07.080 Botschaft zum Abkommen mit Bosnien-Herzegowina über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität vom 28. September 2007

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens vom 24. April 2007 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und BosnienHerzegowina über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

28. September 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2007-1437

7543

Übersicht Das Abkommen mit Bosnien-Herzegowina über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung ergänzt analoge Abkommen mit anderen Staaten Ost- und Südosteuropas. Es ist wichtig für die innere Sicherheit der Schweiz und kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

Ausgangslage Die Gefahrenlage der Schweiz hängt nicht nur von Binnenfaktoren ab, sondern immer mehr auch von der internationalen Situation. Auch die Bekämpfung der internationalen Kriminalität kann nur erfolgreich sein, wenn die entsprechenden Bemühungen international koordiniert werden. Deshalb ist die Schweiz zur Abwehr dieser Gefahren auf die Kooperation mit ausländischen und internationalen Partnern angewiesen.

Neben der globalen Zusammenarbeit im Rahmen von Interpol und den regionalen europäischen Bestrebungen mit Schengen, Europol und Eurojust ist die bilaterale Kooperation ein wichtiges Standbein der internationalen Polizeikooperation der Schweiz. Bilaterale Kooperationsverträge bestehen zurzeit mit den Nachbarstaaten und mit Ungarn, Slowenien, Lettland und Tschechien. Mit Albanien, Mazedonien und Rumänien wurden solche Verträge unterzeichnet. Letztere wurden in der Frühjahrssession 2007 vom Parlament genehmigt, sind aber noch nicht in Kraft. Das vorliegende Abkommen mit Bosnien-Herzegowina verstärkt die Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene mit einem Staat Südosteuropas, einer Region, die für die Wahrung der inneren Sicherheit der Schweiz wichtig ist.

Das Abkommen wurde im Rahmen eines einzigen Treffens in der ersten Hälfte des Jahres 2006 verhandelt und paraphiert. Es wurde am 14. Februar 2007 vom Bundesrat genehmigt und von Bundesrat Christoph Blocher am 24. April 2007 in Bern unterzeichnet.

Inhalt des Abkommens Das Abkommen regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den nach jeweiligem Landesrecht zuständigen Polizeibehörden im Bereich des Informationsaustauschs, der Koordination operativer Einsätze, der Einsetzung von gemeinsamen Arbeitsgruppen sowie bei der Aus- und Weiterbildung unter Wahrung eines hohen datenschutzrechtlichen Standards. Das Abkommen soll in erster Linie der Bekämpfung der Schwerstkriminalität dienen, ist jedoch auf alle Kriminalitätsbereiche anwendbar. Explizit ausgeschlossen ist eine Zusammenarbeit bei politischen, militärischen und fiskalischen Delikten.
Das Abkommen greift nicht in die bestehende Kompetenzverteilung zwischen den Justiz- und Polizeibehörden ein. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen wird nicht angetastet. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

7544

Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Die Gefahrenlage der Schweiz ist nicht nur durch Binnenfaktoren bestimmt, sondern wird auch vom internationalen Umfeld geprägt. Zahlreiche Kriminalitätsphänomene wie Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung, Computerkriminalität oder illegaler Drogenhandel treten typischerweise transnational auf. Die Täter sind geradezu darauf angewiesen, grenzüberschreitend operieren zu können. Auch das Streben nach Profiten über kriminelle Organisationen setzt in der Regel transnationale Kontakte voraus. Zur Verhinderung und Bekämpfung dieser grenzüberschreitenden Kriminalität ist die Schweiz gleichzeitig auf eine intensive Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden angewiesen. Die Kooperation mit der Schweiz ist aber auch für die ausländischen Behörden wichtig.

Die gegenwärtige internationale Polizeikooperation beruht auf drei Pfeilern. Der erste Pfeiler ist die globale Zusammenarbeit über Interpol, der heute 186 Mitglieder angehören. Die Zusammenarbeit bezieht sich in erster Linie auf den polizeilichen Informationsaustausch und die internationale Fahndung. Interpol unterhält jedoch auch eigene Datenbanken und unterstützt die Mitglieder operationell, zum Beispiel mit forensischen Dienstleistungen.

Ein zweiter Pfeiler ist die regionale europäische Kooperation. Mit der Assoziierung der Schweiz an Schengen/Dublin1 wird im Polizeibereich namentlich die Fahndungszusammenarbeit europaweit verstärkt. Mit dem Europol-Abkommen2, das am 1. März 2006 in Kraft getreten ist, wurde zudem der Kampf gegen kriminelle Organisationsstrukturen durch den Austausch operationeller Informationen und Analysen weiter ausgebaut. Im April 2007 hat die Schweiz zudem mit der Europäischen Union (EU) erste Verhandlungen über eine Assoziierung der Schweiz an Eurojust aufgenommen. Dank diesem Abkommen werden die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz bei Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen und in Fällen schwerer grenzüberschreitender Verbrechen effizienter zusammenarbeiten können.

Der dritte Pfeiler betrifft die bilaterale Polizeikooperation. Diese erlaubt es, direkte Kontakte mit dem jeweiligen Partner herzustellen und die Abkommen den jeweiligen Kooperationsbedürfnissen und -möglichkeiten anzupassen. Es bestehen heute bilaterale Abkommen mit allen Nachbarstaaten (Deutschland3, Österreich/Fürstentum Liechtenstein4, Frankreich5 und Italien6) sowie mit Ungarn7, Slowenien8, Lettland9 und der Tschechischen Republik10.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BBl 2004 5965 SR 0.360.268.2 SR 0.360.136.1 SR 0.360.163.1 SR 0.360.349.1 SR 0.360.454.1 SR 0.361.418.1 SR 0.361.691.1 SR 0.361.487.1 SR 0.360.743.1

7545

Mit Albanien11, Mazedonien12 und Rumänien13 wurden solche Verträge unterzeichnet. Diese sind in der Frühjahrssession 2007 vom Parlament genehmigt worden, aber noch nicht in Kraft. Neue Sondierungen sind in der Region Ost- und Südosteuropa im Gang.

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Mit Schreiben vom 7. April 2005 bekundete die Schweiz gegenüber Bosnien-Herzegowina ihr Interesse an exploratorischen Gesprächen und unterbreitete den Entwurf eines Abkommens. Nachdem in Bosnien-Herzegowina wichtige Entscheide bezüglich der Polizeireform gefällt worden waren, bestätigte das Land seinerseits das Interesse am Abschluss eines bilateralen Polizeikooperationsabkommens. Am 27./28. März 2006 trafen sich Vertreter der beiden Länder in Sarajevo zwecks Verhandlung und Paraphierung eines Abkommens. Auf der Basis des von der Schweiz vorgelegten Entwurfs konnten die Verhandlungen in einer Runde abgeschlossen werden.

Das Abkommen wurde auf Englisch verhandelt und in englischer Sprache unterzeichnet. Die an sich erwünschte zusätzliche Unterzeichnung in einer Schweizer Landessprache hätte für Bosnien-Herzegowina aus verfassungsmässigen Gründen bedingt, das Abkommen auch auf Bosnisch, Kroatisch und Serbisch zu unterzeichnen. Dies hätte einen bedeutenden administrativen Mehraufwand sowie eine auf diplomatischer Ebene nicht gewünschte indirekte Anerkennung der ethnischen Sprachverteilung bedeutet, weshalb die Schweizer Delegation mit der Unterzeichnung in englischer Sprache einverstanden war.

Der Vertrag wurde am 14. Februar 2007 vom Bundesrat genehmigt und am 24. April 2007 von Bundesrat Christoph Blocher und vom Sicherheitsminister von BosnienHerzegowina, Tarik Sadovi, in Bern unterzeichnet.

1.3

Überblick über den Inhalt des Abkommens

In der Präambel bestätigen die Vertragsparteien ihr Interesse, die Zusammenarbeit vor allem im Bereich der Schwerstkriminalität weiter zu intensivieren. Damit wird implizit Bezug genommen auf die bestehende Zusammenarbeit, zum Beispiel im Bereich von Interpol. Zudem wird erwähnt, dass die Zusammenarbeit in der Achtung der Rechte und Pflichten der Angehörigen der Vertragsstaaten sowie unter Beachtung internationaler Verpflichtungen vollzogen werden soll.

Kapitel I des Abkommens definiert dessen Zweck.

Kapitel II legt den sachlichen Geltungsbereich, d.h. die vom Abkommen betroffenen Kriminalitätsbereiche sowie die Beachtung nationaler und internationaler Vorschriften, fest.

Kapitel III regelt die Bereiche der Zusammenarbeit, die zivil- und strafrechtliche Verantwortung sowie Verfahrensvorschriften und Kosten. Die Zusammenarbeit umfasst im Wesentlichen den Informationsaustausch, die Koordination operativer 11 12 13

BBl 2006 2195 BBl 2006 2207 BBl 2006 2235

7546

Einsätze, die Bildung gemeinsamer Arbeitsgruppen sowie die Aus- und Weiterbildung.

Kapitel IV ermächtigt die Vertragsparteien, Vereinbarungen zur Stationierung von Polizeiattachés zu schliessen.

Kapitel V enthält datenschutzrechtliche Bestimmungen sowie Regeln zum Schutz klassifizierter Informationen und zur Weitergabe an Dritte.

Kapitel VI enthält die Schlussbestimmungen, bezeichnet unter anderem die für die Umsetzung zuständigen Behörden und legt die Kompetenz zum Abschluss von Vereinbarungen im Rahmen des Abkommens sowie das Inkrafttreten und die Kündigungsmodalitäten fest.

1.4

Würdigung

Aus polizeilicher Sicht ist die Region Südosteuropa von Bedeutung, da die organisierte Kriminalität dort auf hohem Niveau geblieben ist14. Die Netze südosteuropäischer Kriminalität ziehen sich über grosse Teile des westlichen Europas, so auch über die Schweiz. Im Bereich des Drogenhandels sowie im Bereich des Menschenhandels und des Menschenschmuggels ist die Schweiz oft Zielland krimineller Aktivitäten, in anderen Bereichen ist sie als Transitland betroffen. Dabei haben ethnische Bosnier, Serben und Kroaten, unter anderem aus Bosnien-Herzegowina, weiterhin einen massgeblichen Einfluss auf die Kriminalitätsentwicklung in der Schweiz. Nicht zuletzt aufgrund der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts wird die Schweiz deshalb weiterhin von kriminellen Aktivitäten aus dieser Region betroffen sein. Gegenwärtig befinden sich rund 41 000 bosnische Staatsangehörige in der Schweiz. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Spannungen und Strömungen in der Region einen direkten Einfluss auf die Diaspora in der Schweiz haben und sich somit auch auf die innere Sicherheit der Schweiz auswirken können. Aus diesem Grund ist es wichtig, die polizeiliche Zusammenarbeit mit den Ländern Südosteuropas weiter zu intensivieren und dafür klare Verfahrensregeln und Datenschutzbestimmungen aufzustellen.

2

Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Abkommens

2.1

Kapitel I: Zweck des Abkommens

Art. 1

Zweck

Zweck des Abkommens ist die Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien bei der Verhinderung, der Entdeckung und der Aufklärung von strafbaren Handlungen. Mit der gewählten Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass die Zusammenarbeit nicht nur die Repression, sondern auch die Prävention von strafbaren Handlungen umfasst. Die Präventivaufgaben der Nach14

Siehe Bericht innere Sicherheit der Schweiz 2005 (Bundesamt für Polizei, EJPD, Mai 2006).

7547

richtendienste in der Schweiz und die damit einhergehende internationale Zusammenarbeit unterliegen dem Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS)15. Die Auslegung des Begriffs «strafbare Handlung» richtet sich ausschliesslich nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien. Für die Schweiz sind demnach die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs (StGB)16, des Nebenstrafrechts sowie des kantonalen Strafrechts massgebend.

2.2

Kapitel II: Anwendungsbereich

Art. 2

Anwendungsbereich

Artikel 2 regelt den sachlichen Geltungsbereich. Er sieht eine Zusammenarbeit in allen Kriminalitätsbereichen vor. Mit der Auflistung besonders schwerwiegender Bereiche wie organisierte Kriminalität, Terrorismus, Menschenhandel, Pädokriminalität, Computerkriminalität, Korruption usw. wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die Zusammenarbeit auf die Bekämpfung dieser Straftaten konzentrieren soll. Ausdrücklich untersagt wird in Absatz 2 die Zusammenarbeit in Angelegenheiten fiskalischer, militärischer und politischer Natur. Die polizeiliche Kooperation ist damit aufgrund der besonderen Natur dieser Vergehen ausgeschlossen.

Art. 3

Anwendbares Recht

Artikel 3 legt fest, dass die Zusammenarbeit auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts sowie nach Massgabe der internationalen Verpflichtungen erfolgt. Dies bedeutet einerseits, dass bei der operativen Umsetzung von Massnahmen die schweizerischen Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften beachtet werden müssen.

Welche polizeilich relevanten Rechtserlasse des schweizerischen Rechts tatsächlich Anwendung finden, kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden. Mit dem Verweis auf das innerstaatliche Recht wird beispielsweise festgelegt, dass für die Anordnung von Zwangsmassnahmen ­ Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme, Telefonüberwachung usw. ­ ausnahmslos der Rechtshilfeweg zu beschreiten ist.

Der Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Übereinkünfte bedeutet aber auch, dass durch das neue Abkommen die Bestimmungen bestehender zwei- oder mehrseitiger internationaler Abkommen, welche die Schweiz und Bosnien-Herzegowina ratifiziert haben, nicht aufgehoben werden.

2.3

Kapitel III: Bereiche der Zusammenarbeit und Verfahren

Art. 4

Allgemeine Zusammenarbeit

Artikel 4 listet zusammenfassend die vier Bereiche der Zusammenarbeit auf, die in der Folge im Abkommen spezifiziert werden. Diese Bereiche sind der Informations-

15 16

SR 120 SR 311.0

7548

austausch, die Koordination operativer Einsätze, die Einrichtung gemeinsamer Arbeitsgruppen sowie die Aus- und Weiterbildung.

Art. 5

Informationsaustausch

Artikel 5 regelt die gegenseitige Unterstützung durch den Austausch personenbezogener und anderer, nicht personenbezogener Daten und Materialien. Der Austausch personenbezogener Daten, einschliesslich sensitiver Daten nach Artikel 14 Buchstabe a, und Materialien umfasst beispielsweise die Mitteilung der Personalien von Personen, die an strafbaren Handlungen beteiligt sind, Angaben über Tatverdächtige sowie Informationen über die Tatbegehungsweise, die getroffenen Massnahmen oder geplante kriminelle Handlungen. Dieser personenbezogene Informationsaustausch dient in erster Linie der operationellen Polizeiarbeit.

Der Austausch von anderen nicht personenbezogenen Daten und Materialien dient in erster Linie der Analyse, der Koordination und der allgemeinen Information, kann aber auch die operationelle Polizeiarbeit betreffen. Im Bereich der Analyse steht der Austausch von kriminalpolizeilichen Analysen und Lagebildern im Vordergrund, der Austausch kann sich aber auch auf allgemeine Fachliteratur beziehen. Bei der Koordination geht es um den Austausch von Informationen betreffend vorgesehene Aktionen, die mit dem anderen Land zeitlich abgestimmt werden müssen. Schliesslich ist auch die gegenseitige Orientierung über Gesetzesänderungen, die den Anwendungsbereich des Abkommens betreffen, explizit erwähnt.

Artikel 5 regelt den Umfang des möglichen Informationsaustauschs nicht abschliessend. Bezüglich des genauen Umfangs und der Grundsätze des Informationsaustauschs ist ­ wie bereits erwähnt ­ das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien massgebend. In der Schweiz richtet sich der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen nach dem Bundesgesetz vom 20. März 198117 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) sowie nach den vom Bundesrat als anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von Interpol (Art. 350­352 StGB).

Art. 6

Koordination

Zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität kann es notwendig sein, innerstaatlich geplante Polizeiaktionen mit anderen betroffenen Staaten abzusprechen und Interventionen bei Bedarf zeitlich abzustimmen. Solche Einsätze betreffen insbesondere die Suche nach Personen und Gegenständen sowie die Umsetzung besonderer Ermittlungstechniken wie der kontrollierten Lieferung, der Observation oder der verdeckten Ermittlung. Die Koordination kann jedoch auch Massnahmen des nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Opfer- und Zeugenschutzes für Personen beinhalten, die für beide Länder von Interesse sind. Ebenfalls abgedeckt werden die Planung und die Durchführung gemeinsamer Programme bei der Kriminalitätsprävention.

Bei der Umsetzung gewisser Massnahmen können auch grössere Kosten entstehen.

In Abweichung von dem in Artikel 12 Absatz 7 statuierten Grundsatz, wonach jeder Vertragsstaat die eigenen Kosten trägt, legt Absatz 2 deshalb fest, dass die zuständigen Behörden im Einzelfall entscheiden, ob eine besondere Kostenaufteilung nötig ist.

17

SR 351.1

7549

Art. 7

Gemeinsame Arbeitsgruppen

Artikel 7 sieht die Bildung gemeinsamer Arbeitsgruppen im Bedarfsfall vor. Dabei kann es sich um Analyseteams zur Erarbeitung von Lagebildern oder Kriminalanalysen oder um gemischt besetzte Kontroll- und Observationsteams bei operationellen Massnahmen handeln. Bei besonderen Angelegenheiten, welche beide Länder betreffen, können auch gemischt besetzte Ermittlungsgruppen gebildet werden18.

Die Beamten eines Vertragsstaats, die im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats beratend und unterstützend tätig werden, dürfen dabei keine hoheitlichen Befugnisse wahrnehmen. Je nach Bedürfnis und nach Absprache mit der anderen Vertragspartei können die Modalitäten der gemeinsamen Arbeitsgruppen zusätzlich in einer Vereinbarung nach Artikel 19 des Abkommens spezifiziert werden.

Art. 8

Fürsorge und Dienstverhältnis

Der empfangende Vertragsstaat ist gegenüber den entsandten Beamten bei der Ausübung ihres Dienstes nach Artikel 7 zu gleichem Schutz und Beistand verpflichtet wie gegenüber den eigenen Beamten. Darunter sind insbesondere die Arbeitsbedingungen sowie der Schutz vor Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der Beamten zu verstehen.

Nach Absatz 2 bleiben die entsandten Beamten jedoch in Bezug auf ihr Dienst- und Anstellungsverhältnis sowie in disziplinarrechtlicher Hinsicht ihrem Heimatstaat unterstellt.

Art. 9

Zivilrechtliche Verantwortlichkeit

Ziel von Artikel 9 ist eine Regelung zur Deckung zivilrechtlicher Ansprüche, die sich aus dem Einsatz von Beamten nach Artikel 7 ergeben können. Als Grundregel gilt, dass eine Vertragspartei für alle Schäden, die von ihren Beamten während eines solchen Einsatzes verursacht werden, haftet. Von derjenigen Vertragspartei, in der der Schaden entstanden ist, wird verlangt, dass sie den Schaden vorerst in derselben Weise behebt, als wäre er von ihren eigenen Beamten verursacht worden. In einem solchen Fall muss die andere Vertragspartei den an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger geleisteten Schadenersatz in voller Höhe erstatten. Vorbehaltlich einer solchen Erstattung und unbeschadet allfälliger Ansprüche gegenüber Dritten darf die Vertragspartei, in der der Schaden entstanden ist, keine weiteren Ersatzansprüche geltend machen.

Art. 11

Aus- und Weiterbildung

Artikel 11 soll es ermöglichen, die Zusammenarbeit durch Massnahmen der Ausund Weiterbildung im Polizei- und im Sprachbereich zu verstärken. Im Vordergrund stehen die Teilnahme an Ausbildungskursen, die Durchführung gemeinsamer Seminare und Übungen sowie die Schulung von Spezialisten. Weitere Möglichkeiten sind der Austausch von Schulungskonzepten und die Teilnahme von Beobachtern an Übungen der anderen Vertragspartei.

18

Die Bestimmungen über gemeinsame Ermittlungsgruppen von Art. 20 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.12; AS 2005 333) bleiben vorbehalten.

7550

Art. 12

Verfahren und Kosten

Artikel 12 regelt die Verfahrensabläufe sowie die Kostenaufteilung bei der Zusammenarbeit. Nach dieser Bestimmung sind Ersuchen um Information oder andere Ersuchen um Hilfeleistung grundsätzlich in schriftlicher Form über einen chiffrierten Übermittlungskanal zu stellen. Falls der Inhalt des Ersuchens es erlaubt, kann dieses auch per Fax oder E-Mail übermittelt werden. In dringenden Fällen kann ein Ersuchen auch mündlich gestellt werden, sofern es anschliessend unverzüglich schriftlich bestätigt wird. Die Ersuchen sollten in der Regel mindestens folgende Angaben enthalten: ­

Bezeichnung der Behörde, von der das Ersuchen ausgeht;

­

Grund des Ersuchens;

­

kurze Beschreibung des wesentlichen Sachverhalts, unter anderem Bezugspunkte zum ersuchten Staat;

­

Angaben über alle im Ersuchen genannten Hauptpersonen.

Im Einzelfall können sich die zuständigen Behörden nach Absatz 2 auch ohne Ersuchen Informationen mitteilen, soweit diese für den Empfänger zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Bekämpfung von Straftaten von Bedeutung sind. Absatz 3 legt fest, dass die Hilfeleistung direkt zwischen den zuständigen Behörden erfolgen kann, sofern ein Ersuchen nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Zudem sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die Ersuchen so schnell wie möglich zu beantworten.

Absatz 5 behält den Vertragsstaaten das Recht vor, die Hilfe in einem konkreten Fall ganz oder teilweise zu verweigern, wenn die Erledigung des Hilfeersuchens ihre Souveränität beeinträchtigen, ihre Sicherheit oder andere wesentliche Staatsinteressen gefährden würde oder ihre Rechtsvorschriften sowie ihre Verpflichtungen aus internationalen Übereinkünften verletzen könnte. In diesem Fall muss die ersuchte Vertragspartei die andere Partei unverzüglich, schriftlich und unter Angabe der Gründe informieren (Abs. 6).

In Absatz 7 wird festgehalten, dass die Kosten für die Erledigung eines Ersuchens von der ersuchten Vertragspartei getragen werden. Eine Ausnahme bilden Massnahmen, die im Rahmen von Artikel 6 getroffen wurden, beispielsweise die Umsetzung von Programmen zur Kriminalitätsprävention oder im Bereich des Zeugenund Opferschutzes.

2.4

Kapitel IV: Polizeiattachés

Art. 13

Polizeiattachés

Artikel 13 gibt den zuständigen Behörden der Vertragsparteien die Kompetenz, Vereinbarungen über die befristete oder unbefristete Entsendung von Polizeiattachés ins Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu treffen. Dies geschieht in der Regel über einen Notenaustausch. Nach Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung vom 30. November 200119 über die Wahrnehmung kriminalpolizeilicher Aufgaben im 19

SR 360.1

7551

Bundesamt für Polizei ist in der Schweiz das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement dafür zuständig. Unter Artikel 13 des Abkommens fällt auch die allfällige Seitenakkreditierung, d.h. die Akkreditierung eines Polizeiattachés einer Vertragspartei, der in einem Drittstaat stationiert ist. Der Status der stationierten Beamten richtet sich nach den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens vom 18. April 196120 über diplomatische Beziehungen.

In den Absätzen 2 und 3 sind die Grundsätze der Aufgaben eines Polizeiattachés festgehalten. Das Ziel ist eine Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit durch die Unterstützung in der polizeilichen und justiziellen Rechtshilfe, wobei den Beamten die Ausübung hoheitlicher Funktionen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei untersagt bleibt. Die Details der Rechte und Pflichten der stationierten Beamten werden in Vereinbarungen geregelt.

Derzeit sind keine Polizeibeamten aus Bosnien-Herzegowina in Bern stationiert; auch die Schweiz beabsichtigt nicht, einen Polizeiattaché nach Sarajevo zu entsenden. Jedoch wird derzeit geprüft, den in Skopje (Mazedonien) stationierten Polizeiattaché auch für Bosnien-Herzegowina zu akkreditieren.

2.5

Kapitel V: Datenschutz und Weitergabe von Daten an Dritte

Die Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden umfasst den Austausch von Personendaten, darunter auch von besonders schützenswerten Personendaten. Diese Datenbearbeitungen berühren die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen.

Mit den Artikeln 14 und 15 soll die Zielsetzung einer effizienten Bekämpfung von Straftaten mit dem Schutz von Grundrechten in Einklang gebracht werden.

Art. 14

Datenschutz

In Artikel 14 des Abkommens wird festgelegt, welche Datenschutzvorschriften von besonderer Bedeutung bei der Übermittlung personenbezogener Daten sind und deshalb von den Behörden beider Länder zwingend berücksichtigt werden müssen.

Bereits aufgrund des innerstaatlichen Rechts sowie der von der Schweiz ratifizierten multilateralen Abkommen21 sind die Polizeibehörden des Bundes und der Kantone an die im Vertrag aufgeführten Vorschriften gebunden.

Zunächst wird explizit festgehalten, dass polizeilich relevante, jedoch besonders sensitive Daten über Einzelpersonen, beispielsweise deren religiöse Ansichten oder Persönlichkeitsprofile, nur übermittelt werden dürfen, wenn es unbedingt erforderlich ist, und nur gemeinsam mit anderen strafrechtlich relevanten Daten.

Weiter sind folgende Datenschutzgrundsätze hervorzuheben: ­

20 21

die Zweckbindung sowie die Beschränkung auf die nutzungsberechtigten Behörden;

SR 0.191.01 Im Vordergrund stehen das Europaratsübereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (SR 0.235.1) sowie die Empfehlung R (87)15 des Ministerausschusses des Europarates vom 17. Sept. 1987 über die Nutzung personenbezogener Daten im Polizeibereich.

7552

­

die datenschutzrechtlichen Grundsätze der Richtigkeit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismässigkeit und die damit zusammenhängende Pflicht zur Berichtigung bzw. Vernichtung falscher Daten;

­

die Gewährung des Auskunftsrechts über die Verwendung gegenüber der übermittelnden Vertragspartei sowie betroffenen Personen;

­

die Pflicht zur Einhaltung von im geltenden innerstaatlichen Recht vorgesehenen Löschungsfristen durch die empfangende Vertragspartei;

­

die Pflicht, die Übermittlung, den Empfang und die Löschung aktenkundig zu machen;

­

die Schadenersatzregelung für allfällige Regressansprüche unter den Vertragsparteien;

­

die Pflicht, Massnahmen zur Datensicherheit zu treffen.

Art. 15

Schutz klassifizierter Informationen und Weitergabe an Dritte

In Artikel 15 verpflichten sich die Vertragsparteien, die Geheimhaltung von Daten zu gewährleisten, die ihr von der anderen Partei übermittelt wurden und nach deren innerstaatlichem Recht als klassifiziert gelten. Da sich die länderspezifischen Klassifizierungsvorschriften unterscheiden können, muss die übermittelnde Partei bei der Übermittlung genau umschreiben, welche besonderen Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen. Ob und wie eine Information zu klassifizieren ist (z.B. als «geheim» oder «vertraulich»), bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien. So haben beispielsweise die zivilen Behörden des Bundes die Verordnung vom 10. Dezember 199022 über die Klassifizierung und Behandlung von Informationen im zivilen Verwaltungsbereich zu berücksichtigen.

Absatz 2 regelt die Frage der Weitergabe klassifizierter Daten an Dritte. Dies kann ein Drittstaat oder eine Behörde sein, die nicht mit der Bekämpfung von Kriminalität beauftragt ist. Die Weitergabe übermittelter Daten und Gegenstände an Dritte ist nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Partei zulässig. Einem Ersuchen um Weitergabe, insbesondere von personenbezogenen Daten, sollte nur sehr restriktiv zugestimmt werden und unter anderem nur dann, wenn das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet.

2.6

Kapitel VI: Schlussbestimmungen

Art. 16

Zuständige Behörden

Artikel 16 benennt die Stellen, die befugt sind, das Abkommen auf strategischer Ebene (Abs. 1) sowie auf operativer Ebene (Abs. 2) zu vollziehen. Der Vollzug betrifft einerseits die Weiterentwicklung der bilateralen Kooperation und des Inhaltes des Abkommens, andererseits den direkten Austausch von Informationen und die Durchführung der im Vertrag festgehaltenen Kooperationsmassnahmen durch die direkten Kontaktstellen. In der Schweiz sind das Eidgenössische Justiz- und Polizei-

22

SR 172.015

7553

departement bzw. das Bundesamt für Polizei zuständig, in Bosnien-Herzegowina das Ministerium für Sicherheit bzw. dessen Sektor für internationale Zusammenarbeit.

Analog zur Zusammenarbeit mit Interpol und Europol erfolgt die Zusammenarbeit gestützt auf das Zentralstellenprinzip, d.h. ausschliesslich zwischen den Zentralstellen. Ausser bei den Nachbarstaaten wird dieses Prinzip auch bei der Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewandt. Die Ersuchen werden so an eine zentrale Stelle übermittelt. Diese behandelt die Ersuchen nach den nationalen Vorschriften und leitet sie gegebenenfalls an die zuständige Behörde weiter. Durch die klaren Kommunikationswege wird somit die Koordination erleichtert.

In ihrer Funktion als für den Vollzug zuständige Organe sind die Zentralstellen auch prioritäre Ansprechpartner für die Klärung von Auslegungsfragen oder für die Erarbeitung von Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Abkommens. Bei Beachtung des Zentralstellenprinzips können sich neben dem Bundesamt für Polizei auch das Grenzwachtkorps sowie die Polizei- und Strafverfolgungsbehörden der Kantone auf das Abkommen stützen.

In Absatz 3 wird vereinbart, dass sich die Vertragsparteien 30 Tage nach Inkrafttreten des Abkommens die Adressen sowie die Telefon-, Telefax- und anderen Verbindungen der wichtigsten Dienststellen innerhalb der zuständigen Organe mitteilen.

Wichtigste Stelle innerhalb des Bundesamts für Polizei ist die Einsatzzentrale, die bereits heute rund um die Uhr einen effizienten Informationsaustausch zwischen ausländischen und schweizerischen Polizeibehörden beziehungsweise der Zollverwaltung und dem Grenzwachtkorps sicherstellt.

Art. 17

Sprache

Artikel 17 regelt die sprachlichen Modalitäten der Zusammenarbeit. Um unnötigen Übersetzungsaufwand zu vermeiden, sollen Informationen grundsätzlich in englischer Sprache ausgetauscht werden. Im konkreten Einzelfall haben die beteiligten Polizeibehörden jedoch die Möglichkeit, sich auf eine andere Sprache zu verständigen.

Art. 18

Zusammenkunft von Experten

Artikel 18 sieht die Möglichkeit der Zusammenkunft von hochrangigen Vertretern der Vertragsparteien vor. Diese Treffen sollen bei Bedarf organisiert werden und dienen der Evaluation der Umsetzung des Abkommens. Die Fachleute können im Rahmen solcher Treffen zudem Erfahrungen im Zusammenhang mit neuen Sicherheitsstrategien austauschen oder Initiativen zur Ergänzung und Weiterentwicklung der Zusammenarbeit ergreifen und den Vertragsstaaten entsprechende Vorschläge unterbreiten.

Art. 19

Zusatzvereinbarungen

Die zum Vollzug berechtigten Behörden können auf der Grundlage und im Rahmen des Abkommens schriftliche Vereinbarungen über die Durchführung treffen. Es kann sich dabei um spezifische und befristete Durchführungsvereinbarungen zur Regelung einer Hilfeleistung im Einzelfall handeln oder um allgemeine und unbefristete Vereinbarungen zur Festlegung der generellen Modalitäten der Zusammenarbeit.

7554

Art. 20

Verhältnis zu anderen internationalen Regelungen

In Artikel 20 enthält der Vertrag einen Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Abkommen. Durch den Polizeivertrag werden Bestimmungen bestehender bi- oder multilateraler Abkommen, welche die Schweiz oder Bosnien-Herzegowina binden, nicht aufgehoben. Dieser Artikel impliziert aber auch, dass die in diesem Abkommen enthaltenen Bestimmungen, die aus internationalen Übereinkünften resultierende Rechte und Pflichten ergänzen oder konkretisieren, eingehalten werden müssen.

3

Auswirkungen

Der Vollzug des Abkommens kann mit den bestehenden Mitteln bewältigt werden und führt weder auf Bundes- noch auf kantonaler Ebene zu einer finanziellen oder personellen Mehrbelastung. Gewisse Massnahmen können jedoch im Einzelfall und nach vorgängiger Absprache zwischen den Vertragsparteien zu einer Kostenaufteilung führen, namentlich die Koordination operativer Einsätze. Da die Vorlage keine Subventionsbestimmungen enthält und auch keine Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen beantragt werden, unterliegt sie nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung (BV)23.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das Geschäft entspricht den Zielsetzungen der Legislaturplanung 2003­2007 (BBl 2004 1149).

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Das vorliegende Abkommen stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, der dem Bund die allgemeine Kompetenz für die auswärtigen Angelegenheiten zuweist und ihn zum Abschluss von Staatsverträgen mit dem Ausland ermächtigt. Bei internationalen Verträgen gilt der Grundsatz, dass der Bund Verträge über beliebige Gegenstände abschliessen kann, unabhängig davon, ob diese in die eidgenössische oder in die kantonale Gesetzgebungskompetenz fallen (vgl. BBl 1994 II 624). Das Recht der Kantone, in ihrem Zuständigkeitsbereich Verträge mit dem Ausland abzuschliessen (Art. 56 Abs. 1 BV), ist somit subsidiär. Der Bund macht jedoch von seiner Kompetenz nur zurückhaltend Gebrauch, wenn die zu regelnden Bereiche hauptsächlich in die Zuständigkeit der Kantone fallen. Hat der Bund selber einen Vertrag abgeschlossen, so können sich die Kantone nicht mehr auf ihre eigene Kompetenz in der betreffenden Materie berufen.

Die Regelungen des Abkommens betreffen zur Hauptsache den Informationsaustausch zwischen den nationalen Zentralstellen der Schweiz und Bosnien-Herzegowinas. Der grenzüberschreitende Informationsaustausch, soweit nicht die Nach23

SR 101

7555

barstaaten betroffen sind, ist bereits heute den Bundesbehörden vorbehalten. Damit ändert sich bezüglich der den Kantonen zustehenden Kompetenzen im Polizeibereich nichts.

Eine selbstständige Vertragsabschlusskompetenz des Bundesrates nach Artikel 7a des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199724 liegt nicht vor. Deshalb unterliegt das Abkommen der Genehmigung durch die Bundesversammlung nach Artikel 166 Absatz 2 BV.

5.2

Verhältnis zum europäischen Recht

Vor allem im Hinblick auf die Beitrittsgesuche mehrerer ost- und südosteuropäischer Staaten ­ darunter Bosnien-Herzegowina ­ ist die EU bereits seit einigen Jahren bestrebt, die polizeiliche Zusammenarbeit mit diesen Staaten zu verstärken.

Das vorliegende Abkommen zielt in dieselbe Richtung und steht daher im Einklang mit den Vereinbarungen in diesem Bereich zwischen der EU und BosnienHerzegowina, ferner mit dem geltenden EU-Recht und insbesondere mit den Schengener Regeln zur polizeilichen Zusammenarbeit.

5.3

Erlassform und fakultatives Referendum

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. In Anlehnung an Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes25 gilt eine Bestimmung dann als rechtsetzend, wenn sie in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegt, Rechte verleiht oder Zuständigkeiten festlegt. Wichtig ist eine solche Norm dann, wenn ihr Regelungsgegenstand im Landesrecht entsprechend Artikel 164 Absatz 1 BV auf formell-gesetzlicher Stufe geregelt werden müsste.

Das Abkommen mit Bosnien-Herzegowina ist jederzeit kündbar, sieht keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation vor und für seine Umsetzung müssen keine Bundesgesetze erlassen werden. Es enthält jedoch wichtige rechtsetzende Bestimmungen. Zum einen werden den rechtsanwendenden Behörden neue Kompetenzen eingeräumt (z.B. Bildung gemeinsamer Kontroll-, Observations-, Analyseund Ermittlungsgruppen). Zum andern werden den Vertragsparteien auch Pflichten auferlegt (z.B. Haftung, Schadenersatzpflicht bei der Übermittlung von unrichtigen Daten). Bei diesen Regelungen handelt es sich um wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV, die ­ würden sie im Landesrecht erlassen ­ Gegenstand eines formellen Gesetzes wären. Das Abkommen unterliegt somit dem fakultativen Referendum, und die Genehmigung des Abkommens erfolgt in der Form eines Bundesbeschlusses.

24 25

SR 172.010 SR 171.10

7556