Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 17. April 2007

2007-1003

6027

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

6029

1 Auftrag und Vorgehensweise der GPK-N

6030

2 Konsularische Aufgaben: Allgemeine Bemerkungen 2.1 Entwicklung der Aufgaben und der Ressourcen 2.2 Diplomatische Karriere und konsularische Aufgaben

6031 6031 6034

3 Visaerteilung: Allgemeines 3.1 Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten 3.2 Art des Visums und Ausstellungsbedingungen

6035 6035 6036

4 Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz 4.1 Verfahren, Organisation und Zuständigkeiten 4.2 Missbrauchsrisiko und Kontrollen 4.2.1 Korruption und gesetzeswidrige Handlungen 4.2.2 Dokumentenmissbrauch und andere betrügerische Machenschaften 4.3 Aufsicht des EJPD und des EDA

6037 6037 6039 6040

5 Folgen des Beitritts der Schweiz zum Schengener Abkommen

6045

6 Schlussfolgerungen der GPK-N 6.1 Erwartungen der GPK-N gegenüber den zentralen Diensten des EJPD und des EDA 6.2 Profil und Ausbildung des konsularischen Personals im Visabereich 6.3 Analyse des Personalbedarfs im konsularischen Bereich 6.4 Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten 6.5 Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden 6.6 Zusammenarbeit mit Intermediären

6046 6049 6050 6051 6052 6053 6054

7 Empfehlungen und weiteres Vorgehen

6055

6028

6042 6044

Abkürzungsverzeichnis AFIS

Automated Fingerprint Identification (Übers. Automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem)

ANAG

Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26.3.1931 (SR 142.20)

Art.

Artikel

BA

Bundesanwaltschaft

BBl

Bundesblatt

BFM

Bundesamt für Migration

DRA

Direktion für Ressourcen und Aussennetz

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EU

Europäische Union

EVA

Elektronische Visumsausstellung

f.

folgende

Fedpol

Bundesamt für Polizei

GebV-ANAG Verordnung über die Gebühren zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 20.5.1987 (SR 142.241) GPK-N

Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates

RIPOL

Automatisiertes Fahndungssystem

SR

Systematische Rechtssammlung

Übers.

Übersetzung

USA

United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika)

usw.

und so weiter

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

VEA

Verordnung über Einreise und Anmeldung von Ausländerinnen und Ausländern vom 14.1.1988 (SR 142.211)

VIS

Visum Information System

z.B.

zum Beispiel

Ziff.

Ziffer

6029

Bericht 1

Auftrag und Vorgehensweise der GPK-N

Am 18. März 2005 gab das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in einer Medienmitteilung die Eröffnung einer Untersuchung wegen Verdachs auf missbräuchliche Visaerteilung in der Schweizer Botschaft in Lima bekannt. Kurz darauf informierte die Bundesanwaltschaft (BA) über die Existenz vier weiterer offener Untersuchungsfälle in den Vertretungen von Moskau1, Belgrad, Oman und Nigeria.

Im Anschluss an diese Mitteilungen beschloss die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N), sich über die Hintergründe dieser «Affären» zu informieren und die Wirksamkeit der vom EDA beschlossenen Massnahmen zu evaluieren, aber auch das Verfahren bei der Erteilung der Visa und deren Kontrolle allgemein zu überprüfen. Es ging darum, festzustellen, inwiefern diese Missbräuche bei der Visaerteilung einen Hinweis auf Schwächen allgemeiner Natur bei der Visaerteilung durch die schweizerischen Auslandvertretungen darstellten. Die GPK-N setzte ihre Arbeiten intensiv fort, nachdem im Frühjahr 2006 ein Visahandel in der Schweizer Botschaft von Islamabad aufgeflogen war. Die Kommission hat sich auch über den Fall zweier indonesischer Staatsbürger informiert, die ihre Visa über ein Reisebüro in Jakarta erlangt hatten.

Im Verlauf ihrer Ermittlungen hat die Kommission vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und vom EDA die Erstellung detaillierter Berichte verlangt und zahlreiche Befragungen durchgeführt (siehe Liste der angehörten Personen in Anhang 1). Sie hat insbesondere die Vorsteherin des EDA zweimal zu den Visaerteilungsverfahren und den von ihrem Departement getroffenen Massnahmen befragt.

Die GPK-N hat sich auch beim Inspektorat des EDA und bei der Direktion für Ressourcen und Aussennetz (DRA) lange mit den wichtigsten Kadermitgliedern unterhalten. Bei ihrem jüngsten Besuch hat die Kommission die Erstellung eines vergleichenden Berichts über die Visaerteilungssysteme in neun europäischen Ländern2 gefordert. Die GPK-N wollte sich zudem ein Bild über die Realität der konsularischen und diplomatischen Bediensteten in einer anfälligen Vertretung machen.

Zu diesem Zweck lud sie einen ehemaligen Missionschef in Kenia und einen ehemaligen Konsul von Schanghai dazu ein, über ihre Erfahrungen und die Probleme bei der Visaerteilung zu berichten.

Die Kommission hat sich auch
im Detail über die missbräuchliche Ausstellung von Visa in der Schweizer Botschaft in Pakistan informiert. Sie hat insbesondere den Bericht zur Administrativuntersuchung zur Kenntnis genommen und sich mit seinem Verfasser unterhalten. Auch im Fall der Botschaft in Jakarta hat die GPK-N in den Bericht der Sonderinspektion Einsicht genommen und mit den Autoren ein Gespräch geführt.

1

2

Im Dezember 2006 verurteilte das Bundesstrafgericht einen ehemaligen Angestellten der Schweizer Botschaft in Moskau zu acht Monaten Gefängnis bedingt für passive Korruption. Er hatte nahezu 20 000 Dollar für die Erteilung von Visa einkassiert.

Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich, Irland, Norwegen, Schweden, Spanien und die Niederlande.

6030

Letztlich wollte die GPK-N auch den Standpunkt des Bundesamtes für Migration (BFM) kennen lernen, das für die Migrationspolitik sowie die Verfahren und die Instruktionen im Visabereich zuständig ist. In diesem Rahmen hat sich die GPK-N auf die Visaerteilung durch die Auslandvertretungen konzentriert; sie hat sich hingegen nicht detailliert mit den Visakontrollen an der Grenze, in den Flughäfen und auf schweizerischem Staatsgebiet befasst.

2

Konsularische Aufgaben: Allgemeine Bemerkungen

2.1

Entwicklung der Aufgaben und der Ressourcen

Im Rahmen ihrer Arbeiten über die Visaerteilung hat sich die GPK-N ganz allgemein mit den konsularischen Aufgaben und der umfassenden Dienstleistungspalette der schweizerischen Auslandvertretungen in diesem Bereich befasst. Diese Tätigkeiten sind teilweise im Reglement des schweizerischen diplomatischen und konsularischen Dienstes3 beschrieben, das die Bestimmungen des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen4 konkretisiert. Im Weiteren beruhen verschiedene bedeutende konsularische Funktionen wie die Visaerteilung auf Gesetzen, Verordnungen oder Weisungen der Bundesbehörden.

Die konsularischen Aufgaben können grob in vier Bereiche eingeteilt werden. Erstens bieten die Vertretungen den Auslandschweizern Leistungen, die mit denjenigen einer Gemeindeverwaltung vergleichbar sind: Ausstellung von Ausweisen, Bearbeitung von Zivilstandsangelegenheiten und Bürgerrechtsfragen, Führen des Personenstands- und Stimmrechtsregisters, Kontrolle der militärischen Verpflichtungen und der Sozialhilfebezüger. Die Vertretungen übernehmen ebenfalls Aufgaben in Zusammenhang mit dem konsularischen Schutz, wie die Hilfe bei Festnahmen oder Inhaftierungen, die Gewährung von vorübergehender Finanzhilfe oder Hilfeleistungen im Falle von Krisen oder Katastrophen. Zur Tätigkeit eines Konsulats gehören im Weiteren die Aufgaben im Zusammenhang mit der Interessenwahrung der Schweiz: die Wirtschaftsförderung und die Imagewahrung. Letztlich übernehmen die Vertretungen auch Aufgaben im Migrationsbereich: Behandlung der Visagesuche, Untersuchungen und Unterstützung der kantonalen Behörden bei Familienzusammenführungen, Untersuchungen und Unterstützung des BFM in Asylfragen (Befragungen vor Ort, Vorbereitung von Rückführungen). Die Aufgaben der schweizerischen Auslandvertretungen sind folglich sehr vielseitig und komplex, und die Visaerteilung ist nur ein kleiner Teil davon.

Wie die GPK-N in ihrem Bericht über die Personalpolitik in den Karrierediensten des EDA und die Organisation des Aussendienstes5 festhielt, hat sich die konsularische Arbeit in den vergangenen Jahren stark gewandelt und ist viel anspruchsvoller geworden. Durch die neuen Technologien entfiel ein grosser Teil der administrativen Aufgaben der Konsulate, während die Aufgaben in anderen Bereichen komplexer wurden. Zu diesen zählen insbesondere die Interessenwahrung, der konsula3 4 5

Reglement des schweizerischen diplomatischen und konsularischen Dienstes vom 24.11.1967 (SR 191.1).

Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (SR 0.191.02).

«Personapolitik in den Karrierediensten und Organsisation des Aussendienstes im Eidgenössichen Departement für auswärtige Angelegenheiten», Bericht der GPK-N vom 22.8.2002, Ziff. 3.2.4, BBl 2002 3055 f.

6031

rische Schutz und die Visaerteilung. Zudem nimmt das Volumen der konsularischen Arbeit kontinuierlich zu (siehe nachstehende Tabelle).

Nicht alle konsularischen Aufgaben bedingen den gleichen Zeitaufwand ­ so ist beispielsweise die Prüfung eines Zivilstandfalles in bestimmten Ländern Afrikas viel aufwändiger als in Europa. Im manchen Fällen erfordern diese Aufgaben grosse menschliche und professionelle Qualifikationen und einen bedeutenden Personaleinsatz bei den Konsulaten. Während die einfachen Fälle konsularischen Schutzes tendenziell abnehmen (die Eigenverantwortung wurde verbessert), nehmen die komplexen Fälle zu (Entführungen, vermisste Personen, Naturkatastrophen usw.).

Bei den Visaanträgen konzentriert sich der Anstieg auf Länder mit hohem Migrationsdruck, wo die Gesuche aufgrund des Missbrauchsrisikos besonders genau behandelt werden müssen.

Tabelle Entwicklung der konsularischen Aufgaben

Anmeldung von Schweizer Staatsbürgern Konsularischer Schutz Zivilstandsfälle Eintragungen ins Stimmregister Sozialhilfefälle

1993

2002

2006

Entwicklung zwischen 1993 und 2006

504 177

598 562

654 878

+29,9 %

1 101

2 293

2 083

+89,2 %

*

33 395

37 263

+11,6 % (2002­2006)

33 460

84 619

113 644

+239,6 %

1 180

836

577

­51,1 %

45 260

71 682

92 818

+105,1 %

Visagesuche

587 377

557 150

610 501

+3,9 %

Asylanträge

*

3 768

4 036

+7,1 % (2002­2006)

Reisepässe und Identitätsausweise

* Daten erst ab 2001 erhoben (Quelle: EDA).

Seit Beginn der 90er Jahre ist das Budget des Aussendienstes des EDA unverändert geblieben (250 Millionen Franken). Das EDA verfügte damals über einen Mitarbeiter für 3000 Auslandschweizer; heute beträgt das Verhältnis 1 zu 5000. Angesichts der zunehmenden Arbeitslast hat das EDA verschiedene Massnahmen technischer und verfahrensrechtlicher Natur eingeleitet, um die administrativen Arbeiten (insbesondere in den Bereichen Visaerteilung, Personenstandsregister und Ausstellung von Reisepässen) zu rationalisieren. Zudem wurden mehrere Karrierekonsulate geschlossen und zahlreiche Posten an lokales Personal vergeben. In ihrem letzten Bericht hatte die GPK-N diese Massnahmen als bemerkenswert beurteilt; sie war zum Schluss gekommen, dass es sonst nicht möglich gewesen wäre, die im konsularischen Bereich zusätzlich anfallenden Aufgaben zu erfüllen.

6032

Die Kommission vertrat ebenfalls die Ansicht, das EDA habe im konsularischen Bereich die Rationalisierungsmöglichkeiten praktisch ausgeschöpft. Diese Meinung wurde auch vom Bundesrat geteilt. Die Kommission war der Ansicht, es könnten heute kaum mehr zusätzliche Produktivitätsgewinne erzielt werden, ohne die Substanz der traditionellen konsularischen Tätigkeit anzutasten. Es schien ihr «schwer vorstellbar», dass die Schweiz bei unverändertem Budget das aktuelle konsularische Netz ohne Abstriche bei den Aufgaben aufrechterhalten könnte.

Auf Grundlage dieser Feststellungen hatte die GPK-N das EDA ersucht, die Gesamtheit der konsularischen Dienstleistungen einer Prüfung zu unterziehen. Der Bundesrat hatte sich diesem Ersuchen allerdings widersetzt, indem er argumentierte, dass der Spielraum sehr eng sei und eine Leistungskürzung angesichts der Bedürfnisse der wachsenden Zahl von Auslandschweizern nicht vertretbar sei. Er war insbesondere der Ansicht, dass die Abschaffung des Matrikelregisters nicht zu Einsparungen, sondern zu einem Mehraufwand führen würde. Die Kommission schloss sich der Meinung des Bundesrates an und verzichtete darauf, Änderungen auf dem parlamentarischen Weg zu erzwingen.

Alles lässt darauf schliessen, dass sich die aufgezeigte Entwicklung in den kommenden Jahren sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht fortsetzen wird.

Die Auslandskolonie der Schweizer wird in den nächsten Jahren um 70'000 Personen zunehmen. Es werden neue Anforderungen zu den aktuellen Aufgaben hinzukommen, beispielsweise in Zusammenhang mit der Erfassung biometrischer Daten, die das EDA vor grosse Herausforderungen stellen werden. Das EDA kann diese Entwicklung, die stark von externen Faktoren abhängig ist (internationale Mobilität, technologischer Fortschritt, bilaterale und multilaterale Abkommen, Weisungen anderer Departemente usw.), kaum beeinflussen. Gemäss einer Schätzung der DRA wird die Erstellung eines biometrischen Reisepasses eine zusätzliche Arbeitszeit von 25 Minuten erfordern.

Rationalisierungspotenzial ist aber sicher noch vorhanden. 2006 wurden vier Vertretungen geschlossen, und im technischen Bereich sind einige Projekte im Gange (zum Beispiel das Projekt Infostar für das Personenstandsregister, die Erneuerung der Infrastruktur im Kommunikationsbereich und die Ausnutzung
der Möglichkeiten, welche das E-Government bietet). Wie die GPK-N bereits im Jahr 2002 unterstrich, ist es jedoch kaum vorstellbar, dass diese Bemühungen ausreichen werden, um die Zunahme der Arbeitslast zu resorbieren. Nach Ansicht des Direktors der DRA hat das konsularische Netz seine Grenzen erreicht, und das Departement geht heute Risiken ein, für die es keine Verantwortung mehr übernehmen kann. Im Visabereich konnte sich die Kommission davon überzeugen, dass die Schweiz ihre Aufgaben im europäischen Vergleich bereits heute mit einem sehr geringen Personalbestand erfüllt. In China stellen 14 Schweizer Mitarbeiter 70 000 Visa aus, während die Briten gut 70 Personen für die Ausstellung von 5000 Visa weniger einsetzen.

Da ein Leistungsabbau nicht in Betracht kommt, vertritt die GPK-N die Ansicht, dass sich eine Anpassung des Personalbestands an die geleistete Arbeit aufdrängt. Es geht um die Wahrung der Qualität der konsularischen Dienstleistungen. Für die Kommission ist insbesondere von Bedeutung, dass das EDA eine detaillierte Analyse der Bedürfnisse vornimmt und in der Lage ist, vermehrt versetzbares Fachpersonal für den Visabereich einzustellen (siehe nachstehende Ziff. 6).

6033

2.2

Diplomatische Karriere und konsularische Aufgaben

Wie die GPK-N in ihrem Bericht über die Personalpolitik in den Karrierediensten des EDA6 festhielt, war die konsularische Arbeit lange Zeit die «arme Verwandte» der schweizerischen Auslanddienste. Die Mitarbeiter der Konsulate standen im Schatten der Diplomaten, welche die konsularischen Aufgaben weitgehend unterschätzen. Die unterschiedlichen Karrieren werden im Übrigen oft durch eine deutliche Trennung in Bezug auf die Räumlichkeiten der Botschaften begleitet. Einerseits geht es um noble Aufgaben in einem oft prunkvollen Umfeld, andererseits um manchmal undankbare Kanzleidienste für Private. Obwohl diese Feststellung nicht verallgemeinert werden kann, ist anzumerken, dass sich die Diplomaten nur dann um konsularische Fragen kümmern, wenn sie unabwendbar dazu gezwungen sind.

Die verschiedenen «Visa-Affären» sowie bestimmte Einsätze in Verbindung mit dem konsularischen Schutz und dem Krisenmanagement (Tsunami, Elfenbeinküste und Libanon) haben jedoch aufgezeigt, dass die konsularischen Aufgaben von bedeutender politischer Tragweite sein können und die betroffenen Missionschefs vor grosse Herausforderungen stellen.

Die GPK-N hatte im Verlauf ihrer Arbeiten den Eindruck, dass sich das diplomatische Korps aufgrund dieser Ereignisse über diese Problematik bewusst geworden ist. 2005 standen die Fragen in Zusammenhang mit den konsularischen Aufgaben im Zentrum der Botschafterkonferenz und einer regionalen Konferenz, und seit 2006 nimmt das diplomatische und konsularische Personal gemeinsam an Führungsseminarien teil. Die Kommission begrüsst diese Massnahmen. Sie ist der Ansicht, dass der Austausch zwischen dem diplomatischen und dem konsularischen Korps auf allen hierarchischen Ebenen gefördert werden sollte. So müssten die konsularischen Aktivitäten nach Ansicht der Kommission vollumfänglich in das diplomatische Praktikum integriert werden, nicht nur während der theoretischen Ausbildung, sondern auch bei den ersten Versetzungen ins Ausland (beispielsweise in Form einer Personalrotation innerhalb einer Kanzlei).

Die jüngsten Ereignisse haben ebenfalls gezeigt, dass die Missionschefs in gewissen Risikoländern nicht nur über diplomatische, sondern auch über Führungskompetenzen verfügen müssen. Traditionell als bedeutungslos geltende Posten können sich als viel anspruchsvoller erweisen als prestigeträchtige
Posten in Europa oder Nordamerika.

Bei Versetzungen in anfällige Vertretungen müssen sowohl die konsularischen Bediensteten als auch ihre hierarchischen Vorgesetzten sorgfältig ausgewählt und auf die Anforderungen eines solchen Postens vorbereitet werden (strenge Kontrollen, Stressresistenz, Krisenmanagement usw.). Im Weiteren ist die Kommission der Ansicht, dass die Stellen des EDA, wie bereits im vorhergehenden Bericht der GPK-N7 gefordert, gemäss ihrer effektiven Bedeutung und den damit verbundenen objektiven Anforderungen neu bewertet werden müssen, und dass nicht allein auf Prestige- und Titelüberlegungen abgestellt werden kann. Diese Massnahmen müssen sich auch auf eine Neubewertung der besoldungsmässigen Ämterklassifikation erstrecken. So stellt sich die Kommission beispielsweise die Frage, ob die Funktion eines Missionschefs in Dänemark (34. Lohnklasse) in die gleiche Klasse wie diejenige des Missionschefs in Islamabad oder in eine höhere Klasse als diejenige des 6 7

Siehe Ziff. 3.2.4, BBl 2002 3055 f.

Siehe Ziff. 2.3, BBl 2002 3016 f.

6034

Chefs des Verbindungsbüros in Bagdad (30. Lohnklasse) eingeteilt werden sollte.

Die GPK ist der Ansicht, dass die Hierarchisierung der diplomatischen Posten dahingehend überdenkt werden muss, die anfälligen Posten für die talentiertesten Diplomaten attraktiv zu gestalten.

Die GPK-N begrüsst in diesem Sinne die vom EDA beschlossenen Änderungen in Bezug auf die Einteilung der Missions- und Kanzleichefs8. Die Neubeurteilung der Posten soll insbesondere den Anforderungen im Führungs- und Managementbereich mehr Gewicht verleihen. Die Kommission ist der Ansicht, dass auch eine Neubeurteilung der tieferen Funktionen in Betracht gezogen werden sollte.

3

Visaerteilung: Allgemeines

3.1

Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten

Die Rechtsgrundlagen für die Erstellung der Visa sind das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer9 und die Verordnung über Einreise und Anmeldung von Ausländerinnen und Ausländern (VEA)10. Das neue Ausländergesetz wird die Bedingungen für die Einreise und die Ausstellung eines Visums regeln (Art. 5 und 6); es sind hingegen keine substantiellen Änderungen gegenüber den aktuellen Texten vorgesehen. Der Gebührentarif ist in einer Verordnung festgelegt11.

Für die Visaerteilung ist das BFM zuständig. Es konkretisiert das übergeordnete Recht mittels Weisungen zuhanden der Auslandvertretungen der Schweiz, der Kantone und der Grenzposten. Es hält die Weisungen auf dem neusten Stand und bezeichnet die Länder mit Visumspflicht unter Berücksichtigung der vom Bund geschlossenen bilateralen und multilateralen Abkommen. Das BFM prüft jedoch nicht sämtliche Visanträge, sondern teilt sich diese Aufgabe mit verschiedenen anderen Behörden: dem EDA und seinen Auslandvertretungen, den Kantonen und den Grenzposten.

Die grosse Mehrheit der Visaanträge (rund 90 %) wird von den schweizerischen Auslandvertretungen behandelt, aber im Auftrag und gemäss den Instruktionen des BFM. Dies betrifft Transitvisa sowie Visa, die für eine Aufenthaltsdauer von bis zu drei Monaten ausgestellt werden, wie Tourismus-, Besucher-, Geschäfts- und Ausbildungsvisa sowie Visa für die medizinische Versorgung oder die Teilnahme an sportlichen oder kulturellen Anlässen. Die Auslandvertretungen können auch Visa für Journalisten oder andere Personen erstellen, die einer Erwerbstätigkeit ohne Anstellung bis zu 8 Tagen pro Jahr nachgehen möchten (z.B. Handelsvertreter). Die Visa können für eine oder mehrere Einreisen erstellt werden.

8

9 10 11

Vorbehaltlich der Genehmigung durch das EFD werden die erforderlichen Anpassungen der Verordnung des EDA vom 20. September 2002 zur Bundespersonalverordnung (VBPV-EDA) am 1.1.2008 in Kraft treten.

Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26.3.1931 (ANAG; SR 142.20).

Verordnung über Einreise und Anmeldung von Ausländerinnen und Ausländern vom 14.1.1988 (VEA; SR 142.211).

Verordnung über die Gebühren zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 20.5.1987 (Gebührenverordnung ANAG, GebV-ANAG; SR 142.241).

6035

Die schweizerischen Auslandvertretungen verfügen somit nur über eine delegierte Zuständigkeit. Praktisch bedeutet dies, dass sie ihre Entscheidungen formlos treffen; das Visum wird kommentarlos erteilt oder verweigert. Im Falle einer Ablehnung des Visaantrags kann der Antragsteller eine formelle Verfügung seitens des BFM verlangen, die vor dem schweizerischen Bundesgericht angefochten werden kann. Für diese Verfügung wird eine Gebühr eingezogen, die mit derjenigen vergleichbar ist, die für die Prüfung des Visaantrags verlangt wird (55 Schweizer Franken).

Das BFM kann den Auslandvertretungen diese Befugnis aus verschiedenen Gründen, insbesondere aus politischen und Sicherheitsgründen, entziehen. Dies ist zumeist bei besonderen Ereignissen der Fall, beispielsweise beim Ausbruch eines Konflikts in einem Land12. Im Allgemeinen betrifft eine solche Massnahme nur bestimmte Gruppen von Personen (z.B. ehemalige Regierungsmitglieder, Studenten). In diesem Fall werden die Visaanträge vom BFM in enger Zusammenarbeit mit der betreffenden Vertretung, den Kantonen und anderen betroffenen Diensten behandelt (EDA, Fedpol, SECO). So hat das BFM beispielsweise die Zuständigkeit für die Ausstellung von Studentenvisa in Guinea, Kamerun und Bangladesch übernommen, nachdem die dortigen Vertretungen einen plötzlichen und massiven Anstieg betrügerischer Anträge verzeichnet hatten.

Für eine Aufenthaltsdauer von mehr als drei Monaten oder für andere Reisezwecke erstellt die Vertretung Visa mit der Ermächtigung der Migrationsbehörden der Kantone.

Das EDA, beziehungsweise dessen Auslandvertretungen, stellt Visa in eigener Kompetenz nur in Fällen mit politischer Tragweite aus (beispielsweise für Inhaber eines Diplomatenpasses oder ausländische politische Opponenten).

3.2

Art des Visums und Ausstellungsbedingungen

Die Visumpflicht ermöglicht eine vorgelagerte, vertiefte Kontrolle der Einreisevoraussetzungen. Kein Visum benötigen insbesondere die Angehörigen der meisten europäischen Staaten.

Selbst wenn für bestimmte ausländische Staatsangehörige eine Visumspflicht besteht, berechtigt ein Visum allein nicht zur Einreise oder zu einem Aufenthalt in der Schweiz. Das Visum ist nur der Beweis dafür, dass die Einreisebedingungen in die Schweiz zum Zeitpunkt der Ausstellung erfüllt waren. Die Kontrollposten an der Grenze können ein Visum annullieren, wenn die Bedingungen nicht mehr erfüllt sind (wenn die Person beispielsweise falsche oder gefälschte Identitätsausweise verwendet).

Ausländerinnen und Ausländer müssen folgende Bedingungen erfüllen, um ein Visum zu erlangen13:

12 13

­

sie müssen über einen gültigen Reisepass verfügen;

­

sie dürfen nicht von einer Landesverweisung oder einer Einreisesperre betroffen sein;

­

sie dürfen keine Gefahr für die Schweiz darstellen; Zurzeit sind 22 Länder von einer solchen Massnahme betroffen.

Art. 1 VEA

6036

­

sie müssen Gewähr bieten, dass sie nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums wieder ausreisen;

­

sie müssen über genügend Mittel verfügen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Erteilung eines Visums kann ebenfalls verweigert werden, falls der Antragsteller die erforderlichen Unterlagen nicht vorweisen kann, falls er unwahre Angaben macht bzw. falsche oder gefälschte Dokumente vorlegt, um ein Visum zu erschleichen. Ein konsularischer Bediensteter kann einen Visaantrag auch ablehnen, falls er begründete Zweifel über die Identität des Antragstellers oder den Aufenthaltszweck hegt.

4

Visaerteilung durch die Auslandvertretungen der Schweiz

4.1

Verfahren, Organisation und Zuständigkeiten

Die Organisation der Visaerteilung in den verschiedenen schweizerischen Auslandvertretungen ist sehr unterschiedlich. Infrastruktur und Personalbestand sowie das Prüfverfahren müssen dem Antragsvolumen und den lokalen Gegebenheiten angepasst werden (politische Situation, Zussammensetzung des Personals, Gebäude, Sicherheitsmassnahmen usw.). Die Schweizer Botschaften in Moskau, Neu-Delhi und Peking, die jährlich über 60 000 Visaanträge behandeln, setzen einen Grossteil ihres Personals im Visabereich ein und nehmen genauere Kontrollen vor als weniger anfällige Vertretungen in Nairobi oder Oslo.

In der Regel ist jede Vertretung gehalten, das Verfahren, die Informationsstrategie zur Bekanntmachung der Bedingungen für die Visaerteilung und die Zuständigkeiten der beteiligten Mitarbeiter mittels interner Weisung festzulegen. Diese gelangt zur Kontrolle an das BFM und die DRA.

Das Verfahren der Visaerteilung kann grob in folgende Etappen eingeteilt werden: Die Vertretung informiert anhand von Anschlagtafeln und eines Schalters vor Ort sowie verschiedener Informations- und Kommunikationstechniken (Telefon, Fax, E-Mail, Website der Vertretung, Website des BFM) über das Verfahren der Visaerteilung.

Der Antragsteller stellt seinen Visaantrag in der Regel persönlich bei der für seinen Wohnort zuständigen konsularischen Vertretung, und es muss ein Gespräch geführt werden. Er muss das Visaantragsformular, seinen Reisepass, seine Reisedokumente sowie andere Unterlagen vorweisen, die je nach Fall und Ort variieren können.

Anhand dieser Unterlagen soll überprüft werden können, ob der erklärte Aufenthaltszweck in der Schweiz den wirklichen Absichten des Antragstellers entspricht (z.B. Reiseprogramm und Reservationen, Einladung eines Schweizer Unternehmens für eine Geschäftsreise, Zulassungszertifikat für ein Studienprogramm), dass der Antragsteller über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um seinen Aufenthalt zu bestreiten (z.B. Garantiebrief einer solventen Person in der Schweiz, Kontoauszüge einer Bank, Lohnausweis) und dass er die Schweiz nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums wieder verlassen wird (z.B. Retourticket, Visa für die Weiterreise, Arbeitsbestätigung eines Unternehmens im Ursprungsland).

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Sobald der Antrag eingereicht wurde, registrieren die Vertretungen die Angaben in der Online-Datenbank EVA14, mit der sämtliche Vertretungen, das BFM, die Grenzposten sowie die kantonalen Behörden verbunden sind. Die Vertretung überprüft die Echtheit, die Plausibilität und die Gültigkeit der Dokumente. Es geht insbesondere darum, die Vollständigkeit der Unterlagen zu prüfen und einen allfälligen Betrug oder Fälschungen aufzudecken. Die konsularischen Bediensteten prüfen ebenfalls, ob der Antragsteller im automatisierten Fahndungssystem RIPOL oder im Zentralen Ausländerregister aufgeführt ist, und ob er in der Vergangenheit bereits einmal einen Visaantrag gestellt hat. Im Zweifelsfall muss der Antrag an das BFM sowie an andere Schweizer Behörden (SECO, Fedpol und Kantone) zur Überprüfung weitergeleitet werden. Die Kantone nehmen ebenfalls die Überprüfung einer allfälligen Garantieerklärung vor und geben ihre Stellungnahme bekannt.

Bevor über die Visaerteilung entschieden wird, sollte jeder Antrag einer doppelten Prüfung unterzogen werden («Vier-Augen-Prinzip»). Das bedeutet, dass die Person, die das Dossier überprüft, nicht mit der Person identisch ist, die das Visum letztlich erteilt. Fällt die Antwort positiv aus, wird das Visum über das System EVA auf eine Vignette aufgedruckt und diese in den Reisepass geklebt. Die abgelehnten Visaanträge werden ebenfalls im System EVA erfasst.

Weist ein Antragsteller einen Reisepass mit einem Schengen-Visum vor, kommt gemäss den Weisungen des BFM ein vereinfachtes Verfahren zur Anwendung. Die Vertretung muss nur die Echtheit des Reisedokuments und des Visums prüfen und kontrollieren, ob der Antragsteller nicht im RIPOL aufgeführt ist. Wurde das Schengen-Visum nur für eine Einreise ausgestellt, muss ebenfalls überprüft werden, ob die Ausreise aus der Schweiz gesichert ist. In der Praxis kommt dieses vereinfachte Verfahren bei einem sehr grossen Teil der Visaanträge zur Anwendung. In der Schweizer Botschaft in Jakarta verfügen beispielsweise rund 90 % der VisaAntragsteller bereits über ein Schengen-Visum.

Die Kompetenzaufteilung zwischen lokalem Personal und versetzbaren Bediensteten ist vom Antragsvolumen und den Risiken eines Missbrauchs abhängig. In der Regel werden die lokalen Angestellten für die einfacheren Kontrollaufgaben, die Auskunftserteilung,
die Übersetzung der Anträge und für das Gebühren-Inkasso eingesetzt. In manchen Fällen werden sie mit der Ausarbeitung von «Vorentscheidungen» für den versetzbaren Bediensteten beauftragt, der dann über die Visaerteilung oder die Ablehnung des Antrags entscheidet. Ausnahmsweise können lokale Angestellte schweizerischer Nationalität, die seit langem für die Vertretung tätig sind, dazu befugt werden, Entscheidungen zu treffen und Visaanträge zu genehmigen.

Das Generalkonsulat von Schanghai, das jährlich rund 18 000 Visaanträge bearbeitet (entspricht rund 80 Visa je Werktag), beschäftigt beispielsweise zwei lokale Angestellte. Diese nehmen die Dokumente am Schalter des Konsulats in Empfang, ziehen die Gebühren ein und führen eine erste Kontrolle durch. Sie werden von einer vor Ort rekrutierten Angestellten schweizerischer Nationalität, die hinter dem Schalter in Sichtweite der Antragsteller platziert ist, unterstützt und überwacht. Sobald die Daten im System EVA erfasst wurden, bearbeitet die lokale Angestellte schweizerischer Nationalität die Anträge und nimmt im Zweifelsfall zusätzliche Überprüfungen vor. Sie schlägt dann eine Visaart vor (ein- oder mehrmalige Einreise, Gültigkeitsdauer, Aufenthaltsdauer in der Schweiz usw.) und leitet das Dossier an den Chef der Sektion Visa, einen Bediensteten der konsularischen Karriere, zur Geneh14

Elektronische Visumsausstellung.

6038

migung weiter. Der Chef der Sektion Visa übergibt die Dossiers in der Folge an die lokalen Angestellten, die im Falle einer positiven Antwort die Visa ausstellen und diese an die Antragsteller übergeben.

Unter den 172 Honorarvertretungen des schweizerischen Aussennetzes sind 22 dazu ermächtigt, Visa zu erteilen. Die Honorarkonsulate unterstehen der Aufsicht der Vertretungen, denen sie administrativ zugeteilt sind. Nach dem Beitritt der Schweiz zum Schengen-Raum können die Honorarvertretungen keine Visa mehr erteilen.

4.2

Missbrauchsrisiko und Kontrollen

Für Personen, die sich unrechtmässig ein Visum beschaffen wollen, bietet sich praktisch auf jeder Stufe des Visaerteilungsverfahrens eine Gelegenheit. Grundsätzlich sind sämtliche Vertretungen diesem Risiko ausgesetzt. Jedes Land bzw. jede Region weist jedoch ein spezifisches Risikoniveau auf, das sowohl von der politischen und wirtschaftlichen Lage abhängig ist (Migrationsdruck), als auch von den Beziehungen zur Schweiz (Familienangehörige oder Landsleute mit Wohnsitz in der Schweiz können eine Massenmigration begünstigen) und den Traditionen (z.B. weit verbreitete Korruptions- und Bestechungspraxis).

Auch die Anzahl der behandelten Anträge ist sehr unterschiedlich (siehe Anhang 2).

Bei der grossen Mehrheit der Vertretungen werden zwischen einigen hundert und einigen tausend Visa ausgestellt. So erteilten die fünf Vertretungen mit den meisten Visaanträgen (Peking, Moskau, Mumbai, Neu-Dehli und Istanbul) im Jahr 2005 nahezu 43 % sämtlicher Visa, und die dreizehn Vertretungen mit den meisten Anträgen 62 % sämtlicher Visa. Für die schweizerischen Auslandvertretungen geht es darum, diese Risiken zu berücksichtigen, um eine effiziente Kontrolle der Visaerteilung aufzubauen, jedoch ohne überspitzten Formalismus, welcher der Qualität der Dienstleistungen sowie dem Image und den wirtschaftlichen Interessen der Schweiz schaden könnte.

Grundsätzlich müssen Anträge gewisser Risikogruppen einer umfassenden Prüfung unterzogen werden. Bei diesen handelt es sich namentlich um Antragsteller, die zum ersten Mal ins Ausland reisen (insbesondere junge, unverheiratete Antragsteller aus Ländern mit starkem Migrationsdruck). Anträge von Personen, die oft in die Schweiz reisen und persönlich bekannt sind (Geschäftsleute, Angestellte von Ministerien, offizielle Visa) müssen hingegen kulanter behandelt werden. In diesen Fällen kann die Vertretung ein Visum für eine mehrmalige Einreise mit einer maximalen Gültigkeitsdauer von drei Jahren ausstellen.

Die Risiken eines Missbrauchs können grob in zwei Kategorien unterteilt werden: Sie können einerseits mit Korruption oder gesetzeswidrigen Handlungen durch Mitglieder des Personals der Vertretung in Verbindung stehen. Obwohl diese Fälle in der Öffentlichkeit auf ein grosses Echo stossen, muss hervorgehoben werden, dass sie nur einen marginalen Teil der jedes Jahr behandelten
Anträge darstellen. Die grössten Schwierigkeiten, mit denen die schweizerischen Auslandvertretungen zu kämpfen haben, betreffen vielmehr die Kontrolle der Visaerteilungsbedingungen und insbesondere die Überprüfung der Echtheit der Dokumente und der Reisezwecke. Diese Probleme betreffen eine grosse Anzahl von Anträgen und erfordern einen bedeutenden Aufwand, um erkannt zu werden.

6039

Zur Prävention von Missbräuchen wird auf jeder Stufe der Visaerteilung eine Kombination verschiedener Massnahmen eingesetzt. Im Anschluss an verschiedene Ereignisse und Beobachtungen fasste das EDA im Januar 2004 seine wichtigsten Empfehlungen in einem Rundschreiben an die Auslandvertretungen zusammen, in dem es diese dazu aufforderte, vermehrt Kontrollen vorzunehmen15.

4.2.1

Korruption und gesetzeswidrige Handlungen

Das konsularische Personal ist in Bezug auf die Visaerteilung Korruptions- und Druckversuchen verschiedenster Art ausgesetzt. In manchen Risikoländern geschieht es nicht selten, dass Personen, die sich unrechtmässig ein Visum beschaffen wollen, den Bediensteten des EDA Geldsummen oder Geschenke anbieten oder sogar physischen oder psychischen Druck auf diese ausüben.

Aufgrund der gesellschaftlichen Bindungen in ihrem Land und ihres oft bescheidenen Lebensstandards sind die lokalen Angestellten Drohungen, Loyalitätskonflikten sowie Erpressungs- oder Korruptionsversuchen in besonders hohem Masse ausgesetzt. Vielfach sind jedoch gerade sie ­ aufgrund ihrer Sprachkenntnisse und ihrer Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse ­ die ersten Ansprechpartner am Schalter oder am Empfang. Obwohl in der Regel immer ein versetzbarer Bediensteter des konsularischen Dienstes des EDA den endgültigen Entscheid trifft, können die lokalen Angestellten bei der vorbereitenden Phase der Behandlung der Visaanträge dazu gedrängt werden, dem Antragsteller einen Vorteil zu verschaffen.

Die Massnahmen zur Verhinderung von Korruption und unrechtmässigen Handlungen sind somit einerseits darauf ausgerichtet, die konsularischen Bediensteten und die lokalen Angestellten vor den Risiken zu schützen, denen sie selbst ausgesetzt sind, und andererseits darauf, die Möglichkeiten einer Einflussnahme auf den Entscheid einer Visaerteilung einzuschränken.

Kontakte mit der Öffentlichkeit Was die Organisation der Kontakte mit der Öffentlichkeit betrifft, sind nach Ansicht des Bundesrates zwei verschiedene Ansätze möglich16. Einerseits können die Vertretungen eine maximale Transparenz anstreben, damit jederzeit klar ersichtlich ist, was sich zwischen dem Antragsteller und dem Visabeauftragten abspielt, um beispielsweise die Übergabe von Bestechungsgeldern zu verhindern. Das Generalkonsulat von Shanghai hat diesen Ansatz gewählt; die sichtbare Präsenz einer Schweizer Angestellten hinter dem Schalter hat eine abschreckende Wirkung.

Eine zweite mögliche Vorgehensweise besteht darin, beim Verfahren der Visaerteilung Anonymität zu gewährleisten (z.B. durch getönte Glasscheiben an den Schaltern), damit der Bedienstete nicht erkannt und in der Folge am Schalter oder anderswo auch nicht bedroht oder erpresst werden kann. Die Kommission erachtet solche
Massnahmen als nützlich, um die Angestellten vor bestimmten Einzelpersonen zu schützen; im Falle krimineller Organisationen zweifelt sie deren Wirksamkeit jedoch an.

15 16

Rundschreiben der DRA vom 15.1.2004 «Visaerteilung und Kontrollmechanismen».

Siehe Antwort des Bundesrates vom 22.9.2006 auf die Interpellation 06.3249.

6040

Die Kanalisierung der Antragsteller anhand von baulichen Massnahmen (Trennung des Visabereichs von der übrigen Kanzlei, z.B. durch den Bau getrennter Pavillons mit einem direkten Zugang von der Strasse) kann ebenfalls ein Sicherheitselement darstellen. Sie ermöglicht insbesondere, das Risiko eines Missbrauchs bei einer allfälligen Kontrolle beim Eingang der Vertretung abzuwenden.

Das EDA empfiehlt den Vertretungen grundsätzlich auch eine Personalrotation im Visabereich. Idealerweise erfolgt diese Rotation unregelmässig; in den Vertretungen einiger europäischer Länder werden die Arbeitsplätze der Angestellten und die zu bearbeitenden Dossiers jeden Morgen nach dem Zufallsprinzip neu zugewiesen.

Zudem können die üblicherweise dem Schalterdienst zugeteilten Funktionen (Auskunftserteilung, Terminvereinbarung) an externe Call Centers delegiert werden. Das EDA hat solche Call Centers bis jetzt im Rahmen von vier Pilotversuchen17 mit gutem Erfolg eingesetzt. Es beabsichtigt, diese Erfahrung auf andere bedeutende Posten und Risiken auszuweiten; zuerst müssen jedoch noch die Rechtsgrundlagen in der neuen Ausführungsverordnung des Ausländergesetzes geschaffen werden.

Was das Inkasso der Visagebühren anbelangt, so erfolgt dieses in immer mehr europäischen Ländern nicht mehr in der Vertretung; anstelle dessen wird eine Banküberweisung verlangt. Das EDA führt zurzeit einen entsprechenden Versuch in Moskau durch; es ist allerdings noch zu früh, um Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass verschiedene europäische Länder noch einen Schritt weiter gehen und die vollständige Kontrolle der Visaanträge externalisieren; über die Möglichkeiten, die solche Outsourcing-Lösungen bieten, wird zurzeit in den Schengen-Staaten debattiert.

Kontrolle der Handlungen des lokalen Personals In Risikoländern sollte das lokale Personal nur unter der Bedingung, dass seine Handlungen von Bediensteten aus der Schweiz genau kontrolliert werden, für die Prüfung der Visaanträge eingeteilt werden. Gegebenenfalls müssen die konsularischen Bediensteten die Begründetheit der «Vorentscheidungen» durch das lokale Personal unbedingt punktuell und nach dem Zufallsprinzip überprüfen; sie müssen detailliert über die abgegebenen Vignetten Buch führen und kontrollieren, ob die in das System EVA eingegebenen
und auf die Vignetten aufgedruckten Daten exakt sind. Es ist heute in der Tat üblich, dass das lokale Personal zum Zeitpunkt des Eingangs des Visaantrags Zugriff auf das System EVA hat und dass es mit dem Ausdruck der Vignetten beauftragt wird. Es ist ihm daher möglich, falsche oder ungenaue Angaben zu erfassen (insbesondere bei komplizierten Namen), die im Visum enthaltenen Informationen zu manipulieren oder sogar missbräuchlich Visa auszustellen.

Diese Kontrollen können in menschlicher Hinsicht durch die Vertrauens- und Freundschaftsbeziehungen, die über die Jahre entstanden sind, erschwert werden. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass verschiedene europäische Länder eine viel restriktivere Praxis gegenüber dem lokalen Personal verfolgen. Norwegen begrenzt und kontrolliert den Zugang dieses Personals zu verschiedenen Bereichen der Botschaft und untersagt ihm den Zugriff auf das Schengener Visasystem. In Österreich übt das lokale Personal nur einfache Funktionen aus und ist nicht dazu befugt, Vorentscheidungen zu treffen. Und Spanien hat sogar beschlossen, innerhalb von drei Jahren sämtliche lokalen Angestellten durch spani17

In Skopje, Moskau, Bangkok und Sankt Petersburg.

6041

sches Personal zu ersetzen. Das lokale Personal soll nur noch für Übersetzungsarbeiten eingesetzt werden.

Kontrolle nach dem «Vier-Augen-Prinzip» und Überwachungsfunktion der Missionschefs Die Entscheidungen der konsularischen Bediensteten aus der Schweiz müssten gemäss dem «Vier-Augen-Prinzip» ebenfalls von einem anderen Bediensteten geprüft werden. Es ist Aufgabe des Kanzleichefs, die Arbeit der konsularischen Bediensteten zu planen, zu überwachen und zu prüfen, erforderlichenfalls anhand von punktuell durchgeführten Kontrollen.

Die Kommission erachtet es ebenfalls als wichtig, dass sich die Missionschefs über ihre Gesamtverantwortung für die konsularische Arbeit im Allgemeinen und die Visaerteilung im Besonderen bewusst sind und diese vollumfänglich wahrnehmen.

Der Missionschef muss über allgemeine Kenntnisse der konsularischen Verfahren verfügen, ohne in den Zuständigkeitsbereich des Kanzleichefs einzugreifen; er muss auf verdächtiges Verhalten achten und insbesondere bei schwierigen Fällen für einen Informationsaustausch mit dem Kanzleichef sorgen. Die Arbeiten der GPK-N haben jedoch gezeigt, dass diese Zusammenarbeit nicht immer zufrieden stellend funktioniert, und dass nicht alle Kanzleichefs auf die Unterstützung ihrer Missionschefs zählen können.

4.2.2

Dokumentenmissbrauch und andere betrügerische Machenschaften

Dokumentenmissbrauch In gewissen Ländern kann sich die Kontrolle von Dokumenten und Informationen als äusserst komplex erweisen. Am häufigsten anzutreffen sind missbräuchliche Manipulationen des Reisepasses (Austausch der Fotos, Korrekturen, Änderung der Seitenzahlen). Nach der Einführung von EVA hat sich die Zahl der gefälschten Visa beträchtlich zurückgebildet; die Fälschungen des Inhalts der Visa haben in der Folge allerdings zugenommen. Neben unbeholfenen und offensichtlichen Fälschungen gibt es auch sehr professionelle Fälschungen, die dem organisierten Verbrechen zuzuordnen sind. Echte Visa-Vignetten aus Ländern wie den Vereinigten Staaten, Grossbritannien oder anderen Schengen-Staaten werden beispielsweise «weissgewaschen», d.h., die ursprünglichen Daten werden zum Verschwinden gebracht und durch neue Angaben ersetzt.

Den Vertretungen steht ein spezialisiertes Gerät für die Überprüfung der Echtheit der Dokumente zur Verfügung, doch können damit nicht alle Fälle gelöst werden.

Die Identifikation von «echten falschen» Reisepässen oder Geburtsurkunden ­ darunter versteht man Dokumente, die von den zuständigen Behörden der betreffenden Länder ausgestellt, aber illegal erworben wurden ­ verlangt beispielsweise komplexe Überprüfungen und einen beträchtlichen Zeitaufwand. Gefälscht sein können im Übrigen auch die anderen Unterlagen, die von der Vertretung verlangt werden, wie Arbeitsbestätigungen, Geburtsurkunden, finanzielle Garantien, Einladungsschreiben, Heiratsurkunden, Geschäftsidentitäten usw.

6042

Ein Kommentar des Inspektors, der mit der Administrativuntersuchung in Islamabad beauftragt war, veranschaulicht deutlich den hohen Grad an Raffinesse gewisser Netze und die komplexen Situationen, mit denen sich gewisse Vertretungen konfrontiert sehen. Im Zusammenhang mit der Ankunft eines neuen konsularischen Mitarbeiters in der Botschaft (zur Verstärkung des ursprünglichen Teams, das durch die Visa-Affäre reduziert wurde) berichtet der Inspektor: «Die ab dem 25. April 2006 [d.h. an dem auf die Ankunft des neuen Mitarbeiters folgenden Tag] eingereichten Visaanträge gaben Anlass zu erneuter Beunruhigung. Die besonders schlechte bzw. (in den Augen der offenkundig zweifelhaften Reiseagenturen) besonders gute Qualität der Anträge liess darauf schliessen, dass die bereits über die Ankunft des neuen Mitarbeiters informiert waren und versuchten, diesen zu . [...] Das könnte bedeuten, dass andere lokale Angestellte als Informanten arbeiteten und dies auch weiterhin tun.» Identitätsmissbrauch Die Fälle von Identitätsmissbrauch ­ eine Person verwendet den gültigen Reisepass einer Person, die ihr ähnlich sieht, eine Person erlangt echte Identitätspapiere auf Grundlage von falschen Zivilstandsunterlagen usw. ­ werden ebenfalls immer häufiger. Das EDA-Inspektorat hat beispielsweise bei einem Besuch in Kinshasa eine Person ausfindig gemacht, die sich unter verschiedenen Identitäten elf Mal bei der schweizerischen Vertretung für einen Visaantrag präsentiert hatte.

Vor diesem Hintergrund ist von Bedeutung, dass sich der Antragsteller persönlich bei der Vertretung präsentiert und sich nicht durch eine Drittperson vertreten lässt.

Der Mitarbeiter kann sich somit versichern, dass die betreffende Person auch wirklich mit der fotografierten Person im Reisepass übereinstimmt und sie zu dem geplanten Aufenthalt in der Schweiz befragen.

Von zunehmender Bedeutung sind die biometrischen Technologien. Zurzeit verfügen 22 Schweizer Vertretungen über ein Gerät, das die Fingerabdrücke abnimmt und sie mit denen in der Datenbank AFIS vergleicht. Mit dieser Technologie können insbesondere abgewiesene Asylbewerber, die erneut in die Schweiz einzureisen versuchen, identifiziert werden. Gemäss geltendem Recht dürfen Fingerabdrücke nur bei begründetem Verdacht abgenommen werden. Das neue Ausländergesetz wird
hingegen den Einsatz von Fingerabdrucksystemen gemäss den Bestimmungen von Schengen/Dublin bei allen Visaanträgen erlauben, und Spanien hat in Nigeria sogar DNA-Tests eingeführt.

Andere Beispiele verbreiteter betrügerischer Machenschaften Auch in anderen Bereichen gibt es sowohl relativ leicht identifizier- und erkennbare als auch sehr viel raffiniertere Fälschungen.

Eine Person kann sich beispielsweise eine falsche Geschäftsidentität zulegen, um sich von einem Schweizer Unternehmen für einen Geschäftsbesuch einladen zu lassen; die Einladung ist echt, aber die betreffende Person wird nie bei dem Unternehmen vorstellig. Ein anderes Beispiel: Eine Person kauft ein Flugticket und reserviert verschiedene Übernachtungen bei einwandfreien Hotels, annulliert diese jedoch, sobald sie das Visum erhalten hat. Die Person, die letztlich in der Schweiz ankommt, ist nicht diejenige, die das Visum erhalten hat, und verlässt das Land nicht mehr.

6043

Ein konsularischer Bediensteter, der in Istanbul und Schanghai tätig war, berichtete bei der Aussprache mit der Kommission Folgendes: «[...] es bestand ein starker und anhaltender Migrationsdruck. Wenn man am Schalter arbeitet, spürt man immer diesen Druck und man stellt sich immer wieder die Frage, was denn noch erfunden wurde, um die Dokumente zu fälschen. Und wenn ein Missbrauch aufgedeckt wurde, wird dieser sofort durch eine neue Art von Fälschung ersetzt. Diese Situation ist für alle hart, besonders jedoch für das lokale Personal, da es die Anträge von Landsleuten entgegennimmt.»

4.3

Aufsicht des EJPD und des EDA

Gemäss Art. 20 VEA beaufsichtigen das EJPD und das EDA gemeinsam den Vollzug der Visumbestimmungen. Die Umsetzung erfolgt durch das BFM (Sektion «Visa und Grenzsicherheit»), beziehungsweise durch die DRA (Sektion «Konsularische Angelegenheiten»). Letztere wirkt als Koordinations- und Beratungsstelle der Vertretungen. Sie beantwortet Anfragen, Reklamationen und Beschwerden und gewährleistet die technische Unterstützung der schweizerischen Auslandvertretungen für Informatikanwendungen wie das System EVA.

Die Kontrollfunktionen dieser Dienste beruhen auf einer Reihe von Beobachtungen, die Hinweise auf Unregelmässigkeiten geben können: ­

Das EDA-Inspektorat führt periodische Kontrollen (ungefähr alle 4 Jahre im Turnus) und im Falle eines konkreten Verdachts punktuelle Kontrollen bei den Auslandvertretungen durch. Die Berichte werden gegebenenfalls an das BFM weitergeleitet. Es ist auch schon vorgekommen, dass sich das BFM an Inspektionen vor Ort beteiligte.

­

Die Datenbank EVA ermöglicht die Erstellung einer Statistik über die bewilligten bzw. abgelehnten Visaanträge. Die Statistiken werden vom BFM geführt, das monatliche Berichte zuhanden der DRA erstellt. Dabei dient die Entwicklung des Volumens (Anzahl erstellter Visa, Verhältnis zwischen erstellten Visa und abgelehnten Anträgen) als eine Art Alarmsystem. Ein bedeutender Anteil abgelehnter Anträge oder ein plötzlicher Anstieg der Anzahl der Visaanträge lässt auf einen Migrationsschub schliessen, der oft mit einem erhöhten Korruptionsrisiko einhergeht. In einem solchen Fall verlangt die DRA von der betreffenden Vertretung eine Erklärung. Dazu ist anzumerken, dass anhand des Systems EVA feststellbar ist, welche Mitarbeiter die Visa ausgestellt haben.

­

Das BFM nimmt bereits an den monatlichen Sitzungen der SchengenStaaten teil, bei denen sich die Vertreter dieser Länder sowie Experten in Visafragen gegenseitig über die Probleme und die aktuelle Praxis bei der Visaerteilung informieren.

­

Zu den anderen möglichen Informationsquellen zählen Reklamationen und Beschwerden von Drittpersonen, Informationen der Kantone, Rückweisungsmeldungen der Grenzkontrollbehörden (z.B. gehäufte Anzahl Annullierungen von Visa, die von einer bestimmten Vertretung ausgestellt worden sind), Hinweise der Nachrichtendienste oder Faktoren in Verbindung mit der Innenpolitik.

6044

Die von der GPK-N angehörten Personen beurteilen die Zusammenarbeit zwischen dem EDA und dem EJPD als sehr gut. Das BFM und die DRA halten abgesehen vom punktuellen Informationsaustausch monatliche Sitzungen ab, und es wurde ebenfalls eine interdepartementale Arbeitsgruppe mit dem Auftrag gebildet, über interdepartementale Probleme im Visabereich (Ausbildung, Ausrüstung, Information) zu diskutieren und den Beitritt zum Schengen-Raum vorzubereiten.

Das EDA hat im Anschluss an die jüngsten Affären im Zusammenhang mit der missbräuchlichen Ausstellung von Visa verschiedene Massnahmen zur besseren Kontrolle des Departements getroffen. Zu diesen zählt in erster Linie die Schaffung eines Visa-Inspektorats im Rahmen des EDA-Inspektorats. Das Visa-Inspektorat hat seine Tätigkeit am 1. Dezember 2006 aufgenommen und besteht aus drei Inspektoren des BFM und des Fedpol. Da das Inspektorat ausreichend Zeit hat, eine bedeutende Anzahl von Visaanträgen vertieft zu prüfen, wird es vermehrt in der Lage sein, allfällige Trends (beispielsweise ein allfälliges Menschenhändlernetz, neue Fälschungstechniken) und Mängel beim Verfahren in den Vertretungen zu erkennen.

Die Aufgabe des Inspektorats wird darin bestehen, eine Ex-post-Kontrolle vorzunehmen, aber auch in der präventiven Beratung und im Coaching der Vertretungen.

Es wurden Pilotversuche in Kiew, Skopje und Santo Domingo durchgeführt, die sich mit dem einen oder anderen der Problempunkte bei der Ausstellung der Visa in den betreffenden Vertretungen befassten. Das neue Visa-Inspektorat wird voraussichtlich zwischen 25 und 30 Inspektionen pro Jahr durchführen können, die je nach Komplexität und Volumen der Visaanträge zwischen drei Tagen und zwei Wochen dauern können. Dabei wird den exponiertesten Posten Priorität eingeräumt.

Gleichzeitig nahm das EDA eine systematische Evaluation der Vertretungen und der Risiken vor, welche diese darstellen. Die daraus resultierende Klassierung der Vertretungen ermöglicht sowohl eine verschärfte Aufsicht des Departements als auch eine bessere Einschätzung der Schwierigkeit eines Postens für die Auswahl der Diplomaten und des Personals (siehe Ziff. 2.2).

5

Folgen des Beitritts der Schweiz zum Schengener Abkommen

Die GPK-N ist davon überzeugt, dass der Beitritt der Schweiz zum Schengen-Raum die Sicherheit bei der Visaerteilung erhöhen und das Risiko von Missbräuchen senken wird.

So profitieren zurzeit bereits sehr viele Antragsteller von einem erleichterten Verfahren zur Erlangung eines Schweizer Visums (falls ein Antragsteller bereits ein Schengen-Visum besitzt, werden nur die Echtheit des Reisepasses und des Schengen-Visums überprüft). In diesem Zusammenhang ist die Feststellung von Interesse, dass die Schweiz im Durchschnitt viel weniger Visaanträge ablehnt als die Schengen-Staaten (in der Schweiz sind es rund 5 % gegenüber Belgien mit 25 %, Frankreich mit 14­18 %, Deutschland mit 12­14 %, Schweden mit 10 % oder die Niederlande mit 9­10 %). Der relativ tiefe Satz der abgelehnten Visaanträge der Schweiz ist darauf zurückzuführen, dass bei Antragstellern, die bereits über ein SchengenVisum verfügen, das vereinfachte Verfahren Anwendung findet.

6045

Nach dem Beitritt der Schweiz zum Schengen-Raum können die schweizerischen Vertretungen, falls sie dies wünschen, vor einer Visaerteilung systematisch konsultiert werden. Falls sie sicherheitspolitische Zweifel anbringen, kann das Visum nicht ausgestellt werden. Falls jedoch ein anderer Mitgliedstaat einen Einwand betreffend ein Visum geltend macht, das eine schweizerische Vertretung auszustellen beabsichtigte, wäre es immer noch möglich, nur ein Visum für die Schweiz zu erteilen. Die Schweiz hätte somit Gelegenheit, vor der Ausstellung des Schengen-Visums ihren Einfluss geltend zu machen.

Die schweizerischen Vertretungen werden ebenfalls von den verschiedenen Instrumenten profitieren, über welche die Schengen-Staaten verfügen: Sie werden sich offiziell an der lokalen konsularischen Zusammenarbeit und am Expertenpool für Fälschungsdelikte beteiligen und das VIS (Visum Information System) verwenden können. Diese Datenbank wird biometrische Daten, Fotografien, Verbindungen zu anderen Anträgen und alphanummerische Angaben über die Antragsteller sowie über die beantragten, ausgestellten, verweigerten oder annullierten Visa enthalten und damit weiter gehen als das System EVA.

Der Beitritt der Schweiz zum Schengen-Raum wird somit einerseits substanzielle Vorteile mit sich bringen, andererseits aber auch einen höheren administrativen Aufwand. Die Bedingungen für die Erteilung eines Schengen-Visums sind mehr oder weniger dieselben wie die aktuellen Bedingungen der Schweiz; das Konsultationsverfahren wird die schweizerischen Vertretungen jedoch dazu zwingen, ihre Ausstellungsfristen zu verlängern. Grundsätzlich werden die Visa heute innerhalb von 48 Stunden erstellt; nach dem Beitritt zum Schengen-Raum könnte sich diese Dauer auf 5­7 Tage erhöhen.

Die interdepartementale Arbeitgruppe «Visa» bereitet den Beitritt zum SchengenSystem vor; es geht darum, konsularische Beamte auszubilden und die Organisation (z.B. Aufbewahrung der Anträge), die Ausrüstung, die Informatiktools und erforderlichenfalls auch die Ressourcen der Vertretungen anzupassen.

6

Schlussfolgerungen der GPK-N

Das Ziel der Untersuchung der GPK-N war insbesondere, die Probleme zu identifizieren, die den jüngsten Affären in Zusammenhang mit der missbräuchlichen Visaerteilung zugrunde liegen, und einzuschätzen, ob diese Mängel Hinweise auf Schwächen allgemeiner Natur bei der Visaerteilung durch die Schweiz geben. Bei der grossen Mehrheit der Fälle handelt es sich um Handlungen von Einzeltätern und/oder kriminellen Organisationen, die durch die unzulängliche Anwendung der Kontrollverfahren bei den schweizerischen Auslandvertretungen begünstigt wurden.

Der Fall der Schweizer Botschaft in Islamabad ist in dieser Hinsicht ein treffendes Beispiel. Beim Verfahren der Visumserteilung kam es zu einer Kumulierung verschiedener Mängel: keine internen Weisungen und keine Kontrolle der abgegebenen Vignetten, unregelmässige Anwendung der Prüfung nach dem «Vier-AugenPrinzip» usw. Es besteht der Verdacht, dass diese Mängel es lokalen Angestellten ermöglichten, in Verbindungen mit kriminellen Organisationen die Visaerteilung zu beeinflussen und Missbräuche zu begehen. Zudem hat die noch ungeklärte Nachlässigkeit des Kanzlei-Chefs diese Missbräuche zumindest während einiger Monate erleichtert und deren Aufdeckung verzögert. Dazu muss angefügt werden, dass die

6046

konsularischen Bediensteten aufgrund des reduzierten Personalbestands in der Botschaft von Islamabad auf lokales Personal angewiesen waren, um bestimmte Aufgaben bei der Visaerteilung (Erfassung in der Datenbank EVA, Vorsortierung der Dossiers, Ausdruck der Vignetten) zu erledigen. Im Fall von Islamabad kumulieren sich alle Hauptprobleme, mit denen sich die Vertretungen konfrontiert sehen: menschliche Fehlbarkeit (mögliche Korruption lokaler Angestellten und Nachlässigkeit eines versetzbaren Bediensteten), Verfahrensmängel, Mangel an Ressourcen und professionelle Machenschaften krimineller Organisationen.

Für die GPK-N besteht kein Grund, aufgrund der jüngsten Affären auf schwere Mängel systematischer Art bei der Visaerteilung oder bei der Aufsicht durch das EDA und das EJPD zu schliessen. Die Kommission ist jedoch der Ansicht, dass die Verfahren und deren Aufsicht beträchtlich verbessert werden können.

Die GPK-N ist erfreut darüber, dass das EDA die jüngsten Affären ernst genommen hat, bestrebt war, diese vollständig aufzuklären und seine Schlussfolgerungen transparent kommuniziert hat. Die GPK-N konnte sich im Verlauf ihrer Ermittlungen insbesondere davon überzeugen, dass die Umstände, die zu den Problemen in Islamabad und Jakarta geführt hatten, umfassend geklärt werden konnten.

Die Kommission hat ebenfalls festgestellt, dass sich das EDA seit 2005 einer kritischen Prüfung ihrer Praktiken unterzogen hat. Es wurden rasch verschiedene Korrekturmassnahmen angeordnet, um die Situation im Visabereich zu verbessern: Schaffung eines Visa-Inspektorats, Durchführung einer Risikoanalyse, Einführung eines Kurses für das lokale Personal, Fortsetzung der baulichen Massnahmen und Lancierung von Pilotversuchen im Zusammenhang mit dem Kontakt zur Öffentlichkeit (Call Centers, Gebühren-Inkasso in Form von Banküberweisungen). Im Weiteren gab das EDA zu, die Erfahrung und die Stressresistenz seiner Bediensteten bei Versetzungen auf anfällige Posten nicht genügend berücksichtigt zu haben; die DRA muss diesen Faktoren in Zukunft vermehrt Rechnung tragen.

Letztlich haben die Untersuchungen der Kommission gezeigt, dass eine zentrale Schwäche des Systems im Zusammenhang mit der fehlenden Sensibilität und dem mangelnden Interesse zahlreicher Missions- und Kanzleichefs steht, die den Visabereich nicht als prioritär
einstufen. So stellte die DRA in einem Rundschreiben vom Januar 2004 fest, dass die Kanzleichefs ­ und selbst die Visachefs ­ ihre Kontrollvorrechte nicht aktiv genug wahrgenommen haben. Diese waren zum Teil nicht einmal in ihren Pflichtenheften aufgeführt. In diesem Rundschreiben wurde daran erinnert, dass die Kanzlei- und Visachefs die Mechanismen bei der Visaerteilung kennen müssen und ihre Mitarbeit auf operativer Ebene gefordert ist, indem sie die Einhaltung der internen Weisungen überprüfen und bei konkreten Fällen eingreifen (z.B. Sonderfälle, Betrug oder Missbrauch).

Heute hat die Kommission den Eindruck, dass die Reaktionen von Politik und Medien, aber auch die disziplinarischen Konsequenzen der jüngsten Fälle missbräuchlicher Visaerteilung dazu geführt haben, dass sich das EDA besser über die Problematik bewusst geworden ist. Der offenkundige Wille der Departementsvorsteherin, Korrekturmassnahmen anzuordnen, hat ebenfalls zu einem Mentalitätswandel beigetragen. Die Kommission erachtet es als wichtig, dass die Missions- und Kanzleichefs in Zukunft ihre Verantwortung in Bezug auf die Kontrolle im Visabereich ­ aber auch generell im konsularischen Bereich ­eindeutiger und aktiver wahrnehmen.

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Insgesamt begrüsst die GPK-N die Bemühungen des EDA. Aus Sicht der parlamentarischen Oberaufsicht ist befriedigend, dass das EDA seine Aufsichtsfunktion wahrnimmt, allfällige Mängel anerkennt und sie zu beheben versucht. Nach Ansicht der Kommission ist die richtige Richtung eingeschlagen worden, und die eingesetzten Mittel sind angemessen. Ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt im Übrigen, dass diese mit den gleichen Schwierigkeiten wie die Schweiz zu kämpfen haben und vergleichbare Lösungen anwenden. Die GPK-N ist der Ansicht, dass das EDA die eingeführten Instrumente jetzt voll einsetzen, eine Ausweitung der versuchsweise getroffenen Massnahmen prüfen und weiter nach neuen Lösungen für eine effiziente Kontrolle suchen muss. Die Exernalisierung bestimmter Etappen bei der Behandlung von Visaanträgen (z.B. Terminvereinbarung, Kontrolle der Dossiers) kann insbesondere eine angemessene Lösung sein. Die Vertretungen sollten allerdings für den Entscheid der Visaerteilung zuständig bleiben.

Angesichts der Tatsache, dass jedes Jahr mehr als 500 000 Visa ausgestellt werden, davon 90 % in den Auslandvertretungen der Schweiz, liegt es jedoch auf der Hand, dass eine umfassende Kontrolle jedes einzelnen Antrags nicht vorstellbar ist, es sei denn, man wende sehr bedeutende Mittel zu diesem Zweck auf. Es muss folglich festgestellt werden, dass die Lösungen individuell abgestimmt werden müssen und es dabei insbesondere die bestehenden Risiken und das Volumen der bearbeiteten Anträge in den einzelnen Vertretungen zu berücksichtigen gilt. So können die anfälligsten Vertretungen, bei denen ein hohes Missbrauchsrisiko besteht und die ein hohes Volumen von Visaanträgen bearbeiten, an den Fingern der Hand abgezählt werden. Die Vertretungen mit besonderem Risiko stellen in den meisten Fällen höchstens einige tausend Visa pro Jahr aus.

Zur Prävention von Missbräuchen braucht es auf jeder Stufe der Visaerteilung eine Kombination verschiedener Massnahmen, welche aufgrund der raschen Entwicklungen im Visabereich fortlaufend angepasst werden müssen. Im Folgenden skizziert die GPK-N eine Reihe Vorschläge, welche die vom EDA getroffenen Massnahmen ergänzen und eine Reduzierung des Risikos der missbräuchlichen Visaerteilung anstreben.

Als Schlussfolgerung hält die GPK-N fest, dass gesetzeswidrige Handlungen
bei der Visaerteilung keinesfalls toleriert werden dürfen, diese Fälle im Vergleich zu der hohen Anzahl von Visa, die jedes Jahr ausgestellt werden, jedoch äusserst selten sind. Hinweise auf Unregelmässigkeiten sind häufig; sie werden jedoch oft von enttäuschten oder missbrauchten Einzelpersonen gemacht und erlauben im Allgemeinen nicht, auf unregelmässige Praktiken bei der Visaerteilung zu schliessen. So sind seit 2002 nur in acht von insgesamt 170 Vertretungen Korruptionsfälle aufgetreten.

Es muss ebenfalls hervorgehoben werden, dass bei der Visaerteilung immer ein Ermessensspielraum und eine starke menschliche Komponente vorhanden sind. So werden die Auslandvertretungen in gewissen Fällen ihren Ermessensspielraum dazu nutzen, Visa zu erteilen, obwohl nicht alle Bedingungen perfekt erfüllt sind (z.B. um die Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz zu erleichtern). Im Übrigen müssen sich die konsularischen Bediensteten in einem Grossteil der Vertretungen in einem gewissen Mass auf die durch das lokale Personal geleistete Vorarbeit verlassen können, sei es auch nur aus sprachlichen Gründen. Wie einige jüngere Beispiele gezeigt haben, sind jedoch auch versetzbare Bedienstete der Versuchung von Korruption oder persönlicher Bereicherung ausgesetzt.

6048

Bei einem Verfahren mit einer menschlichen Komponente von dieser Bedeutung scheint es nicht sehr realistisch, eine Fehlerquote von Null zu erwarten. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass erneute Missbräuche nicht ausgeschlossen werden können; sie wird diese gegebenenfalls aufmerksam verfolgen.

6.1

Erwartungen der GPK-N gegenüber den zentralen Diensten des EJPD und des EDA

Die GPK-N hat sich im Verlauf ihrer Ermittlungen die Frage gestellt, ob nicht eine vollständige Änderung des Visaerteilungssystems möglich wäre, indem diese Aufgabe beispielsweise einem zentralen Dienst in Bern anvertraut wird. Die Erfahrungen, die das BFM gemacht hat, als es diese Kompetenz den Auslandvertretungen entzogen hatte, zeigen jedoch, dass ein solches System höhere administrative Kosten und längere Ausstellungsfristen mit sich bringen würde, was insbesondere nachteilige Folgen für die Geschäftsreisen und den Tourismus hätte. Das BFM verfügt auch nicht über vergleichbare Sprachkenntnisse und kennt die lokalen Verhältnisse viel weniger gut.

Für die GPK-N besteht somit grundsätzlich keine ernsthafte Alternative zur Visaerteilung durch die Auslandvertretungen. Sie ist jedoch der Auffassung, dass die zentralen Dienste des EDA und des EJPD eine aktivere Rolle als Kompetenzzentren im Dienst der Vertretungen spielen könnten.

Besonders begrüssenswert in dieser Hinsicht ist die Schaffung eines Visa-Inspektorats (siehe Ziff. 4.4). Die Kommission konnte sich davon überzeugen, dass das Inspektorat ein angemessenes und nützliches Instrument ist und dessen Einführung sorgfältig vorbereitet wurde. Vor allem die parallel dazu ausgearbeitete Risikoanalyse verspricht einen gezielten und effizienten Ansatz.

Seitens des Inspektorats erwartet die GPK-N die Übernahme einer breiten Palette von Funktionen über die Ex-post-Kontrollen hinaus. Es muss eine mittelfristige Strategie erstellen, die auf den Risiken basiert. Nach Ansicht der Kommission müsste diese Strategie insbesondere die Erfüllung folgender Aufgaben zum Ziel haben: ­

«Coaching» und Beratung der Vertretungen

­

Knowledge Management: Verbreitung von Erfolgsrezepten im Visabereich sowie von Analysen und Beschreibungen der häufigsten betrügerischen Handlungen und Machenschaften

­

Vorwarnsysteme und frühzeitige Aufdeckung der Probleme: Monitoring des Migrationsverhaltens und Antizipation neuer Unregelmässigkeiten

­

Punktuelle Überprüfung schwieriger Fälle auf Antrag der Vertretungen18.

Diese Aktivitäten müssen mit den Diensten des BFM und der DRA eng koordiniert werden; dazu gehört auch eine eindeutige Zuteilung der Kompetenzen, damit diese optimal eingesetzt und Doppelspurigkeiten vermieden werden können.

18

Die GPK-N verweist in diesem Zusammenhang auf die von Schweden angewandte Praxis, jährlich vier Vertretungen dazu aufzufordern, eine bestimmte Anzahl von Visadossiers (bis zu 500) zur Überprüfung an das Ministerium zu senden.

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Aus diesem Grund fordert die GPK-N das EDA und das EJPD dazu auf, die Erfahrungen mit dem Inspektorat innert nützlicher Frist zu evaluieren und auf dieser Grundlage eine Strategie auszuarbeiten, die ihren zentralen Diensten ermöglicht, den oben skizzierten Bedürfnissen gerecht zu werden.

6.2

Profil und Ausbildung des konsularischen Personals im Visabereich

Die GPK-N stellte sich im Verlauf ihrer Ermittlungen ebenfalls die Frage, ob eine polizeiliche Unterstützung bei der Visaerteilung nicht in Betracht gezogen werden sollte. Norwegen verfügt über die «Nordic [oder Norwegian] Police Liaison», die damit beauftragt ist, die konsularischen Vertretungen bei der Ermittlung von Dokumentenfälschungen und bei der Überprüfung von Bürgen zu unterstützen. Sie hat die Schweiz zuerst auf die Unregelmässigkeiten in Islamabad aufmerksam gemacht.

Die schweizerischen Polizeiattachés befassen sich zurzeit grundsätzlich nicht mit Visaangelegenheiten, sondern vielmehr mit Problemen des organisierten Verbrechens in Zusammenhang mit Finanz- und Drogendelikten19. Das EDA hat jedoch eine Vereinbarung mit dem EFD getroffen, die ihm ermöglicht, auf Dokumentenmissbrauch spezialisierte Mitglieder des Grenzwachtkorps als Leiter von Visaabteilungen und als Fachpersonal einzusetzen. Das EDA beschäftigt zurzeit neunzehn Grenzwächter, fünf davon in Moskau. Es überprüft zurzeit die Möglichkeit, diese Anzahl weiter zu erhöhen.

Die Moskauer Botschaft verfügt ebenfalls über eine vom EJPD entsandte Migrationsattachée. Obwohl die Migrationsattachée nicht direkt an der Visaerteilung beteiligt ist, kann sie auf Anfrage des BFM oder der kantonalen Behörden zugezogen werden20. Im Weiteren können sich ihre Beobachtungen in Sachen illegaler Migrationsund Immigrationsbewegungen für den Visabereich als nützlich erweisen. Das EJPD prüft die Möglichkeit, drei neue Migrationsattachés einzustellen und diese spezifisch mit Aufgaben im Bereich der Visaerteilung zu beauftragen.

Die Kommission erachtet es als sinnvoll, mehr Fachpersonal und insbesondere mehr Grenzwächter in den grösseren und anfälligen Vertretungen einzusetzen. Im Übrigen greifen die meisten europäischen Ländern zu ähnlichen Massnahmen21.

Mit diesem Ansatz können jedoch nicht alle Probleme gelöst werden. Die grosse Mehrheit der Vertretungen ­ darunter auch die anfälligen Vertretungen ­ bearbeitet nicht sehr viele Fälle (höchstens einige tausend Visaanträge pro Jahr). Es scheint übertrieben und finanziell gesehen nicht sehr realistisch, Fachpersonen in alle diese Vertretungen entsenden zu wollen. Die Kommission ist daher der Ansicht, dass auch

19 20

21

Die Schweiz hat Polizisten in die USA, nach Brasilien, Italien, Deutschland, Tschechien und Thailand entsandt.

Nebst Moskau verfügen zwei weitere Vertretungen über einen Migrationsattaché (Pristina und Colombo). Nur im Pflichtenheft der Attachée in Moskau sind Aufgaben im Zusammenhang mit der Visaerteilung aufgeführt.

Frankreich stellt Mitglieder der Grenzschutzpolizei zur Verfügung; Belgien verfügt über 45 «Visa-Beauftragte», die alle drei Jahre versetzt und prioritär anfälligen Posten zugeteilt werden; die EU hat einen Expertenpool für Fälschungsdelikte geschaffen, dessen Mitglieder sich bei Problemen vor Ort begeben, und Schweden verfügt über Migrationsattachés in zwölf Vertretungen.

6050

die Ausbildung und das Profil der mit der Visaerteilung beauftragten konsularischen Bediensteten verbessert werden sollten.

Heute werden die Angestellten in den konsularischen Diensten vor ihrer Versetzung ins Ausland für die Immigrationsprobleme und die Visaerteilung sensibilisiert. Diese Vorbereitung ist jedoch oft nicht ausreichend. Die Bediensteten entwickeln die Kompetenz und das «Flair», das für die Überprüfung der Dokumente erforderlich ist, erst nach langjähriger Erfahrung. In den Augen der GPK-N muss die Versetzung von Bediensteten auf anfällige Posten daher einerseits auf Grundlage der Stressresistenz und der Erfahrung der Beamten, und andererseits auf Grundlage von deren Sprachkenntnissen erfolgen. Die Kommission ist der Meinung, dass mindestens ein konsularischer Bediensteter je Vertretung die Lokalsprache beherrschen sollte22. Sie ist im Weiteren der Ansicht, dass sich die Vertretungen darum bemühen sollten, lokale Angestellte schweizerischer oder europäischer Nationalität zu rekrutieren, selbst wenn dies aufgrund des Umfangs und der Zusammensetzung der Schweizer Kolonie im Ausland nicht immer möglich ist. Das Beispiel des Generalkonsulats in Schanghai zeigt die Vorteile, welche die Vertretungen durch solche Angestellten gewinnen: Diese verfügen über ausgezeichnete Kenntnisse der lokalen Situation, sind jedoch Interessenkonflikten und Druckversuchen weniger stark ausgesetzt als die anderen lokalen Angestellten.

Die GPK-N schlägt letztlich vor, die Schaffung einer Spezialisierung im Rahmen der konsularischen Karriere zu prüfen, die es den interessierten Bediensteten ermöglichen würde, eine Ausbildung im Bereich der Betrugsbekämpfung (insbesondere beim Fedpol) zu absolvieren. Diese Bediensteten würden somit über spezifische Fachkenntnisse verfügen, könnten jedoch parallel dazu weiterhin auch andere konsularische Aufgaben wahrnehmen. Jede Vertretung mit besonderem Risiko müsste über mindestens einen Bediensteten mit einer solchen Ausbildung verfügen.

Die GPK-N ist jedoch der Ansicht, dass aufgrund der verschiedenen Akteure und Kompetenzen (konsularische Bedienstete, Grenzwächter, Migrationsattachés) ein einheitlicher und koordinierter Ansatz seitens der verschiedenen betroffenen Departemente erforderlich ist23. Die Kommission fordert den Bundesrat folglich dazu auf, eine gemeinsame
Strategie betreffend das Netz der entsandten Mitarbeiter einerseits und deren Aufgaben andererseits zu erstellen. Es geht darum, die Synergien zu optimieren, Doppelspurigkeiten zu vermeiden und die Komplementarität der verschiedenen Profile bestmöglich zu nutzen.

6.3

Analyse des Personalbedarfs im konsularischen Bereich

In den vergangenen Jahren haben die Budgetrestriktionen und Sparprogramme das EDA dazu veranlasst, mehr lokales Personal auf Kosten von schweizerischem Personal einzustellen. Heute stellen die etwa 1200 lokalen Angestellten rund 60 % des Personalbestands der Botschaften und Generalkonsulate dar.

22 23

Dies wird im Übrigen im Rundschreiben der DRA vom 15.1.2004 empfohlen.

Im Bericht zur illegalen Immigration aus dem Jahr 2004 hiess es bereits in Bezug auf die Aktivitäten der Bundesbehörden im Ausland: «Im Moment fehlt jedoch ein einheitliches Konzept, weil die Tätigkeiten, die Rechtsgrundlagen und die beruflichen Anforderungsprofile der verschiedenen Bundesstellen unterschiedlich sind».

6051

Die GPK-N anerkennt den hohen Wert der lokalen Angestellten, die oft seit Jahren in den Vertretungen arbeiten und einen Teil des institutionellen Gedächtnisses dieser Vertretungen bilden. Das in normalen Zeiten unentbehrliche lokale Personal ist im Krisenfall von unschätzbarem Wert. Es ist daher richtig, grosses Gewicht auf die Auswahl und die Bindung des lokalen Personals zu legen. In dieser Hinsicht ist die Initiative des EDA zu begrüssen, das in Bern seit 2005 Kurse für Mitglieder des lokalen Personals organisiert, die wichtige Funktionen wahrnehmen.

Es muss jedoch eingestanden werden, dass die Einstellung von lokalem Personal ihre Grenzen hat, insbesondere in Bezug auf die Sicherheit (siehe Ziff. 4.3.1). Die Rolle und die Kompetenzen des lokalen Personals müssen in zahlreichen Ländern beschränkt und dessen Aktivitäten streng kontrolliert werden. Diese Kontrollen können sich jedoch besonders für kleine Vertretungen, die oft nur wenige Angestellte im Visabereich zur Verfügung haben, als problematisch erweisen. So ist beispielsweise eine Personalrotation im Visabereich nur in den grossen konsularischen Vertretungen durchführbar. Zudem kann aufgrund der fehlenden Ressourcen nicht systematisch eine Prüfung nach dem «Vier-Augen-Prinzip» und eine Kontrolle der mit dem Visum versehenen Pässe durchgeführt werden.

Die GPK-N erachtet eine Analyse der Bedürfnisse der einzelnen Vertretungen im konsularischen Bereich daher als dringend. Bei dieser Analyse müssen sowohl die Missbrauchsrisiken und der Umfang der Aufgaben als auch allfällige Rationalisierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Nach Möglichkeit müssen auch die neuen Anforderungen in Zusammenhang mit dem Beitritt der Schweiz zum Schengen-Raum geprüft werden. Die Kommission hat insbesondere den Visabereich im Visier, aber auch andere konsularische Dienstleistungen, deren Volumen stetig zunimmt (siehe Ziff. 2.1). Aufgrund dieser Analyse müsste gegebenenfalls das für das Aussennetz der Schweiz vorgesehene Budget angepasst werden.

Das EDA hat im Übrigen bereits Massnahmen ergriffen, um die Ressourcen im konsularischen Bereich zu erhöhen. 2007 wird eine Budgetreserve von rund 5 Millionen Franken dazu eingesetzt, den Visa- und Migrationsbereich zu verstärken (es werden 30­35 neue Stellen geschaffen, und neun Personen wurden im Rahmen einer Notmassnahme
als Visaspezialisten eingestellt). Auch die Zentrale wurde durch die Schaffung von vier Stellen (drei davon im Visainspektorat) verstärkt. Das EDA wird den Fortbestand dieser Mittel (Erhöhung des Plafonds) sowie eine Budgeterhöhung ab 2008 beantragen. Die GPK-N unterstützt eine Budgeterhöhung für das EDA, sofern sich diese auf eine detaillierte Bedarfsanalyse abstützt.

6.4

Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten

Die schweizerischen Vertretungen beteiligen sich inoffiziell bereits regelmässig an der lokalen konsularischen Zusammenarbeit mit ihren europäischen Partnern. Diese Sitzungen gelten allgemein als ein sehr wertvolles Instrument für die schweizerischen Vertretungen zur Bekämpfung des «visa shopping» und der Aktivitäten von Schlepperorganisationen; sie werden im Rahmen des Schengener Abkommens noch an Bedeutung gewinnen.

6052

Nach Ansicht der GPK-N wäre es auch möglich, die Kontrolle bei der Visaerteilung durch Zusammenarbeit mit den EU-Staaten im Infrastrukturbereich zu rationalisieren, insbesondere nach der Integration der Schweiz in das Schengener Dispositiv24.

Diese Lösungen müssen wahrscheinlich von Fall zu Fall einzeln ausgehandelt werden. An dieser Stelle soll jedoch erwähnt werden, dass einige EU-Staaten bereits eine Ausweitung ihrer Zusammenarbeit beschlossen haben. Frankreich stellt den Partnerstaaten seine digitalen Fingerabdruckgeräte zur Verfügung und arbeitet im Übrigen eng mit Deutschland zusammen, mit dem es Büros in Bosnien und Montenegro teilt; weitere Projekte laufen in Yaoundé, Dacca und Maputo.

Die GPK-N fordert das EDA dazu auf, sämtliche Optionen zu prüfen, die in diese Richtung gehen. Besonders sinnvoll scheint beispielsweise eine Zusammenarbeit im Bereich der gemeinsamen Verwaltung von Call Centers, bei der gemeinsamen Nutzung von Räumlichkeiten und Mobiliar oder im polizeilichen Bereich.

6.5

Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden

Die von der Kommission angehörten Personen sind sich darüber einig, dass die Zusammenarbeit zwischen den Bundesbehörden gut ist. Die Beziehungen zu den Kantonen geben hingegen Anlass zu Spannungen.

Das Garantieerklärungsverfahren führt manchmal zu Problemen bei den unter der Zuständigkeit der Vertretungen ausgestellten Visa. Die kantonalen Behörden geben eine negative Stellungnahme zuhanden der Vertretungen ab oder fügen zusätzliche Bedingungen für die Visaerteilung hinzu, jedoch ohne diese Informationen an den Bürgen oder den Gast weiterzuleiten. Solche Fälle sind oft Gegenstand von Reklamationen.

Bei den Visa, die durch die kantonalen Behörden genehmigt werden müssen, unterscheiden sich die Anwendungsmodalitäten der Weisungen von Kanton zu Kanton.

So gehen insbesondere nicht alle Kantone bei der Evaluation von schwierigen Anträgen (z.B. Familiennachzug) oder bei der Kontrolle der Ausstellungsbedingungen (z.B. Überprüfung des Einladungsschreibens25) gleichermassen vor. Im Weiteren besteht bei gewissen Kantonen die Tendenz, die negativen Stellungnahmen der Auslandvertretung zu übergehen und Visa oder Aufenthaltsbewilligungen in verdächtigen Fällen zu gewähren (z.B. Studentenvisa für zweifelhafte Schulen oder Unternehmen). Diese Entscheidungen, die von den Kantonen oft nicht begründet werden, führen in den Vertretungen zu einer gewissen Frustration. Auch die unterschiedliche Praxis der Kantone kann zu Situationen führen, die für die Antragstellenden im Ausland unverständlich sind. Diese unterschiedlichen Vorgehensweisen sind auch in Bezug auf die Rechtsgleichheit nicht zufrieden stellend.

24

25

Die Kommission hatte die Möglichkeit einer konsularischen Zusammenarbeit bereits in ihrem Bericht über die Personalpolitik und den Aussendienst des EDA (BBl 2002 3063) erwähnt. Dabei bezog sie sich namentlich auf die Allgemeine Rahmenvereinbarung über die gemeinsame Unterbringung diplomatischer und konsularischer Vertretungen vom 20.11.1995.

Im Bericht zur illegalen Immigration aus dem Jahr 2004 hiess es: «Das für eine Visumerteilung notwendige Einladungsschreiben aus der Schweiz wird von den kantonalen Behörden zu wenig konsequent überprüft. Es ist später oft nicht nachvollziehbar, wer wen und wann eingeladen hat und ob die betreffenden Personen danach wieder fristgerecht ausgereist sind.»

6053

Der Bund und die Kantone haben bereits begonnen, diese Fragen im Rahmen der Arbeitsgruppe «Illegale Migration» (die 2006 auf Anstoss des BFM und der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren gebildet wurde) und bei den Konsularkonferenzen des EDA zu behandeln.

Die Visaerteilung durch die Kantone war nicht primär Gegenstand der Untersuchung der GPK-N; deshalb wurden nicht alle Probleme und mögliche Lösungen vertieft.

Die Kommission ist aufgrund ihrer Beobachtungen jedoch der Ansicht, dass der Bund vermehrt eine ausgleichende Rolle spielen sollte und seitens der Kantone eine grössere Transparenz wünschbar wäre. Die GPK-N unterstützt folglich das Vorgehen des Bundes. Sie ersucht den Bundesrat, zusammen mit den Kantonen die Möglichkeit einer Harmonisierung der verschiedenen Praktiken sowie der Schaffung einer erhöhten Transparenz und einer verbesserten Kommunikation mit den Auslandvertretungen weiter zu prüfen.

6.6

Zusammenarbeit mit Intermediären

Für Touristenvisa oder eine Aufenthaltsdauer bis zu drei Monaten nehmen die schweizerischen Vertretungen oft Visaanträge entgegen, die über Reisebüros oder Unternehmen eingereicht werden. Diese Zusammenarbeit erfolgt hauptsächlich aus logistischen Gründen. So bleibt es den Antrag stellenden Personen insbesondere in grossen Ländern erspart, grosse Distanzen zurückzulegen, um persönlich vorstellig zu werden. In grossen Vertretungen, wie es sie in Indien, Russland und China gibt, würden persönliche Gespräche im Vergleich zu den heutigen Verhältnissen einen viel grösseren Aufwand an Personal und Infrastruktur erfordern.

Die Intermediäre besitzen formell keinerlei Kompetenz für die Visaerteilung; die Vertretungen arbeiten auf freiwilliger Basis, ohne Abkommen oder Vereinbarung, mit ihnen zusammen. Die Visaanträge müssen den ordentlichen Kriterien genügen, und die Antragsteller können dazu aufgefordert werden, persönlich bei den Vertretungen vorstellig zu werden.

In einigen Ländern führen die schweizerischen und europäischen Vertretungen eine Liste mit den anerkannten und vertrauenswürdigen Agenturen. Agenturen, die versucht haben, ein Visum zu erschleichen, werden ausgeschlossen und sämtliche Vertretungen des Schengen-Raums sowie der Schweiz entsprechend informiert. Die Schweiz hat zurzeit Zugriff auf die Informationen der Schengen-Staaten, ist jedoch nicht dazu verpflichtet, den Empfehlungen zu folgen; sie kann eine Agentur ablehnen, falls sie dies als erforderlich erachet, oder im Gegenteil mit einer Agentur zusammenarbeiten, die nicht auf der Liste aufgeführt ist.

Die Visa-Affären in Islamabad und Jakarta, in denen Intermediäre eine zentrale Rolle gespielt haben, haben jedoch gezeigt, dass dieses System besonders hohe Risiken aufweist. Im ersten Fall schienen Reiseagenturen in Aktivitäten in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen verwickelt zu sein; im zweiten Fall hatte eine Einzelperson eine beträchtliche Geldsumme für die Erteilung von Visa verlangt.

Nach Abschluss ihrer Arbeiten ist die Kommission zur Auffassung gelangt, dass es nicht zweckmässig und sehr teuer wäre, die Zusammenarbeit mit Intermediären zu untersagen. In bestimmten Ländern braucht es dieses System, das dazu beiträgt, effiziente Dienstleistungen seitens der Vertretungen zu gewährleisten. Die GPK-N erachtet es jedoch als unumgänglich, die Kontrollen bei den von Intermediären 6054

eingereichten Visaanträgen zu verbesseren und zu intensivieren, erforderlichenfalls durch vermehrte persönliche Gespräche.

Im Weiteren empfiehlt die Kommission dem EDA, ein System einzurichten, das den Antragstellern eine Reaktion auf das Visaverfahren im Sinne einer «nachgängigen Kontrolle» (z.B. in Form eines Fragebogens) ermöglicht. So könnte beispielsweise überprüft werden, ob der richtige Preis für das Visum bezahlt wurde.

Die in der Schweizer Botschaft von Jakarta durchgeführte Sonderinspektion hat verschiedene Schwachstellen bei den Kontrollverfahren der über Intermediäre eingereichten Visaanträge aufgedeckt. So war die Person, welche die Visaanträge einreichte, nicht immer identifiziert worden oder nicht immer vertrauenswürdig (z.B. Bote), und der Ursprung der Visaanträge (z.B. Name der Reiseagentur) konnte nicht zurückverfolgt werden. Die GPK-N erwartet vom EDA und dem EJPD eine Behebung dieser Mängel in Indonesien, aber auch in allen anderen schweizerischen Auslandvertretungen. Sie fordert sie letzlich dazu auf, die Praxis bei der Zusammenarbeit mit Dritten in einer verbindlichen Weisung zu regeln.

7

Empfehlungen und weiteres Vorgehen

Auf Grundlage dieser Beobachtungen schlägt die GPK-N dem Bundesrat die Prüfung folgender Empfehlungen vor: Empfehlung 1

Rolle der Missionschefs im konsularischen Bereich

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, dafür zu sorgen, dass die Missionschefs ihre Führungsfunktion im konsularischen Bereich wahrnehmen. Die Stellenprofile müssen gemäss ihrer effektiven Bedeutung und den damit verbundenen objektiven Anforderungen klassifiziert werden, insbesondere in den Bereichen Migration und konsularischer Schutz.

Empfehlung 2

Analyse des Personalbedarfs im konsularischen Bereich

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, eine Analyse der Bedürfnisse der einzelnen Vertretungen im konsularischen Bereich durchzuführen. Bei dieser Analyse müssen sowohl die Missbrauchsrisiken und der Umfang der Aufgaben als auch allfällige Rationalisierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Nach Möglichkeit müssen auch die neuen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Beitritt der Schweiz zum SchengenRaum geprüft werden. Aufgrund dieser Analyse müsste gegebenenfalls das für das Aussennetz der Schweiz vorgesehene Budget angepasst werden.

6055

Empfehlung 3

Profil und Ausbildung des konsularischen Personals im Visabereich

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates fordert den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, dass die Auslandvertretungen der Schweiz über genügend Kompetenzen für die Betrugsbekämpfung verfügen. Er prüft insbesondere die Zweckmässigkeit einer Spezialisierung im Rahmen der konsularischen Karriere sowie einer Erhöhung der Anzahl Grenzwächter in den anfälligen Vertretungen.

Der Bundesrat sorgt zudem dafür, dass die Aufgaben und das Netz des spezialisierten Personals zur Optimierung der Synergien und Verhinderung der Doppelspurigkeiten definiert werden.

Empfehlung 4

Zusammenarbeit mit Intermediären

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, die Kontrollen bei den von Intermediären eingereichten Visaanträgen zu verbessern und zu intensivieren. Er sollte auch die Möglichkeit der Einführung eines Systems prüfen, das den Antragstellern ermöglicht, zum Visaerteilungsverfahren Stellung zu beziehen. Letztlich fordert die Kommission den Bundesrat dazu auf, dafür zu sorgen, dass die Praktiken bei der Zusammenarbeit mit Dritten in einer Weisung geregelt werden, die für das gesamte schweizerische Aussennetz verbindlich ist.

Empfehlung 5

Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates empfiehlt dem Bundesrat, sämtliche Optionen einer Zusammenarbeit mit europäischen Staaten im konsularischen Bereich zu prüfen. Besonders sinnvoll scheint eine Zusammenarbeit im infrastrukturellen sowie polizeilichen Bereich.

Empfehlung 6

Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates lädt den Bundesrat ein, gemeinsam mit den Kantonen die Praktiken der kantonalen Behörden bei der Visaerteilung zu harmonisieren, eine erhöhte Transparenz zu schaffen und die Kommunikation mit den Auslandvertretungen zu verbessern.

6056

Die Geschäftsprüfungskommission ersucht den Bundesrat, sie bis Mitte August 2007 darüber zu informieren, welche Folgen er aus dem vorliegenden Bericht und den darin enthaltenen Empfehlungen ziehen wird.

17. April 2007

Im Namen der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates: Der Vizepräsident: Pierre-François Veillon Der Sekretär: Philippe Schwab Der Präsident der Subkommission EDA/VBS, Serge Beck Die Sekretärin der Subkommission EDA/VBS, Sarah Scholberg

Originalsprache: französisch 6057

Anhang 1

Liste der angehörten Personen (alphabetisch geordnet, ausgeübte Funktion zum Zeitpunkt der Befragung) 1.

Aebischer Pascal, Vizedirektor und Chef Finanzen und Logistik der DRA, EDA

2.

Badrutt Gian-Andrea, Chef des Rechtsdienstes des EDA, Leiter der administrativen Untersuchung bei der Schweizer Botschaft in Islamabad

3.

Bodenmüller Rolf, Chef des Inspektorates des EDA

4.

Calmy-Rey Micheline, Bundesrätin, Vorsteherin des EDA

5.

Combernous Pierre, Chef der politischen Abteilung II Asien / Ozeanien, EDA

6.

Dahinden Martin, Direktor der DRA, EDA

7.

Dürig Hans, stellvertretender Chef des Inspektorates des EDA und Chef des Konsularischen Inspektorates (am 1.3.2007)

8.

Fotsch Christian, stellvertretender Chef des diplomatischen Inspektorates des EDA

9.

Furgler Dominik, stellvertretender Direktor der DRA und Personalchef EDA

10. Gnesa Eduard, Direktor des BFM, EJPD 11. Hofstetter Nicole, Chefin des Visainspektorates des EDA 12. Junker Adrian, persönlicher Mitarbeiter des Direktors der DRA, EDA 13. Kaser Beat, stellvertretender Chef des Auslandschweizerdienstes, politische Abteilung VI, EDA 14. Kübli Alexander, stellvertretender Chef des Inspektorates des EDA und Chef des Konsularischen Inspektorates (am 6.11.2006) 15. Mayor François, Chef konsularische Angelegenheiten und Logistik der DRA, EDA 16. Müller Erich, Chef des Finanzinspektorates des EDA 17. Müller Peter, Generalsekretär des EDA 18. Zimmermann Peter, Chef der Sektion Visa und Grenzsicherheit des BFM, EJPD

6058

Anhang 2

Anzahl erteilter Visa durch Schweizer Auslandvertretungen (nicht abschliessend) Rang

Vertretung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

...

Beijing Moscou Mumbai (Bombay) New Delhi Istanbul Shanghai Belgrade Pristina Bangkok Jakarta Hong Kong Le Caire St. Petersburg Varsovie Dubaï Riad Skopje Tripoli Ankara Rabat Téhéran Kuwait Alger Manilla Tunesien Djieddah Sarajevo Bogota Beirut Colombo Abuja Abu Dhabi Tbilissi Taipeh Nairobi Islamabad New York Lima Santo Domingo Dakar ...

Bucarest Mascate (Oman) ...

...

Total

Erteilte Visa im 2005

Ablehnungsquote [%]

69 722 64 510 43 022 23 853 20 741 18 445 14 490 14 006 13 811 11 524 11 471 8 764 8 719 8 133 7 505 7 118 6 827 6 783 5 737 5 730 5 642 5 635 5 063 4 936 4 404 4 279 4 084 3 964 3 741 3 670 3 175 3 162 3 039 2 990 2 870 2 629 2 571 2 548 2 417 2 389 ...

1 568 1 532 ...

1,23 0,35 1,13 2,36 2,03 0,62 9,28 23,10 9,53 0,09 0,01 6,24 1,23 0,26 1,15 0,27 18,38 0,24 18,01 9,62 4,25 0,27 10,45 8,23 4,77 1,12 14,01 8,05 4,60 36,46 21,10 0,66 0,99 0 16,79 28,95 0,31 12,87 32,77 33,61

517 213

4,94

0,38 1,44

6059

6060