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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs Lurati und Moroni in Lugano, betreffend Erleichterung der Ausübung des Stimmrechts.

(Vom 8. Juni 1897.)

Tit.

In unserm Entscheide vom 24. Februar 1897 (Bundesbl. I, 557) haben wir das Decreto legislativo des Großen Rates des Kantons Tessin, vom 16. Januar 1897, welches den Angestellten der Transportanstalten gestattet, bei eidgenössischen und kantonalen Wahlen und Abstimmungen ihre Stimmzettel schon am Vorabend des Abstimmungstages abzugeben, als mit dem Bundesrecht im Widerspruch stehend erklärt, insofern es sich auf eidgenössische Wahlen und Abstimmungen beziehe.

Die Herren G. Lurati und F. Moroni, auf deren Beschwerde hin der Entscheid gefaßt worden war, rekurrieren nun mit Eingabe vom 20. April 1897 an Ihre Behörde und verlangen, daß das Tessiner Decreto legislativo, auch insofern es sich auf k a n t o n a l e Wahlen und Abstimmungen bezieht, aufgehoben werde.

Mit Eingabe vom 26. Mai hat die Regierung des Kantons Tessin ihrerseits unsern Beschluß an die Bundesversammlung weitergezogen, indem sie behauptet, das Tessiner Dekret vom 16. Januar sei in seinem ganzen Umfange aufrecht zu erhalten.

Was die Zulässigkeit der Stimmabgabe am Vorabend des Abstimmungstages bei kantonalen Wahlen und Abstimmungen betrifft, so können wir uns auf die Erwägungen unseres Entscheides berufen.

654 Bezüglich des von der Regierung des Kantons Tessin gestellten Begehrens bemerken wir, daß der Bundesrat stets an dem Satze festgehalten hat, daß für eidgenössische Wahlen und für eidgenössische Abstimmungen dieselben Vorschriften gelten (Bundesbl.

1888, II, 807). Die konstante bundesrätliche Praxis geht dahin, daß der in Art. 9 des Bundesgesetzes über die Referendumsabstimmungen vom 17. Juni 1874 ausgesprochene Grundsatz, daß die Abstimmung im ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft an einem und demselben Tage stattfinden soll, auf alle eidgenössische Abstimmungen und Wahlen anzuwenden ist, und daß auch das Gesetz vom 20. Dezember 1888, welches einzelnen Klassen von Bürgern die Stimmabgabe erleichtert, hiervon keine Ausnahme macht. Diese Auslegung findet eine Stütze für die Nationalratswahlen in Art. 16 des Gesetzes vom 19. Juli 1872 und für die Abstimmungen über Initiativbegehren in Art. 16 des Gesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung (vgl. v. Salis, Bundesrecht II, Nr. 805, 823, 823 a; ferner Bundesratsbeschluß vom 1. November 1895, Bundesbl. 1895, IV, 40).

Wir haben auch im angefochtenen Entscheide an dieser Gesetzesauslegung festgehalten und beantragen Ihnen demnach Abweisung der beiden Rekurse.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 8. Juni 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Dencher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Rekurs Lurati und Moroni in Lugano, betreffend Erleichterung der Ausübung des Stimmrechts. (Vom 8. Juni 1897.)

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1897

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09.06.1897

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653-654

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