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Bundesratsbeschluß über

den Rekurs des Paul Raoul de Faucheux d'Humy in Liverpool, betreffend

Verweigerung eines Erfindungs-

patentes.

(Vom

18. Oktober 1897.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat

hat über den Rekurs des Paul Raoul de F a u c h e u x d ' H u m y in Liverpool, betreffend Verweigerung eines Erfindungspatentes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 4. Juli 1896 reichte die Patentanwaltsfirma E. Blum & Cie.

in Zürich, in Vertretung des Paul Raoul de Faucheux d'Humy in Liverpool, dem eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum ein Patentgesuch (Nr. 13,788) ein, betreffend eine Uhr, bei welcher die Oscillationsbewegungen der Unruhe oder des Pendels zum Teil oder gänzlich durch Magnete hervorgebracht werden sollen.

n.

Diese Eingabe wurde vom Amt wiederholt wegen Unregelmäßigkeiten in der Beschreibung der Erfindung beanstandet, und

à

618 schließlich wurde das Pateutgesuch am 21. Januar 1897 mit der Begründung abgewiesen, daß die Beschreibung sachliche Unrichtigkeiten enthalte.

III.

Am 18. Februar 1897 rekurrierte die erwähnte Patentanwaltsfirma, gestützt auf Art. 17 des Bundesgesetzes betreffend die Erfindungspatente, an das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement.

In der Rekursschrift wird einerseits die Richtigkeit der amtlichen Begründung der Gesuchsabweisung in thatsäohlicher Beziehung und andererseits die Berechtigung des eidgenössischen Amtes bestritten, ein Patentgesuch abzuweisen, weil in der Patentbeschreibung thatsächliche Unrichtigkeiten vorhanden seien.

IV.

Mit Entscheidung vom 29. April 1897 wies das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement den Rekurs als unbegründet ab, weil sachliche Unrichtigkeiten in einer Patentbeschreibung selbstverständlich nicht vorkommen sollten und, wenn sie vorkommen, unvereinbar sind mit der in Art. 7 der Vollziehungsverordnung zum Patentgesetz vom 10. November 1896 enthaltenen Bestimmung, daß die Tragweite des Patentes unzweideutig klargelegt werden müsse.

Ferner macht die Entscheidung acht specielle Punkte namhaft, bezüglich deren die Unterlagen des Patentgesuches Unregelmäßigkeiten zeigen.

V.

Diese Entscheidung wurde durch Rekurs vom 26. Mai 1897 an den Bundesrat weiter gezogen.

In seiner Eingabe vertritt der Rekurrent die Ansicht, daß nicht das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum, sondern nur die Gerichte berechtigt seien, darüber zu urteilen, ob die mit dem Gesuch eingereichte Darlegung der Erfindung (Beschreibung und Zeichnung) genüge oder nicht genüge, um Sachverständigen die Ausführung der Erfindung möglich zu machen. Art. 14, Ziffern l und 2, verbunden mit Art. 17 des Patentgesetzes, berechtigt das eidgenössische Amt nur dann eine Erfindung zurückzuweisen, wenn die zum Verständnis der Beschreibung erforderliche Zeichnung nicht genügt, nicht aber wegen unklarer Darlegung der Erfindung. Wenn die Anmeldung zur Patentierung in gehöriger Weise stattgefunden hat, so müssen nach Art. 18 des Gesetzes die Patente unverzüglich ausgefertigt werden, und zwar auf Verantwortlichkeit des Gesuchstellers und ohne Gewährleistung des Vorhandenseins der Neuheit

619 oder des Wertes der Erfindung. Art. 7 der Vollziehungsverordnung aber darf nicht in einer mit dem Gesetz selbst im Widerspruch stehenden Weise interpretiert werden.

Rekurrent behielt sich vor, in einer Nachtragseingabe auf die in der Departementalentscheidung namhaft gemachten Unregelmäßigkeiten einzutreten. Mit Schreiben vom 9. August verzichtete er indes auf diesen Nachtrag und hielt nur die prinzipielle Bestreitung der Kompetenz des eidgenössischen Amtes, sein Patentgesuch abzuweisen, wegen Widerspruchs und Unklarheiten in der Beschreibung, aufrecht.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Über die Erfordernisse, denen ein Patentgesuch zu genüger> hat, bestimmt Art. 14 des Patentgesetzes, daß dem Patentgesuche beizufügen sind : ,,1. Eine Beschreibung der Erfindung, welche in einer besondern Abteilung der Schrift die wesentlichen Merkmale der Erfindung gedrängt aufführen muß; 2. die zum Verständnis der Beschreibung erforderlichen Zeichnungen. "· Und Art. 17, Absatz l, des gleichen Gesetzes lautet: ,,Jedes Gesuch, in welchem die durch die Art. 14, 15 und 16 vorgeschriebenen Bedingungen nicht erfüllt sind, ist vom eidgenössischen Amte für geistiges Eigentum zurückzuweisen; .. . .tt Auf diese Bestimmungen, gestützt nimmt das eidgenössische Amt für geistiges Eigentum die Befugnis für sich in Anspruch, Patentgesuche wegen Widersprüchen und Unklarheiten in der Beschreibung abzuweisen.

Dieser Auffassung gegenüber beruft sich der Beschwerdeführer auf die Art. 10 und 17, Absatz 2, des Pateutgesetzes, um darzulegen, daß sein Patentgesuch angenommen werden müsse unter Vorbehalt gerichtlicher Prüfung der Frage, ob das erteilte Patent wegen Verstoßes gegen die Vorschrift des Art. 10, Ziffer 4, nichtig sei, denn ,,wenn die mit dem Gesuche eingereichte Darlegung der Erfindung (Beschreibung und Zeichnungen) nicht genügt, um Sachverständigen die Ausführung der Erfindung möglich zu macheu, oder mit dem Modell (Art. 14, Ziffer 3) nicht übereinstimmt1*, so

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kann nur auf gerichtlichem Wege das erteilte Patent nichtig erklärt werden, die Verweigerung der Patenterteilung durch die Verwaltung darf dagegen nicht erfolgen.

II.

Das Anmeldesystem, welches dem schweizerischen Patentrecht au Grunde liegt, geht von der Auffassung aus, daß die mit der Erteilung der Patente betraute Verwaltungsbehörde nicht dazu berufen sei, über den innern Wert und die Neuheit einer Erfindung zu entscheiden; diese Prüfung müsse dem Richter vorbehalten bleiben. Damit ist nicht unvereinbar, daß die Verwaltungsbehörde zu untersuchen befugt ist, ob die Patentanmeldung eine ordnungsgemäße sei, die den gesetzlichen Vorschriften entspreche; die Prüfung auf die Übereinstimmung der Beschreibung der Erfindung in dem Patentgesuch mit dem oder den Patentansprüchen und den vorgelegten Zeichnungen und Modellen, sowie die Prüfung der Klarheit und Deutlichkeit der Beschreibung selbst ist eine bloß formelle und läßt sich von der materiellen Prüfung der Erfindung selbst unschwer ausscheiden. Wenn die Verwaltungsbehörde nicht verpflichtet sein soll, jedes Schriftstück, das sich als Patentbeschreibung ausgiebt, als solche anzunehmen, so muß ihr notwendigerweise die Befugnis zuerkannt werden, zu prüfen, ob die Beschreibung in der That die zu patentierende Erfindung wiedergiebt, und ob dies zutrifft, kann wiederum nur bestimmt werden, wenn die Beschreibung deutlich und klar ist. Das öffentliche Interesse verlangt, daß die Grenzen des zu erteilenden Patentes genau bestimmt werden und daß nicht durch ungenaue Beschreibung neuer Erfindungen auf dem gleichen Gebiete der Weg der Patentierung verlegt werde.

Die unklare und widerspruchsvolle Beschreibung kann aller-dings auch ein beim Gerichte geltend zu machender Nichtigkeits-grund des erteilten Patentes sein, wenn nämlich die Darlegung infolge dieser Mängel Sachverständigen die Ausführung der Erfindung nicht ermöglicht. Wenn auch das Amt für geistiges Eigentum in der Möglichkeit dieser Nachprüfung durch das Gericht einen Grund erblicken wird, ein Patentgesuch nur bei unzweifelhaft vorschriftswidriger Anmeldung zu verweigern, so ist doch zuzugeben, daß Art. 17, Absatz l, das Anwendungsgebiet des 2. Absatzes desselben Artikels und des Art. 10, Ziffer 4, erheblich einschränkt; dieses Resultat ergiebt sich aber aus dem Gesetze selbst, und es steht somit Art. 7 der Vollziehungsverordnung vom 10. November 1896 mit letzterem keineswegs im Widerspruch.

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Demnach wird erkennt: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 18. Oktober 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Deucher.

Der I. Vizekanzler :

Schatzmann.

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10.11.1897

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