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Botschaft über das Protokoll vom 8. Juli 1985 zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung, betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 Prozent vom 3. September 1986

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, Mit dem Antrag auf Zustimmung unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über das Protokoll zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung, betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 Prozent, das von der Schweiz am 8. Juli 1985 in Helsinki mitunterzeichnet wurde.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. September 1986

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Egli Der Bundeskanzler: Buser

1986-700

Übersicht Die Schweiz hat am 6. Mai 1983 das im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE/UNO) am 13. November 1979 unterzeichnete Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung ratifiziert. Ein Zusatzprotokoll zu diesem Übereinkommen ist am 8. Juli 1985 in Helsinki unterzeichnet worden. Dieses Zusatzprotokoll, das Gegenstand der vorliegenden Botschaft ist, betrifft die Verringerung der Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um 30 Prozent. Unterzeichnet haben das Protokoll 21 Vertragsparteien des Übereinkommens von 1979; 3 Vertragsparteien (Kanada, Liechtenstein und Schweden) haben es bisher ratifiziert. Für das Inkrafttreten sind 16 Ratifikationen notwendig.

Das Protokoll verlangt, dass die Vertragsparteien die Schwefelemissionen oder deren grenzüberschreitenden Fluss spätestens bis 1993 um mindestens 30 Prozent des Emissionsvolumens von 1980 verringern. Die Schweiz ist ohne weiteres in der Lage, diese grundsätzliche Verpflichtung zu erfüllen. Seit Beginn der siebziger Jahre und insbesondere seit 1980 sind die Schwefelemissionen in unserem Land stetig zurückgegangen. Durch verschiedene bereits beschlossene Massnahmen, deren wichtigste die am 1. März 1986 in Kraft getretene Luftreinhalte-Verordnung ist, werden sich diese Emissionen weiter verringern.

Die Schweiz, die auf nationaler Ebene Vorleistungen erbracht hat, ist daran interessiert, dass auch andere Staaten wirksame Massnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung ergreifen. Das vorliegende Protokoll zielt in diese Richtung.

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Botschaft I

Allgemeiner Teil

II

Ausgangstage

In den vergangenen Jahren hat das Waldsterben in Mitteleuropa und Nordamerika teilweise katastrophale Formen angenommen. Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass dafür die Luftverschmutzung zu einem wesentlichen Teil verantwortlich ist.

In der Schweiz stieg der Anteil der geschädigten Nadel- und Laubbäume laut Sanasilva-Waldschaderiinventur 1984 im Vergleich zu 1983 um mehr als die Hälfte auf durchschnittlich 34 Prozent, und die Waldschadeninventur 1985 stellte eine erneute Zunahme auf 36 Prozent fest. Besonders alarmierend ist die Situation in den Bergregionen, wo angesichts eines durchschnittlichen Schädigungsgrades von 42 Prozent die lebenswichtige Schutzfunktion der Wälder auf dem Spiel steht und mancherorts Naturkatastrophen nicht mehr ausgeschlossen werden können. Ähnlich besorgniserregend ist die Lage beispielsweise in Österreich, wo landesweite Beobachtungen im Sommer 1985 ein Viertel der Waldfläche als geschädigt auswiesen, und in der Bundesrepublik Deutschland, wo die geschädigte Waldfläche zwischen 1983 und 1985 von 34 auf 52 Prozent anstieg: Das heutige Waldsterben muss als chronische Vergiftung der Bäume verstanden werden, welche sich über viele Jahre hin aufgebaut hat. Es ist heute in wissenschaftlichen Kreisen kaum mehr bestritten, dass die Wachstumsstörungen auf die Luftverschmutzung als Primärursache zurückzuführen sind. Zum Schutz der Wälder, aber auch der menschlichen Gesundheit, des Bodens, der Vegetation, der Gewässer und der Bauwerke gilt es, in den kommenden Jahren die Luftverschmutzung erheblich zu vermindern.

Auch wenn der Schädigung der Wälder durch Luftschadstoffe vielfältige und komplexe Wirkungsmechanismen zugrunde liegen, lässt sich doch feststellen, dass als Hauptkomponenten oder Leitsubstanzen die primären Schadstoffe Schwefeldioxid, Stickoxide und Kohlenwasserstoffe im Vordergrund stehen.

Diese können einerseits direkt schädigend auf die Bäume einwirken; andererseits sind Schwefeldioxid und Stickoxide hauptverantwortlich für die Bildung der sekundären Schadstoffe wie saure Niederschläge, während Stickoxide in Zusammenhang mit Kohlenwasserstoffen erheblich zur Bildung von Ozon und anderen Photooxidantien beitragen.

Die primären Schadstoffe stammen in der Schweiz vor allem aus lokalen und regionalen Quellen. Demgegenüber können die sekundären Schadstoffe am
Ort ihres Einwirkens neben lokalen und regionalen Anteilen auch beträchtliche Schadstoffanteile aus weiträumiger Verfrachtung enthalten. Die nationalen Massnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung müssen daher im Rahmen einer effizienten und umfassenden internationalen Zusammenarbeit ergänzt werden. International abgestimmte Massnahmen in diesem Bereich dienen dem Schutz der Umwelt vor schädlichen Einwirkungen und verhindern Wettbewerbsverzerrungen.

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Die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) identifizierte in ihrer Schlussakte (Helsinki, 1. Aug. 1975) die Bekämpfung der weiträumigen Luftverschmutzung als einen Bereich der Zusammenarbeit unter den Teilnehmerstaaten und empfahl die Entwicklung eines entsprechenden Messund Bewertungsprogrammes. Die Aushandlung des Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE/UNO) ging nicht zuletzt auch auf die Anregung der von sauren Niederschlägen besonders betroffenen skandinavischen Staaten zurück. Das Übereinkommen wurde am 13. November 1979 in Genf unterzeichnet und trat am 16. März 1983 in Kraft:1) Es ist bisher von 31 Vertragsparteien, darunter von der Schweiz am 6. Mai 1983, ratifiziert worden. Die Ratifikation noch nicht vollzogen haben Rumänien, San Marino, die Vatikanstadt und Jugoslawien. Ein erstes Zusatzprotokoll zum Übereinkommen regelt die Finanzierung des europäischen Mess- und Bewertungsprogrammes für die weiträumige Luftverschmutzung (EMEP). Die Schweiz ratifizierte dieses Protokoll vom 28. September 1984 am 26. Juli 1985.

Ein weiteres Zusatzprotokoll vom 8. Juli 1985 betrifft die Reduzierung der Schwefelemissionen. In diesem Protokoll, das Gegenstand der vorliegenden Botschaft ist, verpflichten sich die Vertragsparteien im wesentlichen, ihre jährlichen nationalen Schwefelemissionen oder deren grenzüberschreitende Ströme, unter Verwendung des Emissionsvolumens von 1980 als Berechnungsgrundlage, so bald als möglich, spätestens jedoch bis 1993 um 30 Prozent zu reduzieren.

Gleichzeitig anerkennen die Vertragsparteien die Notwendigkeit, abzuklären, ob die Umweltsituation noch weitergehende Reduktionen erfordern könnte. Zudem sind die Emissionen zu überwachen und auf nationaler Ebene Programme und Strategien im Hinblick auf die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen zu entwickeln.

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Verlauf der Verhandlungen

Der entscheidende Impuls zu den Verhandlungen über ein Protokoll zur Reduzierung der Schwefelemissionen ging von einer Gruppe von Staaten aus, zu der neben der Schweiz noch die Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Österreich und Schweden gehörten. Diese Staaten verpflichteten sich an einer Ministerkonferenz in Ottawa (20.-21. März 1984) zu einer 30prozentigen Verringerung ihrer Schwefelemissionen. Unter Berufung auf die Erklärung von Ottawa vom 21. März 1984 forderte daraufhin die Multilaterale Umweltkonferenz, von München '' Folgende Mitglieder der ECE/UNO unterzeichneten das Übereinkommen: Belgien, Bulgarien, Dänemark. Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik. Finnland. Frankreich. Griechenland, Grossbritannien. Irland, Island, Italien, Jugoslawien. Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen. Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechoslowakei, Türkei, Ukrainische SSR, Ungarn, Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken, Vereinigte Staaten von Amerika, Weissrussische SSR, ferner die Europäischen Gemeinschaften sowie Liechtenstein, San Marino und die Vatikanstadt, die in der ECE/UNO Konsultativstatus haben.

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(24.-27. Juni 1984) in ihrer Resolution die Ausarbeitung einer spezifischen Vereinbarung zur Reduzierung der Schwefelemissionen. Mit dieser Aufgabe wurde eine Expertengruppe im Rahmen der ECE/UNO betraut, die in drei Sitzungen in Genf (26.-2S. Sept. 1984, 19.-21.Nov. 1984, 20.-22. Febr. 1985) einen Entwurf ausarbeitete. Das Protokoll wurde an der dritten Tagung des Exekutivorgans des Genfer Übereinkommens in Helsinki am 8. Juli 1985 verabschiedet und anschliessend von der Schweiz unter Ratifikationsvorbehalt und von 20 weiteren Vertragsparteien des Übereinkommens (Belgien, Bulgarien, Dänemark, Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik, Finnland, Frankreich, Italien, Kanada, Liechtenstein, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Tschechoslowakei, Sowjetunion, Ukrainische SSR, Ungarn und Weissrussische SSR) unterzeichnet. Die Formel 30 Prozent sowie die Zeitlimite haben einen breiten Konsens gefunden. Einige Länder, die das Protokoll nicht unterzeichnen konnten, erklärten, sie würden trotzdem Massnahmen zur Verringerung der Schwefelemissionen einleiten. Die Zusammenarbeit zwischen westlichen und östlichen Industriestaaten in der ECE/ UNO im Bereich der Bekämpfung der Luftverschmutzung ist durch dieses Protokoll vertieft worden.

Die Multilaterale Umweltkonferenz von München forderte auch den Einbezug der Stickoxide und der Kohlenwasserstoffe in die internationalen Anstrengungen zur Reduzierung der Luftverschmutzung. Das Exekutivorgan des Übereinkommens beauftragte in Helsinki eine Arbeitsgruppe, Verhandlungen über international übereinstimmende Massnahmen zur Reduzierung dieser Schadstoffe und auch der sekundären Umwandlungsprodukte (Ozon und andere Phötooxidantien) einzuleiten. Eine erste Sitzung der Arbeitsgruppe fand in Genf (16.-18. Okt. 1985) statt; die Schweiz nimmt an diesen Arbeiten teil (BRB vom 16. Okt. 1985). Nachdem in Helsinki noch keine Übereinstimmung über ihr eigentliches Ziel, nämlich den Abschluss eines weiteren Zusatzprotokolls zum Übereinkommen, erreicht werden konnte, gilt es für die Schweiz und andere gleichgesinnte Staaten, sich dafür einzusetzen. Ein erstes Ergebnis dieser Anstrengungen bestand darin, dass die Internationale Wald- und Baumkonferenz SILVA in Paris (5.-7. Febr. 1986) die Notwendigkeit von internationalen Vereinbarungen über
Massnahmen zur Reduzierung dieser beiden Schadstoffe anerkannte. In diesem Sinne appellierten die für Umweltbelange zuständigen Minister der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und Österreichs an ihrem Treffen in Saas Fee (27.-28. Febr. 1986), ausdrücklich unterstützt von Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, dem Fürstentum Liechtenstein, den Niederlanden, Norwegen und Schweden, an die Vertragsparteien des Genfer Übereinkommens, dem Protokoll über die Reduzierung der Schwefelemissionen schnellstmöglich beizutreten und es zu ratifizieren und noch im laufenden Jahr in konkrete Verhandlungen über ein Protokoll zur Verringerung der Stickstoffoxid- und Kohlenwasserstoffemissionen einzutreten. Kanada, Liechtenstein und Schweden hatten das Protokoll von Helsinki zum Zeitpunkt der Erklärung von Saas Fee bereits ratifiziert. Die übrigen Staaten, die der Erklärung zustimmten, hatten den Ratifikationsvorgang schon eingeleitet.

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Besonderer Teil: Inhalt des Protokolls

Das in Helsinki unterzeichnete Protokoll enthält die grundsätzliche Verpflichtung, die jährlichen nationalen Schwefelemissionen oder ihre grenzüberschreitenden Ströme, gemessen am Emissionsvolumen von 1980, so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 1993, um mindestens 30 Prozent zu verringern (Art. 2).

Gleichzeitig wird die Notwendigkeit betont, auf nationaler Ebene zu überprüfen, ob die Umweltbedingungen weitere Reduktionen erforderlich machen (Art. 3).

Zudem verpflichten sich die Vertragsparteien, dem Exekutivorgan des Übereinkommens jährlich das Niveau ihrer nationalen Schwefelemissionen sowie die Grundlage, auf der diese berechnet wurden, mitzuteilen (Art. 4).

Weiter erhält das Lenkungsorgan des europäischen Mess- und Bewertungsprogrammes EMEP den Auftrag, dem Exekutivorgan des Übereinkommens vor dessen jährlichen Sitzungen Berechnungen des Schwefelhaushaltes sowie des grenzüberschreitenden Transportes und der Ablagerung von Schwefelverbindungen für jedes vorhergehende Jahr im geographischen Anwendungsbereich des EMEP zur Verfügung zu stellen (Art. 5).

Es bedarf zur Abwicklung des Protokolls keines neuzuschaffenden Apparates.

Seine Durchführung wird vom Exekutivorgan des Übereinkommens überwacht, und für die Sammlung und Auswertung von Daten steht das Lenkungsorgan des EMEP zur Verfügung.

Für Änderungen des Protokolls ist eine Zweidrittelsmehrheit nötig; sie gelten nur für Vertragsparteien, die ausdrücklich zugestimmt haben (Art. 7).

Die Beilegung von Streitigkeiten erfolgt auf dem Verhandlungsweg (Art. 8) ; zu den zum Beitritt berechtigten Parteien gehören neben den Mitgliedstaaten der ECE/UNO auch Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration (Art. 9).

Das Protokoll entfaltet seine Rechtswirkung für eine Vertragspartei nach Hinterlegung einer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde. Sollte eine Vertragspartei erst nach 1990 dem Protokoll beitreten, können die Artikel 2 und 6 durch diese Vertragspartei nach 1993, aber spätestens 1995, angewendet werden (Art. 10).

Das Inkrafttreten erfolgt am 90. Tag nach der Hinterlegung der 16. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde. Für die Vertragsparteien, die dem Protokoll nach Hinterlegung der 16. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde beitreten, erfolgt das Inkrafttreten am 90. Tag nach Hinterlegung ihrer Ratifikations- oder Beitrittsurkunde
(Art. 11).

Eine Vertragspartei kann, nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist, jederzeit zurücktreten (Art. 12).

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Auswirkungen

Die Ratifizierung des Protokolls bringt weder dem Bund noch den Kantonen zusätzliche Belastungen. Die Schweiz ist ohne weiteres in der Lage, die grund187

sätzliche Verpflichtung des Protokolls zu erfüllen: Seit Beginn der siebziger Jahre und insbesondere seit 1980 sind die Schwefelemissionen in der Schweiz stetig zurückgegangen. Diese Verringerung des Emissionsvolumens wurde erreicht namentlich mit der Reduzierung des Schwefelgehaltes fossiler Brennstoffe oder deren Substitution durch andere Energiequellen. Durch verschiedene bereits beschlossene Massnahmen werden sich die Schwefelemissionen weiter verringern, so dass die Verpflichtungen bis 1993 ohne besondere Probleme eingehalten werden können. Das weitaus wichtigste Instrument zur Erreichung dieser Schadstoffverringerung ist die am 1. März 1986 in Kraft getretene Luftreinhalte-Verordnung (AS 1986 208). Was die im Protokoll vorgesehene Berichterstattung betrifft, gehen diese Pflichten nicht über das hinaus, was unser Land seit einiger Zeit freiwillig leistet. Die Schweiz beteiligt sich an der internationalen Zusammenarbeit im Rahmen des EMEP, unterstützt die Aufnahme von weiteren Schadstoffen neben Schwefeldioxid in dessen Arbeitsprogramm und setzt sich ein für die Verbesserung und Verfeinerung seines Überwachungsnetzes.

Die Schweiz, die auf nationaler Ebene Vorleistungen erbracht hat, ist daran interessiert, dass auch andere Staaten wirksame Massnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung ergreifen. Das vorliegende Protokoll zielt in diese Rich: : tung.

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Richtlinien der Regierungspolitik

Die Vorlage ist in den Richtlinien der Regierungspolitik 1983-1987 nicht ausdrücklich angekündigt. In Ziffer 53 «Umweltschutz» ist aber als Ziel unter anderen festgehalten, durch Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit und insbesondere durch Anstrengungen zur konkreten Durchführung des Genfer Übereinkommens zur Verringerung der Luftverschmutzung beizutragen. Mit dem Protokoll über die Reduzierung der Schwefelemissionen ist eine wichtige Etappe in diesen Bestrebungen erreicht worden.

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Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Das Protokoll ist ein eigenständiger mehrseitiger Vertrag im Rahmen des Übereinkommens über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung. Als Vertrag über Emissionsbeschränkungen fällt es nicht unter die Delegationsnorm von Artikel 39 Absatz 2 des Umweltschutzgesetzes. Die Grundlage für die Ratifikation bildet Artikel 8 der Bundesverfassung, nach welchem dem Bund das Recht zusteht, Staatsverträge mit dem Ausland abzuschliessen. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung beruht auf Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung. Das Protokoll ist kündbar, sieht weder den Beitritt zu einer internationalen Organisation vor, noch führt es eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbei. Der Bundesbeschluss über seine Genehmigung untersteht deshalb nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum gemäss Artikel 89 Absatz 3 der Bundesverfassung.

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Da das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung Rahmencharakter hat, werden zur Erreichung der in ihm gesetzten Ziele noch weitere gesonderte Vereinbarungen in der Form von Protokollen nötig sein.

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Bundesbeschluss

Entwurf

über das Protokoll vom 8. Juli 1985 zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung, betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 Prozent

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 3. September 1986'', beschliesst:

Art. l 1 Das am 8. Juli 1985 von der Schweiz in Helsinki unterzeichnete Protokoll zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung, betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 Prozent, wird genehmigt.

2 Der Bundesrat wird ermächtigt, das Protokoll zu ratifizieren.

Art. 2 Dieser Beschluss untersteht nicht dem Staatsvertragsreferendum.

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') BB1 1986 III 182

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Protokoll Übersetzung^ zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung, betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 Prozent

Die Vertragsparteien, gewillt, das Übereinkommen über Weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung zu verwirklichen, besorgt darüber, dass die derzeitigen Emissionen luftverunreinigender Stoffe in den exponierten Teilen Europas und Nordamerikas umfangreiche Schäden an Naturschätzen von lebenswichtiger Bedeutung für Umwelt und Wirtschaft, z. B.

an Wäldern, Böden und Gewässern, sowie an Materialien (einschliesslich historischer Denkmäler) verursachen und unter bestimmten Umständen schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben, im Bewusstsein, dass die Hauptquellen der Luftverunreinigung, die zur Versauerung der Umwelt beitragen, die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energieerzeugung und für die wichtigsten technischen Prozesse in den verschiedenen Industriezweigen sowie der Verkehr sind, die zu Emissionen von Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden und anderen verunreinigenden Stoffen führen, in der Erwägung, dass der Verringerung von Schwefelemissionen, die sich auf die Umwelt, die wirtschaftliche Gesamtlage und die menschliche Gesundheit günstig auswirken wird, hoher Vorrang eingeräumt werden sollte, unter Hinweis auf den an der neununddreissigsten Tagung der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE) gefassten Beschluss, der die Dringlichkeit der Intensivierung der die Bemühungen um koordinierte nationale Strategien und Politiken in der ECE-Region zu verstärken, unterstreicht, dass es zur wirksamen Verringerung von Schwefelemissionen auf nationaler Ebene dringend notwendig ist, unter Hinweis darauf, dass das Exekutivorgan des Übereinkommens auf seiner ersten Tagung die Notwendigkeit anerkannt hat, die jährlichen Gesamtemissionen von Schwefelverbindungen oder ihren grenzüberschreitenden Fluss spätestens bis 1993-1995 wirksam zu verringern, wobei der Berechnung der Stand von 1980 zugrunde gelegt werden soll, unter Hinweis darauf, dass die Multilaterale Konferenz über Ursachen und Verhinderung von Wald- und Gewässerschäden durch Luftverschmutzung in Europa (München, 24.-27. Juni 1984) das Exekutivorgan des Übereinkommens aufgefordert hat, mit erster Priorität einen Vorschlag für eine besondere Vereinbarung, die die Verminderung der jährlichen nationalen Schwefelemissionen '' Übersetzung aus dem französischen und englischen Originaltext.

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Grenzüberschreitende Luftverunreinigung oder ihres grenzüberschreitenden Flusses bis spätestens 1993 vorsieht, anzunehmen, im Hinblick darauf, dass eine Reihe von Vertragsparteien des Übereinkommens beschlossen haben, ihre jährlichen nationalen Schwefelemissionen oder deren grenzüberschreitenden Fluss so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 1993, um mindestens 30 Prozent zu verringern, wobei sie der Berechnung den Stand von 1980 zugrunde legen werden, in der Erkenntnis jedoch, dass einige Vertragsparteien des Übereinkommens das vorliegende Protokoll zwar nicht unterzeichnen werden, wenn es zur Unterzeichnung aufgelegt wird, aber trotzdem erheblich zur Verringerung der grenzüberschreitenden Luftverunreinigung beitragen oder sich weiterhin bemühen werden, die Schwefelemissionen zu verringern, wie dies im Dokument, das dem Bericht des Exekutivorgans über seine dritte Tagung beigefügt ist, festgestellt wird, sind wie folgt übereingekommen: Artikel l Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Protokolls .1. bedeutet «Übereinkommen» das am 13. November 1979 in Genf angenommene Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung; 2. bedeutet «EMEP» das Programm über die Zusammenarbeit bei der Überwachung und Beurteilung der weiträumigen Übertragung von luftverunreinigenden Stoffen in Europa; 3. bedeutet «Exekutivorgan» das nach Artikel 10 Absatz l des Übereinkommens gebildete Exekutivorgan für das Übereinkommen; 4. bedeutet «geographischer Anwendungsbereich des EMEP» das Gebiet nach Artikel l Absatz 4 des Protokolls zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung, betreffend die langfristige Finanzierung des Programms über die Zusammenarbeit bei der Messung und Bewertung der .weiträumigen Übertragung von luftverunreinigenden Stoffen in Europa (EMEP), das am 28. September 1984 in Genf angenommen worden ist; ; 5. bedeutet «Vertragsparteien» die Vertragsparteien dieses Protokolls, soweit sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt.

Artikel! Grundsatz Die Vertragsparteien verringern ihre nationalen jährlichen Schwefelemissionen oder deren grenzüberschreitenden Fluss so bald wie möglich, spätestens jedoch bis 1993, um mindestens 30 Prozent, wobei sie der Berechnung den Stand von 1980 zugrunde legen.

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Grenzüberschreitende Luftverunreinigung Artikel 3 Weitere Verringerungen Die Vertragsparteien anerkennen die Notwendigkeit, dass jede von ihnen, falls die Umweltbedingungen dies erfordern, auf nationaler Ebene überprüft, ob weitere Verringerungen der Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses über die in Artikel 2 genannten Verringerungen hinaus erforderlich sind.

Artikel 4 Berichterstattung über die jährlichen Emissionen Jede Vertragspartei informiert das Exekutivorgan jedes Jahr über den Stand ihrer nationalen jährlichen Schwefelemissionen sowie über die Grundlage, auf der diese berechnet wurden.

Artikel 5 Berechnung des grenzüberschreitenden Flusses Das EMEP liefert dem Exekutivorgan rechtzeitig vor dessen jährlichen Sitzungen Berechnungen des Schwefelhaushaltes, des grenzüberschreitenden Flusses und der Ablagerungen von Schwefelverbindungen während des vorhergehenden Jahres im geographischen Anwendungsbereich des EMEP, wobei es geeignete Modelle verwendet. In Gebieten ausserhalb des geographischen Anwendungsbereichs des EMEP werden Modelle verwendet, die für die besonderen Verhältnisse geeignet sind.

Artikel 6 Nationale Programme, Politiken und Strategien Die Vertragsparteien stellen im Rahmen des Übereinkommens unverzüglich nationale Programme, Politiken und Strategien auf, die dazu beitragen, die Schwefelemissionen oder ihren grenzüberschreitenden Fluss sobald wie möglich, spätestens jedoch bis 1993, um mindestens 30 Prozent zu verringern, und berichten dem Exekutivorgan darüber sowie über die Fortschritte bei der Verwirklichung dieses Zieles.

Artikel 7 Änderung des Protokolls 1. Jede Vertragspartei kann Änderungen dieses Protokolls vorschlagen.

2. Die vorgeschlagenen Änderungen werden dem Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission für Europa schriftlich unterbreitet; dieser übermittelt sie allen Vertragsparteien. Das Exekutivorgan prüft die vorgeschlagenen Änderungen auf seiner nächsten jährlichen Sitzung, sofern die Vorschläge den Vertragsparteien vom Exekutivsekretär der Wirtschaftskommission für Europa mindestens neunzig Tage vorher mitgeteilt worden sind.

3. Eine Änderung dieses Protokolls bedarf der einvernehmlichen Annahme durch die Vertreter der Vertragsparteien; sie tritt für die Vertragsparteien, die sie angenommen haben, am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, an dem zwei Drittel der Vertragsparteien ihre Urkunde über die Annahme der Äri-

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Grenzüberschreitende Luftverunreinigung derung hinterlegt haben. Die Änderung tritt für jede andere Vertragspartei am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt in Kraft, an dem die betreffende Vertragspartei ihre Urkunde über die Annahme der Änderung hinterlegt.

Artikel 8 Beilegung von Streitigkeiten Entsteht zwischen zwei oder mehr Vertragsparteien eine Streitigkeit über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls, so bemühen sich diese Vertragsparteien um eine Lösung durch Verhandlungen oder durch ein anderes Verfahren der Beilegung, das für die Streitparteien annehmbar ist.

Artikel 9 Unterzeichnung 1. Dieses Protokoll liegt vom S.Juli 1985 bis 12. Juli 1985 in Helsinki (Finnland) für die Mitgliedstaaten der Wirtschaftskommission für Europa, für Staaten, die in der Wirtschaftskommission für Europa nach Absatz 8 der Entschliessung 36 (IV) des Wirtschafts- und Sozialrates vom 28. März 1947 beratenden Status haben, sowie für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die von souveränen Staaten, die Mitglieder der Wirtschaftskommission für Europa sind, gebildet werden und für die Aushandlung, den Abschluss und die Anwendung internationaler Übereinkünfte über Angelegenheiten zuständig sind, die in den Geltungsbereich dieses Protokolls fallen, zur Unterzeichnung auf, vorausgesetzt, dass die betreffenden Staaten und Organisationen Vertragsparteien des Übereinkommens sind.

2. Solche Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration üben in Angelegenheiten, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, in ihrem eigenen Namen die Rechte aus und nehmen die Verantwortlichkeiten wahr, die dieses Protokoll den Mitgliedstaaten dieser Organisationen überträgt. In diesen Fällen sind die Mitgliedstaaten dieser Organisationen nicht berechtigt, solche Rechte einzeln auszuüben.

Artikel 10 Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt 1. Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Unterzeichner.

2. Dieses Protokoll steht vom 13. Juli 1985 an für die in Artikel 9 Absatz l genannten Staaten und Organisationen zum Beitritt offen.

3. Staaten oder Organisationen, die diesem Protokoll nach seinem Inkrafttreten beitreten, wenden Artikel 2 spätestens 1993 an. Erfolgt der Beitritt zum Protokoll nach 1990, so kann die betreffende Vertragspartei den Artikel 2 nach 1993 anwenden,
jedoch nicht später als 1995, und sie wendet Artikel 6 entsprechend an.

· 4. Die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt; dieser erfüllt die Aufgaben des Depositärs.

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Grenzüberschreitende Luftverunreinigung Artikel 11 Inkrafttreten 1. Dieses Protokoll tritt am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt i der Hinterlegung der sechzehnten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft.

2. Für alle in Artikel 9 Absatz l erwähnten Staaten und Organisationen, die nach der Hinterlegung der sechzehnten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde dieses Protokolls ratifizieren, annehmen oder genehmigen oder ihm beitreten, tritt das Protokoll am neunzigsten Tag nach dem Zeitpunkt der Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch die betreffende Vertragspartei in Kraft.

Artikel 12 Kündigung Eine Vertragspartei kann jederzeit nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt, zu dem dieses Protokoll für sie in Kraft getreten ist, durch eine an den Depositar gerichtete schriftliche Notifikation das Protokoll kündigen. Die Kündigung wird am neunzigsten Tag nach dem Eingang der Notifikation beim Depositar wirksam.

Artikel 13 Verbindliche Wortlaute Die Urschrift dieses Protokolls, dessen englischer, französischer und russischer Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.

Geschehen zu Helsinki am 8. Juli 1985 (Es folgen die Unterschriften)

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über das Protokoll vom 8. Juli 1985 zum Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüberschreitende Luftverschmutzung, betreffend die Verringerung von Schwefelemissionen oder ihres grenzüberschreitenden Flusses um mindestens 30 Prozent vom...

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30.09.1986

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