Die Politik des Bundes zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Bericht des Bundesrates in Beantwortung des Postulats Walker (02.3702) und Evaluationsbericht zum Bundesgesetz über Risikokapitalgesellschaften vom 8. Juni 2007

2007-1386

5787

Übersicht In seinem Postulat 02.3702 mit dem Titel «Förderung der Wachstumspotenziale bei KMU», das am 21. März 2003 durch den Nationalrat überwiesen wurde, ersuchte Nationalrat Felix Walker den Bundesrat, die nachstehenden Problemkreise vertieft zu prüfen und umfassend darüber zu berichten: ­

das Wachstumspotenzial der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), insbesondere seine Förderung durch die Gewährleistung der Selbstfinanzierungs- und Innovationskraft,

­

den Abbau der administrativen Belastungen und die Stärkung der 1999 eingeführten Instrumente (KMU-Forum, KMU-Verträglichkeitstest und Regulierungsfolgenabschätzung),

­

den Zugang zum Binnenmarkt und zu internationalen Märkten,

­

die Bekämpfung der wirtschaftlichen Stagnation sowie die Unternehmensbesteuerung.

Der folgende Bericht analysiert die Eigenschaften der KMU in der Schweiz und präzisiert ihre Stellung in der Gesamtwirtschaft. Er untersucht die wichtigen Etappen im Lebenszyklus der Unternehmen, d.h. ihre Gründung, ihre Finanzierung und ihre Nachfolgeplanung. Die wesentlichen politischen Instrumente werden beleuchtet, namentlich: ­

die administrative Entlastung und die E-Government-Aktivitäten zugunsten der KMU,

­

die Öffnung der nationalen und internationalen Märkte,

­

die Besteuerung und die Eigenkapitalbildung,

­

die Unterstützung der Finanzierung, insbesondere durch gewerbliche Bürgschaftsgenossenschaften und die Förderung des Risikokapitals,

­

sowie die Innovationsförderung.

Anschliessend bietet der Bericht einen Überblick über die in den letzten Jahren im Rahmen der KMU-Politik getroffenen Massnahmen. Nach einer Analyse der Eigenschaften der von den anderen Industrieländern angewandten Politiken erläutert der Bericht schliesslich in groben Zügen die geplante KMU-Politik für die kommenden Jahre.

Als Erstes ist festzuhalten, dass nur etwas über 1000 Unternehmen von den rund 299 000 nichtlandwirtschaftlichen, marktwirtschaftlichen Unternehmen in der Schweiz die Anzahl von 250 Mitarbeitenden überschreiten, die in Europa für die Abgrenzung der KMU verwendet wird. Diese grossen Unternehmen repräsentieren ungefähr einen Drittel der Arbeitsplätze im marktwirtschaftlichen Sektor. Auf der anderen Seite repräsentieren die 261 000 Mikrounternehmen ­ d.h. Unternehmen mit weniger als 10 Angestellten ­ etwas mehr als einen Viertel der Arbeitsplätze.

Die Analyse zeigt, dass es keine «typischen KMU» gibt, sondern mehrere, sehr unterschiedliche Unternehmensprofile, welche spezifische Bedürfnisse aufweisen.

5788

Die Politikmassnahmen der öffentlichen Hand müssen sich daher diesen besonderen Bedürfnissen anpassen. Die KMU bilden in der Tat die grosse Masse der Unternehmen und der Arbeitsplätze, weshalb sie oft auch als «Rückgrat» unserer Volkswirtschaft bezeichnet werden. Diese KMU reagieren nicht auf die gleiche Art wie die grossen Unternehmen auf Konjunkturschwankungen. Sie sind in der Regel weniger dynamisch, stellen jedoch einen stabilisierenden Faktor dar, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten auftreten. Hinsichtlich Wachstum sind die dynamischsten Gruppen die grossen Unternehmen sowie technologie- und exportorientierte KMU. Allerdings sind diese Wirtschaftsmotoren, welche die Aufmerksamkeit der öffentlichen Hand und der Medien auf sich ziehen, auch tiefgreifenden und raschen Änderungen unterworfen. Während im Verlauf der letzten Jahrzehnte ihre Produktivität stark zunahm, stagnierte der Anteil der grossen Unternehmen an der Gesamtbeschäftigung in der Schweiz.

Die Reduktion der administrativen Belastung ist weiterhin das prioritäre Anliegen des Bundesrates. Auch wenn die Situation eher besser ist als in den Nachbarländern, nimmt die administrative Belastung tendenziell zu, da aufgrund des immer komplexeren wirtschaftlichen und sozialen Umfeldes laufend neue Gesetze geschaffen werden müssen. Die unternommenen Anstrengungen sind von grosser Bedeutung, denn sie betreffen nicht nur alle Unternehmen, sondern kommen auch insbesondere den sehr kleinen Unternehmen zugute, die im Verhältnis zu ihrer Grösse ungleich stärker von administrativen Lasten betroffen sind. 2006 wurde eine wichtige Etappe zurückgelegt: Nach der Veröffentlichung eines Berichts Anfang Jahr, in dem über die Bekämpfung der administrativen Belastung Bilanz gezogen wurde, hat der Bundesrat dem Parlament mit einer Botschaft die Aufhebung mehrerer Gesetze und Verordnungen vorgeschlagen. Damit soll eine Reduktion der staatlichen Bewilligungsverfahren um 20 Prozent erreicht werden. Ausserdem hat der Bundesrat beschlossen, die Kompetenzen des KMU-Forums zu stärken und er hat ein Koordinationsorgan für KMU-Fragen in der Bundesverwaltung ins Leben gerufen.

Die Entwicklung des E-Government ist ein weiteres Mittel zur Reduktion der administrativen Belastung und zur Steigerung der Produktivität der Unternehmen und der Verwaltung. Eine Internet-Plattform
(www.kmu.admin.ch) wurde gestaltet und den KMU zur Verfügung gestellt. Unternehmensgründer können heute einen grossen Teil der Formalitäten online erledigen. Dank der Harmonisierung der von den verschiedenen Partnern verwendeten Lohndefinitionen kann nun ein grosser Teil der Lohndaten online übermittelt werden. Allerdings gilt es, noch zahlreiche Fortschritte zu erzielen. Der Bundesrat hat das EVD und die anderen betroffenen Departemente beauftragt, ihm Vorschläge zur Einführung einer Unternehmensidentifikationsnummer zu unterbreiten. Ausserdem ist geplant, 2007 eine Plattform zu schaffen, auf der den Unternehmen alle elektronischen Formulare verfügbar gemacht werden sollen. Diese Projekte stehen auf der Liste der priorisierten Vorhaben der vom Bundesrat am 24. Januar 2007 verabschiedeten neuen E-GovernmentStrategie. Der Bundesrat hat beschlossen, besondere Anstrengungen zur Stärkung des E-Governments für die KMU zu unternehmen, und hat die für diese Aktivitäten bereitgestellten Mittel im Rahmen des Budgets und der Finanzplanung erhöht.

5789

In einem Umfeld, in dem die Öffnung zum internationalen Handel eine immer grössere Rolle spielt, ist der Zugang zu den ausländischen Märkten von grösster Bedeutung. Dieser Zugang wird nicht allein durch die Freihandelsverträge gewährleistet, sondern erfordert eine gezielte Unterstützung für diejenigen, welche diese Märkte noch nicht kennen. Diese Aufgabe kommt der Osec zu, deren Rolle gestärkt wurde und die nun über ein Netzwerk von Stützpunkten (sog. «Business Hubs») verfügt, welche gemeinsam mit dem EDA und mit Unterstützung der Privatwirtschaft errichtet wurden. Die verschiedenen Institutionen im Dienst der KMU koordinieren vermehrt ihre Aktivitäten, namentlich innerhalb des BNS-Netzwerks (Business Network Switzerland), und die Marketingaktivitäten im Ausland werden schon bald von zunehmenden Synergien profitieren können.

Was das Klima und die Rahmenbedingungen für die Unternehmensgründung angeht, nimmt die Schweiz eine recht gute Stellung ein. Förderungsmassnahmen für das Unternehmertum, wie «Venturelab», konnten sich somit auf einem fruchtbaren Boden entwickeln. Allerdings müssen die zahlreichen in unserem Land vorhandenen Ressourcen noch besser kanalisiert werden. Namentlich sollten die vorhandene Finanzkraft der Schweiz und das Potenzial der Spitzenforschung zur Schaffung neuer Tätigkeiten und Unternehmen eingesetzt werden, die ein rasches und nachhaltiges Wachstum ermöglichen können.

Ein System, welches die Kapitalversorgung des Marktes fördert, steht bei der Finanzierung der KMU im Vordergrund. Die Steuerreform hat diesbezüglich eine besondere Bedeutung, wenn es ihr gelingt, Eigenkapital attraktiver zu machen. Die vom Parlament 2006 beschlossene Entwicklung des gewerblichen Bürgschaftswesens ergänzt die Finanzierung der traditionellen KMU. Die Bilanz des Bundesgesetzes über die Risikokapitalgesellschaften (BRKG) ist eher durchzogen. Die Umrisse einer allfälligen Revision werden auf der Grundlage der Resultate der Unternehmenssteuerreform II zu prüfen sein. Das Ziel besteht dabei in der Optimierung der Bedingungen für Privatinvestoren (Business Angels), um die wesentlichen zur Verfügung stehenden Mittel zu mobilisieren.

Der Ausbau der Tätigkeiten der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ermöglichte die Intensivierung des Austausches zwischen den Hochschulen und den KMU. Die
Begleitung neuer, aus unseren Forschungsinstituten und Hochschulen hervorgegangener Unternehmen hat zur Schaffung neuer Arbeitsplätze von hoher Qualität beigetragen. Die Anerkennung der besten Projekte mit einem Label erleichterte ihnen ausserdem den Zugang zur externen Finanzierung. Die Weiterentwicklung dieser Instrumente wird es in den nächsten Jahren erlauben, den Kreis der KMU, die ihre Entwicklung auf Innovationen und den Einsatz neuer Technologien abstützen, laufend zu erweitern.

5790

Inhaltsverzeichnis Übersicht

5788

1 Einleitung 1.1 Das Postulat Walker 1.2 Gliederung des Berichts 1.3 Vorarbeiten

5794 5794 5794 5794

2 Typologie der KMU 2.1 Verschiedene Kriterien 2.2 Die gesetzlichen Einteilungen 2.3 Analyse nach Unternehmensgrösse und Art der Tätigkeit 2.4 Typologien gemäss den staatlichen Instrumenten

5795 5795 5797 5798 5799

3 Eigenschaften der Schweizer KMU und ihrer Entwicklung 3.1 Die neusten Zahlen der Betriebszählung 3.2 Unternehmensgründung und Unternehmergeist 3.2.1 Unternehmensgründungen 3.2.2 Unternehmensschliessungen und Überlebensrate 3.2.3 GEM-Untersuchung 3.2.4 Frauen als Unternehmerinnen 3.2.4.1 Postulat Fetz und Bericht des Bundesrates 3.2.4.2 Daten des Bundesamtes für Statistik 3.2.4.3 GEM-Studie 3.2.4.4 Schlussfolgerung 3.2.5 Unternehmertum bei den Studierenden 3.3 Konjunkturelle Entwicklung und Wachstum der KMU 3.4 Die aussenwirtschaftliche Verflechtung der KMU 3.4.1 Internationaler Güterhandel der KMU 3.4.2 Auslanddirektinvestitionen der KMU 3.5 Unternehmensfinanzierung 3.5.1 Formen der Finanzierung 3.5.2 Statistische Fakten zur KMU-Finanzierung 3.5.3 Das Spannungsfeld KMU ­ Banken 3.5.4 Risikokapital 3.6 Unternehmensnachfolge

5800 5800 5802 5803 5804 5804 5806 5806 5806 5807 5807 5808 5809 5812 5812 5815 5816 5816 5819 5821 5822 5824

4 Instrumente des Staates 4.1 Einführung 4.2 Administrative Entlastung 4.2.1 Internet-Umfrage des EVD 4.2.2 Bericht und Botschaft des Bundesrates zur «Vereinfachung des unternehmerischen Alltags» 4.2.2.1 Bericht und Botschaft 4.2.2.2 Aufhebung von Bewilligungsverfahren 4.2.2.3 Vereinfachung der Regulierungen im Zuständigkeitsbereich des EVD

5825 5825 5826 5826 5831 5831 5832 5833 5791

4.3

4.4

4.5

4.6 4.7

4.8 4.9

4.2.2.4 Verbesserung der Regulierungsfolgenabschätzung, des KMU-Verträglichkeitstests und des KMU-Forums 4.2.2.5 Schaffung eines Koordinationsorgans für die KMU-Politik E-Government-Massnahmen 4.3.1 E-Government für KMU 4.3.2 Bilanz der E-Government-Aktivitäten für KMU seit 2001 4.3.2.1 Einleitung 4.3.2.2 Internetschalter für Unternehmensgründungen 4.3.2.3 Basis-online-Formular 4.3.2.4 Identifikationsnummer für Unternehmen 4.3.2.5 Volkswirtschaftliche Auswirkungen 4.3.3 Ziele und Aktionen 4.3.3.1 Katalog der provisorischen Vorhaben 4.3.3.2 KMU-Portal 2.0 4.3.3.3 Prozesse 4.3.3.4 Sicherheit 4.3.4 Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen 4.3.5 Umsetzung und Mittel für E-Government Die Öffnung der internationalen Märkte 4.4.1 Einleitung 4.4.2 Die Binnenmarktpolitik 4.4.3 Exportförderung: Die Business Hubs 4.4.4 Exportförderung: Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) Unternehmen und Besteuerung 4.5.1 Einleitung 4.5.2 Unternehmenssteuerreform II 4.5.3 Besteuerung der Unternehmensübertragung bei Nachfolgeregelungen 4.5.4 Neues Investitionsinstrument für das Risikokapital 4.5.5 Optionsbesteuerung 4.5.6 Revision der MWST Gewerbliches Bürgschaftswesen Förderung des Risikokapitals 4.7.1 Einleitung 4.7.2 Bilanz des BRKG 4.7.3 Überlegungen zu einer Revision des BRKG 4.7.4 Die Rolle der öffentlichen Hand in der Unternehmensfinanzierung Innovationsförderung Unternehmensübertragung

5 Beispiele aus dem Ausland und «Best Practices» 5.1 Europäische Union 5.2 USA 5.2.1 Einleitung 5792

5833 5833 5834 5834 5835 5835 5835 5835 5836 5836 5836 5836 5837 5837 5838 5838 5839 5840 5840 5840 5841 5843 5844 5844 5845 5846 5846 5847 5848 5850 5852 5852 5852 5854 5857 5858 5861 5861 5861 5863 5863

5.2.2 Das SBIC-Programm 5.2.3 Öffentliches Beschaffungswesen 5.2.4 SBIR 5.3 Internationale Vergleiche der mikroökonomischen Indikatoren 5.3.1 Die Arbeiten der OECD 5.3.2 Die Arbeiten der Weltbank 5.3.3 Nutzen solcher Vergleiche

5864 5864 5865 5865 5865 5866 5867

6 Bilanz und Perspektiven 6.1 Bilanz der Politik zugunsten der KMU 6.2 Perspektiven der KMU-Politik

5868 5868 5870

Liste der Abbildungen

5872

Liste der Tabellen

5873

5793

Bericht 1

Einleitung

1.1

Das Postulat Walker

Am 21. März 2003 hat der Nationalrat das am 11. Dezember 2002 von Herrn Nationalrat Felix Walker eingereichte Postulat (02.3702) angenommen und an den Bundesrat überwiesen. Am 26. Februar 2003 hat sich der Bundesrat bereit erklärt, das Postulat mit dem Titel «Förderung der Wachstumspotenziale bei KMU» entgegenzunehmen.

Das Postulat ersucht den Bundesrat, sechs Problemkreise vertieft zu prüfen und umfassend darüber zu berichten: 1.

Förderung des Wachstumspotenzials der KMU, insbesondere durch die Selbstfinanzierung und die Innovation;

2.

Stärkung der 1999 eingeführten Instrumente (KMU-Forum, KMU-Verträglichkeitstest und Regulierungsfolgenabschätzung);

3.

Zugang zum Binnenmarkt und zu den internationalen Märkten;

4.

Abbau der administrativen Belastungen;

5.

Besteuerung der Gewinne der KMU;

6.

Bekämpfung der wirtschaftlichen Stagnation.

1.2

Gliederung des Berichts

Der vorliegende Bericht beschreibt zunächst die verschiedenen Typen von kleinen und mittleren Unternehmen (Ziff. 2); danach kommentiert er die Entwicklung und die Strukturen der KMU in der Schweiz, insbesondere im Lichte ihrer Finanzierung und ihrer Abhängigkeit von der Konjunktur und von Exportmärkten (Ziff. 3). Ziffer 4 bietet einen Überblick über die in den letzten Jahren durch die öffentliche Hand getroffenen Massnahmen in den wichtigsten Bereichen. Nach einer Analyse der Politiken zugunsten der KMU in anderen Industrieländern (Ziff. 5) wird schliesslich eine kurze Bilanz gezogen (Ziff. 6).

1.3

Vorarbeiten

Die Reduktion der administrativen Belastung ist ein prioritäres Anliegen des Bundesrates, der am 18. Januar 2006 einen Bericht 1 und am 8. Dezember 2006 eine Botschaft 2 mit dem Titel «Vereinfachung des unternehmerischen Alltags» veröffentlicht hat. Bei der Behandlung der Themen 2 und 4 des Postulates kann sich der vorliegende Bericht somit auf eine Zusammenfassung dieser Dokumente beschränken. Ausserdem hat der Bundesrat an seiner Sitzung vom 28. Februar 2007 die 1 2

Publikation: SECO, Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Nr. 13F, Bern 2006.

BBl 2007 315

5794

Botschaft über die Standortförderung 2008­2011 3 verabschiedet. Diese bezweckt eine bessere Koordination der Aussenwirtschaftsförderung. Die Botschaft sieht vor, die Standortpromotion der Schweiz im Ausland und die Programme des Bundes für die Investitions- und Importförderung gegenüber Entwicklungs- und Transitionsländern in das «Osec Business Network Switzerland» einzugliedern. Zum Thema der Finanzierung ist zu erwähnen, dass das Parlament 2006 die Stärkung des gewerblichen Bürgschaftswesens beschlossen hat, welche noch im Laufe des Jahres 2007 in Kraft treten wird. Eine allfällige Revision des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1999 4 über die Risikokapitalgesellschaften wird später auf der Grundlage der Resultate der Unternehmenssteuerreform geprüft werden. Ziffer 4.7 dieses Berichts erfüllt das durch das Gesetz dem Bundesrat verliehene Mandat, nach fünf Jahren darüber Bilanz zu ziehen. Schliesslich ist zu erwähnen, dass die Ziffer betreffend die Innovationsförderung in der Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) ausführlich behandelt wird (siehe Ziff. 4.8).

2

Typologie der KMU

2.1

Verschiedene Kriterien

Es gibt keine offizielle Definition der KMU in der Schweiz. Die Spezialisten verwenden oft mehrere Kriterien, unter anderem die Anzahl der beschäftigten Personen oder den Jahresumsatz. In manchen Fällen wird präzisiert, dass ein KMU unabhängig sein muss, d.h. dass es nicht durch ein Grossunternehmen kontrolliert werden darf 5. Für statistische Publikationen verwendet die Schweiz meistens die Schwellenwerte der Europäischen Union, welche Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten als KMU ansieht 6.

Auch die Rechtsform der Unternehmen spielt eine Rolle. Die traditionellen Aktivitäten des öffentlichen Sektors werden nicht als unternehmerisch im Sinne der Statistik erachtet. Allerdings entstehen bei der Anwendung dieser Kriterien verschiedene Abgrenzungsprobleme. Zu welchem Bereich gehören die früheren Staatsmonopole?

Aus diesem Grund haben die Statistiker den Begriff der «marktwirtschaftlichen» Unternehmen eingeführt, zu denen auch die früheren Regiebetriebe des Bundes gezählt werden. Jedoch werden die nicht-marktwirtschaftlichen Tätigkeiten von Vereinen, Stiftungen usw. ausgeschlossen, welche im Sozial- und Gesundheitswesen eine grosse Rolle spielen. Der entscheidende Faktor ist die wirtschaftliche Tätigkeit und nicht die Rechtsform. Durch Einzelpersonen ausgeübte Tätigkeiten, Familiengesellschaften oder Vereine, die eine wirtschaftliche Aktivität ausüben, werden daher oft als Unternehmen betrachtet.

3 4 5

6

BBl 2007 2227 SR 642.15 Siehe z.B. Ziffern 4 und 9 des Beschlusses der Wettbewerbskommission vom 19.12.2005 (KMU-Bekanntmachung), wo auf die Verordnung vom17. Juli 1996 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (SR 251.4) Bezug genommen wird.

Diese Definition (Höchstzahl der Beschäftigten) findet man auch in der Schweizer Fachliteratur. Siehe z.B.: «Kleinunternehmen in der Schweiz ­ dominant und unsichtbar zugleich» (2006); U. Fueglistaller, A. Fust, S. Federer; Schweizerisches Institut für Kleinund Mittelunternehmen (Universität St. Gallen) & BDO Visura.

5795

Tabelle 1 Nichtlandwirtschaftliche, marktwirtschaftliche Unternehmen nach Grössenklassen (Zählung 2005) Grösse

Marktwirtschaftliche Unternehmen 7

Beschäftigte 8

0­2 Beschäftigte 9 3­4 Beschäftigte 5­9 Beschäftigte 10­19 Beschäftigte 20­49 Beschäftigte 50­99 Beschäftigte 100­249 Beschäftigte 250 + Beschäftigte

176 016 46 066 39 500 19 360 11 278 3 453 2 019 1 028

58,92 % 15,42 % 13,22 % 6,48 % 3,78 % 1,16 % 0,68 % 0,34 %

315 485 207 776 316 101 303 674 388 611 272 129 346 403 1 035 353

9,90 % 6,52 % 9,92 % 9,53 % 12,20 % 8,54 % 10,87 % 32,50 %

Mikrounternehmen (0­9) Kleine Unternehmen (10­49) Mittlere Unternehmen (50­249) Grosse Unternehmen (250 +)

261 582 30 638 5 472 1 028

87,57 % 10,26 % 1,83 % 0,34 %

839 362 692 285 618 532 1 035 353

26,35 % 21,73 % 19,42 % 32,50 %

TOTAL der KMU (0­249)

297 692

99,66 %

2 150 179

67,50 %

Quelle: BFS, Eidgenössische Betriebszählung 2005

Mit 99,7 % bilden KMU die überwältigende Mehrheit der marktwirtschaftlichen Unternehmen der Schweiz. Gemeinsam bieten sie rund aller Arbeitsplätze an. Die kleinsten Unternehmen, welche bis zu zwei Personen (vollzeitig) beschäftigen, machen rund 60 % des Totals aus, aber unter 10 % der Arbeitsplätze. Auf der anderen Seite bieten die 1028 grossen Unternehmen (0,3 % aller Unternehmen) weniger als 33 % der Arbeitsplätze an 10.

7 8 9 10

Siehe Definition in Ziffer 3.1.

Die Zahl der Beschäftigten wird in Vollzeitäquivalenten ausgedrückt.

Wie vorhergehende Fussnote.

Bei diesen statistischen Daten (einschliesslich Tabelle) handelt es sich um diejenigen des Bundesamtes für Statistik (Betriebszählung 2005).

5796

2.2

Die gesetzlichen Einteilungen Tabelle 2

Verschiedene gesetzliche Einteilungen in der Schweiz und in Europa Mikrounternehmen

Kleine Unternehmen

Mittlere Unternehmen

Europäische (gültig seit 01.01.2005)

< 10 Beschäftigte
2 Mio.
Jahresumsatz
2 Mio.
Jahresbilanz

< 50 Beschäftigte
10 Mio.
Jahresumsatz
10 Mio.
Jahresbilanz

< 250 Beschäftigte
50 Mio.
Jahresumsatz
43 Mio.
Jahresbilanz

Bundesamt für Statistik

< 10 Beschäftigte

< 50 Beschäftigte

< 250 Beschäftigte

nicht definiert

nicht definiert

200 Beschäftigte 40 Mio. CHF
Umsatzerlös
20 Mio. CHF
Bilanzsumme

< 10 Beschäftigte
2 Mio. CHF
Jahresumsatz

nicht definiert

nicht definiert

Union 11

Fusionsgesetz (Definitionen von Art. 2e)

KMU-Bekanntmachung der WEKO 12 Quelle: SECO

Mehrere Bestimmungen des Obligationenrechts beziehen sich implizit auf den Begriff der KMU: So ist laut Artikel 663e Absatz 2 des Obligationenrechts (OR) 13 eine Gesellschaft von der Pflicht zur Erstellung einer Konzernrechnung befreit, wenn sie zusammen mit ihren Untergesellschaften zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht überschreitet: Bilanzsumme von 10 Millionen Franken; Umsatzerlös von 20 Millionen Franken; 200 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Artikel 727b OR über die besonderen Befähigungen der Revisoren bezieht sich seinerseits auf Unternehmen mit: Bilanzsumme von 20 Millionen Franken, Umsatzerlös von 40 Millionen Franken; 200 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Das neue Revisionsrecht 14 sieht vor, Gesellschaften durch eine Revisionsstelle ordentlich prüfen zu lassen, die in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren zwei der nachstehenden Grössen überschreiten: Bilanzsumme von 10 Millionen Franken, Umsatzerlös von 20 Millionen Franken, 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.

11 12

13 14

Siehe: Empfehlung 2003/361/EG vom 6. Mai 2003. Kann auf der Website der Europäischen Kommission unter der Adresse: www.ec.europa.eu eingesehen werden.

Siehe Ziffer 4 der «KMU-Bekanntmachung» der Wettbewerbskommission (WEKO).

Diese kann auf der Internetsite der WEKO: www.weko.admin.ch, Rubrik: «Publikationen», «Gesetzestexte», «KMU-Bekanntmachung» eingesehen werden.

SR 220 Neuer Art. 727 Abs. 1 OR (BBl 2005 7289): Einzusehen auf der Website des Eidgenössischen Justiz und Polizeidepartements (EJPD) unter der Adresse: www.ejpd.admin.ch, Rubriken: «Themen», «Wirtschaft», «Gesetzgebung», «Revision und Rechnungslegung», «Referendumsvorlage».

5797

Der Revisionsentwurf zum Rechnungslegungsrecht 15 übernimmt diese Schwellenwerte in Artikel 961 Absatz 1 OR.

De facto verwendet die Schweiz für die Klassierung der Grösse von Unternehmen anhand der Beschäftigtenzahlen die Definition der Europäischen Union. Was die anderen Elemente einer Definition der KMU betrifft, insbesondere die wirtschaftliche Unabhängigkeit oder der Umsatz, so ist der Bundesrat der Ansicht, dass den jeweiligen Problemen angepasste Kriterien verwendet und die Grenzen flexibel gestaltet werden sollen 16. Es ist nicht nötig, eine einheitliche Definition einzuführen.

Die von der Europäischen Union verwendeten Umsatzgrenzen dienen in erster Linie der Plafonierung der staatlichen Beihilfen. Da diese Beihilfen in der Schweiz sehr beschränkt sind, ist das Bedürfnis nach einer solchen Definition weniger vorhanden.

2.3

Analyse nach Unternehmensgrösse und Art der Tätigkeit

Im Rahmen einer Studie der KOF 17 wurde untersucht, ob die KMU tatsächlich ­ wie so oft behauptet ­ das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft sind. Ausgehend von der Hypothese, dass die KMU keine homogene Gruppe sind, verfolgt die Studie das Ziel, innerhalb der KMU die «dynamischen Bereiche» herauszukristallisieren. Dazu werden fünf Teilsektoren gebildet, für die je Produktivität und Beschäftigungsentwicklung gemessen wird.

Im Bereich Industrie werden zwei Sektoren, Hightech (HT) und Lowtech (LT), unterschieden. Bei den Dienstleistungen wird zwischen «modernen» (MDL) und «traditionellen» (TDL) unterschieden, und den fünften Sektor bildet die Bauwirtschaft (BAU).

Bezüglich dem Zusammenhang zwischen Arbeitsproduktivität und Unternehmensgrösse kommt die Studie zu folgendem Schluss: «Bezüglich Arbeitsproduktivität finden wir auf aggregierter Ebene einen klar positiven Zusammenhang, d.h. die grossen Unternehmen sind produktiver als die mittelgrossen und letztere schneiden besser ab als Kleinfirmen.» Bezüglich dem Zusammenhang zwischen Beschäftigungsentwicklung und Unternehmensgrösse kommt die Studie zu folgendem Schluss: «... finden wir zwar auf gesamtwirtschaftlicher Ebene denselben Grössenzusammenhang wie bei der Arbeitsproduktivität, d.h. die kleinen Firmen schneiden am schlechtesten ab, die grossen am besten; aber gerade in den beiden Sektoren mit der höchsten Arbeitsproduktivität, verzeichnen die grossen Firmen eine (deutlich) geringere Beschäftigungszunahme als die Firmen der anderen beiden Grössenklassen.»

15

16

17

Der Entwurf von Art. 961 Abs. 1 OR zum Geschäftsbericht nimmt Bezug auf den neuen Art. 727 Abs. 1 OR. Er kann auf der Website des EJPD, Rubriken: «Themen», «Wirtschaft», «Gesetzgebung», «Aktien und Rechnungslegung», «Vernehmlassungsverfahren», «Vorentwurf» eingesehen werden.

Siehe: Antwort des Bundesrates vom 28.05.2003 auf die Interpellation 03.3077 von Nationalrat Jean-Michel Cina (AB 2003 N 1238). Website des Parlaments: www.parlament.ch, Rubrik: «Suche nach Vorstössen und Geschäften».

Die KMU als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft ­ eine kritische Würdigung, S. Arvanitis und H. Hollenstein, nicht veröffentliche Studie im Auftrag der «Avenir Suisse», KOF, November 2004.

5798

Hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Bedeutung der KMU kommen die Autoren zum Schluss, dass «... man nicht auf den Anteil der KMU an allen Firmen bzw.

Beschäftigten abstellen [sollte], sondern nur diejenigen KMU-Segmente herausgreifen, die in einer längerfristigen Perspektive »Leistungsträger« darstellen, d.h. die besonders produktiven Segmente. Konkret sind dies die KMU der beiden wissensund technologieintensiven Sektoren HT und MDL. Auf dieses Segment entfallen lediglich 16 % der im Privatsektor (exkl. Mikrofirmen) beschäftigten Personen, was 29 % aller KMU entspricht.» Insgesamt kommen die Autoren zum Schluss, «... dass die Grossunternehmen nach wie vor das leistungsfähigste Segment der Schweizer Wirtschaft darstellen, und zwar sowohl was die Produktivität als auch die Beschäftigungsentwicklung betrifft, dass aber in Teilbereichen der Hightech-Industrie und der modernen Dienstleistungen die KMU ebenso leistungsfähig sind (Produktivität) oder sogar noch besser abschneiden als die Grossfirmen. Dieses dynamische KMU-Segment ist jedoch zu klein, als dass man die KMU als Rückgrat der Volkswirtschaft bezeichnen könnte.» Die Resultate der Studie belegen, dass die Grösse des dynamischen KMU-Segmentes klein ist und oft überschätzt wird. Allerdings klammert die Studie bewusst die Mikrounternehmen und damit 26 % der Beschäftigten aus, weil einerseits diese Unternehmen keine Wachstumsträger seien und anderseits weil die für eine theoriegestützte Analyse erforderlichen Daten nicht vorhanden sind. Zwar dürfte diese Hypothese weitgehend sinnvoll sein, jedoch muss vermerkt werden, dass die Startup-Firmen, die maximal 1 % aller Firmen ausmachen und die für die Innovationskraft und Dynamik der Wirtschaft wesentlich sind, damit von der Studie ebenfalls ausgeschlossen wurden. An der zentralen Aussage der Studie, nämlich, dass das dynamische KMU-Segment klein ist, ändert dieser Mangel jedoch nichts.

Trotz der Schlussfolgerung, die KMU könnten nicht als Rückgrat der Wirtschaft bezeichnet werden, weil eine grosse Mehrheit der Beschäftigten in Unternehmen arbeitet, die nicht besonders dynamisch sind, ist die «Rückgratshypothese» weit verbreitet. Wie später in Ziffer 3.3 gezeigt wird, bilden die KMU hinsichtlich der Konjunkturschwankungen im Allgemeinen und gerade jene, die binnenmarktorientiert sind, im Besonderen
ein dämpfendes Element: Sie entlassen insbesondere in der Phase eines konjunkturellen Abschwungs weniger Beschäftigte als Grossunternehmen und wirken insgesamt beschäftigungsstabilisierend.

Die KOF-Studie zeigt klar: Ein typisches KMU gibt es nicht. Die KMU sind sehr heterogen und jedes Segment in dieser vielfältigen KMU-Landschaft weist andere Bedürfnisse auf. Die KMU-Politik des Bundes muss diese Bedürfnisse kennen und ihnen mit einer optimalen Regulierung der Rahmenbedingungen gerecht werden.

Dabei müssen gezielte Instrumente eingesetzt werden, die weder wettbewerbsverzerrend noch strukturerhaltend wirken.

2.4

Typologien gemäss den staatlichen Instrumenten

Jeder, der den Begriff KMU verwendet, meint damit wahrscheinlich etwas anderes.

Es ist in diesem Themenfeld sehr schwierig, von Gemeinplätzen wegzukommen, obwohl es kein «typisches» oder «durchschnittliches» KMU gibt. Manche gehen gar so weit, zu erklären, «die KMU gibt es nicht», nachdem sie erfolglos versucht haben, eine anwendbare Typologie zu formulieren. Es ist daher sehr wichtig, dass 5799

die öffentliche Hand bewusst den Bedürfnissen der unterschiedlichen Kategorien von KMU Rechnung trägt, die vom Tätigkeitsbereich und den betroffenen Instrumenten abhängen. Dies muss zu einem «kundenorientierten Ansatz» führen, bei dem die Unternehmen anhand der verfolgten Ziele segmentiert werden.

Tabelle 3 Die verschiedenen Unternehmenstypen nach Politik der öffentlichen Hand Die Politik des Bundes in diesem Bereich wendet sich an die folgenden Unternehmensgruppen: ­ Unternehmen, die administrative Auflagen erfüllen müssen (grundsätzlich alle, d.h. 299 000 marktwirtschaftliche Unternehmen) ­ Exportierende Unternehmen (ca. 30 000) ­ Unternehmen mit Finanzierungsproblemen (ca. 10 %) ­ Unternehmen, die ihre Nachfolge regeln müssen (11 000/Jahr) ­ Neue Unternehmen (2­5 %); Start-ups (weniger als 1 %, 20­25 mit KTI-Label pro Jahr) ­ Unternehmen mit gewerblichen Bürgschaften (ca. 2000) ­ Unternehmen der Hotelleriebranche (5700) Quelle: SECO

Von manchen staatlichen Regeln ist die Gesamtheit der Unternehmen betroffen. In diesen Fällen ist es besonders wichtig, die administrative Belastung zu reduzieren, da auch alle Unternehmen davon profitieren können. Administrative Entlastungen nützen insbesondere den kleinen Unternehmen, die vom administrativen Aufwand überproportional betroffen sind.

Eine quantitativ sehr viel weniger wichtige Gruppe verdient allerdings die besondere Aufmerksamkeit des Staates: die Unternehmen in der Gründungsphase. Diese neuen Unternehmen sind nämlich eine zentrale Komponente der Entwicklung der Wirtschaftsstrukturen und tragen wesentlich zur Revitalisierung unserer Wirtschaft bei.

3

Eigenschaften der Schweizer KMU und ihrer Entwicklung

3.1

Die neusten Zahlen der Betriebszählung

Alle 3­4 Jahre führt das Bundesamt für Statistik (BFS) eine gesamtschweizerische Betriebszählung bei allen Betrieben und Unternehmen des Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungssektors durch. Ihre Zielsetzung besteht in der vollständigen Erfassung aller wirtschaftlichen Produktionseinheiten unter ökonomischen, sozialen und räumlichen Gesichtspunkten. Die Zählung aktualisiert ausserdem das Betriebs- und Unternehmensregister und dient als Referenz für eine Reihe von Statistiken.

5800

Die letzte Betriebszählung wurde am 30. September 2005 (Stichtag) durchgeführt.

Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die Entwicklung der Anzahl Beschäftigten und Unternehmen in den letzten zehn Jahren.

Tabelle 4 Entwicklung der durchschnittlichen Beschäftigtenzahl pro Unternehmen

Unternehmen marktwirtschaftlich

2. Sektor

Unternehmen Beschäftigte 18 D. Beschäftigtenzahl

3. Sektor

Unternehmen Beschäftigte D. Beschäftigtenzahl

Total

Unternehmen Beschäftigte D. Beschäftigtenzahl

Unternehmen nicht marktwirtsch. 19

Total

1998

2001

2005

74 984

75 727

72 540

1 098 347

1 011 644

1 038 192

1 000 559

15

13

14

14

211 712

226 382

231 315

226 180

2 020 138

2 003 887

2 165 604

2 184 973

10

9

9

10

286 091

301 366

307 042

298 720

3 118 485

3 015 531

3 203 796

3 185 532

11

10

10

11

Unternehmen

5 450

8 786

8 370

8 500

Beschäftigte

79 765

455 193

467 954

513 202

15

52

56

60

D. Beschäftigtenzahl Total

1995 74 379

Unternehmen Beschäftigte D. Beschäftigtenzahl

291 541

310 152

315 412

307 220

3 198 250

3 470 724

3 671 750

3 698 734

11

11

12

12

Quelle: BFS, Betriebszählungen 1995­2005

Am 30. September 2005 zählte die Schweiz knapp 3,7 Millionen Beschäftigte in rund 307 000 Unternehmen (ohne Primärsektor). Trotz der weiteren Verschiebung von Beschäftigten aus dem Sekundär- in den Tertiärsektor, hat sich das Gesamtbild nicht verändert. Die Gesamtzahl der Beschäftigten und der Unternehmen bleibt stabil und die KMU bilden nach wie vor die überwältigende Mehrheit der marktwirtschaftlichen Unternehmen. Die Stabilität der in Vollzeitäquivalenten ausgedrückten Beschäftigung verbirgt dabei den anhaltenden Rückgang der Vollzeitstellen zugunsten von Teilzeitstellen.

18 19

In Vollzeitäquivalenten ausgedrückt.

Die nicht marktwirtschaftlichen Unternehmen setzen sich aus Verwaltungseinheiten und Organisationen ohne Erwerbszweck im Dienst privater Haushalte zusammen.

5801

Tabelle 5 Entwicklung der Anzahl Beschäftigten und Unternehmen nach Grössenklassen Marktwirtschaftliche Unternehmen KMU (< 250)

Unternehmen Beschäftigte

Grosse (> = 250)

Unternehmen Beschäftigte

Total

Unternehmen Beschäftigte

1995

1998

2001

2005

1995­2005 (in %)

285 063

300 379

305 979

297 692

4,43

2 083 019

2 064 524

2 148 844

2 150 179

3,22

1 028

987

1 063

1 028

0,00

1 035 466

951 007

1 054 952

1 035 353

-0,01

286 091

301 366

307 042

298 720

4,41

3 118 485

3 015 531

3 203 796

3 185 532

2,15

Quelle: BFS, Betriebszählungen 1995­2005

Bei der Betriebszählung (BZ) 2005 hat das BFS ein neues Einheitenmodell eingeführt, das dem Sektorisierungsmodell der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entspricht. Es setzt sich aus den folgenden Komponenten zusammen: ­

Arbeitsstätte (Betrieb): örtlich abgegrenzte Einheit einer institutionellen Einheit, in der während mindestens 20 Stunden pro Woche eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird.

­

Institutionelle Einheit: juristisch selbständige Einheit, die in eigener Kompetenz wirtschaftliche Entscheidungen trifft. Sie kann aus einer oder mehreren Arbeitsstätten bestehen. Die wichtigste Form der institutionellen Einheit ist das marktwirtschaftliche Unternehmen, das mindestens 50 % seiner Einkünfte durch den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen zu Marktpreisen erzielt. Ein marktwirtschaftliches Unternehmen kann sowohl privatrechtlicher als auch öffentlichrechtlicher Natur sein. Zu den institutionellen Einheiten gehören ferner die Organisationen ohne Erwerbszweck im Dienst privater Haushalte sowie, im Bereich der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinn, die in der BZ 2005 erstmals ausgeschiedenen Verwaltungseinheiten.

Diese beiden letzten Formen sind nicht in erster Linie marktorientiert, sondern werden in der Regel durch Steuern, Abgaben, Subventionen, Spenden oder Transferleistungen finanziert.

Das neue Einheitenmodell strukturiert die Ergebnisse der Betriebszählungen bis ins Jahr 1998 zurück. Die Daten zu den Arbeitsstätten und institutionellen Einheiten der BZ 1998­2005 können daher uneingeschränkt verglichen werden. Vor 1998 hingegen wurde die Verwaltungseinheit nicht als Betriebseinheit angesehen. Daher lässt sich das Total der institutionellen Einheiten nicht nachvollziehen.

3.2

Unternehmensgründung und Unternehmergeist

Der erste Teil dieses Kapitels bietet eine zahlenmässige Übersicht über die Unternehmensgründungen. Dabei wird auf die Statistik zur Unternehmensdemografie und auf die wichtigsten Resultate der Untersuchung GEM «Global Entrepreneurship Monitor» Bezug genommen. In einem zweiten Teil wird die Frage des Unternehmertums unter den spezifischen Gesichtspunkten der Frauen und der Studierenden beleuchtet.

5802

3.2.1

Unternehmensgründungen

Bei der Befragung neu entstandener Unternehmen führt das BFS eine Umfrage bei sämtlichen Unternehmen und Betrieben des sekundären und tertiären Sektors durch, die neu ins Betriebs- und Unternehmensregister (BUR) aufgenommen wurden. Die Zielsetzung dieser Umfrage besteht in der Erfassung der neuen wirtschaftlichen Produktionseinheiten unter ökonomischen, sozialen und räumlichen Aspekten. Diese Daten dienen der Erstellung der Statistik zur Unternehmensdemografie (UDEMO).

Die Befragung neu entstandener Unternehmen aktualisiert ausserdem das BUR.

Im Zeitraum 2000­2004 wurden über 57 000 neue Unternehmen gegründet und damit über 120 000 Arbeitsplätze geschaffen (BFS, UDEMO, 2000­2004). 2004 ist die Zahl der Unternehmensgründungen leicht angestiegen und erreichte 11 800. Dies liegt im Rahmen von 2002 und 2003, bleibt jedoch weiterhin deutlich unter der Rekordzahl des Jahres 2000, in dem 13 300 Unternehmensgründungen zu verzeichnen waren (siehe Tabelle 6).

Tabelle 6 Unternehmensgründungen ex nihilo und Eintragungen im Handelsregister Neue Unternehmen (ex nihilo)

2000 2001 2002 2003 2004

Unternehmen

Arbeitsplätze

13 300 11 300 10 200 11 200 11 800

29 000 24 000 21 000 23 300 24 000

Eintragungen ins Handelsregister

31 900 31 600 31 000 32 000 34 400

Quelle: BFS, Statistik zur Unternehmensdemografie, Creditreform

Wie in den Vorjahren zeigt die Sektorstruktur die dominierende Rolle des tertiären Sektors bei der Unternehmensgründung auf (82 % der neuen Unternehmen, 80 % der geschaffenen Arbeitsplätze). Die produktivsten Branchen bei der Unternehmensgründung und der Schaffung von Arbeitsplätzen waren wie 2003 das Immobilienwesen und die Dienstleistungen für Unternehmen (je 31 %, respektive 28 % des Totals), der Handel (23 %, 21 %) sowie das Baugewerbe (10 %, 11 %).

Rund die Hälfte der neuen Unternehmen sind in der Rechtsform Einzelunternehmen organisiert. Dies hängt zweifellos mit der klaren Dominanz der Mikrounternehmen in der schweizerischen Volkswirtschaft zusammen. Als nächstes folgen die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die etwas mehr als einen Drittel der neuen Unternehmen ausmachen. Bei 17 % handelt es sich um Aktiengesellschaften. Der Anteil der übrigen Rechtsformen ist unbedeutend.

Die Zahlen der Neugründungen 2004 bestätigen, dass die Schweizer Unternehmen ihre Aktivität mit nur wenigen Angestellten aufnehmen: 95 % verfügten über weniger als 5 Vollzeitäquivalente, im Mittel zählten sie 2.1 Beschäftigte. Nur 3,8 % der neuen Unternehmen schaffen 5­9 Vollzeitäquivalente und 1 % erreicht 10 Vollzeitäquivalente. Der Einfluss der Neugründungen auf die Beschäftigung war schon 5803

verschiedentlich Gegenstand von Polemiken. Laut den Zahlen des Handelsregisters ist die Anzahl der jährlich dazukommenden eingetragenen Unternehmen mindestens drei Mal so hoch wie die vom BFS erfassten Gründungen «ex nihilo». Dies liegt daran, dass im Handelsregister auch Übernahmen von Unternehmen oder andere Operationen eingetragen werden, bei denen es sich nicht um Unternehmensgründungen im engen Sinn handelt. Dies führt die Kreise, welche die Unternehmensgründer unterstützen, zur Annahme, dass deren Einfluss vom BFS unterschätzt wird.

In dieser Hinsicht ist festzuhalten, dass die Anzahl der nichtlandwirtschaftlichen Unternehmen gemäss den letzten Betriebszählungen stagniert, während das Handelsregister eine anhaltende Zunahme verzeichnete. Ausserdem ist anzumerken, dass die Unternehmensdemografie mit einigen unlösbaren Problemen konfrontiert ist: Wenn zum Beispiel ein neues Unternehmen von einem Grosskonzern aufgekauft wird, weil es vielversprechende Produkte entwickelt hat, wird dies als eine Art Unternehmensschliessung betrachtet und als ein Anstieg der Beschäftigtenzahl in der Kategorie der grossen Unternehmen.

3.2.2

Unternehmensschliessungen und Überlebensrate

Laut den Zahlen des BFS (Statistik der Unternehmensschliessungen 2004), haben 11 200 Unternehmen 2004 ihre Tätigkeit definitiv eingestellt, wodurch 43 300 Arbeitsstellen verloren gingen. Der Vergleich mit der Anzahl Neugründungen und mit deren Arbeitsstellen zeigt ein Plus von 600 Unternehmen, aber einen Verlust von 19 000 Arbeitsstellen. Diese Resultate gleichen denen aus der Zählung des Vorjahres.

Eine vom BFS 2003 durchgeführte Evaluation (Statistik zur Unternehmensdemografie: Überleben der neuen Unternehmen, Juni 2003) zeigt, dass 80 % der Unternehmen nach dem ersten Jahr ihres Bestehens immer noch aktiv sind. Nach dem zweiten Jahr waren es noch 72 %. 54 % überleben die ersten vier Jahre ihres Bestehens.

Die Überlebensrate hängt mit der Haupttätigkeit der neuen Unternehmen zusammen: Im Allgemeinen haben die Unternehmen des sekundären Sektors eher die Tendenz zu überleben als diejenigen des tertiären Sektors. Innerhalb des sekundären Sektors weist die Baubranche die dynamischste Entwicklung auf.

3.2.3

GEM-Untersuchung

Das Forschungsprojekt GEM (Global Entrepreneurship Monitor) beschäftigt sich mit dem Phänomen des Unternehmertums im Allgemeinen und mit den Zusammenhängen zwischen dem Unternehmertum und dem Wirtschaftswachstum. Es interessiert sich für den Teil der Bevölkerung, der ein Unternehmen gegründet hat (neue Unternehmer 20) oder dabei ist, dies zu tun (werdende Unternehmer 21). Unternehmertum wird als Prozess definiert, welcher die Identifizierung, Evaluierung und 20 21

Inhaber und Geschäftsführer eines Unternehmens, bei dem maximal 3½ Jahre vor dem Befragungszeitpunkt Gehälter bezahlt worden sind.

Personen, deren Unternehmen im Gründungsprozess steht. Verschiedene konkrete Tätigkeiten werden während dieser Phase ausgeführt, wie etwa die Redaktion eines Business Plans, die Entwicklung eines Prototypen, die Anmeldung eines Patents, die Kapitalsuche oder die Herstellung von Kontakten mit potenziellen Kunden.

5804

Verwertung von Geschäftsmöglichkeiten umfasst, mit der Absicht einer Unternehmensgründung. Die Erhebung der Daten erfolgt in zahlreichen Ländern (35 im Jahr 2005) mittels Umfragen bei einer repräsentativen Auswahl der erwachsenen Bevölkerung, Gesprächen mit Experten für das Unternehmertum sowie standardisierten Daten, die von internationalen Organisationen erstellt werden. Aufgrund seiner geographischen Abdeckung ist das GEM-Projekt eine der einzigen Quellen international vergleichbarer Daten.

Die Schweiz weist Rahmenbedingungen und ein soziales Umfeld auf, die eine grundsätzlich gute Grundlage für das Unternehmertum bilden. Sie ist ein Vorbild in Sachen Schutz des geistigen Eigentums, Forschungs- und Entwicklungstransfer sowie höherer Ausbildung. Hingegen sind bei der Primar- und Sekundarausbildung, bei der Öffnung des Binnenmarktes sowie hinsichtlich der soziokulturellen Normen noch weitere Forschritte erforderlich.

Laut der GEM-Untersuchung (Bericht 2005) versuchen derzeit 6,1 % der erwachsenen Schweizer aktiv ein neues Unternehmen zu gründen oder sind Inhaber und Geschäftsführer eines Unternehmens, das noch nicht älter als 3½ Jahre ist. Obwohl diese Gründungsquote (TAE) 22 unter dem Durchschnitt der 35 GEM-Länder (8,4 %) liegt, befindet sich die Schweiz damit unter den dynamischsten Ländern Europas hinsichtlich Unternehmertum. Höhere Gründungsquoten finden sich in den Ländern Nordamerikas, vor allem aber auch in den Entwicklungsländern, in denen eine Unternehmensgründung oft ein Mittel ist, um überleben zu können. Die Schweiz hingegen zeichnet sich durch eine sehr niedrige Quote «erzwungener» Gründungen aus. Die geringe Arbeitslosigkeit, die stabilen Arbeitsverhältnisse und das relativ hohe Lohnniveau drängen die Schweizer nicht zum Unternehmertum. Laut der GEM-Untersuchung gaben 84 % der befragten Gründer an, mit ihrem Unternehmen eine gute Gelegenheit nutzen zu wollen. Ausser den in werdenden Unternehmen oder Start-ups beschäftigten Unternehmern gibt es noch knapp 10 % der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz, die Inhaber und Geschäftsführer von seit langem etablierten Unternehmen sind 23. Dieser Anteil an etablierten Unternehmern liegt deutlich über dem Durchschnitt der GEMLänder (6,6 %). Die Schweiz ist damit nach Griechenland das Land mit der höchsten Quote an etablierten Unternehmern
in Europa.

Die Analyse des Übergangs von Gründungen hin zu etablierten Unternehmen (Verhältnis von etablierten Unternehmern zu werdenden und neuen Unternehmern) zeigt, dass die werdenden und neuen Unternehmer in Ländern mit einem hohen Einkommensniveau eine grössere Wahrscheinlichkeit haben, 3½ Jahre auf dem Markt zu überleben als in Ländern mit einem mittleren Einkommensniveau. Daraus lässt sich für die Schweiz folgern, dass während relativ wenige Personen Unternehmen gründen, ein recht grosser Anteil dieser Unternehmen Fortbestand hat.

Die Analyse der sektoralen Verteilung bestätigt die Resultate des BFS: Nahezu drei Viertel der werdenden und neuen Unternehmen sind im Dienstleistungssektor tätig, insbesondere in den personenbezogenen Dienstleistungen, gefolgt von den Dienstleistungen für Unternehmen.

22

23

Die Gründungsquote (oder TEA-Quote für Total (Early-Stage) Entrepreneurial Activity) ergibt sich als Summe der Quoten der neuen Unternehmer und der werdenden Unternehmer.

Im Rahmen der GEM-Untersuchung versteht man darunter Personen, die Inhaber und Geschäftsführer von Unternehmen sind, welche zum Befragungszeitpunkt bereits seit mehr als 3½ Jahren Gehälter zahlen.

5805

Die im Rahmen der GEM-Untersuchung befragten Unternehmer bestätigen auch die vom BFS aufgezeigten bescheidenen Wachstumsabsichten. 70 % von ihnen wollen während der ersten 5 Jahren 0­5 Mitarbeiter beschäftigen. Nur 12 % der Unternehmen planen die Rekrutierung von 20 Mitarbeitern und mehr.

3.2.4

Frauen als Unternehmerinnen

3.2.4.1

Postulat Fetz und Bericht des Bundesrates

In Erfüllung des Postulats 03.3153 Fetz hat der Bundesrat einen Bericht über die Förderung von Frauen als Unternehmerinnen veröffentlicht (Bericht PotentiELLE) 24.

Der Bericht hält fest, dass es trotz der Harmonisierungsbemühungen der OECD keine international einheitliche statistische Definition von Unternehmerinnen oder Firmenleiterinnen gibt. Um trotzdem über eine erste zahlenmässige Grundlage hinsichtlich der Frauen als Unternehmerinnen zu verfügen, hat das BFS im Auftrag des SECO eine Auswertung der Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE 2004) bezüglich Unternehmerinnen vorgenommen. Die wichtigsten Resultate werden in folgender Ziffer zusammengefasst. Auf Anstoss des SECO hat das BFS bei der jährlichen Befragung neu entstandener Unternehmen eine Frage nach dem Geschlecht der Gründenden eingeführt. Erste Ergebnisse werden ab 2007 vorliegen. Schliesslich liefert die GEM-Untersuchung erste Elemente für einen internationalen Vergleich.

3.2.4.2

Daten des Bundesamtes für Statistik

Die SAKE, die jedes Jahr anhand einer relativ umfangreichen Stichprobe durchgeführt wird, stellt eine reiche Informationsquelle dar. Für die im Auftrag des SECO durchgeführte besondere Analyse wurden Unternehmerinnen als Gesamtheit aller Selbständigerwerbenden und der Arbeitnehmerinnen, die im eigenen Unternehmen tätig sind, definiert.

Die Auswertung der SAKE-Daten unter Anwendung dieser Definition zeigt, dass Frauen in der Kategorie der UnternehmerInnen untervertreten sind. Von den 470 000 UnternehmerInnen (309 000 Selbständigerwerbende und 161 000 ArbeitnehmerInnen im eigenen Unternehmen) im Tertiär- und Sekundärsektor stellen Frauen nur etwa ein Drittel (159 000 Frauen oder 34 %). Die Untervertretung ist offenkundig, da Frauen 46 % der Beschäftigten ausmachen. Der Frauenanteil unter Selbständigen ist hoch (40 %), aber deutlich niedriger bei ArbeitnehmerInnen im eigenen Unternehmen (21 %). Zieht man die Kategorie der Personen ohne Mitarbeitende mit einem Beschäftigungsgrad, der unter 50 % liegt, ab, steigt der Anteil der Frauen auf 28 %. Mit Hilfe der SAKE-Erhebung kann ein genaueres Profil der Unternehmerinnen gezeichnet werden: ­

24

Weibliches Unternehmertum konzentriert sich auf Unternehmen begrenzter Grösse (44 %, die nur eine Person beschäftigen; bei Männern sind es 34 %); Dieser Bericht kann auf der Website www.kmu.admin.ch unter der Rubrik Dokumentation/Publikationen heruntergeladen werden.

5806

­

Der Anteil an Dienstleistungen ist erheblich (der Frauenanteil im Gesundheits- und Sozial- sowie im Unterrichtswesen liegt bei 60 %);

­

Die Frauen sind im verarbeitenden Gewerbe untervertreten (23 %).

3.2.4.3

GEM-Studie

Laut GEM-Bericht 2005 werden in der Schweiz 40 % der Unternehmen von Frauen gegründet. Die Schweiz steht damit in Bezug auf weibliche Unternehmensgründungen an der Spitze, nur Ungarn und Finnland weisen in Europa noch bessere Resultate auf. Was die Bewertung gewisser Einstellungen betrifft, ist der geschlechtsspezifische Unterschied bei der Einschätzung der eigenen Gründungsfähigkeit am höchsten (60 % der Männer erklären sich dazu in der Lage, gegenüber 40 % der Frauen). Die Befragung der ExpertInnen zeigt, dass die Massnahmen zur Förderung von Unternehmensgründerinnen in der Schweiz besonders schwach entwickelt sind und nur Kroatien schlechter abschneidet. Die besten Ergebnisse erzielen die Länder Nordeuropas. Die USA erzielen ebenfalls gute Ergebnisse, auch wenn die Sozialpolitik in diesem Land weniger entwickelt ist. Diese Vergleiche zeigen auf, dass die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen letztlich eine grössere Rolle spielen als einzelne Fördermassnahmen.

Die Zahlen von 2005 zeigen auch eine sehr positive Entwicklung gegenüber dem letzten GEM-Bericht von 2003. Damals waren 70 % der UnternehmensgründerInnen Männer, gegenüber nur 30 % Frauen. Diese sehr erfreuliche Entwicklung verlangt dennoch nach einem Kommentar, da sie auf eine Kombination aus zwei Faktoren zurückzuführen ist. Das Ansteigen der TEA-Quote 25 bei Frauen geht zwar auf eine Zunahme der Gründungsquote von Frauen zwischen 2003 und 2005 von 4,4 % auf 4,9 % zurück, ist aber auch auf die relativ deutliche Verringerung der TEA-Quote bei Männern von 10,3 % im Jahr 2003 auf 7,2 % im Jahr 2005 zurückzuführen. Es handelt sich also um einen erfreulichen Trend, der in den nächsten Umfragen weiter verfolgt werden muss.

3.2.4.4

Schlussfolgerung

Trotz des Fehlens einer einheitlichen statistischen Definition von Unternehmerinnen, zeigen die spezifischen Evaluationen der SAKE sowie die Resultate des GEM, dass die Schweiz hinsichtlich der Unternehmerinnenquote recht gut positioniert ist.

Jedoch könnte der Anteil von Geschäftsführerinnen noch höher sein, wenn man mit gewissen Ländern wie den USA oder Kanada vergleicht. Die UnternehmerInnen ­ Frauen wie Männer ­ spielen eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Wirtschaft. Das EVD empfiehlt daher in seiner Antwort auf das Postulat Fetz, das Unternehmertum durch die Optimierung der Rahmenbedingungen zu unterstützen, denn es ist schwierig, direkte Förderungsmassnahmen ins Auge zu fassen.

25

Total Entrepreneurial Activity: Prozentualer Anteil der Erwachsenen (18­64 Jahre), die sich aktiv an der Gründung eines neuen Unternehmens beteiligen bzw. die Inhaber-/Teilhaberschaft anstreben oder nicht länger als 3,5 Jahre in die Geschäftsleitung eines bestehenden Unternehmens eingebunden sind.

5807

3.2.5

Unternehmertum bei den Studierenden

Laut einer vom Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelbetriebe an der Universität St. Gallen (KMU-HSG) gemeinsam mit einem Hochschulpartner in Deutschland durchgeführten Studie (International Survey on Collegiate Entrepreneurship ISCE 2006), im Rahmen derer 37 000 Studierende verschiedener Studienrichtungen in 14 Ländern befragt wurden, liegt die «unternehmerische Kraft» der Studentinnen und Studenten an Schweizer Universitäten und Fachhochschulen unter dem internationalen Durchschnitt.

Im Vergleich mit den anderen Ländern ist gemäss ISCE der Wunsch, einer unabhängigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, unter den Studierenden in Deutschland und in der Schweiz sehr schwach, und zwar sowohl unmittelbar nach dem Studium als auch nach einigen Berufsjahren. Mit anderen Worten wird in diesen beiden Ländern zunächst ein Angestelltenverhältnis angestrebt.

Auf internationaler Ebene liegt die durchschnittliche Gründungsquote von Studierenden bei 3,2 %. In der Schweiz beläuft sie sich auf 2,4 %, während die höchsten Quoten von Österreich (4,7 %) und Finnland (4,4 %) erreicht werden. Hinsichtlich der Studierenden, die als potenzielle UnternehmensgründerInnen beschrieben werden, haben 47 % unternehmerische Absichten, ohne jedoch schon entscheidende Vorbereitungsarbeiten geleistet zu haben.

In Belgien, in Deutschland und in der Schweiz haben 57,4 %, 53,3 % respektive 51,1 % der Studierenden schon einmal konkret ein Projekt zur Gründung eines Unternehmens bearbeitet.

Der Schlussbericht für die Schweiz basiert auf der Auswertung von 8825 Fragebogen. Was den Berufswunsch nach dem Studium angeht, ist festzustellen, dass drei Viertel aller Schweizer Studierenden ein Angestelltenverhältnis anstreben. Nur 10 % haben die Absicht, eine unabhängige Tätigkeit auszuüben. Nach einigen Jahren Berufserfahrung oder längerfristig, verdreifacht sich dieser Anteil und erreicht 32,5 %; der Anteil der befragten Personen, die sich in einem Angestelltenverhältnis sehen, fällt auf 40 %. Die Früchte der Aus- und Weiterbildung können also erst nach einer gewissen Frist geerntet werden. Daher muss das Interesse der Studentinnen und Studenten für das Unternehmertum schon während des Studiums geweckt und die diesbezüglichen Instrumente bekannt gemacht werden.

Wenn man die Studierenden befragt, welche Art von Unterstützung sie für
das Unternehmertum wünschen, erwähnen sie in erster Linie Coaching und Kurse.

Hinsichtlich der Kurse drängen sich zwei Feststellungen auf: einerseits werden in manchen Instituten gar keine angeboten, und andererseits ist in den Instituten, welche solche Kurse anbieten, ihre Existenz den Studierenden nicht unbedingt bekannt.

Dennoch ist das Angebot solcher Kurse (und ihre aktive Ankündigung) eine ausgezeichnete Gelegenheit für die Vorbereitung auf die Risikoübernahme und die Leistungserbringung bei potenziellen UnternehmensgründerInnen.

5808

3.3

Konjunkturelle Entwicklung und Wachstum der KMU

Während im Jahr 2002, zur Zeit der Einreichung des Postulates Walker, für einzelne Quartale ein negatives BIP-Wachstum und auf Jahresbasis ein solches von 0,3 % 26 (2002) und minus 0,3 % (2003) gemessen wurde, zeigten sich seither Silberstreifen am Schweizer Konjunkturhimmel. Das reale BIP-Wachstum 2004 betrug 2,1 %. Der Wert für das Jahr 2005 beträgt 1,9 %, wobei das Wachstum im letzten Quartal 2005 mit 2,7 % am kräftigsten ausfiel. Für das 1. und 2. Quartal 2006 wurden mit 3,5 % bzw. 3,2 % nochmals beschleunigte und breit abgestützte Wachstumsraten gemessen ­ es waren dies die höchsten seit sechs Jahren. Im 3. Quartal 2006 fiel das Wachstum mit 2,4 % vergleichsweise moderat aus.

Die KMU folgen jedoch nicht dem allgemeinen Konjunkturverlauf. Sie weisen aufgrund ihrer spezifischen Voraussetzungen zwei wesentliche Besonderheiten auf: Erstens werden sie verzögert vom konjunkturellen Abschwung erfasst und hinken in der darauffolgenden Erholung ebenfalls hinterher (Phasenverschiebung). Zweitens weisen sie bezüglich der Beschäftigung geringere konjunkturelle Schwankungen auf und wirken somit beschäftigungsstabilisierend.

Die Betriebszählung 2001 belegt in einer Spezialanalyse 27 die Hypothese der beschäftigungsstabilisierenden Rolle der KMU empirisch. Als Gründe dafür nennen die Autoren die Inlandsorientierung der KMU, ihre Besitzstruktur und die Lohndifferenz im Vergleich mit Grossunternehmen.

Die Inlandsorientierung kommt den KMU in Zeiten schwacher Konjunktur zugute, denn davon sind Ausfuhren und besonders Investitionen betroffen, während sich die Konsumnachfrage im Inland länger robust verhält. Besonders der Dienstleistungssektor, in dem die KMU überdurchschnittlich stark vertreten sind, kann von dieser Robustheit profitieren.

Hinsichtlich der Besitzstruktur besteht bei den KMU im Gegensatz zu den Grossunternehmen nicht der Druck, mit stetig steigenden Umsatz- und Gewinnzahlen den Aktienkurs im Sinne der Shareholder zu pflegen. Viele dieser Unternehmen sind im Privatbesitz oder zumindest nicht an der Börse kotiert. So verzichten viele Besitzer auch auf risikoreiche Investitionen oder Expansionspläne. Gerade diese auf Sicherheit bedachte Einstellung der KMU-Besitzer macht sie in Zeiten schlechter konjunktureller Lage zu einem attraktiven Arbeitgeber.

In Zeiten starker Konjunktur locken die
Grossunternehmen mit hohen Löhnen und Boni, bei denen die KMU nicht mithalten können (Lohndifferenz). Durch die geringere Grösse der KMU und durch die Tatsache, dass viele KMU Familienunternehmen sind, sind die Eigner bzw. Führungskräfte jedoch stärker an ihre Angestellten gebunden. Die Folge ist, dass die KMU in der Phase eines konjunkturellen Abschwungs weniger Beschäftigte entlassen als Grossunternehmen.

26 27

Zahlen und Analysen in Anlehnung an: UBS, Wealth Management Research, Outlook 1.­4. Quartal 2006 und CS, Economic Research, Branchenbuch 2006.

Analysen zur Betriebszählung 2001, Die Klein- und Mittelunternehmen ­ Rückgrat der Schweizer Volkswirtschaft, BFS, Neuchâtel, 2003.

5809

Die Autoren der Analyse kommen zum Schluss, dass KMU somit beschäftigungsstabilisierend wirken. Sie zeigen hinsichtlich der Beschäftigung empirisch auf, dass mit Abnahme der Grösse der Unternehmen die Veränderungsraten der Beschäftigung weniger stark schwanken.

Abbildung 1 Jährliche durchschnittliche Veränderungsraten reales BIP und Beschäftigung (gemessen in Vollzeitäquivalenten) 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 1985-91

1991-95

1995-98

1998-01

2001-05

Mikrounternehmen Klein- und Mittelunternehmen (arithmetisches Mittel) Grossunternehmen BIP Quelle: Betriebszählungen 1995, 1998, 2001, 2005 und SNB

Abbildung 1 bildet die jährlichen durchschnittlichen Veränderungsraten der Beschäftigung (gemessen in Vollzeitäquivalente) und des realen BIP in der jeweiligen Periode ab. Abgebildet werden die Veränderungsraten bei den Mikrounternehmen und den Grossunternehmen sowie das arithmetische Mittel der Raten der Klein- und Mittelunternehmen (bezeichnet als KM).

Die Autoren halten zweierlei fest: Erstens schwanken insgesamt betrachtet bei grösseren Unternehmen die Veränderungsraten stärker. Zweitens fällt im Vergleich zum Konjunkturzyklus auf, dass die Raten der Klein- und Mittelunternehmen sequentiell einen sehr ähnlichen Verlauf wie die der Grossunternehmen aufweisen, ihre Schwankungen jedoch deutlich kleiner sind als die der Grossunternehmen.

Aufgrund deren höherer zyklischen Beschäftigungsvolatilität schliessen die Autoren, dass sie stärker auf konjunkturelle Einflüsse reagieren als die Mikrounternehmen, und die KMU insgesamt konjunkturresistenter als Grossunternehmen sind.

Wie einleitend dargelegt, arbeiten insgesamt 67,5 % der beschäftigten Personen in KMU (Ziff. 2.1, Tabelle 1), der Prozentsatz der in ­ gemessen an der Arbeitsproduktivität und der Beschäftigungsentwicklung ­ dynamischen KMU arbeitenden Personen beträgt, wie in Ziffer 2.3 dargelegt, allerdings lediglich 16 % (exkl. Mikrounternehmen). Die Hypothese, die KMU seien das Rückgrat der Wirtschaft, kann deshalb insofern als zutreffend bezeichnet werden, als die KMU eine beschäftigungsstabilisierende Wirkung zeigen und diese aufgrund der grossen Anzahl in KMU beschäftigter Personen gesamtwirtschaftlich relevant ist.

5810

Die Hypothese der Phasenverschiebung der KMU im Konjunkturzyklus kann anhand der aktuellen, von der UBS nach Betriebsgrösse publizierten Zahlen 28, empirisch belegt werden. Für das Jahr 2005, eine Periode starker Konjunktur, stellt die UBS fest, dass Grösse sich auszahlt. In bemerkenswerter Konsistenz fällt in der Gesamtheit der von der UBS im Spätherbst 2005 befragten Unternehmen die Einschätzung der Geschäftstrends sowohl rückblickend wie auch vorausschauend mit zunehmender Betriebsgrösse positiver aus. Die Resultate zeigen zwar nach Branchen durchaus Abweichungen von diesem Bild, indem etwa bei der Umsatz- und Ertragsentwicklung die besten Resultate teils von den mittelgrossen Unternehmen mit 50­249 Beschäftigten gemeldet wurden. Dies erklären die Ökonomen aber damit, dass in der Regel Grossunternehmen in den einzelnen Wirtschaftszweigen unterschiedlich stark vertreten sind.

Als Indizien für den generell günstigeren Geschäftsgang der grösseren Unternehmen spricht gemäss den Ökonomen insbesondere deren höherer Rekrutierungs- und Investitionsbedarf eine deutliche Sprache. In Kontrast zu diesem Bild stehe einzig der 2005 mit zunehmender Betriebsgrösse wachsende Druck auf die Verkaufspreise.

Ein wesentlicher Grund hierfür sei die stärkere Ausrichtung grosser Unternehmen auf die Weltmärkte, wo erheblich intensivere Konkurrenz herrscht als auf dem Binnenmarkt.

Im KMU Barometer der UBS 29, das erstmals im Oktober 2006 publiziert wurde und das die Einschätzung von KMU bezüglich der Geschäftstrends sowohl rückblickend wie auch vorausschauend erfasst, stellt die UBS bereits ein anderes Bild der konjunkturellen Verfassung der KMU im Vergleich mit den Grossunternehmen fest: Der Aufwärtstrend in der KMU-Konjunktur hat sich im dritten Quartal 2006 akzentuiert und insgesamt wurden die KMU im Vergleich zu den Grossunternehmen im dritten Quartal stärker vom Aufschwung mitgetragen.

Die aktuellen Zahlen der UBS zeigen, dass die KMU bis zum 1. Quartal 2006 den Grossunternehmen hinterherhinkten, seit dem 3. Quartal 2006 haben sie aber die Nase vorn (vgl. Abbildung 2). Sollte es sich ­ wie verschiedene Prognosen prophezeien ­ tatsächlich bewahrheiten, dass das wirtschaftliche Wachstum sich in den kommenden Quartalen abschwächt, also eine Phase schwacher Konjunktur ins Land zieht, so würden diese aktuellen Zahlen eindrücklich die Hypothese einer Phasenverschiebung der KMU im Konjunkturzyklus empirisch belegen.

28

29

UBS Outlook 1. Quartal 2006. Die UBS publiziert jeweils einmal jährlich im ersten Quartal Zahlen. Sowie: Medienmitteilung «UBS und SGV lancieren KMU-Barometer» und Präsentation «UBS KMU-Barometer» vom 24. Oktober 2006.

Medienmitteilung «UBS und SGV lancieren KMU-Barometer» und Präsentation «UBS KMU-Barometer» vom 24. Oktober 2006. Das UBS KMU-Barometer basiert auf einer Auswertung der seit 1975 durchgeführten UBS-Umfrage in der Industrie, die ab dem 3. Quartal 2006 um Dienstleistungsunternehmen ergänzt wurde. Seit dem 4. Quartal 2006 werden neu quartalsweise rund 700 Unternehmen (500 KMU und 200 Grossunternehmen) befragt, die einen repräsentativen Querschnitt der schweizerischen Volkswirtschaft darstellen. Dabei werden jene Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten den KMU zugerechnet.

5811

Abbildung 2 Geschäftsklima von KMU und Grossunternehmen 60

3.5

50

3.0 2.5

40

2.0

30

1.5

20

1.0

10

0.5

0

0.0 4. Q 2004

1. Q 2005

2. Q 2005

3. Q 2005

Grossunternehmen

4. Q 2005

1. Q 2006

2. Q 2006

3. Q 2006

KMU

4. Q 2006 BIP

Quelle: UBS, KMU-Barometer, 2006

3.4

Die aussenwirtschaftliche Verflechtung der KMU

Dank des weltweiten Abbaus von Handelsschranken sowie infolge der sinkenden Transport- und Kommunikationskosten können schweizerische Unternehmen heute Märkte bedienen, welche vor einigen Jahren noch ausserhalb ihrer Reichweite lagen.

Gleichzeitig wird es für ausländische Konkurrenten möglich, ihre Waren und Dienstleistungen in der Schweiz anzubieten. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass die grenzüberschreitenden Güter- und Kapitalströme ständig zunehmen.

3.4.1

Internationaler Güterhandel der KMU

Die Verflechtung der Schweizer Volkswirtschaft mit dem Ausland kann man durch die Exportquote darstellen. Diese lag im Jahr 1980 bei 35,1 % und trat bis 1996 an Ort, stieg jedoch Ende der 90er Jahre rasant an und erreichte nach einer Dämpfung anfangs der 2000er im Jahr 2005 mit 47,9 % ein Rekordhoch. Diese Zahlen zeigen, dass die Exporte der kleinen offenen Volkswirtschaft Schweiz nicht nur absolut steigen, sondern auch relativ zum BIP zunehmen. Die Bedeutung ausländischer Absatzmärkte war für die Schweizer Unternehmen im Vergleich mit dem Binnenmarkt schon immer sehr gross und nahm in den vergangenen 10 Jahren nochmals markant zu.

5812

Abbildung 3 Exportquote, Anteil Exporte am BIP (in %)

19 80 19 81 19 82 19 83 19 84 19 85 19 86 19 87 19 88 19 89 19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05

48.0 46.0 44.0 42.0 40.0 38.0 36.0 34.0

Exportquote

Quelle: BFS

Die gegenwärtig erfreuliche konjunkturelle Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft erhielt auch im Zeitalter des Übergangs zur Dienstleistungsgesellschaft ihre Impulse vornehmlich aus dem Güter-Aussenhandel. Jedoch profitieren nur wenige KMU von dieser Entwicklung: Wie Tabelle 7 zeigt, arbeiten lediglich 6,9 % aller Beschäftigten in hochspezialisierten, exportierenden KMU. Die grosse Mehrheit der Beschäftigten in der Schweiz, nämlich über 60 % arbeiten in rein binnenmarktorientierten KMU, welche nicht direkt am Export partizipieren (wohl aber an einer durch den starken Export verzögert eintretenden anziehenden Binnennachfrage [Phasenverschiebung]). Diese Zahlen untermauern indirekt auch die in Ziffer 2.3 dargestellte Hypothese, dass das dynamische KMU-Segment oft überschätzt wird und zu klein ist, um als Rückgrat der Volkswirtschaft bezeichnet werden zu können.

Tabelle 7 Die vier wirtschaftlichen «Landesteile»

GU

KMU

Weltmarktorientiert

Binnenmarktorientiert

«Global Players» (UBS, Novartis, Swiss RE, Clariant, Roche, Swatch)

«Binnenmarkt-Elefanten» (z.B. SBB, Swisscom, Post, Migros, Coop, Unispitäler)

Beschäftigungsanteil: 8,6 %

Beschäftigungsanteil: 23,6 %

«Hochspezialisierte, exportierende KMU» (z.B. Biotechnologie, Maschinenbau, Textilgewerbe, medizinische Geräte, Uhren)

«Binnenmarkt-KMU» (z.B. Bau, Handwerk, Beratung, Therapie, Gastronomie, Elektrizitätswerke)

Beschäftigungsanteil: 6,9 %

Beschäftigungsanteil: 60,9 %

Quelle: T. Held, U. Wagschal, Die vier Landesteile, Avenir Suisse, 2002

5813

Im Rahmen der Betriebszählung wurde 1995 erstmals die Frage an die Unternehmen gestellt, ob sie Güter und/oder Dienstleistungen exportieren oder importieren und im Rahmen einer Studie 30 ausgewertet. Nachdem diese Frage in der Betriebzählung 2001 nicht mehr gestellt wurde, ist sie anlässlich der Betriebszählung 2005 wieder aufgenommen worden. Die neusten Zahlen zeigen, dass im Industriesektor 48 % aller Beschäftigten in Unternehmen angestellt sind, welche eine Exporttätigkeit melden. Bei den Importen liegt dieser Anteil bei 51 %. Im Dienstleistungssektor liegen diese Anteile mit 15 % (Export) und 26 % (Import) deutlich niedriger.

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass innerhalb des Industriesektors stark auf den Binnenmarkt ausgerichtete Branchen, wie etwa das Baugewerbe, die Be- und Verarbeitung von Holz (ohne Möbel) oder die Energie- und Wasserversorgung sehr wenige exportorientierte Unternehmungen aufweisen. Im Dienstleistungssektor sind ­ insbesondere im Vergleich mit dem Industriesektor ­ deutlich höhere Anteile von binnenmarktorientierten Unternehmen ohne Aussenhandel zu beobachten. Dies ist naturgemäss darauf zurückzuführen, dass viele dieser Dienstleistungen auf personenbezogener Ebene und kaum grenzüberschreitend abgewickelt werden.

Die Hypothese, dass der Exportanteil (gemessen an der Zahl der Beschäftigten in Unternehmen, die Exporte melden) mit zunehmender Unternehmensgrösse an Bedeutung gewinnt, wird von der Studie bestätigt. Dieser Sachverhalt gilt besonders deutlich für Unternehmen des Industriesektors, aber auch für den Dienstleistungssektor, wo er jedoch weit weniger pointiert ausfällt. Über alle Wirtschaftssektoren gesehen, exportieren 10 % der Mikrounternehmen, 26 % der Klein- und 39 % der Mittelunternehmen.

Abbildung 4 Exporttätigkeit und Unternehmensgrösse (Unternehmen und Beschäftigte nach Grössenklassen), 2005 100% 80% 60% 40% 20%

2. Sektor

ohne Export

3. Sektor

Total

mit Export

Quelle: Betriebzählung 2005 30

Die aussenwirtschaftliche Verflechtung der Schweiz, BFS, Bern 1998.

5814

Total

>250

50-249

10-49

0-9

Total

>250

50-249

10-49

0-9

Total

>250

50-249

10-49

0-9

0%

3.4.2

Auslanddirektinvestitionen der KMU

Die Autoren einer Analyse 31 im Rahmen der Betriebszählung 2001 kommen hinsichtlich der Auslanddirektinvestitionen der KMU zu einem klaren Fazit: Der Anteil der Unternehmen mit Investitionen im Ausland nimmt mit steigender Unternehmensgrösse zu. Grosse Unternehmen mit Sitz in der Schweiz investieren deutlich häufiger im Ausland als kleine Unternehmen. Diese Hypothese wird durch die neusten Zahlen der Betriebszählung 2005 bestätigt.

Tabelle 8 Marktwirtschaftliche Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, Anzahl und Anteile innerhalb der Grössenklassen nach Investitionen im Ausland, 2005

Investitionen im Ausland Keine Investitionen im Ausland Keine Antwort Total

Mikro

Klein

Mittel

KMU

Gross

Total

2 843 1,1 %

1 183 3,9 %

664 12,1 %

4 690 1,6 %

215 20,9 %

4 905 1,6 %

241 021 92,1 %

27 540 89,9 %

4 378 80,0 %

272 939 91,7 %

597 58,1 %

273 536 91,6 %

17 718 6,8 %

1 915 6,2 %

430 7,9 %

20 063 6,7 %

216 21,0 %

20 279 6,8 %

261 582

30 638

5 472

297 692

1 028

298 720

Quelle: Betriebszählung 2005

Die Analyse nennt als Gründe dafür, dass es für die KMU insbesondere wegen ihrer geringeren Kapitalverfügbarkeit schwieriger ist, grenzüberschreitende Investitionen zu tätigen. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto schwieriger gestaltet sich der «Sprung» ins Ausland. Diejenigen KMU, die in der Lage sind, das Kapital von externen Geldgebern (z.B. Banken) für solche Investitionen aufzubringen, müssten also im heimischen Markt ausserordentlich erfolgreich sein (positive Selektion).

Bringt der Unternehmer sein eigenes Geld ein, dann erfolgt eine grenzüberschreitende Investition wahrscheinlich erst, nachdem sein Unternehmenskonzept im Inland erfolgreich umgesetzt werden konnte. Auf jeden Fall handelt es sich dabei um KMU, die sich aus einer erfolgreichen Position im Inland nun auch ins Ausland wagen. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto erfolgreicher muss es sein, um Investitionen im Ausland tätigen zu können. Tabelle 8 zeigt, dass insgesamt weniger als 2 % aller KMU im Ausland investieren.

Hinsichtlich der Beteiligung ausländischer Unternehmen an Unternehmen mit Sitz in der Schweiz kommt die Betriebszählung 2005 zu einem analogen Schluss: Ausländische Investoren beteiligen sich viel eher an Grossunternehmen, die in der Schweiz sesshaft sind, als an KMU. 1 % (2001: 1 %) der Mikro-, 6 % (2001: 4 %) der Kleinund 13 % (2001: 10 %) der Mittelunternehmen gaben an, dass ein ausländisches Unternehmen eine Beteiligung an ihrer Firma hält. Verglichen mit den Zahlen der Betriebszählung 2001 zeigt sich, dass die Zahl der Unternehmen mit ausländischen 31

Analysen zur Betriebszählung 2001, Die Klein- und Mittelunternehmen ­ Rückgrat der Schweizer Volkswirtschaft, Neuchâtel, 2003.

5815

Investoren bei den Klein- und Mittelunternehmen stark zugenommen hat, während bei den Mikrounternehmen sowohl das Niveau als auch die Dynamik von ausländischen Beteiligungen unbedeutend sind.

3.5

Unternehmensfinanzierung

3.5.1

Formen der Finanzierung

Die Ertragskraft bestimmt im Wesentlichen die Fähigkeit eines Unternehmens, Eigenkapital und Fremdkapital aufnehmen zu können. Der Gang an den Kapitalmarkt, um im grossen Umfang Aktien oder Unternehmensanleihen zu begeben, steht allerdings lediglich einem kleinen Teil von KMU offen. Für die grosse Mehrheit der KMU ist der Bankkredit die wesentliche Aussenfinanzierungsquelle.

Viele Unternehmen sind jedoch durch das sich rasch verändernde Marktumfeld vor die Notwendigkeit gestellt, neue Finanzierungswege zu erschliessen. Der wachsende Wettbewerbsdruck verlangt von den Unternehmen anspruchsvolle Strategien und Entscheide, um in dynamischen Märkten bestehen zu können. Diese Veränderungsprozesse umfassen insbesondere die Erschliessung neuer und wachsender Absatzmärkte, Investitionen in neue Produkte, Technologien und Sicherheitsvorkehrungen, Firmenakquisitionen, Desinvestitionen von Unternehmensteilen, die nicht zum Kerngeschäft gehören sowie die Regelung der Unternehmensnachfolge oder eines Gesellschafterwechsels.

5816

5817

Quelle: Credit Suisse Economic Research 2005

Finanzierungsalternativen von Unternehmen

Abbildung 5

Gemessen an den unternehmerischen Risiken ist aber die Eigenkapitalausstattung der Firmen oft unzureichend, was die Kreditfähigkeit schmälert. Als Ergänzung zu den in Abbildung 5 dargestellten traditionellen Formen der Unternehmensfinanzierung rücken deshalb alternative Finanzierungsarten wie insbesondere MezzanineFinanzierung ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Begriff «Mezzanine» (vom italienischen «mezzanino») stammt ursprünglich aus der Architektur und bezeichnet ein Zwischengeschoss zwischen zwei Hauptetagen eines Gebäudes. Die MezzanineFinanzierung ist kein eigenständiges Finanzierungsinstrument wie etwa ein Kredit oder eine Aktie, sondern ein hybrides Konstrukt, das sich verschiedener bereits seit langem bestehender Instrumente bedient.

Mezzanine-Kapital zählt wirtschaftlich zum Eigenkapital, steuerlich hingegen gilt es als Fremdkapital. Demzufolge wird Mezzanine-Kapital gegenüber den Fremdkapitalgebern nachrangig und gegenüber dem reinen Eigenkapital vorrangig behandelt.

Zu den wichtigsten Mezzanine-Finanzierungsinstrumenten zählen, wie in Abbildung 6 aufgezeigt, Nachrangdarlehen, partiarische Darlehen (Kredite mit vom Geschäftsergebnis abhängiger Vergütung), stille Beteiligungen, Genussrechte sowie Wandel- und Optionsanleihen.

Abbildung 6 Mezzanine-Kapital versus Fremd- und Eigenkapital

Quelle: Credit Suisse Economic Research in Anlehnung an Müller-Känel (2004)

Die Mezzanine-Finanzierung ist jedoch kein Zaubermittel. Sie ist für Mikrounternehmen kaum geeignet und bei den Klein- und Mittelunternehmen kommt sie auch nur da zur Anwendung, wo für eine Bank die Übernahme eines rentablen Risikos 5818

besteht. Dies setzt beim Unternehmen insbesondere eine bereits gesunde finanzielle Basis und eine strategisch überzeugend begründete Anpassung an ein verändertes Marktumfeld voraus.

Die Anwendung hybrider Formen der Unternehmensfinanzierung ist nicht neu.

Bereits seit den achtziger Jahren wird Mezzanine-Finanzierung in den USA eingesetzt. In Europa wird dieses Instrument seit Beginn der neunziger Jahre angewendet.

Mezzanine-Finanzierung fällt im Verhältnis zur klassischen Kreditfinanzierung noch wenig ins Gewicht, gewinnt jedoch an Bedeutung.

3.5.2

Statistische Fakten zur KMU-Finanzierung

Laut den Zahlen der SNB für das Jahr 2005 hat die Höhe der Ausleihungen der Banken seit ihrem Höhepunkt Mitte der neunziger Jahre (Februar 1997: 267,2 Milliarden Franken) um rund 50 Milliarden bzw. 20 % auf 218,7 Milliarden Franken (Stand Ende 2005) abgenommen und somit wieder den Stand von Ende der achtziger Jahre erreicht.

Abbildung 7 Entwicklung Kreditbenützung 1985­2005 Alle Unternehmensgrössen (in Mrd. CHF)

300 250 200 150 100 50 0 1985 Grossbanken

1990

1995

Kantonalbanken

2000 Regionalbanken

2005 Andere

Quelle: SNB, 2006

Betrachtet man die seit 2002 nach Grösse der Unternehmen verfügbaren Daten der SNB, so zeigen sich unterschiedliche Entwicklungen insbesondere bei Gross- und Kantonalbanken: Die Grossbanken vergeben sowohl an kleinste, kleine wie auch mittlere Unternehmen weniger Kredite. Gemäss den Zahlen für 2005 beträgt die 5819

Höhe der Ausleihungen der Grossbanken 82 Mrd. CHF, dies bedeutet gegenüber dem absoluten Höchstwert der neunziger Jahre (Juni 1997: 139,9 Mrd. CHF) einen Rückgang um über 40 %. Der Marktanteil der Grossbanken bei Mikrounternehmen, also Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern, sank um 28 Milliarden Franken von 40 % auf 32 %. Trotz diesem Rückgang spielen die Grossbanken aber nach wie vor eine sehr wichtige Rolle: Insgesamt werden über ein Drittel aller KMU Kredite von den Grossbanken gewährt.

Anders verhält es sich mit den Kreditpositionen der Kantonalbanken. Ein Teil des Rückgangs der Ausleihungen von Grossbanken wurde durch eine Zunahme der Kredite bei den Kantonalbanken kompensiert, welche im gleichen Zeitraum ihr Kreditvolumen um knapp 5 % von 83,5 Mrd. CHF auf 87,5 Mrd. erhöhen konnten.

Der Marktanteil bei Krediten für Mikrounternehmen ist in derselben Zeitperiode um knapp 15 Milliarden Franken von 38 % auf 43 % gestiegen. Jedoch bauten auch die Kantonalbanken in absoluten Zahlen ihr Engagement bei den kleinen und mittleren Unternehmen ab.

Der Anteil der Mikrounternehmen am gesamten Kreditkuchen ist zwar absolut gesunken, mit 58,3 % ist er aber sehr hoch und fällt gegenüber dem Jahr 2002 sogar um knapp 5 %-Punkte höher aus. Das zeigt, dass diese Kundschaft bei weitem nicht unbedeutend ist. Weil lediglich 26,3 % der Beschäftigten in Mikrounternehmen arbeiten, jedoch 58,3 % aller Bankkredite an Mikrounternehmen fliessen, liegt der Schluss nahe, dass Klein-, Mittel- und Grossunternehmen vermehrt andere Optionen als Bankkredite zur Finanzierung nutzen können.

Tabelle 9 Unternehmenskredite Marktanteile in Prozent (Stand Dez. 2002/Dez. 2005) Grossbanken

Kantonalbanken

Regionalbanken

Anteil Segment 2002

2002

2005

2002

2005

2002

2005

1­9

40,6

32,3

38,5

43,3

10,4

10,8

53,8

2005

58,3

10­49

34,5

33,6

48,8

41,7

7,8

8,3

19,1

18,1

50­249

41,9

43,7

45,3

40,4

5,4

6,2

12,7

11,1

TOTAL KMU

39,4

34,0

41,8

42,6

9,1

9,7

85,6

87,4

250 +

61,6

61,9

24,1

21,9

4,8

5,1

14,4

12,6

TOTAL

42,6

37,5

39,3

40,0

8,5

9,1

100,0

100,0

Quelle: SNB, 2006

Aufgrund dieser Entwicklung kann wohl kaum von einer eigentlichen Krise auf dem KMU-Kreditmarkt gesprochen werden. Jedoch sind sehr grosse Änderungen festzustellen: Einerseits boten sich den Unternehmen nach und nach alternative Finanzierungsmöglichkeiten (direkte Kapitalaufnahme am Markt oder Instrumente wie etwa das Leasing), anderseits ist aber festzustellen, dass die Bankiers vorsichtiger geworden sind und nicht mehr so schnell Kredite vergeben. In den letzten Jahrzehnten konnten die Schweizer Banken Verluste des nationalen Markts durch Gewinne auf den Auslandmärkten kompensieren. Dies ist in einem globalisierten Umfeld viel 5820

schwieriger geworden. Die Schweizer Banken reagierten aber viel früher als ihre ausländische Konkurrenz und wandten neue Rating-Methoden für die Einschätzung der Risiken an. Diese Anpassung war für viele Unternehmen schmerzhaft, doch aus makro-ökonomischer Sicht ist kaum etwas dagegen einzuwenden. Es wäre illusorisch gewesen, auf der Grundlage der alten Politik weiterzufahren, denn das hätte längerfristig grosse Risiken für unsere Wirtschaft und das Bankensystem nach sich gezogen. Aus diesem Grund wird auch die bevorstehende Einführung der neuen Regeln von Basel II in der Schweiz zu keiner grundsätzlichen Änderung der Kreditpolitik der Banken führen. Es wird zwar noch weitere Anpassungen geben, aber das Wichtigste haben die Banken bereits vorweggenommen.

3.5.3

Das Spannungsfeld KMU ­ Banken

Im Zusammenhang mit den Diskussionen um Basel II und die Unternehmensfinanzierung haben das SECO, die Stiftung KMU Schweiz und die Bankiervereinigung im Jahr 2003 die Studie «Herausforderungen im Dialog zwischen KMU und Banken» durchgeführt 32. Es ging darum, aufzuzeigen, wie gut bei Kreditfinanzierungen der Dialog zwischen KMU und Banken aus Sicht der Beteiligten funktioniert und wo die Risiken und Chancen im Kontakt zwischen Unternehmen und Finanzierungspartnern liegen.

Die Studie kommt zum Schluss, dass die Mehrheit der befragten Unternehmen mit der Zusammenarbeit mit den Banken zufrieden ist. Die Entwicklung der Zusammenarbeit in den Jahren seit 2000 wird von mehr Unternehmen positiv als negativ eingeschätzt. Noch positiver stellt sich die Zusammenarbeit aus Bankensicht dar. Die Studie belegt die landläufige Vorstellung, dass sich die Herausforderungen und Schwierigkeiten im Dialog zwischen Unternehmen und Banken innerhalb der KMULandschaft bei den kleinen Unternehmen in einem höheren Masse zeigen als bei den grösseren Firmen. Die Zufriedenheit aus Unternehmenssicht korreliert positiv mit der Grösse und mit der Profitabilität der Unternehmen. Hingegen sind keine bedeutenden Unterschiede zwischen Regionen, Sektoren und Zugehörigkeit der Bank zu einer Bankengruppe zu erkennen.

Als Hauptschwierigkeiten im Dialog KMU­Banken werden von der Seite der Unternehmen angeführt: Kreditgewährungsbedingungen (namentlich die Frage der von Banken verlangten Sicherheiten bzw. die zugrundeliegenden Risikoeinschätzungen) sowie mangelhafte Kontinuität und Branchenkenntnis in der Betreuung durch Bankberater. Seitens der Banken wird erwähnt: Schnittstellenprobleme in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Treuhänder und Bank sowie Lücken in der Kompetenz der Unternehmensführung durch Konzentration von verschiedenartigen Managementfunktionen auf einzelne Personen bei Klein- und Mikrounternehmen.

Die Rating-Methoden der Banken werden von den Unternehmen grundsätzlich als adäquat eingeschätzt, sind im Detail aber zu wenig bekannt. Allerdings nimmt der Informationsstand darüber in Abhängigkeit von der Unternehmensgrösse signifikant zu. Ihre diesbezüglichen Informationsaufgaben erfüllen die Grossbanken und Regionalbanken am besten. Gemessen an den Kriterien «Fairness», «Effizienz», «Individualität» und «Feedback durch Banken» werden die Rating-Methoden von den 32

Herausforderungen im Dialog zwischen KMU und Banken, M. Fasano und T. Gfeller, SECO, Bern, 2003.

5821

Unternehmen gesamthaft überwiegend positiv bewertet, wobei der Befund bei «Fairness» und «Effizienz» deutlich positiver ausfällt als bei den übrigen Kriterien.

Die verschiedenen Bankengruppen schneiden bezüglich der von Unternehmen wahrgenommenen «Fairness» und «Effizienz» ihrer Rating-Methoden einheitlich ab.

Hingegen schneiden die Grossbanken bei der Individualität der Ratings leicht schwächer ab als der Durchschnitt; sie scheinen dieses Handicap aber mit einer leicht überdurchschnittlichen Qualität ihrer Feedbacks an die Unternehmen wettzumachen.

Aus den Befunden der Studie kann das Fazit gezogen werden, dass von einer Verschlechterung oder gar einer Krise der Zusammenarbeit zwischen KMU und Banken nicht gesprochen werden kann.

3.5.4

Risikokapital

Wie unter Ziffer 3.5.1 gezeigt, sind die Einlagen der Besitzer und Aktionäre eines der wesentlichen Finanzierungsinstrumente. Das Eigenkapital muss die höchsten Risiken tragen und ist daher für den Unternehmer auch sehr kostspielig. In Fällen, wo sich die Produkte noch im Ideenstadium befinden und der Absatz noch nicht gewährleistet ist, sind die Risiken derart hoch, dass nur eine Finanzierung mittels Eigenkapital in Frage kommt. Hier kommen die Risikokapitalfonds ins Spiel, welche Beteiligungen in den neuen Unternehmen eingehen und die unvermeidlichen Verluste mit sehr hohen Gewinnen auf der Grundlage des Erfolgs von nur wenigen Unternehmen kompensieren. Natürlich funktioniert dies nur in Sektoren mit einem äusserst hohen Wachstumspotenzial, was die Konzentration dieser Investoren auf Bereiche mit einem hohen Technologiegehalt erklärt. Selbst risikolosere Investitionen in den traditionellen Branchen können keine ausreichend hohe Gewinne abwerfen, um die zahlreichen Verluste zu kompensieren. Diese Eigenschaften machen deutlich, dass diese Finanzierungsform zum Beispiel für handwerkliche Betriebe nicht in Frage kommt.

Die von der European Venture Capital Association (EVCA) erfassten Investitionen in Risikokapital zeigen, dass die Schweiz sich in der unteren Hälfte des Klassements befindet, wenn man die Investitionen mit dem Bruttoinlandprodukt in Beziehung setzt. Das bedeutet, dass diese Finanzdienstleistung weit weniger entwickelt ist, als die Finanzbranche der Schweiz als Ganzes.

5822

Abbildung 8 1.331

Investitionen in Private Equity in % des BIP im Jahr 2005

1.061

1.400 1.200 1.000

Grossbritanien

0.465

0.506 Schweden

Dänemark

0.431

Niederlande

0.177 Norvegen

0.419

0.165 Portugal

Europa

0.154 Italien

Spanien

0.148 Finnland

0.067 Irland

0.123

0.065 Belgien

0.120

0.064

Schweiz

0.058

Polen

Deutschland

0.053

Österreich

0.022

Ungarn

0.005 Griechenland

Tschech. Republik

0.000

0.004

0.200

Slowakei

0.400

0.294

0.600

Frankreich

0.800

Quelle: EVCA 2006

Unter den Begriff Risikokapital fallen mehrere, manchmal sehr unterschiedliche Kategorien von Investitionen. Die europäischen Zahlen umfassen auch die Unternehmensrückkäufe (Management-Buy-out oder Management-Buy-in). Diese Transaktionen mit nicht kotierten Aktien sind Teil des «Private Equity», einer Kategorie die laut einigen angelsächsischen Definitionen nicht zum «Venture Capital» gehört.

Wenn man die verschiedenen Kategorien von Investitionen untersucht, wird deutlich, dass der Anteil der frühen Investitionsstadien (Seed Money und Start-up) in der Schweiz im Vergleich zum europäischen Durchschnitt recht bedeutend ist. In Franken ausgedrückt, handelt es sich allerdings um verhältnismässig bescheidene Beträge, da das Gesamtvolumen etwas mehr als 100 Millionen Franken beträgt, im Vergleich zu den insgesamt 220 Milliarden den Unternehmen gewährten Bankkrediten.

Eine gründlichere Analyse der von der EVCA veröffentlichten Zahlen zeigt, dass die für die Vergleiche verwendeten Zahlen nur die Aktivität der in einem Land niedergelassenen Risikokapitalfonds betreffen. Erst seit einigen Jahren ermöglichen die publizierten Zahlen auch die Erfassung der Flüsse aus anderen Ländern. Für die Schweiz ergibt sich dabei ein ganz anderes Bild.

5823

Abbildung 9 Investitionsstruktur (Durchschnitt 2000­2005) in der Schweiz und in Europa

Buy-out

Replacement

Schweiz

Expansion

Europa

Start-up

Seed

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Quelle: EVCA 2001­2006

Tabelle 10 Investitionen in Private Equity nach geographischer Herkunft und Destination in Mio. CHF Investitionen durch einheimische Gesellschaften

2001

2002

2003

2004

2005

367.7

458.3

339.1

420.6

561.4

davon Investitionen in den frühen Phasen (seed +start-up)

112.9

193.1

135.7

(-) Investitionen im Ausland durch einheimische Gesellschaften

-157.1

-160.6

-241.7

-82.5

-250.2

180.7

886.9

514.9

483.1

1078.0

391.3

1184.5

612.2

821.2

1389.3

Investitionen durch ausländische Gesellschaften Totalinvestitionen in der Schweiz

93.8

118.8

Quelle: EVCA 2001­2006

Diese Konsolidierung der Risikokapitalflüsse zeigt, dass der Schweizer Markt offen ist und stark durch Mittel aus dem Ausland versorgt wird. Ausländische Investitionen wurden besonders bei Unternehmensübernahmen angezogen. Dies ist namentlich im Jahr 2002 der Fall, wo bei der Auflösung der Swissair-Gruppe mehrere Tochtergesellschaften von Risikokapitalgesellschaften übernommen wurden. Daraus lässt sich schliessen, dass der Schweizer Markt ausreichend versorgt ist, was die bedeutenden Operationen und die Firmenrückkäufe betrifft. Dasselbe gilt jedoch nicht für die frühen Phasen des Unternehmenszyklus; in diesem Segment werden ausländische Fonds nur selten tätig.

3.6

Unternehmensnachfolge

Im Lebenszyklus eines KMU spielt insbesondere die Unternehmensübertragung eine ausschlaggebende Rolle. Es handelt sich um eine in vielerlei Hinsicht schwierige Nahtstelle in der Unternehmensführung. In dieser Phase sind sowohl konkrete Werte als auch Arbeitsplätze gefährdet. Aus diesem Grunde alleine gilt es im Rahmen einer

5824

ganzheitlichen KMU-Politik den Rahmenbedingungen, welche diesen Übergang prägen, besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Gemäss einer Studie der Universität St. Gallen und der PricewaterhouseCoopers AG 33 werden (Stand 2005) in den nächsten 5 Jahren etwa 18,5 % aller Unternehmen in der Schweiz mit der Thematik der Unternehmensnachfolge konfrontiert sein. Bei einer Grundgesamtheit der KMU 34 in der Schweiz gemäss der Betriebszählung 2005 (s.o.) und der Annahme eines einigermassen konstanten Anteils von Unternehmen, bei denen eine Nachfolgelösung ansteht, entspräche dieser Prozentsatz etwa 53 000 Unternehmen. Ausgehend von einer durchschnittlichen Beschäftigungszahl von 7,2 Mitarbeitenden pro KMU kann daher von rund 380 000 Betroffenen ausgegangen werden. Die Nachfolgefrage akzentuiert sich dabei insbesondere bei Familienunternehmen. Verlässt man jedoch das Zeitfenster von 5 Jahren, ist selbstverständlich mit einer weitaus grösseren Zahl von Unternehmen zu rechnen, die vor einer Unternehmensübertragung stehen. Einen Hinweis darauf ergibt sich durch den Umstand, dass gemäss der erwähnten Studie etwas mehr als der Unternehmen mindestens schon einmal übertragen worden sind und nur aus einer direkten Unternehmensgründung hervorgehen. Diese quantitativen Schätzungen unterstreichen die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Thematik.

Ein vieldiskutiertes Kernthema bei der Unternehmensübergabe ist die Finanzierungsfrage. Schwierigkeiten bei der Finanzierung bilden die häufigste Ursache für gescheiterte Nachfolgelösungen. Fiskalische Belastungen können diese Problematik zusätzlich verstärken. Der Bundesgerichtsentscheid betreffend Erbenholding und Verkäuferdarlehen (BGE 2A.331/2003) hat die Situation zusätzlich akzentuiert. Die steuerlichen Fragen scheinen jedoch einen Grossteil (78 %) der befragten Unternehmen bei der Unternehmensübergabe nicht einzuschränken.

Das Erfolgsrezept einer erfolgreichen Unternehmensübergabe ist die seriöse und rechtzeitige Planung dieses Vorhabens. Die geeignete Informationsbeschaffung, der Beizug entsprechender Experten und die frühzeitige Wahl und Prüfung einer Nachfolgelösung sind dabei ausschlaggebende Erfolgsfaktoren.

4

Instrumente des Staates

4.1

Einführung

Wie bereits in den vorhergehenden Kapiteln ausgeführt, repräsentieren die KMU die gewaltige Mehrheit der Unternehmen. Vor diesem Hintergrund könnte jede Aktion, die auf die Unternehmen abzielt, als relevant für die Politik zugunsten der KMU betrachtet werden. Tatsächlich sind die Politiken, die sich an die Unternehmen richten, vielschichtig und müssen deshalb unter einem breiten Winkel analysiert werden: Zahlreiche eidgenössische Departemente und Direktionen sowie externe Partner sind betroffen. Dies ist auch bei anderen horizontalen Politiken, wie zum Beispiel bei der Wachstumspolitik, der Fall. Die KMU-Politik des Bundesrates wird durch das EVD umgesetzt und hat ein eingeschränktes Tätigkeitsfeld. Sie konzent33 34

Nachfolger gesucht! Empirische Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für die Schweiz, Universität St. Gallen, Hrsg. PricewaterhouseCoopers AG, Zürich, 2005.

Die Problematik der Nachfolgeregelung betrifft in erster Linie KMU, respektive Familienunternehmen. Deshalb wird bei Betroffenheitsschätzungen auch von der entsprechenden Grundgesamtheit gemäss Betriebszählung 2005 ausgegangen.

5825

riert sich auf für KMU besonders wichtige Themen, wie etwa die Hauptphasen im Lebenszyklus eines Unternehmens (Gründung, Übertragung usw.), die administrative Belastung sowie Fragen der Finanzierung, des Marktzutrittes und der Innovation. Diese Themen werden in dieser Ziffer beleuchtet und in Ziffer 6 in Form einer Bilanz und eines Ausblicks nochmals aufgegriffen.

4.2

Administrative Entlastung

4.2.1

Internet-Umfrage des EVD

Die administrative Belastung der KMU in der Schweiz ist seit Jahren ein Diskussionsthema, das je nach Position verschieden beurteilt wird. Um hier eine aktuelle Standortbestimmung zu machen, wurde im Mai 2006 eine internetbasierte Umfrage durchgeführt.

Mehr als 3000 KMU-Manager/-innen haben die Chance wahrgenommen und ihre Meinung zur administrativen Belastung abgegeben. Insgesamt sind die Schweizer KMU mit den Behörden zufrieden. Die administrative Belastung ist nur für sehr kleine KMU unverhältnismässig gross. Insbesondere aus Sicht grösserer KMU sind aber die Verfahren und Vorschriften für Bauvorhaben, für die Mehrwertsteuer, für den Import und Export, für die Arbeitssicherheit sowie für statistische Auskünfte verbesserungswürdig.

Diese nichtrepräsentative Untersuchung ergab folgende Resultate.

Die administrative Belastung kann anhand der Antworten auf drei Arten beschrieben werden: 1.

Die KMU setzen im Durchschnitt 41,3 Stunden pro Jahr und Mitarbeiter/-in ein, um den behördlichen Pflichten nachzukommen.

2.

40 % der KMU empfinden die administrative Last als eher mühsam bis äusserst mühsam. 60 % empfinden sie als eher nicht mühsam.

3.

Zu komplizierte Vorschriften tragen am stärksten zur administrativen Belastung bei, gefolgt von umständlichen Verfahren.

Abbildung 10

Administrativer Aufwand in Stunden pro Mitarbeiter (12 Monate) 43.0%

weniger als 15 Stunden 19.7%

15 bis 29,99 Stunden

16.6

30 bis 59,99 Stunden 60 bis 99,99 Stunden

10.4%

mehr als 100 Stunden

10.4% 0%

10%

20%

%

30%

40%

Quelle: SECO, Untersuchung «Simplifier la vie des Entreprises», Oktober 2006

5826

50%

Die KMU-Vertreter/-innen haben selbst entschieden, ob sie den Fragebogen ausfüllen wollen oder nicht. Deshalb ist davon auszugehen, dass vor allem KMU mitgemacht haben, die sich für die administrative Entlastung interessieren. Selbst unter diesen eher kritischen KMU ist die Mehrheit (gut 60 %) der Meinung, der Behördenverkehr in der Schweiz sei erträglich. Mit gut einer Woche Arbeit pro Mitarbeiter/-in und Jahr ist der Zeitaufwand für die administrativen Arbeiten im Behördenverkehr allerdings bemerkenswert hoch.

Insbesondere die kleinsten KMU mit weniger als vier Mitarbeiter/-innen sind davon betroffen: 40 % von ihnen arbeiten mehr als 60 Stunden pro Jahr für den administrativen Behördenverkehr. In grösseren KMU fallen die administrativen Arbeiten weniger stark ins Gewicht.

Die subjektive Empfindung darüber, wie mühsam die administrativen Tätigkeiten sind, hat keinen Zusammenhang mit der Zeit, die ein KMU für diese Tätigkeiten einsetzt. Wer also viel Behördenverkehr auf sich nehmen muss, empfindet dies nicht als mühsamer als jemand, der wenig Behördenverkehr auf sich nimmt.

Tabelle 11 Wie mühsam wird die administrative Tätigkeit empfunden?

Die stärkste Belastung lösen aus: ­ ­ ­ ­ ­

Bauvorhaben Mehrwertsteuer Import/Export Statistische Auskünfte Arbeitssicherheit

Am geringsten ins Gewicht fallen: ­ Handelsregistereintragungen und -änderungen ­ UVG, SUVA ­ Buchhaltung, Jahresabschluss ­ AHV, IV, EO

Quelle: SECO, Untersuchung «Simplifier la vie des Entreprises», Oktober 2006

Die Buchhaltung wird als wenig belastend bewertet, weil rund 30 % der befragten KMU diese Aufgaben an einen Spezialisten ausgelagert haben. Damit entfällt zwar der zeitliche Aufwand, allerdings entsteht ein finanzieller Aufwand.

Unterschiede gibt es zwischen den Branchen in der Art der Belastung, nicht aber in der Höhe der Belastung: In der Baubranche beispielsweise sind von Umweltschutz, Lehrlingsbetreuung, Bauvorhaben, Arbeitssicherheit mehr KMU betroffen als im Durchschnitt aller Branchen.

5827

Abbildung 11 Administrative Belastung: Beurteilung nach Verfahren Relevanz versus Belastung (alle Branchen, 2987 gültige Antworten) 7 extrem mühsam Import/Export

Stat. Auskünfte

Bauvorhaben

Beschäftigung von Ausländern

Umw eltschutz

Arbeitssicherheit

Unternehmenssteuern Mehrw ertsteuer

5 neutral Lehrlinge

Buchhaltung ALV

nicht mühsam 3 33%

HR

AHV, IV, EO

Lohnausw eise BVG UVG, SUVA

67%

100%

ist für x % der KMU relevant

Quelle: SECO, Untersuchung «Simplifier la vie des Entreprises», Oktober 2006

In Branchen mit vielen betroffenen KMU werden Themen wie Baugesuche als weniger mühsam empfunden, als in Branchen mit wenigen betroffenen KMU. Z.B.

sind in der Baubranche 72,9 % der KMU mit Baugesuchen konfrontiert, in allen anderen Branchen sind es nur 51,4 %. Die betroffenen Baufirmen empfinden die administrative Last mit Baugesuchen als etwas weniger mühsam (Median = 6), als die betroffenen KMU aller anderen Branchen (Median = 7).

Bei den Bauvorhaben schlagen die Verfahren am stärksten zu Buche, bei der Mehrwertsteuer dagegen die Vorschriften. Am meisten Zeit verschlingen nach der Beurteilung der KMU Bauvorhaben, die Unternehmensbesteuerung sowie Massnahmen zur Arbeitssicherheit.

Die administrative Belastung hat in den letzten zwei Jahren nach der Meinung einer knappen Mehrheit der KMU eher zugenommen. Knapp 40 % der KMU sind der Meinung, die Meldepflichten und die Bewilligungsverfahren seien etwa gleich mühsam wie vor zwei Jahren. Je nach Branche sind bis zu 60 % der Meinung, die Belastung habe zugenommen. Nur wenige sind dagegen der Meinung, sie habe abgenommen.

Erste erleichternde Angebote im Internet wie www.kmu.admin.ch, www.zefix.ch haben einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. Gut die Hälfte der befragten KMU kennen diese Angebote. Von dieser Hälfte sind über 50 % der Meinung, diese Angebote seien für sie nützlich.

Die KMU wünschen sich zur administrativen Entlastung möglichst den OnlineZugang zu allen Formularen sowie möglichst nur eine Anlaufstelle für alle administrativen Belange. Behörden mit ähnlichen Informationsbedürfnissen sollen koordiniert werden. Dies gilt vor allem für diejenigen administrativen Verfahren, bei denen Lohndaten oder andere statistische Auskünfte an verschiedene Stellen mit unterschiedlichen Formularen gemeldet werden wie die Arbeitslosenversicherung, die 5828

Unfallversicherung, die berufliche Vorsorge und die Rentenversicherungen. Bei anderen Themen wie beispielsweise der Mehrwertsteuer, der Arbeitssicherheit und dem Umweltschutz beschweren sich die KMU über komplizierte Vorschriften. Bei Bauvorhaben und bei der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmer/-innen beklagen sie sich vor allem über die mühsame Abwicklung der Verfahren.

Von den mehr als 3000 Befragten haben 1547 KMU-Vertreter/-innen die Untersuchung im Sinne einer Klagemauer wahrgenommen und folgende offene Fragen schriftlich beantwortet: ­

Wie könnten Bund, Kantone und Gemeinden dafür sorgen, dass Ihr administrativer Aufwand geringer wird?

­

Was ist für Sie das mühsamste an der administrativen Arbeit?

­

Was sind für Sie positive Erlebnisse gewesen?

­

Welche Tipps geben Sie dem Volkswirtschaftsdepartement?

Die Antworten wurden wie folgt ausgewertet: Alle Antworten wurden nach Themen sortiert, wobei jeweils zwischen Tipps (Hinweisen auf mühsame Verfahren und Vorschriften) und allgemeinen Hinweisen unterschieden wurde. Die Nennungen wurden ausgezählt. Zusammenfassend lassen sich die Äusserungen wie folgt wiedergeben: Abbildung 12 Themen aus dem Freitext Diese Themen haben die KMU in der Freitext-Frage genannt und dazu beschrieben, warum und inwiefern daraus eine mühsame administrative Belastung für sie entsteht.

(2692 Nennungen von 1'547 unterschiedlichen KMU-Vertretern).

Allgemeines Mühsame Verfahren Mühsame Vorschriften Summe

Verständlichkeit

518

Kontakt mit Behörden

497

allg. Vorschriften, Reglemente

439

Mehrwertsteuern

398

Sozialversicherungen

317

Kontrollen, Revisionen, Statistiken

314

Allgemeines

162

Unternehmenssteuern

47 0

100

200

300

400

500

600

Nennungen

Quelle: SECO, Untersuchung «Simplifier la vie des Entreprises», Oktober 2006

5829

Im Rahmen der EVD-Untersuchung wurden verschiedene andere Schweizer Untersuchungen zum Thema administrative Belastung von KMU hinzugezogen, um Zusatzerkenntnisse aus spezifischen Untersuchungen zu gewinnen. Folgende Referenzuntersuchungen wurden in einer detaillierten Analyse berücksichtigt: Tabelle 12 Verschiedene Untersuchungen über die administrative Belastung Untersuchung

Untersuchungsgegenstand

Lutz E. Schlange: Administrative Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmungen im Kanton Graubünden, Chur 2005.

Administrative Belastung themenübergreifend aber eingeschränkt auf den Kanton Graubünden

Schweizerischer Gewerbeverband: Administrative Belastung der KMU durch die Mehrwertsteuer, Bern 2003.

Administrative Belastung in der gesamten Schweiz aber eingeschränkt auf die Mehrwertsteuer

Christoph A. Müller: Administrative Belastung von KMU im interkantonalen und internationalen Vergleich, Bern 1998.

Administrative Belastung eingeschränkt auf die zeitliche Belastung von Schweizer KMU

Quelle: SECO, Untersuchung «Simplifier la vie des Entreprises», Oktober 2006

Aus der Untersuchung von Lutz E. Schlange können wir viel über die Lösungsansätze bei den Top 5 Belastungsarten erfahren: Bei Bauvorhaben steht die Verfahrensbeschleunigung im Zentrum. Bei der Mehrwertsteuer schlägt die Strategie der Verfahrensvereinfachung mit rund drei Viertel der Lösungsvorschläge markant oben aus. Beim Import/Export sind die Lösungsansätze Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung. Bei den statistischen Auskünften sind die Meinungen über mögliche Lösungsansätze geteilt: Je etwa ein Drittel der Lösungsstrategien entfällt auf die Optionen Reduktion der Eingriffe und Verfahrensvereinfachung, gefolgt von der Option Internetservice einrichten mit 20 % der Nennungen. Bei der Arbeitssicherheit sind die Vereinfachung von Verfahren und «weniger eingreifen» die zwei wichtigsten empfohlenen Lösungsstrategien.

Die ausführliche Untersuchung des Gewerbeverbands zur Belastung durch die Mehrwertsteuer zeigt deutlich, dass die Belastung vor allem durch die Zeit entsteht, die ein KMU benötigt, die MwSt.-Vorschriften zu studieren, und weniger durch die Zeit, die es zum Ausfüllen der Formulare braucht. Die Hauptprobleme bei der MwSt. sind 1. Studieren der Vorschriften, 2. Inanspruchnahme des Steuerberaters und 3. Ausfüllen der Formulare. Ein wichtiges Element der Untersuchung war die wahrgenommene Belastung durch die Kontrollaktivitäten der MwSt.-Abteilung. Die Zeit für den Empfang der Inspektoren wird eher als mittel eingeschätzt. Dieses Resultat erklärt sich aus der Seltenheit der Kontrollen. Wenn es ein Unternehmen allerdings mit einer Kontrolle trifft, ist der entstandene Aufwand beachtlich: die Durchschnittsdauer der Kontrollen ist 2­5 Tage.

5830

Die Untersuchung von Chr. Müller hat fünf Auflagenbereiche und ihre zeitliche Belastung für KMU untersucht. Sozialversicherungen, Steuern und Abgaben, Statistiken, Bewilligungsverfahren und Umweltschutzreglemente. Von dieser Untersuchung können wir zusätzlich erfahren, wie sich die zeitliche Belastung pro Monat auf die verschiedenen Themen verteilt: Für Sozialversicherungen investiert ein Schweizer Unternehmen durchschnittlich 19 Stunden, für Steuern und Abgaben 13 Stunden, für Statistiken 1,5 Stunden, für Bewilligungen 16 Stunden und für Umweltauflagen 4 Stunden.

4.2.2

Bericht und Botschaft des Bundesrates zur «Vereinfachung des unternehmerischen Alltags»

4.2.2.1

Bericht und Botschaft

Am 18. Januar 2006 hat der Bundesrat den Bericht «Vereinfachung des unternehmerischen Alltags» 35 («Vereinfachung») verabschiedet. Dieser Bericht enthält eine Bestandesaufnahme der administrativen Belastungen sowie ein Aktionsprogramm mit 128 Entlastungsmassnahmen. Auf der Grundlage einer Reihe durch die Weltbank und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelten Indikatoren zeigt der Bericht, dass die Schweiz hinsichtlich der administrativen Belastung im internationalen Vergleich gut dasteht.

Der Bericht zählt die laufenden Vereinfachungsmassnahmen auf und schlägt neue vor. Insbesondere geht es dabei um: ­

die Entwicklung von E-Government-Lösungen für die Unternehmen (siehe Ziffer 4.3);

­

die Aufhebung von Bewilligungsverfahren;

­

die Vereinfachung von Regulierungen im Zuständigkeitsbereich des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD);

­

Massnahmen hinsichtlich der Instrumente des Bundes zur Verbesserung der Qualität der Regulierung (Regulierungsfolgenabschätzung, KMU-Verträglichkeitstest und KMU-Forum); und

­

die Schaffung eines Koordinationsorgans für die KMU-Politik.

Laut einer groben Schätzung wird die Umsetzung der wichtigsten dieser Massnahmen den in der Schweiz tätigen Unternehmen erlauben, jährlich nahezu eine Milliarde Franken an Administrationskosten einzusparen.

Anlässlich der Veröffentlichung des Berichts «Vereinfachung» hat das EVD ausserdem die Unternehmen aufgefordert, Vorschläge für die weitere Reduktion der administrativen Belastung zu machen. Während drei Monaten wurde ihnen dazu auf der Website http://www.kmuinfo.ch ein Fragebogen zur Verfügung gestellt. Über dreitausend Unternehmen haben geantwortet; ihre Beiträge wurden ausgewertet und werden bei der Weiterführung der Arbeiten berücksichtigt (siehe vorhergehendes

35

«Vereinfachung des Unternehmerischen Alltags ­ Massnahmen zur administrativen Entlastung und Erleichterung der Regulierung» (BBl 2007 315). Eine elektronische Version des Berichts ist auf der Website des EVD unter der Adresse www.seco.admin.ch verfügbar.

5831

Kapitel). Die aus der Umfrage hervorgegangenen Probleme und Vorschläge sind allerdings grösstenteils bekannt und Verbesserungen sind bereits in Vorbereitung.

Während des ganzen Jahres 2006 wurden verschiedene Arbeiten im Zusammenhang mit «Vereinfachung» durchgeführt. Mit der Verabschiedung der entsprechenden Botschaft am 8.12.2006 konnte dabei eine wichtige Etappe zurückgelegt werden 36.

Eine Botschaft war notwendig, da einige der im Bericht «Vereinfachung» präsentierten Massnahmen eine Gesetzesänderung erfordern. Sechs Aufhebungen und Vereinfachungen von Bewilligungsverfahren werden in dieser Botschaft spezifisch behandelt, welche ausserdem einen Überblick über die Forschritte des Dossiers «Vereinfachung» bietet.

4.2.2.2

Aufhebung von Bewilligungsverfahren

Infolge der Veröffentlichung des Berichts über die Bewilligungsverfahren im Februar 2005 37 hat der Bundesrat die Absicht geäussert, im Sinne der administrativen Vereinfachung ihre Anzahl um 20 % zu reduzieren. 34 Bundesämter haben den Auftrag erhalten, die Relevanz der Bewilligungsverfahren in ihrem Zuständigkeitsbereich zu prüfen. 345 eidgenössische Verfahren wurden analysiert, sowie 160 weitere, für deren Durchführung die Kantone zuständig sind. Die Resultate haben gezeigt, dass mindestens 62 davon (45 eidgenössische und 17 kantonale) aufgehoben werden können.

Das SECO hat 2006 die Evaluation fortgesetzt und sich dabei auf die häufigsten Bewilligungen konzentriert. Das Ziel war, diese aufzuheben oder zumindest zu vereinfachen. Koordiniert mit der Revision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemmnisse (THG) wurden ausserdem die Importbedingungen unter dem Gesichtspunkt des «Cassis-de-Dijon»-Prinzips überprüft. Die Frage, die sich dabei stellte, war, ob Produkte, bei denen bereits in der Europäischen Union ein Zulassungs- oder Homologierungsverfahren stattgefunden hatte, in der Schweiz automatisch oder auf der Grundlage eines vereinfachten Verfahrens anerkannt würden. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass in vielen Bereichen bereits vereinfachte Verfahren bestehen, in mehreren Fällen fehlen solche jedoch noch.

Mit den in der Folge ergriffenen Massnahmen konnte die Anzahl der vorgeschlagenen, geplanten oder laufenden Entlastungen weiter erhöht werden. Insgesamt 75 Bewilligungen werden zwischen 2006 und 2008 aufgehoben oder vereinfacht.

Konkret können die Unternehmen von mindestens 100 000 abgeschafften oder vereinfachten Verwaltungsakten pro Jahr profitieren.

36

37

«Botschaft zum Bundesgesetz über die Aufhebung und die Vereinfachung von Bewilligungsverfahren («Vereinfachung des Unternehmerischen Alltags»)» Eine elektronische Version ist auf der Website des EVD unter der Adresse www.seco.admin.ch verfügbar.

«Bewilligungspflichten des Bundesrechts bei wirtschaftlichen Betätigungen. Heutiger Stand und Entwicklung 1998­2004». Eine elektronische Version dieses Berichts ist auf der Website des EVD unter der Adresse www.seco.admin.ch verfügbar.

5832

4.2.2.3

Vereinfachung der Regulierungen im Zuständigkeitsbereich des EVD

Das EVD hat den Bericht «Vereinfachung» genutzt, um noch weiter zu gehen und weitere Regulierungen in seinem Zuständigkeitsbereich auf Vereinfachungsmöglichkeiten zu prüfen (zusätzlich zu den Bewilligungsverfahren). Dieses Vorgehen hat den Charakter eines Pilotversuchs und kann in anderen Departementen, in den Kantonen oder Gemeinden nachgeahmt werden. Die vom EVD in diesem Rahmen verabschiedeten Vereinfachungen werden im Bericht in Ziffer 4.3 aufgezählt.

4.2.2.4

Verbesserung der Regulierungsfolgenabschätzung, des KMU-Verträglichkeitstests und des KMU-Forums

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates hat 2005 eine Evaluation der Regulierungsfolgenabschätzung (RFA), des KMU-Verträglichkeitstests und des KMU-Forums durchgeführt. Die RFA ist ein Instrument, das die Verbesserung der Qualität der Gesetzgebung durch eine vorgängige Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen anstrebt. Der KMU-Test und das KMU-Forum haben ihrerseits den Zweck, die administrative Überlastung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu bekämpfen. In ihren Schlussfolgerungen hat die Geschäftsprüfungskommission bedauert, dass die Ergebnisse der RFA, der KMU-Tests und der Arbeiten des Forums durch die politischen Akteure nicht besser genutzt werden. Dieser Einschätzung Rechnung tragend, hat der Bundesrat ein Massnahmenpaket zur Stärkung dieser drei Instrumente verabschiedet. In Ziffer fünf des Berichts «Vereinfachung des unternehmerischen Alltags» werden sie ausführlich beschrieben, es stellt die Antwort des Bundesrates an die Geschäftsprüfungskommission dar. Die Aufgaben und die Organisation des KMU-Forums werden in der neuen Verordnung vom 8. Dezember 2006 38 über die Koordination der Politik des Bundes zugunsten der kleinen und mittleren Unternehmen (VKP-KMU) festgehalten. Das Mandat des Forums wurde bei dieser Gelegenheit formell ausgeweitet und beinhaltet nun auch die Information der parlamentarischen Kommissionen.

4.2.2.5

Schaffung eines Koordinationsorgans für die KMU-Politik

Im Kontext der Veröffentlichung des Berichts «Vereinfachung» hat der Bundesrat das EVD beauftragt, die Modalitäten für die Einsetzung eines Koordinationsorgans für die KMU-Politik auf Bundesebene vorzuschlagen. Die in verschiedenen Projekten im Zusammenhang mit den KMU und ihrem administrativen Umfeld gemachten Erfahrungen zeigen, dass eine verbesserte Koordination zwischen den Bundesämtern und den Departementen die Durchführung vereinfachen könnte. Oft verfolgen die verschiedenen Partner unterschiedliche Interessen. Die Hintergründe sind meist komplex und es ist schwierig, eine sich auf materielle Grundsatzfragen basierende Diskussion auf der Ebene des Bundesrates vorzubereiten. Es lag daher nahe, eine Lösung zu finden, welche das Treffen notwendiger Entscheidungen ermöglicht und 38

SR 172.091

5833

die Durchführung gewisser Projekte vereinfacht. Mit der VKP-KMU wird ein Koordinationsorgan eingesetzt, in dem die Direktoren von 10 Bundesämtern versammelt sind. Dieses Organ hat die Aufgabe, die Aktivitäten des Bundes zugunsten der KMU in allen Bereichen in einem frühen Stadium zu koordinieren, die weitere Umsetzung der vom Bundesrat verabschiedeten Massnahmen zur Reduktion der administrativen Belastung der Unternehmen zu verfolgen und Empfehlungen an die Verwaltungseinheiten zu formulieren.

4.3

E-Government-Massnahmen

4.3.1

E-Government für KMU

E-Government ist zu einem wesentlichen Faktor in der administrativen Vereinfachung für die Unternehmen geworden. Es hat sich gezeigt, dass mit den elektronischen Möglichkeiten schneller Erleichterungen für die KMU erreicht werden können als mit Gesetzes- und Verordnungsänderungen. Dies ist im heutigen, sich rasch entwickelnden Wirtschaftsumfeld, bei dem die Geschwindigkeit (Time to Market) und die Steigerung der Produktivität entscheidende Faktoren sind, wichtig und ein wesentlicher Standortvorteil.

Das E-Government hat sich in der Schweiz in den letzten Jahren gut entwickelt. Im Vergleich mit den europäischen Ländern sind wir jedoch ins Hintertreffen geraten.

Es gilt daher, die ausgezeichnete technische und bildungsmässige Ausgangslage zu nutzen und das Angebot für die KMU umfassend auszubauen.

Die vom Bundesrat am 24. Januar 2007 39 verabschiedete E-Government-Strategie Schweiz setzt sich auch zum Ziel, die Wirtschaft von nicht wertschöpfender Arbeit zu entlasten und durch die zu erwartende Effizienzsteigerung die Standortqualität zu erhöhen. Die intensive Zusammenarbeit bei der Erarbeitung der E-GovernmentStrategie zwischen den mit E-Government-Projekten beauftragten Amtsstellen führte dazu, dass die Projekte gegenseitig abgestimmt wurden und entsprechend ihrer Priorität im Katalog der priorisierten Leistungen aufgeführt werden. Die Hauptprojekte des E-Government sind in diesem Katalog aufgeführt (siehe Ziff.

4.3.3). Das gemeinsame Steuerungsorgan, das errichtet wird, stellt das koordinierte Vorgehen sicher.

Das SECO hat im E-Government durch das KMU-Portal bereits heute eine anerkannte Plattform für Information und Kommunikation sowie für Transaktionen zwischen den KMU und der Verwaltung geschaffen. Die erzielbare Wirkung in der administrativen Entlastung der Unternehmen und der Verwaltung ist bei den KMU sehr gross, da gegen 100 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen Internetnutzer sind. Über das Portal können die Unternehmer rasch und zielgenau alle Informationen, welche sie im Bereich der Behördenkontakte benötigen, finden und die gewünschten Informationen elektronisch sicher weiterleiten.

39

«E-Government-Strategie Schweiz». Einzusehen auf der Website des Eidgenössischen Finanzdepartementes (EFD) unter der Adresse: www.efd.admin.ch, Rubriken: «Dokumentation», «Grundlagenpapiere».

5834

4.3.2

Bilanz der E-Government-Aktivitäten für KMU seit 2001

4.3.2.1

Einleitung

Die Grundlage für die Aktivitäten im Bereich E-Government für KMU war ein Auftrag des Bundesrates im September 2000. Das Ziel war die Erstellung eines Internetschalters für Unternehmensgründungen, ein Basis-online-Formular und eine einheitliche Identifikationsnummer für Unternehmen.

Dank diesem frühzeitigen Einschwenken auf die Möglichkeiten der elektronischen Administration konnten die heutigen Angebote kontinuierlich entwickelt werden und haben in den Bereichen Information und Kommunikation einen guten Stand erreicht. Im Bereich der elektronischen Transaktion, das bedeutet die elektronische Verarbeitung von Daten zwischen Verwaltung und Unternehmen, besteht noch Aufholbedarf. Die Gründe dafür sind fehlende Standards, wie zum Beispiel eine einheitliche Unternehmensidentifikationsnummer sowie die föderale Struktur der Schweiz mit ihren unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen auf den einzelnen föderativen Ebenen.

4.3.2.2

Internetschalter für Unternehmensgründungen

Die webbasierte Gründerplattform für Unternehmen besteht seit fünf Jahren. Sie wurde kontinuierlich weiterentwickelt und bietet den Unternehmern heute als Bundesportal für KMU umfassende Informations-, Kommunikations- und einige Transaktionsmöglichkeiten an. Neugründer und bestehende Unternehmer finden hier Informationen über die Unternehmensgründung und viele Themen zur Unternehmensführung. Die steigenden Besucherzahlen von monatlich 8000 im Jahr 2005 auf 40 000 im Februar 2007 belegen das Interesse und die Nützlichkeit des KMU-Portals.

4.3.2.3

Basis-online-Formular

Basierend auf einem Expertenbericht über die Untersuchung zur Vereinfachung der Gründungsadministration vom Jahr 2000 wurde im Bericht über die Förderung von Unternehmensgründungen (BBl 2000 5547) vorgeschlagen, ein gemeinsames Formular zu entwickeln. Im Zusammenhang mit der Vereinfachung von Unternehmensgründungen wurde als erstes ein gemeinsames, interaktives Formular für die Gründungsanmeldung beim Handelsregister, bei der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und der Mehrwertsteuer (MWST) realisiert. Seit dem Start im Februar 2003 wurden mit diesem Instrument 4443 Einzelfirmen beim Handelsregister zur Gründung angemeldet. Nach einer Untersuchung der Zürcher Hochschule Winterthur konnten diese Unternehmer ihren Netto-Zeitaufwand um 50 Prozent reduzieren.

5835

4.3.2.4

Identifikationsnummer für Unternehmen

Eine einheitliche und eindeutige Identifikation eines Unternehmens ist eine Grundvoraussetzung, um E-Government auszubauen und sicher betreiben zu können. Sie wird gebraucht, um Daten zu kennzeichnen und zusammen mit einer digitalen Signatur Identifizierungs- und Authentifizierungsmechanismen für Unternehmen und deren Mitarbeiter bereitstellen zu können. Die Einführung einer einheitlichen Identifikationsnummer für Unternehmen konnte noch nicht realisiert werden. Im Auftrag des Bundesrates muss eine Lösung gefunden werden, damit andere Projekte, die diese Nummer als Firmenidentifikation verwenden, nicht weiter verzögert werden.

4.3.2.5

Volkswirtschaftliche Auswirkungen

Die administrative Entlastung der KMU durch elektronische Massnahmen, welche bereits im Einsatz oder im Aufbau sind, ergibt gemäss Schätzungen des Bundes eine Entlastung der Unternehmen von rund 23,1 Millionen Arbeitsstunden. Diese Entlastung setzt sich zusammen aus den Einsparungen bei der elektronischen Übermittlung der Lohndaten (5 Std./Monat für 300 000 Unternehmen), der Einführung einer einheitlichen Identifikationsnummer für Unternehmen (½ Std./für 250 000 Unternehmen), der Formularsuchmaschine (Formularserver, ½ Std./für 300 000 Unternehmen), der besseren Informationen im KMU-Portal 2.0 (½ Std./Monat für 300 000 Unternehmen).

Die Entlastung der Unternehmer entsteht durch die elektronische Erfassung der Daten aus bestehenden Applikationen des Unternehmens, deren Verarbeitung ohne manuelle Eingriffe und die elektronische Übertragung. Dies hat, wegen der Eliminierung der Medienbrüche, die eine direkte elektronische Weiterverarbeitung zulässt, eine ebenso grosse Einsparung auf Verwaltungsseite zur Folge.

Die Einsparung von 23,1 Millionen nicht produktiver Arbeitsstunden steigert die Leistungsfähigkeit und reduziert die Produktionskosten der Volkswirtschaft. Zusätzlich wird die Attraktivität des Standorts erhöht, weil die ansiedlungswillige Unternehmung selber ihre Produktivität, durch eine geringere administrative Belastung, erhöhen kann.

4.3.3

Ziele und Aktionen

4.3.3.1

Katalog der provisorischen Vorhaben

Die Ziele und Aktionen der administrativen Entlastung durch E-Government werden koordiniert und stimmen mit der E-Government-Strategie Schweiz vollständig überein. Die entsprechenden Projekte sind im Katalog der priorisierten Vorhaben aufgeführt. Dieser Katalog ist das zentrale dynamische Umsetzungsinstrument der nationalen E-Government-Strategie. Der Katalog bezweckt eine Fokussierung/ Priorisierung der gesamt-schweizerischen Arbeiten und dokumentiert, an welchen E-Government-Leistungen und -Voraussetzungen in der folgenden Planungsperiode schwerpunktmässig gearbeitet werden soll. Die Projekte «E-Government für KMU», welche die administrative Belastung für KMU reduzieren, sind im Katalog der priorisierten Vorhaben unter folgenden Kapiteln aufgeführt: 5836

­

Öffentliche «Leistungen», bei welchen der Nutzen einer elektronischen Abwicklung einerseits für die externen Zielgruppen, andererseits verwaltungsintern am grössten ist.

­

Koordinierte Bereitstellung von «Voraussetzungen», damit die oben aufgeführten Leistungen elektronisch abgewickelt werden können. Diese Voraussetzungen betreffen meist organisatorische, rechtliche, Standardisierungsoder technische Aspekte gleichzeitig.

Die Koordination mit den anderen E-Projekten in der Bundesverwaltung ist durch das geplante Steuerungsorgan der E-Government-Strategie Schweiz sichergestellt.

4.3.3.2

KMU-Portal 2.0

Das KMU-Portal 2.0 wird mittelfristig eine umfassende Informationssammlung über alle Lebenslagen einer Unternehmung enthalten. In diesen Lebenslagen findet der Unternehmer in drei Klicks eine einfache und verständliche Antwort und kann die entsprechenden Massnahmen elektronisch einleiten und abschliessen. Mittels eines interaktiven Formulars kann er die allenfalls benötigten Informationen erfassen, digital signieren und elektronisch weiterleiten.

Das Portal unterstützt den föderalen Aufbau der Schweiz und leitet die Unternehmer an die richtige elektronische Amtsstelle weiter. Zum Ausbau des Portals und zur Steigerung der Produktivität der Verwaltung auf allen Verwaltungsebenen werden folgende elektronischen Hilfsmittel entwickelt und möglichst kostenfrei angeboten: ­

Offener Standard für die Inhalte von Verwaltungswebseiten, damit einmal geschriebene Informationen von allen Amtsstellen verwendet werden können.

­

Vereinfachung der Beschreibungen der administrativen Pflichten in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Amtsstellen.

­

Aufbau einer Formularsuchmaschine für alle Amtsstellen auf allen Ebenen zur Vereinheitlichung und Identifizierung von Formularen («Voraussetzung»).

­

Erstellen eines Tools zur elektronischen Signierung von Daten und Dokumenten, das von allen Amtsstellen verwendet werden kann («Voraussetzung»).

­

Bereitstellen resp. Ausbau des bestehenden Anmeldeportals für weitere Anmeldeprozesse («Leistung»).

4.3.3.3

Prozesse

Verwaltungsstellen erheben bei Unternehmen oftmals gleiche oder ähnliche Angaben. Durch eine Analyse der vorhandenen Daten wird ein Bild über die Informationsbedürfnisse der Verwaltung erstellt. In einem Vergleich der Datenflüsse können Gemeinsamkeiten, Überlappungen beziehungsweise Mehrfachmeldungen festgestellt werden. In Zusammenarbeit mit den Betroffenen werden gemeinsame Lösungen zur Vereinfachung der Datenerhebung und Weiterleitung erarbeitet. Die heutigen Möglichkeiten erlauben es zudem, die Daten an ihrem Ursprung elektronisch zu 5837

erheben. Diese Möglichkeiten der effizienteren Erhebung und Weiterverarbeitung werden untersucht und bei Bedarf einfachere Lösungen entwickelt. Zusammen mit den verantwortlichen Amtsstellen werden Überschneidungen eliminiert, um die Arbeit für Unternehmer und Verwaltung zu vereinfachen.

Als beispielhaftes Projekt ist die elektronische Lohndatenübertragung («Leistung») zu erwähnen. Dieses Gemeinschaftsprojekt der Schweizerischen Unfallversicherung (SUVA), der Vereinigung der Ausgleichskassen (eAHV/IV) und des SECO hat zum Ziel, die Lohndaten elektronisch per Knopfdruck vom Unternehmen an die verschiedenen Amtsstellen zu übertragen. Bei der MWST ist ein ähnliches Projekt in Arbeit. Mit folgenden Massnahmen werden die genannten Ziele verfolgt: ­

Untersuchung der Datenflüsse von und zu den Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Amtsstellen («Voraussetzung»)

­

Förderung, Unterstützung und Koordination von erfolgversprechenden Projekten

4.3.3.4

Sicherheit

Die Sicherheit der Übertragung der Daten ist einer der wichtigsten vertrauensbildenden Teile in der administrativen Vereinfachung. Nur wenn der Unternehmer sicher ist, dass die Daten unverändert und ohne Zugriffsmöglichkeit von Dritten bei der richtigen Amtsstelle ankommen, ist er bereit, dies elektronisch durchzuführen. Zur Sicherheit gehören eine eindeutige Identifizierung des Unternehmens, eine adäquate digitale Signatur und eine sichere Verschlüsselung. Die eindeutige Identifizierung über eine einheitliche Nummer und die adäquate digitale Signatur sind in der Schweiz noch nicht zufriedenstellend vorhanden. In diesem Bereich ist weiterhin ein aktives Vorgehen notwendig. Im Weiteren gibt es bei verschiedenen Amtsstellen Unsicherheiten über die Art und Weise der Durchführung. Um diese auszuräumen, werden Modellfälle erarbeitet und die Amtsstellen in der Umsetzung begleitet. Der sichere Datenverkehr zwischen den Marktteilnehmern soll durch geeignete Massnahmen ebenfalls unterstützt werden.

Dazu werden folgende Schritte unternommen: ­

Förderung der digitalen Signatur durch den Aufbau von Anwendungsmöglichkeiten («Voraussetzung»)

­

Aufbau eines Systems zur Identifikation der Marktteilnehmer (Firmen (UID) und deren Mitarbeiter) («Voraussetzung»)

­

Erarbeiten von Standards für sichere virtuelle Wirtschaftsräume («E-Wirtschaftsraum Schweiz»)

4.3.4

Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen

Die elektronische Verarbeitung der Daten und die Realisierung von durchgängigen Verarbeitungsprozessen, wie zum Beispiel die elektronische Übertragung der Lohndaten, bedingt die Festlegung von Standards. Diese Standardisierung, die auf allen Ebenen stattfindet, vereinfacht die elektronische Zusammenarbeit zwischen den föderalen Ebenen und hilft allen Verwaltungseinheiten ihre Arbeit zu rationalisieren.

5838

Die durch das ämterübergreifende Zusammenwirken erarbeiteten E-GovernmentStandards werden in der Schweiz durch den Verein eCH gefördert, entwickelt und verabschiedet. Die eCH-Standards haben den Status von Empfehlungen, deren Einsatz auf Stufe Bund, Kantone oder Gemeinden für verbindlich erklärt werden kann.

Der Bund hat zum Beispiel beim neusten Projekt (Formularsuchmaschine) die Aufgabe übernommen, die Identifikation der Formulare und die Suchmaschine zu erarbeiten und allen Amtsstellen der Schweiz zur Verfügung zu stellen («einmal entwickeln ­ mehrfach verwenden»).

4.3.5

Umsetzung und Mittel für E-Government

Die Entwicklung und Umsetzung der E-Government Massnahmen benötigt keine spezifischen Rechtsgrundlagen. Artikel 8 Absatz 2 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes (RVOG) vom 21. März 1997 40 präzisiert, dass der Bundesrat «die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der Bundesverwaltung» fördert. Der Bundesrat will mit der Erhöhung des heutigen Kredits die administrative Belastung für die Unternehmen abbauen und die Produktivität der Verwaltung steigern. Dies im Einklang mit der E-Government-Strategie Schweiz, die explizit vorsieht, dass die federführenden Projekte (E-Government) eine treibende Kraft in der Umsetzung der Strategie sind und ihre Finanzierung selber sicherstellen müssen.

Die E-Government-Massnahmen zugunsten der KMU wurden bereits 2001 im Kontext des Berichts des Bundesrats vom 18. September 2000 41 über die Förderung von Unternehmensgründungen eingeleitet. Dieser Aufgabe wurde ein jährliches Budget von 1,1 bis 1,2 Millionen Franken zugewiesen (Kredit des SECO A 2111.0248 E-Government). Um das E-Government zu fördern, beschloss der Bundesrat einen Verpflichtungskredit im Umfang von 10,2 Millionen für die Jahre 2008­2011, womit das Budget 2008 und der Legislaturfinanzplan um 1,4 Millionen pro Jahr erhöht werden müssen. Diesem Betrag sind die substanziellen Einsparungen gegenüber zu stellen, die sowohl seitens der Unternehmen (vgl. Ziff. 4.3.2.5) als auch seitens der Verwaltung möglich werden.

Alles in allem zielt die Erhöhung der Mittel für E-Government auf folgende Massnahmen zugunsten von KMU:

40 41

­

Weiterentwicklung des Internetportals www.kmu.admin.ch, um den in den vergangenen Monaten beobachteten starken Anstieg der Nutzungsfrequenz zu bewältigen und neue Angebote bereitzustellen;

­

Koordination von zahlreichen Projekten, welche der gesamten Verwaltung und sehr vielen Unternehmen grossen Nutzen respektive Einsparungen bringen wird;

­

Realisation von spezifischen Projekten, deren Finanzierung derzeit sehr schwierig ist, da die Nutzniesser nicht diejenigen sind, die in einem ersten Schritt einer entsprechenden Investition zustimmen müssen.

SR 172.010 BBl 2000 5547

5839

Die Finanzierung ist, wie in der E-Government-Strategie Schweiz vorgesehen, für die jeweiligen federführenden Projekte dezentral zu realisieren.

4.4

Die Öffnung der internationalen Märkte

4.4.1

Einleitung

Das heutige Ausmass der internationalen Arbeitsteilung lässt keine von der Binnenwirtschaftspolitik isolierte Betrachtungsweise der Aussenwirtschaftspolitik mehr zu.

Vielmehr wirkt sich die Aussenwirtschaftspolitik auf alle politisch bestimmten Parameter aus, die den internationalen Austausch von Waren, Dienstleistungen, Investitionen, Arbeitskräften und geistigem Eigentum beeinflussen. Diese veränderten Rahmenbedingungen wirken sich in dreifacher Hinsicht aus: Erstens ist die allgemeine Wirtschaftspolitik zu einem grossen Teil auch Aussenwirtschaftspolitik, weil jede wirtschaftspolitische Massnahme den Marktzugang für ausländische Anbieter, die Qualität als Wirtschaftsstandort und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz beeinflusst. Zweitens bringt eine abkommensmässig gesicherte Garantie des Marktzugangs im Ausland den Schweizer Anbietern mehr, wenn der Markt des Partnerlandes wirtschaftlich dynamisch ist. Wir haben somit ein vitales Interesse daran, dass in den Zielländern unserer Exporte und Direktinvestitionen stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen herrschen. Drittens kann ein stabiler Marktzugang nur in einem multilateral ausgehandelten Rahmen gesichert werden. Dieser hat auch die legitimen Ansprüche der Schwellen- und Entwicklungsländer zu berücksichtigen. Konsequenterweise weist die Aussenwirtschaftsstrategie der Schweiz drei Dimensionen auf: ­

Binnenmarktpolitik der Schweiz;

­

Verbesserung des Marktzugangs im Ausland und Aufbau eines internationalen wirtschaftlichen Regelwerks;

­

Beitrag der Schweiz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Partnerländern.

Im Folgenden soll kurz auf die Binnenmarktpolitik eingegangen werden und v.a. die Aktivitäten des Bundes hinsichtlich der Verbesserung des Marktzugangs für KMU im Ausland, der Exportförderung, dargelegt werden.

4.4.2

Die Binnenmarktpolitik

Die Dimension «Binnenmarktpolitik der Schweiz» greift die Forderung nach mehr Wettbewerb im Binnenmarkt auf. Die Leistungsfähigkeit der Binnenwirtschaft ist ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes, auch was die Exporte von Waren und Dienstleistungen sowie die Auslandinvestitionen anbelangt. Damit sich ein Mehr an Exporten nachhaltig auf die Binnenwirtschaft auswirkt und nicht nur die Vorleistungsimporte erhöht, müssen Wirtschaftzweige, die bisher vor allem in der Binnenwirtschaft tätig waren, ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Neben der Wettbewerbsfähigkeit im weiteren Sinn trägt dazu auch die Belebung des Wettbewerbs durch Importkonkurrenz bei, sei es in Form von Importen oder in Form von Direktinvestitionen. Defizite bezüglich der Wettbewerbsintensität auf dem Binnenmarkt bestehen vor allem im öffentlichen Beschaffungswesen, bei der Elektrizitäts5840

versorgung, aber auch im Gesundheitswesen und in weiteren Dienstleistungsmärkten.

Die operative Umsetzung «Binnenmarktpolitik der Schweiz» im Rahmen der Aussenwirtschaftspolitik erfolgt unter anderem durch verstärkte Bemühungen zur Beseitigung noch bestehender Schranken im technischen Recht. Mit dem Entscheid des Bundesrates, das Cassis-de-Dijon-Prinzip einzuführen, soll der Wettbewerb im Inland zusätzlich gestärkt werden. Parallel dazu wurde die autonome Angleichung der schweizerischen Rechtsvorschriften an jene der EU mit Blick auf die spätere Anerkennung der Gleichwertigkeit der schweizerischen Bestimmungen mit denjenigen der EU fortgesetzt (Chemikalienrecht, Lebensmittelhygienerecht).

Die Promotion des Wirtschaftsstandortes Schweiz trägt zur Belebung der Binnenwirtschaft bei, sei dies in Form von Anreizen zur Sitzwahl ausländischer Unternehmen in der Schweiz, der Wertsteigerung der «Marke Schweiz» oder durch die Steigerung der Zahl ausländischer Touristen. Ein intensiver Wettbewerb spielt sich heute nicht mehr primär nur zwischen internationalisierten Unternehmen und Wirtschaftszweigen ab, vielmehr ist zwischen den Staaten ein harter Standortwettbewerb um mobile Produktionsfaktoren entstanden. Dabei spielen neben komparativen Vorteilen bei der Ausgestaltung von Produktionsfaktoren vor allem auch die staatlichen Rahmenbedingungen eine bedeutende Rolle.

4.4.3

Exportförderung: Die Business Hubs

Die staatliche Exportförderung ist in Anlehnung an das Prinzip der Subsidiarität auf Beratungsdienste ausgerichtet, die von privaten Exportberatungsunternehmen nicht angeboten würden, da die Kosten der Leistungserstellung über dem erzielbaren Marktpreis liegen. Trägerin des Mandats des Bundes zur operationellen Exportförderung ist Osec Business Network Switzerland. Sie ist seit 1927 als nicht gewinnorientierter privatrechtlicher Verein in der Exportförderung tätig. Gegründet wurde der Verein als Selbsthilfe-Organisation der Schweizer Exportwirtschaft. Osec hat rund 7000 Kunden, davon 1300 Mitglieder. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) aus allen Branchen und Landesregionen stellen mit rund 90 % den Grossteil der Osec-Mitglieder. Darunter finden sich aber auch zahlreiche in der Schweiz ansässige Grossunternehmen sowie Wirtschaftsorganisationen, Handelskammern und öffentlich-rechtliche Körperschaften. Osec erhielt vom Bund einen neuen Leistungsauftrag zur operationellen Exportförderung für die Jahre 2006­2007. Für dieses Mandat stehen Osec jährlich Mittel im Umfang von rund 17 Mio. Franken zur Verfügung. Osec beschäftigt heute in ihren Büros in Zürich, Lausanne und Lugano 76 Mitarbeitende.

Osec koordiniert zur Förderung der Aussenwirtschaft ein Netzwerk kompetenter Anlaufstellen im In- und Ausland und betreibt mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) als wichtigster Partner ein Netz von sogenannten Swiss Business Hubs (SBH). Osec baut die SBH seit 2001 systematisch auf. Neben Hubs in Europa und den USA befanden sich auch Japan, Indien und China unter den Kompetenzzentren der ersten Stunde.

Die asiatischen Märkte sind gemäss der Aussenhandelstatistik ganz klar die stärksten Wachstumsmärkte für die Schweizer Exporteure. Osec hat diesen Trend erkannt und darauf reagiert: Im Februar 2005 nahm der erste regionale Swiss Business Hub 5841

in Dubai mit Aussenstellen in Saudi-Arabien und Kuwait seine Tätigkeit in der Golfregion auf. Am 7. Mai 2007 eröffnete Bundesrätin Doris Leuthard im Rahmen ihres offiziellen Besuches in Südafrika in Pretoria den insgesamt 16. Swiss Business Hub.

Eine 2005 durchgeführte Umfrage von Osec bei Schweizer KMU zeigt, dass die KMU eine Verstärkung des Hub-Netzes in den Aufbaumärkten mit einem überdurchschnittlichen Potenzial wünschen. Daher werden die Leistungen in den hoch entwickelten Märkten Frankreich, Österreich, Italien und Deutschland im Jahre 2006 reduziert. Mit den dadurch frei werdenden Ressourcen wird im Gegenzug der Ausbau der Hubs in China, Indien und in der Golfregion forciert.

Die 16 bestehenden Swiss Business Hubs unterstützen ­ als externe Partner des sich in einem kontinuierlichen Ausbau befindlichen Business Network Switzerland ­ Schweizer und Liechtensteiner Unternehmen bei der Suche und der Bewertung von Geschäftspartnern und -möglichkeiten im Ausland. Die Dienstleistungen der SBH in Brasilien, China, Deutschland, Dubai, Frankreich, Grossbritannien, Indien, Italien, Japan, Österreich, Polen, Russland, Singapur, Spanien, Südafrika und den USA umfassen unter anderem: ­

Informationen über den Zielmarkt, Marktforschung und Analysen

­

Informationen über Geschäftsmöglichkeiten in relevanten Branchen

­

Unterstützung bei qualifizierter Geschäftspartnersuche

­

Kontakte zu Handelsorganisationen und öffentlichen Institutionen

­

Organisation von Messebeteiligungen und Veranstaltungen im Zielmarkt

In umgekehrter Richtung unterstützen die SBH auch ausländische Unternehmen, die in der Schweiz Geschäftsmöglichkeiten oder -partner suchen. Dabei geht es vorab um die Vermittlung von Basisinformationen.

Eine Vielzahl von Firmen nutzt das Angebot der Osec: Im Jahr 2006 wurden 2134 Basisberatungen (Firmenberatungstage, Export Audits, individuelle Erstberatungsgespräche) durchgeführt. Zusammen mit privaten Beratungsunternehmen wurden knapp 360 weiterführende Beratungsmandate ausgeführt. Im Aussennetz wurden im Jahr 2005 insgesamt über 4500 Anfragen beantwortet und knapp 40 000 Unternehmen konsultieren pro Monat die Osec-Website. Über 95 Prozent der Kundschaft sind mit der Information und der Beratung zufrieden.

Neben den spezialisierten Swiss Business Hubs bieten überdies alle schweizerischen diplomatischen und konsularischen Vertretungen im Ausland, im Rahmen des Grundversorgungsauftrags des Bundes, standardisierte Informationen und Beratung im Bereich der Exportförderung an. Diese Basisdienstleistungen, die auch die Vermittlung von Kontakten und Unterstützung beim Zugang zu offiziellen Stellen im Ausland umfassen, richten sich an alle schweizerischen und liechtensteinischen Unternehmen.

In seiner Botschaft über die Standortförderung 2008­2011 vom 28. Februar 2007 schlägt der Bundesrat vor, die Mandate in den Bereichen der Exportförderung und der Standortpromotion zusammen mit den Mandaten der Investitions- und der Importförderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit unter einem Dach zusammenzuführen.

5842

Im Bereich der Aussenwirtschaftsförderung soll über eine Leistungsvereinbarung die Standortpromotion (LOCATION Switzerland) in die Osec Business Network Switzerland (Osec) eingegliedert werden. Auch in die Osec eingegliedert werden über Leistungsvereinbarungen soll die Investitions- und Importförderung zugunsten von Entwicklungsländern (bisher eigenständig von der SOFI AG bzw. vom Verein SIPPO ausgeführt). Damit wird die Osec zum «Haus der Aussenwirtschaftsförderung», welches die Nutzung von Synergien zwischen der Exportförderung und der Standortpromotion sowie der Investitions- und Importförderung zugunsten von Entwicklungs- und Transitionsländern erlaubt. Dies wird zu einer noch wirksameren Ausschöpfung von internationalen Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen führen.

4.4.4

Exportförderung: Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV)

Durch die Gewährung einer Versicherung erleichtert der Bund im Interesse der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen und der Förderung des Wirtschaftsstandortes Schweiz die Übernahme von Exportaufträgen, bei denen der Zahlungseingang mit besonderen Risiken verbunden ist.

Aufgrund des starken Wandels des weltwirtschaftlichen Umfelds wurde das Bundesgesetz vom 26. September 1958 42 über die Exportrisikogarantie (ERG) total revidiert. Die Globalisierung und die Privatisierung vieler ehemaliger Staatsbetriebe verlangten nach einer Erweiterung der Dienstleistungen. Per 1. Januar 2007 wurde mit dem neuen Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 43 die ERG durch die neue öffentlich-rechtliche Anstalt Schweizerische Exportversicherung (SERV) abgelöst.

Für Schweizer Exporteure besteht seither neu die Möglichkeit, bei Exportgeschäften zusätzlich zum politischen und Transferrisiko auch das private Käuferrisiko zu decken.

Nutzniesser dieser Massnahme sind diejenigen Unternehmen und Unterlieferanten ­ und damit ihre Beschäftigten ­ die gegen Entrichtung einer Prämie in den Genuss einer Exportrisikoversicherung gelangen können. Es wird ihnen ermöglicht oder sie haben es einfacher, Verträge mit privaten Käufern abzuschliessen und finanzieren zu lassen, weil fortan die SERV das private Käuferrisiko versichern kann.

In der Botschaft vom 24. September 2004 44 zum Bundesgesetz über die Schweizerische Exportrisikoversicherung (SERV) hat der Bundesrat angekündigt, dass die Bedürfnisse der KMU ein besonderes Anliegen der staatlichen Exportförderung durch die SERV seien. Dabei verwies er auf eine OECD Studie aus dem Jahr 2002, welche aufzeigt, dass mehrere Export Credit Agencies (ECA) von OECD-Ländern in ihrem Mandat einen expliziten KMU-bezogenen Auftrag haben. Andere ECA verstehen ihr Mandat so, dass es implizit einen solchen Auftrag enthält. Die OECD Studie zeigt auch, dass die KMU-Freundlichkeit der ECA-Angebote sich im Wesentlichen auf Informationsveranstaltungen sowie einen reduzierten administrativen Aufwand für Exporteure beim Garantieantrag und ein vereinfachtes Prüfungsverfahren konzentriert. Einige ECAs stellen ihren KMU vereinfachte Sammelpolicen für Kleingeschäfte zur Verfügung. In den Bereichen «Risikoübernahme» 42 43 44

AS 1959 391, 1973 1024, 1978 1985, 1981 56, 1992 288 Anhang Ziff. 63, 1996 2444 SR 946.10 BBl 2004 5795

5843

und «Versicherungsprämien» machen die ECA aus Risikoüberlegungen und Gründen der Marktverzerrung keine Konzessionen an die KMU.

Die Botschaft des Bundesrates sieht vor, dass die SERV im Rahmen der Einführung des privaten Käuferrisikos ebenfalls die Einführung einer KMU-Fazilität prüfen wird, die den besonderen Anliegen der KMU einerseits und den versicherungsmässigen Erfordernissen der SERV anderseits angemessen Rechnung trägt. Es ist deshalb damit zu rechnen, dass der SERV-Verwaltungsrat in seiner Geschäftsstrategie die Anliegen der KMU gebührend berücksichtigen wird.

Im Jahr 2005 wurden von der damaligen ERG 419 Neugarantien erteilt; dies sind 49 Garantien mehr als im Vorjahr. Dabei stieg die Zahl der Neugarantien bis CHF 1 Mio. von 16 Prozent (2004) auf fast 24 Prozent (2005) aller erteilten Garantien.

Obschon die Anzahl von Neugarantien für kleinere Projekte, welche für die KMU vorwiegend von Interesse sind, bedeutend ist, dürfte die Hauptrolle der KMU darin bestehen, als Unterlieferanten an Projekten unabhängig von deren Gesamtvolumen indirekt von Dienstleistungen der SERV zu profitieren.

4.5

Unternehmen und Besteuerung

4.5.1

Einleitung

Im internationalen Vergleich zeichnet sich das Schweizer Steuersystem durch eine relativ bescheidene Belastung der Unternehmen und durch eine sehr dezentralisierte Struktur aus. Die nebeneinander bestehende Besteuerung der Einkommen und der Unternehmensgewinne auf der Ebene des Bundes, der Kantone und der Gemeinde ist von ambivalenter Natur: Einerseits erhöht sie die Komplexität des Systems und die administrative Belastung, andererseits erlaubt sie eine grosse Flexibilität und bietet den Unternehmen einen relativ einfachen Zugang zu den Steuerbehörden, welche die wichtigen Entscheide treffen. Das eidgenössische System bevorzugt moderate Sätze und sieht keine besonderen Ausnahmen für die kleinen Unternehmen vor, wie dies in gewissen anderen Ländern der Fall ist. Auch die indirekte Besteuerung, namentlich die Mehrwertsteuer (MWST) zeichnet sich durch moderate Sätze aus: der aktuelle Normalsatz beträgt 7,6 Prozent, gegenüber Sätzen von 15­25 Prozent in den Ländern der Europäischen Union.

Die Besteuerung wird in der Schweiz als ein zentrales Element der Rahmenbedingungen für die Unternehmen angesehen. Aufgrund des internationalen Wettbewerbs sowie des Wettbewerbs zwischen den Regionen im Innern des Landes wird das Steuersystem laufend angepasst. Im Bereich der KMU-Politik sind mehrere Revisionsprojekte von besonderem Interesse: ­

die Hauptvorlage der Unternehmenssteuerreform II mit der gezielten Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung für unternehmerisch engagierte Anteilshaber;

­

die durch Separatvorlage der Unternehmenssteuerreform II auf den 1. Januar 2007 in Kraft gesetzten steuerlichen Anpassungen bei Unternehmensnachfolgen;

­

die Einführung eines neuen Investitionsinstrumentes für das Risikokapital im Rahmen des neuen Bundesgesetzes über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG);

5844

­

die Besteuerung der Mitarbeiteroptionen bei neuen Unternehmen;

­

die Revision des Mehrwertsteuergesetzes.

4.5.2

Unternehmenssteuerreform II

Die sogenannte «Unternehmenssteuerreform II» wurde bereits 2001 lanciert. Ende 2002 haben mehrere parlamentarische Interventionen den Bundesrat beauftragt, die Arbeiten daran zu beschleunigen 45. Ende 2003 wurde eine Vernehmlassung gestartet. Ihre Ergebnisse wurden anschliessend in die vom Bundesrat am 22. Juni 2005 46 verabschiedete «Botschaft zum Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen» integriert. Das Reformprojekt verfolgt drei hauptsächliche Anliegen: ­

Annäherung an die Gewinnverwendungs- und Kapitalstrukturneutralität (Finanzierungsneutralität);

­

Annäherung an die Rechtsformneutralität;

­

Entlastung des Risikokapitals mittels Senkung der effektiven Grenzsteuerbelastung.

Die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung ist ein Hauptelement der Revision. Sie soll mittels einer Teilbesteuerung der an Anteilsinhaber von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften ausbezahlten Dividenden erreicht werden. Diese Definition des Risikokapitals ist also sehr weit und geht über die in Ziffer 3.5.4 verwendete Definition des angelsächsischen «Venture Capitals» hinaus. Die am 23. März 2007 47 von den eigenössischen Räten mit dem Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen (Unternehmenssteuerreformgesetz II) verabschiedete Lösung sieht eine Teilbesteuerung der Dividende von künftig 60 % im Privatvermögen und 50 % im Geschäftsvermögen für Anteilsinhaber mit mindestens 10 % Beteiligung vor. Diese Teilbesteuerung erlaubt eine Angleichung der steuerlichen Belastung: Unternehmen, die sich über Kredite finanzieren, werden nicht mehr steuerlich vorteilhafter behandelt als jene, die sich mittels Eigenkapital finanzieren. Ausserdem wird die vorteilhafte Besteuerung der Selbstfinanzierung weiterhin gewährleistet.

Junge und rasch wachsende Unternehmen können sich weiter entwickeln und Arbeitsplätze schaffen. Reifen Firmen wird die Nachfolgeplanung erleichtert, weil für den Betrieb nicht mehr notwendige Mittel einfacher aus dem Unternehmen fliessen können. Das Unternehmenssteuerreformgesetz II enthält noch weitere interessante Massnahmen für die kleinen Unternehmen, nämlich Entlastungen zugunsten von Personenunternehmen in den Bereichen Ersatzbeschaffung, Restrukturierungen, Erbteilung und Liquidation. In Bezug auf die Regelung des gewerbsmässigen Wertschriftenhandels bestehen zwischen den beiden Räten Differenzen; 45

46 47

Besonders die Motion der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats vom 29. Oktober 2002 (02.3638), die parlamentarische Initiative der christlichdemokratischen Fraktion vom 12. Dezember 2002 (02.469), die parlamentarische Initiative Lauri vom .

Oktober 2004 (04.461), die Motion der Freisinnig-Demokratischen Fraktion vom 23. September 2004 (04.3457), die Motion Baumann vom 8. Oktober 2004 (04.3600) und die Motion Bührer vom 16. Dezember 2004 (04.3736).

BBl 2005 4733 BBl 2007 2321

5845

dieser Regelungsgegenstand wurde deshalb aus der Hauptvorlage der Unternehmenssteuerreform herausgebrochen und soll zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden. Bei Wiederaufnahme der diesbezüglichen Beratungen wird u.a. auch der steuerliche Status von Privatinvestoren wie der Business Angels (vgl. Art. 5 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1999 48 über die Risikokapitalgesellschaften) zu prüfen und gegebenenfalls zu klären sein.

4.5.3

Besteuerung der Unternehmensübertragung bei Nachfolgeregelungen

Bei der sogenannten indirekten Teilliquidation tritt eine nicht dem Verkäufer gehörende Kapitalgesellschaft als Käuferin auf. Wegen des Systemwechsels vom Privatzum Geschäftsvermögen (bzw. vom Nennwertprinzip zum Buchwertprinzip) übernimmt die Käuferin die latente Steuerlast auf den noch nicht ausgeschütteten Gewinnen nicht. Die unter altem Recht geltende Steuerpraxis ging deshalb in gewissen Fällen von einer steuerbaren Ausschüttung aus. Nach bisheriger Rechtsprechung war dies insbesondere dann der Fall, wenn die Käuferin den Kaufpreis den Reserven des gekauften Unternehmens entnahm. Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid 2A.331/2003 vom 11. Juni 2004 diese Rechtsprechung wesentlich ausgedehnt und festgehalten, dass eine indirekte Teilliquidation auch dann anzunehmen sei, wenn der Kaufpreis aus künftigen Gewinnen des verkauften Unternehmens getilgt wird.

Angesichts der durch dieses Urteil hervorgerufenen Nachfolge-Blockaden hat das Parlament beschlossen, die Regelung der indirekten Teilliquidation aus der Hauptvorlage der Unternehmenssteuerreform II abzukoppeln und als Separatvorlage vordringlich zu behandeln. Das Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 49 über dringende Anpassungen bei der Unternehmensbesteuerung (in Kraft seit 1. Januar 2007) sieht bei indirekten Teilliquidationen nun vor, dass der Erlös aus dem Verkauf einer Beteiligung von mindestens 20 Prozent am Kapital eines Unternehmens in dem Umfang als Ertrag aus beweglichem Vermögen besteuert wird, als innert fünf Jahren nach dem Verkauf unter Mitwirkung des Verkäufers nicht betriebsnotwendige Substanz ausgeschüttet wird. Diese Substanz muss zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits vorhanden und handelsrechtlich ausschüttungsfähig sein. Die steuerliche Behandlung von Unternehmensnachfolgen wird damit praxisnah und gezielt auf die Bekämpfung von Missbräuchen ausgerichtet. Die Neuregelung zur indirekten Teilliquidation gilt rückwirkend auch für noch nicht rechtskräftige Veranlagungen der in den Steuerjahren ab 2001 erzielten Erträge.

4.5.4

Neues Investitionsinstrument für das Risikokapital

Während die Schweiz insbesondere dank der Nichtbesteuerung der privaten Kapitalgewinne ein relativ günstiges Steuerumfeld für Privatinvestoren aufweist, muss eingeräumt werden, dass diese Vorteile viel weniger klar sind, wenn eine Investition durch ein Unternehmen getätigt wird. In solchen Fällen kann eine Doppelbesteuerung auftreten, wenn die Gewinne den Investoren in Form einer Dividende weiter48 49

SR 642.15 BBl 2006 5749

5846

gegeben werden. Aus diesem Grund haben sich zahlreiche Investoren bisher Investitionsstrukturen im Ausland zugewandt, die den Vorteil der steuerlichen Transparenz aufweisen. In der Regel handelt es sich dabei um eine «Limited Partnership», eine Form, die sich in den angelsächsischen Ländern zunehmend etabliert.

Der Schutz der Investoren im Rahmen der Gesetzgebung über die Anlagefonds verunmöglichte bisher in der Schweiz ein solches Modell. Aus diesem Grund wurden die Rechtsgrundlagen vollständig überarbeitet und das Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 50 über die kollektiven Kapitalanlagen (KAG) geschaffen, das am 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist. Mit dem KAG wird ein Investitionsinstrument eingeführt, das der angelsächsischen Limited Partnership gleicht, indem die Definition der Kommanditgesellschaft geändert und ermöglicht wurde, dass der Komplementär eine Gesellschaft sein kann. Die Logik des Schutzes der Investoren wird umgekehrt: Nur qualifizierte Investoren können an dieser Investitionsform teilhaben.

Die Vollzugsverordnung zum KAG sieht vor, dass diese Investoren über ein Vermögen von mindestens zwei Millionen Franken verfügen müssen.

Die Kommanditgesellschaft für kollektive Anlagen wird selbst nicht besteuert, sie ist «steuerlich transparent». Die Investoren (Kommanditärinnen und Kommanditäre) können auch von der Nichtbesteuerung der Kapitalgewinne profitieren. Der Komplementär wird als Gesellschaft besteuert, insofern es sich um eine Aktiengesellschaft handelt. Die Frage stellt sich nun, ob die steuerliche Behandlung dieses «General Partners» attraktiv genug ist, um dieses Instrument auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig zu machen. Dies würde eine «Rückführung» gewisser Strukturen erlauben, die bisher im Ausland geschaffen wurden, um den Bedürfnissen der Schweizer Investoren gerecht zu werden.

4.5.5

Optionsbesteuerung

Im Jahr 2000 plante der Bundesrat die Anpassung eines Rundschreibens der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur Vereinfachung des Einsatzes von Mitarbeiteroptionen für die neuen Unternehmen. Die Besteuerung erfolgte nämlich im Moment der Gewährung der Option. Für die Mitarbeitenden der neuen Unternehmen bedeutete dies, dass sie die Steuer bezahlen mussten, während die Risiken einer Unternehmensschliessung oder eines Kurszerfalls und damit des Verlustes der Option sehr hoch waren. Die Kantone hatten sich dieser Änderung widersetzt, ein Gesetzesentwurf wurde durch eine Expertenkommission vorbereitet und in die Vernehmlassung gegeben. In der Botschaft vom 17. November 2004 51 zum Bundesgesetz über die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen wird vorgeschlagen, die Mitarbeitenden zum Zeitpunkt der Ausübung der Option zu besteuern, wobei der Steuerbetrag entsprechend der Haltedauer und der Sperrfrist der Option reduziert wird.

Die Option ist von grossem Interesse für die neuen Unternehmen, denn sie erlaubt ihnen mit niedrigen Kosten und ohne das Risiko der Verwässerung des Kapitals, die Mitarbeitenden an den zukünftigen Gewinnen zu beteiligen, die dank der Wertsteigerung der Aktie des Unternehmens erzielt werden. Da das neue Besteuerungssystem nicht nur auf die Mitarbeitenden von Start-ups beschränkt war, sondern auch die Kader der Grosskonzerne betraf, wurde die Vorlage stark kritisiert. Sie wurde als 50 51

SR 951.31 BBl 2005 575

5847

Instrument zur Bevorzugung einer Minderheit angeprangert, durch das die auf die Einkommensbesteuerung angewandten Regeln umgangen würden. Nachdem der Ständerat die Vorlage im Mai 2005 angenommen hatte, wurde sie durch den Nationalrat teilweise modifiziert und die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) hat die Bundesverwaltung aufgefordert, zu präzisieren, wie viele Personen von diesen Vorteilen profitieren könnten, um das allfällige Ausmass der Steuerausfälle einschätzen zu können. Zurzeit ist die Vorlage daher blockiert.

4.5.6

Revision der MWST

Die Tatsache, dass die MWST von den KMU als grösste administrative Belastung betrachtet wird, hat sich politisch ausgewirkt. Das Eidgenössische Finanzdepartement hat eine Reihe pragmatischer Sofortmassnahmen ergriffen und hat zudem die Revision des Mehrwertsteuergesetzes in Angriff genommen. Unter den Sofortmassnahmen kann zunächst die Schaffung eines MWST-Konsultativgremiums erwähnt werden, das Experten und Wirtschaftsvertretern erlaubt, zu den Projekten der Steuerverwaltung Stellung zu beziehen. Die zur Berechnung des Steuerbetrags nach der Saldosteuersatzmethode verwendeten Pauschalsätze wurden für zahlreiche Branchen nach unten angepasst. Infolge des Berichts zur Analyse der Entwicklung der MWST nach 10 Jahren hat der Bundesrat die Verordnung vom 29. März 2000 52 zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (MWSTGV) angepasst und zahlreiche punktuelle Verbesserungen eingeführt. Der Höhepunkt dieses pragmatischen Ansatzes war die Einführung einer neuen Klausel in der MWSTGV, welche den Formalismus reduziert. Damit werden Formfehler (zum Beispiel unvollständige Angaben in einer Rechnung) keine Auswirkungen mehr haben, wenn diese Fehler nicht zu Mindereinnahmen für die MWST führen. Auch die Eidg. Steuerverwaltung hat seit 2005 zahlreiche Verbesserungen und Vereinfachungen ihrer Praxis vorgenommen und publiziert.

Die Mehrwertsteuer wird allgemein als sehr komplex und aufwändig wahrgenommen. In der Umfrage des SECO bei KMU im vergangenen Jahr hat sich die Mehrwertsteuer als klarer Spitzenreiter bei den Ursachen administrativer Belastung in der Schweiz herauskristallisiert. Der Bundesrat hat in seinem Bericht «10 Jahre Mehrwertsteuer» denn auch grundsätzlichen Reformbedarf ausgemacht. Derzeit ist ein Revisionspaket in der Vernehmlassung, dessen Ziel es ist, das Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer zu vereinfachen. Im Rahmen dieser Revision sollen aber auch die Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen, die Transparenz allgemein sowie die Kundenorientierung der Verwaltung erhöht werden. Die Aufgabe der Unternehmen als «Inkassostelle» der Mehrwertsteuer, die bei den eigentlich steuerpflichtigen Konsumentinnen und Konsumenten die Steuer eintreiben, soll erleichtert und ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Bund und Unternehmen etabliert werden.

Das Vorhaben der Mehrwertsteuergesetzesrevision ist
jedoch ­ dem Komplexitätsgrad des geltenden Rechts entsprechend ­ vielschichtig und umfangreich. Die Revision wurde deshalb modular aufgebaut und den Vernehmlassungsadressaten in 3 Modulen mit einer Subvariante vorgelegt.

52

SR 641.201

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Die Basis legt dabei das erste Modul «Steuergesetz», welches ein vollständig überarbeitetes Gesetz enthält und Elemente zahlreicher Vorstösse aus dem Parlament, des erwähnten Berichts des Bundesrats sowie der Vorschläge der «Expertengruppe Spori» aufnimmt. Der Entwurf baut auf einer einfacheren Systematik und über 50 materiellen Revisionspunkten auf. Insbesondere soll auch der Formalismus des geltenden Rechts abgebaut werden.

Einen Schritt weiter geht das Modul «Einheitssatz», das mit der Einführung eines einheitlich geltenden Mehrwertsteuersatzes von 6 % die Revision konsequent weiter treibt. Zudem sollen 20 von heute 25 Steuerausnahmen aufgehoben und damit komplexe Abgrenzungsprobleme abgebaut werden. Ausnahmen werden nur dort zugelassen, wo der administrative Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag steht oder wo technisch die Steuerbemessungsgrundlage nicht bestimmt werden kann.

Diese radikale Vereinfachung reduziert auch die Schattensteuer (taxe occulte), was der Wirtschaft einen spürbaren Wachstumsimpuls verleihen könnte. In diesem Modul wird eine Subvariante «Gesundheitswesen» zur Diskussion gestellt, die diesen Wirtschaftszweig unecht von der Steuer befreit und damit eine Satzerhöhung von 0,4 auf 6,4 bedeuten.

Das dritte Modul «2 Sätze» ist als Alternative zum Modul «Einheitssatz» gedacht.

Ein Satz von 7,5 % für den Grossteil der Fälle und einen von 3,4 für Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Nahrungsmittel, Kultur, Sport, Bildung, Gastgewerbe, Beherbergung und Gesundheitswesen. Dies führt zwar wiederum zu einem höheren Komplexitätsgrad, ermöglicht allerdings umgekehrt bestimmte Bereiche aus sozialpolitischen Gründen einem tieferen Satz zu unterstellen. Ausserhalb dieser Entwurfsvarianten werden zudem weitere grundsätzliche Reformmöglichkeiten in die Vernehmlassung gegeben.

Derzeit ist das SECO daran, mit der in Europa weit verbreiteten Standardkostenmodell-Methodik den administrativen Aufwand zur Erfüllung der einzelnen Informationspflichten im Rahmen des geltenden Rechts detailliert zu eruieren. Dabei werden die Bürokratiekosten bestimmt, die durch die korrekte Anwendung des Gesetzes bei den Unternehmen in der Schweiz entstehen. Ex ante sollen auch die Kosten der Revisionsvorhaben abgeschätzt werden.

Dabei werden in einem ersten Arbeitsschritt sämtliche Informationspflichten,
die das Gesetz vorschreibt, identifiziert. Danach werden für die wichtigsten dieser Pflichten Interviews mit Unternehmen durchgeführt, die es erlauben, eine möglichst präzise Zeitdauer, welche die Erfüllung der einzelnen Pflichten in Anspruch nimmt, zu bestimmen. Zusätzlich muss auch die Häufigkeit des Vorgangs bestimmt werden und schliesslich die durchschnittlichen Personalkosten derjenigen, die diese Pflichten jeweils erfüllen. Die Grundlage für die Berechnung von eher selten vorkommenden Informationspflichten werden in Expertenpanels, in denen auch Praktiker vertreten sind, erarbeitet. Schliesslich kann aufgrund der aggregierten Werte eine Aussage über die Kosten der einzelnen Informationspflichten gemacht werden. Auf diese Weise entsteht eine verhältnismässig seriöse Diskussionsgrundlage, die konkrete Probleme der Regulierung und Ansatzpunkte für die Verbesserung der administrativen Abläufe aufzeigt. Das Standardkostenmodell erlaubt zudem eine Priorisierung von Massnahmen entlang der Höhe der verursachten administrativen Kosten.

Das Sekretariat des KMU-Forums wird gleichzeitig einen KMU-Verträglichkeitstest mit Fokus auf der Saldosteuersatzmethode durchführen. Trotz diverser Schwachpunkte dieser Abrechnungsvariante wurde sie in der Vergangenheit von bemerkens5849

wert vielen Unternehmen eingesetzt. Sie wird wohl trotz Vereinfachungen im Mehrwertsteuer-System die effizienteste Abrechnungsart bleiben. Sie ist einfach und bietet insbesondere auch einen hohen Grad an Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen. Der Kreis derjenigen Unternehmen, die sie anwenden können, wird durch die beabsichtigte Erhöhung der Umsatz- und Steuerschuldlimite nochmals stark erhöht.

Zudem kann diese Methode durch die vorgeschlagene Verkürzung der Frist von 5 auf 3 Jahre beim Wechsel von der effektiven Abrechnungsweise zur Abrechnung nach Saldosteuersätzen an Attraktivität gewinnen. Die Saldosteuersatzmethode stellt insbesondere für Kleinstunternehmen, die ihren Umsatz vorwiegend in der Schweiz erzeugen, eine interessante Abrechnungsalternative dar, weshalb eine vertiefte Analyse wohl auf breites Interesse stossen wird.

4.6

Gewerbliches Bürgschaftswesen

Gewerbeorientierte KMU können dank dem vom Bund mit Bürgschaftsgenossenschaften partnerschaftlich getragenen System des gewerblichen Bürgschaftswesens von einem erleichterten Zugang zu Bankkrediten profitieren.

In der Schweiz bestehen heute zehn sogenannte gewerbliche Bürgschaftsgenossenschaften sowie die Bürgschaftsgenossenschaft der Frauen (SAFFA). Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, kleinen und mittleren Unternehmen den Fremdkapitalzugang zu erleichtern. Zu diesem Zweck übernehmen sie zur Sicherstellung des vom Unternehmen beanspruchten Bankkredits eine Solidarbürgschaft. Der Bund richtet ­ gestützt auf den Bundesbeschluss vom 22. Juni 1949 53 über die Förderung der gewerblichen Bürgschaftsgenossenschaften ­ Finanzhilfen an die gewerblichen Bürgschaftsgenossenschaften aus. Er beteiligt sich einerseits zu 50 respektive 60 Prozent an den eingetretenen Verlusten, andererseits richtet er einen Zuschuss an die allgemeinen Verwaltungskosten der Genossenschaften aus.

Durch die Immobilienkrise Anfang der neunziger Jahre gerieten zahlreiche Bürgschaftsgenossenschaften in finanzielle Schwierigkeiten und mussten saniert werden.

Die Ende 1999 durchgeführte gesamtschweizerische Reorganisation des Bürgschaftswesens (Bürgschaft 2000plus) konnte in der Folge nicht verhindern, dass das Bürgschaftswesen zunehmend an Bedeutung einbüsste.

Während in den achtziger Jahren das Bürgschaftsvolumen noch bei über 400 Millionen Franken lag, sank dieser Betrag bis 1999 auf rund 150 Millionen Franken.

Abbildung 11 zeigt, dass der Erfolg der Reorganisation Bürgschaft 2000plus mager war: Zwar stieg im darauf folgenden Jahr das Bürgschaftsvolumen um bescheidene 2 Prozent auf 153,6 Millionen Franken, danach folgte aber ein sich zunehmend beschleunigender Abwärtstrend mit einer massiv negativen Wachstumsrate von über 12 Prozent im Jahr 2006 auf 94,3 Millionen Franken. Ein wichtiger Grund für die negative Entwicklung der Volumen war insbesondere der Umstand, dass sich die Grossbanken im Zuge der Revision aus dem System zurückzogen. Gut 1500 KMU profitieren zurzeit von diesem System.

53

SR 951.24

5850

Abbildung 13 Entwicklung Bürgschaftsvolumen 1999­2005 160 150 140 130 120 110 100 90 1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Bürgschaftsvolumen Quelle: Jahresberichte SVGB, 1999­2006

In seiner heutigen Form hat deshalb das gewerbliche Bürgschaftswesen nach übereinstimmender Meinung von Vertretern des Bürgschaftswesens sowie der Kredit gebenden Banken keine Zukunft. Im Zuge einer neuerlichen Gesetzesrevision, die bereits 1999 mit einem Postulat 54 ihren Anfang nahm, schlugen die Partner des Bürgschaftswesens auf Anfrage der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) ein neues System vor, welches von der Politik und insbesondere auch von den Grossbanken mitgetragen wird. Die politische und operative Umsetzung läuft auf Hochtouren: Eine erste Etappe des neuen Gesetzes 55 und der Verordnung 56 trat am 15. März 2007 in Kraft ­ das neue System soll Mitte 2007 operativ sein.

Das vorgeschlagene neue System sieht eine Professionalisierung und Vereinfachung vor, was durch eine Reduktion der Anzahl Genossenschaften von heute zehn auf drei plus die SAFFA erreicht werden soll. Die Limite für Bürgschaften wird von 150 000 Franken auf 500 000 Franken angehoben und die Verlustbeteiligung des Bundes von 50 Prozent auf 65 Prozent. Auch wird sich der Bund mit maximal drei Millionen Franken pro Jahr viel stärker an den ungedeckten Verwaltungskosten beteiligen. Alle Banken, auch die grossen, können sich am neuen System beteiligen, ohne Kapital einzusetzen. Ziel ist es, das Bürgschaftsvolumen innert vier Jahren zu 54 55 56

Postulat der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 16. November 1999 (99.3577).

Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 über die Finanzhilfen an gewerbeorientierte Bürgschaftsorganisationen (SR 951.25).

Verordnung vom 28. Februar 2007 über die Finanzhilfen an gewerbeorientierte Bürgschaftsorganisationen (SR 951.251).

5851

verdreifachen. Der Bundesrat erwartet mindestens eine Verdoppelung, sollte diese nicht erreicht werden, wird er vorschlagen, das Gesetz ersatzlos zu streichen.

4.7

Förderung des Risikokapitals

4.7.1

Einleitung

Ende der 90er Jahre hat sich das Parlament für die Förderung neuer Unternehmen ausgesprochen. Die parlamentarische Initiative der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates 57 wurde vom Ständerat stark revidiert, da dieser keine direkte Unterstützung der Investoren wünschte, sondern die Verbesserung des steuerlichen Umfeldes der Investitionsinstrumente, d.h. der Risikokapitalgesellschaften (RKG) bevorzugte. So entstand am 8. Oktober 1999 das Bundesgesetz über die Risikokapitalgesellschaften (BRKG) 58, das am 1. Mai 2000 in Kraft getreten ist.

Artikel 8 schreibt vor, dass der Bundesrat der Bundesversammlung spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Bericht über die getroffenen Massnahmen und die festgestellten Ergebnisse erstattet. Seit 2002 wird eine Evaluation des BRKG durch externe Experten durchgeführt, und der Bundesrat hat die Revision des BRKG in seine Jahresprioritäten für 2003 aufgenommen. Dieses Ziel konnte allerdings nicht erreicht werden, da eine eventuelle Anpassung der steuerlichen Anreize des BRKG die Unternehmenssteuerreform II berücksichtigen muss, die gewissermassen die allgemeinen Regeln dafür festlegt. Die eidgenössischen Räte haben am 23. März 2007 59 die Vorlage zur Unternehmenssteuerreform II verabschiedet. Zurzeit läuft die Referendumsfrist. Sobald Klarheit über den Ausgang dieses Referendums besteht, wird der Bundesrat über das weitere Vorgehen hinsichtlich des BRKG entscheiden.

Die folgenden Informationen erfüllen die durch das Gesetz dem Bundesrat auferlegte Verpflichtung, nach fünf Jahren Bilanz zu ziehen. Der Bundesrat wird das Parlament ausführlicher informieren, sobald sich das steuerliche Umfeld geklärt hat.

Er wird entweder eine Revision des Gesetzes oder seine Aufhebung vorschlagen.

4.7.2

Bilanz des BRKG

Das BRKG sieht vor, dass Risikokapitalgesellschaften, die mindestens 50 % ihrer Mittel in neue Schweizer Unternehmen mit einem Alter von weniger als fünf Jahren investieren, von den eidgenössischen Emissionsabgaben befreit werden und von einem reduzierten Schwellenwert für den Beteiligungsabzug von 5 anstelle von 20 Prozent profitieren können.

Das BRKG hat bis heute noch nicht die erhofften Früchte getragen. Nur insgesamt 24 Unternehmen haben ein offizielles Gesuch beim SECO eingereicht. Von diesen Unternehmen wurden 15 als Risikokapitalgesellschaften anerkannt, während 8 Gesuche noch hängig oder in Bearbeitung sind.

57 58 59

Parlamentarische Initiative der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 7. Januar 1997 (97.400).

SR 642.15 BBl 2007 2321

5852

Tabelle 13 Anzahl Projekte, die vom BRKG profitiert haben Eingereichte Gesuche Hängige Gesuche Anerkannte Gesellschaften 60

24 8 15

Aufgabe der Tätigkeit/Konkurse

5

Entzogene Anerkennung

1

Quelle: SECO

Von 15 anerkannten RKG waren Ende 2005 nur noch 9 aktiv, zwei befanden sich in der Start-/Kapitalaufnahmephase. Fünf Unternehmen haben ihre Tätigkeit eingestellt oder sind Konkurs gegangen und bei einem weiteren musste die Anerkennung zurückgezogen werden, da es die Anerkennungskriterien immer noch nicht erfüllte.

Die RKG konnten nur von der Befreiung von der Emissionsabgabe profitieren. Laut den Zahlen der Eidgenössischen Steuerverwaltung «sparten» sie dadurch zwischen 2000 und 2004 insgesamt 2,9 Mio. CHF an Emissionsabgaben. Diese Zahl beinhaltet auch die Emissionsabgaben der Gesellschaften, die inzwischen Konkurs gemacht haben. Die Gesellschaft, welcher der Bund die Anerkennung entzogen hat und deren Emissionsabgabe noch eingefordert wird, ist hingegen in diesem Betrag nicht enthalten.

Was die Beteiligungsabzüge angeht, konnten die RKG nicht von diesem Anreiz profitieren. Zwischen 2000 und 2003 haben sie nur Verluste ausgewiesen und hätten daher ohnehin keine Steuern bezahlt. Da sie die Verluste der Vorjahre übertragen können, haben sie wahrscheinlich auch die Geschäftsjahre 2004 und die folgenden mit einem negativen Ergebnis abgeschlossen.

Neben den zwei Fonds in der Startphase hatten bis Ende 2004 sieben RKG rund 144 Mio. CHF in 61 seit weniger als 5 Jahren bestehende Unternehmen investiert.

Die in der Schweiz getätigten Investitionen machen dabei 134,6 Mio. CHF für 54 Projekte aus. Diese Zahlen bestätigen die Evaluation durch Infras 61. Sie zeigen zudem auf, dass diejenigen RKG, welche die Anerkennung durch den Bund anstrebten, ohnehin planten, einen grossen Teil ihrer Mittel ­ einen Anteil von weit über den durch das Gesetz vorgeschriebenen 50 Prozent ­ in neue Schweizer Firmen zu investieren. Einige anerkannte RKG sehen sogar in ihren Statuten vor, ausschliesslich in der Schweiz zu investieren.

Im Jahr 2004 haben nur fünf der neun anerkannten RKG Investitionen mit einem Gesamtvolumen von 22,3 Mio. CHF getätigt, davon 20,8 Mio. CHF in der Schweiz.

Damit konnten elf verschiedene Projekte mit einem durchschnittlichen Betrag von 189 000 CHF unterstützt werden. Vier Investitionen in der Schweiz betrugen über eine Million, zwei davon sogar über 5 Mio. CHF.

60 61

Zu dieser Zahl kommen noch 3 andere RKG, die zu einer RKG fusioniert haben, welche in den 15 anerkannten enthalten ist.

INFRAS und Eco'Diagnostic, «Evaluation des Gesetzes über die Risikokapitalgesellschaften» Schlussbericht vom 22. Januar 2003, Zürich. Diesen Bericht findet man auf den SECO Webseiten KMU-Politik/Risikokapital.

5853

Von den neun weiterhin aktiven anerkannten RKG haben nur sieben seit ihrer Anerkennung Investitionen getätigt und damit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beigetragen. Laut den von den anerkannten RKG gelieferten Zahlen wurden bis 2004 rund 1500 neue Stellen geschaffen. Allerdings stellt man bei einer gründlicheren Analyse der erhaltenen Zahlen fest, dass ein Teil der Investitionen zur Rettung von Unternehmen und damit zum Erhalt bestehender Arbeitsplätze getätigt wurden, ohne neue Stellen zu schaffen. Diese Arbeitsplätze werden bei der Berechnung der neuen Stellen nicht berücksichtigt. In den meisten Fällen werden zwischen null und fünfzig neue Arbeitsplätze geschaffen. Einige besondere Fälle erlaubten die Schaffung von 200­300 Stellen und in einem Einzelfall wurden gar 800 Arbeitsplätze geschaffen.

Die Vorteile des BRKG für die Privatinvestoren, die Business Angels (BA), bestehen in einem Steueraufschub für nachrangige Darlehen. Zum Zeitpunkt, wo die Investition getätigt wird, kann der Investor bei der direkten Bundessteuer 50 Prozent des Darlehensbetrags, jedoch insgesamt höchstens 500 000 Franken, von seinem steuerbaren Einkommen abziehen. Zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens durch die Unternehmen ist dieser Betrag jedoch zu versteuern. Wie die Evaluation von 2002 gezeigt hat, wird die geringe Attraktivität dieser Massnahme dadurch erklärt, dass der Mechanismus auf die nachrangigen Darlehen beschränkt ist. Business Angels hingegen gehen eher direkte Beteiligungen am Unternehmenskapital ein. Zudem hätten sie bei nachrangigen Darlehen nur bei der direkten Bundessteuer einen Vorteil und nicht für die kantonalen Steuern. Bis heute haben nur zwei Privatinvestoren ein Gesuch um Anerkennung eingereicht. Diese Investoren konnten nicht anerkannt werden, da ihr Projekt im Moment der Einreichung des Gesuchs dabei war, Konkurs zu gehen.

4.7.3

Überlegungen zu einer Revision des BRKG

Am 6. September 2006 hat das SECO ein Seminar organisiert, um mit Branchenexperten über die Entwicklung des Marktes und den allgemeinen Rahmen einer allfälligen Revision des BRKG zu diskutieren. Die Ergebnisse dieser Gespräche wurden anhand von neun Thesen zusammengefasst.

These 1: Das Risikokapital in der Schweiz ist im Verhältnis zur Wichtigkeit des Finanzplatzes unterentwickelt. Im Allgemeinen entspricht die Lage in der Schweiz gegenüber den USA jener der europäischen Länder.

Vergleich EU-USA: ­

die Rentabilität des amerikanischen Risikokapitals ist wesentlich höher als in Europa

­

die Rentabilität des Private Equity ist in Europa höher

­

die amerikanischen Risikokapitalfonds investieren deutlich höhere Beträge

­

in Europa werden fehlende Seed-Fonds zum Teil durch die öffentliche Hand kompensiert

Alle Teilnehmer sind mit dieser Feststellung einverstanden. Weitere Faktoren können ergänzt werden, um den Unterschied zu den USA zu erklären: der Unternehmergeist spielt eine wichtige Rolle. Bei uns sind die Erfinder übervorsichtig und haben zu wenig «Drive». Nur wenigen gelingt es, alle Etappen von der Entwicklung 5854

eines Produktes bis zu einem hohen Wachstum zurückzulegen. Die Lage hat sich in den letzten Jahren verbessert, doch die Zahl der Unternehmer, die hohes Wachstum anstreben, bleibt weiterhin gering. Die Grösse des Marktes spielt wohl ebenfalls eine wichtige Rolle: Der US-Markt ist homogen und sehr ausgedehnt, während der europäische Markt fragmentiert ist. Auch die Konzentration ist ungenügend: Europa weist keine dynamischen Regionen wie Silicon Valley oder Boston auf. Israel ist es scheinbar gelungen, eine solche Dynamik zu schaffen, indem es sich namentlich auf die Entwicklung des Armeesektors stützte.

These 2: In der Schweiz bekundet der Markt des Buy-Out und Expansion keine Probleme: Es wurden durch ausländische Fonds beträchtliche Beträge investiert (siehe Ziffer 3.5.4).

These 3: Obwohl der Anteil der Startphase (Seed + Start-up) im Vergleich zum europäischen Durchschnitt beachtlich ist, sind es trotz allem kleine Beträge, die investiert werden (etwa CHF 100 Mio. im Jahr 2004 und 2005).

Die Statistiken sind mit Vorsicht zu geniessen, besonders was die informellen Märkte betrifft. Die Vereinigungen von Business Angels halten nur einen Bruchteil der jährlich investierten Summen fest. Daher ist es schwierig, sich ein quantifiziertes Ziel zu setzen, wie es die EU getan hat, welche das Volumen der Start-upFinanzierungen verdreifachen will. Auf jeden Fall entscheidet der Markt. Die Anzahl der Start-ups kann nicht über eine bestimmte Grenze hinaus vermehrt werden, jedoch wäre es zumindest möglich, die ihnen zur Verfügung stehenden Beiträge deutlich zu erhöhen, so dass sie wesentlich schneller wachsen könnten. Die Kultur der Business Angels ist in der Schweiz noch wenig entwickelt, und ihre Professionalität ist ungenügend. Es gibt genügend wohlhabende Leute in der Schweiz, die Kunst wird darin bestehen, diese beträchtlichen Privatvermögen zu mobilisieren.

These 4: Der Abschnitt im BRKG bezüglich der «Risikokapitalgesellschaft» kann durch die Limited Partnership (LP) ersetzt werden. Es gilt, einen Übergang zwischen BRKG und LP zu finden.

Die Kollektivanlageverordnung vom 22. November 2006 62 (KKV), welche den Vollzug des vom Parlament Ende Juni verabschiedeten KAG regelt, ist Anfang 2007 in Kraft getreten. Das Gesetz über die Unternehmenssteuerreform II sollte das BRKG weniger attraktiv machen,
da es eine reduzierte Besteuerung der Dividenden für Beteiligungen von mindestens 10 % einführt (BRKG 5 %). Die Revision der Emissionsabgabe sieht ausserdem eine Erhöhung des von der Abgabe befreiten Betrags auf CHF 1 Mio. vor. Trotzdem ist es noch zu früh für die Abschaffung des BRKG, solange die Resultate der Unternehmenssteuerreform II noch nicht bekannt sind.

These 5: Die Schaffung der steuerlich transparenten Rechtsform «LP» erlaubt es nicht, die im Ausland ausgeübten Tätigkeiten in die Heimat zurückzuführen, solange die Bedingungen in der Schweiz nicht mindestens ebenso attraktiv sind. Offene Fragen bestehen vor allem noch hinsichtlich des Mindestbetrags der Investitionen und des Status des qualifizierten Investors.

Nach dem Seminar im September wurde der Entwurf der Vollzugsverordnung zum KAG angepasst, und einem Grossteil der Forderungen der Expertenkreise wurde Rechnung getragen. Während die SECA vorschlug, keine Mindestanzahl Investoren 62

SR 951.311

5855

festzulegen, wurde diese Schwelle schliesslich auf 5 festgelegt, gegenüber 20 im ursprünglich in die Vernehmlassung gegebenen Entwurf. Auch der Mindestbetrag von CHF 5 Mio. an Investitionen, um einen Investor zu qualifizieren, wurde auf CHF 2 Mio. gesenkt. Einige hatten hervorgehoben, dass diese Limite in anderen Ländern 0,5 oder 1 Mio. USD beträgt.

These 6: Die Business Angels investieren grundsätzlich direkt ins Eigenkapital der Unternehmen, die sie begleiten; es wird selten die Form von nachrangigen Darlehen gewählt, welche die einzige Möglichkeit darstellt, die vom BRKG unterstützt wird.

Die Unternehmenssteuerreform II müsste dazu beitragen, die Sicherheit der Business Angels zu erhöhen (professioneller Investorenstatus) und ihnen erlauben, von der Nichtbesteuerung der Kapitalgewinne zu profitieren. Diese Nichtbesteuerung der Kapitalgewinne ist eine Stärke für die Schweiz.

Der Status des professionellen Investors ist zurzeit Gegenstand einer Differenz zwischen dem Ständerat und dem Nationalrat.

These 7: Die Steuerpolitik (Nichtbesteuerung) reicht nicht aus: Es genügt, das Beispiel der Pensionskassen zu nennen, welche nur einen Bruchteil ihres Vermögens ins Risikokapital investieren, obwohl sie nicht besteuert werden und zudem die offiziellen Regeln solche Investitionen erlauben. Andere Massnahmen sind also nötig.

Mehrere Teilnehmer halten fest, dass die Pensionskassen sehr vorsichtig sind und keine Risiken eingehen wollen: dies hängt mit ihrer Aufgabe zusammen, die langfristige Finanzierung der Renten zu garantieren [Kommentar: die amerikanischen Pensionskassen haben die gleichen Ziele und Einschränkungen und investieren trotzdem ins Risikokapital]. Man muss sich daher auf die Mobilisierung der Mittel der Privatinvestoren konzentrieren, wenn nötig mit steuerlichen Massnahmen, allerdings nicht nur auf Bundesebene, sondern vor allem auch auf Kantons- und Gemeindeebene (StHG).

These 8: Um konkrete Vorschläge zur Ermutigung der Business Angels zu machen, muss abgewartet werden, bis die Unternehmenssteuerreform II unter Dach und Fach ist (siehe These 4).

These 9: Die Frage, ob der Bund über die Verbesserung der Rahmenbedingungen hinaus intervenieren sollte, ist umstritten. Laut den international akzeptierten «bewährten Praktiken» könnte eine Intervention etwa in Form von Co-Investitionen
erfolgen, bei denen jedoch der private Partner die Investitionsentscheidungen trifft.

Einige heben Mängel im aktuellen Fördersystem hervor. Oft finden Unternehmen, die aus unserem Ausbildungs- und Forschungssystem hervorgegangen sind, nicht die nötige Finanzierung für die Herstellung eines Prototyps oder für die Ausdehnung des Geschäfts. Hier könnte eine Kapitalspritze des Staates die Erfolgschancen deutlich verbessern, ohne den privaten Finanzierungen Konkurrenz zu machen. Eine massive Intervention des Staates bei der Finanzierung von Start-ups stösst bei den grossen Wirtschaftsorganisationen wie economiesuisse jedoch auf Bedenken: diese ziehen eine Beschränkung des Staates auf Steueranreize vor. Die Frage der Transaktionskosten, welche häufig unabhängig von der Grösse des Projekts sind, ist eines der Elemente, die noch geprüft werden müssen.

5856

4.7.4

Die Rolle der öffentlichen Hand in der Unternehmensfinanzierung

Die Rolle der öffentlichen Hand in der Unternehmensfinanzierung ist relativ umstritten. Zum Beispiel hat die OECD im März 2006 zusammen mit Brasilien eine internationale Konferenz 63 zum Thema «Bessere Finanzierung des Unternehmertums und des Wachstums der KMU» organisiert. Einige Diskussionen betrafen die Frage, ob in diesem Bereich der Markt versagt hat oder nicht und ob dadurch eine Intervention der öffentlichen Hand gerechtfertigt wäre. Die sehr allgemeinen Schlussfolgerungen gingen dahin, dass keine globalen Finanzierungslücken (Financing Gap) bestehen, solche aber dennoch vor allem bei den neuen Unternehmen öfters zu beobachten sind.

Die Europäische Kommission hat diese Analyse vertieft, um den Rahmen ihrer Intervention festzulegen (siehe Ziffer 5.1). Dabei nahm sie Bezug auf Arbeiten in England und Deutschland. In England wurde eine Umfrage bei den Wirtschaftsorganisationen und den Fachkreisen durchgeführt, um den sogenannten «Equity Gap» zu präzisieren. Dieser Begriff bezeichnet die Phase, in der neue Unternehmen Eigenkapital auf den Märkten suchen, nachdem sie die naheliegenden Finanzierungsmittel ausgeschöpft haben (die berühmten drei F für Family, Friends and Fools [Familie, Freunde und «Verrückte»]). Laut dieser Umfrage beginnt der Equity Gap bei rund 250 000 Pfund und geht bis 2 Millionen (d.h. ungefähr 600 000 bis 4,7 Millionen CHF). Erst ab dieser Grenze sind die Risikokapitalfonds an einer Investition interessiert. Die Studie beschreibt auch die Ursachen dieser Schwierigkeiten, die auf verschiedenen Ebenen zu suchen sind. Auf der Angebotsseite besteht eine Ungleichheit der Information: Der Investor verfügt über keine ausreichende Information über diese neuen Unternehmen und die Kosten, mit denen er konfrontiert ist, sind grösstenteils unabhängig vom Investitionsvolumen (Kosten für Informationssuche, Risikoprüfung (Due Diligence) und Monitoring). Auch die Transaktionskosten spielen eine Rolle: Der Aufwand für die Erstellung eines detaillierten Vertrags ist mehr oder weniger vorgegeben. Ausserdem sehen die Investoren, die mit dieser Art von Investition wenig vertraut sind, oft übertriebene Risiken, was die Investitionsbereitschaft zusätzlich bremst. Auf der Nachfrageseite ist der Vorbehalt der Unternehmer, einen Teil ihrer Entscheidungsgewalt an externe Finanziers abzugeben, ein
klares Hindernis. Ausserdem sind diese Unternehmer manchmal auch zu wenig auf die Zusammenarbeit mit externen Investoren vorbereitet, sie verfügen zum Beispiel nicht über die erforderlichen Informationen, um sie zu überzeugen. Diese Situation wird im angelsächsischen Raum als Mangel an «Investment Readiness» bezeichnet. In Deutschland kamen die Analysen der etablierten KMU zum Schluss, dass die Finanzierungslücken im Eigenkapitalbereich zwischen 1 und 5 Millionen Euro besonders problematisch sind.

In der Schweiz haben sich die Experten des gewerblichen Bürgschaftswesens und der KMU-Finanzierung mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Dies geschah im Zuge der Erfüllung des parlamentarischen Mandates, das Bürgschaftswesen zu stärken. Sie sahen kein Marktversagen, zeigten jedoch einige Probleme auf: «Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist die Fremdkapitalversorgung auch im KMUBereich durch einen funktionierenden Wettbewerb unter den Banken sichergestellt.

63

Siehe: OECD, The SME Financing Gap, Vol. I Theory and Evidence, Paris 2006.

5857

Voraussetzungen des politischen Handelns zugunsten förderungswürdiger KMU und Kriterien für strukturpolitisch vertretbare Kreditvergünstigungen sind u.a.: ­

Gezielte Hilfe aufgrund einer Beurteilung der Förderungswürdigkeit;

­

Verträglichkeit mit Marktmechanismen, ausgehend von anerkannten Bankfinanzierungs-Kriterien;

­

Kein Erhalt wirtschaftlich nicht mehr zukunftsfähiger Strukturen;

­

Verbesserung der Rahmenbedingungen, v.a. durch steuerliche Anreize für Risikokapital.

Diese Analyse basiert auf den verschiedenen im Bericht des Bundesrates von 2003 definierten Aktionsfeldern: Abbildung 14 Aktionsfelder und Handlungsalternativen im Bereich des gewerblichen Bürgschaftswesens hoch

kein Aktionsfeld der Gewerbefinanzierung (sondern Beratung, Schulung etc.)

nichts tun

EIGENKAPITAL Aktionsfeld I gering

Aktionsfeld II nichts tun

gering

ERTRAG

hoch

Quelle: Bericht des Bundesrates betreffend die Überprüfung und Stärkung des gewerblichen Bürgschaftswesens vom 2. Juli 2003

Wenn man den Bereich der sehr kleinen Unternehmen verlässt (die Bürgschaften sind auf CHF 500 000 beschränkt), gelangt man in eine Grössenordnung, in der zahlreiche regionale oder private Initiativen Finanzmittel zur Verfügung stellen, einschliesslich private Stiftungen, die manchmal wesentliche Beiträge leisten. Der Bedarf im Segment des «Equity Gap» ist schwierig zu beziffern. Statt direkt zu intervenieren, sollte der Bund die Marktkräfte spielen lassen und sich auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen konzentrieren.

4.8

Innovationsförderung

Die Innovationsförderung des Bundes ist neben der Bildungs- und Forschungspolitik ein wichtiges Standbein staatlicher Aktivitäten in diesem für eine moderne Wissensgesellschaft bedeutungsvollen Themenfeld. Innovation ist gleichzeitig auch der Schlüssel für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft und insbesondere 5858

der KMU, die sich vermehrt in sich öffnenden Märkten der Konkurrenz stellen müssen.

In seiner Botschaft vom 24. Januar 2007 64 über Bildung, Forschung und Innovation (BFI) in den Jahren 2008­2011 führt der Bundesrat seine innovationspolitischen Absichten aus. Die vermehrte Nutzung der Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung sowie die Verstärkung der Koordination zwischen dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF), der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) auf der einen und der Privatwirtschaft auf der anderen Seite gehören dabei zu seinen expliziten Zielen. In diesem Kontext können KMU nicht nur indirekt über das Know-how von Studienabgängerinnen und Studienabgänger oder durch die Stärkung der anwendungsorientierten Forschung, sondern auch ganz direkt im Rahmen einer Vielzahl von Programmen wie z.B. zur Materialforschung beim SNF oder dem inzwischen abgeschlossenen Programm Top-Nano (Nanotechnologie) bei der KTI profitieren.

Die beiden Förderagenturen SNF und KTI haben ihre Zusammenarbeit bereits in der Vergangenheit verstärkt. Dies soll zukünftig systematischer geschehen und insbesondere auch dazu führen, dass Schweizer Forschende und Unternehmen besser und vermehrt an internationalen Förderprogrammen und -initiativen teilnehmen können und dass sie auch entsprechende Mittel zur Verfügung haben. So sind beispielsweise im Rahmen des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU, bei dem die Schweiz voll assoziiert ist, alleine im verhältnismässig kleinen Bereich «Forschung für KMU» 1,3 Milliarden Euro für die Jahre 2007­2013 vorgesehen. Dieser EU-Programmpunkt ist komplementär zur KTI-Projektförderung in der Schweiz.

Aber auch das erwähnte Potenzial der Grundlagenforschung soll durch die systematischere Kooperation zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft noch stärker valorisiert werden. Vielversprechende Ansätze wurden dabei unter anderem mit den WTT-Konsortien entwickelt, die spezifische Elemente zur Förderung des sogenannten «Pull-Effekts» beinhalten. Damit wird der Mechanismus beschrieben, mit dem Unternehmen, insbesondere KMU, Wissen aus den Hochschulen «ziehen». Sie sollen vermehrt von den Erkenntnissen profitieren, welche an Schweizer Hochschulen generiert werden und diese auf dem Markt erfolgreich in Produkte und Dienstleistungen umsetzen, um so Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu
schaffen. Grosse Unternehmen verfügen in der Regel über die entsprechenden Kapazitäten und das Know-how, um für sie interessante Forschungskooperationen mit den Hochschulen selbst einzugehen. KMU hingegen sind dazu häufig nicht in der Lage. Sie können deshalb die Kompetenzen der Hochschulen kaum nutzen. In der Botschaft BFI wird geschätzt, dass etwa 10 000­15 000 Unternehmen für ihre Innovationsleistungen kaum oder gar nicht mit Hochschulen zusammenarbeiten, obwohl sie das Potenzial dafür hätten. Diese Unternehmen will die KTI in den Jahren 2008­2011 zusammen mit den koordinierenden WTT-Konsortien, den Technoparks und weiteren Institutionen erschliessen und ihnen den Zugang zu Hochschulpartnern ermöglichen.

Für den SNF sind für die Jahre 2008­2011 insgesamt 2728,4 Millionen Franken vorgesehen, wobei 2264,4 Millionen Franken auf die freie Grundlagenforschung und die akademische Nachwuchsförderung entfallen und 353 Millionen auf die nationalen Forschungsschwerpunkte und Forschungsprogramme, die mehr auf die orientierte Forschung (inklusive Wissens- und Technologietransferprojekte) ausgerichtet sind.

64

BBl 2007 1223

5859

Im Rahmen der Innovationsförderung des Bundes ist die KTI diejenige Institution, welche die KMU ganz direkt fördert. Sie setzt dabei auf verschiedene Instrumente, wie beispielsweise die Projektförderung von anwendungsorientierter Forschung, Förderung des Unternehmertums sowie von Start-up Unternehmen. Während die beiden letzteren Massnahmen spezifisch auf Neugründungen ausgerichtet sind, reicht die Projektförderung weiter und spricht auch bestehende Unternehmen an, welche innerbetriebliche Innovationen realisieren müssen, um im Wettbewerb zu bestehen. Die KTI übernimmt dabei jeweils die Kosten, die seitens der Hochschule entstehen, womit dem Unternehmen quasi kostenlos Forschungs- und Entwicklungskapazitäten zur Verfügung gestellt werden.

Die Bilanz der KTI ist positiv. Im Jahr 2006 sprach sie für 217 aussichtsreiche F&E Projekte mit über 450 beteiligten Unternehmen Fördergelder in der Höhe von 78 Millionen Franken. Insgesamt lösten diese Vorhaben einen F&E Umsatz in der Höhe von 192 Millionen Franken aus ­ die Wirtschaft investierte also für jeden Bundesfranken zusätzlich 1.4 Franken. In den vergangenen zehn Jahren hat die KTI ca. 4500 Projekte gefördert. Über 5000 Unternehmen waren als Wirtschaftspartner daran beteiligt, 80 % davon KMU. Die Projekte erzeugten in der Forschung und Entwicklung ein Auftragsvolumen von ungefähr 3 Milliarden Franken. Die Wirtschaft hat dabei gut 60 % der Kosten übernommen, der Bund 40 %.

Diese Form der Innovationsförderung hat eine lange Tradition und wird stetig optimiert. Einerseits sollen bewusst auch Projekte mit hohen Risiken gefördert werden.

Andererseits wird der administrative Prozess neu strukturiert und für die Unternehmen einfacher gestaltet. Diese müssen nicht mehr bereits von Beginn weg ein komplettes und detailliertes Dossier einreichen, sondern in einer ersten Phase einen kurzen Projektbeschrieb und danach erst ­ wenn dieser grundsätzlich von den Expertinnen und Experten befürwortet wird ­ ein umfassendes Dossier. Dies erspart den Unternehmen hohe unnötige Bearbeitungskosten und setzt die Hemmschwelle zur Eingabe eines Projekts herab. In der kommenden Periode von 2008­2011 ist für die KTI-Fördertätigkeit ein Budget von insgesamt 532 Millionen Franken vorgesehen.

Der verbesserte Zugang zu Hochschulen und deren Kapazitäten ist für beide Seiten
interessant. KMU können Projekte schneller umsetzen und sind rascher mit innovativen Produkten und Dienstleistungen im Markt. Die Hochschulen profitieren ihrerseits von der engen Zusammenarbeit mit der Praxis und lernen, den Wissens- und Technologietransfer besser auf die Bedürfnisse der Wirtschaft auszurichten. Es ist deshalb sehr wichtig, die Schnittstelle zwischen beiden Welten zu optimieren und Hürden weiterhin abzubauen. Es gilt aber auch Fragen des geistigen Eigentums oder der Lizenzrechte sorgfältig anzugehen, denn neben den kulturellen Unterschieden und den administrativen Aufwänden spielen diese in den Überlegungen der Unternehmen eine ausschlaggebende Rolle.

Die KTI fördert das Unternehmertum über Sensibilisierungsmassnahmen, Information und durch praxisorientierte Ausbildung (Initiative venturelab). Weiter unterstützt sie durch professionelles Coaching die Gründung und den Aufbau von wachstumsorientierten Unternehmen (Start-up-Förderung). Seit 2004 haben über 14 000 Personen in der Schweiz Veranstaltungen von venturelab besucht und sich als Unternehmerin bzw. Unternehmer weitergebildet. Pro Jahr fördert die KTI über 100 Start-up Unternehmen. Rund ein Viertel davon können mit dem KTI Start-upLabel ausgezeichnet werden. Dieses Label ist in der Schweiz als Gütesiegel für nachhaltiges Wachstum anerkannt und erleichtert den Zugang zu privatem Risiko5860

kapital. So haben die mit einem Label ausgezeichneten start-up Firmen pro Jahr gegen CHF 100 Mio an Risikokapital mobilisieren können. 85 % der Firmen mit CTI-Label sind auch nach mehreren Jahren noch aktiv im Geschäft. Sie schufen seit Beginn der Initiative 1996 über 4000 neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze.

4.9

Unternehmensübertragung

In seiner Stellungnahme zur Motion Ineichen 65 (06.3436) hat der Bundesrat betont, dass Unternehmensübertragungen ein wichtiges Element zur Erhaltung des wirtschaftlichen Gefüges sind. In Anbetracht der spezifischen Bedürfnisse von Unternehmen in dieser Phase ihres Lebenszyklus macht der Bundesrat Unternehmensübertragungen zu einem Bestandteil seiner Politik zugunsten der KMU. Die Handlungsmöglichkeiten des Bundes sind in diesem Bereich begrenzt. Die Priorität muss deshalb auf die Verbesserung der rechtlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen gelegt werden, wie dies bereits auf verschiedenen Ebenen geschieht (Reduktion der administrativen Belastung, Revision des GmbH-Rechts und Revision des Aktienrechts). Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über dringende Anpassungen bei der Unternehmensbesteuerung im Jahr 2007 werden die fiskalischen Rahmenbedingungen verbessert und bilden keine Bremse mehr für Unternehmensübertragungen. Dies ist ein Kernelement auf der Stufe Rahmenbedingungen. Der Ausbau des gewerbeorientierten Bürgschaftswesens kann in bestimmten Fällen dazu beitragen, Lösungen zu finden. Allerdings ist festzuhalten, dass Unternehmensübertragungen oft deutlich höhere Finanzierungen erfordern. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass es in solchen Fällen Aufgabe des Marktes und nicht der öffentlichen Hand ist, Lösungen bereitzustellen. Information ist sicherlich ein wichtiges Element im Rahmen der Unternehmensübertragungen. Zahlreiche Treuhänder und Berater bieten ihre Dienste in diesem Bereich an. Der Bundesrat kann in einem gewissen Masse Anstrengungen zur Bereitstellung von Informationen oder Plattformen der Zusammenarbeit unterstützen, er will jedoch keine privaten Anbieter verdrängen. Man kann in Betracht ziehen, Jungunternehmer mit Coaching zu begleiten, um ihnen die Übernahme bestehender Geschäfte zu vereinfachen. Allerdings empfiehlt der Bundesrat, diese Motion abzulehnen, denn die Finanzierung dieser Aktivitäten durch Kredite der Kommission für Technologie und Innovation scheint ihm nicht angebracht.

5

Beispiele aus dem Ausland und «Best Practices»

5.1

Europäische Union

Ursprünglich lag die europäische KMU-Politik vor allem in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die Kommission konzentrierte sich auf die Verbesserung des Marktzugangs für die KMU. In diesem Rahmen wurde namentlich das Netz der Euro-Info-Zentren ins Leben gerufen, an dem sich auch die Schweiz durch die Osec beteiligt. Hinsichtlich der administrativen Belastung wurden Folgenabschätzungs65

Die Motion beauftragt den Bundesrat, das Thema Unternehmensübertragungen zu einem Schwerpunktthema der KMU-Politik zu machen. Zudem verlangt die Motion die Förderung von Unternehmensübertragungen aus den bewilligten Mitteln zur Förderung des Unternehmertums.

5861

bögen erarbeitet, mit denen die negativen Auswirkungen der neuen europäischen Regulierungen auf die KMU eingeschränkt werden sollen. Einige Pilotprojekte wurden auch im Bereich der Risikokapitalfinanzierung lanciert und der Europäische Investitionsfonds (EIF) hat Garantieinstrumente für die KMU entwickelt, die hauptsächlich im Rahmen der Regionalpolitik eingesetzt werden.

Mit der Lissabon-Strategie hat die EU ihre Bemühungen verstärkt, um den Rückstand Europas auf das Innovations- und Wachstumspotenzial der USA zu reduzieren. Das «Best-» Programm wurde lanciert, um die Reduktion der administrativen Belastung der KMU zwischen den Mitgliedstaaten zu koordinieren, namentlich durch den Informationsaustausch über bewährte Praktiken («Best Practices»). Die europäischen Behörden haben 2006 die Lancierung eines neuen Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP) beschlossen. Der Inhalt dieses Programms für den Zeitraum 2007­2013 ist sehr weit gefasst und deckt die wichtigsten Tätigkeitsbereiche der Generaldirektion (GD) Unternehmen und Industrie ab: KMU-Finanzierung, Innovation, Informationstechnologien, E-Commerce, Energie und Umweltschutz. Die GD Unternehmen und Industrie ist das Resultat des Zusammenschlusses der GD Industrie und KMU.

Das CIP, welches das 7. Forschungsrahmenprogramm ergänzt, sieht ein Budget von 3,2 Milliarden Euro vor, davon 1,1 Mia. für die Finanzierung der Unternehmen.

Etwa 500 Millionen Euro sind für Bürgschaften von KMU vorgesehen und 500 Millionen für die Entwicklung des Risikokapitals. Ausserdem ist geplant, dass der EIF in gewisse Risikokapitalfonds investiert und zur Erhöhung des Garantievolumens für die Bürgschaftsinstitute beiträgt. Parallel zum Entscheid über das definitive Budget des CIP am 12. Dezember 2006 hat der EU-Rat auch eine Anpassung der Regulierung der staatlichen Beihilfen verabschiedet, die eine umfangreichere Intervention in diesem Bereich ermöglicht: ­

Beihilfen unter 200 000 Euro über einen Zeitraum von drei Jahren erfordern keine vorgängige Genehmigung der Kommission mehr. Die Unternehmen kommen so einfacher in den Genuss von Subventionen, während sich die Kommission mehr um die Überwachung schwerwiegender Verzerrungen kümmern kann.

­

Die Regierungen können den kleinen Unternehmen ohne Kontrolle durch die Kommission Darlehensgarantien bis zu 1,5 Millionen Euro gewähren.

Eines der verfolgten Ziele ist die Verdreifachung des Finanzierungsvolumens für die ersten Phasen der Gründung (Seed Money). Dies wird in der Mitteilung vom 29. Juni 2006 (KOM(2006) 349 endgültig) unter dem Titel «Die Finanzierung des Wachstums von KMU ­ Der besondere Beitrag Europas» erläutert. Diese Politik basiert auf den Erkenntnissen des Risikokapitalgipfels 2005 in London, an dem die folgenden zentralen Aktionsbereiche herausgearbeitet wurden: ­

Investitionen von Business Angels müssen gefördert werden.

­

Die Wagniskapitalfonds müssen grösser und professioneller werden und eng mit Innovationsquellen zusammenarbeiten.

­

Die Fragmentierung des europäischen Wagniskapitalmarktes muss überwunden werden.

­

Europa braucht liquide Wachstumsbörsen.

5862

­

Die Unternehmer müssen stärker nach Wachstum streben und investitionsfähiger werden.

­

Staatliche Politik muss Erfolg belohnen.

Der Vergleich der Situation in Europa mit derjenigen in den USA durch die Kommissionsdienste kam zu drei Schlüssen: ­

Die Investitionen der Business Angels in Europa belaufen sich auf weniger als 10 % derjenigen in den USA.

­

Die Rentabilität der Risikokapitalinvestitionen ist in den USA wesentlich höher als in Europa. Dies erklärt sich namentlich durch die Tatsache, dass die amerikanischen Risikokapitalfonds ein deutlich grösseres Volumen aufweisen.

­

Die Investitionen in den späteren Phasen sowie in Rückkaufsoperationen sind deutlich rentabler in Europa als in den USA.

Die europäische Strategie besteht somit darin, die Risikokapitalinvestitionen zu professionalisieren, namentlich dank der Mitwirkung des EIF. Auch eine vermehrte Intervention der öffentlichen Hand wird empfohlen, um die KMU-Finanzierung zu verbessern. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass diese Professionalisierung zu einem gewissen Rückzug der Risikokapitalfonds aus der Finanzierung der ersten Phasen des Unternehmenszyklus führt. Eine der Empfehlungen der Kommission geht in Richtung einer grösseren Neutralität der Steuern gegenüber den verschiedenen Finanzierungsmethoden, um die Bildung von Eigenkapital zu erleichtern. Hingegen sind keine Massnahmen vorgesehen, um direkten Einfluss auf die Investitionen der Business Angels auszuüben.

5.2

USA

5.2.1

Einleitung

Im Vergleich zu Europa zeichnet sich der amerikanische Markt durch seine Grösse und seine Homogenität aus, zumindest unter dem kulturellen Gesichtspunkt. Auch die Mentalitäten spielen eine wichtige Rolle und Experten erkennen, dass die Akteure in diesem enormen Markt über eine viel längere Erfahrung hinsichtlich des Eingehens von Risiken verfügen, gerade im Bereich der Finanzierung. Wie in der Schweiz spielen die Bundesstaaten auch eine wichtige Rolle bei der Wirtschaftsförderung. Bemerkenswert ist ausserdem die Bedeutung der privaten Initiativen zur Förderung der Wirtschaft: Zahlreiche Unternehmer engagieren sich für die Gemeinschaft.

Ein deutlicher Unterschied liegt zunächst in der Definition der KMU. Die Small Business Administration (SBA) spricht bis zu 500 Mitarbeitenden von kleinen Unternehmen, die Kategorie der mittleren Unternehmen wird selten erwähnt. Die kleinen Unternehmen machen rund die Hälfte der Arbeitsstellen im privaten Sektor aus. Die Aktionen der SBA basieren auf voluntaristischen Programmen und bezwecken die Schaffung einer positiven Diskriminierung zugunsten der kleinen Unternehmen im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens und der Forschungsaufträge. Auch Frauen und Bevölkerungsminderheiten sind besondere Ziele dieser Politiken. Die SBA und ihr «Office of Advocacy» sind auch in der Bekämpfung der administrativen Belastung auf Bundesebene und auf der Ebene der Staaten aktiv.

5863

Die USA verfügen über Programme, die schon seit mehreren Jahrzehnten bestehen.

Drei davon sollen hier erwähnt werden: ­

Die Förderung des Risikokapitals durch einen Co-Investitionsmechanismus (SBIC),

­

Die positive Diskriminierung der kleinen Unternehmen im öffentlichen Beschaffungswesen,

­

Die Bevorzugung neuer Unternehmen bei der Erteilung von Forschungsmandaten (SBIR).

5.2.2

Das SBIC-Programm

Das SBIC-Programm («Small Business Investment Company») wurde 1958 geschaffen, um den Mangel an Eigenmitteln bei den kleinen Unternehmen zu beheben, die ein starkes Wachstum finanzieren möchten. Dieses Programm, das von der «Small Business Administration» (SBA) verwaltet wird, überlässt die Investitionsentscheide den Verwaltern von «Venture Capital»-Fonds. Die SBA beschränkt sich darauf, die Risikokapitalfonds auszuwählen und ihnen eine Lizenz zu vergeben.

Als Voraussetzungen für diese Lizenz müssen die Fonds insbesondere mindestens 5­10 Millionen US-Dollar vereinen und durch erfahrene Spezialisten verwaltet werden. Für jeden investierten privaten Dollar stellt die SBA 2­3 Dollars in Form von garantierten Bundesgeldern zur Verfügung. Diese staatlichen Mittel werden bevorzugt behandelt und sind nur bei einem vollständigen Verlust der privaten Mittel verloren. Die Unternehmen, in die die SBIC investieren, müssen bestimmte Kriterien erfüllen. So dürfen sie weder eine gewisse, relativ grosszügig festgelegte Grösse überschreiten (18 Millionen USD Nettowert) noch gewissen Sektoren, etwa dem Immobilien- und Finanzmarkt angehören. Der Fonds darf nicht mehr als 20 % in ein einziges Projekt investieren. Diese Voraussetzungen sollen ermöglichen, dass das Programm die ersten Stadien des Risikokapitals finanziert, indem es eine Finanzierung zwischen 300 000 und 5 Millionen USD bereitstellt. Diese Beträge übersteigen normalerweise die Möglichkeiten der «Business Angels», sind aber für rein private Risikokapitalfonds wenig interessant.

Im Steuerjahr 2005 haben die SBIC ein Finanzierungsvolumen von 2,9 Milliarden USD garantiert, das in 2299 Unternehmen investiert war. Nahezu eine Milliarde kam Unternehmen von weniger als 2 Jahren zugute und 172 Millionen betrafen Unternehmen, die von Frauen oder von Vertretern einer Bevölkerungsminderheit geleitet wurden.

5.2.3

Öffentliches Beschaffungswesen

Die US-Regierung setzt die öffentlichen Beschaffungen ein, um die kleinen Unternehmen zu fördern. Die Bundesagenturen werden mittels Quoten dazu angehalten, mindestens 23 % ihrer Bestellungen bei kleinen Unternehmen und Vertretern der Minderheiten zu machen. So werden spezielle Programme eingeführt, mit vereinfachten administrativen Verfahren für Bestellungen mit geringen Beträgen.

5864

5.2.4

SBIR

Dieselben Mechanismen werden auch im Rahmen des 1982 lancierten Small Business Innovation Research Program (SBIR) angewandt. Dieses Programm richtet sich an Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten, die den Regierungsagenturen Forschungs- und Entwicklungsprojekte vorlegen können. In einer ersten Phase wird die Prüfung der technischen Machbarkeit einer Idee gefördert (max. 100 000 USD).

Falls diese zu einem positiven Ergebnis kommt, kann das Unternehmen einen zweiten, umfangreicheren Auftrag erhalten (max. 750 000 USD) und kann danach selbst die neuen Produkte auf dem Markt einführen. 2004 haben 4600 Projekte von Phase I profitiert und 2000 von Phase II für einen Gesamtbetrag von 1,9 Milliarden USD.

Die Besonderheit des amerikanischen Systems ist das äusserst hohe Gewicht des Budgets des Verteidigungsdepartements, das für den grössten Teil dieser Aufträge verantwortlich zeichnet. Aus diesem Grund können solche Mechanismen nur schwer in das schweizerische Umfeld übertragen werden.

5.3

Internationale Vergleiche der mikroökonomischen Indikatoren

In den letzten Jahren haben die internationalen Organisationen zunehmend nicht nur auf die allgemeinen wirtschaftlichen Leistungen der verschiedenen Länder geachtet, sondern auch auf die verschiedenen sektoralen Politiken, welche diese Leistungen erklären können. Auf der Grundlage immer ausgereifterer Methoden wurden so mehrere Kennzahlen zur Wettbewerbsfähigkeit berechnet. Wir interessieren uns hier insbesondere für diejenigen Arbeiten, welche die Politiken zugunsten der Entwicklung der Unternehmen des Privatsektors betreffen.

5.3.1

Die Arbeiten der OECD

Die Arbeiten des Industrie-Komitees der OECD und seiner Arbeitsgruppe KMU, an denen auch die Schweiz aktiv teilnimmt, zeigen, dass die Politiken der wichtigsten Industrieländer sich von der traditionellen, direkten Unterstützung der Unternehmen zu einer vermehrten Konzentration auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unternehmen gewandelt haben. Dieser Wandel wurde von einer höheren Gewichtung der Funktion der Unternehmer und der Unternehmensgründung als Wachstumsmotoren begleitet.

In einem breit angelegten internationalen Vergleich der mikroökonomischen Politiken hat das Industrie-Komitee eine Reihe von Politiken und Kennzahlen definiert: Die Analyse der bewährten Praktiken und die Vergleiche der Länder mit den besten Leistungen weisen darauf hin, dass es nicht nur auf die Anzahl der Unternehmensgründungen ankommt, sondern vor allem auch auf die Fähigkeit dieser Unternehmen, schnell zu wachsen. Im Streben nach der Optimierung der Bedingungen für dieses Wachstum der Unternehmen, vereinigt sich die KMU-Politik mit der Wachstumspolitik.

5865

Unter Einsatz statistischer Instrumente hat das OECD-Sekretariat untersucht, welche Länder in den verschiedenen Politikbereichen die besten Ergebnisse erzielen. Es zeigt sich, dass die Schweiz relativ gut platziert ist, dass sie sich jedoch nur hinsichtlich Innovationspolitik in der Spitzengruppe befindet. In einigen Bereichen, wie zum Beispiel bei der Konkursregelung, hinkt sie eher hinten nach.

Abbildung 15 Die Komponenten der mikroökonomischen Politik gemäss OECD Förderung von Unternehmensgründungen und Unternehmertum Marktein- und austritte ermöglichen

Wachstum neuer Unternehmen ermöglichen

Administrative Lasten

KMU-Programme

One-stop-shops

Aktien-Optionen

Zugang zu Kapital verbessern Regierungsdarlehen/ -bürgschaften Risikokapitalpolitik

Konkursrecht

Unternehmergeist fördern

Unternehmer-Kurse Promotionskampagnen für das Unternehmertum

KMU-Besteuerung Nebenwertbörsen

Quelle: OECD, Industrie-Komitee

5.3.2

Die Arbeiten der Weltbank

Das Ziel der Weltbank besteht darin, aufzuzeigen, dass die Entwicklungsländer, die das Umfeld des Privatsektors verbessern und die Entstehung neuer Unternehmen fördern, bessere wirtschaftliche Resultate erzielen. So haben die Experten der Weltbank Messverfahren für die verschiedenen Sektoren der Unternehmenspolitik entwickelt, um eine Quantifizierung zu ermöglichen. Die Unternehmensgründung wird zum Beispiel anhand der folgenden Kriterien gemessen: ­

Anzahl der erforderlichen administrativen Verfahren für die Gründung eines «Standard-»Unternehmens;

­

Dauer dieser Verfahren in Anzahl Tagen;

­

Kosten dieser Verfahren im Vergleich zum BIP;

­

Kosten des Mindestkapitals.

Diese Berechnungen basieren für die Industrieländer auf einer relativ beschränkten Anzahl Beobachtungen, da sich die Weltbank auf die Entwicklungsländer konzentriert und die anderen nur zum Vergleich dienen. Dennoch liefern sie interessante Hinweise. Von den 175 untersuchten Ländern liegt die Schweiz auf dem 15. Rang.

Für die wichtigsten Rubriken variiert die Klassierung der Schweiz wie folgt:

5866

Tabelle 14 Rang der Schweiz im Weltbank-Vergleich der Regulierung des Geschäftsumfeldes 2006 Bereiche

Rang

Allgemeines Klassement

15

Unternehmensgründung

27

Umgang mit Geschäftslizenzen

38

Einstellung von Arbeitskräften

24

Registrierung von Eigentum

11

Zugang zu Krediten

21

Schutz der Investoren Steuern

156 7

Internationaler Handel Durchsetzung von Verträgen Konkurs

49 9 33

Quelle: Weltbank, Bericht «Doing Business»

Die schwache Klassierung der Schweiz hinsichtlich des Schutzes der Investoren erklärt sich vor allem durch die geringe Macht der Aktionäre gegenüber den Unternehmensführern, während beim internationalen Handel die Kosten und die Dauer der erforderlichen Verfahren für den mässigen Rang verantwortlich sind.

5.3.3

Nutzen solcher Vergleiche

Diese Art Vergleiche (Benchmarking) liegen nicht nur im Trend, sondern sie können den Verantwortlichen für diese Politiken auch wertvolle Hinweise liefern. Allerdings werden dabei grosse methodische und praktische Fragen aufgeworfen. Soll die Schweiz etwa wirklich die Rezepte Finnlands im Bereich der Innovation anwenden, während dieses Land im Vergleich zur Schweiz einen niedrigeren wirtschaftlichen Entwicklungsstand (BIP pro Kopf) erreicht und mit stärkeren Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen hat?

Solche Fragen machen die Herausforderungen einer Unternehmenspolitik deutlich.

Massnahmen in diesem Bereich müssen mit grösster Umsicht getätigt werden, wenn sie die erhofften Früchte tragen sollen.

5867

6

Bilanz und Perspektiven

6.1

Bilanz der Politik zugunsten der KMU

Das in der KMU-Politik federführende Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat im Frühjahr 2003 eine Broschüre mit dem Titel «Die KMU-Politik des EVD» und dem Untertitel «Ein besseres Geschäftsumfeld für die kleinen und mittleren Unternehmen» veröffentlicht. In diesem Dokument wurde ein Überblick über die verschiedenen politischen Themen im Zuständigkeitsbereich des EVD sowie einige andere damit verbundene Themen gegeben. Die ausführliche Bilanz der erwähnten Massnahmen nach dreieinhalb Jahren sieht wie folgt aus: Unternehmensgründung und Unternehmensfinanzierung ­

Revision des Bundesgesetzes über die Risikokapitalgesellschaften (BRKG): Das Projekt war bisher blockiert, da es mit der Reform der Unternehmensbesteuerung koordiniert werden muss (siehe Ziff. 4.5).

­

Optimierung des Bürgschaftswesens: Das Projekt ist unter Dach und Fach und das im September vom Parlament verabschiedete neue Gesetz tritt 2007 in Kraft (siehe Ziff. 4.6).

­

Revision der Optionsbesteuerung: Das in der Botschaft vom 17. November 2004 enthaltene Gesetz ist Gegenstand einer Differenz zwischen den beiden Räten. Das Gesetz war ursprünglich dazu vorgesehen, die Zuteilung von Optionen an die Mitarbeiter neuer Unternehmen zu vereinfachen, indem die Besteuerung auf den Ausübungszeitpunkt verschoben wird. Es ist jedoch umstritten, da es auch dem Kader grosser Unternehmen Vorteile bringen würde, das ebenfalls in den Genuss dieser Form der Gewinnbeteiligung kommen.

­

Ausbau des Start-up-Engagements der KTI: Ziel erreicht (siehe Ziff. 4.8).

E-Government ­

Einführung der elektronischen Signatur: Ziel teilweise erreicht. Die elektronische Signatur wird heute in der Schweiz von drei Unternehmen angeboten.

Damit sie wirklich verwendet wird, fehlt es aber noch an Applikationen.

Eine der ersten Einsatzmöglichkeiten wird durch das Schweizerische Handelsamtsblatt (SHAB) angeboten. Die digitale Signatur wird in Kürze auf dem Gründungsportal zur Verfügung stehen. Die ersten Online-Formulare werden 2007 angepasst.

­

Realisierung des umfassenden elektronischen Amtsschalters für die KMU.

Ziel weitgehend erreicht. Die Online-Formulare für die Unternehmensgründung stehen zur Verfügung und es besteht eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Gründer. Das Portal http://www.kmu.admin.ch ist in drei Sprachen verfügbar und bietet eine laufend wachsende Information, die auch für Laien verständlich ist. Die Einführung eines einheitlichen Unternehmensidentifikators zur Vereinfachung der Verbreitung der E-Government-Produkte ist noch nicht realisiert.

5868

Administrative Entlastung ­

Abrechnung mit Sozialversicherungen und Steuererklärungen in einem Schritt: Ziel erreicht. Im Rahmen der Harmonisierungsarbeiten konnte auch die Online-Lohndaten-Übertragung vorbereitet werden, ein Projekt, das parallel zu integrierenden Softwares in Kraft tritt, welche dem neuen Lohnausweis Rechnung tragen (siehe Ziff. 4.3.2).

­

Ausbau des KMU-Verträglichkeitstests und der Regulierungsfolgenabschätzung. Diese beiden Instrumente wurden verstärkt, namentlich in personeller Hinsicht. Die Rolle des KMU-Forums wurde in der am 8. Dezember 2006 durch den Bundesrat erlassenen Verordnung präzisiert (siehe Ziff. 4.2.2.4).

­

Regulierungsdichte-Indikator: Ziel erreicht. Der Bericht vom 18. Januar 2006 bietet einen Überblick über die administrative Belastung und schlägt verschiedene Massnahmen vor. Diese Indikatoren werden regelmässig aktualisiert.

Exportförderung ­

Weiterführung der Exportförderung: Ziel erreicht. Die Finanzierung der Osec wurde bis Ende 2007 verlängert und ist Bestandteil der Botschaft über die Exportförderung für die Zeit danach.

­

Schaffung einer Dachmarke «Business Network Switzerland»: Ziel erreicht.

Osec, SIPPO, SOFI sowie ERG/SERV verwenden diese gemeinsame Marke und haben ein gemeinsames Service-Center eingerichtet. Auch die KTI beteiligt sich an diesen Anstrengungen.

­

Weitere Professionalisierung und Ausbau des Aussennetzes: Ziel erreicht.

Von den insgesamt 16 Business Hubs werden 14 gemeinsam mit dem EDA und zwei von bilateralen Handelskammern betrieben. Eine Vereinbarung zwischen dem EDA und der Osec wurde unterzeichnet. Sie ermöglicht eine grössere Flexibilität sowie eine Anpassung des Netzes an neue Bedürfnisse.

Innovation ­

Zusammenarbeit Hochschulen ­ KTI. Die Intensivierung der Bemühungen der KTI zur Förderung der KMU ist vorangekommen. Mehr als 1500 Projekte haben zwischen 2001 und 2005 eine Unterstützung erhalten. Im mehrjährigen Durchschnitt waren 80 % davon KMU. Betont wurden die Bedürfnisse der Unternehmen, insbesondere durch die Einführung regionaler Konsortien, deren Aufgabe es ist, die Nachfrage («Pull-Effekt») im Kontext des Wissenstransfers zu verstärken.

­

Heranbildung zukünftiger Kader der KMU. Die neue Strategie für die Berufsbildung und Flexibilisierung der höheren Berufsbildung zur Sicherung des Kadernachwuchses wird umgesetzt. Diese Elemente, die indirekt mit der KMU-Politik zusammenhängen, wurden im Rahmen des neuen Berufsbildungsgesetzes erreicht, das mit der Schaffung der FH eine neue Positionierung der Berufsbildung ermöglicht hat.

­

Schaffung einer Technologieplattform. Das Projekt einer Internetplattform wurde aufgegeben. Das Konzept wurde angepasst und die Betonung liegt neu auf der Stärkung des Technologietransfers, namentlich durch die Unter-

5869

stützung einer Vertiefung der Kontakte mit den KMU im Rahmen regionaler Konsortien.

­

Lancierung eines Ausbildungsprogrammes für die Unternehmensgründung.

Das Projekt Venturelab war ein grosser Erfolg und hat seit 2004 für Sensibilisierung und Ausbildung im Bereich «Entrepreneurship» über 14 000 Personen erreicht. Weiter fördert die KTI pro Jahr über 100 Start-up Unternehmen.

Abschliessend kann gesagt werden, dass die unter der Bezeichnung «KMU-Politik» zusammengefassten Massnahmen auf gutem Wege sind, auch wenn noch nicht alle festgelegten Ziele erreicht werden konnten. Diese Politik ist eine langfristige Aufgabe, die fortwährend den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden muss, und die aus zahlreichen, häufig unspektakulären Massnahmen besteht.

6.2

Perspektiven der KMU-Politik

Der Bundesrat beabsichtigt folglich, auf dem oben beschriebenen Weg fortzuschreiten. In Antwort auf einige Punkte des Postulats Walker ist festzuhalten, dass die KMU keine besondere Konjunkturpolitik benötigen, sondern dass vor allem langfristig optimale Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen. In diesem Sinn ist es auch nützlich, sich mit den attraktivsten Ländern in diesen verschiedenen Bereichen zu vergleichen. Die KMU-Politik des Bundes muss sich nach den folgenden Themen ausrichten: 1. Weitere Reduktion der administrativen Belastung Der eingeschlagene Weg soll fortgesetzt und dabei soll vom Ausbau des Zuständigkeitsbereichs des KMU-Forums sowie von der besseren Koordination der Bemühungen aller beteiligten eidgenössischen Departemente profitiert werden. Ausserdem wird eine Zusammenarbeit mit den vergleichbaren Organen auf Kantonsebene angestrebt. Die KMU-Verträglichkeitstests sowie die Analysen der Regulierungskosten (Standard-Kosten-Modell Methodik) und Regulierungsfolgen (RFA) werden angewandt, um die Interventionsbereiche besser zu bestimmen. Im Bereich der sektoralen Massnahmen sollte insbesondere die MWST-Revision beträchtliche Entlastungen für eine Vielzahl von KMU bringen.

2. Entwicklung des E-Governments für die KMU Ein wesentlicher Teil der Basisdienste steht nun zur Verfügung und kann eingesetzt werden, um die Produktivität der KMU und der Verwaltung zu steigern. Die Anstrengungen der verschiedenen Ämter und Departemente müssen noch besser koordiniert werden, damit die in der neuen E-Government-Strategie der Schweiz für die KMU festgelegten priorisierten Projekte rasch umgesetzt werden können.

3. Förderung der Unternehmensgründung und des Wachstums der Unternehmen Während es in vielen Bereichen darum geht, die Nachteile einer geringen Grösse zu kompensieren, soll hier das rasche Wachstum der Unternehmen unterstützt werden.

Dazu müssen die Anstrengungen im Bereich des Technologietransfers und der Begleitung der Technologie-Start-ups fortgesetzt werden. Die gezielte Optimierung der Rahmenbedingungen für Wachstumsunternehmen steht dabei im Mittelpunkt.

5870

Die Tätigkeiten zur Förderung des Unternehmertums bei Studierenden und Frauen werden fortgesetzt, um das recht günstige Umfeld, das die Schweiz bietet, optimal zu nutzen.

4. Verbesserung der Unternehmensfinanzierung Es ist nicht notwendig, dass der Staat sich direkt in der Unternehmensfinanzierung engagiert. Vielmehr sollte er die Möglichkeiten für die verschiedenen marktwirtschaftlichen Finanzierungsformen verbessern, indem er die Doppelbesteuerung reduziert und den Handlungsrahmen der Business Angels optimiert. Eine eventuelle Revision des BRKG, nachdem die Unternehmenssteuerreform II unter Dach und Fach ist, sollte das Erreichen dieser Ziele erlauben. In diesem Rahmen wird auch die Prüfung möglich sein, ob zusätzliche Aktionen zugunsten der Finanzierung von Start-ups erforderlich sind.

5. Weitere Verbesserung des Marktzugangs Die Globalisierung stellt die KMU ins Zentrum des «globalen Dorfes». Zahlreiche Schweizer KMU sind im entfernten Ausland schon sehr aktiv und investieren dort auch, um ihre Präsenz auszubauen. Die Verbesserung der Informationen und Dienste für die Unternehmer, die sich ebenfalls in diesen Märkten etablieren wollen, ist weiterhin prioritär. Diese verschiedenen Unterstützungsdienste werden noch effizienter, wenn die verschiedenen Tätigkeiten zur Werbung für die Schweiz im Ausland vor Ort besser koordiniert werden.

6. Förderung der Innovation und ihrer Umsetzung durch die KMU Eine Innovation ist eine Erfindung, die einen Absatzmarkt gefunden hat. Daher ist es besonders wichtig, dass die neuen, aus der Forschung hervorgegangenen Ideen sich im Gewebe der KMU durch das dezentralisierte Netz der Hochschulen verbreiten können. Der laufende Ausbau der Aktivitäten der KTI und die Beteiligung an europäischen Programmen in diesem Bereich sind die Mittel, die zum Erreichen dieser Ziele eingesetzt werden sollen.

5871

Liste der Abbildungen 1

Jährliche durchschnittliche Veränderungsraten reales BIP und Beschäftigung (gemessen in Vollzeitäquivalenten)

2

Geschäftsklima von KMU und Grossunternehmen

3

Exportquote, Anteil Exporte am BIP (in %)

4

Exporttätigkeit und Unternehmensgrösse (Unternehmen und Beschäftigte nach Grössenklassen), 2005

5

Finanzierungsalternativen von Unternehmen

6

Mezzanine-Kapital versus Fremd- und Eigenkapital

7

Entwicklung Kreditbenützung 1985­2005 Alle Unternehmensgrössen (in Mrd. CHF)

8

Investitionen in Private Equity in % des BIP im Jahr 2005

9

Investitionsstruktur (Durchschnitt 2000­2005) in der Schweiz und in Europa

10

Administrativer Aufwand in Stunden pro Mitarbeiter (12 Monate)

11

Administrative Belastung: Beurteilung nach Verfahren Relevanz versus Belastung (alle Branchen, 2987 gültige Antworten)

12

Themen aus dem Freitext

13

Entwicklung Bürgschaftsvolumen 1999­2005

14

Aktionsfelder und Handlungsalternativen im Bereich des gewerblichen Bürgschaftswesens

15

Die Komponenten der mikroökonomischen Politik gemäss OECD

5872

Liste der Tabellen 1

Nichtlandwirtschaftliche, marktwirtschaftliche Unternehmen nach Grössenklassen (Zählung 2005)

2

Verschiedene gesetzliche Einteilungen in der Schweiz und in Europa

3

Die verschiedenen Unternehmenstypen nach Politik der öffentlichen Hand

4

Entwicklung der durchschnittlichen Beschäftigtenzahl pro Unternehmen

5

Entwicklung der Anzahl Beschäftigten und Unternehmen nach Grössenklassen

6

Unternehmensgründungen ex nihilo und Eintragungen im Handelsregister

7

Die vier wirtschaftlichen «Landesteile»

8

Marktwirtschaftliche Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, Anzahl und Anteile innerhalb der Grössenklassen nach Investitionen im Ausland, 2005

9

Unternehmenskredite Marktanteile in Prozent (Stand Dez. 2002/ Dez. 2005)

10

Investitionen in Private Equity nach geographischer Herkunft und Destination

11

Wie mühsam wird die administrative Tätigkeit empfunden?

12

Verschiedene Untersuchungen über die administrative Belastung

13

Anzahl Projekte, die vom BRKG profitiert haben

14

Rang der Schweiz im Weltbank-Vergleich der Regulierung des Geschäftsumfeldes 2006

5873

5874