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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Einschränkung der Portofreiheit.

(Vom 20. August 1915.)

Durch dringlichen Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1914 (A. S. n. F., XXX, 672) haben Sie einzelnen von uns beantragten Erhöhungen von Posttaxen zugestimmt.

In unserer Botschaft betreffend Massnahmen. zur sofortigen Vermehrung der Einnahmen des Bundes vom 30. November 1914 (Bundesbl. 1914, IV, 605), mit welcher wir die vorerwähnten Erhöhungen in Vorschlag brachten, sprachen wir es bereits aus, dass diesen Anträgen nur der Charakter einer Notmassnahme zukomme und dass einer weiteren Untersuchung vorbehalten bleiben soll, ob nicht eine durchgreifende Revision des Postgesetzes anzubahnen sei, um namentlich auch die Post von der für sie immer unerträglicher werdenden Last der Portofreiheit zu befreien.

Sodann wurde im Nationalrat in seiner letzten Dezembersitzung ein Postulat nachstehenden Inhalts eingebracht: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, beförderlieh zu prüfen und zu berichten, in welcher Weise durch eine Revision der Art. 56 bis 60 des Bundesgesetzes betreffend das Schweiz. Postwesen vom 5. April 1910 die Abschaffung der Portofreiheit herbeigeführt werden könne."

Dieses Postulat wurde in der Sitzung des Nationalrates vom 9. Juni 1915 behandelt und auf die Erklärung des Vorstehers unseres Postdepartementes hin, dass dem Bundesrate bereits eine Vorlage im Sinne des Postulates unterbreitet sei, zurückgezogen.

Die Behandlung des Geschäftes im Schosse des Bundesrates musste dringender anderer Geschäfte halber verschoben werden.

Heute sind wir in der Lage, Ihnen nachstehende Botschaft vorzulegen.

Die Taxerhöhungen, die die Bundesversammlung bereits in ihrer Dezembersitzung vom verflossenen Jahr bewilligt hat, werden voraussichtlich genügen, um bei Eintritt normaler Ver-

132 kehrsverhältnisse das gefährdete finanzielle Gleichgewicht der Postverwaltung wieder herzustellen ; sie werden dagegen nicht ausreichen, um dieser Verwaltung zu ermöglichen, dem Bunde im Sinne von Art. 42, lit. c, der Bundesverfassung zur Bestreitung der Ausgaben regolmässig nennenswerte Erträgnisse abzuliefern, auf die wir bei der jetzigen allgemeinen Finanzlage des Bundes jedoch unbedingt sollten zählen können. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass alle Massnahmen, die möglich schienen, um durch Einschränkung der Personenpost- und Bahnpostkurse, des Kastenleerungs- und Bestelldienstes, durch Verschiebung in der Besetzung erledigter Stellen, ferner durch Ausdehnung der Arbeitszeit, Einschränkung der Ruhetage usw. die Ausgaben zu vermindern, in einem Umfange getroffen worden sind, den man bei Wiedereintritt eines einigermassen normalen Verkehrs nur zum Teil wird aufrecht erhalten können.

Eingehend wurde auch die Frage geprüft, ob nicht in deiOr g a n i s a t i o n der Postverwaltung nennenswerte Ersparnisse erzielt werden könnten. Die Frage ist zu verneinen. Im Vergleich zu dem Umfang und der Bedeutung der Geschäfte ist die Z e n t r a l p o s t v e r w a l t u n g auf einem möglichst einfachen· und wenig kostspieligen Fusse aufgebaut. An der Spitze der Zentral?

Verwaltung steht nur ein Direktor; die vier Abteilungen mit ihren Sektionen haben sich durch die im Interesse einer prompten und sachgemässen Behandlung der vorliegenden Geschäfte im Lauf der Jahre mit der Zunahme der Arbeit notwendige Ausdehnung von selbst ergeben. Die Zahl der im Jahr 1914 von der Zentralpostverwaltung behandelten, registrierten Geschäfte beträgt 282,671, wobei die sehr grosse Zahl der nicht registrierten Geschäfte (Statistik, Voranschläge, Rechnungen usw.) nicht inbegriffen ist.

Wenn behauptet wird, die K r e i s p o s t v e r w a 11 u n g sei zu kostspielig und die Zahl der 11 Kreispostdirektionen sei zu gross, wobei durch deren Einschränkung eine namhafte Ersparnis erzielt werden könnte, so ist dem entgegenzuhalten, dass alle Kreispostdirektionen in ihrem Wirkungskreis reichlich mit Arbeit bedacht sind. Diesen ist auch die unmittelbare Aufsicht über die Poststellen zugewiesen, deren Zahl auf Ende 1914 4095 betragen hat. Die bestehende Dezentralisation hat den Vorteil, dass die laufenden Geschäfte
mit dem Publikum rascher abgewickelt werden können, als wenn sie von einer entferntem Amtsstelle aus erledigt werden müssten. Eine Einschränkung in der Zahl der Kreispostdirektionen würde übrigens notgedrungen

133 einer Vermehrung des Personals in den übrig bleibenden Kreispostdirektionen und einer entsprechenden Vergrösserung der Diensträume rufen. Im weitern müsste, da den Kreispostdirektionen die unmittelbare Aufsicht über die Postbureaux am Ort ihres Amtssitzes obliegt, in den Orten, wo eine solche Direktion aufgehoben würde, eine andere Organisation platzgreifen ; wobei insbesondere die Schaffung einer neuen gradierten Stelle zur Leitung des gesamten Postdienstes in der betreffenden Stadt nicht zu vermeiden wäre. Es kann unter diesen Umständen mit Sicherheit vorausgesagt werden, dass durch eine Massnahme wie die vorerwähnte eine nennenswerte Ersparnis nicht zu erzielen wäre. Die jetzige, seit dem Jahr 1849 unverändert gebliebene Postkreiseinteilung ist übrigens das Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung aus der Zeit der kantonalen Posteinrichtungen. Diejenigen Kantonshauptstädte, die vor dem Jahr 1849 ein selbständiges kantonales Postwesen besassen, erhielten anlässlich der Übernahme des Postwesens durch den Bund auch den Sitz einer Kreispostdirektion.

Würde man irgend einen solchen Sitz aufheben, so würden ernste Einwendungen seitens der betreffenden Kantonsbehörden sicherlich nicht ausbleiben.

Wenn Reinerträgnisse in genügendem Umfang sichergestellt werden sollen, so bleibt somit nur die Wahl, entweder weitere Taxerhöhungen vorzunehmen oder aber Mittel und Wege zu suchen, um die Postverwaltuag von den unabträglichen Betrieben und den nicht dem Postbetrieb als solchem entspringenden finanziellen Verpflichtungen soweit als möglich zu entlasten.

Durch die eingangs erwähnten Taxerhöhungen werden breite Schichten der Bevölkerung bereits zur Mithülfe bei den Bestrebungen, den Postbetrieb abträglicher zu gestalten, herangezogen.

Bevor man diese Kreise einseitig noch mehr belastet, erscheint es als angezeigt, ernstlich zu prüfen, ob das zu erstrebende Ziel nicht auf dem als zweite Möglichkeit angegebenen Weg erreicht werden kann. Erst nachdem dies geschehen sein, und man den Postbetrieb soweit tunlich von den unentgeltlichen Leistungen, die seine Abträglichkeit beeinträchtigen, befreit haben wird, wird man zu den vielleicht unvermeidlichen weiteren Taxerhöhungen schreiten und dem Publikum zumuten können, zur finanziellen Sicherung des Bundes weitere Opfer auf sich zu nehmen.

Verluste bringen der Postverwaltung vornehmlich : die Personenpost, die Zeitungen, die Nebenbahnen, durch die einer Subvention gleichkommenden Entschädigungen auf Grund von

134 Art. 4 des Nebenbahnengesetzes vom 21. Dezember 1899 (A. S.

n. F. XVIÏÏ, 42), und die Portofreiheit.

Der P e r s o n e n p o s t b e t r i e b , d. h. die Beförderung von Personen und Sachen mittelst der Pferdeposten, bildete ursprünglich das wesentlichste Tätigkeitsfeld der Post. Wenn sich auch durch den Bau der Eisenbahnen die Verhältnisse geändert haben und die Personenposten immer mehr auf die abgelegenen, wenig einträglichen Nebenrouten zurückgedrängt wurden, so wird die Postverwaltung als Staatsinstitut doch ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe treu bleiben, und auch in Zukunft den Bewohnern der Gegenden, die abseits der Eisenbahnen liegen, durch ihre Postkurse eine regelmässige und billige Verbindung mit der Aussenwelt zur Verfügung stellen müssen. Dabei darf nicht ausser acht gelassen werden, dass bei einer allfälligen Einstellung der Personenposten, ganz abgesehen von der hierdurch entstehend envol kswirtschaftlichen Schädigung, der Postverwaltung kein sehr grosser Gewinn erwachsen würde, indem sie zur Beförderung der Postsendungen aller Art an Stelle der Personenfuhrwerke Gepäckfuhrwerke liefern müsste, deren Kosten nicht sehr viel geringer wären, denen jedoch keinerlei Einnahmen an Personentaxen gegenüberstehen würden. Letztere betrugen im Jahr 1913 Franken 2,049,513. 45, im Jahr 1914 Fr. 1,353,013. 77. Übrigens behalten wir uns vor, durch Erhöhung der Grundtaxen im Rahmen der durch Art. 20 des Postgesetzes (A. S. n. F. XXVI, 1015) festgelegten Höchstansätze den Verlust aus der Reisendenbeförderung zu verringern.

Was die Z e i t u n g e n anbetrifft, so wird hier auf weitere Erörterungen zu verzichten sein, nachdem wir, der Stimmung in den eidgenössischen Räten Rechnung tragend, kürzlich einen Antrag auf Erhöhung der Zeitungstransporttaxe zurückgezogen haben, im übrigen aber die Frage der Unterstellung der Zeitungen unter das Postregal zurzeit bei den eidgenössischen Räten in Behandlung steht.

Die Extraentschädigungen der Postverwaltung an die N e b e n b a h n e n auf Grund des weiter oben angeführten Artikels 4 des Nebenbahnengesetzes, die einer Subvention gleichkommen, betrugen im Jahr 1914 rund Fr. 821,000. Es wird ernstlich geprüft, werden müssen, ob nicht auch hier Wandel zu schaffen sei.

Allein diese Prüfung dürfte angesichts der jetzt auch bei den Nebenbahnen allgemein
ungünstigen finanziellen Lage noch einige Zeit hinausgeschoben werden. Inzwischen wird die Pogtverwaltung dank der von Ihnen, hauptsächlich für schwere Pakete, bewilligten Taxerhöhung, auch bei den mit den Nebenbahnen zu befördernden

135 Paketen, mit Ausnahme einiger Strecken auf den Gebirgsbahnen,, ihre Selbstkosten annähernd zu decken vermögen.

Es bleibt demnach als Mittel zur wesentlichen Besserung der Posterträgnisse die Einschränkung der P o r t o f r e i h e i t .

Neben der Zeitungstaxe hat keine andere Frage der Postgesetzgebung die eidgenössischen Räte so häufig beschäftigt, wie gerade diese. Der Bundesrat hat bei jedem Anlass mit Nachdruck auf die Aufhebung oder wesentliche Einschränkung der Portofreiheit hingearbeitet und seinen Standpunkt in verschiedenen Berichten, besonders einlässlich und erschöpfend in der Botschaft zum Entwurf eines einheitlichen Bundesgesetzes betreffend das schweizerische Postwesen vom 25. Februar 1907 (Bundesbl. 1907, I, 697), begründet. Diese unsere Anstrengungen sind bis jetzt ohne nennenswerten Erfolg geblieben. Nach unserer Überzeugung kann jedoch die Verwirklichung dieser Bestrebungen namentlich auch angesichts der besondern Zeitlage . nicht länger hinausgeschoben werden. Das veraltete, dem nach Gleichberechtigung strebenden Volksempfinden widersprechende Privilegium sollte nun einmal verschwinden.

Wir geben uns somit gerne der Hoffnung hin, es werden auch in der Frage der Portofreiheit die Sonderinteressen vor denjenigen der Allgemeinheit zurücktreten.

"Wir wollen hier nicht wiederholen, was alles in den verschiedenen Botschaften zugunsten der Einschränkung der Portofreiheit gesagt wurde. Die Gründe sind in der erwähnten Botschaft zum Entwurf eines neuen Postgesetzes aufgezählt und, wie wir bereits erwähnten, erschöpfend behandelt.

Es dürfte deshalb genügen, wenn wir, ohne weiter zurückzugreifen, daran erinnern, dass auch der Entwurf des Bundesrates zum Postgesetz vom 5. April 1910 (Bundesbl. 1907,1, 697) eine Beschränkung der Portofreiheit auf das im aktiven Dienst stehende Militär, auf den Dienstverkehr der Post- und der Telegraphenverwaltung und auf Liebesgabensendungen vorsah. Im endgültigen Text des Gesetzes (A. S. -n. F. XXVI, 1015) ist von diesen Einschränkungen wenig mehr übrig geblieben. In der Hauptsache hat sich der Gesetzgeber darauf beschränkt, die Portofreiheit für Sendungen von Privaten an Behörden und Amtsstellen aufzuheben. In . der Ausführung war man jedoch genötigt, auch diesen Grundsatz durch zahlreiche Ausnahmen stark zu durchlöchern. Dadurch entstanden mancherlei an und für sich weitläufige Vollziehungsvorschriften, die ihrerseits wieder die Möglichkeit von verschiedenen Auslegungen und Erweiterungen er-

136 öffneten. Wir stehen heute vor der Tatsache, dass die im erwähnten Gesetz vorgenommene Neuordnung der Materie weder «ine Erleichterung in der Anwendung der Bestimmungen über die Portofreiheit gebracht, noch auf die Dauer vermocht hat, die Zahl der portofreien Sendungen zu beschränken. Die letztere ist von 18,770,000 Stück im Jahr vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes (1910) auf 19,284,000 im Jahr 1913 und im Jahre 1914 sogar auf 59,883,000 angewachsen, also um 41,113,000 Stück gestiegen, wobei die mit Postfreimarken versehenen Sendungen allerdings Inbegriffen sind. Auch sind die Vorschriften ·infolge der nötig gewordenen Auslegungen und besondern Verfügungen wieder so schwierig, dass ein Grossteil des Postpersonals nicht mehr in der Lage, ist, deren genaue Innehaltung zu überwachen.

Wir wollen hier nur einige Beispiele anführen, um den Nachweis von der Schwierigkeit in der Anwendung der bestehenden Vorschriften zu liefern. Für die ^Kommissionen" hesteheu nicht nur verschiedene Vorschriften, je nachdem es sich um eine Kommission der Bundesversammlung oder um eine andere amtliche Kommission handelt, sondern der Umfang der Portofreibeit ist auch ein anderer, wenn der Vorstand der Kommission und wenn einzelne Mitglieder korrespondieren. Bei dea Kommissionen der Bundesversammlung gemessen die Präsidien, auch fern vom Sitzungsort, Portofreiheit für sämtliche ia Amtssachen ausgehenden Briefpostsendungen, die Mitglieder dagegen nur für den amtlichen Aktenwechsel unter sich und mit den Bundesbehörden, ferner für die ein- und ausgehenden Briefpostsendungen, letzteres aber nur während der Dauer der Sitzungen am Sitzungsort. Bei den übrigen amtlichen Kommissionen geniesst der Vorstand (Bureau) Portofreiheit für die Briefpostsendungen an die Wahlbehörde und an die Kommissionsmitglieder. Die Mitglieder solcher Kommissionen können nur mit dem Vorstand taxfrei korrespondieren und geniessen überdies Portofreiheit für den amtlichen Aktenwechsel unter sich. Dazu kommen noch besondere Vorschriften für die Schulkommissionen, die Schiesskommissionen und die selbständigen Sekretariate von Kommissionen. Bei den letztern muss jedesmal untersucht werden, ob der Sekretär jeweilen aus der Mitte der Kommission ernannt, oder ob er vom Staate oder von der Gemeinde mit fester Besoldung angestellt ist und somit die Eigenschaft eines Funktionärs der Gemeinde oder des Staates erhält.

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Namentlich die Portofreiheit des Militärs, wie sie gegenwärtiggeordnet ist, sowie diejenige der kantonalen und Gemeindeunternehmungen mit wirtschaftlichen oder Erwerbszwecken gibt fortwährend zu Meinungsverschiedenheiten und umfangreichen Schreibereien Anlass. Am besten wird man sich eine Idee von der Mannigfaltigkeit der Vorschriften machen können, wenn man in Betracht zieht, dass die Bestimmungen über die Portofreiheit in der Betriebsanleitung für die Poststellen nicht weniger als 31 grosse Druckseiten umfassen. Dazu kommen noch viele Spezialentscheide, die nicht allgemein bekanntgegeben werden, weil ihr Anwendungsgebiet ein beschränktes ist.

Bei dieser herrschenden Unsicherheit lässt das Postpersonal oft auch zweifelhafte Fälle unbeanstandet durch, weil es sich nicht der Anfechtung seitens einflussreicher Absender oder Adressaten aussetzen will.

So liefern denn die seit dem Inkrafttreten des Postgesetzes gemachten Erfahrungen einen neuen Beweis dafür, dass nur mit ·durchgreifenden Massnahmen der stets zunehmenden und auch der missbräuchlichen Inanspruchnahme der Portofreiheit gesteuert werden kann. Die Portofreiheit muss auf wenige genau umschriebene Fälle beschränkt werden; wenn nicht, so wird der Missbrauch trotz aller Vorsichtsmassregeln und Ausführungsbestiminungen weiter wuchern, und nicht nur der Bund erleidet dadurch eine immer grössere Einbusse, sondern auch, in moralischer Beziehung wird durch dieses Verhältnis Schaden gestiftet.

Im Jahr 1913 beförderte die Post den siebenzehnten, im Ausnahmsjahre 1914 sogar den siebenten Teil der gesamten Briefpost, die abonnierten Zeitungen nicht Inbegriffen, portofrei, d. h. ohne irgendwelche Entschädigung für ihre Leistungen zu erhalten. Dass dieses Verhältnis nicht fortbestehen kann, wenn auf der andern Seite verlangt wird, dass der Postbetrieb nach kaufmännischen Grundsätzen ausgebaut und abträglich gestaltet werden soll, bedarf keines besondern Nachweises.Behält man die Portofreiheit in ihrem jetzigen Umfang bei, so könnte, wie wir bereits erwähnten, die Notwendigkeit eintreten, das Publikum, den Handel und Verkehr zugunsten dieses Sonderrechts durch weitere Erhöhungen von Posttaxen noch mehr zu belasten, als es bereits geschehen ist. Wir glauben nicht fehl zu gehen, wenn wir annehmen, dass ein solches Vorgehen weit im Lande herum nicht
verstanden und auch nicht gebilligt würde.

Es ist vielfach die Meinung verbreitet, die Kantone hätten ein geschichtliches Anrecht auf die Portofreiheit. Wir haben bereits

138 in der Botschaft zum Postgesetz vom o. April 1910 (BundesbL 1907, I, 697) dargetan, dass für diese Meinung eine tatsächliche Grundlage mangelt. Durch die Bundesverfassung von 1874 wurden die Erträgnisse der Post ungeschmälert dem Bund zur Bestreitung seiner Auslagen zugewiesen. Aus den Protokollen der 12. und 13. Sitzung der Kommission des Verfassungsrates vom 4. und, 6. März 1871 für die Revision der Bundesverfassung von 1848, ferner aus denjenigen vom 9. und 10. November 1871 über die Verhandlungen des schweizerischen Nationalrates betreffend Revision der Bundesverfassung geht unzweideutig hervor, dass damals die Abschaffung der Portofreiheit bestimmt in Aussicht genommen worden ist. Wurde doch in der Berechnung des finanziellen Ausgleiches zwischen Bund und Kantonen diese Abschaffung mit einem Betrag von Fr. 250,000 eingestellt. Offenbar verzichtete man dann nur deshalb darauf, die Aufhebung der Portofreiheit in der Verfassung selbst festzulegen, weil man der Ansicht war, diese Neuerung sei Sache der nachfolgenden Gesetzgebung.

Den vorgenannten Protokollen entnehmen wir nachstehende Ausführungen in der Wiedergabe der jeweiligen Beratungsergebnisse : ,,Protokoll über die Verhandlungen der im Juli 1870 mit Vorberatung der Revision der Bundesverfassung vom 12. September 1M4.8beauftragten Kommission des schweizerischen Nationalrats.

12. Sitzung der Bundesrevisionskommission des Schweiz. Nationalrats. Bern, Samstag, den 4. März 1871.

,,Es blieben somit noch zu decken übrig 2,500,000 Fr., wofür neue Quellen aufgesucht werden müssten.

Diese Quellen glaube die Sektion zu finden : Erstlich in der Aufhebung der bisherigen Portofreiheit, was jedoch nur etwa 2 bis 300,000 Fr. abwerfen würde."

.,,Gegen die Aufhebung der Portofreiheit werde eingewendet, dass sie unvolkstümlich sei und den Fiskus der Kantone T wenn nicht erheblich, doch immerhin einigermassen belästige.

Hierauf sei aber zu erwidern, dass diese Massregel unbedenklich getroffen werden dürfe, wenn dafür als Gegenleistung das Militärwesen im ganzen vom Bunde übernommen werde.

Bekannt sei übrigens auch, welche Missbräuche mit dieser Portofreiheit gemacht werden, und wie sehr es an der Zeit erscheine, denselben endlich einmal ein Ziel zu setzen und damit einer eigentlichen Ungebühr ein Ende zu machen. tt

139 13. Sitzung der Bundesrevisionskommission des Schweiz. Nationalrats. Bern, Montag, den 6. März 1871.

n^iur Deckung sollen verwendet werden : Aufhebung der Portofreiheit mit Fr. 250,000.

,,Die Mehrheit der zweiten Sektion beantrage, diese Ausgaben zu decken teils aus den Einkünften, welche die Aufhebung -der Portofreiheit gewähren werde."

Protokoll über die Verhandhingen des Schweiz. Nationalrats Revision der Bundesverfassung 1871/1872.

betreffend

22. Sitzung des schweizerischen Nationalrats. Bern, Donnerstag, den 9. November 1871.

,,Zur Deckung dieser Summe .würden angewiesen : aus den Zöllen und aus den Posten (einschliesslich der Portofreiheit) und aus den Militärsteuern Fr. 5,250,000, so dass noch etwa zu decken wären Fr. 1,500,000."

.23. Sitzung des schweizerischen Nationalrats. Bern, Freitag, den 10. November 1871.

,,Hierfür werden aus den Zöllen und Posten, aus den Militärersatzsteuern und aus der aufgehobenen Portofreiheit 51/* Millionen Franken Einnahmen berechnet. Somit bleiben immer noch 23/
Nachdem die erste von den Räten ausgearbeitete Verfassungsrevision in der Volksabstimmung vom 12. Mai 1872 unterlegen war, wurde der Bundesrat durch Beschluss der eidgenössischen Räte vom 20./2l. Dezember 1872 eingeladen, ein neues Revisionsprojekt auszuarbeiten.

In der ,,Botschaft des Bundesrates an die h. Bundesversammlung betreffend Revision der Bundesverfassung" vom 4. Juli 1873, welche die neuen Revisionsvorschläge begleitete, findet sich folgende Stelle: ,, Bei der Postverwaltung nehmen wir nur eine Einnahm enerhöhung von Fr. 300,000 infolge der Aufhebung der -Portofreiheit in Aussicht, weil eben auch die Ausgaben einer wesentlichen Vermehrung unterliegen werden . . ."

Die Einstellung einer erhöhten Einnahme aus dem Post·betrieb als Folge der Aufhebung der Portofreiheit in die Berechnungen über die der Eidgenossenschaft aus der Übernahme der Militärausgaben erwachsenden Lasten und die ihr zu deren Deckung zu überlassenden Einkünfte wurde in der Folge weder in den Kommissionen der eidgenössischen Räte noch in den Räten

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selbst beanstandet, woraus geschlossen werden darf, dass die Aufhebung der Portofreiheit allgemein als eine Massnahmo betrachtet wurde, die zu Erörterungen nicht mehr Anlass geben könne.

Wenn dann auch in der Bundesverfassung von 1874 wiederum unterlassen wurde, die Abschaffung der Portofreiheit ausdrücklich zu erwähnen, ,so ergibt sich daraus keineswegs der Schluss, dass den Kantonen ein Recht auf Portofreiheit zustehe.

Es ist nun allerdings zu sagen, dass in unserer obgenannten Botschaft vom 25. Februar 1907 zum Entwurf des jetzigen Postgesetzes für die Kantone eine Entschädigung für die Aufhebung der Portofreiheit vorgesehen war. Wir glauben jedoch, dass von der Ausrichtung einer solchen Billigkeitsentschädigung gegenwärtig abgesehen werden müsse, und zwar einerseits mit Rücksicht auf die prekäre finanzielle Lage der Postverwaltung selbst und anderseits, weil die Abgabe von Postfreimarken an Anstalten, Gesellschaften und Vereine mit wohltätigen Zwecken nach unserem jetzigen Vorschlag beibehalten wird, während der ursprüngliche Entwurf zum jetzigen Postgesetz diese Vergünstigung^nicht vorsah.

Während die Kantone früher verpflichtet gewesen wären, diesen Institutionen einen Teil der erhaltenen Entschädigung abzutreten, hätten sie jetzt keine solche Verpflichtung mehr. Diese Lösung dürfte insofern den Kantonen besonders willkommen sein, als sich verschiedene ihrer Vertreter seinerzeit im Ständerat dahin äusserten, dass es eine schwierige und höchst undankbare Aufgabe für die Kantonsregierungen sein müsste, aus der für den Wegfall der Portofreiheit angebotenen Abfindungssumme die Anstalten, Vereine und Gesellschaften, die im Dienste der Armenpflege und Wohltätigkeit stehen, angemessen zu entschädigen.

Was sodann die Aufhebung der Portofreiheit für die eidgenössischen Behörden anbetrifft, so würde sie der Bundeskasse zwar keine neue Einnahme bringen, allein sie würde den Widerwillen bei den durch die Aufhebung betroffenen Amtsstellen in den Kantonen und Gemeinden brechen oder wenigstens herabmindern. Nachdem wir die Forderung aufgestellt haben, das Rechnungswesen bei den Regiebetrieben müsse so gestaltet werden, dass der wirkliche Ertrag klar erkenntlich sei, ist es geboten, dass jeder Zweig der eidgenössischen Verwaltung die durch ihn verursachten Auslagen selbst trägt.

Wir gestatten uns, für Art. 56 des Postgesetzes folgende neue Fassung in Vorschlag zu bringen : .,., Von der Entrichtung der Posttaxen sind befreit:

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a. die Offiziere und Mannschaften im aktiven Militärdienst.

c und im Instruktionsdienst : 1. für die uneingeschriebenen Briefpostsendungen, ausgenommen die Bilderkarten, bis zum Gewicht von 2 kg zu persönlichen oder dienstlichen Zwecken, 2. für die ein- und ausgehenden Postanweisungen bis zumBetrag von Fr. 100 zu persönlichen oder dienstlichen Zwecken ; b. die Behörden und Dienststellen der Post-, Telegraphenund Telephonverwaltungen für alle zur Postbeförderimg geeigneten Gegenstände, welche sie unter sich im Dienstverkehr versenden. Desgleichen sind taxfrei die in diesem Dienstverkehf aufgegebenen Telegramme und geführten Telephongespräche.11 Die Art. 57 und 58 werden aufgehoben.

Die neue Fassung von lit. a wurde im Einverständnis mit unserm Militärdepartement aufgestellt. Hierzu ist folgendes zu bemerken : Es kommt oft vor, dass im Militärdienst stehende Personen sich ihre Geschäftskorrespondenz übermitteln lassen, um sie portofrei befördern zu können. Diesem Missbrauch soll durch die Bestimmung, dass nur Gegenstände zum persönlichen oder dienstlichen Zweck taxfrei sind, entgegengetreten werden.

Als nicht zur persönlichen Korrespondenz gehörend werdendie Karten mit Bilderschmuck bezeichnet, die jetzt oft in grossen Mengen missbräuchlich zum Versand gebracht werden.

Ausgehende Postanweisungen bis zu Fr. 100 sollen portofrei sein, was bis jetzt nicht der Fall war. Es ist die Beobachtung gemacht worden, dass Soldaten einen Teil ihres Soldes an ihreAngehörigen abgeben. Für solche Sendungen soll die zum grossen Teil der weniger bemittelten Klasse angehörende Mannschaft keine Taxe zu bezahlen haben.

Lit. b ist unverändert aus dem jetzigen Gesetz hinübergenommen.

Art. 60 wird beibehalten. Er regelt die zeitweilige Bewilligung der Portofreiheit für die Beförderung von sogenannten Liebesgaben zur Linderung von Notständen und die Abgabe von Postfreimarken an Anstalten, Gesellschaften und Vereine, diesich mit Armenunterstützung befassen oder ähnliche wohltätige Zwecke verfolgen. Bei den Liebesgaben handelt es sich um eine vorübergehende, bestimmt abgegrenzte Portofreiheit. Die vorgenannten Anstalten usw. hinwieder beruhen auf Freiwilligkeit

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und betätigen sich durch freiwillige Beiträge. Eine Kontrolle ist hier leicht möglich. Der Höchstbetrag der durch die Verwaltung abzugebenden Bostfreimarken wird durch den von der Bundesversammlung jährlich zu genehmigenden Voranschlag festgesetzt.

Über die Berechtigung zum Bezüge von Postfreimarken bestehen in der bundesrätlichen Postordnung bestimmte Vorschriften. Die Bezüger haben ihrerseits alljährlich auf Grund dieser Vorschriften einen Ausweis zu leisten. Gegen allfällige Missbräuche kann somit jederzeit eingeschritten werden.

In der Botschaft von 1907 zum Entwurf eines neuen Postgesetzes wurde gestützt auf eingehende Erhebungen berechnet, dass 19,653,000 portofreie Briefpostsendungen einen Ausfall an Taxen von rund Fr. 1,306,000 bewirken. Wenn wir auch das Ausnahmsjahr 1914 ausser Betracht lassen, so betrug im Normaljahr 1913 die Zahl der portofreien Sendungen 19,284,000. Nun ist damit zu rechnen, dass im Fall der Aufhebung der Portofreiheit der Post gewisse Mitteilungen, für deren Beförderung sie jetzt in Anspruch genommen wird, nicht mehr übergeben würden. Auf rund Fr. 1,000,000 darf aber die Mehreinnahme mindestens geschätzt werden, wovon allerdings etwas über Fr. 300,000 auf die Sendungen der Bundesverwaltung entfallen, so dass sich für ·den eidgenössischen Fiskus eine reine Mehreinnahme von rund Fr. 700,000 ergeben würde.

Indem wir Ihnen den nachstehenden Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend Abänderung des Bundesgesetzes vom 5. April 1910 über das schweizerische Postwesen zur Annahme empfehlen, versichern wir Sie auch bei diesem Anlass unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 20. August 1915.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Motta.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmaim.

143 (Entwurf.)

Bimdesgesetz betreffend

Abänderung des Bundesgesetzes vom 5. April 1910 über das schweizerische Postwesen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 20. August 1915,

beschliesst: Das Bundesgesetz vom 5. April 1910 betreffend das schweizerische Postwesen (A. S. n. P. XXVI, 1015) wird abgeändert wie folgt; 1. Artikel 56 erhält nachstehende Fassung: Art. 56. Von der Entrichtung der Posttaxen sind befreit: a. die Offiziere und Mannschaften im aktiven Militärdienst und im Instruktionsdienst : für die uneingeschriebenen Briefpostsendungen, ausgenommen die Bilderkarten, bis zum Gewicht von 2 kg zu persönlichen oder dienstlichen Zwecken, für die ein- und ausgehenden Postanweisungen bis zum Betrag von 100 Franken zu persönlichen oder dienstlichen Zwecken ; b. die Behörden und Dienststellen der Post-, Telegraphenund Telephonverwaltungen für alle zur Postbeförderung geeigneten Gegenstände, welche sie unter sich im Dienstverkehr versenden. Desgleichen sind taxfrei die in diesem Dienstverkehr aufgegebenen Telegramme und geführten Telephongespräche.

2. Artikel 57 und Artikel 58 werden aufgehoben.

3. Der Bundesrat wird mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt und bestimmt den Beginn der Wirksamkeit desselben.

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Bundesblatt. 67. Jahrg. Bd. III.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Einschränkung der Portofreiheit. (Vom 20. August 1915.)

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