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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Aenderung der Konzession einer elektrischen Eisenbahn von Wohlen nach Meisterschwanden.

(Vom 20. September 1915.)

Mittelst Eingabe vom 17.August l915 stellt der Verwaltungsrat der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn das Gesuch, es möchten die Artikel 14, 15 und 17 der unterm 6. April 1911 (E. A. S.

XXVII, 78) erteilten Konzession für den Bau und den Betrieb einer elektrischen Eisenbahn von Wohlen nach Meisterschwanden dahin abgeändert werden, dass diese Artikel folgenden Wortlaut erhalten : Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit nur einer Klasse aufstellen.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, dass alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können. Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen zu befördern.

Art. 15. Für die Beförderung von Personen können Taxen bis auf den Betrag von 10 Rappen per Kilometer der Bahnlänge bezogen werden.

Für Hin- und Ruckfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 % niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, · sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zwölften Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen.

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Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrate aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben., Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, zehn Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisegepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Darnach würden sich gegenüber der bestehenden Konzession folgende Änderungen ergeben: Für die Personenbeförderung soll statt der bisherigen zwei Klassen nur e i n e Klasse geführt werden. Die Personentaxe ist auf 10 Rappen für den Kilometer der Bahnlänge angesetzt, während die bisherigen Taxen in der zweiten Wagenklasse 12 und in der dritten Wagenklasse 8 Rappen betragen. Die Taxe für Reisegepäck soll für 100 Kilogramm und für den Kilometer von 8 auf 10 Rappen erhöht werden.

Zur Begründung seines Gesuches führt der Verwaltungsrat der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn folgendes aus : Zu Art. 14 (Führung von nur einer Wagenklasse).

Die Bevölkerung der interessierten Landesgegend empfinde mehr das Bedürfnis der Trennung der Wagenabteile in ,,Raucher" und ,,Nichtraucher", als in 2. und 3. Klasse, wobei in letzterer Raucher und Nichtraucher beisammen sein müssten.

Diejenigen Personen der Landesgegend, welche gewohnheitsgemäss die 2. Wagenklasse benutzen würden, seien sehr wenig zahlreich, und meistens im Besitze von Automobilen.

Die Benützung der 2. Wagenklasse würde dadurch voraussichtlich eine sehr geringe sein, und dadurch wäre eine schlechte Ausnützung des Rollmaterials gegeben, auf Kosten der Mehrzahl der Passagiere, die dabei auf die Annehmlichkeit der Trennung von Rauchern und Nichtrauchern verzichten müsste.

Die Mittel der Bahngesellschaft erlauben für absehbare Zeit eine Erhöhung des Fahrparkes nicht, und bedingen einen äusserst sparsamen Betrieb und möglichst gute Ausnutzung des Rollmaterials. Diesen Gesichtspunkten sei bei Weglassung der zweiten

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Wagenklasse und Führung nur einer Klasse besser Rechnung zu tragen, als wenn der ursprünglichen Konzession gemäss zwei Klassen geführt werden müssten.

Bei nur 9 Kilometer Bahnlänge und der kurzen Fahrzeit von nur ungefähr 30 Minuten sei die Trennung in zwei Wagenklassen kein eigentliches Bedürfnis.

Auf der ebenfalls von Wohlen ausgehenden ,,BremgartenDietikon-Bahn"' empfinde die Bevölkerung den Mangel der zweiten Wagenklasse nicht, weil dafür Abteile für Raucher und Nichtraucher vorhanden seien.

Bei Weglassung der zweiten Wagenklasse sei es der Verwaltung möglich, ohne Mehrkosten die ursprünglich mit 2. 80 in Breite vorgesehenen Personenwagen auf 3. 10 m zu verbreitern und dadurch ihr Rollmaterial demjenigen der S. B. B. mehr anzupassen.

Zu Art. 15 (Festsetzung der Taxe).

Als notwendige Konsequenz der Weglassung einer Wageuklasse sei in Art. 15 die Taxgrundlage neu zu regeln. Da ursprünglich für die zweite Wagenklasse 12, und für die dritte Klasse 8 Rappen als Taxansatz per Kilometer der Bahnlänge vorgesehen waren, erachte es der Verwaltungsrat als angemessen, wenn dieser Ansatz auf 10 Rappen für den Personenkilometer festgesetzt würde. Diese kleine Erhöhung der Grundtaxe sei vollauf berechtigt, weil inzwischen auch die S. B. B. und meisten Nebenbahnen ihre Grundtaxen erhöht hätten.

Zu Art. 17 (Taxerhöhung auf Reisegepäck).

Diese Taxänderung sei ebenfalls aus den zu Art. 15 geäusserten Gründen berechtigt.

In seiner Vernehmlassung vom 31. August 1915 befürwortet der Regierungsrat des Kantons Aargau das Konzessionsänderungsgesuch, indem er im einzelnen folgendes ausführt: Zu Art. 14. Die Führung einer einzigen Wagenklasse entspreche den einfachen Verhältnissen und Bedürfnissen, die boi der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn in Betracht fallen und erlaube eine bessere und zweckmässigere Ausnützung des Wagenmaterials.

Zu Art. 15. Die Erhöhung der Taxe für die Beförderung von Personen von 8 auf 10 Rappen für den Kilometer sei ein Gebot der Vorsicht, da die Bahn Mühe haben werde, den Betrieb rentabel zu gestalten. Die Taxen sollen daher namentlich für den Anfang nicht zu tief gehalten werden. Eine Ermässigung

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sei später eher durchzuführen als eine Erhöhung. Sache der Bahngesellschaft werde es sein, die Taxen innert den durch die Konzession gezogenen Grenzen so festzusetzen, dass die Bahn noch benutzt werde und dass die Zahl der einträglichen Einzelfahrten nicht allzusehr durch die Fahrten mittelst der billigen Abonnements beeinflusst werde.

Zu Art. 17. Gegen die vorgesehene bescheidene Erhöhung ' der Taxe für die Beförderung des Reisegepäcks sei nichts einzuwenden.

Wir halten die vom Verwaltungsrat der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn und vom Regierungsrat des Kantons Aargau zur Befürwortung des Konzessionsänderungsgesuches geltend gemachten Gründe für zutreffend und empfehlen Ihnen den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses, durch welchen dem Gesuche entsprochen werden soll, zur Annahme.

Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 20. September 1915.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Aenderung der Konzession einer elektrischen Eisenbahn von Wohlen nach Meisterschwanden.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe des Verwaltungsrates der Wohlen-Meisterschwanden-Bahn vom 17. August 1915 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 20. September 1915, beschliesst: I. Die durch Bundesbeschluss vom 6. April 1911 (E. A. S.

XXVII, 78) erteilte Konzession einer elektrischen Eisenbahn von Wohlen nach Meisterschwanden wird wie folgt abgeändert: 1. Art. 14, Absatz l, erhält folgende Fassung: ,,Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit nur einer Klasse aufstellen."

2. Art. 14, Absatz 2, fällt dahin.

3. Art. 15, Absatz l, erhält folgende Fassung: ,,Für die Beförderung von Personen kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen für den Kilometer der Bahnlänge bezogen werden."

4. Art. 17, Absatz 2, erhält folgende Fassung: ,,Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 10 Rappen für 100 Kilogramm und für den Kilometer bezogen werden.1' II. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses, der am 15. Oktober 1915 in Kraft tritt, beauftragt.

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Jahrhundertfeier der

Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft in Genf (13. September 1915).

Rede des Herrn Bundespräsidenten Motta.

Hochgeehrte Herren !

Im Augenblick, wo ich die Ehre habe, zu Ihnen zu sprechen und Ihnen zu danken für die freundliche Einladung an die eidgenössischen Behörden, mit Ihnen den ersten hundertjährigen Gedenktag der Gründung Ihrer Gesellschaft zu feiern, tritt eine prächtige Erscheinung mir vor Augen: das 'Bild Genfs, das im Juli 1914 die erste Jahrhundertfeier seines Eintrittes in den Schweizerbund beging.

Freude und Begeisterung Hessen alle Herzen höher schlagen ; die von allen Gegenden unseres Landes herbeigeströmten Eidgenossen fraternisierten mit dem wackern Genfervolk ; der Bundesrat weilte vollzählig in Ihrer Stadt; ein einziges Wort schwebte auf allen Lippen, das Wort Eintracht; eine einzige Leidenschaft entflammte alle Seelen, die leidenschaftliche Liebe zum Vaterland und zu dessen Freiheiten.

Wenige Wochen später entfesselte sich der Kriegssturm über die Erde und raste so nahe an unserem Hause vorbei, dass dieses bis in seine Grundfesten erschüttert zu werden schien.

Wie oft habe ich seither daran gedacht, welch grosses Glück uns beschieden war, dass wir, noch am Vorabend dieser tragischen Ereignisse, in einer so erhebenden Kundgebung die Gefühle gegenseitiger Zuneigung unter den Eidgenossen und die Gedanken gegenseitigen Vertrauens zwischen dem Volk und den Behörden des Bundes neu stärken konnten ! Wie oft habe ich Genf hierfür gepriesen und mit welcher Begeisterung erneuere ich bei diesem Anlass das Zeugnis meiner nie erlöschenden Dankbarkeit!

Die heutige Jahrhundertfeier hat nicht den gleichen Charakter.

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Die Feier von 1914 war von einem hohen politischen Gedanken getragen ; Ihre heutige Jahrhundertfeier ist einem wissenschaftlichen Gedenktag geweiht; jene sprach zum gesamten Volk, diese wendet sich an die geistige Blüte unserer Nation. Auch der Massstab der beiden Gedenkfeiern, selbst wenn der wichtige Unterschied der Zeiten und der Verhältnisse nicht neue Fragen und neue Pflichten aufstellen würde, gestattet einen fruchtbaren Vergleich derselben wohl kaum. Aber ein Zug nähert dennoch beide einander: wie wir es im verflossenen Jahre taten, so bekräftigen wir auch heute unser unerschütterliches Vertrauen in die Geschicke des Schweizerbundes, und wir erklären feierlich, ihm aus allen Kräften zu dienen, jeder auf seinem Gebiete und am Posten seiner Arbeit und Verantwortung.

Wäre der Krieg mit seinem Gefolge von unzähligen Übeln nicht gekommen und hätte nicht Verwirrung und Unordnung in die Bande gebracht, welche die gelehrten Körperschaften der Welt miteinander verknüpfen, so ist es wohl wahrscheinlich, meine Herren, dass Ihre Jahrhundertfeier die Abgeordneten der ändern Völker um Sie geschart und dadurch die verdiente internationale Weihe erhalten hätte. Es sollte nicht sein. Sie haben sich mit einer Feier im kleinen Familienkreise begnügen müssen.

Aber was Ihre Gedenkfeier dadurch an äusserem Glanz verlor, das hat sie an Innigkeit gewonnen. Die Behörden des Schweizerlandes können nun um so ungezwungener die nationalen Gründe aussprechen, die sie haben, um sich mit Ihnen zu freuen und Ihnen eine Zukunft zu wünschen, die ebenso reich an Hoffnungen sein möge, wie die Vergangenheit an Erfolgen reich war.

Ihre Gesellschaft hat seit ihren Anfängen die Annäherung der Gelehrten der verschiedenen Kantone herbeizuführen gestrebt.

Dieses Programm hat sie vollständig verwirklicht. Der schwache Baum, den die treubesorgten Hände eines Heinrich Albert Gosse und eines Samuel Wyttenbach vor hundert Jahren pflanzten, ist gewachsen, hat seine Äste und Blätter entfaltet: heute ist kaum ein Gelehrter, der dieses Namens würdig ist, der nicht in dessen schützenden Schatten ein Obdach gesucht hätte. Die Tatsache, dass ein Genfer und ein Berner, das heisst ein welscher Schweizer und ein deutscher Schweizer, sich die Hand reichten, um dieses Work zu gründen, war von glücklicher Vorbedeutung und setzte gewissermassen
seine zukünftige Entwicklung fest. Die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft wollte von ihrem Anfang an ein Faktor nationaler Einigung sein, und sie ist es in der Folge immer mehr geworden.

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Aber dieses Ziel, so wichtig es an sich selbst auch sein mag, konnte doch für eine wissenschaftliche Gesellschaft nur ein Nebenzweck oder von ändern Zwecken abhängig sein. Ihre ändern Ziele, Ihre wesentlichen Ziele waren: die Liebe zu wissenschaftlichen Forschungen anzustacheln, das Studium der Natur zu entwickeln und dadurch zum moralischen und materiellen Aufschwung des Landes beizutragen.

Die im verflossenen Jahrhundert von den schweizerischen Gelehrten für die verschiedenen Zweige der Naturwissenschaften: Physik, Chemie, Botanik, Zoologie, Geologie, Paläonthologie, gelieferten Beiträge bedeuten für die Schweiz einen der schönsten Ehrentitel vor der Welt. Ich glaube nicht, dass es für einen Schweizerbürger eine Unbescheidenheit sei, dies anzunehmen.

Schon die für die Theorie der Gletscherbildung geleistete Arbeit für sich allein würde hinreichen, um ein Zeitalter und ein Land zu ehren. Die Namen eines Agassiz, De Candolle, Vogt, Forel, Escher, Merian, Studer und so vieler ändern Koryphäen sind mit goldenen Buchstaben im grossen Buche der europäischen Wissenschaft eingetragen. Und diesen berühmten Namen gestatten Sie mir einen ändern Namen beizufügen, den Namen des Luigi Lavizzari, dessen wissenschaftliche Titel freilich weniger glänzend sind, aber den ich doch nach seinen grossen Genossen der romanischen und der alemannischen Schweiz ebenfalls erwähnen möchte ; denn er hat alle seine Kräfte daran gewendet, die natürlichen Schönheiten dieses Fleckchens Erde der Insubrer zu schildern, welches meine Heimat ist. Diese vereinigt auf einer kleinen Oberfläche den ewigen Schnee mit der erntebeladenen Ebene, die dunkeln Tannen mit den süssen Ölbäumen, die ernsten Schatten der nordischen Landschaften mit den leuchtenden Farben der südlichen Gegenden!

Wie wäre man übrigens Schweizer, ohne die Natur zu lieben ?

Der Sinn für das Unendliche und der nie befriedigte Drang nach Vollendung und nach Wahrheit sind es, die dçm Menschen zugleich mit der königlichen Armut -- das Wort stammt von Pascal -- seine wahre Grosse verleihen. Wie könnte man die' Natur lieben, ohne die Wissenschaft zu lieben, welche die uneigennützige Forschung zum Ziele und die geistige Freiheit zur Bedingung hat? Und wie könnten wir die Natur und die Wissenschaft lieben, ohne dadurch mit allen Fasern unseres Herzens mit dem Boden unseres Heimatlandes verknüpft zu werden ?

Das Vaterland ist wahrlich nicht nur der Boden, auf dem ein Volk lebt; es-ist mehr als das; es setzt sich aus dem Erbe

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der Vergangenheit und den Hoffnungen auf die Zukunft zusammen ; es ist gebildet aus der Heiligkeit der Sitten und aus dem Geist der bestehenden Einrichtungen ; es ist die physische und moralische Überlieferung, welche die Toten mit den Lebenden verbindet und die Lebenden mit denen, welche von ihnen werden geboren werden ; aber der heimische Boden bleibt immerhin ein wesentlicher Bestandteil des Vaterlandes. Und wenn dieser Boden für sich allein eine kleine Welt darstellt, wenn er seinen Kindern die erhebendsten und malerischsten Schauspiele bietet, zugleich die Anmut mit der Erhabenheit, o, dann ist dies ein geheiligter Boden. Er wird dio Quelle der heilsamsten Gedanken und der reinsten Regungen der Seele. Er erklärt gewissermassen unsere Geschichte, und warum die Schweiz nur eine Demokratie sein kann, das heisst eine Volksregierung, die nach immer mehr Freiheit, mehr Gerechtigkeit und mehr Brüderlichkeit strebt; um ihn zu verteidigen, diesen heimischen Boden, würde jeder von uns in den Tagen der Gefahr, wenn es nötig wäre, bereit sein, sein Blut und sein Leben zu opfern.

Nein, niemals werden wir bei uns Rassenkämpfe einziehen lassen. Die jetzige Zeit, ob sie auch in allen kriegführenden Ländern Beweise von Aufopferung und von Hingebung hervorgebracht hat, die uns Rufe der Bewunderung und des Mitleids eutreissen, zeigt trotzdem, wie viel Trübes, Betrübendes und fast Unmenschliches in diesen Kämpfen und in diesem Widerstreit ist. Die Schweiz wird für immer die brüderliche Republik bleiben.

Niemand hat bei uns je verlangt, dass die Unterschiede der Rasse, der Sprache und der Erziehung verschwinden sollen. Das Ideal eines Staates wie der unsrige ist nicht die Einförmigkeit; wir alle wissen, dass unser Staat einen wesentlichen Teil seiner Kraft und seines Wertes verlieren würde, wenn er nicht an die Verschiedenartigkeit der Bestrebungen, der Sprachen und der Erziehungsmethoden appellieren würde ; wer aber sagt : Verschiedenartigkeit, der sagt: Wetteifer, und nicht: Gegensatz. Jede der Rassen, die zur Bildung der Schweiz "mithelfen, hat als oberste Pflicht, das zum gemeinsamen Besitzstand beizutragen, was sie als Bestes und Charakteristischstes in sich trägt, aber alle Rassen haben ihre Tugenden und ihre Schwächen, und keiner ist durch ein Gebot der Natur die Herrschaft über die Erde zugefallen.
Die Lateiner und die Germanen einander gegenüberstellen, um aus ihnen unversöhnliche Feinde zu machen, ist nicht nur ein unseliges Werk, das dem moralischen und politischen Wesen

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des Landes zuwider ist, sondern es bedroht überdies Christentum und menschliche Kultur.

Dies sind, meine verehrten Herren, ohne Zweifel gewiss auch Ihre Gedanken und Ihre Gefühle. Auch erfülle ich nur eine patriotische Pflicht meines Amtes, wenn ich Sie zu Ihren Arbeiten beglückwünsche, wenn ich Ihnen den Dank ausspreche für die fruchtbare Mitarbeit, welche Sie zu allen Zeiten für die Werke des allgemeinen Wohls geleistet haben, wenn ich Sie der moralischen und materiellen Unterstützung der Behörden des Bundes versichere, wenn ich die aufrichtigsten Glückwünsche für das völlige Gelingen Ihrer Jahrhundertfeier darbringe, und wenn ich zum Schlüsse alle unsere Wünsche in den einfachen, aber herzlichen Ruf zusammenfasse : es lebe die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft ! Sie lebe und blühe immerdar, denn sie hat sich um die Wissenschaft und um das Vaterland verdient gemacht!

Wir stehen hier, wie Herr Professor Claparède es bei dem Empfang von gestern Abend in Erinnerung rief, auf dem Boden, wo das Herz mehr noch als das Genie eines Heinrich Dunant das menschliche und christliche Werk des Roten Kreuzes entstehen liess. Dieses Werk zeigt seine Existenzberechtigung in der jetzigen Zeit auf glänzendste Weise. Es hat die Segenswünsche von Millionen von Müttern und Gattinnen mit zerrissenem Herzen auf unser Land herabgerufen; es hat der wachsamen Neutralität der Schweiz diesen Charakter des Mitleids und menschlicher Zärtlichkeit gegeben, den sie brauchte. Welch passenderen Wunsch könnte ich für die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft aussprechen, als den, dass wir ihr wünschen, sie möchte, im zweiten Jahrhundert ihres Bestehens, das -wissenschaftliche Rote Kreuz werden, welches die klaffendsten Wunden und die tötlichsten Verletzungen heilt, diejenigen, welche die Seelen martern und die Geister trennen !

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Aenderung der Konzession einer elektrischen Eisenbahn von Wohlen nach Meisterschwanden. (Vom 20.

September 1915.)

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22.09.1915

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