Affäre um einen Informanten im Genfer Islam-Zentrum Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation vom 15. Mai 2007 Stellungnahme des Bundesrates vom 29. August 2007

Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht vom 15. Mai 2007 der Geschäftsprüfungsdelegation über die Affäre um einen Informanten im Genfer Islam-Zentrum nehmen wir nach Artikel 158 Parlamentsgesetz nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

29. August 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Stellungnahme Der Bundesrat dankt der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) für die aufwendige und detaillierte Überprüfung der vorliegenden Angelegenheit und ist befriedigt, dass die in den Medien verbreiteten Vorwürfe gegen die Bundesbehörden auf der ganzen Linie widerlegt wurden. Er anerkennt, wie schon die Verwaltungsstellen in ihren Eingaben im Rahmen der Abklärungen, dass es in einzelnen Bereichen der Zusammenarbeit mit Informanten im nachrichtendienstlichen Bereich Verbesserungsbedarf gibt. Entsprechende Massnahmen sind bereits eingeleitet worden.

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Zu einzelnen Darstellungen und Feststellungen des Berichts

Der Bericht erwähnt unter Ziffer 8.10, dass es dem Dienst für Analyse und Prävention (DAP) gemäss schweizerischem Recht nicht erlaubt sei, selbst nachrichtendienstliche Missionen im Ausland durchzuführen, und scheint diese Feststellung auch auf die Zusammenarbeit mit Informanten anzuwenden. Der Bundesrat hält hierzu fest, dass das Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS, SR 120) keine ausdrückliche Bestimmung enthält, die solche Aufträge verbietet.

Vielmehr beziehen sich die gesetzlichen Aufgabengebiete des Inlandnachrichtendienstes gerade auf Gefährdungen, die ihren Ursprung mehrheitlich im Ausland haben (Terrorismus, Spionage und Proliferation), weshalb auch von dort stammende Informationen bearbeitet werden müssen. Der DAP erhält diese in der Regel von internationalen Partnerdiensten, aber auch durch die Nutzung von eigenen Quellen mit Zugang zu Informationen im Ausland, die in der Schweiz abgeschöpft werden.

Rechtlich wesentlich ist gemäss BWIS die Bedeutung der Information für die Wahrung der inneren Sicherheit, nicht ihre Herkunft aus dem In- oder Ausland.

Dieselbe Situation ergibt sich mit umgekehrten Vorzeichen für den Strategischen Nachrichtendienst (SND). Dieser hat Gefährdungen der äusseren Sicherheit mit Auswirkungen auf die Schweiz zu verfolgen, die auch Bezüge aus der Schweiz und in die Schweiz aufweisen können. Wie der vorliegende Fall zeigt, sind bei der Bearbeitung von Themen wie Terrorismus und Proliferation die Grenzen zwischen Ausland und Inland in vielen Fällen, wenn überhaupt, schwierig zu ziehen. Um Doppelspurigkeiten und Überschneidungen zu vermeiden und die Sicherheit der involvierten Personen und Dienststellen zu gewährleisten, ist ein regelmässiger gegenseitiger Informationsaustausch zwischen DAP und SND über Quellen, Informanten und Aktivitäten im In- bzw. Ausland unerlässlich und findet unter den operativ Verantwortlichen statt.

Zutreffend ist im Bericht hingegen, dass der DAP keine Beschaffungstätigkeiten mit eigenen Bediensteten im Ausland durchführt. Hier arbeitet er ausschliesslich mit seinen ausländischen Partnerdiensten zusammen. Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen DAP und SND wurde zudem im Rahmen der Plattformen und der gemeinsamen operativen Absprachen eingeleitet.

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Der Bericht stellt unter der selben Ziffer 8.10 weiter klar fest, der DAP habe Herrn Covassi nicht mit einer Reise nach Syrien beauftragt und diese auch nicht finanziert.

Er folgert danach aber, das Interesse des DAP an Erkenntnissen, welche Herr Covassi bei dieser trotzdem unternommenen Reise gewonnen hatte, sei widersprüchlich gewesen und könnte bei Herrn Covassi den Eindruck gefördert haben, der DAP habe diese Reise zumindest stillschweigend gebilligt.

Der Bundesrat hält hierzu fest, dass es zum einen nicht im Einflussbereich der Nachrichtendienste liegt, private Reisetätigkeiten ihrer Informanten einzuschränken.

Zum anderen ist es selbstverständliche Praxis der Nachrichtendienste, privat gewonnene Erkenntnisse von Informanten abzuschöpfen, wenn sie für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste von Interesse sind. Der Bericht der GPDel weist unter Ziffer 7.3 aus, dass Herr Covassi aus Syrien an die BRIS Genf Informationen über mutmassliche Djihadisten mit Schweizer Bezügen übermittelte.

Diese sind für die Wahrung der inneren Sicherheit von Bedeutung, und es ist deshalb gerechtfertigt, dass der DAP diese Auskünfte nach der Rückkehr von Herrn Covassi detaillierter abschöpfte.

Im Übrigen legt der Bundesrat Wert auf die Feststellung, dass der Fall Covassi und die in diesem Zusammenhang aufgetretenen Probleme weder typisch sind für die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste mit Informanten noch zwischen den Diensten des Bundes noch zwischen Bund und Kantonen. Es handelt sich um einen ausserordentlichen Einzelfall, dessen Konstellation sich in Zukunft kaum wiederholen dürfte. Trotzdem können geeignete Massnahmen zur Minimierung der Risiken getroffen werden, auch wenn keine allgemeinen Mängel vorliegen.

Der Bundesrat ist sich bewusst, dass bei der Bearbeitung von Themengebieten wie Terrorismus, Proliferation, gewalttätigem Extremismus, Spionage, aber auch organisierter Kriminalität das Profil der potenziellen nachrichtendienstlichen Quellen und Informanten äusserst heikel sein kann und demzufolge die Informationsbeschaffung auch mit gewissen Risiken verbunden ist. Deshalb können bei der nachrichtendienstlichen Tätigkeit unvorhergesehene Entwicklungen nicht a priori kategorisch ausgeschlossen werden.

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Zu den Empfehlungen Empfehlung 1 Die Delegation fordert den Bundesrat auf, den zuständigen Behörden und Diensten die Regeln über den Austausch vertraulicher Informationen in den Bereichen der Nachrichtendienste und der Gerichtspolizei in Erinnerung zu rufen, und zwar bezogen auf die Arbeit mit Informanten.

Der Bundesrat nimmt die Empfehlung entgegen. Er weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall die Behörden und Dienste des Bundes die internen Richtlinien betreffend die Weitergabe vertraulicher Informationen respektiert haben. Dies betrifft sowohl die Führung der Quelle durch die Nachrichtendienste als auch die Kontakte zwischen den Kriminalpolizeien. Er beauftragt aber das EJPD, den kantonalen Partnern diese Regeln in Erinnerung zu rufen und das Thema sowohl im Handbuch über die Quellenführung, als auch in einer künftigen gesetzlichen Regelung betref6945

fend den Einsatz von Vertrauenspersonen im gerichtspolizeilichen Bereich zu integrieren.

Empfehlung 2 Die Delegation fordert das EJPD auf, in Absprache mit den Kantonen ein Verfahren festzulegen, mit dem allfällige Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Mitarbeiter des DAP und einem kantonalen Polizeiangehörigen bei der Führung einer Quelle oder eines Informanten gelöst werden können.

Das EJPD nimmt die Empfehlung entgegen. Es wird dieses Thema in der überarbeiteten Fassung des Handbuches für die Quellenführung im Bereich der inneren Sicherheit berücksichtigen.

Empfehlung 3 Die Delegation fordert den Bundesrat auf, im Rahmen der nächsten BWISRevision mit den Kantonen Überlegungen über Kompetenzverteilung und Organisation der Kommandostruktur auf dem Gebiet des Staatsschutzes anzustellen.

Der Bundesrat nimmt die Empfehlung entgegen. Er wird diese Thematik bei einer nächsten BWIS-Revision prüfen. Im aktuellen, vom Bundesrat am 15. Juni 2007 zu Handen des Parlamentes verabschiedeten Revisionsentwurf (BBl 2007 5037) konnte diese Empfehlung allerdings nicht mehr berücksichtigt werden.

Empfehlung 4 Die Delegation fordert das EJPD auf, den Kantonen den Rahmen und die Grenzen in Erinnerung zu rufen, die für die Beziehungen mit ausländischen Behörden mit Bezug auf Sicherheitsfragen gelten, sowie die oberste Verantwortung des Bundes bei der Führung von Staatsschutzaufgaben zu bekräftigen.

Das EJPD nimmt die Empfehlung entgegen. Es wird die zuständigen Organe der Kantone auf verschiedenen Stufen in geeigneter Form auf diese gesetzliche Regelung aufmerksam machen. Es hält allerdings fest, dass nach seiner Auffassung hier kein grundsätzliches Vollzugsproblem mit den Kantonen vorliegt.

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