07.091 Botschaft über die Änderung des Abkommens vom 19. Dezember 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Direktversicherung vom 21. November 2007

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf eines Bundesbeschlusses über das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zur Änderung des Abkommens vom 19. Dezember 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Direktversicherung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

21. November 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin, Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin, Annemarie Huber-Hotz

2007-1935

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Botschaft 1

Grundzüge des Vertrags

1.1

Ausgangslage

Das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz haben zur besseren Gewährleistung des Schutzes der Versicherungsnehmer und -nehmerinnen Rechtsvorschriften zur Aufsicht über die Versicherungsvermittler erlassen. Diese Normen haben den unerwünschten Nebeneffekt, dass es dadurch zwischen beiden Ländern zu Hemmnissen bei der Aufnahme und Ausübung einer grenzüberschreitenden Vermittlertätigkeit kommt. Das vorgeschlagene Abkommen zur Änderung des Abkommens vom 19. Dezember 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Direktversicherung bezweckt die Beseitigung dieser Hemmnisse und die Herstellung der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit für die Versicherungsvermittler.

Das Liechtensteiner Gesetz vom 17. Mai 2006 über die Versicherungsvermittlung (VersVermG), das seit dem 1.7.2006 in Kraft ist, setzt die Richtlinie 2002/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Dezember 2002 über Versicherungsvermittlung (ABl. Nr. L 9 vom 15.1.2003, S. 3ff) in innerstaatliches Recht um und führt zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und den übrigen Vertragsstaaten des EWR-Abkommens für die Versicherungsvermittler den freien Dienstleistungsverkehr ein, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: Die Versicherungsvermittler müssen in einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens in einem Register eingetragen sein und der Auskunfts- und Beratungspflicht gegenüber ihren Kunden nachkommen (Art. 9 Abs. 1 VersVermG).

In der Schweiz sehen die Artikel 40­45 des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 17. Dezember 2004 (VAG; SR 961.0), das seit dem 1.1.2006 in Kraft ist, ebenfalls das obligatorische Führen eines Registers sowie Informationspflichten gegenüber den Versicherungsnehmern vor.

Gemäss EWR-Abkommen kann das Fürstentum Liechtenstein mit der Schweiz in einer internationalen Übereinkunft die Dienstleistungsfreiheit vereinbaren, sofern die Schweizer Vermittler dadurch nicht besser gestellt werden (Art. 9 Abs. 2 VersVermG). Der Eintrag in das Schweizer Register für Versicherungsvermittler ist mit persönlichen, fachlichen und finanziellen Anforderungen verbunden, die gegenüber den Liechtensteiner Voraussetzungen als gleichwertig gelten. Die Schweizer Informationspflicht (Art. 45 VAG) ist hingegen weniger streng. Damit die Schweizer Vermittler im Fürstentum Liechtenstein
nicht besser gestellt sind, müssen sie für die Ausübung einer Tätigkeit im Fürstentum Liechtenstein die dort geltenden Informations- und Beratungspflichten erfüllen.

Vermittler und Eintragungspflicht werden im Recht der beiden Länder nicht gleich definiert. Diese Abweichungen sind jedoch irrelevant, weil im vorgeschlagenen Abkommen der Eintrag ins Register sowieso als Voraussetzung für die Ausübung einer grenzüberschreitenden Tätigkeit verlangt wird.

Nach Artikel 28 Absätze 1 und 2 VersVermG wurde den Schweizer Vermittlern, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des VersVermG in Liechtenstein bereits die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung ausübten, bis zum 1. Juli 2007 eine Frist einge8538

räumt, um sich an die neuen Rechtsvorschriften anzupassen. Danach wären die Schweizer Versicherungsvermittler ohne das vorgeschlagene Abkommen gegenüber ihren Kollegen aus dem EWR-Raum benachteiligt gewesen.

Das vorgeschlagene Abkommen wurde am 20. Juni 2007 in Bern unterzeichnet, vorbehaltlich seiner Genehmigung durch das Parlament. Es wird seit dem 1. Juli 2007 (siehe Ziff. 5.4) vorläufig angewendet.

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Im Herbst 2006 fanden erste Sondierungsgespräche im Rahmen der Arbeitsgruppe der gemischten Kommission für das Abkommen vom 19. Dezember 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Direktversicherung (nachstehend: das Abkommen von 1996) statt. An ihrer Sitzung vom 19. Dezember 2006 anerkannte die gemischte Kommission den Anpassungsbedarf für das Abkommen von 1996. Sie erteilte ihrer Arbeitsgruppe den formellen Auftrag, die Aushandlung des Abkommens, die Durchführung der innerstaatlichen Verfahren sowie die (allenfalls nur vorläufige) Anwendung des angepassten Abkommens ab dem 1. Juli 2007 unter allen Umständen zu gewährleisten und dafür die nötigen Schritte zu unternehmen. Die Arbeitsgruppe hat das vorgeschlagene Abkommen anlässlich zweier Sitzungen im Februar und März 2007 sowie auf dem elektronischen Korrespondenzweg verfasst und ausgehandelt. Anfang Mai 2007 waren die Arbeiten abgeschlossen. Das Verhandlungsergebnis geht aus dem Inhalt des vorgeschlagenen Abkommens hervor.

1.3

Überblick über den Inhalt des Vertrags

Das vorgeschlagene Abkommen bezweckt eine Ergänzung des Abkommens von 1996, damit die Grundsätze der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit für Versicherungsunternehmen zwischen beiden Ländern auch für die Versicherungsvermittler Geltung erlangen.

In der Vorlage werden der Titel des Abkommens von 1996, seine Präambel und einige allgemeine Grundsätze, namentlich die Aufsicht nach dem Sitzlandprinzip, ergänzt, damit diese auch für die Versicherungsvermittlung gelten.

Der Anhang zum Abkommen von 1996, der dieses Prinzip konkretisiert, enthält einen neuen Abschnitt V, in dem die Bedingungen festgelegt werden, unter denen die Versicherungsvermittler beider Länder ihre Tätigkeit auch im anderen Land frei ausüben können.

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2

Erläuterungen zu den einzelnen Artikeln

Der Abschnitt IV (Geldwäscherei) im Anhang zum Abkommen von 1996 gilt nur für Versicherungsunternehmen, weswegen sein Titel präzisiert werden muss. Die für die Versicherungsvermittler auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geldwäscherei geltenden Aufsichtsregeln richten sich gemäss Artikel 6 des Abkommens von 1996 nach dem innerstaatlichen Recht jeder Vertragspartei.

Der Anhang zum Abkommen von 1996 wird um einen neuen Abschnitt V erweitert, der die Artikel 29­35 umfasst.

Art. 29

Definitionen

Sitzland der Versicherungsvermittler ist das Land, in dem sie registriert sind, und nicht zwingend dasjenige, in dem sie ihren Sitz haben. Die Versicherungsvermittler können in mehreren Ländern registriert sein. Das vorgeschlagene Abkommen gilt unterschiedslos für die Versicherungs- und die Rückversicherungsvermittler.

Artikel 30 und 31

Missachtung der Rechtsvorschriften, Inspektionen vor Ort

Mit diesen Bestimmungen werden die entsprechenden Artikel von Abschnitt I, die für die Versicherungsunternehmen gelten (Art. 4, 5 und 8), mutatis mutandis übernommen.

Artikel 32­35 Bedingungen für die Ausübung der grenzüberschreitenden Vermittlertätigkeit Für die Ausübung der grenzüberschreitenden Vermittlertätigkeit gelten unter dem Regime der Dienstleistungs- oder der Niederlassungsfreiheit dieselben Bedingungen: Die Vermittler müssen in einem der beiden Länder registriert sein und die im Liechtensteiner Recht verankerten Informations- und Beratungspflichten gegenüber ihren Kunden erfüllen. Diese beiden Voraussetzungen müssen unbedingt gegeben sein, damit die Schweizer Versicherungsvermittler gegenüber den in einem EWRMitgliedstaat registrierten Vermittlern nicht besser-, sondern gleichgestellt sind.

Der Geltungsbereich der Berufshaftpflichtversicherungen, die als finanzielle Sicherheit vorgelegt werden, muss beide Länder umfassen. Es können auch andere finanzielle Sicherheiten vorgelegt werden.

Gestützt auf Artikel 6 des Abkommens von 1996 richtet sich das Recht oder die Pflicht, sich im Register der Versicherungsvermittler einzutragen, nach dem innerstaatlichen Recht jeder Vertragspartei. Ein Versicherungsvermittler, der nicht im Register eingetragen ist, fällt nicht unter das vorgeschlagene Abkommen.

Da die Vermittlerregister beider Länder online sind, werden zwecks Vermeidung eines administrativen Mehraufwands weder die Schweizer Versicherungsvermittler, noch die Liechtensteiner Aufsichtsbehörden den Schweizer Aufsichtsbehörden Meldung erstatten. Damit wird zwar eine kleine Ungleichbehandlung gegenüber den in einem EWR-Mitgliedstaat registrierten Vermittlern geschaffen; das Fürstentum Liechtenstein erachtet diese jedoch als akzeptabel, da in der EU zurzeit gerade Verhandlungen im Hinblick auf eine Vereinfachung der Meldeverfahren stattfinden.

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3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden

Das vorgeschlagene Abkommen hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf Bund, Kantone und Gemeinden.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Versicherungsvermittler, die ihren Beruf im Fürstentum Liechtenstein seit Langem frei ausüben konnten, werden dies dank dem vorgeschlagenen Abkommen auch weiterhin tun können.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Das vorgeschlagene Abkommen entspricht dem Geist des achten Ziels des Legislaturprogramms 2004­2007 (BBl 2004 1149: «6.2.2 Chancen für schweizerische Exporte wahren»), das namentlich den Schweizer Unternehmen den Zugang zu den Exportmärkten für Waren und Dienstleistungen erleichtern und die entsprechenden multilateralen und bilateralen Regeln verstärken will.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Nach Artikel 166 Absatz 2 der Bundesverfassung (SR 101) ist die Bundesversammlung für die Genehmigung des vorgeschlagenen Abkommens zuständig, da weder ein Bundesgesetz noch ein von der Bundesversammlung genehmigter völkerrechtlicher Vertrag den Bundesrat nach Artikel 7a Absatz 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 (RVOG; SR 172.010) ermächtigen, es selbstständig abzuschliessen. Ebenso wenig handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 RVOG, den der Bundesrat selbstständig abschliessen könnte. Diese Vorlage ist demnach der Bundesversammlung zur Genehmigung zu unterbreiten.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung untersteht das vorgeschlagene Abkommen dem fakultativen Referendum, weil es wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält. Als rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (SR 171.10) gelten Bestimmungen, die in unmittelbar verbindlicher und generellabstrakter Weise Verpflichtungen auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Diese Bestimmungen gelten zudem als wichtig, weil sie nach Artikel 164 der Bundesverfassung in Form eines formellen Gesetzes erlassen werden müssten, wenn sie im innerstaatlichen Recht erlassen würden.

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Als Beispiel mag Artikel 5 Absatz 2 des Abkommens von 1996 gelten, der ­ nach erfolgter Änderung im Sinne des vorgeschlagenen Abkommens ­ den Versicherungsvermittlern auf dem Staatsgebiet der anderen Vertragspartei die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit einräumt, wenn sie den Vorschriften des vorgeschlagenen Abkommens nachkommen, insbesondere den Artikeln 29 ff des Anhangs zum Abkommen von 1996.

5.3

Vernehmlassung

Das vorgeschlagene Abkommen hat keine Anpassung des Landesrechts zur Folge, da es nur auf grenzüberschreitende Situationen anwendbar ist. Im Sinne von Artikel 2 des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 (SR 172.061) wurde deswegen auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet.

5.4

Vorläufige Anwendung

Das vorgeschlagene Abkommen wird seit dem 1. Juli 2007 vorläufig angewendet; die Schweiz hatte ein eminentes Interesse daran, das vorgeschlagene Abkommen unmittelbar nach Ablauf der Übergangsfrist der Liechtensteiner Gesetzgebung anwenden zu können, worauf insbesondere die Motion Baumann 06.3404 vom 23. Juni 2006 mit folgendem Wortlaut hingewiesen hatte: «Der Bundesrat wird eingeladen, in Verhandlungen mit dem Fürstentum Liechtenstein darauf hinzuwirken, dass das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein betreffend die Direktversicherung vom 19. Dezember 1996 ­ bis zum Ablauf der Übergangsfrist zur Einführung des neu geschaffenen liechtensteinischen Versicherungsvermittlungsgesetz ­ in dem Sinne nachgeführt wird, dass es den schweizerischen unabhängigen Versicherungsvermittlern möglich ist, sich im Fürstentum niederzulassen und gleichzeitig, ohne über einen Stützpunkt im Fürstentum zu verfügen, Versicherungsgeschäfte auf dem Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs zu vermitteln.» Ferner hatten sowohl die Aufsichtsbehörden wie die Vermittler ein Interesse daran, dass die Dienstleistungsfreiheit zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein unmittelbar nach Ablauf der Übergangsbestimmung des VersVermG gilt, das heisst ab dem 1. Juli 2007. Damit sollten administrative Verfahren vermieden werden, die mit der Verabschiedung des vorgeschlagenen Abkommens sowieso gegenstandslos geworden wären.

Die zuständigen Kommissionen wurden gestützt auf Artikel 152 Absatz 3bis des Parlamentsgesetzes vor der Unterzeichnung des vorgeschlagenen Abkommens konsultiert, und sie hatten gegen die vorläufige Anwendung keine Einwände vorzubringen.

Mit dieser Botschaft unterbreitet der Bundesrat der Bundesversammlung den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des vorgeschlagenen Abkommens wie in Artikel 7b Absatz 2 RVOG vorgeschrieben, das heisst vor Ablauf der Frist von 6 Monaten, die ab dem 1. Juli 2007 zu laufen beginnt.

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6

Verhältnis zum europäischen Recht

Das vorgeschlagene Abkommen stimmt mit dem geltenden europäischen Aufsichtsrecht über die Versicherungsmittler insoweit überein, als dass die darin errichtete Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit auf denselben Grundsätzen beruht: obligatorischer Eintrag in ein staatliches Register, Anerkennung des Eintrags im anderen Staat sowie Informations- und Beratungspflicht gegenüber den Kunden im Falle grenzüberschreitender Geschäfte, gemäss den im Fürstentum Liechtenstein geltenden Regeln, die der in innerstaatliches Recht umgesetzten EU-Richtlinie entstammen.

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