Generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens Die Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung, hat an der Plenarsitzung vom 20. Dezember 2006, gestützt auf Artikel 321bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB, SR 311.0); Artikel 1, 3, 9, 10, 11 und 13 der Verordnung vom 14. Juni 1993 über die Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Bereich der medizinischen Forschung (VOBG; SR 235.154); in Sachen Hôpital neuchâtelois betreffend Gesuch vom 15. November 2006 für eine generelle Bewilligung zur Offenbarung des Berufsgeheimnisses im Sinne von Artikel 321bis StGB zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens, verfügt: 1. Bewilligung der Hôpitaux de la ville de Neuchâtel Cadolles-Pourtalès Die generelle Bewilligung, die den Hôpitaux de la ville de Neuchâtel CadollesPourtalès am 27. Dezember 2001 erteilt wurde, ist abgelaufen. Sie wird nicht erneuert, sondern durch die vorliegende Bewilligung ersetzt.

2. Bewilligungsnehmer Dem Hôpital neuchâtelois wird unter den nachfolgenden Bedingungen und Auflagen eine generelle Bewilligung gemäss Artikel 321bis StGB in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 und 2 sowie Artikel 11 VOBG erteilt.

Verantwortlich für die Forschungsprojekte, die gestützt auf die vorliegende Bewilligung durchgeführt werden, ist der medizinische Direktor, Dr. Andrew Munday.

Durch die Bewilligung wird dem mit betriebsinterner Forschung betrauten Personal des Hôpital neuchâtelois sowie den Doktorandinnen und Doktoranden gestattet, zu Forschungszwecken im Bereich der Medizin und des Gesundheitswesens unter den nachstehenden Bedingungen nicht anonymisierte Patientendaten einzusehen.

Durch die Bewilligung wird die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Daten ermöglicht, ohne dass der Dateninhaber dadurch sein Berufsgeheimnis verletzt. Dies gilt jedoch nur innerhalb des als Bewilligungsnehmer bezeichneten Hôpital neuchâtelois, welches insgesamt sieben Standorte umfasst. Sollten Forschungsprojekte auf nicht anonymisierte Daten anderer Kliniken, medizinischer Institute oder freipraktizierender Ärztinnen und Ärzte angewiesen sein oder soll externen Forschergruppen Einblick in nicht anonymisierte Daten des Hôpital neuchâtelois gewährt werden, so ist der Kommission
ein Sonderbewilligungsgesuch einzureichen.

3. Zweck und Umfang der Dateneinsicht Die Bewilligung umfasst das Recht, für Forschungszwecke in Patientendossiers des Hôpital neuchâtelois Einsicht zu nehmen.

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4. Bedingungen Es dürfen nur dann personenbezogene Daten verwendet werden, wenn das Forschungsprojekt nicht mit anonymisierten Daten durchgeführt werden kann.

Wenn die Einwilligung der betroffenen Patientinnen und Patienten zur Verwendung ihrer Daten ohne unverhältnismässig grosse Schwierigkeiten und ohne dass ihnen ein erheblicher Schaden zugefügt wird, eingeholt werden kann, dürfen die Daten nicht gestützt auf diese Bewilligung zu Forschungszwecken verwendet werden.

5. Aufklärung der Betroffenen und Vetorecht Die Patientinnen und Patienten müssen darüber aufgeklärt werden, dass sie die Weitergabe ihrer Personendaten untersagen können. Patientendaten, deren Weitergabe untersagt wurde, dürfen nicht für Forschungszwecke verwendet werden.

Die für den Datenschutz in der medizinischen Forschung zuständige Person ist für den Datenschutz und für die Berücksichtigung eines allfälligen Widerspruchs des Patienten/der Patientin verantwortlich.

6. Datensammlungen und Kreis der Zugriffsberechtigten Das Hôpital neuchâtelois ist befugt, Patientendossiers sowohl in Papierform wie auch in elektronischer Form zu führen. Es hat sicherzustellen, dass die personenbezogenen Angaben von den bereits anonymisierten Daten klar getrennt werden.

Zu Forschungszwecken erhalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hôpital neuchâtelois sowie Doktorandinnen und Doktoranden mit Bewilligung des verantwortlichen medizinischen Direktors Zugang zu den Daten. Nach Abschluss des Forschungsprojektes ist für einen erneuten Datenzugriff wiederum die Bewilligung des medizinischen Direktors einzuholen.

7. Dauer der Datenaufbewahrung Die Befristung der Datenaufbewahrung richtet sich nach kantonalem Recht. Die Vernichtung der für Forschungsprojekte verwendeten Personendaten hat gemäss den Vorschriften des kantonalen Datenschutzbeauftragten zu erfolgen.

8. Massnahmen für die Anonymisierung Die den Patientendossiers des Hôpital neuchâtelois entnommenen Daten sind zu Beginn der Forschungstätigkeit zu anonymisieren.

9. Erkennungsmerkmale Es ist sicherzustellen, dass in den auf den gesammelten Daten basierenden Publikationen keine Identifizierung der betroffenen Personen möglich ist.

10. Auflagen a)

Für jedes Forschungsprojekt muss eine «non obstat»-Erklärung des Comité intercantonal d'éthique de la recherche dans le domaine de la santé des cantons de JU/FR/NE eingeholt werden. Das Comité überprüft, dass das Forschungsprojekt den ethischen Grundsätzen entspricht und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Es hat sich insbesondere davon zu überzeugen, dass das Forschungsprojekt nicht mit anonymen Daten durchgeführt werden kann, dass die Einwilligung der betroffenen 1761

Patientinnen und Patienten überhaupt nicht oder nur sehr schwierig eingeholt werden kann, dass die jeweiligen Forschungsinteressen die Interessen der Betroffenen an der Geheimhaltung überwiegen, dass die Berechtigten über ihr Vetorecht aufgeklärt worden sind und dass die Daten zu Beginn der Forschungstätigkeit anonymisiert werden. Der medizinische Direktor, der gegenüber der Expertenkommission die Verantwortung für die Bewilligungsforschung trägt, bestätigt durch Visum der «non obstat»-Eklärung, dass das Forschungsprojekt den ethischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen entspricht. Wird die «non obstat»-Erklärung verweigert, darf das Forschungsprojekt nicht gestützt auf die generelle Bewilligung durchgeführt werden. Das Einholen einer Sonderbewilligung bleibt diesfalls aber vorbehalten.

b)

Wurde die Verwendung von Daten zu Forschungszwecken untersagt, muss die Krankengeschichte einen entsprechenden Vermerk tragen. Dies setzt voraus, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten über die ihnen zustehenden Rechte informiert worden sind. Die diesbezügliche Information, die in der Broschüre und auf der Internetseite des Hôpital Pourtalès figuriert, ist in die gemeinsame Patienteninformationsbroschüre des Hôpital neuchâtelois aufzunehmen und auf dessen Internetseite zu publizieren.

c)

Das Hôpital neuchâtelois hat die einzelnen betriebsinternen Forschungsprojekte sowie die Dissertationen, die gestützt auf die vorliegende Bewilligung durchgeführt werden, zu registrieren und dem Sekretariat der Expertenkommission jährlich zu Handen des Präsidenten zu melden. Die Meldung hat folgendes zu beinhalten: ­ den Titel des Forschungsvorhabens; ­ die geschätzte Anzahl der vom Forschungsprojekt betroffenen Personen, die Auswahlkriterien sowie den Forschungszweck; ­ den Namen des verantwortlichen Projektleiters oder der verantwortlichen Projektleiterin; ­ die Namen der Personen, welche Einblick in nicht anonymisierte Daten erhalten; ­ für jedes einzelne Forschungsprojekt den Nachweis einer «non obstat»Erklärung der zuständigen Ethikkommission gemäss Buchstabe a.

d) Das Hôpital neuchâtelois hat ein Zugriffsreglement zu erstellen, das für alle Standorte gleichermassen gilt. Diese Auflage steht im Einklang mit der Umsetzung eines vom Hôpital neuchâtelois angekündigten prioritären Zieles, nämlich der Einführung eines neuen zentralisierten Archivierungssystems und der einheitlichen Verwaltung aller Krankengeschichten (ambulant und stationär).

Das Zugriffsreglement kann mit dem Reglement betreffend Zugang zu den Patientendossiers einhergehen, welches eine Tabelle mit Zugriffsrechten enthalten wird. Aus dem Zugriffsreglement hat insbesondere hervorzugehen, in welcher Funktion die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Forschungszwecken Zugriff auf elektronische, nicht anonymisierte Daten sowie auf Krankengeschichten haben. Personen, die über keine Zugriffsberechtigung verfügen, ist der Zugriff auf nicht anonymisierte Daten zu verweigern. Insbesondere dürfen externen Spitälern, Kliniken, Instituten oder externen Forschergruppen nur anonymisierte Daten zur Verfügung gestellt werden. Die 1762

definitive Version des Zugriffsreglements ist dem Sekretariat der Expertenkommission zuhanden des Präsidenten zuzustellen.

Der Entwurf des Reglements betreffend Zugang zu den Patientendossiers, welches dem Gesuch beilag, muss durch das Hôpital neuchâtelois bestätigt und in Kraft gesetzt werden. Die Weisung über den Einsatz der Informatikund Kommunikationsmittel ist allen Mitarbeitenden des Hôpital neuchâtelois auszuhändigen.

e)

Die durch die vorliegende Bewilligung betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Doktorandinnen und Doktoranden werden ausdrücklich auf ihre Schweigepflicht gemäss Artikel 321bis StGB hingewiesen.

11. Bewilligungsdauer und -beständigkeit Die vorliegende Bewilligung wird für eine Dauer von fünf Jahren ab Eintritt der Rechtskraft erteilt. Vor Ablauf der Bewilligungsdauer ist ein neues, ergänzendes Gesuch zu stellen, wenn ein Wechsel der für den Datenschutz in der Forschung zuständigen Person erfolgt oder wenn eine Änderung des Datenbearbeitungssystems oder eine Änderung in der Regelung der Zugriffsrechte erfolgt. Im übrigen ist der Bewilligungsnehmer verpflichtet, jede Änderung in der Organisations- oder Verwaltungsstruktur des Hôpital neuchâtelois melden.

12. Frist zur Auflagenerfüllung Dem Hôpital neuchâtelois wird zur Erfüllung der Auflagen gemäss Ziffer 9 Buchstaben b) und d) eine Frist von einem Jahr ab Rechtskraft der Bewilligung gesetzt.

13. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Verfügung kann nach Massgabe von Artikel 44 ff. des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) innert 30 Tagen seit deren Eröffnung bzw. Publikation beim Bundesverwaltungsgericht, Postfach, 3000 Bern 14, Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist im Doppel einzureichen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift der beschwerdeführenden Partei oder ihres Vertreters oder ihrer Vertreterin zu enthalten. Die angefochtene Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen.

14. Mitteilung und Publikation Diese Verfügung wird dem Hôpital neuchâtelois und dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten schriftlich mitgeteilt. Das Verfügungsdispositiv wird im Bundesblatt veröffentlicht. Wer zur Beschwerde legitimiert ist, kann innert der Beschwerdefrist beim Sekretariat der Expertenkommission, Bundesamt für Gesundheit, Abteilung Recht, 3003 Bern, nach telefonischer Voranmeldung (031 324 94 02) Einsicht in die vollständige Verfügung nehmen.

13. März 2007

Expertenkommission für das Berufsgeheimnis in der medizinischen Forschung Der Präsident: Franz Werro

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