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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Chardonne auf den Mont Pèlerin.

(Vom 9. März 1897.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 15. September 1896 stellten die Herren Gustav M i c h e l , Notar und Großrat, Eugen M i c h e l , Besitzer des Grand-Hôtel in Vevey, Fernand C h o l l e t , Kaufmann, und G i 11 i è r o n und A m r e i n , Konstruktionsmechaniker, sämtliche in Vevey, das Gesuch um Konzession einer Drahtseilbahn von C h a r d o n n e auf den M o n t P è l e r i n .

In dem dem Konzessionsgesuche beigegebenen allgemeinen Berichte war ausgeführt, die projektierte Bahn solle ihren Ausgangspunkt beim "Bellevue", arn östlichen Ende des Dorfes Chardonne und in unmittelbarer Nähe der Biegung der Kantonsstraße VeveyChâtel St. Denis, haben und bei Beaumaroche, eventuell weiter bergwärts, beim Hause Jean ausmünden. Die Bahn habe hauptsächlich dem Personen- und Gepäcktransport zu dienen ; unter Umständen könne auch die Beförderung von Stückgütern eingerichtet werden. Da der Mont Pèlerin einen unvergleichlichen Ausblick auf den Genfersee gewähre und geeignet sei, sich zu einem Luftkurort zu entwickeln, so erweise sich die Errichtung einer Drahtseilbahn, die thalwärts an die projektierte Straßenbahnlinie Vevey-Châtel St. Denis anschließe, als notwendig, um die bequeme Besteigung des Berges zu ermöglichen.

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Dem technischen Berichte entnehmen wir, daß der Ausgangspunkt beim Bellevue auf Cote 600, die obere Station auf Cote 830 liege. Die horizontale Länge der Linie betrage 530, in der Steigung gemessen 580 Meter, das mittlere Gefäll 39,65%. Beim Bau der Bahn sollen alle Vorkehrungen, wie sie bei anderen Unternehmungen angewendet wurden, getroffen werden, um jedes Rutschen der Schwellen zu verhindern. Die Spurweite sei zu l Meter angenommen. Es sollen drei Schienenstränge gelogt werden, von denen der mittlere, mit Ausnahme der Ausweichstelle, von beiden Wagen gemeinsam befahren würde.

Als Rollmaterial seien 2 Wagen mit je 36 Sitzplätzen in Aussicht genommen. Die mittlere Geschwindigkeit werde ungefähr 1,5 Meter per Sekunde betragen, so daß die Dauer einer Fahrt auf 7 Minuten festgesetzt werden könne. Rechne man für den Halt und die Füllung des Wasserbehälters -- bei Verwendung von Wasserübergewicht als Betriebskraft -- 8 Minuten, so sei es möglich, alle Viertelstunden eine Doppelfahrt auszuführen.

Der Staatsrat des Kantons Waadt, welchem wir das Gesuch zur Vernehmlassung mitteilten, erhob keine Einsprache gegen dasselbe. Er behielt sich lediglich vor, den Wunsch der Gemeinde Chardonne, es möchte die untere Station näher an die Ortschaft gerückt werden, bei Anlaß der Plangenehmigung zur Sprache zu bringen.

Die konferenziellen Verhandlungen fanden vorschriftsgernäß am 19. Februar 1897 statt und ergaben allseitige Zustimmung zu dem nachstehenden Beschlußentwurf, den wir Ihnen hiermit zur Annahme empfehlen.

Wir benutzen auch diesen Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 9. März 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Vizepräsident:

Ruffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

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Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer Drahtseilbahn von Chardonne auf den Mont Pèlerin.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht \. einer Eingabe der Herren Gustav Michel und Konsorten in Vevey vom 15. September 1896; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 9. März 1897, beschließt: Den Herren Gustav M i c h e l , Notar, Eugen M i c h e l , Besitzer des Grand Hôtel de Vevey, Fernand C h o l l e t , Kaufmann, und Gil li ér on & A m r e i n , Konstruktionsmechaniker, sämtlich in Vevey, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft, wird die Konzession für den Bau und Betrieb einer D r a h t s e i l b a h n von Chardonne auf den M o n t P è l e r i n unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Vevey.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

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Art. 5. Binnen einer Frist von 18 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Verlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für diì Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. - Binnen 2 Jahren, vom Bjginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betriebe der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausfuhrungsplänen, welche vorher dem Bundesrate vorgelegt und von diesem genehmigt worden sine. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8.

Die Bahn wird als Drahtseilbahn erstellt.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert worden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Waadt und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den Bundesbeamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlieh der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Slationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sieh aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigen Falls entlassen werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt in erster Linie die Beförderung von Personen und Gepäck; Güter werden nur befördert, sofern die Wageneinrichtung es gestattet.

Zum Vieh transport ist die Gesellschaft nicht verpflichtet.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahnen zu unterziehen. Soweit sie Ànde-

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Art. 14. Der Gesellschaft ist im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzustellen.

Immerhin sind alle daherigen Projekte, welche sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, mindestens 14 Tage vor dem zu ihrer Ausführung bestimmten Zeitpunkte dem Eisenbahndepartemente vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Bestimmung der Fahrgeschwindigkeit bleibt dem Bundesrate vorbehalten.

Art. 15. Es wird nur eine Wagenklasse eingeführt, deren Typus "durch den Bundesrat genehmigt werden muß.

Art. 16. Die Gesellschaft wird ermächtigt, für den Transport, von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze zu beziehen : Fr. 1. 50 für die Bergfahrt, ,, --. 75 ,, ,, Thalfahrt und ,, 2. -- ,, ,, Hin- und Rückfahrt.

Für Kinder unter drei Jahren, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, ist nichts, für solche zwischen dem dritten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe zu zahlen.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, nach mit dem Bundesrate zu vereinbarenden Bestimmungen Abonnementsbillete zu ermäßigter Taxe auszugeben.

5 Kilogramm des Reisendengepäcks sind frei, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für das übrige Gepäck der Reisenden kann eine Taxe von höchstens 20 Rappen per Kolli, wenn diese nicht mehr als 10 Kilogramm wiegen, für schwerere Kolli von 2 Rappen per Kilogramm bezogen werden.

Von den zum Transport angenommenen Gütern können illa Rp.

per Kilogramm bezogen werden.

Bei Festsetzung der Taxen wird das Gewicht nach Einheiten von 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt.

Das Minimum der Transporttaxe eines einzelnen Stückes kann auf 20 Rappen festgesetzt werden.

Art. 17. Die in Art. 16 aufgestellten Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren

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von den Aufgebern an die Statiortsladplätze abzuliefern und Adressaten auf der Bestimmungsstf lion abzuholen. Das AufAbladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden.

Art. 18. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzuste. len.

Art. 19. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Bahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 20. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxeu verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung d;s Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 21. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dìm Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom l ..Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 22. Für die Geltendmachung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Waadt gelten folgende Bestimnungen : a. Der Rückkauf kann frühestens au? 1. Mai 1915. und von da an jederzeit erfolgen. Vom Entscl luß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

0. Durch den Rückkauf wird der E Uckkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial u id allen übrigen Zugehören.

Immerhin bleiben dieDrittmannsrecbte hinsichtlich des Pensionsund Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zjstande abzutreten. Sollte

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dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der .Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Mai 1930 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Jahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1930 und 1. Mai 1945 erfolgt, den 221/2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Mai 1945 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Brneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichts.

Art. 23. Hat der Kanton Waadt den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 22 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 24. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche mit dem Tage ihrer Promulgation in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer Drahtseilbahn von Chardonne auf den Mont Pélerin. (Vom 9. März 1897.)

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10.03.1897

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