Kinderschutz im Rahmen der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht Bericht vom 7. November 2006 der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 16. März 2007

Sehr geehrter Herr Kommissionspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates vom 7. November 2006 betreffend Kinderschutz im Rahmen der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht nehmen wir nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. März 2007

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Micheline Calmy-Rey Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2006-3380

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Stellungnahme 1

Allgemeine Bemerkungen

Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates (GPK-N) hat auf der Grundlage einer Evaluation der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle (PVK) am 24. August 2005 einen Bericht zur Anwendung der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht verabschiedet. Die Untersuchung der PVK hat gezeigt, dass auch Minderjährige zwischen 15 und 17 Jahren in Ausschaffungshaft genommen werden.

Am 24. August 2005 hat die GPK-N ihre Subkommission EJPD/BK beauftragt, Zusatzabklärungen in Bezug auf den Kinderschutz im Rahmen der Zwangsmassnahmen vorzunehmen. Dabei sollte insbesondere überprüft werden, ob dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtskonvention; SR 0.107) genügend Rechnung getragen wird.

Auf der Grundlage dieser Untersuchungen hat die GPK-N einen zusätzlichen Bericht erarbeitet und ihn am 7. November 2006 veröffentlicht. Der Bundesrat wurde eingeladen, bis Ende März 2007 zum Bericht sowie den darin enthaltenen Empfehlungen Stellung zu nehmen.

Im Bericht der GPK-N vom 7. November 2006 wird festgestellt, dass die Zwangsmassnahmen auch bei Minderjährigen in den Kantonen unterschiedlich angewendet werden. Der Bericht enthält Empfehlungen, die zu einer besseren Harmonisierung führen sollen. Der Bundesrat hat Verständnis für dieses Anliegen. Durch die gesetzlich vorgesehene Aufgabenteilung zwischen dem Bund und den Kantonen können indessen Unterschiede bei der Anwendung der Zwangsmassnahmen nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Im Rahmen der Umsetzung der Teilrevision des Asylgesetzes (AsylG; SR 142.31) wurde auf den 1. Januar 2007 in der Verordnung über den Vollzug der Weg- und Ausweisung von ausländischen Personen (VVWA; SR 142.281) eine Bestimmung in Kraft gesetzt, wonach die zuständigen kantonalen Behörden dem Bundesamt für Migration (BFM) regelmässig die Daten über die Anordnung von Zwangsmassnahmen übermitteln müssen (Art. 15e VVWA). Diese Daten betreffen insbesondere die Zahl der Haftanordnungen und die Dauer der einzelnen Haft sowie die Nationalität, das Geschlecht und das Alter der betroffenen Personen. Die dafür notwendigen technischen Hilfsmittel zur Datenübermittlung an das BFM werden zurzeit erarbeitet. Damit ist gewährleistet, dass künftig im Bereich der Zwangsmassnahmen gesicherte statistische Daten vorliegen.

Die GPK-N legt dar, dass in den Jahren 2002 bis 2004 insgesamt 355
Minderjährige oder vermutlich Minderjährige in Vorbereitungs- oder Ausschaffungshaft genommen wurden. Die Vorbereitungs- und die Ausschaffungshaft sind im Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) geregelt.

Dieses sieht vor, dass nur Minderjährige ab 15 Jahren in Haft genommen werden.

Nach den Schätzungen des BFM waren dies weniger als fünf Prozent aller in Haft genommener Personen. Zudem konnten rund 50 Prozent der Minderjährigen im Anschluss an eine Ausschaffungshaft repatriiert werden. Auch ohne genaue statistische Erfassung zeigt diese Einschätzung, dass die Zwangsmassnahmen auch bei Minderjährigen ein wichtiges und wirksames Instrument zur Sicherstellung des Wegweisungsvollzugs sind.

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Eine grosse Mehrheit der Asylsuchenden gibt keine Identitätspapiere ab; dies gilt auch für minderjährige Personen. Es bestehen daher oft ­ wie auch im Bericht der GPK-N erwähnt ­ keine zuverlässigen Anhaltspunkte, dass es sich bei den betroffenen Personen tatsächlich um Minderjährige handelt. Das BFM stützt sich in der Mehrzahl der Fälle auf die Altersangaben der Asylsuchenden selbst, sofern diese als glaubwürdig im Sinne des AsylG eingestuft werden können. Diese Praxis entspricht auch der Rechtsprechung der Schweizerischen Asylrekurskommission.

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Stellungnahme des Bundesrates zu den Empfehlungen der GPK-N Empfehlung 1

Einbezug der vorliegenden Ergebnisse im Staatenbericht der Schweiz an die UNO

Die GPK-N fordert den Bundesrat auf, die im Bericht dargelegten Ergebnisse sowie die Resultate weiterer darauf basierender Abklärungen in seinen Staatenbericht zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention an den UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes mit einzubeziehen Stellungnahme des Bundesrates Im Staatenbericht wird die aktuelle Praxis der Schweiz bei der Umsetzung der UNO-Kinderrechtskonvention dargestellt. Der Bundesrat ist bereit, dabei auch den Bericht der GPK-N sowie seine Stellungnahme dazu zu berücksichtigen.

Empfehlung 2

Abklärung der Gründe für die langen Haftdauern bei Minderjährigen

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, die Gründe abzuklären, die zu längeren Haftdauern bei Minderjährigen als bei Volljährigen führen, und gegebenenfalls Massnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Kinderrechtskonvention zu treffen.

Stellungnahme des Bundesrates Die Kommission begründet ihre Empfehlung mit einer statistischen Auswertung. Sie legt dar, dass sich je nach Erhebung zwischen 14 und 18 Prozent (18 Prozent betreffen nur den Kanton Zürich) der Minderjährigen länger als drei Monate in Ausschaffungshaft1 befänden. Bei der Gesamtheit der Ausschaffungshäftlinge befänden sich demgegenüber nur 8 Prozent länger als drei Monate in Haft. Desgleichen führt die Kommission aus, dass 4 bis 5 Prozent der Minderjährigen von einer Haftdauer zwischen 6 und 9 Monaten betroffen seien, während es bei der Gesamtheit der Ausschaffungshäftlinge nur gerade 2 Prozent seien.

1

Da die Vorbereitungshaft im Bericht der GPK-N nur gerade in einem Fall vorkam, ist in der Stellungnahme des Bundesrates wie im Kommissionsbericht nur von der Ausschaffungshaft die Rede.

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Die von der Kommission verwendeten Daten bezüglich der Haftdauer von Minderjährigen beruhen auf einer Umfrage in 15 Kantonen zu den Jahren 2002­2004, die Daten bezüglich der Haftdauer bei der Gesamtheit der Ausschaffungshäftlinge auf einer Umfrage in lediglich fünf Kantonen zu den Jahren 2001­2003. Aufgrund dieser unterschiedlichen statistischen Grundlagen sind zuverlässige Vergleiche nicht möglich und die Schlussfolgerungen der Kommission in Bezug auf die angeblich längere Haftdauer bei Minderjährigen in der Ausschaffungshaft müssen relativiert werden.

Vor diesem Hintergrund besteht für den Bundesrat zum jetzigen Zeitpunkt kein Anlass für eine Untersuchung zur Haftdauer bei Minderjährigen. Wie eingangs bereits erwähnt, werden zukünftig die wichtigsten Daten zu den von den Kantonen angeordneten Zwangsmassnahmen auf Bundesebene statistisch erfasst. Eine aussagekräftige Auswertung dieser Daten kann jedoch erst in etwa ein bis zwei Jahren erfolgen, wenn das geplante Erfassungssystem in Betrieb genommen wurde und die Kantone die entsprechenden Daten über einen längeren Zeitraum erfassen konnten.

Im Bericht der Kommission wird die Vermutung geäussert, dass Minderjährige möglicherweise so lange in Ausschaffungshaft genommen werden, bis sie volljährig sind. Dadurch würde der organisatorische Mehraufwand entfallen, der bei der Rückführung Minderjähriger entstehe.

Eine solche Praxis würde indessen dem in Artikel 13b Absatz 3 ANAG enthaltenen Beschleunigungsgebot klar widersprechen. Demnach ist eine Ausschaffungshaft nur so lange möglich, als sich die Behörden tatsächlich und ernsthaft um eine Rückführung bemühen. Diese Anstrengungen müssen im Rahmen der regelmässigen haftrichterlichen Überprüfung der Ausschaffungshaft durch die Behörden dargelegt werden. Ist dies nicht möglich, erfolgt die Haftentlassung durch einen richterlichen Entscheid. Im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundesgerichts kann zudem auch eine Verletzung der Kinderrechtskonvention gerügt werden.

Eine angeordnete Wegweisung wird im Übrigen nur dann vollzogen, wenn sie völkerrechtlich zulässig, zumutbar und technisch möglich ist. Dabei sind auch die Anforderungen der Kinderrechtskonvention einzuhalten.

Empfehlung 3

Harmonisierung der Vollzugspraxis in den Kantonen

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, bei den Kantonen darauf hinzuwirken, dass sie ihre Vollzugspraxis im Bereich Ausschaffungshaft bei Minderjährigen harmonisieren und stossende Ungleichbehandlungen im Vergleich zwischen den Kantonen vermieden werden.

Stellungnahme des Bundesrates Wie bereits in der Stellungnahme des Bundesrates vom 15. Februar 20062 dargelegt, arbeiten die für den Vollzug des Ausländer- und des Asylrechts zuständigen kantonalen Behörden heute im Rahmen der folgenden Organisationen zusammen:

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BBl 2006 2667

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Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren;

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Vereinigung der kantonalen Migrationsbehörden;

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Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz.

Mit der Einführung der Vollzugsunterstützung durch den Bund im Jahre 1999 haben die Kantone Vollzugskoordinatoren eingesetzt, welche im operativen Bereich die Zusammenarbeit mit dem BFM gewährleisten. Die regelmässigen Treffen der Vollzugskoordinatoren der Kantone mit dem BFM haben das Ziel, durch Informationsaustausch und Abstimmung der Abläufe den Vollzugsprozess auch im Bereich minderjähriger Personen zu optimieren.

Zudem ist im Februar 2004 vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) der paritätische Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug eingesetzt worden. Dieser hat den Auftrag, auf operativer Stufe institutionelle und organisatorische Verbesserungen im Bereich des Wegweisungsvollzuges zu erzielen. Dazu gehören insbesondere die Analyse der laufenden Entwicklungen im Rückkehr- und Vollzugsbereich, die Erhebung des notwendigen Handlungs- und Optimierungsbedarfes sowie die Optimierung der vorhandenen Vollzugsinstrumente. Ein zentrales Element bildet hier auch die Koordination im Bereich der Zwangsmassnahmen. Der Fachausschuss Rückkehr und Wegweisungsvollzug erstattet halbjährlich einen Bericht zuhanden des EJPD und der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren.

Ordnen die Kantone eine Zwangsmassnahme gestützt auf das Ausländerrecht an, wird eine einheitliche Praxis der Kantone auch durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung sichergestellt. Im Bereich der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht kann das BFM im Rahmen der Organisationsverordnung EJPD (SR 172.213.1.)

gestützt auf das Bundesgerichtsgesetz (SR 173.110) in eigenem Namen Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide führen.

Durch diese Legitimation kann das allgemeine öffentliche Interesse an der richtigen Durchsetzung und rechtsgleichen Anwendung des Bundesrechtes gewahrt werden.

Das BFM hat deshalb unter anderem zu prüfen, ob die kantonalen Entscheide in Zusammenhang mit der Anwendung der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht den Vorgaben des Gesetzgebers entsprechen und ob die bundesgerichtliche Praxis durch die kantonalen Haftprüfungsinstanzen respektiert wird.

In Artikel 3 des Entwurfs zum Zwangsanwendungsgesetz sollen die Grundsätze für die Anwendung polizeilichen Zwangs geregelt werden. Dabei wird das verfassungsrechtliche Erfordernis der
Verhältnismässigkeit konkretisiert. Der angewendete Zwang soll den jeweiligen Umständen angemessen sein. Dabei sollen insbesondere das Alter, das Geschlecht sowie der Gesundheitszustand der betroffenen Person berücksichtigt werden.

Der Bundesrat ist deshalb der Ansicht, dass die notwendigen Instrumente für die Koordination und Kooperation auch im Bereich der Zwangsmassnahmen bei Minderjährigen vorhanden sind. Die Unterschiede ergeben sich aus der Vollzugskompetenz der Kantone. Das Zwangsanwendungsgesetz wird zudem noch weitere rechtliche Instrumente bereitstellen.

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Empfehlung 4

Klärungsbedarf hinsichtlich besonderer Haftbedingungen

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, die Frage zu klären, ob sich aus der Kinderrechtskonvention besondere Haftbedingungen und insbesondere ein Trennungsgebot für Minderjährige von Erwachsenen in der Ausschaffungshaft ableiten lassen, und zusammen mit den Kantonen nach praktischen Lösungen für eine allfällige Umsetzung solcher Haftbedingungen zu suchen.

Stellungnahme des Bundesrates Grundsätzlich lassen sich aus der Kinderrechtskonvention gestützt auf Artikel 37 Buchstabe c besondere Haftbedingungen für Minderjährige ableiten. Gemäss dieser Bestimmung ist jedes Kind, dem die Freiheit entzogen wurde, von Erwachsenen zu trennen, sofern nicht ein anderes Vorgehen dem Wohl des Kindes als dienlich erachtet wird. Der Begriff «Freiheitsentzug» umfasst auch die Ausschaffungshaft als Administrativhaft.

Das Wohl des Kindes kann es erforderlich machen, dass bei der Ausschaffungshaft auf eine Trennung von Erwachsenen verzichtet wird. So kann es im Einzelfall den Bedürfnissen der betroffenen Minderjährigen zwischen 15 und 17 Jahren besser entsprechen, wenn sie zusammen mit erwachsenen Personen aus dem gleichen Herkunftsland oder Kulturkreis untergebracht werden und nicht mit anderen Jugendlichen, die nicht der gleichen ethnischen oder religiösen Gruppe angehören. Eine Unterbringung mit Erwachsenen kann also unter der Voraussetzung, dass das Kindeswohl es gebietet, mit Artikel 37 Buchstabe c der Kinderrechtskonvention vereinbar sein.

Zudem sind die allgemeinen Haftbedingungen bei der Ausschaffungshaft generell wesentlich weniger streng als bei der gestützt auf das Strafrecht angeordneten Haft.

Die Schweiz hat in Bezug auf Artikel 37 Buchstabe c der Kinderrechtskonvention einen Vorbehalt angebracht. Demnach wird die Trennung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen im Freiheitsentzug nicht ausnahmslos gewährleistet. Da der Begriff «Freiheitsentzug» auch die Ausschaffungshaft umfasst, ist die heutige Praxis, wonach Jugendliche in der Ausschaffungshaft nicht ausnahmslos von Erwachsenen getrennt werden, vom Vorbehalt der Schweiz gedeckt. Im Übrigen enthält die Kinderrechtskonvention keine weiteren Vorgaben bezüglich der Haftbedingungen in der Ausschaffungshaft.

In ihrem ersten Bericht an den UNO-Ausschuss für die Rechte des Kindes3 hat die Schweiz signalisiert, dass sie bestrebt ist, die Situation im Bereich des
Jugendstrafrechts zu verbessern, so dass der genannte Vorbehalt zurückgezogen werden könnte.

Artikel 48 des Jugendstrafgesetzes (SR 311.1) räumt den Kantonen zur Errichtung der hierzu notwendigen Einrichtungen eine zehnjährige Frist ein. Bis zu diesem Zeitpunkt wäre es wünschenswert, wenn sich die schweizerischen Behörden mit der Frage der Unterbringung von Minderjährigen in Ausschaffungshaft auseinandersetzen würden.

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Erster Bericht der Schweizerischen Regierung zur Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 1. November 2000

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Empfehlung 5

Sicherstellung der Rechtsvertretung und allfälliger vormundschaftlicher Massnahmen

Die GPK-N empfiehlt dem Bundesrat, bei den Kantonen hinzuwirken, dass sie eine aktive Rolle bei der Sicherstellung der Rechtsvertretung und allfälliger vormundschaftlicher Massnahmen (Errichtung einer Vormundschaft oder einer Beistandschaft) übernehmen. Anzustreben ist eine unter den Kantonen einheitliche, kooperative und dem Kindeswohl gerecht werdende Praxis.

Stellungnahme des Bundesrates Im Bericht der Kommission werden die umfassenden Regelungen im AsylG bezüglich der vormundschaftlichen Massnahmen und der Rechtsvertretung für Minderjährige dargestellt.

Das revidierte AsylG sieht vor, dass für alle minderjährigen und unbegleiteten Asylsuchenden bereits für die Zeit ihres Aufenthaltes im Empfangs- und Verfahrenszentrum eine Vertrauensperson zu ernennen ist, wenn dort für das Asylgesuch entscheidrelevante Verfahrensschritte durchgeführt werden. Dies gilt auch für das Verfahren am Flughafen und nach der Zuweisung in einen Kanton.

Zudem bestehen vertragliche Vereinbarungen zwischen dem BFM und den Vertrauenspersonen, wonach diese eine angemessene Betreuung und eine juristische Beratung bezüglich des Asylverfahrens sicherstellen müssen. Auch hat das BFM neue Richtlinien über die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden in den Empfangs- und Verfahrenszentren erlassen.

Die Anforderungen an die Interessenvertretung durch eine Vertrauensperson wurden kürzlich von der Asylrekurskommission näher umschrieben. Die Vertrauensperson muss über gewisse juristische Kenntnisse im Bereich des Asylverfahrens verfügen, damit sie die Interessen der ihr anvertrauten Person angemessen vertreten kann.

Handelt die Vertrauensperson offensichtlich gegen die Interessen der unbegleiteten minderjährigen Person oder unterlässt sie die im Rahmen der Interessenvertretung gebotenen Massnahmen, hat sie ihre Aufgabe nicht erfüllt und es liegt eine Verletzung des verfassungsmässigen Grundsatzes des rechtlichen Gehörs vor. Das BFM wird den kantonalen Ausländerbehörden im März 2007 ein entsprechendes Informationsschreiben zustellen.

Das ANAG enthält keine dem Asylgesetz entsprechenden Regelungen bezüglich der vormundschaftlichen Massnahmen und der Rechtsvertretung bei Minderjährigen.

Die Vollzugsbehörden sind jedoch auch im Ausländerbereich gemäss Artikel 368 des Zivilgesetzbuches (SR 210)
verpflichtet, der zuständigen kantonalen Behörde die Anwesenheit von Minderjährigen, die sich ohne elterliche Begleitung in ihrem Gebiet aufhalten, unverzüglich zu melden, damit allfällige Schutzmassnahmen eingeleitet werden können.

Eine Untersuchung zur entsprechenden Praxis in den einzelnen Kantonen besteht nicht. Ein einheitliches Vorgehen der Kantone ist jedoch auch im Ausländerbereich anzustreben. Sollte sich im Rahmen der vorgesehenen Datenerhebungen zu den Zwangsmassnahmen die Vermutung der Kommission erhärten, wonach einzelne Kantone die notwendigen vormundschaftlichen Massnahmen nicht ergreifen, sind die Bundesbehörden bereit, gemeinsam mit den Kantonen sowie den zuständigen Organisationen nach geeigneten Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.

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