden Staates während der Einvernahme unlautere oder unkorrekte Mittel einsetzt, um das Ergebnis der Einvernahme zu beeinflussen. In Absatz 5 Buchstabe e ist festgelegt, dass das Zeugnisverweigerungsrecht den gleichen Regeln unterliegt, die auch im Rahmen einer gewöhnlichen Einvernahme gelten.

Gemäss Absatz 6 ist nach der Einvernahme ein Protokoll zu erstellen. Darin sind jedoch nicht der Wortlaut der gemachten Aussagen, sondern lediglich Informationen wie der Ort und das Datum der Einvernahme, die Identität der einvernommenen Personen usw. festzuhalten.

In Absatz 7 ist vorgesehen, dass eine Aussageverweigerung oder eine Falschaussage die gleichen Konsequenzen nach sich zieht, wie wenn die Einvernahme im Rahmen eines innerstaatlichen Verfahrens erfolgt wäre.

Gemäss Absatz 8 kann auch eine strafrechtlich verfolgte Person per Videokonferenz einvernommen werden. Der Vertrag sieht indessen hinsichtlich bestimmter Punkte andere Regeln vor, als sie bei der Einvernahme von Zeugen und Sachverständigen zur Anwendung gelangen. So kann eine Einvernahme per Videokonferenz nur mit der Einwilligung der betreffenden Person durchgeführt werden. Auch in diesen Fällen ist der ersuchte Staat nicht verpflichtet, einem Ersuchen um Einvernahme per Videokonferenz stattzugeben. Die Entscheidung, ob und in welcher Form eine Videokonferenz durchgeführt werden soll, ist Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Vertragsstaaten und muss im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und den einschlägigen internationalen Übereinkünften getroffen werden.

2.4

Titel IV: Strafregister und Austausch von Strafnachrichten

Art. 22

Strafregister und Austausch von Strafnachrichten

Diese Bestimmung orientiert sich an den Artikeln 13 und 22 EUeR. Eine entsprechende Regelung ist auch in den Verträgen mit Ägypten22 und den Philippinen23 zu finden.

Absatz 1 bezieht sich auf Ersuchen um die Übermittlung von Auszügen aus dem Strafregister, die im Zusammenhang mit einer Strafsache eingereicht werden. Die Informationen werden vom ersuchten Staat dem ersuchenden Staat in dem Umfang übermittelt, in dem sie die Justizbehörden des ersuchten Staates in ähnlichen Fällen selbst erhalten könnten.

22 23

Art. 20 des Vertrags mit Ägypten.

Art. 13 des Vertrags mit den Philippinen.

2038

In Absatz 2 ist festgelegt, dass Auszüge aus dem Strafregister nicht nur im Rahmen einer Strafsache übermittelt werden können, sondern dass dies beispielsweise auch zum Zweck eines Verwaltungsverfahrens möglich ist. In diesen Fällen gilt jeweils das innerstaatliche Recht. In der Schweiz ist die Übermittlung von Auszügen aus dem Strafregister an ausländische Behörden in Artikel 24 der Verordnung vom 1. Dezember 199924 über das automatisierte Strafregister geregelt.

Gemäss Absatz 3 haben die Vertragsstaaten einander regelmässig über alle strafrechtlichen Verurteilungen in Kenntnis zu setzen, die gegen Staatsangehörige des jeweiligen Staates ausgesprochen werden. Diese Informationspflicht ist auf strafrechtliche Verurteilungen beschränkt, die im Strafregister eingetragen werden. In der Praxis werden diese Informationen mit Hilfe eines Formulars übermittelt. Im Rahmen der vorliegenden Bestimmung besteht keine Verpflichtung zur Übermittlung von detaillierteren Informationen, beispielsweise eines vollständigen Urteils.

2.5

Titel V: Verfahren

Art. 23 und 25

Zentralbehörden/Ausführung des Ersuchens

Der Vertrag sieht vor, dass die Rechtshilfeersuchen von den Zentralbehörden übermittelt werden. Diese werden von den Vertragsstaaten bestimmt. Die Zentralbehörden sind auch Ansprechpartner für die Bearbeitung der entsprechenden Ersuchen.

Gegenwärtig erfolgt die Übermittlung und Entgegennahme der Ersuchen auf diplomatischem Weg. In Zukunft wird auf den diplomatischen Weg nur noch zurückgegriffen, wenn sich dies im jeweiligen Fall als unabdingbar erweist. Mit dieser Bestimmung wird das Verfahren erheblich beschleunigt. Ausserdem ermöglicht sie den Aufbau direkter Kontakte zwischen den Personen, die innerhalb der Verwaltungen der beiden Staaten für die Organisation der Rechtshilfe verantwortlich sind.

Daraus resultiert eine Verbesserung der gesamten Zusammenarbeit. Dank den direkten Beziehungen können insbesondere Missverständnisse, durch welche die Rechtshilfe unter Umständen beeinträchtigt wird, einfacher geklärt werden.

In der Schweiz fungiert das Bundesamt für Justiz als Zentralbehörde. Im Rahmen der Rechtshilfe mit Brasilien verfügt die Zentralbehörde insgesamt über weniger weit gehende Befugnisse als die Zentralbehörden, die für die Beziehungen mit den USA25 und mit Italien26 verantwortlich sind und ebenfalls in die Zuständigkeit des Bundesamts für Justiz fallen. Die Zentralbehörde ist im Fall von Brasilien lediglich für die Ausübung der drei Funktionen zuständig, die im IRSG vorgesehen sind: die vorgängige Prüfung der Ersuchen, deren Übermittlung und die Kontrolle der Ausführung der Ersuchen. Diese Funktionen ergeben sich aus Artikel 25 des Vertrages mit Brasilien. Unter gewissen Umständen räumt Artikel 79a IRSG dem Bundesamt für Justiz jedoch die Kompetenz ein, selbst über die Ausführung eines Rechtshilfeersuchens zu befinden.

24 25

26

SR 331 Art. 28 des Staatsvertrags vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.933.6).

Art. XVIII des Vertrages vom 10. Sept. 1998 zwischen der Schweiz und Italien zur Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und zur Erleichterung seiner Anwendung (SR 0.351.945.41).

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Die konkrete Ausführung eines Rechtshilfeersuchens wird durch die massgebenden Bestimmungen des IRSG und die Vorschriften für das Strafverfahren der Kantone und des Bundes geregelt.

Art. 26

Befreiung von jeder Beglaubigung und anderen Formerfordernissen

In Absatz 1 ist der Verzicht auf eine Beglaubigung und andere Formerfordernisse festgelegt. Dies bedeutet, dass der ersuchende Staat für die Schriftstücke und das übrige Beweismaterial, die vom ersuchten Staat im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens im Sinne des Vertrages übermittelt werden, nicht irgendwelche Formerfordernisse festlegen kann. Diese Bestimmung orientiert sich an Artikel 17 EUeR und zielt darauf ab, das Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Gemäss Absatz 2 gilt die Begrenzung der Formerfordernisse auch für das Verfahren im ersuchenden Staat, da das von der Zentralbehörde des ersuchten Staates übermittelte Beweismaterial ohne weitere Formerfordernisse oder Beglaubigungsnachweise als Beweismittel zugelassen wird. Wie in Absatz 3 vorgesehen ist, garantiert das Übermittlungsschreiben der Zentralbehörde des ersuchten Staates die Echtheit der übermittelten Schriftstücke.

Art. 27

Sprache

Diese Bestimmung, welche die Sprache festlegt, in der die Rechtshilfeersuchen und die beigefügten Schriftstücke abgefasst sein müssen, trägt den verschiedenen schweizerischen Amtssprachen Rechnung. Die Schweizer Zentralbehörde legt demzufolge im jeweiligen Einzelfall fest, welche Sprache zu verwenden ist.

2.6

Art. 29

Titel VI: Unaufgeforderte Übermittlung und Anzeigen zum Zweck der Strafverfolgung oder der Einziehung Unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen

Heutzutage weisen strafbare Handlungen vielfach eine grenzüberschreitende Dimension auf. Unter Umständen stösst eine Behörde im Verlauf ihrer Ermittlungen auf Informationen und Beweismittel, die auch für die Behörden des anderen Vertragsstaates von Interesse sein können. Wenn solche Beweismittel und Informationen für den anderen Staat bei der Einleitung oder der effizienten Durchführung seiner eigenen Ermittlungen oder Verfahren von Nutzen sein können oder wenn sie ihn in die Lage versetzen, ein Rechtshilfeersuchen einzureichen, müssen sie ohne vorheriges Rechtshilfeersuchen übermittelt werden können. Ein möglichst rascher Austausch der gesammelten Informationen, die unter Umständen auch für den anderen Staat von Interesse sind, ist eine wichtige Waffe bei der Verbrechensbekämpfung und trägt zur Erhöhung ihrer Effizienz bei. Dies gilt insbesondere bei Fällen von organisierter Kriminalität sowie bei Wirtschaftsdelikten und Korruption.

Die Übermittlung von Beweismitteln und Informationen erfolgt innerhalb der Grenzen des innerstaatlichen Rechts. Sie ist freiwillig und hindert den Staat, der sie übermittelt, nicht daran, seine eigenen Untersuchungen durchzuführen oder seine

2040

eigenen Verfahren einzuleiten. Die Verwendung der übermittelten Beweismittel und Informationen kann bestimmten Bedingungen unterworfen sein.

Das Konzept der Übermittlung von Beweismitteln und Informationen ohne vorheriges Rechtshilfeersuchen orientiert sich an Artikel 10 des Übereinkommens vom 8. November 199027 über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten. Artikel 67a IRSG regelt die unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen auf innerstaatlicher Ebene und die Einzelheiten der Übermittlung von Informationen durch die Schweiz.

Art. 30

Anzeigen zum Zweck der Strafverfolgung oder der Einziehung

Für die Regelung in Artikel 30 wurde der Inhalt von Artikel 21 EUeR übernommen.

Artikel 30 umfasst hingegen einen grösseren Bereich, da er auch Anzeigen im Hinblick auf die Einziehung von Deliktsgut gemäss Artikel 10 Absatz 4 abdeckt.

Artikel 30 Absatz 1 räumt den Vertragsstaaten die Möglichkeit ein, den anderen Vertragsstaat um die Eröffnung eines Strafverfahrens zu ersuchen. Diese Bestimmung gelangt zur Anwendung, wenn ein Staat Kenntnis von einer Straftat hat und diese sanktionieren will, ohne dass er selbst in der Lage ist, das entsprechende Verfahren zu eröffnen. Dies kann der Fall sein, wenn eine Person, die sich einer strafbaren Handlung in einem der Vertragsstaaten schuldig bekannt hat, anschliessend in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates flüchtet und eine Auslieferung beispielsweise auf Grund der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person nicht möglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch ein weiterer Fall denkbar: Einer der Vertragsstaaten verfügt über konkrete Hinweise, wonach gegen einen seiner Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates eine strafbare Handlung begangen wurde, doch kann er nicht selbst eine Strafverfolgung gegen den Urheber dieser Straftat einleiten, weil eine Auslieferung beim jeweiligen Stand der Dinge noch nicht möglich ist.

Diese Bestimmung begründet keine Verpflichtung, eine Strafverfolgung einzuleiten.

Gemäss Absatz 2 muss jedoch der Staat, dem eine solche Anzeige übermittelt wird, den anderen Staat über alle Massnahmen informieren, die er im Anschluss an diese Anzeige trifft.

2.7

Titel VII: Schlussbestimmungen

Art. 33

Beilegung von Streitigkeiten

In Artikel 33 Absatz 1 ist festgelegt, dass Streitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten in Bezug auf die Auslegung oder Anwendung des Vertrages auf diplomatischem Weg zu regeln sind. Streitigkeiten, bei denen die Vertragsstaaten nicht innerhalb von zwölf Monaten zu einer Einigung gelangen, werden gemäss den Absätzen 2 ff. dieser Bestimmung einem Schiedsgericht unterbreitet, das gemäss Absatz 6 sein Verfahren selbst festlegt und im Sinne von Absatz 7 eine endgültige Entscheidung mit verpflichtendem Charakter trifft.

27

«Geldwäschereiübereinkommen»; SR 0.311.53.

2041

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen für Bund und Kantone

Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Brasilien im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen erfolgt gegenwärtig auf der Grundlage des Auslieferungsvertrages von 1932 sowie für die Schweiz auf der Basis des IRSG. Der Vertrag behebt Probleme, die sich in der Praxis gezeigt haben und bewirkt zudem eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass es nicht mehr erforderlich ist, auf den diplomatischen Weg zurückzugreifen, um ein Rechtshilfeersuchen einzureichen, und dass auch einige Formerfordernisse weggefallen sind. Der Vertrag hat für die Behörden, die auf Bundes- und Kantonsebene für die Rechtshilfe zuständig sind, keine zusätzlichen Aufgaben zur Folge. Er führt vielmehr zu einer Vereinfachung der Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Bedürfnisse, die für die beiden Staaten in der Praxis bestehen.

3.2

Wirtschaftliche Auswirkungen

Der Vertrag hat für die Schweiz in wirtschaftlicher Hinsicht keine Auswirkungen.

4

Legislaturplanung

Die Vorlage ist im «Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007»28 zwar nicht angekündigt, die optimale Nutzung internationaler Zusammenarbeit ist jedoch ein wichtiges Element der von der Schweiz seit jeher verfolgten sicherheitspolitischen Strategie, wie sie der Bundesrat im Bericht «Sicherheit durch Kooperation» vom 7. Juni 199929 dargelegt hat. Der mit Brasilien abgeschlossene Rechtshilfevertrag ist ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung dieser Strategie und ergänzt die vom Bundesrat als prioritär bezeichneten Abkommen zu Schengen/Dublin im Rahmen der Bilateralen II mit der EU und des UNO-Übereinkommens gegen transnationale organisierte Kriminalität sowie von dessen Zusatzprotokollen gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel30.

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den Mitgliedstaaten des Europarats im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen ist durch das EUeR geregelt. Massgebend ist diesbezüglich auch das Zweite Zusatzprotokoll zu diesem Übereinkommen.

Bilaterale Verträge, welche die Schweiz mit ihren Nachbarländern abgeschlossen

28 29 30

BBl 2004 1149 BBl 1999 7657 SR 0.311.54; SR 0.311.541; SR 0.311.542

2042

hat, gelangen ergänzend zur Anwendung31. Weitere Instrumente des Europarats wie das Übereinkommen über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten regeln die Rechtshilfe bezüglich bestimmter Arten von Kriminalität.

Der Vertrag zwischen der Schweiz und Brasilien über Rechtshilfe in Strafsachen übernimmt zum einen die wesentlichen Grundsätze des EUeR und nutzt zum anderen Neuerungen, die mit anderen Instrumenten des Europarats eingeführt wurden.

Demzufolge steht er im Einklang mit dem europäischen Recht.

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 54 Absatz 1 Bundesverfassung32 ist der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig. Der Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen fällt damit in seine Zuständigkeit. Vor dem Hintergrund dieser Zuständigkeit unterzeichnet der Bundesrat die völkerrechtlichen Verträge mit ausländischen Staaten und unterbreitet diese nach Artikel 184 Absatz 2 BV der Bundesversammlung zur Genehmigung. Gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV ist die Genehmigung von völkerrechtlichen Verträgen Sache der Bundesversammlung.

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind (Ziff. 1), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Ziff. 2), wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert (Ziff. 3), dem fakultativen Referendum.

In Artikel 34 Absatz 2 des Rechtshilfevertrages mit Brasilien ist vorgesehen, dass der Vertrag kündbar ist. Er sieht auch nicht den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor.

Es muss geprüft werden, ob der Vertrag wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder ob dessen Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Nach Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200233 sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Der mit Brasilien abgeschlossene Rechtshilfevertrag enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Er begründet nämlich für die Vertragsstaaten die Verpflichtung, einander eine möglichst weit gehende Rechtshilfe zu gewähren. Diese Verpflichtung hat auch Auswirkungen auf die Rechte und Pflichten von Einzelpersonen. Ausserdem verleiht der Vertrag den mit seiner Anwendung beauftragten Behörden entspre31

32 33

Abgesehen von Liechtenstein hat die Schweiz mit sämtlichen Nachbarstaaten zusätzliche Verträge zur Ergänzung des EUeR abgeschlossen: mit Deutschland (SR 0.351.913.61), Österreich (SR 0.351.916.32), Frankreich (SR 0.351.934.92) und Italien (SR 0.351.945.41).

BV; SR 101 ParlG; SR 171.10

2043

chende Kompetenzen. Diese Bestimmungen müssen ausserdem als wichtig angesehen werden, da sie gemäss Artikel 164 Absatz 1 BV nur in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden könnten, wenn sie auf nationaler Ebene erlassen werden müssten. Demzufolge untersteht der Genehmigungsbeschluss der Bundesversammlung gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Referendum.

6.2

Vernehmlassung

Beim vorliegenden Vertrag wurde im Sinne von Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes34 auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Inhalt des Vertrages stimmt im Wesentlichen mit jenem bereits abgeschlossener Verträge überein. Er geht weder über die Vorgaben des Rechtshilfegesetzes hinaus, noch weicht er substantiell von den bilateralen oder multilateralen Übereinkommen ab, welche die Schweiz in der Vergangenheit abgeschlossen hat. Der Vertrag mit Brasilien baut das Vertragsnetz im Bereich der Rechtshilfe in Strafsachen vielmehr weiter aus und setzt damit die bundesrätliche Politik fort, die schweizerischen Sicherheitsinteressen durch vernetzte internationale Kooperation zu wahren. Bei keinem der früheren Verträge wurde die politische Akzeptanz in Zweifel gezogen; Gründe, weswegen es sich im vorliegenden Falle des Rechtshilfevertrages mit Brasilien anders verhalten sollte, sind keine ersichtlich.

34

VlG; SR 172.061

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