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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs des Julius Fecht, Weinhändler in Aarau, gegen den bundesrätlichen Entscheid vom 2. April 1897 wegen nachträglicher Entrichtung einer umgangenen Patenttaxe.

(Vom 11. Juni 1897.)

Tit.

In Ausführung der Ziffer 9 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 1. November 1892 ersuchte das Handelsdepartement mit Kreisschreiben vom 25. Januar 1894 die Kantonsregierungen, ihm von allen seit 1. Januar 1893 erlassenen Straf- und Bußenerkenntnissen wegen Übertretung des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1892 eine Abschrift zu senden.

Das Handelsdepartement erhielt infolgedessen durch die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau mit Schreiben vom 3. September 1896 Kenntnis von einem Urteile, nach welchem Julius Fecht, Weinhändler in Aarau, am 25. August 1896 vom Bezirksgerichte Baden wegen Übertretung des Patenttaxengesetzes mit Fr. 30 unter Kostenfolge gebüßt wurde.

In den Untersuchungsakten ist festgestellt, daß der Gebüßte im Laufe des Jahres 1896 zu wiederholten Malen bei verschiedenen Privatpersonen Bestellungen auf Wein entgegengenommen hat, ohne im Besitze einer Taxkarte zu sein.

Gestützt auf diesen gerichtlich festgestellten Thatbestand und mit Rücksicht darauf, daß Julius Fecht in seiner Einvernahme selbst erklärte, ,,es sei möglich, daß er später eine Taxkarte lösen werde", machte das Handelsdepartement die Polizeidirektion des Kantons

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Aargau, als Centralstelle für die Verabfolgung von Ausweiskarten an Handelsreisende, darauf aufmerksam, daß der Gebüßte nachträglich zur Entrichtung einer Patenttaxe angehalten werden sollte.

Das Departement ging hierbei von der Ansicht aus, daß durch die Bestrafung des Julius Fecht seine Verpflichtung gegenüber dem Fiskus der Kantone nicht abgetragen sei. Zu seinem Geschäftsbetriebe -- Verkehr mit Privatpersonen -- bedurfte er einer Taxkarte, die jährlich Fr. 150 kostet. Wäre er mit einer Buße vou Fr. 30 zugleich der nachträglichen Zahlung des geschuldeten Betrages enthoben, so hätte er durch sein Verhalten eine Ausgabe von Fr. 120 erspart. Darin läge geradezu eine Ermunterung zur Umgehung des Gesetzes, die keineswegs in der Absicht des Gesetzgebers liegen konnte. Der gesetzliche Rückhalt für die nachträgliche Erhebung der umgangenen Taxe liegt im Art. 2 des Patenttaxengesetzes, der die Taxe bestimmt. Das Gesetz will offenbar, daß diese Taxe entrichtet werde, nicht aber, daß es möglich sei, dieselbe durch eine Geldstrafe zu ersetzen, die weniger als die Taxe beträgt. Bei Übertretung fiskalischer Gesetze liegt es in der Natur der Sache, daß die Taxe nachträglich entrichtet werde.

Mittelst Verfügung vom 6. Oktober 1896 hielt die aargauisdu; Polizeidirektion den Julius Fecht zur Nachzahlung einer Taxe von Fr. 100 für das II. Semester 1896 au. Gegen diese Verfügung rekurrierte der Genannte an den Regierungsrat des Kantons Aargau, indem er hauptsächlich geltend machte, daß durch die gerichtliche Bestrafung die Übertretung gesühnt, es mithin unstatthaft sei, eine nachträgliche ,,Strafsentenz" desselben Gegenstandes wegen zu erlassen, und daß eine gesetzliche Bestimmung fehle, die dem Gebüßten die Verpflichtung zur Nachzahlung einer Patenttaxe auferlege.

Der Regierungsrat, der im Sinne der Ziffer 2 des im Eingange erwähnten Bundesratsbeschlusses als oberste Aufsichtsbehörde über die Ausführung des Patenttaxengesetzes im Kanton Aargau handelte, bestätigte am 4. Dezember 1896 die von ihrer Centralstelle verfügte Nachzahlung der Pateuttaxe, gestützt auf die vom eidgenössischen Handelsdepartement geltend gemachten Gründe.

Gegen diesen Beschluß erhob Fecht den staatsrechtlichen Rekurs beim Bundesgerichte, das jedoch am 3. Februar d. J., sich auf Art. 189, Ziffer 3 und Absatz 2, des Bundesgesetzes über
die Organisation der Bundesrechtspflege stützend, erkannte, auf den Rekurs nicht einzutreten, soweit darin eine Verletzung des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden behauptet werde; im übrigen denselben abzuweisen, weil der Regierungsrat des Kantons Aargau kraft seiner Verwaltungs- und Vollziehung«-

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gewalt jedenfalls kompetent gewesen sei, den Rekurrenten zur nachträglichen Lösung einer Taxkarte anzuhalten.

In seiniii- Rekureschrift an das Bundesgericht hatte Fecht sich das Recht vorbehalten, eventuell auch beim Bundesrate eine Beschwerde anhängig zu machen. Eine solche wurde wirklich am 9. Februar eingereicht, mit dem Begehren, den angefochtenen Entscheid des Regierungsrates aufzuheben.

Außer den bereits erwähnten Beschwerdepunkten hielt der Beschwerdeführer dem Entscheide des Regierungsrates u. a. noch entgegen, daß der Grundsatz der Verpflichtung zur nachträglichen Lösung einer Taxkarte, auf die kantonalen Gesetze über das Wirtschafts-, Jagd- und Fischereiwesen angewandt, ganz .eigentümliche Folgen haben würde; daß ferner, nachdem gegen Rückfällige auf den Entzug des Patentes und auf das Recht zum Erwerb eines solchen erkannt werden könne, das Gesetz das Gegenteil von dem anstrebe, was das Departement bezwecke; daß er überdies für das II. Semester 1896 keiner Taxkarte mehr bedürfe, weil er das Aufsuchen von Bestellungen bei Privatpersonen nicht fortzusetzen gedenke u. s. w.

Der Bundesrat zog folgendes in Erwägung: 1. Das Recht und die Pflicht der Behörden, die über die Vollziehung des Patenttaxengesetzes zu wachen haben, beschränkt sich nicht darauf, einen fehlbaren Reisenden dem Strafrichter zu verzeigen und ihn mit einer Geldbuße bestrafen zu lassen. Läge nur diese Befugnis in ihrer Kompetenz, so würde ein Reisender häufig besser davon kommen, wenn er keine Karte löste, sondern einfach die Buße gewärtigte. Einmal hätte er Aussicht, gar nicht oder wenigstens während längerer Zeit nicht verzeigt zu werden; sodann pflegen die Gerichte äußerst milde zu sein und in derartigen Fällen nur Bußen von fünf, zehn und zwanzig Franken auszusprechen. Hätte das Gesetz an die Nichtlösung der Karte n u r die B e s t r a f u n g knüpfen wollen, so müßte ausdrücklich gesagt sein, daß in der Buße auch die Taxe inbegriffen sei. Da aber der Strafartikel 8 hiervon nichts erwähnt, so muß vernünftigerweise angenommen werden, daß das Gesetz den Artikel 2 für Straffälle nicht aufheben will. Es würde sich, anderenfalls, nicht mit der Aufstellung eines Maximums der Buße begnügt, sondern auch ein Minimum bezeichnet und es damit dem Richter verunmöglicht haben, im Falle unterlassener Lösung einer Taxkarte auf eine
Buße zu erkennen, deren Betrag nur den fünften, zehnten oder zwanzigsten Teil der umgangenen Taxe beträgt.

2. Das Patenttaxengesetz ist teilweise aus den kantonalen Gesetzen über das Hausierwesen hervorgegangen und an Stelle k a n -

696 tonaler Taxordnungen getreten. Es hat den Kantonen im Interesse einer einheitliehen, gleichmäßigen Besteuerung der Handelswelt eine Einnahme weggenommen, eine Art der Gewerbebesteuerung, die bis dahin ihnen zugestanden hatte. Dafür ist in Art. 7 des Gesetzes bestimmt, daß der Ertrag der Ausweiskarten jedes Jahr unter die Kantone nach dem Verhältnis der Bevölkerung verteilt werden soll. Die Bußen bilden nun aber, wie bemerkt, in vielen Fällen keinen auch nur annähernden Ersatz; sie werden auch nicht unter die Kantone verteilt, sondern bleiben demjenigen Kanton, in welchem die Verurteilung erfolgt (Art. 8, Schlußsatz). Wird die Taxe in solchen Fällen nicht bezahlt, so wird die Gesamtheit der Kantone verkürzt, weil das Gesamtergebnis aller Kantone pro rata der Bevölkerung unter dieselben verteilt wird.

3. Das Recht der Aufsichtsbehörden, die taxpflichtigen Reisenden zum Bezüge der Karte zu verhalten, ergiebt sich aber auch aus der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes selbst, sowie des Vollziehungsbeschlusses des Bundesrates vom 1. November 1892.

Nach Art. 2 des Gesetzes können Reisende bei Privatpersonen Bestellungen aufnehmen, ,,wenn sie eine Taxe entrichten"1 ; Art. 4 bestimmt, daß die Handelsreisenden, die taxpflichtig sind, ,,eine Ausweiskarte zu lösen haben a . Ziffer 4 des Bundesratsbeschlusses schreibt vor: ,,Jeder Handelsreisende, der Bestellungen aufnimmt, bedarf einer Ausweiskarte. a Ziffer 2 desselben erklärt die kantonale Amtsstelle für kompetent, die in Art. 4 des Gesetzes vorgeschriebenen Karten zu verabfolgen, und Ziffer 9 ermächtigt das eidgenössische Handelsdepartement, für die richtige Handhabung dieser Vorschriften Sorge zu tragen, was ja vor allem sagen will, daß es die Kantone verhalte, die Steuer von wirklich Pflichtigen zu erheben, und nicht zulasse, daß Pflichtige in einem Kanton der Steuer entgehen, die im ändern gefordert wird.

Durch diese Bestimmungen ist den Verwaltungsbehörden unbestreitbar das Recht eingeräumt, auf eine Steuer oder Taxe zu erkennen und sie einzuziehen.

Daß der Richter bei der Vorzeigung eines Reisenden in die Lage kommen kann, auch über die Frage der Pflicht zur Lösung einer Taxkarte zu urteilen, ist selbstverständlich, und es haben auch wirklich einzelne Gerichte der Kantone Bern und Baselstadt neben der Buße auch auf die Verpflichtung zur
nachträglichen Lösung einer Taxkarte erkannt. Allein daraus folgt doch nicht, daß die zuständigen Administrativbehörden das Recht nicht besäßen, von sich aus die Pflicht zur Lösung einer Karte auszusprechen und die Taxe zu beziehen, %venn der Richter sich strikte auf seine Pflicht beschränkt hat, die Thatsache der Gesetzesübertretung durch eine Buße zu ahnden.

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4. Die Berufung des Beschwerdeführers auf die kantonalen Wirtschafts-, Jagd- und Fischerei-Gesetzgebungen ist hier nicht zutreffend, weil, wie dargethan, das Bundesgesetz vom 24. Juni 1892 den gemeinsamen Bezug einer Gewerbesteuer von Handelsreisenden im Interesse aller Kantone regelt, während die Erteilung von Wirtschafts-, Jagd- und Fischereipatenten lediglich Sache jedes einzelnen Kantons ist.

5. Was die Einrede des Beschwerdeführers betreffend den Patententzug und die Aberkennung des Rechts zum Erwerbe eines Patentes anbelangt, so können diese Strafarten lediglich in Rückfallen in Betracht kommen, in denen der mehrfach Gebüßte mit eioer von ihm bereits g e l ö s t e n Ausweiskarte Mißbrauch getrieben hat. Im vorliegenden Falle soll hingegen eine Taxe nachbezahlt werden, weil die Lösung einer Karte unterlassen und das Aufnehmen von Bestellungen bei Privatpersonen dennoch betrieben wurde.

6. Die Bestimmung der Z e i t , für welche die Nachzahlung einer Taxkarte zu erheben ist, richtet sich naturgemäß nach den Verhältnissen des konkreten Falles. Ist z. B. festgestellt, daß der Gebüßte während der Dauer des ganzen Jahres ohne Taxkarte Privatpersonen besuchte, so hat er selbstverständlich die Jahrestaxe mit Fr. 150 nachzuzahlen; fallen diese Übertretungen ausschließlich ins 1. oder 2. Semester des Jahres, so erscheint es angemessen, nur die halbjährliche Taxe zu fordern. Da festgestellt wurde, daß Julius Fecht im 1. Semester 1896 ohne Taxkarte Bestellungen aufsuchte, so liegt ihm also die Bezahlung der Taxe von Fr. 100 für dieses Semester ob.

7. Was den Einwand anbelangt, der Gebüßte bedürfe zum fernem Betriebe des Geschäftes der Taxkarte nicht mehr, so ist derselbe völlig irrelevant. Es handelt sich nicht darum, demselben eine Karte zum Zwecke der f e r n e m Ausübung seines Geschäftsbetriebes aufzuzwingen, sondern lediglich darum, die Taxe für eine Karte zu erheben, die er zum Zwecke der schon g e m a c h t e n Geschäfte hätte lösen sollen. Im vorliegenden Falle ist übrigens die Zeit, während welcher die Ausweiskarte des Beschwerdeführers gültig gewesen wäre, längst abgelaufen ; folglich ' bleibt nur die T a x e zu entrichten, wogegen die Karte gar nicht mehr verabfolgt zu werden braucht, weil von derselben kein legitimer Gebrauch mehr gemacht werden könnte.

Für das laufende Jahr hat der
Beschwerdeführer eine Taxkarte gelöst; der Verkehr mit Privatpersonen gehört demgemäß immer noch zu seinem Geschäftsbetriebe.

8. Ganz unabhängig von diesem Falle hat das Polizeidepartement in Frauenfeld, als Abgabestelle von Ausweiskarten für den

698 Kanton Thurgau, laut Schreiben vom 9. Januar dieses Jahres, eine mit der unserigen übereinstimmende Auffassung des Patenttaxengesetzes dokumentiert, indem dasselbe den Erlaß einer Weisung an s ä m t l i c h e Kantonsregierungen wünschte, des lohalts, daß im Falle der Umgehung einer Taxentrichtung nicht nur auf eine Buße zu erkennen, sondern auch die nachträgliche Bezahlung der Taxe zu verfugen sei.

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Gestützt auf diese Erwägungen haben wir am 2. April dieses Jahres die Beschwerde des Fecht als unbegründet abgewiesen und zugleich das Handelsdepartemînt beauftragt, darüber zu wachen, daß in Fällen der Umgehung der in Artikel 2 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1892 vorgeschriebenen Patenttaxen der Handelsreisenden, welche behufs Aufnahme von Bestellungen Privatpersonen besuchen, nicht nur eine Buße ausgesprochen, sondern auch die nachträgliche Entrichtung der Taxe angeordnet werde.

Mittelst Kreissahreibens vom 2. April dieses Jahres ist sämtlichen Kantonsregierungen Kenntnis von diesem Beschlüsse, mit dem Ersuchen, gegeben worden, das Nötige zu dessen Ausführung anzuordnen. Seitdem ist bereits von mehreren kantonalen Gerichten, außer der Buße, auf Nachzahlung der Taxe erkannt worden.

Mit Zuschrift vom 28. Mai dieses Jahres hat Julius Fecht bei der Bundesversammlung Rekurs gegen obigen Entscheid des Bundesrates erhoben und stellt das Begehren um dessen Aufhebung, indem er sich sowohl hinsichtlich der Darstellung des Thatbestandes als auch betreffend die rechtlichen Gesichtspunkte auf die Rekursschrift an den Bundesrat bezieht.

Indem wir uns unserseits auf unsere Erwägungen unter Ziffer l bis 8 berufen, beantragen wir Ihnen, den Rekurs als unbegründet abzuweisen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 11. Juni

1897.

Im Namen des Schweiz. Buudesrates, Der Bundespräsident:

Pencher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend den Rekurs des Julius Fecht, Weinhändler in Aarau, gegen den bundesrätlichen Entscheid vom 2. April 1897 wegen nachträglicher Entrichtung einer umgangenen Patenttaxe. (Vom 11. Juni 1897.)

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16.06.1897

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