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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für die Korrektion des Cassarate bei Lugano vom Ponte di Valle bis zum See.

(Vom 16. Februar 1897.)

Tit.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 1896 hat die Staatskanzlei des Kantons Tessin dem eidgenössischen Departement des Innern den Regierungsratsbeschluß über die Genehmigung und sofortige Ausführung eines Korrektionsprojektes des Wildbaches Cassarate bei Lugano in der Absicht zugestellt, daß die sofortige Inangriffnahme der Arbeiten von uns ohne Präjudiz für spätere Subventionierung der Korrektion gestattet werde.

Nach erfolgtem Berichte unseres Oberbauinspektorates, welches in dieser Sache vollständig orientiert war, auch schon die erforderliche Lokalbesichtigung vorgenommen hatte und das Gesuch der tessinischen Behörden warm unterstützte, haben wir unterm 24. Dezember 1896 dem Staatsrat des Kantons Tessin mitgeteilt, daß in der sofortigen Inangriffnahme der Korrektionsarbeiten am Wildbach Cassarate bei Lugano kein Grund erblickt werden wolle, dieselben von einem eventuellen Bundesbeitrage auszuschließen, vorausgesetzt, daß die Bauten solid und in der Weise ausgeführt werden, daß sie als Bestandteile einer rationellen Korrektion des Baches angesehen werden können.

Gleich nach dem ersten Schreiben und mit demselben Datum wie dasselbe hat dann das Baudepartement des Kantons Tessin unserem Departement des Innern das vom Kantonsingenieur aus-

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gearbeitete Korrektionsprojekt eingesandt und gestützt auf den Beschluß des Regierungsrates vom 19. Dezember den Wunsch ausgesprochen, die Ausführung der Arbeiten in zwei Perioden vornehmen zu können.

Die erste Periode würde folgende Arbeiten umfassen: a. Ausräumung des Bachbettes von der Brücke della Madonnetta hinunter bis zum See.

b. Erstellung des Querabschlusses beim See.

c. Abbruch und Wiederaufbau der beiden Ufermauern unterhalb der eisernen Brücke (Ponte di Cassai-ale).

d. Abbruch und Wiederaufbau der Straßenbrücke della Madonnetta.

e. Aushub des Ableitungskanales von genannter Brücke bis zur Mündung des Cassone und teilweise Korrektion der Ufer.

f. Ausräumung des Mittelprofils zwischen der Einmündung des Cassone und dem Ponte di Valle, um durch Entfernung der groben Geschiebe die Ausbildung einer Rinne zu bewirken.

Die Kosten dieser ersten Bauperiode sind zu Fr. 85,000 veranschlagt.

In die z w e i t e Periode würden dann folgende Arbeiten fallen: a. Definitive Korrektion der beiden Ufer des Cassarate vom Ponte di Cassarate bis zum See.

6. Erstellung zweier Sohl versieherungen mit Bezug auf die Brücken von Madonnetta und Cassarate.

c. Ausbau der Korrektion zwischen beiden Brücken und Ergänzung der Korrektion bis zum obern Endpunkt derselben.

d. Ergänzungsarbeiten im allgemeinen, Expropriationen, Unvorhergesehenes etc.

Die Gesamtkosten betragen laut Kosten Voranschlag Fr. 200,000.

Die kantonale Baudirektion ersucht uns nun, gestützt auf das eidgenössische Wasserbaupolizeigesetz und der Voliziehvjngsverordnung zu demselben und mit Bezug auf das zu bildende Konsortium zu folgendem : " : 1. Genehmigung des beigelegten Projektes.

2. Überweisung an die kompetenten Behörden mit Beantragung eines Bundesbeitrages von 50 °/o der wirklichen Kosten.

3. Erteilung der Erlaubnis an die Regierung von Tessin die vorgesehenen Arbeiten in 2 Bauperioden, nach obigem Vorschlage auszuführen, und

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4. die Inangriffnahme der Arbeiten mit möglichster Beschleunigung vorzunehmen, um die anliegenden Liegenschaften und besonders die Stadt Lugano gegen die durch den großen Schneefall im Einzugsgebiete des Cassarate vermehrte Gefahr zu schützen.

Zu diesen Gesuchen haben wir folgendes zu bemerken: Der Cassarate enspringt im obersten Teile des Val Colla, einem Thalkessel, welcher vom Monte Cavai Drossa, 1620 m. über Meer, Monte Garzirola, 2638 m. über Meer, und Pairolo, 1705 m. über Meer, umgeben ist, vereinigt sich unterhalb Tesserete mit dem vom Val Capriasco herkommenden Wasserlaufe, fließt bei den Ortschaften Canobbio-Davesco vorbei, nimmt unterhalb Pregassona den Wildbach Cassone auf und mündet östlich von Lugano in den gleichnamigen See.

Das Einzugsgebiet des Cassarate bei der Brücke von Canobbio beträgt 65,2- km 2 , bei Lugano cirka 80 km 2 , die Flußlänge cirka 17 km.

Nimmt man nun eine Regenmenge von 250 mm. in 24 Stunden an, so erhält man 2,89 m 3 in der Sekunde und pro km 2 oder bei 70°/o Abfluß rund 2 m 3 pro km 2 und Sekunde; also für 80 km 2 im Maximura 160 m3. Diese Abflußmenge wurde nun bei der Berechnung des Normalprofiles zu Grunde gelegt, und benötigt man, bei einer Sohlbreite von 13 m. und einem Gefalle von 6 °/oo, eine Wassertiefe von 2,5 m.

Bei dem durch das tessinische Bauinspektorat aufgestellten Projekte hatte man ein Gefalle von 7 °/oo angenommen, ausgehend von der Cote 274,35 m. über Meer oder l m. über dem niedrigsten Seestande. Das eidgenössische Oberbauinspektorat fand aber, daß es gewagt sei, von einem so niedrigen Wasserstande auszugehen, indem bei gewöhnlichen Hoehwassern schon ein starkes Zurllckstauen des Sees eintreten müßte, was ein Überschottern der Flußsohle bewirken könnte. Es wurde daher, von einem gewöhnlichen Hoch wasserstand am See, nämlich 27ö,4o m. über Meer, ausgehend, das Gefalle zu 6 °/oo angenommen und hernach die Profile bestimmt.

Da aber eine sichere Vorausbestimmung des Gefälles bei so veränderlichen Verhältnissen, wie sie gegenwärtig am Cassavate bestehen, sehr schwer ist, so kann zugegeben werden, daß bei Ansetzung der Fundamenttiefe zwischen See und der Brücke von Madonnetta von einem tiefern Ausgangspunkt das erstere Gefalle berücksichtigt werde.

Da die Geschiebsführung am Cassarate, besonders gegenwärtig, eine sehr bedeutende ist, so bleibt noch immer die Gefahr bestehen, daß trotz regelmäßiger Einwuhrung und Vergrößerung der Brücken-

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durehflußprofile neuerdings wieder Sohlerhöhungen und damit weitere Überflutungen stattfinden könnten; daher ist es von der größten Wichtigkeit, dei1 Verbauung der gefährlichsten Zuflüsse des Cassarate die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Zwar werden nun schon seit mehr als 12 Jahren im Val Colla ausgedehnte Aufforstungen und Verbauungeu vorgenommen und sind bisher auch schon sehr schöne Erfolge erzielt worden. Bei Cortieiasca und am Wildbach Cassone sind auch bereits Verbauungsarbeiten subventioniert worden, aber an ersterm Orte ist die Ausführung bisher noch nicht an Hand genommen worden und am Cassone bedürfen die Bauten noch bedeutender Ergänzung und Vervollständigung. Mit den Aufforstungen im obern Gebiete dieses Wild bâches wurde im Jahre 1895 begonnen.

Endlich sollten auch am Cassarate selbst die größten Uferabbrüche verbaut und die bedeutendsten Geschiebsablagerungen festgelegt werden, so namentlich von unterhalb Curtina bis Colla im obersten Laufe dieses Flusses und bei Canobbio-Davesco im mittlern Laufe desselben.

Es erseheint daher durchaus notwendig, daß gleichzeitig mit der Korrektion des Cassarate bei Lugano auch die erwähnten Vorkehren zur Verminderung der Geschiebsführung getroffen werden, indem ohne dieselben der Hauptzweck dieser großen Ausgaben, nämlich die Sicherstellung Luganos vor ähnlichen Vorkommnissen, wie diejenigen des Jahres 1896, nicht erreicht werden kann, und es Pflicht der tessiniachen Behörden ist, dafür besorgt zu sein, daß in thunlieher Bälde die Inangriffnahme dieser Bauten gesichert werde. Indem nun erhaltener Auskunftserteilung gemäß die Regierung und der Große Rat diese Thatsache anerkennen und die Verbesserung der Verhältnisse am Cassarate in drei verschiedenen Perioden vorzunehmen gedenken, nämlich: 1. die dringendsten Arbeiten am untern Laufe des Cassarate, 2. die Verbauung des obern Laufes dieses Flusses und der in denselben einmündenden Wildbäche, 3. die Tieferlegung der Hochwasserstände des Luganersees, kann die berechtigte Erwartung ausgesprochen werden, daß die Abflußverhältnisse des Cassarate einer gründlichen Regulierung entgegengehen werden.

In ihrem Schreiben vom 19. Dezember 1896 teilt die Baudirektion des Kantons Tessin das Bauprogramm mit, nach welchem die Korrektion des Cassarate durchzuführen wäre. Es sollen die Arbeiten im untern Laufe
in zwei Jahren erstellt werden, und zwar im ersten Jahre die allgemeinen Sicherungsarbeiten, Öffnen eines Rinnsales im Alluvion des letzten Hochwassers, Vergrößerung ßundesblatt. 49. Jahrg. Bd. I.

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der Durchflußprofile bei den Brücken etc., im zweiten dann die Durchführung einer regelmäßigen Einwuhrung von der Brücke von Madonnetta bis zum See.

Dieses Programm, welches den augenblicklichen Bedürfnissen vollkommen entspricht, kann unter der Voraussetzung genehmigt werden, daß bei besondern Vorkommnissen eine zweckentsprechende Modifikation desselben einzutreten habe.

Das tessinische Baudepartement spricht den Wunsch aus, daß das Subventionsgesuch an die kompetenten Behörden mit Beantragung eines Bundesbeitrages von 50 °/o der wirklichen Kosten überwiesen werden möchte.

Was nun das Beitragsverhältnis von 50 °/o anbelangt, so finden wir, daß die ausnahmsweisen Bedingungen, wie das Wasserbaupolizeigesetz sie vorschreibt, hier denn doch nicht vorhanden seien, indem in diesem Falle nicht davon gesprochen werden kann, daß nach Abzug der Bundes- und kantonalen Subvention die finanziellen Kräfte der Interessenten (die Gemeinden Lugano, Castagnola, Viganello, Forza, Pregassona und Canobbio) nicht hinreichen, um die durchaus notwendigen Bauten durchzuführen. Wir erachten daher die Ansetzung des Beitrages auf 40 °/o als den Verhältnissen vollkommen angemessen.

Ein anderes ist es bei einer eventuellen Subventionierung der oben erwähnten Verbauungsarbeiten am Cassarate und den Wildbächen. Dort ist der gesetzlich zulässige Maximalansatz von 50 °/o am Platze, indem die direkt Beteiligten meistens ganz unvermögend sind und der Hauptvorteil den unterhalb befindlichen Interessenten zukömmt.

Somit erlauben wir uns, den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses den h. eidgenössischen Räten zu unterbreiten und zur Genehmigung zu empfehlen, und benutzen diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 16. Februar 1897.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der V i z e p r ä s i d e n t :

Buffy.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bnndesbeschluß betreffend

Bewilligung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für die Korrektion des Cassarate bei Lugano vom Ponte di Valle bis zum See.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht zweier Gesuche der Regierung von Tessin vom 19. Dezember 1896, einer Botschaft des Bundesrates vom 16. Februar 1897 ; auf Grund des Bundesgesetzes betreffend die Wasserbaupolizei im Hochgebirge vom 22. Juni 1877, besch ließt: Art. 1. Dem Kanton Tessin wird für die Korrektion des Cassarate vom Ponte di Valle bis zum Luganersee ein Bundesbeitrag bewilligt von Fr. 80,000, also im Maximum 40 °/o der Voranschlagssumme von Fr. 200,000.

Art. 2. Die Ausführung der Arbeiten hat innerhalb 3 Jahren vom Inkrafttreten der Beitragszusicherung an gerechnet, stattzufinden.

Art. 3. Das Ausführungsprojekt und der definitive Kostenvoranschlag bedürfen der Genehmigung des Bundesrates.

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Art. 4. Die Ausbezahlung dieser Subvention erfolgt im Verhältnis des Fortschreitens der Arbeiten, gemäß von der Kantonsregierung eingesandten und vom eidgenössischen Departement des Innern verifizierten Kostenausweise; das jährliche Maximum beträgt Fr. 30,000 und die Auszahlung desselben findet erstmals im Jahre 1898 statt.

Bei Berechnung des Bundesbeitrages werden berücksichtigt die eigentlichen Baukosten, einschließlich Expropriationen, und die unmittelbare Bauaufsicht, dann die Kosten der Anfertigung des Ausführungsprojektes und des speciellen Kostenvoranschlages, sowie die Aufnahmen des Perimeters, dagegen sind hier nicht in Anschlag zu bringen irgend welche andere Präliminarien, die Funktionen von Behörden, Kommissionen und Beamtungen (von den Kantonen laut Art. 7 a des Wasserbaupolizeigesetzes zu bestellende Organe), auch nicht Geldbeschaffung und Verzinsung.

Art. 5. Dem eidgenössischen Departement des Innern sind jährliche Bauprogramme zur Genehmigung einzureichen.

Art. 6. Der Bundesrat läßt die planmäßige Bauausführung und die Richtigkeit der Arbeits- und Kostenausweise kontrollieren. Die Kantonsregierung wird zu obigem Zwecke dem Beauftragten des Bundesrates die nötige Auskunft und Hülfeleistung zukommen lassen.

Art. 7. Der Regierung des Kantons Tessin wird dringend empfohlen im obern Laufe des Cassarate und in den Zuflüssen desselben bei Corticiasca, am Cassone etc. successive diejenigen Arbeiten ausführen zu lassen, welche zur Verminderung der Geschiebsführung an genanntem Fluß notwendig sind. Für diese Arbeiten wird eine angemessene Subvention in Aussicht gestellt.

Art. 8. Die Zusicherung des Bundesbeitrages tritt erst in Kraft, nachdem von selten des Kantons Tessin die Ausführung dieser Korrektion unter den Bestimmungen dieses Beschlusses gesichert sein wird.

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Für die Vorlegung dei1 bezüglichen Ausweise wird der Regierung eine Frist von einem Jahr, vom Datum dieses Beschlusses an gerechnet, gesetzt.

Der Bundesbeitrag fällt dahin, wenn der geforderte Ausweis nicht rechtzeitig geleistet wird.

Art. 9. Der Unterhalt der subventionierten Arbeiten ist gemäß dem eidgenössischen Wasserbaupolizeigesetze vom Kanton Tessin zu besorgen und vom Bundesrate zu überwachen.

Art. 10. Dieser Beschluß tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

Art. 11. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung des selben beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Tessin für die Korrektion des Cassarate bei Lugano vom Ponte di Valle bis zum See. (Vom 16. Februar 1897.)

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17.02.1897

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