.518 # S T #

Kreisschreiben ,, des

Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Massnahmen gegen neutralitätswidriges Verhalten.

(Vom 26. März 1915.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Q

Die vergangene Woche in Freiburg begangenen Ausschreitungen haben uns in unserer Auffassung bestärkt, dass in weiten Kreisen unserer Bevölkerung eine Stimmung Platz gegriffen hat, die unsere ernste Sorge zu erwecken geeignet ist. Nicht nur kommen die Sympathien und Antipathien in bezug auf die einzelnen kriegführenden Staaten in einer Art und Weise zum Ausdruck, die mit der Stellung und den Pflichten eines neutralen Staates nicht vereinbar ist, sondern es zeigt sich dabei gleichzeitig ein Mangel an nationalem Fühlen und Denken, den wir nur mit tiefem Bedauern feststellen können.

Die Gefahren, welche mit einer einseitig orientierten Denkweise grösserer Teile der Bevölkerung verbunden sind, machen es den Behörden zur Pflicht, mit Nachdruck und Ausdauer gegen die Versuche anzukämpfen, den gesunden Sinn unseres Volkes durch aufreizende und verhetzende Darstellungen in Bild und Wort zu verwirren und auf falsche Bahnen zu locken. Nur eine Minderzahl dieser Elaborate ist auf Schweizerboden gewachsen, die grosse Mehrzahl wird vom Auslande, zumal den im Kriege stehenden Staaten, eingeführt; sie legt Zeugnis ab von der dort herrschenden furchtbaren Erbitterung, dem glühenden Hasse und den aufgepeitschten Leidenschaften jener Völker. Zu einem guten Teile sind es aber auch ganz einfach Produkte der gemeinen Spekulation auf die niedersten Instinkte. Seien sie das eine oder das andere, so ist es eine vergiftende Saat, die durch deren Verbreitung in unserem Lande ausgestreut wird.

Wir müssen mit Bedauern feststellen, dass die kantonalen Regierungen und ihre polizeilichen Organe nicht in allen Teilen des Landes mit der nötigen Ausdauer und Beharrlichkeit gegen dieses Übel aufgetreten sind.

Wir haben durch das Mittel der Organe des Territorialdienstes schon seit geraumer Zeit dagegen anzukämpfen uns

M9 bestrebt, aber die Erfahrung machen müssen, dass ohne die tätige und gewissenhafte Mitwirkung der kantonalen und lokalen Polizeiorgane kein nachhaltiger Erfolg erreicht werden kann. Trotz Verboten und Beschlagnahmen dauert die Überschwemmung mit Broschüren, Flugblättern, Illustrationen, Postkarten usw., teils verhetzenden, teils pornographischen Inhalts, fort, unbehelligt wird diese hässliche Literatur kolportiert, in Kiosks und Buchhandlungen ausgestellt und Reklame damit getrieben.

Das darf nicht länger geduldet werden.

Wir werden unsererseits dieser Frage erneutes Interesse schenken und diejenigen Massnahmen treffen, die eine wirksamere Bekämpfung dieser Übelstände gewährleisten. Aber wir müssen dabei auf eine tatkräftige Mithülfe der kantonalen Regierungen und ihrer Organe zählen.

Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen wir das Verhalten der in der Schweiz befindlichen Ausländer. Wir haben die Tore unseres Landes weit geöffnet und seit Beginn der Kriegswirren mit der grössten Liberalität die ausländische Bevölkerung auch dann bei uns behalten, wenn das eine sehr erhebliche Last für uns bedeutete. Wir möchten nicht im mindesten von dieser Richtlinie abweichen, wohl aber müssen wir verlangen, dass sich die Ausländer dessen bewusst bleiben, dass sie die Gastfreundschaft eines n e u t r a l e n Landes gemessen. Wo sie den sich hieraus für sie ergebenden Pflichten zuwiderhandeln, ist mit rücksichtsloser Strenge einzuschreiten.

Wir zählen auch hierbei auf die verständnisvolle und energische Unterstützung der Kantonsregierungen und der polizeilichen Instanzen.

Wir benützen den Anlass, um Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 26. März 1915.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schnizmann.

BuüdesWatt. 67. Jahrg. Bd. I.

37

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Kreisschreiben des Bundesrates an sämtliche Kantonsregierungen betreffend Massnahmen gegen neutralitätswidriges Verhalten. (Vom 26. März 1915.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1915

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

13

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.03.1915

Date Data Seite

518-519

Page Pagina Ref. No

10 025 687

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.